www.universos-mercatores-de-hansa-theutonicorum.org

Diese Webseite verwendet Cookies, um die  Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Durch die weitere Nutzung der  Webseite stimmen Sie dem zu. Weitere Infos zu Cookies und deren  Deaktivierung finden Sie  hier

Titelregister zu:

 

Kölner Wappen

Das Kölner Wappen existiert seit etwa 1000 Jahren. Es hat sich mehrfach in der Geschichte der Stadt Köln geändert und ziert heute viele Logos Kölner Institutionen. So ist es beispielsweise im Stadtadler der Stadtverwaltung und in vielen Unternehmen in der Kölner Wirtschaft zu finden.

Abgrenzung

Das hier gezeigte Wappen geht auf das Wappen der Freien Reichsstadt Köln (seit 1475) zurück. Die Wappen des (ehemaligen) Kurfürstentums und Erzstifts Köln sowie des Erzbistums Köln zeigen in Silber ein (häufig geständertes) schwarzes Balkenkreuz. Das Wappen des Erzbistums zeigt hinter diesem Schild noch ein Doppelkreuz, das Vortragekreuz eines Erzbischofs. Das Kurkölner Wappen ist heute noch ein Bestandteil vieler Kreis-, Stadt- und Ortswappen im Kölner Umland und in den ehemals kölnischen Gebieten Westfalens.

Symbolik

Blasonierung: Unter rotem Schildhaupt, darin drei goldene dreiblättrige Kronen in Reihe, in Silber 11 schwarze Flammen in drei Reihen (5:4:2). - Bis um 1550: Silber mit rotem Schildhaupt, darin drei goldenen dreiblättrigen Kronen in Reihe.

Köln war neben Lübeck Mitbegründerin der Deutschen Hanse, der Schild trägt daher die Farben der Hanse: Rot und Weiß. Die drei Kronen sind seit dem 12. Jahrhundert das Hoheitszeichen der Stadt und erinnern an die Heiligen Drei Könige (eigentlich Sterndeuter), deren Reliquien 1164 als Geschenk des Kaisers Friedrich I. Barbarossa nach Köln gebracht wurden.

Die elf schwarzen Tropfen (oder Flammen, in Köln spricht man von „Tränen“) zieren seit dem 16. Jahrhundert das Stadtwappen und erinnern an die Heilige Ursula, der Legende nach eine fromme Tochter des Königs der Bretagne, Maurus. Eigentlich stellen die Flammen Hermelinschwänze dar, die sich im alten Wappen der Bretagne befanden. Der Legende nach befand sich die Heilige Jungfrau Ursula zusammen mit ihren zehn jungfräulichen Gefährtinnen auf der Rückfahrt von einer Pilgerreise nach Rom. Möglicherweise war es der im Mittelalter aufgekommene Reliquienkult, der aus den elf Jungfrauen 11.000 (daher „Ursula und die 11.000 Jungfrauen“) werden ließ. Sie wurden bei Köln von Hunnen unter Attila ermordet. Über die Jahre wurden alle Gebeine, die in und um Köln gefunden wurden (in der Regel römische Grabmäler, die üblicherweise an Straßen angelegt wurden), zu den elf jungfräulichen Gebeinen gelegt, und somit hat Köln das größte Gebeinhaus nördlich der Alpen.

Das Wappen (der Wappenschild) wird eingefasst durch einen doppelköpfigen Adler mit Zepter und Schwert. Dieses Symbol des Heiligen Römischen Reiches, bei dem ein Adlerkopf jeweils für Kaiser- und Königsmacht stand, verkörpert den Status als Freie Reichsstadt, den Köln de jure 1475 erhielt (de facto bereits durch die Abschüttelung der Erzbischofsherrschaft durch die Schlacht von Worringen 1288).

Quellen

  • Deutsche Wappen - Bundesrepublik Deutschland, Stadler, K., 1964-1971, Angelsachsen Verlag, 8 Ausgaben
  • Heiko Steuer: Das Wappen der Stadt Köln, Köln, 1981, Greven Verlag

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Erzbistum Köln

Das Erzbistum Köln (lat.: Archidioecesis Coloniensis) ist eine römisch-katholische Diözese im Westen von Nordrhein-Westfalen und im nördlichen Rheinland-Pfalz. Es ist eines der ältesten und mit rund 2,14 Millionen Katholiken im Diözesangebiet (Stand: 31. Dezember 2008) das größte der Bistümer des deutschsprachigen Raums. Das Erzbistum Köln bildet zusammen mit den Suffraganbistümern Aachen, Essen, Limburg, Münster und Trier die Kirchenprovinz Köln, deren Metropolit der Kölner Erzbischof ist. Seit 1989 wird dieses Amt von Joachim Kardinal Meisner bekleidet. Kathedrale des Erzbistums Köln ist der Kölner Dom.

Geschichte

Anfänge

Das Erzbistum Köln geht auf die frühchristliche Gemeinde der Stadt zurück. Zu dieser Zeit war Köln römisch und die ersten Christen mussten sich wohl im Untergrund versammeln. Der Lyoner Bischof Irenäus erwähnt in seiner Schrift „Gegen die Häretiker“ (Adversus haereses) Christen, die in Germanien leben. Daraus wird oft auch auf Christengemeinden in den Provinzhauptorten Köln und Mainz geschlossen. Der erste belegbare Bischof von Köln war der Hl. Maternus um 313. Der erste Bischof mit fränkischem Namen war Hl. Evergislus (Eberigisil) im 6. Jahrhundert. Seit ca. 795 führten die Bischöfe von Köln den Titel eines Erzbischofs.

Mittelalter

Erzbischof Rainald von Dassel überführte im Jahr 1164 die Gebeine der Hl. Drei Könige nach Köln. Mit diesem Ereignis wurde Köln zu einem der bedeutsamsten Wallfahrtsorte der christlichen Welt. Auch die Vielzahl der anderen „Kölner Heiligen“ wie z.B. die Hl. Ursula und der Heilige Gereon trugen dazu bei, dass Köln fortan den Titel „Sancta“ (heilig) im Stadtnamen trug. Der volle Titel Kölns war „Sancta Colonia Dei Gratia Romanae Ecclesiae Fidelis Filia“ – Heiliges Köln, von Gottes Gnaden der Römischen Kirche getreue Tochter.

Der alte karolingische Dom war den Pilgermassen und der Bedeutung des Erzbistums bald nicht mehr gewachsen, und so wurde im Jahr 1248 von Erzbischof Konrad von Hochstaden der Grundstein für den neuen gotischen Dom gelegt.

Im Verlauf der Zeit hatten die Erzbischöfe von Köln als weltliche Herrscher des Erzstifts Kurköln immer mehr Unstimmigkeiten mit den Kölner Bürgern. Den Gipfel fanden diese im Zuge des limburgischen Erbfolgekrieges im Jahr 1288 mit der Schlacht von Worringen; die Kölner Bürger hatten sich auf die Seite der Gegner ihres Erzbischofs geschlagen. Die Erzbischöfe verloren als Ergebnis der Schlacht die weltliche Macht über die Stadt Köln. Den fortgesetzten Anspruch auf die Stadt symbolisierte man allerdings weiter gern, etwa indem man in Urkunden unverdrossen von „unserer Stadt Köln“ sprach. Auch behielten die Kölner Erzbischöfe Reservatrechte über die Stadt, vor allem die Hochgerichtsbarkeit. Mehr oder minder permanenten Streitigkeiten über Kompetenzen innerhalb Kölns waren damit zwar über einen langen Zeitraum Tür und Tor geöffnet. De facto aber blieben die Erzbischöfe, zumindest in ihrer Eigenschaft als weltliche Territorialfürsten, Fremde in der Reichsstadt, die an deren Schlagbäumen auf ebenso sinnfällige Weise um Zugang zu bitten hatten.

Der Kölner Erzbischof war bis 1803 einer der Kurfürsten des Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.

Die Reformationszeit

Während die kirchliche Struktur im Großraum des Erzbistums Köln schon um das Jahr 1000 ausgebildet war und über das Mittelalter hinweg weitgehend konstant blieb, brachte die neuzeitliche Geschichte eine Reihe recht komplizierter Veränderungen mit sich. Zu deren Verständnis muss man sich den Umstand vor Augen halten, dass „Köln“ mit der Reichsstadt, dem weltlich regierten kleineren Erzstift und dem kirchlich verwalteten Erzbistum begrifflich drei unterschiedliche Bezugsgrößen bezeichnet, die allerdings historisch vielfach miteinander verflochten waren.

Die reformatorische Entwicklung war am Kölner Erzbistum im 16. Jahrhundert noch vergleichsweise unmerklich vorbeigegangen: Wohl nicht viel mehr als rund ein Zehntel der Pfarreien wechselte vom katholischen zum evangelischen, das heißt lutherischen oder reformierten Bekenntnis. Dabei handelte es sich teils um solche Orte, die aus eigenem Antrieb und gegen den erklärten Willen des Landesherrn vom katholischen Glauben abrückten wie beispielsweise Wesel oder Soest. Teils aber gab erst das spätere konfessionspolitische Einwirken der Landesherren im Sinne des sog. Landesherrlichen Kirchenregiments den Ausschlag für eine religiöse Umorientierung. Dass die Herzöge von Kleve, die bis zu ihrem Aussterben 1609 und der nachfolgenden Landesteilung Jülich, Kleve, Berg, Mark und Ravensberg beherrschten, nicht (oder nicht offen) zur evangelischen Kirche übertraten, sollte sich allerdings als stabilisierend für das Erzbistum Köln erweisen, das diese Territorien fast ganz umspannte. Erst als Brandenburg-Preußen 1609 das Herzogtum Kleve und später Moers an sich nahm, regierte in einem zum Erzbistum Köln gehörigen Gebiet eine protestantische Dynastie, die die katholische Gegenreformation zu blockieren bestrebt war.

Die komplizierten, durch ein mächtepolitisches Patt verursachten Konfessionsverhältnisse in den 1609 zwischen Brandenburg-Preußen und Pfalz-Neuburg aufgeteilten Territorien sind in der Folge vor dem Hintergrund des Jülich-Klevischen Erbfolgestreits (1609–1666) zu sehen. An dessen Ende galten wechselseitige Duldungsbestimmungen für die katholische, lutherische und reformierte Konfession, die – ob aus seiner Sicht positiv oder negativ – jedenfalls außerhalb des Zugriffs des Kölner Erzbischofs lagen: Er sah sich in seinem Wirkungskreis ganz auf sein kleines weltliches Herrschaftsgebiet verwiesen, das mit Ausnahme von Linz am Rhein links des Rheins lag. Angesichts der überaus starken Stellung der Landstände war er allerdings in seiner Regierungsfähigkeit seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts stark beschränkt.

Es ließe sich somit in bewusster Überspitzung behaupten, dass der Kölner Erzbischof seit dem Spätmittelalter sowohl als weltlicher Fürst als auch als kirchlicher „Hirte“ zu einem wirksamen Handeln unfähig war, wobei nicht selten persönlich wenig geeignete Bischofspersönlichkeiten am wenigsten geeignet schienen, die strukturell widrigen Umständen in der Bistumsverwaltung in den Griff zu bekommen.

Die Rücktritte zweier Bischöfe (Friedrich von Wied und Salentin von Isenburg) und, wichtiger noch, die Reformationsversuche durch Hermann V. von Wied 1543 und Gebhard Truchseß von Waldburg 1582 hinterließen keine wirklich langfristigen Folgen für das Erzbistum. Die Neigungen Hermanns und, mehr noch, Gebhards wurden trotzdem von der Gegenseite als äußerst gefährlich empfunden. Der katholischen Fraktion im Reich stand mit der möglichen Protestantisierung des Erzbistums nämlich nicht zu Unrecht ein Kippen der Konfessionsverhältnisse auf breiter Ebene vor Augen: Da der Kölner Kurfürst eines von sieben Voten bei der Wahl des Kaisers besaß, schien sogar langfristig ein protestantisches Kaisertum mit ungeahnten Folgen für das gesamte Herrschaftsgefüge auf europäischer Ebene möglich.

Die „bayerische Herrschaft“ (1583–1761)

Die relative konfessionelle Stabilität des Erzbistums Köln angesichts einer anderswo rapiden Protestantisierung ist angesichts dessen vor dem Hintergrund übergreifender politischer Interessen zu sehen. Dass „die Rheinländer“ im 16. und 17. Jahrhundert mehrheitlich katholisch blieben, lag somit nicht daran, dass sie besonders glaubensstark bzw. gegenüber der Reformation grundsätzlich abgeneigt gewesen wären. Vielmehr erwiesen sich die um die Mitte des 16. Jahrhunderts verbliebenen katholischen Mächte (namentlich die Kurie, Spanien bzw. das Haus Habsburg, die bayerischen Wittelsbacher im Verband mit einer Reihe kleinerer, auf die Versorgungsstellen in den Domkapiteln angewiesener Dynastien) als durchsetzungsstark.

Vor allem wurde die Vorherrschaft des Katholizismus im Westen dauerhaft dadurch gestärkt, dass es die bayerischen Wittelsbacher seit dem späten 16. Jahrhundert verstanden, sich eine Art Daueranwartschaft auf die Fürstbistümer des westdeutschen Raums – und damit auch Kölns – zu sichern. Konkret heißt das, dass die Wittelsbacher Herzöge bzw. (ab 1623/1648) Kurfürsten Einfluss auf die 24 wahlberechtigten Domkapitulare ausübten – oder missliebige (protestantische) Domkapitulare kurzerhand aus dem Amt entfernten („entsetzten“). Sie sicherten sich damit Wahlergebnisse in ihrem kirchenpolitischen Sinne. Nicht übersehen darf man dabei die enorme Bedeutung des Bischofsamts für die standesgemäße Versorgung der jüngeren, für den geistlichen Stand vorgesehenen Söhne: Für das seit dem späteren 16. Jahrhundert kinderreiche Haus Bayern-München galt dies um so mehr, als die dynastischen Hausgesetze seit 1505 im Sinne des Primogeniturprinzips eine Teilung der eigenen Lande unter den nachgeborenen Söhne unterbanden.

Hier im Rheinland wie anderswo auch wurden die religiösen Verhältnisse also unter dem Strich nicht durch die freie Entscheidung der Untertanen, sondern durch die teils politisch, teils konfessionell motivierten Weichenstellungen der jeweiligen Territorialherren vorgegeben.

Die Bistumsreform 1559

Die kölnische Kirchenorganisation in der Frühen Neuzeit wurde in erster Linie durch administrative Einschnitte verändert. Einen ersten zog die Auseinandersetzung zwischen Spanien und seinen niederländischen Provinzen in der unmittelbaren Nachbarschaft des Erzbistums mit sich. Der in den Niederlanden regierende König Philipp II. nämlich setzte 1559 bei Papst Paul IV. eine grundstürzende Neugestaltung der Bistumsstruktur in der Region durch. Vorgeblich ging es Philipp darum, den um sich greifenden Protestantismus mit geeigneten kirchenpolitischen Mitteln zu bekämpfen. Allerdings hatten die Habsburger unverkennbar starke hauspolitische Interessen im Nordwesten des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation, die sie mit einer verstärkten Kontrolle auch des kirchlichen Apparats zu befestigen hofften. In den Niederlanden hatten bis dahin nur sechs, relativ große Bistümer existiert, deren Zahl auf Veranlassung Philipps nun durch Teilungen und Neugründungen auf 19 erhöht wurde. Dabei wurde ein bis 1801 fortlebendes Bistum Roermond gegründet, in das Pfarreien des Erzbistums Köln im Bereich von Nijmegen und der Flüsse Maas und Niers im sog. Oberquartier Geldern abgezweigt wurden. Das Kölner Suffraganbistum Utrecht wurde verhältnismäßig noch stärker verkleinert und aus der Kölner Kirchenprovinz ganz herausgelöst, immerhin aber (wie Mechelen und Cambrai) zum Erzbistum erhöht. Auch andere Kölner Suffragane wie Münster erlitten 1559 Einbußen, die sich aus der Sicht der regierenden Fürstbischöfe in erster Linie durch den Ausfall von Gebühren wie z. B. bei Pfarrerbestallungen (Einsetzungen) bemerkbar machten.

Die Revolutionszeit (1794–1813)

Durch die Besetzung des gesamten linksrheinischen Raums durch französische Truppen bis zum Oktober 1794 und ihr weiteres Ausgreifen auf den rechtsrheinischen Raum erlebte das Erzbistum Köln innerlich wie äußerlich einen Niedergang: Nicht nur in der radikalen jakobinischen Phase der Französischen Revolution, sondern auch zur Zeit des Direktoriums von 1795 bis 1799 wurde der katholische Kultus in den besetzten Gebieten wie in Frankreich selbst massiv unterdrückt. Erst Napoléon Bonaparte setzte der Bekämpfung des Christentums ein Ende, wobei ihn nicht Toleranz, geschweige denn religiöse Überzeugung leitete, sondern das Kalkül, sich als Wiederhersteller eingewurzelter Traditionen profilieren zu können. Wichtig in diesem Zusammenhang ist u. a. die Rückkehr zum Gregorianischen Kalender und die Veröffentlichung eines sog. Reichskatechismus 1806.

Politische Konzessionen gedachte Napoleon gegenüber der im Untergang befindlichen Reichskirche aber nicht zu machen: Nachdem durch den Frieden von Lunéville am 9. März 1801 der gesamte linksrheinische Raum staatsrechtlich an Frankreich gefallen war, löste Napoleon das Erzbistum Köln für seine linksrheinisch-französischen Teile im Zuge einer Neuordnung der Bistumsstruktur umstandslos auf, womit er einer über tausendjährigen kirchengeschichtlichen Tradition im Rheinland ein Ende setzte. Als Ersatz für Köln kreierte er ein Bistum Aachen unter der bischöflichen Leitung seines Gefolgsmanns Marc-Antoine Berdolet, das dem Erzbistum Mechelen als Suffragan unterstellt war. Dass derlei Maßnahmen von herrschaftspolitischen Motiven getragen waren, schließt allerdings nicht aus, dass Napoleon wie im weltlichen so auch im kirchlichen Bereich anerkennenswerte Reformen (etwa im Bereich der Pfarrfinanzierung) in die Tat umsetzte.

Preußische Zeit (ab 1815)

Mit dem Ende der napoleonischen Herrschaft über den deutschen Westen 1814/1815 kam es zu einem abermaligen Umbau der kirchlichen Verhältnisse: Mit dem 1821 geschlossenen Staatskirchenvertrag zwischen der Kurie und Preußen, das auf dem Wiener Kongress 1815 die Herrschaft im beinahe gesamten Rheinland angetreten hatte, und der Zirkumskriptionsbulle De salute animarum (16. Juli 1821) wurde das Bistum Aachen wieder aufgelöst, Köln dagegen wieder belebt. Die vormals Aachener kirchlichen Gebiete wurden nun zwischen Köln und Münster auf eine Art und Weise verteilt, die mehr Preußens administrativen Bedürfnissen als den kirchengeschichtlichen Traditionen entsprach: Der Kölner Sprengel umfasste die Regierungsbezirke Köln, Aachen und Düsseldorf, wurde also staatlichen Distrikten angeglichen. Am nördlichen Niederrhein, in dem sich uralte kölnische Traditionsorte wie beispielsweise Xanten oder Kempen befanden, wurde der allerdings kurzlebige preußische Regierungsbezirk Kleve mit den dort versammelten Pfarreien dem Bistum Münster einverleibt. Dessen Dekanate Kleve, Wesel, Recklinghausen und Warendorf bilden noch heute die Grenze zum Erzbistum Köln, dem 1957 errichteten Bistum Essen und dem später zum Erzbistum erhobenen Paderborn im Osten.

Das große Entgegenkommen Preußens gegenüber der Kurie bei der Wiedereinrichtung des Kölner Erzbistums, wird als Ursache der in den folgenden Jahrzehnten aufgetretenen Konflikte zwischen Staat und Kirche am Rhein gesehen.

Deren zentrales Ereignis waren die Kölner Wirren. Als deren Höhepunkt gilt die 1837 durch den Preußischen Staat erfolgte Verhaftung des ultramontan gesinnten Kölner Erzbischof Clemens August Droste zu Vischering. Es ging um den rechtlichen Status interkonfessioneller Ehen, den Droste zu Vischering nicht akzeptierte. Die anschließende zweijährige Festungshaft des Bischofs sorgte dann für eine grundlegende Verhältnisbestimmung zwischen Preußischem Staat und Katholischer Kirche. Viele Historiker sehen in diesem Ereignis bereits den Beginn des Kulturkampfs im späteren Deutschen Kaiserreich. In den sog. „res mixtae“, denjenigen Bereichen, deren Regelung von beiden Seiten beansprucht wurde (Schulwesen, Eheschließung und -gerichtsbarkeit u. a.m.), setzte Preußen damit die Trennung zwischen Staat und Kirche durch.

20. und 21. Jahrhundert

Im 20. Jahrhundert erfuhr das Erzbistum Köln durch die Abtrennung des 1930 wieder gegründeten Bistums Aachen im Westen und die Einrichtung des flächenmäßig kleinen, aber an Einwohnern zahlreichen „Ruhrbistums“ Essen 1956 abermals Veränderungen. Im Zuge der Eingemeindung der damaligen Stadt Kettwig nach Essen bzw. Mülheim im Jahre 1975 weigerte sich der Kölner Erzbischof Joseph Kardinal Frings die Stadt mit ihren hohen Kirchensteuereinnahmen an das Ruhrbistum abzugeben. Kardinal Meisner stattete daher zu Beginn seiner Amtszeit sowohl der damaligen Essener als auch der damaligen Mülheimer Oberbürgermeisterin einen Antrittsbesuch ab.

2005 war das Erzbistum Köln Ausrichter des 20. Weltjugendtags.

Seit 1954 unterhält das Erzbistum Köln auf Initiative des damaligen Erzbischofs Joseph Kardinal Frings eine Bistumspatenschaft mit dem Erzbistum Tokio. Eine zweite Bistumspartnerschaft wurde unter Erzbischof Joachim Kardinal Meisner mit dem Bistum Dresden-Meißen begründet.

Die ökonomische Bedeutung des Erzbistums betreffend, bezeichnete sich Köln in seiner Selbstdarstellung als „an der Spitze der Diözesen in Deutschland“ stehend und „weltweit zu den Bistümern mit dem größten Haushaltsvolumen“ (680 Millionen Euro 2004) gehörend. Gleichwohl übersteigen die Ausgaben die Einnahmen bei weitem. Die Situation in Köln erscheint zwar nicht so prekär wie anderswo; beträchtliche Ausgabenkürzungen gelten aber als unumgänglich. Für 2010 wird ein Defizit von 45,6 Millionen erwartet. Dennoch will das Erzbistum stark investieren, vor allem in Kindertagesstätten ("Kitas") und die Sanierung von Schulgebäuden.[1]

Das Erzbistum Köln unterhält ein sog. "Stiftungszentrum". Es kümmert sich u.a. um Zuwendungen von Lebenden (Schenkung oder Verstorbenen (Nachlass) an das Erzbistum oder an Institutionen, die zum Erzbistum gehören.[2]

Bistumsgeographie

Bistumsumfang

Das Erzbistum umfasst in Nordrhein-Westfalen die kreisfreien Städte Köln, Bonn, Düsseldorf, Leverkusen, Remscheid, Solingen und Wuppertal, den östlichen Teil des Kreises Euskirchen (Städte Bad Münstereifel [einschließlich der Ortschaften Embken, Muldenau und Wollersheim der Stadt Nideggen], Euskirchen, Zülpich, die Gemeinde Weilerswist und die östlichen Ortschaften der Stadt Mechernich), den Kreis Mettmann einschließlich der ehemaligen Stadt Kettwig (Essen) sowie der Stadtteil Mülheim-Mintard, den Oberbergischen Kreis, den größten Teil des Rhein-Kreises Neuss (Städte Dormagen, Grevenbroich, Kaarst, Neuss, die Gemeinde Rommerskirchen sowie den Ortsteil Büderich der Stadt Meerbusch und die Ortsteile Glehn und Steinforth-Rubbelrath der Stadt Korschenbroich), den Rhein-Erft-Kreis, den Rhein-Sieg-Kreis und den Rheinisch-Bergischen Kreis.

Zudem gehören ihm in Rheinland-Pfalz Teile des Landkreises Altenkirchen (Verbandsgemeinden Altenkirchen [ohne die Ortsgemeinde Berod bei Hachenburg], Hamm (Sieg), Wissen und Flammersfeld [nördlich der Wied] und die Ortsgemeinde Friesenhagen) sowie der Norden des Landkreises Neuwied (Verbandsgemeinde Unkel und die Ortsgemeinden Asbach, Buchholz (Westerwald) sowie Windhagen) an.

Bistumsgliederung

Das Erzbistum Köln gliedert sich in acht Kreis- und acht Stadtdekanate. Der Rhein-Sieg-Kreis ist in ein rechts- und ein linksrheinisches Kreisdekanat, der Rhein-Kreis Neuss in ein Kreis- und ein Stadtdekanat Neuss gegliedert.

  • Stadtdekanate Dekanate
  • Bonn Bonn-Mitte/Süd, Bonn-Nord, Bonn-Bad Godesberg, Bonn-Beuel
  • Düsseldorf D-Mitte/Heerdt, D-Nord, D-Süd, D-Ost, D-Benrath
  • Köln Deutz, Dünnwald, Ehrenfeld, Lindenthal, Mitte, Mülheim, Nippes, Porz, Rodenkirchen, Worringen
  • Leverkusen ---
  • Remscheid ---
  • Solingen ---
  • Wuppertal
  • Kreisdekanate Dekanate
  • Altenkirchen ---
  • Euskirchen Euskirchen
  • Mettmann Hilden, Langenfeld/Monheim, Mettmann, Ratingen,
  • Oberbergischer Kreis Gummersbach/Waldbröl, Wipperfürth
  • Rhein-Erft-Kreis Bedburg, Bergheim, Brühl, Erftstadt, Frechen, Hürth, Kerpen, Pulheim, Wesseling
  • Rhein-Kreis Neuss Grevenbroich/Dormagen, Neuss/Kaarst
  • Rheinisch-Bergischer Kreis Altenberg, Bergisch Gladbach, Overath
  • Rhein-Sieg-Kreis Bornheim, Eitorf/Hennef, Königswinter, Lohmar, Neunkirchen, Meckenheim/Rheinbach, Siegburg/Sankt Augustin, Troisdorf

Mehrere Pfarrgemeinden sind jeweils zu einem Seelsorgebereich mit gemeinsamem Pfarrer und gemeinsamem Seelsorgeteam zusammengeschlossen .

Erzbischof

Der Erzbischof von Köln war im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit von Amts wegen Kurfürst und Erzkanzler per Italiam des Reiches sowie (seit 1180) Herzog von Westfalen. Die weltlichen Herrschaftsgebiete des Kurerzbischofs waren als Kurköln bis 1803 Bestandteil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.

In seiner kirchlichen Funktion ist der Erzbischof von Köln noch heute Metropolit der Rheinischen Kirchenprovinz. Seit dem 13. Jahrhundert trägt er den Titel eines geborenen apostolischen Legaten. Stets dem Kardinalskollegium angehörend, ist er der erste der deutschen Bischöfe, wenngleich der Erzbischof von Salzburg (Österreich) Primas Germaniae ist.

Zu den Erzbischöfen von Köln zählte eine Reihe intellektuell wie kirchenpolitisch herausragender Gestalten. So war der Kölner Kardinal-Erzbischof Johannes von Geissel der „Erfinder“ der Bischofskonferenz und der Kardinal-Erzbischof Joseph Höffner der „Begründer“ der modernen Finanzverwaltung des Apostolischen Stuhles und des Vatikanstaates. Im 16. Jahrhundert war die konfessionelle Haltung der Kölner Erzbischöfe teils zwiespältig. Vom 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts dominierte auf dem Kölner Erzstuhl der Typus des Simonisten, d. h. des auf die Sammlung möglichst zahlreicher lukrativer und standesadäquater kirchlicher Pfründen erpichten Hochadeligen. Der pastorale Aspekt trat mitunter deutlich zurück, was schon daran erkennbar ist, dass mancher Bischof nicht sämtliche oder auch nur die niedrigsten Weihen einholte, um sich den Rückzug in den weltlichen Stand offen zu halten.

Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts tat sich mit Maximilian Franz von Österreich eine im Reformdiskurs des Aufgeklärten Absolutismus herausragende Persönlichkeit hervor, deren Wirken aber durch innere Hemmnisse im Kurstaat und natürlich durch die Rheinlandbesatzung der französischen Revolutionstruppen blockiert wurde. Im 19. Jahrhunderts exponierten sich die Kölner Erzbischöfe in den Auseinandersetzungen mit dem preußischen Staat (s.o.). Seit dem frühen 20. Jahrhundert taten sie sich vor allem auf dem Gebiet der Weltkirche hervor. Joseph Kardinal Frings durchbrach die kuriale Vormundschaft und verschaffte damit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine starke Wirkmöglichkeit. Joseph Höffner war ein enger Berater Papst Paul VI. und Papst Johannes Paul II.. Auch Kardinal Joachim Meisner war ein enger Freund Papst Johannes Paul II. und fungierte als sein persönlicher Ratgeber. Doch erkennt man die weltkirchliche Bedeutung der Kölner Erzbischöfe an ihrer Haltung zu sozialen Fragen. So vermochten sie eine konfessionsübergreifende Haltung in Gewerkschaftsfragen durchzusetzen, wie auch nationale und internationale Hilfswerke zu begründen, welche die Grundlage heutiger päpstlicher Hilfswerke bilden.

Die Bedeutung des Erzbischofs von Köln spiegelt sich in der Mühsamkeit bei der Besetzung des Kölner Erzstuhles wider. Im 19. Jahrhundert hatten (preußischer) Staat und Kirche ein meist konkurrierendes Interesse daran, ihren Kandidaten durchzusetzen, da diesem in nationalen Kirchenfragen eine herausragende Stellung zukam. Dies war in der Geschichte oftmals ein Tauziehen, bei dem die die Belange der Erzdiözese selbst in den Hintergrund gerückt wurden. Domkapitular Trippen beschreibt dies in seinem Buch über die Kölner Erzbischofswahlen sehr beeindruckend. Und auch heute ist es noch so, dass die Besetzung des Kölner Erzstuhls stets ein Politikum ist.

Der Erzbischof von Köln ist nicht nur der Bischof einer der ältesten Diözesen Deutschlands, sondern auch Apostolischer Legat. Selbst wenn der Kölner Erzbischof kein Kardinal ist, so trägt er Purpur, dann allerdings das Purpur der Legaten. Als "Legatus natus" steht er im Rang eines Nuntius.

Frühere Bischöfe

  • Karl Joseph Kardinal Schulte (1920–1942)
  • Joseph Kardinal Frings (1942–1969)
  • Joseph Kardinal Höffner (1969–1987)

Das Erzbistum Köln hatte neben dem Erzbischof vier Weihbischöfe, seit 2004 noch drei. Durch den Bevölkerungsrückgang und das Ansteigen des Durchschnittsalters der Bevölkerung ging auch die Zahl der bischöflichen Amtshandlungen zurück. So ist z. B. seit den 1980er Jahren die Anzahl der Firmungen von über 20.000 im Jahr auf unter 10.000 gefallen.

Kirchliches Leben

Das kirchliche Leben des Erzbistums Köln ist städtisch geprägt, da auch die ländlichen Gebiete auf die Großstädte der Rheinschiene und des Wuppertales hin ausgerichtet sind. Es gibt im Erzbistum ein lebendiges Wallfahrtswesen und ein reges Vereinsleben. Fast in jeder Pfarrgemeinde existieren Jugendgruppen, die Katholischen Frauengemeinschaft (kfd), eine Schützenbruderschaft oder eine Kolpingsfamilie. Die Zahl der Mitglieder von Kirchenchören und Messdienern wird für 2004 mit jeweils über 30.000 angegeben. Der sonntägliche Messbesuch liegt bei 12,0 % der Kirchenmitglieder.

Die Mitverantwortung der Christen erfolgt durchgängig durch flächendeckend gewählte Pfarrgemeinderäte auf der Ebene der einzelnen Seelsorgebereiche und Dekanate bis zum Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Kön.

Selbstverständnis

Zentrales Identifikationsmerkmal der Katholiken im Erzbistum Köln ist der 1880 fertig gestellte Kölner Dom. Der Kölner Dompropst Dr. Norbert Feldhoff sagte zum Besuch von Papst Benedikt XVI. des Kölner Domes: „Wir danken Ihnen für diesen Besuch und es erfüllt uns mit Stolz, dass der Kölner Dom die erste Kathedrale außerhalb des Bistums Rom ist, die Sie als Papst besuchen. In Kölner ‚Bescheidenheit‘ halten wir dies für angemessen, weil der Dom des heiligen Petrus in Köln die Bischofskirche der ‚Ecclesia Coloniensis semper sedis Apostolicae fidelis filia‘ ist.“

Die Ecclesia Coloniensis findet ihre sinnfällige Einheit im Kölner Dom und einer Geschichte, die nach außen hin von Traditionalität und Glaubenseinheit zeugt. Die Aufnahme reformatorischen Gedankenguts im 16. oder etwa des romkritischen Febronianismus im späteren 18. Jahrhundert zeigt allerdings, dass auch die Kölner Kirche schon in der vormodernen Zeit durchaus nicht immer unverbrüchlich an der Seite der Kurie stand.

Patrone

  • Heilige Drei Könige
  • Gereon von Köln (2. Patron von Köln)
  • Pantaleon
  • Severin von Köln
  • Ursula von Köln (1. Patronin von Köln)
  • Quirinus von Neuss (Mitpatron des Erzbistums)

Wallfahrtsstätten

  • Hl. Drei Könige in der Hohen Domkirche in Köln
  • Schwarze Mutter Gottes von Köln in St. Maria in der Kupfergasse
  • Gräber der Seligen Adolph Kolping und Johannes Duns Scotus, Minoritenkirche in Köln
  • Gnadenbild der Mutter Gottes in St. Mariä Geburt, Grevenbroich
  • Maria, Königin des Friedens in Velbert-Neviges
  • Rosa Mystica in Swisttal-Buschhoven
  • St. Johann Baptist mit Wallfahrt zu Maria, Zuflucht der Sünder in Bruchhausen
  • Zur Schmerzhaften Mutter in Hennef-Bödingen
  • Zur Schmerzhaften Mutter in Marienthal (Westerwald)
  • St. Mariä Heimsuchung in Marienheide
  • Apostel Judas Thaddäus in Königswinter-Heisterbacherrott
  • Michaelskapelle auf dem Michelsberg bei Bad Münstereifel
  • Gezelinkapelle (Leverkusen-Alkenrath)
  • Zum Hl.Quirinus von Rom im Quirinusmünster in Neuss
  • Die freudenreiche Mutter Gottes in Köln-Stammheim

Kultur und Sehenswürdigkeiten

  • Altenberger Dom in Odenthal-Altenberg
  • Bonner Münster
  • Kölner Dom
  • Quirinusmünster Neuss
  • Nevigeser Wallfahrtsdom von Gottfried Böhm in Velbert-Neviges

Persönlichkeiten

  • Albertus Magnus, Dominikaner (* um 1200 in Lauingen; † 15. November 1280 in Köln), Kirchenlehrer, 1931 heilig gesprochen
  • Johannes Duns Scotus, Franziskaner (* um 1266 in Duns, Schottland; † 8. November 1308 in Köln), 1993 selig gesprochen
  • Adolph Kolping (* 8. Dezember 1813 in Kerpen; † 4. Dezember 1865 in Köln), 1991 selig gesprochen
  • Edith Stein (* 12. Oktober 1891 in Breslau; † 9. August 1942 in Auschwitz), 1933 als Schwester Benedicta a Cruce in Köln in den Karmeliterorden eingetreten, 1998 heilig gesprochen
  • Joseph Kardinal Frings (* 6. Februar 1887 in Neuss; † 17. Dezember 1978 in Köln), Erzbischof 1942–1969
  • Liste der Kölner Erzbischöfe und Bischöfe
  • Liste der Kölner Weihbischöfe
  • Liste der Kölner Generalvikare
  • Liste der Kölner Offiziale

Domkapitel

Das Kölner Domkapitel, Hohes Metropolitan-, Kathedral- und Domkapitel zu Köln, zählt 16 Mitglieder, wovon vier nicht am Dom leben und als „Nichtresidierende Domkapitulare“ bezeichnet werden. An der Spitze des Kapitels stehen ein Dompropst, den das Domkapitel wählt, und ein Domdechant, den der Erzbischof ernennt. Die Domkapitulare werden durch den Erzbischof von Köln ernannt, wobei er im Wechsel einmal auf Vorschlag des Kapitels ernennt und dann wieder nach Anhörung desselben. Hausherr der Kathedrale ist in Köln das Domkapitel und nicht der Erzbischof. Es wählt nach dem Tod oder dem Rücktritt einen neuen Erzbischof und unterstützt den Erzbischof bei der Verwaltung des Bistums. Die Kleidung der Domkapitulare besteht aus einer violetten Soutane, und einer violetten Mozetta. Darauf tragen sie einen Stern (Domkapitularsstern) an einer goldenen Kette. Residierende Domkapitulare sind derzeit: Dompropst Dr. jur. utr. Norbert Feldhoff (1975/2004), Domdechant Johannes Bastgen (2003), Dr. jur. can. Günter Assenmacher (2004), Weihbischof Dr. theol. Heiner Koch (1998), Weihbischof Manfred Melzer (1998), Weihbischof Dr. theol. Rainer Woelki (2003), Prof. Dr. theol. Norbert Trippen (1986), Dr. theol. Robert Kümpel (1987), Dr. theol. Dominik Schwaderlapp (2004), Josef Sauerborn (2004), Gerd Bachner (2005), Hans-Josef Radermacher (2006)

Nichtresidierende Domkapitulare: Dr. theol. Johannes Westhoff, Winfried Auel (2004), Rolf Steinhäuser (2005), Anno Burghof (2008)

Emeritierte Domkapitulare: Weihbischof Dr. theol. Klaus Dick (Domdechant em. 2003), Ludwig Schöller (em. 2004), Heinrich Barlage (em. 2005), Gottfried Weber (em. 2005)

Literatur

  • Wilhelm Neuss, Friedrich Wilhelm Oediger: Das Bistum Köln von den Anfängen bis zum Ende des 12. Jahrhunderts. Köln 1964 (31991) (Geschichte des Erzbistums Köln 1).
  • Wilhelm Janssen: Das Erzbistum Köln im späten Mittelalter. 1191–1515. 2 Halbbände, Köln 1995/2003 (Geschichte des Erzbistums Köln 2).
  • Hansgeorg Molitor: Das Erzbistum Köln im Zeitalter der Glaubenskämpfe. 1515–1688. Köln 2008 (Geschichte des Erzbistums Köln 3). ISBN 3-7616-1346-6.
  • Eduard Hegel: Das Erzbistum Köln zwischen Barock und Aufklärung. Vom Pfälzischen Krieg bis zum Ende der französischen Zeit 1688–1814. Köln 1979 (Geschichte des Erzbistums Köln 4). ISBN 3-7616-0389-4.
  • Eduard Hegel: Das Erzbistum Köln. Zwischen der Restauration des 19. Jahrhunderts und der Restauration des 20. Jahrhunderts. 1815–1962. Köln 1987 (Geschichte des Erzbistums Köln 5). ISBN 3-7616-0873-X.

Einzelnachweise

  1. ↑ Kölner Stadtanzeiger.de: Einnahmendefizit - Krise macht vor Klerus nicht halt. 22. Januar 2010.
  2. ↑ ERZBISTUM KÖLN: Stiftungszentrum.
  3.  

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Universität zu Köln

Die Universität zu Köln (kurz: Uni Köln) ist eine in Forschung und Lehre international anerkannte Hochschule in Köln mit dem klassischem Fächerspektrum einer Volluniversität.

Die 1388 gegründete Alte Universität zählte zu den ältesten Universitäten in Europa. Sie wurde 1798 von den französischen Machthabern (Napoleon) geschlossen. Die neue Universität zu Köln wurde 1919 wiedergegründet. Wie die Universität Hamburg und die (1914 gegründete) Universität Frankfurt am Main sollte sie die nach dem Ersten Weltkrieg verlorene Kaiser-Wilhelms-Universität zu Straßburg ersetzen. Mit über 44.000 Studierenden[1] im Wintersemester 2009/10 ist sie die drittgrößte Universität in Deutschland.

Geschichte und Entwicklung

Die Alte Universität

Die Universität zu Köln wurde am 21. Mai 1388 als vierte Universität im Heiligen Römischen Reich nach der Karls-Universität Prag (1348), der Universität Wien (1365) und der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg (1386) gegründet. Die Initiative dazu ging nicht wie sonst üblich vom Kaiser oder einem Fürsten aus, sondern vom Rat der Freien Reichsstadt Köln, die auch die Kosten für den Lehrbetrieb übernahm und sich umfangreiche Vorteile für die Belebung der Stadt erhoffte.[3] Die Gründungsurkunde wurde von Papst Urban VI. in Perugia unterzeichnet. Am 6. Januar 1389 wurde der Vorlesungsbetrieb aufgenommen. Gründungsrektor war Hartlevus de Marca, der den Lehrbetrieb mit einer Disputation mit dem Theologieprofessor Gerhard Kikpot von Kalkar über Jesaja 60,1 („die Herrlichkeit des Herrn ging strahlend auf über dir“) eröffnete. Die genutzten Gebäude waren anfangs über die Stadt verteilt.

Die Universität richtete sich am angesehensten Vorbild, der Universität von Paris, aus.[4] Sie unterschied sich von Paris insofern, als sie von Beginn an Kaiserrecht (römisches Recht) lehrte und unter römischer Observianz stand. Sie gehörte von Anfang an mit 700 Immatrikulierten (später ca. 1000) zu den größten Universitäten Europas. Sie ging hervor aus den „Generalstudien“ des Dominikaner-Ordens, die 1248 von Albertus Magnus eingerichtet worden waren. Auch das Pfründenwesen kennzeichnet den geistlichen Charakter der Universität. An jeder der 11 großen Kölner Stiftskirchen war für die Universität ein Kanonikat vorbehalten.[5] Die Hochschule besaß alle vier damals üblichen Fakultäten: „Artes“, Theologie und Medizin; in der Jurisprudenz bot sie außer dem Kirchenrecht auch noch das „Römische Recht“ an. Die Hochschule hatte ihre Lehrgebäude und Bursen in einem Areal der Stadt um den Dom und um die Straße An der Rechtschule (siehe dort). Die Hochschule hatte eine Reihe berühmter Professoren und Absolventen, vor allem war sie eine treue Dienerin der Kirche. In der frühen Neuzeit stand die Universität unter starkem Einfluss des Humanismus, welcher zu umfassenden Kontroversen und Bildungsreformen an der Universität führte.

Die Mitglieder der Universität waren - anders als alle anderen Kölner - keinem Gaffelzwang unterworfen (Zunftzwang). Gründungsmitglieder waren 1388/89 21 Magistri; 108 Theologen, 166 Juristen, 8 Mediziner wurden unterrichtet. Hauptsächlich kamen die Immatrikulierten aus den rheinischen, westfälischen und niederländischen Territorien. Ein Drittel der Studenten galt als arm und wurde mit Stiftungen und Nebenverdiensten ernährt. In den Jahren zwischen 1441 und 1500 wurden jährlich rund 450 Studenten immatrikuliert. Viele Studenten lebten in den so genannten Bursen, auf die im 15. Jahrhundert der Unterricht der artistischen Fakultät überging. Der Doktorausritt nach der Promotion war ein teures Fest, das aber zugleich viel Reputation gewährte[6]

Am 28. April 1798 wurde die Universität von den 1794 in Köln eingerückten Franzosen mit der Umwandlung in eine Zentralschule „Université de Cologne“ geschlossen, da sich die Kölner Professorenschaft (allen voran ihr Rektor Ferdinand Franz Wallraf) zunächst weigerte, einen Eid auf die französische Republik zu leisten; unter der Begründung, dass die Unabhängigkeit der Universität gewahrt werden müsse und Professoren keine Verwaltungsbeamten seien. Ferdinand Franz Wallraf wurde 1799 Lehrer der Zentralschule, nachdem er am 21. Januar des Jahres den Eid dann doch noch geleistet hatte. Er hat für Köln als Retter vieler Kunstwerke Bedeutung und konnte auch das Unversitätssiegel vor den Franzosen verstecken. Seine Sammlung gehört heute zum Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud.

Die Neue Universität

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts waren Bestrebungen der Stadt und ihrer Bürger, eine neue Universität zu gründen, gescheitert. Erst 1919 gelang es, die preußische Staatsregierung zu überzeugen. Durch einen Beschluss des Rates der Stadt Köln wurde die städtische Universität neu gegründet. Am 29. Mai 1919 unterzeichnete der damalige Oberbürgermeister Konrad Adenauer den Staatsvertrag mit Preußen. Die Universität ging aus der ebenfalls städtischen am 1. Mai 1901 gegründeten Handelshochschule, der Hochschule für kommunale und soziale Verwaltung von 1912 sowie der ersten deutschen Akademie für praktische Medizin von 1904 hervor, die in die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät beziehungsweise die Medizinische Fakultät übergingen. Als erster Rektor wurde Christian Eckert gewählt, der bis dahin die Handelshochschule Köln geleitet hatte. Die Universität residierte in den für die Handelshochule bis 26. Oktober 1907 am Römerpark, Südstadt, errichteten Gebäuden (jetzt durch die Fachhochschule Köln genutzt) von 1919 bis 1934. Aufgrund der hohen Studentenzahlen wurde am 26. Oktober 1929 der Grundstein für das Hauptgebäude der neuen Universität gelegt, in das 1934 umgezogen wurde.

Am 2. November 1934 konnte die Universität in den vom Architekten Adolf Abel errichteten funktional schlichten Neubau im Inneren Grüngürtel Köln-Lindenthals nahe bei der Medizinischen Fakultät einziehen. Bereits 1925 war die Universität zu Köln nach der Humboldt-Universität zu Berlin die zweitgrößte preußische Universität. 1920 kamen die Rechtswissenschaftliche und die Philosophische Fakultät hinzu, von der sich 1955 die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät abspaltete.1980 wurden die beiden Kölner Abteilungen der Pädagogischen Hochschule Rheinland als Erziehungswissenschaftliche und Heilpädagogische Fakultät der Universität zu Köln angegliedert. Die Universität wurde durch Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, dennoch begann 1945 wieder der Vorlesungsbetrieb. Allerdings überschritten die Kosten für den Wiederaufbau die Möglichkeiten der Stadt, unter deren alleiniger Trägerschaft die Universität bis 1954 stand. So wurde am 1. April 1954 die Universität zu Köln mit Wirkung vom 1. April 1953 durch das Bundesland Nordrhein-Westfalen übernommen. Die Bindung an die Stadt und den Regierungsbezirk Köln wurde bis zum Jahre 2007, dem Inkrafttreten einer neuen Grundordnung, durch die Institution des Kuratoriums gewährleistet, in dem der Oberbürgermeister den Vorsitz führte. Darüber hinaus kooperiert die Universität mit vielen städtischen Einrichtungen und Einrichtungen in der Stadt, wie zum Beispiel mit dem Rheinisch Westfälischen Wirtschaftsarchiv und vielen städtischen Kliniken.

Der Ausbau der Universität begann mit dem Bau der Hörsaal- und Seminartrakte und des achtgeschossigen Seminar- und Bürohochhauses für die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät von Wilhelm Riphahn zwischen 1956 und 1960. In dieser Fakultät hatte sich die Studierendenzahl zwischen 1949 und 1955 auf über 5000 nahezu verfünffacht. Die Universitätsbibliothek folgte 1966, der Albertus-Magnus-Platz wurde durch die Absenkung und Deckelung der Universitätsstraße erweitert. 1968 wurde das Hörsaalgebäude fertiggestellt, die Physikalischen und Chemischen Institute jenseits der Zülpicher Straße folgten zwischen 1968 und 1975. Mit dem Neubau des Philosophikums 1974 war der Campus der Universität im Wesentlichen fertig. Der Komplex des Klinikums mit den alten Gebäuden der Krankenanstalten Lindenburg wurde ab 1965 (Frauenklinik) bis 1974 (Bettenhaus des Zentralklinikums) modernisiert und erweitert. Der jenseits der Akademischen Lustwiese (Akaluwie) 1974 errichtete Neubau der Zentralmensa ist immer noch einer der modernsten und größten Studierenden-Speisebetriebe in Europa. Der Ausbau und die Modernisierung der Hochschulgebäude wird bis in die Gegenwart fortgeführt. Die Fassade des Hauptgebäudes zum Albertus-Magnus-Platz wird seit 1991 von zahlreichen Stahlriemen befestigt, die ursprünglich als Provisorium gedacht waren, um ein Herabfallen der Sandsteinplatten zu verhindern.

Alle diese Anlagen liegen eingebettet in den Inneren Kölner Grüngürtel und bildeten so einen innenstadtnahen zusammenhängenden Universitätscampus, der dennoch im Grünen liegt.

Profil

Organisation und Fakultäten

Das Rektorat leitet die Universität. Es besteht derzeit aus dem Rektor als Vorsitzendem, drei Prorektoren und dem Kanzler. Der Rektor wird vom Hochschulrat gewählt; die erste Amtszeit beträgt mindestens sechs Jahre und weitere Amtszeiten mindestens vier Jahre. Der Rektor ist Vorsitzender des Rektorats und des Senats der Universität.

Die Universität gliedert sich in die folgenden sechs Fakultäten:

  • Fakultät                                                                Studierende1) davon Doktoranden2) (Neu-)Gründungsjahr
  • Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät       8.806                         609                   1919
  • Medizinische Fakultät                                               3.246                         262                   1919
  • Rechtswissenschaftliche Fakultät                              5.213                       1.232                   1920
  • Philosophische Fakultät                                          14.746                       1.231                   1920
  • Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät           6.483                         800                   1955
  • Humanwissenschaftliche Fakultät                              5.788                         560                   2007
  • Gesamt                                                                 44.282                      4.694
  • 1)WS 2008/09, gem. Kurzstatistik der Universität (Stand November 2008), inkl. Zweithörer, Gasthörer und Studienkollegiaten[1]
  • 2)Anzahl der Doktorandinnen und Doktoranden gem. Studierendenstatistik WS 2006/07 (jeweils Summe Promotion 1. Fach).

Auffallend ist die – bezogen auf die Fakultätsgröße – hohe Zahl von Doktoranden der Rechtswissenschaftlichen Fakultät. Innerhalb der einzelnen Fakultäten dominieren hinsichtlich der Anzahl der Doktoranden die folgenden Fächer: an der WiSo-Fak. BWL (338 bzw. 55 %), an der Med. Fak. Humanmedizin (187 bzw. 71 %), an der Phil. Fak. Germanistik und Kunstgeschichte (208 bzw. 17 % respektive 146 bzw. 12 %), an der Math.-Nat. Fak. Biologie (365 bzw. 46 %) und an der HW-Fak. Pädagogik (410 bzw. 73 %).

Am 20. Juli 2005 beschloss der Senat der Universität ein Konzept zur Neuordnung der Fakultäten. Das Konzept brachte die Auflösung der Erziehungswissenschaftlichen und der Heilpädagogischen Fakultät in ihrer bisherigen Form sowie die Gründung einer neuen „sechsten“, der Humanwissenschaftlichen, Fakultät. Die Vertreter der didaktischen Fächer, die bisher vor allem an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät tätig waren, wurden im Zuge der Umstrukturierung den ihrem Fach entsprechenden Fakultäten als eigene Fachgruppe für Didaktik zugeordnet (zum Beispiel „Biologie und ihre Didaktik“, „Chemie und ihre Didaktik“ als neue didaktische Fachgruppe an der Math.-Nat.-Fak.), während an der neuen Humanwissenschaftlichen Fakultät vor allem die pädagogischen, heilpädagogischen und psychologischen Fächer verblieben beziehungsweise aus der Philosophischen und der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät überführt wurden. Die Neuorganisation der Fakultäten wurde mit der Errichtung der entsprechenden Gremien formal zum 1. Januar 2007 umgesetzt.

Besondere Förderung der Forschung

DFG

  • 10 DFG-Sonderforschungsbereiche und 2 Beteiligungen an Sonderforschungsbereichen anderer Hochschulen
  • 5 DFG-Graduiertenkollegs (vgl. Graduiertenprogramme)

EU

  • Functional Genomics in Embryonic Stem Cells (FunGenEs)
  • Diagnostische molekulare Bildgebung für Neurologie und Herzgefäßerkrankungen (DIMI)
  • Innovative Collaborative Work Environments for Individuals and Teams in Design and Engineering (CoSpaces) im sechsten Forschungsrahmenprogramm seit 2006
  • Citizenmedia im sechsten Forschungsrahmenprogramm seit 2006

Graduiertenprogramme

  • International Graduate School in Genetics and Functional Genomics (NRW Graduate School)
  • International Max Planck Research School on the Social and Political Constitution of the Economy (IMPRS-SPCE) (seit 2007)
  • Internationaler Promotionsstudiengang Molekulare Medizin (ZMMK)
  • Graduiertenkolleg „SOCLIFE (Social Order and Life Chances in Cross-National Comparison)“ (seit 2008)
  • Cologne University Bioinformatics Center (CUBIC) (eingestellt 06/2006)
  • Graduiertenkolleg „Theoretische und empirische Grundlagen des Risikomanagements“ (seit 2002)
  • Graduiertenkolleg „Globale Strukturen in Geometrie und Analysis“ (seit 2006)
  • Graduiertenkolleg „Azentrische Kristalle“ (seit 1999)
  • Graduiertenkolleg „Molekulare Analyse von Entwicklungsprozessen bei Pflanzen“ (seit 1997)
  • Graduiertenkolleg „Genetik zellulärer Systeme“ (seit 1997)
  • Bonn-Cologne Graduate School of Physics and Astronomy

Kooperation mit Großforschungseinrichtungen

Kölner Professoren sind gleichzeitig Mitglieder in den Großforschungseinrichtungen, auch Studierende können dort mitforschen.

  • Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
  • Forschungszentrum Jülich in der Helmholtz-Gemeinschaft
  • Fraunhofer Institut für Algorithmen und Wissenschaftliches Rechnen (SCAI)
  • Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung (MPIFG)
  • Max-Planck-Institut für neurologische Forschung (MPInF)
  • Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung (MPIZ)
  • Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns (Gründung 2008)

Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis

Den Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis erhielten:

  • Martin R. Zirnbauer (2009)
  • Jens Claus Brüning (2007)
  • Thomas Mussweiler (2006)
  • Axel Ockenfels (2005)
  • Martin Krönke (2001)
  • Andreas Kablitz (1997)
  • Ulf-Ingo Flügge (1996)
  • Thomas Schweizer (1995)
  • Peter Schneider (1992)

Sofja-Kovalevskaja-Preis

Der Sofja-Kovalevskaja-Preis ist überreicht worden an:

  • Mirka Uhlirova, Tschechien, Institut für Genetik und Cluster of Excellence CECAD (Professor in Maria Leptin) (2008)
  • Mark Depauw (2004)
  • Manuel Koch (2002)
  • Joachim Schultze (2002)

Universitätspreis für herausragende Dissertationen

  • 2008: Gabriela-Elena Oprea (Biogentechnik) – Analyse zur Muskelatrophie

Schmittmann-Wahlen-Stipendium

  • 2008: Sarah Remboldt (Medizin) – Frühintervention bei somatoformen Störungen in der Hausarztpraxis

Drittmittelvolumen

Das Drittmittelvolumen (Drittmitteleinnahmen) lag im Jahr 2004 bei 73,4 Mio. €. Der mit Abstand größte Drittmittelgeber war mit 27,6 Mio. € bzw. 37,4 % die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Von diesem Betrag entfielen 12,4 Mio. € bzw. 44,8 % auf das Förderinstrument Sonderforschungsbereiche. Die übrigen Drittmitteleinnahmen stammen ebenfalls zu einem Großteil von kompetitiven Drittmittelgebern (insb. EU, BMBF, Stiftungen).

Stiftungsprofessuren

Die Universität hat eine Reihe von Stiftungsprofessuren eingeworben, die zum Teil längerfristig, zum Teil für einige Jahre eingerichtet wurden, und dann in der Regel vom Land weitergetragen werden.

  • Bayer-Stiftungsprofessur für Technische Chemie, seit 1986
  • Stiftungsprofessur für Tumorimmunologie der Deutschen Krebshilfe, seit 2002
  • Stiftungsprofessur für Palliativmedizin, finanziert durch die Deutsche Krebshilfe, seit Oktober 2005
  • Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Professur für alte Geschichte, seit 2006 für 7 Jahre
  • Stiftungsprofessur für Energiewirtschaft, finanziert von der Energiewirtschaft, seit April 2007

Umfangreiche Informationen über das Gesamtspektrum der Forschungsprojekte enthält der Forschungsbericht der Universität.

Lehre

Aufbauend auf ihrem breiten Fächerspektrum bietet die Universität eine Vielzahl an grundständigen, Aufbau- und Weiterbildungsstudiengängen, die im Internetangebot der Universität detailliert dargestellt sind. Bei der Weiterentwicklung und Neugestaltung des Studienangebots steht zur Zeit die Umstellung auf das Bachelor/Mastersystem im Vordergrund.

Zusammen mit der Hochbegabtenstiftung der Kreissparkasse Köln bietet die Universität zu Köln seit dem Wintersemester 2000/2001 Schulen die Möglichkeit, entsprechend begabte Schüler der Stufen 11 bis 13 (in besonderen Fällen auch der Klassen 8–10) an Vorlesungen und Übungen in den Fächern Mathematik, Physik, Chemie und Informatik und in ausgewählten Fächern der Philosophischen Fakultät teilnehmen zu lassen. Das Projekt hat sich als so erfolgreich erwiesen, dass es auch an den meisten anderen nordrhein-westfälischen Universitäten eingeführt worden ist.

Internationalisierung

Für die Internationalen Beziehungen der Hochschule (Betreuung ausländischer Studierender und Gastwissenschaftler, Studienmöglichkeiten und Forschungsaufenthalte im Ausland, Hochschulpartnerschaften, internationales Marketing) sind auf universitärer Ebene das Akademische Auslandsamt und auf Ebene der Fakultäten die Zentren für internationale Beziehungen zuständig (zentral-dezentrales Organisationskonzept). Die Bedeutung der Internationalisierung der Hochschule kommt auch durch die 2004 erfolgte Einrichtung der Position „Prorektor für Internationales und Öffentlichkeitsarbeit“ zum Ausdruck. Das Amt wurde erstmals von Barbara Dauner-Lieb bekleidet.

Seit Anfang 2007 (offizielle Einweihung im Mai 2007) betreibt die Universität zu Köln in Peking ein Büro. Das Büro ist beim DAAD im German Center angesiedelt und repräsentiert das Hochschulkonsortium China-NRW (www.china-nrw.de). Die Universität zu Köln hat vom Land NRW die Aufgabe der Koordination der akademischen Kontakte nach China übernommen. Das Büro soll es den Mitgliedern des Konsortiums erleichtern, in China Aktivitäten zu entfalten und Unterstützung vor Ort liefern. Die Universität zu Köln leitet dieses Konsortium.

Anzahl und Anteil ausländischer Studierender/Bildungsausländer

Die Anzahl der ausländischen Studierenden lag im Wintersemester 2005/06 bei 5.216 (ohne Gaststudenten und Studienkollegiaten). Dies entspricht einem Anteil von 11,0 % an der Gesamtzahl der Studierenden. Der Anteil der Bildungsausländerinnen und Bildungsausländer lag im Wintersemester 2005/06 bei ca. 60 %. Die Bildungsausländerinnen und Bildungsausländer stammten aus insgesamt 121 Nationen. Die größten Herkunftsländer waren Bulgarien (10,9 %), Russland (8,8 %), Polen (7,9 %), China (6,3 %) und die Ukraine (6,1 %).

Hochschulpartnerschaften und Netzwerke

Die Universität zu Köln unterhält auf Universitäts- und Fakultätsebene 16 offizielle Hochschulpartnerschaften. Neben den offiziellen Hochschulpartnerschaften bestehen auf Ebene der einzelnen Fakultäten und Fachbereiche bald 300 Kooperationen und Austauschbeziehungen mit renommierten Universitäten auf der ganzen Welt; das Akademische Auslandsamt (AAA) organisiert darüber hinaus einen in der Regel für alle Fächer offenen Studierendenaustausch mit circa 15 Hochschulen.

Umfangreiche Fördermöglichkeiten bestehen jeweils durch das Erasmus-Programm der EU, den DAAD oder Gebührenerlass der Partnerhochschulen (vollständige Liste der Partnerhochschulen im Internetangebot der Universität). Im Jahr 2005 hat die Universität zu Köln die zentrale Vermittlung und Koordination der Beziehungen der nordrhein-westfälischen Hochschulen zu China übernommen.

Auszeichnung für die Betreuung ausländischer Studierender

Die Universität zu Köln wurde 2004 für ihr nach dem Vorbild des Zentrums für Internationale Beziehungen an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät an der Universität etabliertes zentral-dezentrales Organisationskonzept mit dem Preis des Auswärtigen Amtes für besondere Verdienste um die Betreuung ausländischer Studierender ausgezeichnet.

Humboldt Forschungspreis/AvH-Gastwissenschaftler

Im Jahr 2004 wählten insgesamt zehn der mit dem Humboldt-Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung ausgezeichneten „etablierten“ ausländischen Wissenschaftler die Universität zu Köln für Ihr Forschungsjahr. Von den „jüngeren“ ausländischen Humboldt-Forschungsstipendiaten waren dies 32.

Haushalt und Finanzen

Die Haushaltsausgaben der Universität zu Köln betrugen im Jahr 2007 357,236 Mio. € (2006 344,445 Mio. €) (ohne Universitätsklinikum und Landeszentralmittel). Davon entfielen 204,2 Mio. € auf die Personalausgaben, 85 Mio. € auf die Sachausgaben und 67,9 Mio. € auf den Bereich der Investitionen.[2]

Gleichstellung

Die Universität wurde 2004 für ihre erfolgreiche Gleichstellungspolitik mit dem Total E-Quality-Prädikat ausgezeichnet. Mit dem Prädikat werden sowohl Unternehmen aus der Wirtschaft als auch Hochschulen und Forschungseinrichtungen ausgezeichnet, die sich mit personal- und institutionspolitischen Maßnahmen um die Durchsetzung von Chancengleichheit in ihren Einrichtungen bemühen und dabei auch Erfolge erzielen.

Rankings

Die Kölner Universität zählt regelmäßig zu den TOP 5 in Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre und den Rechtswissenschaften und unterhält Forschungskooperationen zu mehreren Großforschungseinrichtungen. Im Ranking „Masters in Management“ (2007) der Financial Times belegte die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät den 33. Platz (Vj.: 17) unter den 40 (Vj.: 32) führenden europäischen Managementausbildungsstätten; die Community of European Management Schools CEMS, dem die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät als Gründungsmitglied angehört, belegte den 2. Platz (Vj.: 2).

Nobelpreisträger

  • Kurt Alder – Nobelpreis für Chemie, 1950
  • Peter Grünberg – Nobelpreis für Physik, 2007, arbeitete von 1992 bis 2004 an der Universität und am Forschungszentrum Jülich

Ehrenbürger

Seit 1925 ernennt die Universität Persönlichkeiten, die sich um sie oder um die Forschung besonders verdient gemacht haben, zu Ehrenbürgern der Universität.

Ehrenbürger seit 1925 sind:

  • Konrad Adenauer (1925)
  • Schwester Ignatia (geb. Gräfin Spee) (1925)
  • Paul von Hindenburg (1926)
  • Christian Eckert (1926)
  • Friedrich Moritz (1935)
  • Balbino Giuliano (1938)
  • Anton Waldmann (1938)
  • Viktor Rolff (1938)
  • Heinrich Ritter von Srbik (1938)
  • Karl Haus (1950)
  • Robert Pferdmenges (1955)
  • Josef Kroll (1956)
  • Christine Teusch (1963)
  • Leopold von Wiese und Kaiserswaldau (1965)
  • Theo Burauen (1969)
  • Karl Carstens (1984)
  • Hermann Jahrreiß (1984)
  • Kurt Hansen (1988)

Ehrensenatoren

Neben den Ehrenbürgern ernennt die Universität seit 1933 auch Ehrensenatoren. Bisher kam 44 Personen diese Ehre zuteil, darunter:

  • Eugen Schmalenbach (1953)
  • Ernst Schwering (1956)
  • Max Adenauer (1965)
  • Heinrich Brüning (1965)
  • Hermann Pünder (1967)
  • Friedrich Carl Freiherr von Oppenheim (1975)
  • John van Nes Ziegler (1980)
  • Alfred Freiherr von Oppenheim (2004)
  • Heinrich Haake (1934)

Bekannte Professoren

Die Hochschule beschäftigt zur Zeit über 500 Professoren (davon über 60 Professorinnen). Bekannte Persönlichkeiten, die in Köln gelehrt haben oder noch lehren, sind:

  • Klaus Adolphi (Biologie)
  • Kurt Alder (Chemie), Nobelpreis Chemie 1950
  • Klaus Peter Berger, Bürgerliches Recht, Deutsches und Internationales Wirtschaftsrecht, Bankrecht; erster Rap-Professor
  • Günther Binding (Kunstgeschichte)
  • Günter Blamberger (Germanistik)
  • Roland Bulirsch (Mathematik)
  • Joachim Bumke (Altgermanistik)
  • Christoph Butterwegge (Politikwissenschaften)
  • Karl Carstens (Rechtswissenschaften)
  • Karl Otto Conrady (Germanistik)
  • Max Delbrück (Genetik)
  • Otto Depenheuer (Rechtswissenschaften)
  • Juergen B. Donges (Volkswirtschaftslehre)
  • Walther Dreher (Sonderpädagogik)
  • Johann Eekhoff (Volkswirtschaftslehre)
  • Norbert Finzsch (Geschichtswissenschaft)
  • Barbara Fornefeld (Sonderpädagogik)
  • Martin Göpfert (Biologie)
  • Peter Grünberg (Physik), Nobelpreis Physik 2007
  • Erich Gutenberg (Betriebswirtschaftslehre)
  • Hans Ludwig Hamburger (Mathematik)
  • Herbert Hax (Betriebswirtschaftslehre)
  • Martin Henssler (Rechtswissenschaft)
  • Andreas Hillgruber (Geschichtswissenschaft)
  • Hermann Jahrreiß (Rechtswissenschaften)
  • Gerhard Kegel (Rechtswissenschaften)
  • Hermann Kellenbenz (1913-1990), Wirtschaftshistoriker, 1960-1970 Lehrstuhl für Wirtschaftsgeschichte, Direktor des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs
  • René König (Soziologie)
  • Hans Kelsen (Rechtswissenschaft)
  • Johannes Kunisch (Geschichtswissenschaft)
  • Joachim Lang (Steuerrecht)
  • Karl Lauterbach (Gesundheitsökonomie)
  • Karl-Heinz Lauterjung (Physik)
  • Erich Meuthen (Geschichtswissenschaft)
  • Alex Meyer (Rechtswissenschaften, insb. Luftrecht)
  • Peter Mittelstaedt (Physik)
  • Renate Möhrmann (Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft)
  • Alfred Müller-Armack (Volkswirtschaftslehre)
  • Thomas Mussweiler (Psychologie)
  • Hans Carl Nipperdey (Rechtswissenschaften)
  • Axel Ockenfels (Volkswirtschaftslehre)
  • Ion N. Petrovici (Medizin)
  • Veronika Petrovici (Medizin)
  • Holger Pfaff (Medizinische Soziologie)
  • Helmuth Plessner (Philosophie)
  • Beatrice Primus (Germanistik)
  • Hans-Jürgen Sasse (Allgemeine Sprachwissenschaft)
  • Wilhelm Salber (Psychologie)
  • Werner Scheid (Neurologie)
  • Max Scheler (Philosophie und Soziologie)
  • Erwin K. Scheuch (Soziologie)
  • Theodor Schieder (Geschichtswissenschaft)
  • Eugen Schmalenbach (Betriebswirtschaftslehre)
  • Hans Karl Schneider (Volkswirtschaftslehre)
  • Josef Schrudde (Medizin)
  • Frank Schulz-Nieswandt (Sozialpolitik)
  • Heinrich von Stackelberg (Volkswirtschaftslehre)
  • Klaus Stern (Rechtswissenschaften)
  • Joseph Straub (Botanik)
  • Klaus Tipke (Steuerrecht)
  • Gerhard Uhlenbruck (Medizin, Immunologie, Immun- und Sporttherapie) und Aphoristiker
  • Franziska Völckner (Marketing; jüngste habil. BWL-Professorin in Deutschland)
  • Thomas von Danwitz (Rechtswissenschaften)
  • Axel Weber (Volkswirtschaftslehre)
  • Andreas Wesch (Romanistik)
  • Carl Christian von Weizsäcker (Volkswirtschaftslehre)
  • Johannes Zittartz (Physik)
  • Michael Zeuske (Geschichtswissenschaft)

Bekannte Absolventen

  • Manuel Andrack (* 1965), Redakteur, Moderator und Autor
  • Gerhart Baum (* 1932), Rechtsanwalt und ehemaliger Bundesinnenminister (FDP)
  • Mark Benecke (* 1970), Kriminalbiologe und Autor
  • Klaus vom Bruch (* 1952), Künstler
  • Wolfgang Bosbach (* 1952), deutscher Politiker (CDU)
  • Peter Grünberg (* 1939), Nobelpreis für Physik (2007)
  • Marion von Haaren (* 1957), Fernsehjournalistin
  • Britta Heidemann (* 1982), Olympiasiegerin im Fechten
  • Jan Hofer (* 1952), Fernsehjournalist
  • Klaus Laepple (* 1939), Tourismusfunktionär
  • Hera Lind (* 1957), Schriftstellerin
  • Karolos Papoulias (* 1929), griechischer Staatspräsident
  • Richard David Precht (* 1964), Philosoph, Schriftsteller und Publizist
  • Michael Radtke (* 1946), Journalist, Schriftsteller und Drehbuchautor
  • Fritz Schramma (* 1947), ehem. Oberbürgermeister von Köln
  • Hans Sennholz (1922–2007), deutscher Ökonom und US-Hochschullehrer, bedeutender Vertreter der Österreichischen Schule der Volkswirtschaftslehre
  • Marietta Slomka (* 1969), Fernsehjournalistin
  • Ulrich Walter (* 1954), Astronaut und Professor für Raumfahrttechnik
  • Anne Will (* 1966), Fernsehjournalistin
  • Alfred Herrhausen (1930–1989), ehemaliger Vorstandssprecher der Deutschen Bank
  • Wolfgang Grupp (* 1942), deutscher Unternehmer (Trigema)
  • Heinrich Freiherr von Stackelberg (1905–1946), deutscher Ökonom

Gründer

  • Mittelalterliche Universität (1388): Rat der Reichsstadt Köln mit Genehmigung durch Papst Urban VI.[7]
  • Moderne Universität (1919): Rat der Stadt Köln unter Konrad Adenauer mit Genehmigung durch die preußische Regierung

Kunstwerke

  • Skulptur Albertus Magnus von Gerhard Marcks aus dem Jahre 1956, zu finden auf dem Albertus-Magnus-Platz vor dem Haupteingang. 1965 erfolgte ein Zweitguss für die Universität Bogota, ein 3. Abguss 1970 für die University of Texas in Houston, Texas, und schließlich auf Veranlassung von Tochter Brigitte Marcks-Geck – alle aus der Werkstatt der Kunstgießerei Schmäke, Düsseldorf – 1996 ein Abguss für die Friedrich-Schiller-Universität Jena, da Marcks lange Jahre enge Beziehungen zu Thüringen hatte.
  • Skulptur Hercules von Émile-Antoine Bourdelle, zu finden im mittleren Innenhof der WiSo-Fakultät.
  • Stele von Ulrich Rückriem, 2004, zu finden auf dem westlichen Teil des Albertus-Magnus-Platzes, vor dem Philosophikum.
  • Porträt Max Scheler von Otto Dix, 1926
  • Backstein-Relief Hermes in der Fassade des von Wilhelm Riphahn geplanten und gebauten Gebäudes der WiSo-Fakultät, 1959

Museen und Sammlungen

  • GeoMuseum: Einziges naturkundliches Museum in Köln. Minerale, Edelsteine, Meteoriten, Fossilien etc. Geöffnet mittwochs 14–20 Uhr und jeden letzten Sonntag im Monat 14–17 Uhr, Zülpicher Str. 49 b
  • Theaterwissenschaftliche Sammlung in Schloss Wahn: Bilder und Texte zum europäischen Theater vom 16. Jahrhundert an, unter anderem der Nachlass von Karl Valentin. Besichtigung der archivierten Materialien nur nach (begründeter) Voranmeldung. Bibliothek öffentlich. Burgstr. 2, Köln-Porz/Wahn.
  • Musikinstrumentensammlung des Musikwissenschaftlichen Instituts: Über 80 Exponate aus Europa und Übersee. Besichtigung nach Vereinbarung.
  • Ägyptische Sammlung: Papyri, Ostraka (Schriftscherben) und Pergamente, Keramiken und Kleinplastiken. Besichtigung nach Vereinbarung, Meister-Ekkehart-Str. 7, Institut für Ägyptologie.
  • Prähistorische Sammlung (Studiensammlung): Artefakte aus sämtlichen Perioden der Ur- und Frühgeschichte auch von ausländischen Fundstätten, vom Faustkeil des Neandertalers bis zum Bronzeschwert und zu Eisenwaffen des frühen Mittelalters. Besichtigung nach Vereinbarung, Weyertal 125, Institut für Ur- und Frühgeschichte.
  • Papyrussammlung des Instituts für Altertumskunde: eine der weltweit größten Sammlungen. Nach Vereinbarung sind Gruppenführungen möglich. Uni-Hauptgebäude.
  • Barbarastollen: Unter der Aula, Hauptgebäude, wurde als Teil eines Museums für Handel und Industrie 1932 ein Bergwerksstollen aufgebaut, der nach Vereinbarung über das Institut für Arbeitsmedizin in Gruppen zu besichtigen ist.

Literatur

Universitätsgeschichte

  • Erich Meuthen: Kölner Universitätsgeschichte, Band I: Die alte Universität. Köln [u.a.]: Böhlau 1988. ISBN 3-412-06287-1.
  • Bernd Heimbüchel & Klaus Pabst: Kölner Universitätsgeschichte, Band II: Das 19. und 20. Jahrhundert. Köln [u.a.]: Böhlau 1988. ISBN 3-412-01588-1.
  • Erich Meuthen (Hrsg.): Kölner Universitätsgeschichte, Band III: Die neue Universität: Daten und Fakten. Köln [u.a.]: Böhlau 1988. ISBN 3-412-01688-8.
  • Ernst Heinen: Bildnerhochschule und Wissenschaftsanspruch. Lehrerbildung in Köln 1946–1965 (Studien zur Geschichte der Universität zu Köln Band 16). Böhlau, Köln [u.a.] 2003. Rezension von Leo Haupts. In: Geschichte in Köln. Zeitschrift für Stadt- und Regionalgeschichte. Band 53. Dezember 2006. S. 212–214: Buchbesprechungen.
  • Willehad Paul Eckert: Kleine Geschichte der Universität Köln, Bachem Köln 1961
  • Anna-Dorothee v. den Brincken: Stadt und Hochschule: Papst Urban IV. bestätigt 1388 die Kölner Universitätsgründung, in: Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, Band I., S. 307-312, Köln Bachem 1999

Einzelnachweise

  1. ↑ a b c uni-köln.de: http://www.xxx abgerufen am 23. Dezember 2009.
  2. ↑ a b c d uni-köln.de: Zahlen, Daten, Fakten (PDF-Datei, 32 kB; HTML-Seite).
  3. ↑ Gründungsurkunde in: v. den Brincken, Stadt und Hochschule, Quellen der Stadt Köln Bd. 1, S.308/309
  4. ↑ v. den Brincken, a.a.O.
  5. ↑ Willehad Paul Eckert: Kleine Geschichte der Universität Köln, Bachem Köln 1961, S. 35f.
  6. ↑ Eckert: Kleine Geschichte der Universität Köln, a.a.O., S. 50ff.
  7. ↑ v. den Brincken, a.a.O.

    xxx – Entsprechend unserer Statuten werden uns unbekannte Webadressen nicht veröffentlicht. Für eine weiterführende Recherche gehen Sie bitte auf die entsprechende Wikipediaseite. Mehr Informationen lesen Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

     

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Kurköln  -  Kurfürstentum Köln

Kurköln (auch: Erzstift und Kurfürstentum Köln) war eines der ursprünglich sieben Kurfürstentümer des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Es bildete den weltlichen Herrschaftsbereich der Erzbischöfe von Köln und ist von deren sehr viel größerem Erzbistum zu unterscheiden, zu dem mehrere Suffraganbistümer und weitere Gebiete gehörten, die nur der geistlichen, nicht aber der staatlichen Gewalt des Erzbischofs unterstanden.

Das Kurfürstentum existierte von der Mitte des 10. Jahrhunderts bis zum Reichsdeputationshauptschluss im Jahr 1803 und gehörte von 1512 an zum Kurrheinischen Reichskreis. Seine Kerngebiete lagen links des Rheins zwischen Andernach und Rheinberg. Das nordöstlich gelegene Vest Recklinghausen bildete eine kurkölnische Exklave. Ebenfalls zum Kurfürstentum gehörte das Herzogtum Westfalen mit dem Schwerpunkt im Sauerland, das aber in erheblichem Maße Selbstverwaltungsrechte und andere Privilegien bewahren konnte.

Kurköln grenzte an die Herzogtümer Berg, Jülich, Geldern und Kleve. Seine Haupt- und Residenzstadt war seit 1597 Bonn. Weitere wichtige Verwaltungszentren waren Neuss, Ahrweiler und Andernach.

Geschichte

Entstehung von Bistum und Erzstift

Schon vor dem Jahr 313 war das römische Köln Sitz eines Bistums. Nach der Eroberung durch die Franken um 450 wurde es zum Erzbistum erhoben. Ihm unterstanden die Suffraganbistümer Lüttich, Münster, Osnabrück und Minden sowie bis 834 Hamburg-Bremen und bis 1559 Utrecht.

Um die alten Römerstädte im Rheinland – darunter Bonn, Köln, Jülich, Neuss und Xanten – hatten die Erzbischöfe bereits früh weltliche Güter und Grundherrschaften erworben. Später kamen Besitzungen in Westfalen hinzu, mit Schwerpunkten um Soest, Medebach und Attendorn. Viele alte Besitzungen wurden für die Ausstattung von Klöstern und Stiften abgegeben oder ging im 11. Jahrhundert nach ihrer Vergabe als Lehen verloren.

Die allmähliche Herausbildung der weltlichen Besitztümer und Rechte des Erzbistums zum Kurstaat hängt eng mit der des ottonisch-salischen Reichskirchensystems zusammen: Nach Aufständen mehrerer Herzöge, darunter zwei seiner eigenen Brüder, übertrug Otto der Große 953 seinem Bruder Brun die Stadt und das Erzbistum Köln zusammen mit dem Herzogtum Lothringen. Ein Teil dieses Herzogtums, ein etwa 25 Kilometer tiefer Streifen am linken Rheinufer, der von Rolandseck im Süden bis Rheinberg im Norden reichte, blieb den Nachfolgern Bruns als weltlicher Besitz, in dem sie die Landeshoheit ausübten. Ihre Stellung als wichtige Stützen des Reichs und der Reichskirche nutzten sie, um sich gegenüber anderen rheinischen und westfälischen Machthabern wie den lothringischen Pfalzgrafen oder den Grafen von Werl zu behaupten.[1]

Hohes Mittelalter

Nach dem Tod Heinrichs III. und als Folge der Unsicherheit des Investiturstreits begannen die Erzbischöfe einen weltlichen Herrschaftsbereich aufzubauen und konkurrierende Interessen zurück zu drängen. Unter Anno II. wurden die eigentlichen Grundlagen des späteren Kurstaates gelegt. In dieser Zeit wurden die Macht der Ezzonen beschnitten und ihnen Siegburg genommen. Erweitert wurde das Kerngebiet 1067 durch das Reichsgut um Andernach, später um Deutz, Godesberg, Amt Altenwied mit Linz am Rhein, und die Grafschaft Liedberg. Im Jahr 1075 kamen auch Aspel und Rees am rechten Niederrhein hinzu. Ansätze zu einer festeren kölnischen Herrschaft im südlichen Westfalen gehen auf die Zeit von Friedrich I. von Schwarzenburg zurück, dem es gelang den Grafen von Arnsberg erhebliche Rechte zu entreißen.

Dieses Territorium wurde unter Erzbischof Philipp I. von Heinsberg noch einmal mehr stark vergrößert. Die Erzbischöfe stiegen in dieser Zeit zur stärksten regionalen Macht auf.[1]

Im Rheinland wurde den Erzbischöfen 1151 endgültig die ripuarische (rheinische) Herzogswürde verliehen, die sie zur weiteren Bekräftigung ihrer Machtstellung nutzten.[2]Kaiser Friedrich I. Barbarossa verlieh dem Bischof 1180 mit der Gelnhäuser Urkunde für seine Loyalität im Kampf gegen Herzog Heinrich den Löwen das Herzogtum Westfalen und Engern. Dazu kam um 1230 das Vest Recklinghausen. Allerdings gelang es den Kurfürsten von Köln nicht, die beiden getrennten rheinischen und westfälischen Landesteile zu einem geschlossenen Territorium zu vereinigen.

Erzbischof Konrad von Hochstaden erweiterte das Erzstift nach Süden, in dem er ihm die Besitzungen seiner eigenen Familie hinzufügte, die mit ihm ausstarb. Unter ihm erreichte Kurköln seine größte Machtfülle. Da er sich früh gegen Kaiser Friedrich II. gestellt und auf die Seite des Papstes geschlagen hatte, erlangte der Erzbischof dessen besonderes Vertrauen. Der erklärte ihn und seine Nachfolger zu apostolischen Legaten qua Amt. Hochstaden galt als Königsmacher, eine Machtstellung, die seine Nachfolger jedoch nicht behaupten konnten.

Im Limburger Erbfolgestreit unterlag Erzbischof Siegfried von Westerburg 1288 in der Schlacht von Worringen einem Bündnis des Herzogs von Brabant, der Grafen von Jülich, Kleve und Berg sowie der Bürgerschaft von Köln und verlor die Herrschaft über seine eigene Bischofsstadt. Köln selbst gehörte damit nicht mehr zum Kurstaat, sondern galt fortan als Freie Reichsstadt mit Sitz und Stimme im Reichstag. Schon Erzbischof Engelbert II. von Falkenburg hatte die Stadt Köln verlassen. Seine Nachfolger residierten von 1597 bis zum Ende des Kurstaats hauptsächlich in Bonn.

Im 12. Jahrhundert war der weltliche Herrschaftsbereich des Erzbischofs zwar ein damals beachtliche Machtbereich, aber er war noch ein vorterritoriales Gebilde, ohne feste Grenzen. Es definierte sich im Wesentlichen noch über die Ausübung herrschaftlicher Rechte. Der Beginn zur Ausbildung einer festen Landesherrschaft setzte in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ein. Zu dieser Zeit kam erstmals auch die Bezeichnung Stift für das erzbischöfliche Herrschaftsgebiet auf. Von großer Bedeutung für die Durchsetzung einer territorialen Herrschaft waren die Städte und die Burgen des Erzbischofs. Auch die verschiedenen Rheinzölle spielten für die Durchsetzung der Landesherrschaft eine wichtige Rolle.[3]

Spätes Mittelalter

Im Jahr 1368 erwarb Kurköln die Grafschaft Arnsberg im Sauerland. Dieses Gebiet wurde zum territorialen Kern des Herzogtums Westfalen. Die Stadt Arnsberg wurde Sitz des Landdrosten als Vertreter des Landesherren, (Neben-)Residenz des Kurfürsten und Tagungsort des Landtags für das Herzogtum. Massive Versuche auch das benachbarte Bistum Paderborn einzuverleiben scheiterten.

Im Rheinland reichte das Stift im späten Mittelalter von Rheinsberg im Norden bis nach Andernach im Süden, von Nürburg im Westen bis nach Altenried im Osten. Unterteilt war es in das Oberstift nördlich von Köln und das Unterstift südlich von Köln.[4] 1314 erwarb der Kurstuhl die Köln benachbarte Grafschaft Hülchrath, mit der in den rheinischen Gebieten die territoriale Lücke zwischen dem Ober- und dem Niederstift geschlossen wurde, und gleichfalls im 14. Jahrhundert das Land Linn bei Krefeld.

Zur Zeit von Walram von Jülich fällt zwischen 1332 bis 1349 die systematische Einführung der Ämterverfassung. Wilhelm von Gennep und Friedrich III. von Saarwerden haben die Verwaltungsorganisation vollendet. Auf lokaler Ebene wurden Amtskellner zuständig für die Einnahme der Steuern eingesetzt. Richter und Vögte waren den Amtmännern für den Bereich der Justiz beigeordnet.[4]

Die überspannte Machtpolitik Erzbischof Dietrichs II. von Moers hatte nachhaltige Folgen. In der Soester Fehde von 1444 bis 1449 verlor der Kurstaat die Herrschaft über Soest und Xanten an die Grafschaft Kleve. Das Streben nach einem geschlossenen Territoriums und eine verfehlte Wirtschaftspolitik führten seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts zunehmend zum Ruin und damit zeitweise zur politische Handlungsunfähigkeit Kurkölns. Zwar gab es noch kleinere territoriale Erwerbungen, insgesamt aber war die territoriale Entwicklung seit Mitte des 15. Jahrhunderts abgeschlossen. Kurköln bestand aus einem etwa 100 km langen und 25 km breiten Landstreifen am Rhein, der das eigentliche Kurfürstentum bildete, sowie aus dem Herzogtum Westfalen und dem Vest Recklinghausen.

Die hohe Verschuldung des Erzstifts durch Dietrich von Moers führten dazu, dass die Landstände im rheinischen und westfälischen Teil des Kurstaates 1463 Erblandesvereinigungen erzwangen. Diese bildeten eine der zentralen Grundgesetze des Landes bis zu seinem Ende. Jeder neue Erzbischof hatte bei seiner Wahl die Bestimmungen zu beschwören. Sie schrieben unter anderem die Beteiligung des Domkapitels und der übrigen Landstände an zentralen politischen Entscheidungen, wie die Erklärung von Kriegen und die Bewilligung von Steuern fest.

Als erster hat Ruprecht von der Pfalz die Erblandesvereinigungen beschworen, sich bald aber nicht mehr dran gehalten. Als er das an das Domkapitel verpfändete Zons besetzten ließ, beanspruchten die Stände das in der Erblandesvereinigung verbriefte Widerstandsrecht für sich und bestimmten Hermann von Hessen als Stiftsverweser. Beide Seiten hatten Unterstützer innerhalb des Staates und von außen. Die Hessen unterstützen Hermann, Karl der Kühne stand auf Seiten von Ruprecht. Es kam zur Kölner Stiftsfehde in deren Verlauf es zur langen Belagerung von Neuss kam. Nach der Gefangennahme durch hessische Truppen hat Rupprecht sein Amt aufgegeben.[5]

Frühe Neuzeit

Reformation und Gegenreformation

Unter Hermann V. von Wied kam es in den 1540er Jahren zum Versuch im Kurstaat die Reformation einzuführen (Kölner Reformation). Er traf dabei auf Widerstand insbesondere aus Reihen des Domkapitels und der Kölner Universität, aber fand auch Unterstützung durch Grafen, Städte und Ritterschaft auf dem Landtag von 1543. In Städten wie Bonn, Neuss, Kempen und Kaiserwerth wurde die reformatorische Predigt eingeführt. Insbesondere die Niederlage der protestantischen Fürsten im Schmalkaldischen Krieg und damit die fehlenden Unterstützung von außen führten zum Scheitern und zum Amtsverzicht Hermanns.

Auch nach dem Scheitern von konnten sich im kurkölner Herrschaftsbereich Ansätze evangelischer Gemeinden halten. Adolf III. von Schaumburg versuchte mit mäßigen Erfolg dem durch Ansätze von Kirchenreformen (Provinzialsynode, Visitiationen usw.) und Bekämpfung des Protestantismus entgegen zu wirken. In Städten wie Bonn, Kempen und Neuss und einigen Unterherrschaften konnte sich evangelisches Leben gestützt auf die lokalen Herrschaftsträger sogar stabilisieren. Die folgenden Kurfürsten taten wenig, um den Protestantismus zurück zu drängen. Unter Salentin von Isenburg kam es zu einer Visitation, die zusätzlich zu den protestantisch gewordenen Gemeinden und Herrschaft in 40 von 180 Pfarreien lutherische, Calvinistische oder täuferische Spuren feststellte. Allerdings war nur eine kleine Minderheit der Pfarrer klar protestantisch.[6]

Unter Gebhard I. von Waldburg kam es in den 1580er Jahren noch einmal zu einem Versuch das Erzstift in eine weltliches Fürstentum umzuwandeln und die Reformation einzuführen. An seiner Stelle wurde Ernst von Bayern vom Domkapitel zum neuen Erzbischof und Landesherren gewählt. Gebhardt leistete Widerstand und wurde im Kölnischen Krieg besiegt. Nach dem Sieg von Ernst von Bayern setzten sofort gegenreformatorische Maßnahmen ein. Nur in wenigen Gemeinden konnte sich die Reformation behaupten.[6]

Seit Ernst von Bayern wurde das Kurfürstentum zwischen 1583 und 1761 durchgehend von Erzbischöfen aus dem bayerischen Haus Wittelsbach regiert. Dieses konnte so seinen politischen Einfluss im Nordwesten des Reiches erweitern. Zudem verfügte die Familie damit über einen Sitz im Kurfürstenkollegium. In kirchenpolitischer Hinsicht kam es im wesentlichen erst unter Ferdinand von Bayern zu kirchlichen Reformen. Er hat insbesondere die Jesuiten, aber auch Kapuziner und andere Orden gefördert. Seit 1584 war Köln einer päpstlichen Nuntiatur, die zu einem wichtigen Motor der Gegenreform und Kirchenreform wurde.[7] Zur Zeit Ferdinands war Kurköln insbesondere zwischen 1626 und 1631 eines der Zentren der Hexenverfolgung.[8]

Entwicklung im 17./18. Jahrhundert

Als Sekundogenitur der Wittelsbacher unterstützte Kurköln in der Regel die meist pro-französische und anti-habsburgische Politik der Herzöge und Kurfürsten von Bayern. Insbesondere Maximilian Heinrich von Bayern richtete seine Politik auf Frankreich und gegen das Reich aus. Er verbündete sich 1671 mit Ludwig XVI. und nahm am Krieg gegen die Niederlande teil. Dieses Politik führte zu einer starken Belastung des Staates. Gleichzeitig trieb Max Heinrich auch die kirchliche Reformpolitik voran.

In die Zeit der wittelsbachischen Sekundogenitur fällt im Wesentlich auch die Modernisierung der staatlichen Spitze mit absolutistischen Tendenzen. Erst unter Ferdinand von Bayern kam es unter Umgehung der Erblandesvereinigung im 17. Jahrhundert zur Einführung eines ständigen Hofrates an dem auch das Domkapitel beteiligt wurde. Außerdem hat er einen geheimen Rat gegründet, der ausschließlich dem Kurfürsten verantwortlich war und sich zum eigentlichen zentralen Regierungsgremium entwickelte.

Außenpolitisch war das 18. Jahrhundert von wechselnden Bündnissen geprägt. Dabei spielten nicht zuletzt die Höhe der Subsidien eine Rolle. In wirtschaftlicher Hinsicht, blieb die Entwicklung begrenzt. Dagegen entfalteten die Kurfürsten eine prächtige Hofhaltung. In die Zeit von Joseph Clemens von Bayern fiel im Rahmen des pfälzischen Krieges die Zerstörung von Bonn. Er hat 1701 die Seiten gewechselt und sich mit Ludwig XVI. verbündet. Vom Reich geächtet, musste er ins französische Exil gehen. Nach der Rückkehr 1715 hat er den Wiederaufbau Bonn und der kurfürstlichen Schlösser planen lassen, erlebte aber nicht mehr deren Vollendung. Sein Nachfolger Clemens August I. von Bayern hat oftmals die Bündnisse gewechselt. Er hat prachtvolle Schlösser und Gärten errichten lassen. Insgesamt aber hat er die Einkünfte auch für eine übertriebene Hofhaltung, für Jagden verschwendet. Mit Maximilian Friedrich von Königsegg-Rothenfels endete die Zeit der bayerischen Prinzen als Kurfürsten. Der neue Kurfürst hat eine energische Sparpolitik betrieben und 1777 die Akademie Bonn, seit 1784 Universität, gegründet. Unter Maximilian Franz von Österreich kam es im Sinn der katholischen Aufklärung zu zahlreichen Reformen in fast allen Politikbereichen aber insbesondere im Bildungswesen. Die Universität in Bonn wurde ausgebaut, die Schulbildung und Lehrerausbildung verbessert.[9]

Das Ende des Kurstaats

Im Frieden von Lunéville wurden 1801 alle linksrheinischen Gebiete Kurkölns an das napoleonische Frankreich abgetreten. Die rechtsrheinischen Territorien wurden als Folge des Reichsdeputationshauptschlusses 1803 säkularisiert und auf die Herzogtümer Nassau und Hessen-Darmstadt sowie auf die Grafschaft Wied-Runkel aufgeteilt. Damit endete die Geschichte Kurkölns drei Jahre bevor auch das Reich 1806 zu bestehen aufhörte.

Bis auf die nassauischen Gebiete fiel das gesamte Territorium des früheren Kurstaats auf dem Wiener Kongress 1815 an Preußen. Sie gehörten zunächst zur Provinz Jülich-Kleve-Berg und ab 1822 zur Rheinprovinz. Das ehemalige Herzogtum Westfalen und das Vest Recklinghausen gehörten dagegen zur Provinz Westfalen. Seit 1946 gehören die Gebiete des Kurfürstentums Köln zum Teil zum Bundesland Nordrhein-Westfalen und zum Teil zu Rheinland-Pfalz.

Institutionen

Kurfürst und Hofhaltung

Bereits seit 1028 stand dem Erzbischof von Köln das Recht der Königskrönung zu, da die damalige Krönungsstadt Aachen in seiner Erzdiözese lag. Seit 1031 war er zudem Erzkanzler für Reichsitalien. Zusammen mit den beiden rheinischen Erzbischöfen von Trier und Mainz sowie mit dem Pfalzgrafen bei Rhein, dem Markgrafen von Brandenburg, dem Herzog von Sachsen und dem König von Böhmen bildeten sie das ursprünglich siebenköpfige Kurfürstenkollegium. Dieses hatte seit dem 13. Jahrhundert das alleinige Recht zur Wahl des deutschen Königs.

Der Kölner Erzbischof wurde vom Domkapitel gewählt. Zur Erlangung aller bischöflichen und weltlichen Rechte bedurfte es aber der päpstlichen Bestätigung und der Belehnung mit den weltlichen Regalien durch den Kaiser. Insbesondere seit der Goldenen Bulle Karl IV. von 1365 hatten die Kurfürsten bedeutende Vorrechte gegenüber anderen Fürsten. Darunter war auch die uneingeschränkte Gerichtshoheit. Mit dem Ende des dreißigjährigen Krieges hatten sie als Reichsfürsten das Recht äußere Bündnisse einzugehen, auch ihre inneren Unabhängigkeit vom Kaiser wurde noch einmal gestärkt. Im Inneren wurden die landesherrlichen Rechte jedoch erheblich von den Ständen, insbesondere vom Domkapitel, eingeschränkt. Bezeichnend war, dass der Kurfürst für die Einberufung eines Landtages der Zustimmung des Domkapitels bedurfte, umgekehrt konnte dieses notfalls ohne Zustimmung des Landesherren eine solche Versammlung einberufen. Trotz Verbots durch Innozenz XII. im Jahr 1695 hatten die Erzbischöfe bei ihrer Wahl dem Domkapitel in einer Wahlkapitulation dessen alten Vorrechten garantieren müssen. [10] Den Ständen insgesamt musste er durch die Beschwörung der Erblandesvereinigung von 1463 beziehungsweise 1590 Mitsprache in zentralen Bereichen wie der Erklärung von Kriegen oder der Erhebung von Steuern einräumen. Selbst grundlegende Veränderungen der Religion etwa die Einführung der Reformation bedurfte der Zustimmung der Stände.

Trotz dieser faktischen Machtbeschränkung existierte in der frühen Neuzeit ein großer Hofstaat, der unter Joseph Clemens von Bayern nach dem Vorbild absolutistischer Staaten insbesondere des französischen Hofes in Versailles umgestaltet wurde. Zur Zeit von Clemens August I. von Bayern erhielt er seine bis zum Ende des Kurstaates weitgehend gültige Gestalt. Gleichzeitig wurde die Hofhaltung von den Regierungsbehörden stärker geschieden. An der Spitze des Hofes stand der Obrist-Landhofmeister. Unter ihm gab es mehrere Stäbe. Die alten aus dem Mittelalter stammenden Hofämter hatten nur noch repräsentative Funktionen und waren in hochadeligen Familien erblich. Der Bonner Hof war im 18. Jahrhundert der wohl prachtvollste in ganz West- und Norddeutschland. Allerdings standen die Kosten in keinem Verhältnis zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Staates. Die Kurfürsten waren nicht selten zur Finanzierung auf Subsidien auswärtiger Mächte angewiesen, die dafür meist politische Gegenleistungen einfordern konnten. Unter Maximilian Friedrich von Königsegg-Rothenfels und Maximilian Franz von Österreich wurden trotz des Festhaltens an der Grundstruktur des Hofes zahlreiche Einsparungen vorgenommen.[11]

Domkapitell

Im Kurfürstentum Köln bildete das Domkapitel als 1. Stand das höchste Leitungsgremium des Bistums und des Erzstifts unter dem Erzbischof. Nach dessen Tod einen Nachfolger zu wählen war seine wichtigste Befugnis. Bis zum Ausgang des Mittelalters bestand es aus 72 Mitgliedern, von denen jedoch nur 24 wahlberechtigte Kapitulare waren. Später sank ihre Zahl auf 24 wahlberechtigte Kanoniker und 24 Domizellare. Papst und Kaiser besaßen zudem noch ein Ehrenkanonikat, das ihnen eine Mitsprache bei der Neubesetzung des Bischofsamtes ermöglichte.

Das Kapitel teilte sich in 16 Domgrafen (oder Domherren) und 8 Priesterherren auf. Nur Domgrafen durften die Ämter des Dompropstes, des Domdechanten, des Vizedechanten, des Chorbischofs, des Scholasters, des Diakonus senior und des Diakonus junior bekleiden. Um in das Domkapitel aufgenommen zu werden, mussten sie 16 regierende adlige Vorfahren väterlicher- und mütterlicherseits aufweisen und die Subdiakonenweihe empfangen haben. Lediglich der Domdechant, der das Kapitel leitete, musste die Priesterweihe erhalten haben. Da die meisten Domherren mehrere Kanonikate in unterschiedlichen Bistümern besaßen, residierten nur wenige tatsächlich in Köln. Im 17. und 18. Jahrhundert kamen zudem viele Domgrafen aus schwäbischen Familien, so dass das Kapitel von Landfremden beherrscht wurde.

Seit 1218/19 stieg die Zahl der ebenfalls wahlberechtigten Priesterherren auf 7, später auf 8 an. Neben der Priesterweihe mussten sie spätestens seit dem 15. Jahrhundert einen akademischen Grad in Theologie oder Jurisprudenz vorweisen. Da sie für gewöhnlich alle an der Domkirche residierten, waren sie den Domgrafen an Zahl meist überlegen, so dass sie das eigentliche politische Willenszentrum des Kapitels darstellten. Im Gegensatz zu den Domgrafen entstammten die Priesterherren stets der Stadt Köln oder ihrem Umland. Da mehrere Kanonikate der Universität Köln inkorporiert worden waren, vergab sie diese zur Besoldung an ihre Professoren.

Das Domkapitel ergänzte sich im Wesentlichen durch Kooptation. Der Erzbischof hatte auf die Zusammensetzung kaum Einfluss. Bei allen Spannungen zwischen Kurfürst und Domkapitel bekleideten die Domherren oft auch wichtige weltliche Ämter im Kurstaat.[10]

Nach der Säkularisation wurde das Domkapitel auf 16 Stellen und zwei Dignitäten - Dompropst und Domdechant - beschränkt. Von diesen sind bis heute vier als nichtresidierende Domherren an der Domkirche tätig.

Premierminister

Der "Premierminister" oder "Erste Minister" war der leitende Minister Kurkölns. Das Amt wurde im 17. Jahrhundert geschaffen, da sich die Erzbischöfe meist nicht selbst um die Politik kümmerten. So war der Premierminister der eigentliche Regent. Erst unter dem dem letzten Kurfürsten, Maximilian Franz von Österreich, der selbst die Regierungsgeschäfte wahrnahm, war das Amt nur noch ein nominelles. Der Premierminister wurde vom Erzbischof frei eingesetzt und bekleidete zumeist auch das oberste Amt am Hof, das des Obristlandhofmeisters.

  • 1650–1682: Franz Egon Graf von Fürstenberg
  • 1682–1688: Wilhelm Egon Graf von Fürstenberg
  • 1688–1719: Johann Friedrich Karg von Bebenburg
  • 1723–1733: Ferdinand von Plettenberg
  • 1733–1750: Ferdinand Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen
  • 1751–1755: Hermann Werner von der Asseburg
  • 1756–1766: Franz Christoph Anton von Hohenzollern-Sigmaringen
  • 1766–1784: Caspar Anton von Belderbusch
  • 1784–1785: Carl Otto Ludwig Theodat von und zu Gymnich

Räte

Wie in anderen Ländern des Reiches, so oblag auch in Kurköln die eigentliche Landesverwaltung in der frühen Neuzeit verschiedenen Rats-Kollegien. Da ihre Aufgabenverteilung nie eindeutig von einander abgegrenzt wurde, kam es immer wieder zu Überschneidungen und Streitigkeiten zwischen den einzelnen Gremien. Deren Mitglieder, die Räte, waren heutigen Staatssekretären vergleichbar. Man unterschied dabei zwischen wirklichen Räten, die sich tatsächlich mit der Politik des Landes befassten und den "normalen" Räten, welche ihren Titel ehrenhalber trugen und oftmals gegen Bezahlung erhalten hatten. Die verschiedenen Kollegien waren:

  • das Geheime-Rats-Kollegium, das von einem Geheimen Ratskanzler und bei dessen Abwesenheit vom ältesten Geheimrat geleitet wurde;
  • das Geistliche-Rats-Kollegium mit einer eigene Kanzlei, das von einem Präsidenten geleitet wurde und dessen Verwaltung ein Direktor vorstand;
  • das Hofrats-Kollegium, das aus zwei Verwaltungssträngen bestand, denen beiden der Hofratspräsident vorstand. Während die Hofräte und die Hofratskanzlei durch einen Direktor geleitet wurden, stand die Leitung des Hohen Weltlichen Schöffengerichts zu Bonn dem dortigen Obervogt zu;
  • das Hofkammer-Rats-Kollegium, das ebenfalls zwei Stränge umfasste, denen beiden ein Präsident vorstand. Während Hofkammerräte und Hofkammerkanzlei zur den Direktor der Hofkammer geleitet wurden, unterstand die "Münze" dem Landrentmeister;
  • das Kriegs-Rats-Kollegium. Unter einem Präsidenten stehend, wurden Kriegsräte und Kriegsratskanzlei durch einen Direktor geleitet.

Der Landtag

Bis zur Auflösung des Kurstaates bildeten die 3 jährlichen Landtage im Erzstift, dem Herzogtum Westphalen und dem Vest Recklinghausen die Ständevertretung. Sie waren von einander unabhängig und tagten jeweils für sich. Der wichtigste von ihnen war der Landtag des Erzstiftes, welcher für gewöhnlich im Bonner Minoritenkloster tagte. Er bewilligte dem Kurfürsten die Erhebung der jeweiligen Steuern und wurde von den Landständen von Westfalen und Recklinghausen als passiven Zuhörern besucht.

Im ausgehenden Mittelalter bildeten sich im eigentlichen Erzstift vier Landstände: Domkapitel, Grafen, Ritter und Städte.

  1. Stand: Das Domkapitel, welches 4 seiner Mitglieder in den Landtag entsandte.
  2. Stand: Die Inhaber eines Rittersitzes, welche seit wenigstens vier Generationen dem reichsunmittelbaren Adel angehörten. Sie wurden auch Grafenstand genannt.
  3. Stand: Die Inhaber wenigstens einer der 227 Rittersitze des Erzstifts, wenn sie zugleich ihren Adel nachweisen konnten. Der Besitz eines Rittersitzes ohne Adelsnachweis alleine reichte nicht aus.
  4. Stand: Er bestand, abgesehen von Deutz und Alpen, aus allen 18 Städten des Erzstiftes. In ihm stellte Andernach das Direktorium für das Oberstift und Neuss das Direktorium für das Niederstift. Während die Direktorialstädte drei Abgeordnete entsandten, konnten die Unter-Direktorialstädte Ahrweiler, Linz am Rhein, Rheinberg und Kempen lediglich zwei entsenden.
  5. Grundsätzlich fand der Landtag einmal im Jahr statt, zumeist in der ersten Hälfte eines Jahres. Vor seiner Einberufung musste der Kurfürst die Zustimmung des Domkapitels einholen, was gewöhnlich vier Wochen vor dem Tagungstermin geschah.

Zu Beginn der Tagung hörten alle Teilnehmer die Messe zum Heiligen Geist. Mit der anschließenden Verlesung der Landtagsproposition wurden die Sitzungen formell eröffnet. Danach begaben sich die Teilnehmer, nach Ständen getrennt, in ihre Sitzungszimmer.

Während der ersten Woche verhandelte man vorrangig die Gravamina. Hierbei handelte es sich überwiegend um Beschwerden über Verletzung der Rechte der Landstände durch die kurfürstlichen Regierungsorgane. Zur zweiten Phase, der Geldbewilligung, ging man erst über wenn der Kurfürst Resolutionen erlassen hatte, die den Forderungen der Landstände entsprachen. Dies geschah nicht bei allen Ständen gleichzeitig, da sie unabhängig voneinander berieten. Nach der Frage der Geldbewilligung behandelte man Eingaben einzelner Untertanen.

Bei den Abstimmungen unter Domherren, Grafen und Rittern galt das Mehrheitsprinzip, bei den Städten dagegen gab es erhebliche Unterschiede in der Gewichtung. Hier zählte die Stimme einer Direktorialstadt alleine schon soviel wie die Stimmen aller Unterstädte zusammen.

Die Meinungsbildung des Landtags erfolgte grundsätzlich von den niederen zu den höheren Ständen, also von den Städten über die Ritter und Grafen bis zum Domkapitel. Zunächst mussten sich die Städten mit den Rittern, dann die Ritter mit den Grafen und in einem letzten Schritt die Grafen mit den Domherren auf eine gemeinsame Haltung einigen. Wich ein höherer Stand mit seiner Haltung in einer bestimmten Frage von den vor ihm abstimmenden Stände ab, so mussten diese erneut verhandeln. Das gesamte Procedere begann noch einmal von neuem. Kam wieder keine Einigung zustande, so teilte man dem nächsthöheren Stand bzw. der kurfürstlichen Regierung die voneinander abweichenden Voten mit.

Das umständliche Verfahren stärkte die höheren Stände bei der Durchsetzung ihrer Interessen. Gleichzeitig sollte es aber gewährleisten, dass der jeweils höhere Stand in seine Entscheidungen automatisch die der unteren Stände mit einfließen ließ. Dem lag die allgemein verbreitete staatsrechtliche Vorstellung zu Grunde, dass das Land dem Landesherrn "unavoce", also mit einer Stimme, gegenüber treten müsse.

Während die Kurfürsten im Kerngebiet ihres Territoriums mit einem gewissen Erfolg die Mitbestimmungsrechte der Landtage zugunsten einer absolutistischen Herrschaftsauffassung zu beschneiden wussten, gelang ihnen dies in den Nebenländern insbesondere im Herzogtum Westfalen nur in einem geringen Maße. Dort bewahrte sich der Landtag bis zum Ende des alten Reiches erheblichen Einfluss.

Territorialverwaltung

Ämter

Ein Amt war ein fest umschriebener Bereich. Hier hatte der Erzbischof die Hohe und Niedere Gerichtsbarkeit. Von diesen Bereichen waren die in ihnen gelegenen Unterherrschaften und Herrlichkeiten ausgenommen. Die Größe der Ämter war relativ unterschiedlich. Kleine Ämter bestanden oft nur aus einer Stadt mit ihrem unmittelbaren Umland (Meckenheim, Rhens), einer Stadt mit einigen Gemeinden des Umlandes (Rheinbach, Zülpich, Deutz, Zons) oder auch mehreren Landgemeinden (Godesberg, Mehlem, Wolkenburg, Zeltingen, Alken, Königsdorf). Oftmals waren in einem Amt nicht alle Verwaltungsämter besetzt und manchmal noch nicht einmal das des Amtmannes. Jener war oftmals zugleich Amtmann eines anderen, benachbarten Amtes. Es gab aber auch große Ämter wie Bonn, Altenwied, Kempen-Oedt, die stets einen vollständigen Beamtenstab besaßen.

Für gewöhnlich stand an der Spitze eines Amtes der Amtmann, der jederzeit ablösbar war und bis zum Ende des Kurstaates stets aus dem Ministerialadel genommen wurde. Oftmals schon zu frühen Zeiten in ihren Amtsgeschäften von Unteramtmänner vertreten, wurden seit dem 17. Jahrhundert an ihre Stelle reguläre Amtsverwalter berufen. Hierbei behielten die Amtmänner jedoch den Titel eines solchen. Zu den Aufgaben des Amtmannes gehörte der militärische Schutz des ihm anvertrauten Amtes, der Bewohner und der hoheitlichen und nutzbaren Rechte des Erzbischofs nach außen. Auch Rechtsfrieden, Sicherheit und Ordnung nach innen waren ihm unterstellt. Mit einem festen Amtssitz versehen, erhielt für die Kosten seiner Amtsführung regelmäßige Einkünfte, die für gewöhnlich den im Amt anfallenden Einnahmen des Landesherren entnommen wurden. In späteren Zeiten erhielt er auch ein festes Gehalt. Saß er im 13. Jahrhundert noch dem Gericht vor, so wurde das Amt eines Richters doch bald personell getrennt und nun durch die landesherrliche Richter, Schultheißen und Vögte versehen, welche jedoch häufig auch zugleich Amtsverwalter oder Kellner waren.

Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts finden wir auch das Amt des Kellners. War er im Ursprung nur für den Unterhalt des Personals auf den Amtsburgen zuständig, so waren doch bald alle landesherrlichen Einkünfte seine Zuständigkeit. Im Ursprung auch oft durch schriftkundige Geistliche verwaltet, gelangte die tatsächliche Amtsführung seit dem 18. Jahrhundert häufig in die Hände eines treuhändlichen Verwalters.

Unterherrschaften

In den Unterherrschaften wurde die Hohe und Niedere Gerichtsbarkeit häufig durch einen Adligen, der für gewöhnlich nicht in anderen Territorien belehnt war, ausgeübt. Die Unterherrschaft war keinem Amt unterworfen, sondern bildete ein eigenständiges Lehnsgebilde. So konnte der Erzbischof weder Bede noch Schatz als landesherrliche Steuern einfordern und lediglich eine lockere Schutzfunktion geltend machen. Auch ständige juristische Kleinkriege führten nicht zum erhofften Ziel einer vollen Landeshoheit des "Unterherren". Entsprechend griffen die landesherrlichen Verordnungen des Erzbischofs, seine Edikte bezüglich Steuererhebungen, Jagdausübung, Gerichts-, Rechts-, Brüchten-, Polizei- und Taxenverordnungen auch hier.

Herrlichkeiten

Bei den Herrlichkeiten handelte es sich um die 227 Rittersitze mit ihren Appertinenzien, deren Inhaber zumeist die Niedergerichtsbarkeit besaßen. Sie waren von der Bede, dem Schatz und den Dienstpflichten gegenüber dem Erzbischof als Landesherrn ausgenommen.

Städte

Die Städte Kurkölns bildeten Gebietskörperschaften, denen durch Privilegien ein Recht auf eine weitgehend selbständige Erledigung ihrer Angelegenheiten zugestanden wurde. In der Erblandesvereinigung von 1463 wurde als Städte genannt: Bonn, Andernach, Neuss, Ahrweiler, Linz, Rheinberg, Kaiserswerth, Zons, Uerdingen, Kempen, Rheinbach, Zülpich und Lechenich.[2]

Wappen

Erzbistum und Kurstaat Köln hatten folgendes Wappen: in Silber ein (häufig geständertes) schwarzes Balkenkreuz. Es erscheint auch heute noch in einer Vielzahl aktueller Kreis- und Gemeindewappen auf dem Gebiet des ehemaligen Kurstaats und seiner Exklaven Westfalen und Vest Recklinghausen.

Literatur

  • Kurköln (Landesarchiv und Gerichte), Herrschaften, Niederrheinisch-Westfälischer Kreis, Ergänzungen zu Band 1 (= Das Hauptstaatsarchiv Düsseldorf und seine Bestände, Band 2), bearb. von Friedrich Wilhelm Oediger, Siegburg 2. Aufl. 1994 [1970].
  • Kurköln. Land unter dem Krummstab: Essays und Dokumente (= Veröffentlichungen der staatlichen Archive des Landes Nordrhein-Westfalen, Reihe C: Quellen und Forschungen, Band 22; Schriftenreihe des Kreises Viersen 35a), hrsg. von NRW-Hauptstaatsarchiv Düsseldorf / Kreisarchiv Wesel / Arbeitskreis niederrheinischer Archivare, Red. Klaus Flink, Kevelaer 1985.
  • Burkhardt, Stefan, Mit Stab und Schwert. Bilder, Träger und Funktionen erzbischöflicher Herrschaft zur Zeit Kaiser Friedrich Barbarossas. Die Erzbistümer Köln und Mainz im Vergleich (= Mittelalter-Forschungen 22), Ostfildern 2008.
  • Georg Droege: Verfassung und Wirtschaft in Kurköln unter Dietrich von Moers (1414-1463) (= Rheinisches Archiv 50), Bonn 1957.
  • Eduard Hegel: Das Erzbistum Köln zwischen Barock und Aufklärung. Vom Pfälzischen Krieg bis zum Ende der französischen Zeit 1688–1814 (= Geschichte des Erzbistums Köln 4), Köln 1979.
  • Eduard Hegel: Das Erzbistum Köln. Zwischen der Restauration des 19. Jahrhunderts und der Restauration des 20. Jahrhunderts. 1815–1962 (= Geschichte des Erzbistums Köln 5), Köln 1987.
  • Wilhelm Janssen: Das Erzbistum Köln im späten Mittelalter. 1191–1515 (= Geschichte des Erzbistums Köln 2), 2 Halbbände, Köln 1995/2003.
  • Hansgeorg Molitor: Das Erzbistum Köln im Zeitalter der Glaubenskämpfe. 1515–1688 (= Geschichte des Erzbistums Köln 3), Köln 2008.
  • Wilhelm Neuss / Friedrich Wilhelm Oediger: Das Bistum Köln von den Anfängen bis zum Ende des 12. Jahrhunderts (= Geschichte des Erzbistums Köln 1), Köln 1964 [1991].
  • Sabine Picot: Kurkölnische Territorialpolitik am Rhein unter Friedrich von Saarwerden (1370-1414) (= Rheinisches Archiv 99), Bonn 1977.

Einzelnachweise

  1. ↑ a b Köln I/1 In: Theologische Realenzyklopädie. Bd.19. Berlin, New York, 1990 S. 290
  2. ↑ a b Monika Storm: Das Herzogtum Westfalen, das Vest Recklinghausen und das rheinische Erzstift Köln. Kurköln in seinen Teilen. In: Harm Klueting (Hrsg.): Das Herzogtum Westfalen. Bd. 1. Das kurkölnische Westfalen von den Anfängen kölnischer Herrschaft im südlichen Westfalen bis zu Säkularisation 1803. Münster 2009, ISBN 978-3-402-12827-5, S. 359
  3. ↑ Monika Storm: Das Herzogtum Westfalen, das Vest Recklinghausen und das rheinische Erzstift Köln. Kurköln in seinen Teilen. In: Harm Klueting (Hrsg.): Das Herzogtum Westfalen. Bd. 1. Das kurkölnische Westfalen von den Anfängen kölnischer Herrschaft im südlichen Westfalen bis zu Säkularisation 1803. Münster 2009, ISBN 978-3-402-12827-5, S. 359 f.
  4. ↑ a b Monika Storm: Das Herzogtum Westfalen, das Vest Recklinghausen und das rheinische Erzstift Köln. Kurköln in seinen Teilen. In: Harm Klueting (Hrsg.): Das Herzogtum Westfalen. Bd. 1. Das kurkölnische Westfalen von den Anfängen kölnischer Herrschaft im südlichen Westfalen bis zu Säkularisation 1803. Münster 2009, ISBN 978-3-402-12827-5, S. 360
  5. ↑ Monika Storm: Das Herzogtum Westfalen, das Vest Recklinghausen und das rheinische Erzstift Köln. Kurköln in seinen Teilen. In: Harm Klueting (Hrsg.): Das Herzogtum Westfalen. Bd. 1. Das kurkölnische Westfalen von den Anfängen kölnischer Herrschaft im südlichen Westfalen bis zu Säkularisation 1803. Münster 2009, ISBN 978-3-402-12827-5, S.350−352
  6. ↑ a b Hans Georg Molitor: Köln I/2 In: Theologische Realenzyklopädie. Bd.19. Berlin/New York, 1990 S. 297
  7. ↑ Hans Georg Molitor: Köln I/2 In: Theologische Realenzyklopädie. Band 19, Berlin/New York 1990, S. 298
  8. ↑ Gerhard Schormann: Der Krieg gegen die Hexen. Das Ausrottungsprogramm der Kurfürsten von Köln. Göttingen, 1991.
  9. ↑ Hans Georg Molitor: Köln I/2 In: Theologische Realenzyklopädie. Band 19, Berlin/New York 1990, S. 298 f.
  10. ↑ a b Rudolf Lill, Erwin Sandmann: Verfassung und Verwaltung des Kurfürstentums und Erzbistums Köln im 18. Jahrhundert. In: Kurfürst Clemens August. Landesherr und Mäzen des 18. Jahrhunderts. DuMont Schauberg, Köln 1961, S. 47, (Ausstellungskatalog, Schloss Augustusburg zu Brühl)
  11. ↑ Rudolf Lill, Erwin Sandmann: Verfassung und Verwaltung des Kurfürstentums und Erzbistums Köln im 18. Jahrhundert. In: Kurfürst Clemens August. Landesherr und Mäzen des 18. Jahrhunderts. DuMont Schauberg, Köln 1961, S. 48-50, (Ausstellungskatalog, Schloss Augustusburg zu Brühl)
  12.  

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Kölner Domkapitel

Das Hohe Dom-, Kathedral- und Metropolitankapitel zu Köln ist ein Kollegium von Geistlichen, das den Bischof von Köln bei der Leitung der Diözese unterstützt.

Ihm obliegt die Feier der Liturgie im Dom; zudem ist es als eigenständige juristische Person unter dem Bischof mit der Verwaltung der Diözese betraut.

Geschichte

Die Ursprünge des Kölner Domkapitels liegen weitgehend im Dunkeln. Es muss bereits vor 816 als festes Gremium bestanden haben, da es in diesem Jahr eine Institutio clericorum anfertigen ließ. Demnach lebten die Kleriker des Domkapitels nach der Kanonikerregel des Chrodegang von Metz.

Die klösterliche Gemeinschaft besaß einen gemeinsamen Schlafsaal (Dormitorium), ein Refektorium (Speisesaal) und eine gemeinsame Bibliothek.

Innerhalb der Dom-Immunität, dem Lebensraum der Kanoniker, gab es auch ein Hospital, einen Friedhof und zahlreiche Kapellen.

Dem Betrieb des "Domklosters" gehörten in der Mitte des 9. Jahrhunderts über 100 Personen an, die Handwerker nicht mitgezählt. Alleine für die Domkirche gab es 23 Bedienstete, im Stift kamen dazu zwei Kellermeister, ein Küchenmeister, vier Köche, ein Bäcker, zwei Bedienstete für die Kleiderkammer, zwei Schlafsaalwärter (Sie machten den jungen Kanonikern die Betten), vier Türsteher und zahlreiche andere. Selbst im 15. Jahrhundert gab es noch, obwohl der Haushalt stark verkleinert war, 15 Laienpfründen.

Noch 1244/46 gab es Ansätze eines gemeinsamen Lebens: in diesem Jahr wurde die Tischordnung geregelt und die 72 Kanoniker nach Rängen geordnet. So gab es unter ihnen 24 Praelati in ecclesia und 20 einfache Pfründen. Aus ihnen entwickelten sich später die 24 Domherren und die 20 Domizellaren. Es gab keine Beförderungen; man rückte mit dem Tode eines älteren auf.

Je ein Kanonikat war dem Papst und dem Kaiser vorbehalten.

1212/18 wurden acht Priesterkanonikate eingerichtet; später reduzierte man ihre Zahl auf sieben. Bei ihnen handelt es sich um die sogenannten Kardinalpriester, die seit 1049/52 allein das Recht hatten, an den beiden Hochaltären der Domkirche mit Dalmatik, Sandalen und Mitra die Messe zu feiern.

Bereits um das Jahr 1000 waren die Kanonikate des Kölner Domes alleine dem Hochadel des Reiches vorbehalten. Lediglich die Priesterkanonikate konnten mit "Bürgerlichen" besetzt werden.

Spätestens 1450 stand die endgültige Verfassung des Kölner Domkapitels fest.

Es bestand nun aus 24 Kapitularen und 20 (später 24) Anwärtern. Von den Kapitularen mussten 16 dem Hochadel des Reiches angehören, weshalb sie auch Domgrafen genannt wurden.

Die acht weiteren Kanonikate sollten an Priester mit akademischem Grad vergeben werden. Die Domizellare, also Anwärter, gehörten ebenfalls dem Hochadel an. Die Domgrafen mussten zumindest die Weihe zum Subdiakon besitzen. Höhere Weihen waren für sie nicht vorgeschrieben.

Nachdem es 1346 zu einem Streit zwischen "Domgrafen" und Priesterherren gekommen war, in welchem die Domgrafen den Priesterherren das volle Kanonikerdasein absprechen wollten, kam es innerhalb des Kapitels zu keinem derartigen Streit mehr und die Priesterherren wurden als volle Kanoniker anerkannt.

Wie in vielen Kanonikerstiften, so begann auch im Hochmittelalter die Emanzipation der Kanoniker von den Prälaten. In zwei Schritten, nämlich 1284 und 1373, wurde das Vermögen zwischen dem Dompropst und dem Domkapitel aufgeteilt.

Wenn das Kapitel im Hochmittelalter die freie Wahl des Dompropstes gegen den Papst verteidigen konnte, so verlor sie doch zwei Kanonikate an die Universität Köln.

Regelte das Kapitel seine Nachfolge im allgemeinen selbst, so wurden die "Universitätspfründen", welche allesamt zu den acht Priesterkanonikaten gehörten, von der Universität verliehen. Diese gelangten 1394 und 1437 an die Universität.

Der Zerfall der Vitacommunis (gemeinsames Leben) führte häufig zu einer mangelhaften Residenz der Domherren, welche oftmals an verschiedenen Kirchen präbendiert waren (vgl. z.B. Oswald von Hohenzollern-Sigmaringen).

Waren 1323 noch 15 Kanoniker (8 Domgrafen und 7 Priesterherren) anwesend, so sank ihre Zahl bis 1381 auf fünf Domgrafen und sieben Priesterherren. Letztere bildeten in den folgenden Jahrhunderten meist das stabilere Element des Kapitels.

Durch päpstliche Reservationen (ein mittelalterlicher Rechtsbegriff) ging dem Kapitel ab 1298/1304 das Bischofswahlrecht verloren, was es sich erst durch das Wiener Konkordat (1448/49) wieder sichern konnte. Trotzdem konnte es im Koadjutorenvertrag von 1366 erstmals eine Wahlkapitulation vereinbaren. Dieser enthielt 15 Punkte, von denen neun Vergünstigungen für das Kapitel und den Klerus enthielt, sechs bezogen sich auf die Politik des Erzstifts.

Mit jeder Wahl wurde eine neue Wahlkapitulation erstellt. Doch alle hatten immer nur ein Ziel:die Vormachtstellung des Domkapitels im Land zu stärken und den Erzbischof an sich zu binden.

Hierbei ging es nicht nur um Eigeninteressen, sondern auch um eine Absicherung des Kur-Erzstifts.

Nach dem Tode des Erzbischofs Dietrich II. von Moers (1463) setzte das Kapitel mit den Landständen die Erblandesvereinigung durch, welche weitere Verpfändungen Kurkölnischer Territorien und eine zunehmende Verschuldung des Erzstifts verhindern sollte.

Gleichzeitig verpflichtete es sich, vor der Wahl das Votum der Landstände einzuholen.

Als dessen Nachfolger, Erzbischof Ruprecht von der Pfalz, sich jedoch zunehmend gegen die eigenen Landstände wandte (er besetzte u. a. die an das Domkapitel verpfändete Stadt Zons), verbündete es sich mit diesen und versuchte seine Absetzung zu erwirken. Hierbei wandte es sich offen von seinem Erzbischof ab und wählte den nachmaligen Erzbischof Hermann IV. von Hessen zum Administrator. Diese (auch kriegerische) Auseinandersetzung ging unter dem Namen "Kölner Stiftsfehde" in die Geschichte ein.

Im Zeitalter der Reformation bildete das Domkapitel, gemeinsam mit der Kölner Universität, den Motor des Katholizismus. Energisch trat es den Protestantisierungs- und Reformierungsversuchen der Erzbischöfe Hermann V. von Wied und Gebhard Truchseß von Waldburg entgegen. Besonders Johannes Gropper machte sich hierbei einen Namen.

Kurz vor dem Tode des Erzbischofs Maximilian Heinrich von Bayern (1688) wählte das Domkapitel den Domdechanten und Bischof von Straßburg, Kardinal Wilhelm Egon von Fürstenberg, zum Koadjutor des Erzbischofs. Da der Erzbischof jedoch noch vor der Wahlbestätigung verstarb, kam es nun zur Bischofswahl. Fürstenberg war ein enger Verbündeter des Königs von Frankreich und galt allgemein als "Reichsverräter".

Obwohl Kaiser und Papst Joseph Clemens von Bayern als Kandidaten den Vorzug gaben und der Kaiser bei einer Wahl Fürstenbergs die Verweigerung der Regalien ankündigte, erlagen große Teile des Kapitels den französischen Bestechungsgeldern und Druckmitteln (viele waren auch im französischen Straßburg bepfründet). Es kam zu einer Spaltung des Kapitels und die Anhänger des Kardinals schlossen sich mit diesem in Bonn ein. Als die Stadt militärisch genommen war, floh Fürstenberg mit den Priesterherren Eschenbrender und Quentel nach Straßburg. Die übrigen Domherren hatten sich bereits dem kaiserlichen Kandidaten angeschlossen. Die Einheit des Kapitels war wieder hergestellt.

In seiner Endphase galt das alte Domkapitel als überaus konservativ und der Aufklärung gegenüber als sehr zugeknöpft. So wurde es oftmals Zielscheibe "aufgeklärter" Kreise.

Im Gegensatz zu vielen anderen Kapiteln wurde das Kölner Domkapitel am Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation nicht aufgehoben. 1795, noch vor dem Einrücken der Franzosen in Köln, begab sich ein Großteil des Kapitels nach Arnsberg. Einige Kanoniker ließ man jedoch in Köln zurück, wo sie die Kapitelsrechte wahren sollten. Hierbei kam es zu Streitigkeiten. Obwohl die "Kölner" Kapitulare im Auftrag des Kapitels in Köln verblieben waren, wurde ihnen das als mangelnde Residenz angerechnet und man verweigerte ihnen die Pfründezahlungen. Denn, so die Aussage, Residenzhalten könne man lediglich in Arnsberg. Nach einigen Querelen konnte der Streit beigelegt werden.

In Arnsberg wählte das Kapitel auch noch einen neuen Domdechanten und feierte diese Wahl ausgiebig mit Empfängen und Konzert. Die Umstände der Zeit wurden ignoriert. Als 1802 Erzbischof Maximilian Franz von Österreich verstorben war, wählte man seinen Neffen Anton Viktor von Österreich zum neuen Erzbischof. Dieser lehnte jedoch aufgrund der politischen Lage ab und es blieb bei der Wahl eines Kapitularvikars, der bis zu seinem Tode in Deutz (gegenüber dem Kölner Dom) residierte und den rechtsrheinischen Rumpf der Erzdiözese verwaltete. Eine Vereinigung der Diözesen Köln und Münster, bei welcher das Kölner Domkapitel im Münsteraner Domkapitel aufgegangen wäre, lehnte man energisch ab.

Da nicht nur die Kathedrale verloren gegangen war, sondern auch die Einkünfte des Kapitels, suchte jeder Kanoniker sein Glück nun auf eigene Faust, und das Kapitel zerfiel. Vakante Stellen wurden nicht mehr besetzt und 1815 lebeten noch acht Domgrafen und vier Priesterherren in alle Winde zerstreut. Bereits 1798 hatte man die Dompropstei mangels Einkünfte nicht mehr besetzt.

Als es 1820 zur Wiedererrichtung des Kapitels kam und man den noch lebenden Kapitularen eine Stelle im "neuen" Domkapitel anbot, lehnte jeder von ihnen ab.

Nachdem die Bulle De salute animarum das Kapitel 1821 wiederherstellte, gab es sich 1830 eigene Statuten. Neu war nun die Tatsache, dass die Domkirche eine Pfarrkirche war. Zu ihrer Seelsorge hatte das Kapitel einen Pfarrer zu bestellen, so wie es auch den Pönitentiar oder Bußkanoniker zu stellen hatte.

Wie in der alten Zeit war auch jetzt das Kapitel und nicht der Erzbischof Hausherr der Kathedrale. Auch jetzt galt, neben der Tätigkeit in der Bistumsverwaltung, der Chordienst in der Domkirche als Hauptaufgabe. Faktisch kam er jedoch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fast gänzlich zum Erliegen.

Im Verlauf der Kölner Wirren übernahm das Domkapitel die faktische Regierung des Erzbistums.

Diese begann mit der Verhaftung des Erzbischofs Clemens August von Droste zu Vischering im Jahre 1837 und endete mit der Ernennung Johannes von Geissels zum Koadjutor im Jahre 1841. Hierbei hatte es sich jedoch äußerst ungeschickt verhalten. Denn die Übernahme geschah auf Weisung der preußischen Regierung, die das Kapitel nach der Verhaftung des Erzbischofs zur Wahl eines Kapitularvikars aufforderte. Obwohl der Erzstuhl besetzt war, verhielt sich das Kapitel wie bei einer Sedisvakanz. Ohne es wirklich gewollt zu haben, standen die Domherren nun wie Verbündete des Preußischen Staates da.

In eine unglückliche Lage geriet das Kapitel nach dem Tod von Kardinal Joseph Höffner (1987). Wie gewohnt sandte das Kapitel die Kandidatenliste nach Rom, wo sich nun Gewohnheitsrecht und die neuen Normen des CIC von 1983 gegenüberstanden. Da der Papst diese Liste nach dem neuen Recht nur noch zu würdigen brauchte und das Kapitel davon ausging, dass er an die von ihnen genannten Namen gebunden sei, kam es nun zu Verwicklungen. Denn auf der zurückgesandten Dreierliste, Terna genannt, befand sich nun ein Name, welcher nicht auf der Liste des Kapitels befunden hatte.

Hierauf weigerte sich das Kapitel zur Wahl zu schreiten und es kam zu einer Protestwelle deutscher Politiker und Theologen. Als Papst Johannes Paul II. jedoch auf sein Ansinnen bestand und eine Besetzung des Kölner Erzstuhls ohne Votum des Kapitels in Aussicht stellte, gab das Kapitel nach. Für die Wahl musste jedoch noch der übliche Wahlmodus abgeändert werden, so dass auch eine Wahl mit relativer Mehrheit möglich werden konnte. Schließlich wurde der päpstliche Kandidat, Kardinal Joachim Meisner, mit sechs Ja-Stimmen und zehn Enthaltungen gewählt.

Zum Weltjugendtag in Köln begrüßte Dompropst Norbert Feldhoff Papst Benedikt XVI. im Kölner Dom, wo dieser in der für den Papst reservierten Chorstalle Platz nahm.

Dompropst

Der erste Prälat des Domkapitels war und ist der Dompropst. Ursprünglich mit der Verwaltung des Vermögens und der Reichung der Stipendia beauftragt, kam es 1284 und 1373 zur Teilung des Kapitelsvermögens. Zukünftig hatte er sich aus der Vermögensverwaltung herauszuhalten, wofür die Propstei jetzt über ein eigenes Vermögen verfügte. Zugleich als Archidiakon für die Stadt Köln zuständig, konnte ihm das Kapitel auch nicht in diese Aufgabe hereinreden.

Generell galt der Propst nicht als Kanoniker, weshalb er auch nicht zum Besuch der Kapitelssitzungen berechtigt war und nur auf Einladung erscheinen durfte. Dies hat sich in Köln jedoch nicht wirklich ausgewirkt, da das Kapitel die Wahl des Dompropstes in Händen hielt und immer einen Kanoniker zum Dompropst wählte. Die Vergabe der meisten Eigenkirchen und Lehen konnte er behalten.

Da die Säkularisation die Einkünfte des Domkapitels stark beeinträchtigte, besetzte es das Amt seit 1798 nicht mehr und vermietete die Räumlichkeiten der Dompropstei.

Nach der Säkularisation wurde der Dompropst erneut das Haupt des Kapitels und der Verwalter seiner Güter. Ursprünglich vom König von Preußen ernannt, wird er seit 1918 durch das Domkapitel gewählt.

Von 1847 bis 1863 wurde die Stelle des Dompropstes nicht besetzt, da sich der Erzbischof gegen den königlichen Kandidaten Nikolaus München sperrte.

Zwar erhielt München letztendlich die Propstei, doch musste er einen hohen Preis dafür zahlen. Sein Nachfolger, Franz Carl Berlage, war im Kapitel gänzlich isoliert, weil er als strammer Parteigänger und Zuträger der Regierung in Berlin galt.

Der letzte Dompropst, der durch die Regierung ernannt worden war, Arnold Middendorf, gehörte überhaupt nicht dem Kölner Klerus an. Er war Militärpfarrer und bewarb sich um diese Stelle.

Kardinal Johannes von Geissel erwirkte dem Dompropst 1851 die Pontifikalien.

Domdechant

Der Domdechant war und ist der zweite Prälat des Kölner Domes. Ursprünglich für die Zucht der Kanoniker zuständig, war er bereits im 10. Jahrhundert der eigentliche Obere des Stifts. Vor seinem Gericht hatten sich auch die Diener zu verantworten. Nach dem Ausscheiden des Dompropstes trat er an den Kopf des Kapitels.

Seine Aufgabe war die Leitung der Kapitelssitzungen und er musste, als einziger der adligen Domherren, die Priesterweihe besitzen. Zugleich war der Domdechant Archidiakon für Neuss und die Kölner Pfarrkirche St. Maria Ablass. Er war es auch, der die 25 Domvikarien vergab.

Nach der Säkularisation wurde dem Erzbischof die Ernennung des Domdechant zugesprochen. Er ist für die Liturgie am Kölner Dom zuständig. Kardinal Johannes von Geissel erwirkte dem Domdechanten 1851 die Pontifikalien.

Das Amt des Domdechants wurde seit 1821 häufig an einen Weihbischof der Erzdiözese Köln vergeben.

Weitere Prälaturen

Nach dem Ausscheiden des Propstes, kannte die Ordnung von 1244/46 acht officia, welche den adligen Domherren vorbehalten waren. Dies waren der Dechant, der Subdechant, der Chorbischof, der Scholaster, der Cellerarius, der Cantor, sowie Portenarius maior und minor.

Nach 1450 entfielen der Cellerarius, der Cantor und beiden Portenarii und an ihre Stelle traten der Thesaurar und der Capellarius.

Der Scholaster war ursprünglich der Leiter der Stiftsschule. Seinem Amt war die Propstei Hougarde (Hoxem) in Brabant inkorporiert. Seit 1176/79 nahm er nach dem Dechanten die erste Stelle ein. Die Beschlüsse des Kapitels wurden durch ihn verkündet, weshalb man ihn auch als "den Mund" des Domkapitels bezeichnete.

Der Chorbischof ist ein Amt, das es als Dignität so nur in der Kölner Kirche gab.

Er war ursprünglich der Choraufseher und Singmeister. Es ist nicht zu verwechseln mit dem Chorbischof, einem Landbischof ohne festen Sitz in der Frühkirche.

Der Thesaurar war der Verantwortliche für den Kirchenschatz und die Sakristei; deren Instandhaltung und das entsprechende Personal, vom Sakristan bis zum Glöckner, unterstanden ihm.

Die späteren "Prälaturen" des Diaconus maior und des Diaconus minor wurden nicht vergeben, sondern fielen automatischem ältesten und jüngsten adligen Diakon zu.

Kanoniker

Ursprünglich mit 72 Kanonikern bestückt, sank die Zahl der Domherren im Hochmittelalter auf 24 ab, wozu noch jeweils ein Kanonikat für Papst und Kaiser kam. 16 der Domherren mussten dem Hochadel des Reiches, also zumindest Reichsgrafen, angehören. Sie gehörten oftmals denselben Familien an und kamen ab dem 16. Jahrhundert zumeist aus Süddeutschland. Der Volksmund bezeichnete sie als Domgrafen. Da sie häufig an mehreren Domkirchen bepfründet waren, waren sie häufig nicht anwesend, so dass sie in den Kapitelssitzungen den Priesterherren oftmals an Zahl unterlegen waren.

Acht der Domherren gehörten dem niederen Adel oder dem Bürgertum an. Um in das Kapitel aufgenommen zu werden, benötigten sie die Priesterweihe und einen akademischen Grad.

Zumeist aus Köln oder dem Kölner Umland stammend, kamen auch sie häufig aus denselben Familien.

Das Kapitel ergänzte sich selbst und vergab die freigewordenen Kanonikate durch Wahl. Eine Ausnahme bildeten lediglich die beiden Universitätskanonikate der Priesterherren, welche durch die Universität Köln besetzt wurden.

Die Einkommen der einzelnen Kanoniker waren unterschiedlich. Bestanden sie ursprünglich aus Naturalien und Geld, so wurden später nur noch Gelder gezahlt. Abwesenheit vom Dom wurde durch "Gehaltsabzug" vergütet. Innerhalb des Kapitels wurden verschiedene Dienste und Lehen zugeteilt, welche letztendlich das eigentliche Kanonikatseinkommen überschreiten konnten. So war es möglich, dass der Priesterherr und Weihbischof Clemens August von Merle wesentlich höhere Gehälter bezog als die meisten Domgrafen. Johann Arnold von Schönheim hatte als Senior des Kapitels den Hof zu Rheydt inne, war Halter der Obedienz Gladbach und an der Obedienz Königshoven beteiligt, besaß das Ferculum auf der Münz, war Buschherr und Deputierter ad fabricam, Amtsherr zu Worringen und Comissarius der Kapelle B.M.V.

In seiner Person vereinigte ein Kapitular also, neben seinem Kanonikat, eine Anzahl von Ämtern. Diese waren nicht nur reine Titel, sondern auch mit tatsächlicher Arbeit verbunden. Die Abwesenheit zahlreicher Kanoniker erhöhte also nicht nur den Einfluss der Anwesenden, sondern auch deren Arbeitslast. Hierzu kamen die Gottesdienste, welche mehrere Stunden des Tages beanspruchten.

Nach der Säkularisation wurde das Domkapitel auf zwölf Mitglieder beschränkt. Später kam eine Erhöhung auf 16 Mitglieder. Hierbei unterscheidet man zwischen Residierenden Domherren und Nichtresidierenden Domherren. Letztere tragen zwar die Kleidung der Domherren und nehmen auch an der Bischofswahl teil, sind jedoch nicht an den Geschäften des Kapitels beteiligt.

Es handelt sich bei ihnen zumeist um Dechanten und Professoren. Lediglich Dompropst Bernard Henrichs gelang der Wechsel vom Nichtresidierenden zum Residierenden Domherren.

Seit Mitte des 20. Jahrhunderts gibt es zudem Ehrendomherren. Diese sind faktisch nur dem Namen nach Domherren zu Köln, auch wenn sie deren Tracht tragen und den Kapitelsstern erhalten.

Sie besitzen weder Mitspracherecht bei der Güterverwaltung noch Wahlrecht des Bischofs. Sie werden vom Domkapitel nominiert und vom Erzbischof ernannt. Hierbei handelt es sich in der Regel um verdiente Persönlichkeiten. Zu ihnen gehören u. a. der emeritierte Erzbischof von New Orleans, Philip Matthew Hannan oder der Bischof von Würzburg, Friedhelm Hofmann. Hannan war während der amerikanischen Besatzung Pfarrer am Kölner Dom, Hofmann vor seiner Bischofsernennung langjähriger Domkapitular und Dompfarrer.

Die Domherren des neuen Kapitels werden durch den Erzbischof von Köln ernannt.

Dies ging ursprünglich im Wechsel zwischen dem Erzbischof und dem König von Preußen. Unliebsame Ernennungen des Königs konnte der Erzbischof hierbei durch eine Ernennungsverweigerung ausschließen. Dies ging dabei jedoch zu Lasten des Kapitels und brachte teilweise jahrelange Vakanzen mit sich.

Seit dem Ende des Landesherrlichen Kirchenregiments 1918 ernennt der Erzbischof alleine. Hierbei ist er jedoch nicht frei; vielmehr ernennt er im Wechsel, einmal nach Anhörung des Kapitels und einmal auf Vorschlag des Kapitels.

Domizellare

Am Kölner Dom gab es 24 Domizellarspräbenden. Sie gehörten nicht zu den Kapitularen selbst, sondern waren Anwärter auf die 16 adligen Domkanonikate. DEshalb mussten die Domizellare, wie auch die Domgrafen, dem Hochadel angehören. Im Gegensatz zu den Domkanonikern wurden die Domizellare nicht vom Kapitel gewählt. Sie wurden vielmehr im Turnus von den einzelnen adligen Domherren frei vergeben.

Das Aufrücken eines Domizellars ins Kapitel geschah nicht automatisch. Vielmehr wählte das Kapitel, so dass es durchaus Beispiele von Domizellaren gibt, die niemals ins Kapitel und damit zu Domherren aufstiegen. Gleichzeitig sicherte der Turnus der Domherren den verschiedenen im Kapitel vertretenen Adelsfamilien einen gewissen dynastischen Einfluss und die Hoffnung, sich Kanonikate zu erhalten.

Kleidung

Wer die Domherren beim Gebet beobachtete, konnte leicht den adligen Herren vom Priesterherren unterscheiden. Während die Domgrafen eine rote Soutane und eine rote Mozetta trugen, trugen die Priesterherren eine schwarze Soutane. Beiden gemeinsam war der Kapitelsstern, welcher an den Stern der heiligen drei Könige erinnert, deren Gebeine bzw. Reliquien im Kölner Dom ruhen.

Das Domkapitel nach der Säkularisation erhielt für alle seine Kapitulare die schwarze Soutane und eine weiße, mit Spitzen besetzte Mozetta, wie auch den Kapitelsstern. Jetzt jedoch nicht mehr am Coulant, sondern an einer goldenen Kette. 1851 erwirkte der Kölner Erzbischof Johannes von Geissel seinem Kapitel das Recht einer violetten Soutane und einer violetten Mozetta. Im Gegensatz zu den Bischöfen befindet sich an der Mozetta der Domherren eine kleine Kapuze.

Außerhalb des Domes tragen die Domherren ein schwarze Soutane mit violettem Saum und violetten Knöpfen. Hierauf wird ein violettes Zingulum und der Kapitelsstern getragen. (Bsp.: Empfang zur Amtseinführung von Kardinal Meisner im Maternushaus)

Bischofswahlrecht

In Köln lag bis zur Wahl von 1239 oder 1261 das Wahlrecht beim Priorenkolleg.

Dieses bestand aus den höchsten Pröpsten und Äbten des Erzbistums; zu ihnen gehörten auch der Dompropst und der Domdechant.

Nachdem das Kapitel 1274 endgültig das Priorenkolleg aus der Verwaltung des Erzbistums und der Bischofswahl ausschalten konnte, musste es sein Wahlrecht gegen den Papst verteidigen.

Bereits die einmütige Wahl des Erzbischofs Wigbold von Holte im Jahre 1298 wurde durch den Papst kassiert. Seine Ernennung erhielt er erst, nachdem er auf alle ihm durch die Wahl zustehenden Rechte verzichtet hatte. Als die Stimmen bei der Wahl von 1304 auf drei verschiedene Kandidaten fielen und keine Einigung erzielt werden konnte, fiel dem Apostolischen Stuhl ohnehin die Ernennung zu.

Bei den kommenden vier Erzbischofsernennungen hingegen kam das Kapitel nicht mehr zum Zuge. Walram von Jülich, Wilhelm von Gennep, Adolf II. von der Mark und Engelbert III. von der Mark waren freie päpstliche Ernennungen.

Erst dann konnte das Kapitel nach und nach sein Wahlrecht zurückerobern. Als der Papst sich auch im Jahre 1370 die Besetzung des Kölner Bischofsstuhls reserviert hatte, konnte man sich mit Friedrich III. von Saarwerden zumindest auf eine Postulation einigen, welche man dem Papst als Ernennungsvorschlag überreichte und die dieser auch umsetzte. Als man 1414 Dietrich II. von Moers zum Erzbischof wählte, beugte sich der Papst dem Wunsch des Kaisers und ernannte ihn.

Erst das Wiener Konkordat (1448/49) sicherte dem Kapitel wieder das uneingeschränkte Wahlrecht.

Da der Erzbischof zugleich Kurfürst war und über einen eigenen Staat verfügte, war die Bischofswahl ein hochpolitischer Akt. Österreich, Frankreich, Preußen, die Niederlande... versuchten stets Einfluss zu nehmen und einen genehmen Kandidaten durchzudrücken. Um dieses Ziel zu erreichen, investierten sie hohe Summen als Bestechungsgelder in einzelne Kapitulare. Auch Herrschaften und Bistümer gingen hierbei über den Tisch.

Nach der Säkularisation wurde dem Domkapitel erneut das Bischofswahlrecht zugestanden. Nun musste es allerdings eine Liste von Namen an den König von Preußen senden, der mit regi minus die ihm politisch unangenehmen Personen aus der Liste strich. Die verbliebenen, regi plus, wurden nun an den Apostolischen Stuhl gesandt, welcher eine Wahlliste von drei Personen an das Kapitel zurück sandte. Schon bald kam es jedoch zu Problemen, da der König so ausgiebig von seinem Recht Gebrauch machte, dass kaum ein Name auf der Liste verblieb.

Das Kapitel war hier auf die Hilfe des Papstes angewiesen. (20. Jahrhundert)

Kaum hatte sich das Problem gegeben, versuchte der Apostolische Stuhl das Wahlrecht zu beseitigen. Nun war das Kapitel auf die Hilfe des Staates angewiesen. Dies war vor allem 1919 nach dem Tode von Kardinal Felix von Hartmann der Fall. Das vehemente Bestehen des Kapitels auf sein Wahlrecht und die ihm zukommende Unterstützung des Staates ermöglichten eine Scheinwahl, welche den deutschen Domkapiteln das Wahlrecht sicherte. (20. Jahrhundert)

Bis heute sendet das Domkapitel eine Liste von zehn Namen an den Apostolischen Stuhl. Dieser ist jedoch zur Zusammenstellung der Dreierliste zur Wahl nicht daran gebunden, sondern soll sie lediglich würdigen. Er könnte sie also gänzlich ignorieren.

Vor der Ernennung des Erwählten fragt der Apostolische Stuhl bei den Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz bezüglich politischer Bedenken nach.

Erstmals bei der Wahl von 1987/89 tauchte ein Name auf der Terna (Dreierliste des Papstes) auf, welcher nicht auf der Kapitelsliste gestanden hatte.

Bistumsverwaltung

Viele der Domherren gehörten bereits im Frühmittelalter zum Beratergremium des Erzbischofs und des Kaisers. So konnte das Kapitel stets einen gewissen Einfluss auf die Diözese ausüben, welchen es systematisch absicherte. Bereits 1219 hatte es das Domkapitel erreicht, dass der Erzbischof sich auf einen Capellarius aus dem Domkapitel verpflichtete. Dieser Verpflichtung folgte 1463 zudem die Zusicherung des Erzbischofs, dass der Generalvikar künftig nur noch dem Domkapitel entnommen werde. In späteren Jahren gelang es zudem auch die Ämter des Offizials und des Weihbischofs an das Kapitel zu binden. Besaß der Erzbischof keine Weihen, so musste er einen Coadministrator in spiritualibus bestellen. Dieses war unter den Erzbischöfen Joseph Clemens von Bayern und Clemens August I. von Bayern der Fall. Beide entnahmen diese dem Domkapitel.

Die Mitglieder des neuen Domkapitels sind primär in der Bistumsverwaltung tätig. Neben den Weihbischöfen, dem Generalvikar und dem Offizial stellen sie die Hauptabteilungsleiter des Generalvikariates und zumeist auch den Regens des Kölner Priesterseminars.

Landesverwaltung

An den im 14. Jahrhundert aufkommenden landständischen Aktivitäten beteiligte sich auch das Kölner Domkapitel. So konnte der Erzbischof seit Mitte des 15. Jahrhunderts keine territorialherrschaftlichen Rechte mehr ohne Zustimmung des Domkapitels ausüben, das nun als Mitherrscher galt. Der Einfluss auf die direkte Herrschaft wurde sogar noch dadurch verstärkt, dass man seit 1414 den noch zu Erwählenden eine Wahlkapitulation unterschreiben ließ. Durch diese war er an das Domkapitel gebunden. Erst hiernach kam es zur eigentlichen Wahl. Man kann von einer Reihenfolge sprechen: Vorwahl-Wahlkapitulation-Wahl. In der Zwischenzeit wurden Bistum und Land durch den Kapitularvikar verwaltet, den das Domkapitel wählte.

Innerhalb der Landesverwaltung waren die Domherren häufig in leitenden Positionen zu finden. So stellten sie verschiedene Premierminister, Rats- und Gerichtspräsidenten.

Quellen

  • Eduard Hegel: Geschichte des Erzbistums Köln I. Köln 1972
  • Eduard Hegel: Geschichte des Erzbistums Köln II.1. Köln 1995
  • Eduard Hegel: Geschichte des Erzbistums Köln IV. Köln 1979
  • Eduard Hegel: Geschichte des Erzbistums Köln V. Köln 1987
  • Norbert Trippen: Domkapitel und Erzbischofswahlen
  • Joh. Christian Nattermann: Das Ende des alten Kölner Domstifts. Köln 1948
  •  

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Danzig

Danzig (polnisch Gdańsk, kaschubisch Gduńsk, latein Gedanum oder Dantiscum) ist eine Hafen- und ehemalige Hansestadt in Polen. Sie liegt westlich der Weichselmündung in der historischen Landschaft Pommerellen und ist Hauptstadt der Woiwodschaft Pommern. Die Stadt hat über 450.000 Einwohner und bildet zusammen mit Gdynia (Gdingen) und Sopot (Zoppot) die Dreistadt (polnisch Trójmiasto) mit mehr als 740.000 Einwohnern. Im gesamten städtisch geprägten Ballungsraum Danzig (polnisch Aglomeracja Gdańska) leben mehr als 1,2 Millionen Menschen.

Der Wahlspruch der Stadt Danzig lautet: nec temere nec timide (lat. weder unbesonnen noch furchtsam).

Geschichte

Antike und Völkerwanderung

Im Jahrhundert vor der Zeitenwende siedelten sich an unterer Weichsel und Weichselmündung die Goten an. Die ihnen zugeschriebene Wielbark-Kultur zeigt eine Mischung von skandinavischen und anderen Elementen. Claudius Ptolemaeus zufolge lebten an der Danziger Bucht, die er „Venedische Bucht“ nannte, aber auch die „Venedi maiores“, möglicherweise Veneder im weiteren Sinne. Als der Geschichtsschreiber Jordanes im 6. Jahrhundert in seiner „Getica“ die Geschichte der Goten beschrieb, erwähnte er den Ort „Gothiscandza“. Es ist jedoch umstritten, ob die damalige Siedlung mit dem Standort des heutigen Danzig identisch ist. Ab etwa 200 n. Chr. wanderten die Goten nach Südosten ab. Die Wielbark-Kultur erlosch um 400 n. Chr. im Zuge der Völkerwanderung. Im 6. Jahrhundert besiedelten Slawen die Küste westlich der unteren Weichsel und nannten das Gebiet „po-morje“ (am Meer, Pommern).

Östlich der Weichsel dagegen lebten schon vor der Zeitenwende baltische Stämme. Tacitus nannte sie Aesti und lobte an ihnen ihren Fleiß im Ackerbau („nicht so faul wie die Germanen“) und ihr Interesse an der Bernsteingewinnung. Wulfstan, der im 10. Jahrhundert im Auftrag Alfreds des Großen von Haithabu nach Danzig und Truso reiste, berichtete, dass westlich der Weichsel die „Vinodi“ wohnten, östlich die „Esthi“. Der Bernstein war im Altertum im Mittelmeerraum bis nach Ägypten und darüber hinaus sehr begehrt. Schon seit vorgeschichtlicher Zeit verband ein Handelsweg, die so genannte Bernsteinstraße, das Weichseldelta mit der mediterranen Welt.

Slawische Staaten

Das Küstenland Pommern (slawisch po morze = am Meer), zu dem Gydanzik gehörte, sah sich abwechselnd polnischen und dänischen Unterwerfungsversuchen ausgesetzt. 997 kam der Prager Bischof Adalbert im Geleit von Soldaten des polnischen Königs Bolesław Chrobry nach Danzig und taufte nach einer eintägigen Predigt viele Heiden.[2] In seiner Chronik erwähnt Johannes Canaparius als erster „Gyddanzyc“, zudem schon als „urbs“, Stadt.[3]

Gegen Ende des 12. Jahrhunderts wurden die Samboriden als Herrscherfamilie in Danzig urkundlich erwähnt. Ob sie von den Piasten als Statthalter eingesetzt worden waren, wird diskutiert. Als sich im 12. Jahrhundert der größere westliche Teil Pommerns um Cammin, Wolgast und Stettin unter dem Geschlecht der Greifen dem Heiligen Römischen Reich annäherte, nahm der auf Deutsch Pommerellen genannte, aber eher der heutigen Woiwodschaft Pomorze entsprechende, östliche Landesteil um Danzig daran nicht mehr teil.

Herzog Sobieslaw gründete um 1185 das Kloster Oliva. Es wurde durch Zisterzienser aus dem pommerschen Kloster Kolbatz besetzt. Es diente unter anderem auch als Hauskloster und Grablege für die Herrscherfamilie.

Erste Stadt 1224–1308

Um 1224 verlieh der ostpommersche Herzog Swantopolk II. (Zwantepolc de Danceke) das Lübische Recht an die deutsche Kaufmannssiedlung, die in der Gegend des heutigen Langen Marktes entstanden war. Um 1295 verlieh der polnische König Przemysław II. ihr das Magdeburger Recht.

Deutscher Orden 1308–1454

Anfang des 14. Jahrhunderts eskalierten Konflikte um Erbfolgerechte zwischen den lokalen kaschubischen Fürsten von Pommern untereinander, sowie dem Markgrafen von Brandenburg. Dazu kam die Beteiligung des polnischen Königs, der ab 1306 eine kleine Garnison in der Hafenstadt stationierte, die sich in Dokumenten und auf den Siegeln über 100 Jahre lang als Dantzik(e) bezeichnete. Als die Brandenburger im Sommer 1308 in die Stadt einrückten, wurde seitens der „Königlichen in der Burg“ und von Vertretern der Stadt der Deutsche Orden um Hilfe gebeten, der Jahrzehnte zuvor Mewe (Gniew) geerbt hatte und somit seither auch links der Weichsel vertreten war. Die Deutschritter zogen als Alliierte der königlich-polnischen Truppen im August in die Burg ein und verteidigten sie im September gegen die brandenburgischen Truppen, denen von deutschen Bürgern Danzigs die Stadttore geöffnet worden waren.[4] Es gab jedoch bald Streit um die Kostenfrage für diese Waffenhilfe, dies führte zur Übernahme von Danzig durch den Deutschen Orden.

Die weiteren Ereignisse werden, insbesondere im Rahmen der deutsch-polnischen Konflikte des 20. Jahrhunderts, konträr dargestellt. Von polnischer Seite wurde und wird behauptet, dass die Ritter sich nun plötzlich gegen die Garnison wendeten und es am 13. November zum Massaker an den wenigen Soldaten und zahllosen Zivilisten kam. Es ist von bis zu 10.000 Opfern die Rede, die sowohl ethnisch als auch politisch als Polen bezeichnet werden.

Tatsache ist, dass der Orden sich in der Stadt und der Umgebung (Pommerellen) festsetzte und dies im Vertrag von Soldin, in dem die Rechte der Brandenburger abgekauft wurden, fixiert wurde. Das Königreich Polen wehrte sich dagegen mit juristischen Mitteln und übertriebenen Darstellungen bei Papst Clemens V., gerade in jenem Zeitraum, als dieser die Tempelritter bekämpfte. Der Orden verlegte 1309 deswegen auch seinen Sitz von Venedig in die Ordensburg Marienburg.

In der traditionell nach Selbstständigkeit strebenden Stadt gab es Opposition gegen die Herrschaft der Kreuzritter, die mit Gewalt unterdrückt wurde, was wiederum von jenen gerne übersehen wurde, die eine rein innerdeutsche Einigkeit unterstreichen wollen. Hierbei stellten insbesondere die deutschen Händler der Hanse eine Konkurrenz zu Elbing dar, der nahegelegenen Hafenstadt des Ordens, die jedoch damals durch Verlandung ihren direkten Zugang durch die Frische Nehrung zur Ostsee verlor, was das plötzliche Interesse an Danzig erklären mag. Durch den Konflikt mit dem Königreich Polen war zudem nun der Handel entlang der Weichsel beeinträchtigt, so dass die Danziger aus eigenem Interesse immer auch auf ein gutes Verhältnis zu den Herrschern im Hinterland bedacht sein mussten.

Zur Ordenszeit bestand Danzig aus vier oder fünf Teilen:

  • Ordensburg
  • Hakelwerk (erste Stadt mit Magdeburger Recht, wahrscheinlich bis Ende 14 Jh.)
  • Rechtstadt (seit 1343) – stärkste der Städte Danzigs, seit 1361 – Vollmitglied der Hanse; mit zwei zusätzlichen Teilen:
  • Speicherinsel
  • Alte Vorstadt
  • Altstadt (seit 1370) – großteils Stadt der Handwerker
  • Neustadt („Junge Stadt Danzig“, 1380–1455) – gegründet vom Orden gegen die Rechtstadt, nach dem Aufstand der Bürger der Rechtstadt von 1454 total zerstört.

Nach der Eroberung durch den Orden stieg die Zuwanderung Deutscher stark an, ausgelöst durch die wirtschaftliche Prosperität der Hansestadt. 1343 verlieh der Orden der Stadt Kulmer Recht, 1361 wurde man Vollmitglied der Hanse.

Hansestadt

Danzig war bedeutendes Mitglied der Hanse und nahm seit 1361 an den Hansetagen teil. Es blieb bis zum letzten Hansetag im Jahr 1669 Teil der Hanse, die jedoch ab Ende des 15. Jahrhunderts immer unbedeutender wurde. Zusammen mit Elbing und Thorn war Danzig die führende preußische Hansestadt.

Freie Stadt unter polnischer Oberhoheit 1454–1793

Der weitere Verlauf der Geschichte der Stadt wird im Artikel über Pommerellen im Detail ausgeführt. Aus Unzufriedenheit über die Politik des Ordens nach der Schlacht von Tannenberg (1410) stellte sich der Preußische Bund 1454 unter den Schutz der polnischen Krone, was den Dreizehnjährigen Krieg auslöste, in dem die Städte gegen die Burgen des Ordens kämpften bzw. diese wie in Thorn schleiften. Der polnische König hatte Schwierigkeiten, ein Heer für den Krieg zusammenzubekommen, das bei der einzigen offenen Schlacht von Konitz geschlagen wurde. Der Fortgang des Krieges zwang jedoch den Orden wirtschaftlich in die Knie.

Im Zweiten Frieden von Thorn verblieb 1466 dem Deutschen Orden das spätere Ostpreußen, jedoch ohne die Marienburg, Elbing und das Ermland. Die westlichen Teile des damaligen Preußens mit dem ehemaligen Herzogtum Pommerellen, Danzig, dem Kulmerland und Thorn wurden dem König von Polen als Königliches Preußen unterstellt, wobei die Stadtrepubliken Danzig, Thorn und Elbing eine weitgehende politische, wirtschaftliche und kulturelle Autonomie erhielten, die ihnen teilweise schon während des Krieges garantiert worden waren. Dazu gehörte das sogenannte Große Privileg, das König Kasimir IV. 1457 der Stadt Danzig verliehen hatte. [5]

Im Jahr 1470 wurde die Peter von Danzig, ein ursprünglich französisches Schiff, als erster großer Kraweel der Hanse für Kriegszwecke ausgerüstet.

Ab 1522 begann in Danzig die Reformation mit dem evangelischen Prediger Jacob Hegge. Ab etwa 1534 siedelten sich in und um Danzig auch aus den Niederlanden geflüchtete Mennoniten an [6].

Die Union von Lublin von 1569 gefährdet die Autonomie auch von Danzig. In zahlreichen Konflikten behauptete Danzig weiterhin Eigenständigkeit.[7] So wurde 1577 dem neuen König Stefan Bathory die Huldigung verweigert, solange dieser nicht die Privilegien erneuert. Nach erfolglosen Belagerungen von Danzig willigte der König ein.

1612 kam es zum Streit zwischen Lutheranern und Reformierten um den Bau eines Hochaltars in der Kirche zu Sankt Johann, den die Reformierten, allen voran Pfarrer Jakob Adam, ablehnten.

1615 führte der Stadtsekretär Reinhold Kleinfeld in einem Streit der Stadt Elbing mit dem ermländischen Bischof – dem Initiator der Gegenreformation in Polen – zusammen mit dem Bürgermeister und dem Ratsverwandten die Delegation Danzigs an. Hauptstreitpunkt war die Forderung des Bischofs an die Evangelischen nach Herausgabe einer Kirche. Im letzten Moment wurde 1616 ein Krieg abgewendet.

1701 wurde in Danzig und Königsberg mit den Arbeiten am Bernsteinzimmer begonnen.

Königreich Preußen 1793–1807

Im Rahmen der Zweiten Polnischen Teilung kam Danzig 1793 zum Königreich Preußen. Damit verlor es seinen eingeschränkten Autonomiestatus.

Napoleonische Freie Stadt 1807–1813

Im Preußisch-französischen Krieg kapitulierte Danzig im Mai 1807 nach dreimonatiger Belagerung. Infolge des Friedens von Tilsit hatte die Stadt formal den Status einer „freien Stadt“, wurde aber von einem französischen Gouverneur regiert und musste 20 Millionen Francs Kriegssteuer aufbringen. Im November 1813 ergaben sich französische und polnische Truppen nach elfmonatiger Belagerung einem russisch-preußischen Heer, und Danzig kam durch den Wiener Kongress wieder an Preußen.

Wieder an Preußen 1815–1919

In der zwischen 1816 und 1823 sowie 1878 und 1919 bestehenden Provinz Westpreußen war Danzig die Hauptstadt. Während der Märzrevolution 1848 beteiligte sich Danzig an den Wahlen zur Frankfurter Nationalversammlung. 1848 waren im Danziger Hafen 104 Handelsschiffe beheimatet.[8]

1831 hatte die preußische Verwaltung erstmals eine Erhebung über die Muttersprache der Einwohner des Regierungsbezirks Danzig durchgeführt. Laut der Erhebung waren im Regierungsbezirk Danzig, der die Stadt Danzig und das Umland umfasste, 24 Prozent der Bewohner polnisch- bzw. kaschubisch- und 76 Prozent deutschsprachig.

1852 erhielt Danzig im Zuge des Eisenbahnbaus Anschluss an die seit 1842 im Aufbau befindliche preußische Ostbahn Berlin–Königsberg. Der erste direkte Eisenbahnanschluss eröffnete via Berlin den Zugang zum mitteleuropäischen Eisenbahnnetz.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte Danzig einen wirtschaftlichen Aufschwung und wurde wie auch das nahegelegene Elbing zu einem Zentrum des modernen Schiffbaues (Schichau-Werke) und der Industrialisierung in Westpreußen. Begleitet wurde die Industrialisierung durch einen beschleunigten Bevölkerungsanstieg.

Freie Stadt Danzig 1920–1939

Mit dem Vertrag von Versailles 1919 wurde Danzig mit seinen umliegenden Gebieten vom Deutschen Reich getrennt und am 15. November 1920 zu einem unabhängigen Staat, der Freien Stadt Danzig, erklärt. Dieser Staat stand allerdings unter Aufsicht des Völkerbunds; polnische und britische Truppen gewährleisteten den neuen Status der Stadt. Da diese Entscheidung nicht von einer Volksabstimmung abhängig gemacht wurde, sahen das Deutsche Reich und die mehrheitlich deutschen Bewohner der Stadt das vom US-Präsidenten Wilson geforderte Selbstbestimmungsrecht der Völker verletzt.

Am 6. Dezember 1920 konstituierte sich der erste Danziger Volkstag, der aus freien Wahlen hervorgegangen war. Er bestand aus 120 Abgeordneten. Oberbürgermeister Heinrich Sahm wurde zum Präsidenten des Senats der Freien Stadt Danzig gewählt. Die Parteien stellten die folgenden Abgeordneten:

  • Deutschnationale Volkspartei: 34
  • Freie Wirtschaftliche Vereinigung: 12
  • Deutsche Demokratische Partei: 10
  • Zentrumspartei: 17
  • Sozialdemokratische Partei: 19
  • Unabhängige Sozialdemokraten: 21
  • Polnische Partei: 7.

1923 gaben im Rahmen einer Volkszählung 95 Prozent der Bürger Deutsch und vier Prozent Polnisch bzw. Kaschubisch als Muttersprache an.

  •                                            Ergebnis der Volkszählung vom 1. November 1923
  •    
  • Nationalität            Gesamt   Deutsch   Deutsch und    Polnisch und         Russisch,       Jiddisch     Keine
  •                                                            Polnisch          Kaschubisch         Ukrainisch                      Angabe
  • Stadt Danzig          335.921   327.827   1.108                6.788                      99               22               77
  • Landkreis Danzig    30.809    20.666       521                5.239                 2.529            580           1.274
  • Gesamt                  366.730   348.493   1.629              12.027                  2.628           602           1.351
  • Prozent                  100 %     95,03 %   0,44 %             3,28 %               0,72 %          0,16 %      0,37 %

Die Freie Stadt Danzig bestand damals aus den Städten Danzig und Zoppot sowie den kleinen Städten Tiegenhof, Neuteich, Oliva und Ohra, wobei Neuteich und Tiegenhof im Danziger Werder bzw. im Kreis Großes Werder lagen. Die polnische Minderheit besaß eigene Schulen und ein Vereinswesen, wurde aber von der deutschen Bevölkerung des Öfteren mit Missgunst betrachtet und diskriminiert; außerdem lebten in Danzig vor 1939 Kaschuben und Russen. Unter den Einwohnern fanden sich auch zahlreiche Juden, die nach 1939 enteignet und deportiert wurden.

Danzig hatte in der Zwischenkriegszeit nach einem anfänglichen Wirtschaftsaufschwung erhebliche wirtschaftliche Probleme, bedingt durch die Zollgrenzen zum Deutschen Reich, die globale Wirtschaftskrise und eine wenig entwickelte Industrie.

Der Hafen und der Zoll sowie die internationalen Eisenbahnverbindungen – jedoch nicht die Straßenbahn und Kleinbahnen im Freistaatgebiet – wurden unter polnische Verwaltung gestellt. Die Republik Polen legte im Danziger Hafen (Westerplatte) ein Munitionslager an und stationierte dort ihr Militär. Des Weiteren war es dem polnischen Staat zwecks Verbindung des Hafengebiets mit Polen erlaubt, eine Post- und Telegrafenverwaltung, das so genannte „Polnische Postamt“, im Hafengebiet einzurichten.

Die problematischen Verhältnisse, die Anlass für viele – unbeachtet gebliebene – Beschwerden der Freien Stadt Danzig an den Völkerbund waren, schufen unter der Bevölkerung Ressentiments gegen Polen. Diese Stimmung wurde verstärkt durch die Zuwanderer aus den ehemals deutschen Gebieten um Posen, die unter Diskriminierungen zu leiden hatten, wie sie dort nach dem Ende des Ersten Weltkriegs von offizieller polnischer Seite wenn nicht gefördert, so doch wohlwollend geduldet wurden.

Mitte 1933 kamen auch in Danzig die Nationalsozialisten (NSDAP) an die Macht, die sich aber wegen der internationalen Kontrolle des Gebietes bis 1936/37 mit Oppositionsparteien abfinden mussten, die bei den Volkstagswahlen von 1935 (trotz versuchter Wahlbeeinflussungen) eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Nationalsozialisten klar verhindern konnten. Während Hermann Rauschning 1933/34 als Senatspräsident eine Annäherung zu Polen versuchte, blieb sein Nachfolger Arthur Greiser dazu auf Distanz und führte die Freie Stadt Danzig in zunehmende (auch finanzielle) Abhängigkeit zum Deutschen Reich. Ende August 1939 erklärte sich der Gauleiter Albert Forster selbst zum Staatsoberhaupt und verfügte am 1. September 1939 völkerrechtswidrig, nachdem reichsdeutsche Streitkräfte das polnische Munitionsdepot auf der Westerplatte angegriffen hatten, den Anschluss Danzigs an das Deutsche Reich. Der deutsche Angriff auf die Westerplatte wird heute als Beginn des Zweiten Weltkrieges gesehen.

Zweiter Weltkrieg: Reichsgau Danzig-Westerpreußen 1939–1945

In den Zeiten des Zweiten Weltkrieges wurden insbesondere die Juden, aber auch die polnische Minderheit in Danzig deportiert (Juden wurden bereits seit 1933 systematisch verfolgt und entrechtet), viele verloren ihr Leben. Andere wiederum ließen sich auf der sogenannten Volksliste als Deutsche eintragen und entgingen so der Verfolgung durch Nationalitätswechsel. Dazu wurden viele dieser Menschen in Konzentrationslager (wie das KZ Stutthof) deportiert und ermordet.

1941 befand sich in Danzig-Langfuhr die Flugzeugführerschule A/B 6. Ende März 1945 wurde Danzig von der Roten Armee im Zuge der Schlacht um Ostpommern eingeschlossen und erobert. Durch die Kampfhandlungen sind große Teile der Innenstadt (bestehend aus Rechtstadt, Altstadt, Vorstadt und Niederstadt) zerstört worden. Während und nach dem Einmarsch wurden die noch erhaltenen Häuser der Innenstadt von den sowjetischen Soldaten geplündert und in Brand gesteckt. Insgesamt wurde ein sehr hoher Anteil der Bebauung zerstört.

Nachkriegszeit 1945–1990

Bereits in den ersten Nachkriegsmonaten wurden die meisten in Danzig verbliebenen Deutschen von den polnischen Behörden vertrieben. Zurück blieb eine Minderheit von etwa fünf Prozent der ursprünglichen Stadtbevölkerung mit zumeist auch polnischen Vorfahren.

Aufgrund des Bierut-Dekretes wurde das Eigentum von Personen deutscher Nationalität und Herkunft enteignet. Straftaten, die gegen die deutsche Zivilbevölkerung begangen wurden, wurden juristisch nur bedingt verfolgt. Erst nach der politischen Wende in Polen wurde damit angefangen, diese Geschehnisse aufzuarbeiten.

Die Danziger Rechtstadt sowie zahlreiche Baudenkmäler der Altstadt wurden in Anlehnung an frühneuzeitliche Vorbilder rekonstruiert.

Zugleich wurden, insbesondere in den Sechzigern, in den Vorstädten wie Przymorze Trabantensiedlungen errichtet. Charakteristisch sind hier die sogenannten Wellenhäuser (Falowiecs) – Wohnblöcke von teilweise mehreren hundert Metern Länge in Plattenbauweise, die mäandrieren und so eine Assoziation zum nahe gelegenen Meer hervorrufen sollen.

Bereits 1970 legten Streiks in den Danziger Werften den Grundstein für die spätere Emanzipation der polnischen Nation (siehe auch Aufstand vom Dezember 1970 in Polen).

Anfang der 1980er organisierte schließlich die Gewerkschaftsbewegung Solidarność unter Führung von Lech Wałęsa in der Danziger Werft ihren Widerstand gegen die kommunistische Herrschaft in Polen.

Gegenwart

Mit dem Fall des Eisernen Vorhanges veränderte sich die Lage der nationalen Minderheiten in der Republik Polen, auch die der deutschen Minderheit. In Danzig wurde im Jahre 1990 der Bund der Deutschen Minderheit gegründet (Mitgliederstärke: 5512 Mitglieder; Quelle: Bund der Deutschen Minderheit, Danzig, 2005).

Günter Grass fasste im Roman Die Blechtrommel die Geschichte Danzigs lapidar so zusammen (bevor er sie ausführlicher nachzeichnet):

  • Zuerst kamen die Rugier, dann kamen die Goten und Gepiden, sodann die Kaschuben, von denen Oskar in direkter Linie abstammt. Bald darauf schickten die Polen den Adalbert von Prag. Der kam mit dem Kreuz und wurde von Kaschuben oder Pruzzen mit der Axt erschlagen.
  • Das geschah in einem Fischerdorf und das Dorf hieß Gyddanyzc. Aus Gydannyzc machte man Danczik, aus Danczik wurde Dantzig, das sich später Danzig schrieb, und heute heißt Danzig Gdańsk. (Die Blechtrommel, Luchterhand 1959, S. 379)

Bevölkerung

Einwohnerzahl

  • Jahr                         1821     1831    1852     1861     1871     1880      1890       1900      1910       1929      1946       1970      2005
  • Einwohnerzahl [9]    55.395  54.660  61.349  72.280  87.968  108.551  120.338  140.563  170.337  256.403  118.000  365.600  458.053

Konfessionen

Entwicklung zwischen 1815 und dem Ersten Weltkrieg (nur Stadt, zum Umland siehe Landkreis Danzig)[10]:

     

  •               evangelisch               katholisch            jüdisch
  • Jahr        absolut       %           absolut   %          absolut  %
  • 1821       39.343       71,0        13.137   23,7       2.288    4,1
  • 1852       43.957       71,7        14.410   23,5       2.550    4,2
  • 1871       62.015       70,52        3.428   26,6       1.625    1,8
  • 1890       80.723       67,13        5.851   29,8       2.535    2,1
  • 1910     110.253       64,75        5.513   32,6       2.390    1,4

Laut Staatshandbuch des Jahres 1926 war das religiöse Bekenntnis in Danzig wie folgt verteilt:Datum evangelisch katholisch mosaisch andere

  • Datum               evangelisch      katholisch     mosaisch     andere
  •   
  • 1.12.1910           207.324            112.692          2.717             7.519
  • 1.11.1923           218.137            130.174          7.282           11.137
  • 31.8.1924           222.818            140.797          9.239           11.141

Bemerkenswert ist, dass von den Danziger Juden am Stichtag 1. November 1923 nur 2500 die Danziger Staatsangehörigkeit besaßen.[11]

Bildung

In Danzig gibt es u. a. zehn Hochschulen mit rund 60.000 Studenten und jährlich ca. 10.000 Absolventen (Stand: 2001)wie

  • Universität Danzig (Uniwersytet Gdański) (33.000 Studenten)
  • Technische Universität Danzig (Politechnika Gdańska) (18.000 Studenten)
  • Danziger Medizinische Universität (Gdański Uniwersytet Medyczny)
  • Sporthochschule Danzig (Akademia Wychowania Fizycznego im. Jędrzeja Śniadeckiego)
  • Musikakademie Danzig (Akademia Muzyczna im. Stanisława Moniuszki)
  • Kunstakademie Danzig (Akademia Sztuk Pięknych)
  • Ateneum – Szkoła Wyższa
  • Gdańska Wyższa Szkoła Humanistyczna
  • Gdańska Wyższa Szkoła Administracji
  • Wyższa Szkoła Bankowa
  • Wyższa Szkoła Społeczno-Ekonomiczna
  • Wyższa Szkoła Turystyki i Hotelarstwa w Gdańsku
  • Wyższa Szkoła Zarządzania sowie
  • Polnische Akademie der Wissenschaften, Danzig ( regionale Abteilung ).

Wappen

Das Großwappen der Stadt Danzig besteht aus einem von zwei goldenen Löwen flankierten, gotischen Schild. Der rote Wappenschild enthält oben eine offene goldene Krone und darunter zwei gleicharmige, silberne (weiße) Kreuze. Zu Füßen des Schildes und der Schildhalter zeigt es in einer goldenen Schleife die schwarz geschriebene Devise: nec temere nec timide – weder unbesonnen noch furchtsam.

Wirtschaft

Danzig ist seit der Hansezeit als Handelsstadt bekannt vor allem wegen der günstigen Lage an der Ostsee. Der Hafen spielt immer noch eine große Rolle für die polnische Wirtschaft mit 23,3 Mio. t Frachtumschlag (2004). Die wichtigsten Industrien der Stadt sind der Schiffbau (z. B. die Firmen Gdansk Shipyard und Northern Shipyard SA), die petrochemische und chemische Industrie (z. B. die Grupa LOTOS SA) sowie neuerdings Hochtechnologien wie Elektronik (z. B. Intel oder WS OY (Young Digital Poland), Telekommunikation und Informationstechnologie (z. B. Wirtualna Polska, Lido Technologies). Auch die pharmazeutische Industrie, die Lebensmittelindustrie (z. B. PepsiCo (USA), Dr. Oetker (Deutschland), Fazer OY (Finnland) und Baltic Malt/Weissheimer Malz (Deutschland)) und der Kosmetiksektor gewinnen an Bedeutung.

Verkehr

Danzig wird bis 2013 über die Autobahn A1 an Mittel- und Südpolen sowie die Slowakei und Tschechien angeschlossen.

Die Stadt ist mit der Eisenbahn direkt von Berlin, Kaliningrad (Königsberg) und den wichtigsten polnischen Städten zu erreichen. Es gibt eine S-Bahn (SKM Szybka Kolej Miejska w Trójmieście), die Danzig mit Sopot (Zoppot), Gdynia (Gdingen) und Wejherowo verbindet.

Seit dem Beitritt Polens zur EU wächst der Danziger Flughafen stark und wird unter anderem von den Billigfluggesellschaften Ryanair und Wizzair angeflogen.

Die Stadt ist zudem mit der Fähre von Schweden (Karlskrona, Malmö und Nynäshamn) und Dänemark (Kopenhagen) zu erreichen.

Der innerstädtische Verkehr wird durch Straßenbahnen und ein dichtes Busnetz bewältigt.

Tourismus

Danzig ist der Startpunkt des Radweges EuroVelo 9 (Ostee-Adria-Route oder Bernsteinroute/ PL: Szlak bursztynowy), der von Danzig durch Polen, Tschechien, Österreich und Slowenien nach Pula in Kroatien läuft. Die rund um die Ostsee führende EuroVelo 10 (Ostsee-Radweg oder Hanse-Route / PL: Obwód Hanzeatycki) läuft ebenfalls durch Danzig.

Der Tourismus ist eine wichtige Einkommensquelle mit etwa 1,5 Mio. Touristen jährlich.

Regelmäßige Veranstaltung: Im August findet in der Altstadt der Dominikanermarkt statt, zu dem auch zahlreiche Auswärtige anreisen.

Sehenswürdigkeiten

  • Krantor
  • Grünes Tor
  • Rechtstädtisches Rathaus
  • Marienkirche
  • Trinitatiskirche, Grabstätte von Anton Möller, „Der Maler von Danzig“
  • Königliche Kapelle
  • Großes Zeughaus
  • Artushof
  • Neptunbrunnen
  • Große Mühle
  • Katharinenkirche
  • Altstädtisches Rathaus
  • Solidarność-Denkmal am Tor 2
  • Frauengasse Danzig: Sie gehört zu den schönsten Straßen der Stadt und verläuft von der Marienkirche bis zum mittelalterlichen Frauentor an der Mottlau. Mit ihren schmalen und reich geschmückten Bürgerhäusern und den Beischlägen ist sie ein Beispiel für die einstige Danziger Straßenbebauung.
  • Langer Markt
  • Langgasse
  • Langgassertor
  • Lange Brücke
  • Nationalmuseum (insbesondere gotische Malerei und Plastik, Hans Memlings „Jüngstes Gericht“)
  • Schiffsmuseum mit dem Museumsschiff Sołdek
  • Lwi Dwór typisches Fachwerkhaus niederländischer Siedler des 16. Jahrhunderts
  • Westerplatte-Denkmal

Partnerstädte

  • Astana (Kasachstan)
  • Barcelona (Spanien)
  • Bremen (Deutschland)
  • Cleveland (Vereinigte Staaten)
  • Helsingør (Dänemark)
  • Kaliningrad (Russland)
  • Kalmar (Schweden)
  • Marseille (Frankreich)
  • Nizza (Frankreich) Odessa (Ukraine)
  • Palermo (Italien)
  • Rotterdam (Niederlande)
  • Rouen (Frankreich)
  • Sankt Petersburg (Russland)
  • Sefton (Vereinigtes Königreich)
  • Shanghai (Volksrepublik China)
  • Turku (Finnland)
  • Vilnius (Litauen)

Persönlichkeiten

Zu den bekanntesten Persönlichkeiten von Danzig gehören Ludwig August Clericus, Daniel Gabriel Fahrenheit, Andreas Schlüter, Arthur Schopenhauer, Johannes Hevelius, Daniel Nikolaus Chodowiecki, Hugo Conwentz, Günter Grass, Rupert Neudeck, Pawel Huelle, Lech Wałęsa, Dariusz Michalczewski, Tomasz Wałdoch, Andrzej Grubba und Donald Tusk.

Verweise

Bibliografie

  • Bibliographie zur Geschichte Danzig bei LitDok Ostmitteleuropa / Herder-Institut (Marburg)

Literatur

  • Udo Arnold: Danzig. Warschau 1998
  • Frank Fischer: Danzig. Die zerbrochene Stadt, Propyläen Verlag, Berlin 2006
  • Fritz Krischen: Kunst und Geschichte, Danzig : [Techn. Hochschule], 1931

Fußnoten

  1. ↑ Główny Urząd Statystyczny, „LUDNOŚĆ – STAN I STRUKTURA W PRZEKROJU TERYTORIALNYM“, Stand vom 31. Dez. 2009 (WebCite)
  2. ↑ Heinrich Gottfried Philipp Gengler: Regesten und Urkunden der Verdassungs- und Rechtsgeschichte der deutschen Städte im Mittelalter, Erlangen 1863, S. 700 ff., online.
  3. ↑ Ipse vero (Adalbertus) adiit primo urbem Gyddanyzc, quam ducis (Poloniorum Bolizlavi) latissima regna dirimentum maris confinina tangunt. Kazimierz Lucyan Ignacy Römer: Beiträge zur Beantwortung der Frage nach der Nationalität des Nicolaus Copernicus, 1872, 212 Seiten
  4. ↑ Johannes Voigt: Geschichte Preußens von den ältesten Zeiten bis zum Untergange der Herrschaft des Deutschen Ordens. Vierter Band: Die Zeit von der Unterwerfung Preußens 1283 bis zu Dieterichs von Altenburg Tod 1341, Königsberg 1830, S. 210–219, online.
  5. ↑ Danzig Museum: Aus der Geschichte der Stadt Danzig
  6. ↑ Mennonitisches Lexikon, Band 1. 1913, S. 426.
  7. ↑ Antoni Walewski: Geschichte der hl. Ligue und Leopolds I. vom Umschwung im ... S. 344
  8. ↑ Übersicht übder die Preußische Handelsmarine (E. Wendt & Co., Hrsg.), Stettin 1848, S. 6-8.
  9. ↑ Für 1821, 1831, 1852, 1861, 1871, 1890, 1900, 1910: Leszek Belzyt: Sprachliche Minderheiten im preußischen Staat 1815–1914. Marburg 1998. S.95;
  10. • für 1880 und 1929; http://www.xxx
  11. für 31. Dez. 2005; Główny Urząd Statystyczny; http://www.xxx
  12. ↑ Leszek Belzyt: Sprachliche Minderheiten im preußischen Staat 1815–1914. Marburg 1998. S. 95
  13. ↑ Echt, Samuel: Die Geschichte der Juden in Danzig, Verlag Rautenberg, Leer/Ostfriesland 1972.

    xxx – Entsprechend unserer Statuten werden uns unbekannte Webadressen nicht veröffentlicht. Für eine weiterführende Recherche gehen Sie bitte auf die entsprechende Wikipediaseite. Mehr Informationen lesen Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

     

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Geschichte der Stadt Danzig

Dieser Artikel beschreibt die Geschichte der Stadt Danzig (polnisch Gdańsk).

Vorgeschichte

Polnische Wissenschaftler haben in komplexer Zusammenarbeit seit 1948 archäologische Untersuchungen zur Vorgeschichte Danzigs durchgeführt. Grabungen am Rechtstädtischen Rathaus und am Neptunsbrunnen haben mehrere Schichten von aufeinander folgenden sehr frühen Siedlungsspuren gerade an jener Stelle aufgedeckt, wo innerhalb der stark versumpften Mottlauniederung ein als Baugrund geeigneter Sandrücken vom Hagelsberg im Verlaufe der heutigen Langgasse (pl. Długa) zur Mottlau führt.

  • Die älteste Schicht könnte auf das 7. Jahrhundert datiert werden. Fragmente einer relativ starken Kulturschicht werden auf die zweite Hälfte des 9. oder den Anfang des 10. Jahrhunderts datiert. Diese Siedlung war mit einem Erdwall mit Faschinenverstärkung umgeben. Die Bewohner trieben Ackerbau, Viehzucht und Fischfang und übten Handwerke aus, wie z. B. das Schmiedehandwerk.
  • Hierauf folgt eine Siedlung des 10. bis 12. Jahrhunderts, die ebenfalls durch eine starke Holz-Erde-Befestigung gesichert war, in der sich aber keine Spuren von Tierdung fanden. Sie war demnach eine Siedlung des Hafen-Handelstyps und dürfte auch über einen Markt verfügt haben. Ihre räumliche Ausdehnung wird auf höchstens drei Hektar, ihre Einwohnerzahl auf höchstens 2.000 Bewohner geschätzt, doch das sind sehr hypothetische Annahmen. Demnach dürfte das älteste Siedlungsgebiet Danzigs auf dem Terrain der späteren Rechtstadt gelegen haben.

Viele Fragen bleiben noch offen. So die nach dem Verhältnis der einzelnen Siedlungsschichten zueinander, aber auch die Frage, ob schon die ältesten aufgedeckten Siedlungen von Slawen bewohnt waren. Es ist zu bedenken, dass vor dem Eindringen der Slawen Prußen auch westlich der Weichsel bis hin zur Persante siedelten, wie aus vielen Orts- und Gewässernamen und der Tatsache zu erschließen ist, dass die kaschubische Sprache Substratelemente aus dem Altpreußischen enthält. In geschichtlicher Zeit lebten noch Prußen in Danzig. In der Danziger Gegend gab es noch geschlossene prußische Siedlungen. Im Jahre 997 wurden Prußen in der Danziger Gegend getauft, wie es aus der Vita Sankt Adalbert von Prag zu ersehen ist. Obwohl die Küstengegend schon lange vorher besiedelt war, hat man das allgemein bekannte Datum benutzt um 1997 '1000 Jahre Polnisch Gdańsk' zu feiern, wobei die Kirche Polens nur 1000 Jahre Christentum feierte. Vielleicht ist der Ort "Praust, pl Pruszcz", ein Hinweis auf seine prußischen Bewohner.

Unter Swantopolk II., der unter der Oberhoheit der Brandenburger Markgrafen und dem Heiligen Römischen Reich regierte, wurde die deutschrechtliche Stadt Danzig mit Lübischem Recht gegründet. Als Mestwin II. 1271 die Brandenburger Markgrafen um Unterstützung gegen seinen Bruder Wartislaw bat, sprach er von den "burgensibus Theutonicis fidelibus sepedicte civitatis Gedanensis, Prutenis quoque et nostris quibusdam specialiter fidelibus Pomeranis", also von den treuen deutschen Bürgern der oft genannten Stadt Danzig, aber auch von den Prußen und den besonders treuen Pomeranen (die also nicht in der deutschen Stadt lebten, sondern auf dem Gebiet der späteren Danziger Altstadt, in der so genannten Grodstadt).

Ausgrabungen auf dem Gelände der Altstadt haben ergeben, dass an der Mündung der Mottlau in die Weichsel, vermutlich auf einer Insel, die durch zwei Mottlauarme gebildet wurde, "eine Burg mit einer Burgsiedlung entstanden ist, die ein politisch-administratives Zentrum und zugleich einen wirtschaftlichen Mittelpunkt für Handwerk und Handel bildete" (Lingenberg, S. 269). Die Entstehung dieser Burgsiedlung wird für die Mitte des 10., vielleicht schon für das 9. Jahrhundert angenommen. Polnische Forscher vermuten, dass sie im Zuge der Eroberung Pommerns durch einen polnischen Fürsten gebaut worden sei. Dann wäre sie als Zwingburg gegenüber der etwa 300 bis 400 Meter entfernt gelegenen vorgenannten Siedlung anzusehen.

Mittelalter

Die Stadt Danzig, über deren Gründung keine Details bekannt sind[1], stand schon zu Ende des 10. Jahrhunderts in Blüte und Ansehen und wurde damals die Hauptstadt von Pommerellen. 979 wurde Pommern durch den polnischen Fürsten Mieszko I. erobert, der eine Festung bei Danzig gründete. Auf Betreiben des polnischen Herzogs Bolesław I. Chrobry und seinen weitverbreiteten Eroberungszügen kam Bischof Adalbert von Prag nach Danzig und predigte 997 das Christentum bei dem baltischen Stamm der Pruzzen. Als Polen um 1034 im Chaos einer heidnischen Reaktion zerbrach, konnten sich die slawisch-pommerschen Stämme wieder von der Zentralgewalt aus Gnesen befreien. Viele Eroberungszüge der Polen gegen die Pommern und gegen die Prußen konnten im 11. und 12. Jahrhundert abgewehrt werden. Um 1047 wurde Pommerellen mit Danzig Teil des Piasten-Staates des polnischen Herzogs Kasimir I. Sein Sohn König Bolesław II. verlor um 1060 die Kontrolle über Pommerellen wieder und somit den Zugang zur Ostsee, welches unabhängig durch einheimische slawische Regenten bis 1116 regiert wurde. 1116 unterwarf der polnische Herzog Bolesław III. Schiefmund ganz Pommerellen mit Danzig. Nach dem Tod von Bolesław brach in Polen der Partikularismus aus, und Danzig wurde im Rahmen der Senioratsverfassungsordnung dem Krakauer Seniorherzog unterstellt. Trotz der Verfassung, die die Einheit Polens sichern sollte, zerbrach das Land in eine Vielzahl, zeitweilig einander bekriegender piastischer Herzogtümer. Um 1180 setzte der polnische Seniorherzog Kasimir II. einen gewissen Sambor I. als Regenten in Danzig ein. Nach dem Tode Sambors übernahm sein Bruder Mestwin I. (Mściwoj) das Danziger Land. Dessen Sohn und Nachfolger Swantopluk (Świętopełk) erreichte nach einem von ihm initiierten Mordanschlag auf den polnischen Seniorherzog Leszek den Weißen (Leszek Biały) um 1227 die volle politische Selbständigkeit. 1221 eroberte König Waldemar II. von Dänemark Danzig, verlor es aber schon 1225 an den Herzog Swantopluk.

Ähnlich erging es auch seinem Sohn Mestwin II. mit den gegen seinen Bruder zu Hilfe gerufenen Brandenburgern, von denen er 1271 seine Hauptstadt zurückerobern musste. Kämpfe innerhalb der Dynastie Samboriden, wie auch die wachsende Bedrohung seitens der Mark Brandenburg und des Deutscher Orden führten zu einem engeren Anschluss Pommerellens an Polen. Als Mestwin II. 1294 ohne männliche Erben starb, fiel Danzig, laut dem Vertrag von Kempen (Kępno) von 1282 an den Herzog von Großpolen und König von Polen Przemysław II., nach dessen Tod 1296 übernahm sein Erbe der spätere König von Polen und Herzog von Kujawien Władysław Łokietek, der aber um 1300 von den Böhmen (Tschechen) Wenzel II. aus Polen vertrieben wurde. Nach dem Mord am letzten Vorsteher der Przemysliden Wenzel III. 1306 konnte Wladyslaw aus dem ungarischen Exil nach Polen zurückkehren und sich wieder in Teilen Polens und in Pommerellen durchsetzen.

Übernahme durch den Deutschen Orden

1308 rief Władysław Łokietek den Deutschen Orden gegen die Brandenburger zu Hilfe, die Danzig belagerten. Einer der Beweggründe für die Belagerung war der, dass die brandenburgischen Askanier vom römisch-deutschen Kaiser Friedrich II. im Dezember 1231 in Ravenna mit Pommern und Pommerellen belehnt worden waren und dass sie nach dem Tod des letzten pommerellischen Herzogs von dieser Belehnung, die noch am 8. Januar 1295 in Mühlhausen erneuert worden war, Gebrauch machen wollten. Den brandenburgischen Truppen öffneten deutsche Bürger Danzigs die Stadttore. Da der Deutsche Orden bei der Verteidigung der Danziger Burg mithalf, konnte der Markgraf von Brandenburg die Burg jedoch nicht einnehmen. Er zog aus Danzig ab, ließ jedoch eine schwache brandenburgische Besatzungstruppe zurück. Als die Verteidiger der Burg ihre militärische Überlegenheit erkannten, drangen sie in die Stadt ein und überwältigten die zurückgelassenen brandenburgischen Truppen. Der überwiegende Teil wurde niedergemetzelt. Danziger Parteigänger, die den brandenburgischen Truppen bei der Einnahme der Stadt behilflich gewesen waren, wurden hingerichtet.[2] Der Deutsche Orden besetzte die Stadt und behielt sie - da die versprochene Entschädigung nicht ausgezahlt worden war - in seinem Besitz.

Um den Besitz Pommerellens mit Danzig rechtlich abzusichern, kaufte der Orden im Vertrag von Soldin am 13. September 1309 den Brandenburgern alle ihre - polnischerseits allerdings angezweifelten - Besitztitel an Pommerellen ab, die sie seit 1269 (siehe auch Vertrag von Arnswalde) und aufgrund der früher durch Kaiser Friedrich II. erfolgten Belehnung mit Pommerellen geltend machen konnten, für 10000 Mark Silber ab. Die Annexion Pommerellens durch die Ritter des Ordens führte zu einem langanhaltenden Rechtsstreit zwischen dem Königreich Polen und dem Deutschen Orden, der 1343 durch einen Vergleich im Friedensvertrag von Kalisch beendet wurde. Danach herrschte zwischen dem Deutschordensstaat und dem Königreich Polen 66 Jahre lang Frieden.

Spätmittelalter: Hansezeit und Deutscher Orden

Bereits im 13. Jahrhundert gewann die Rechtsstadt eine immer stärkere Position in der Hanse, am Ende des 13. Jahrhunderts hatte sie ein Mitspracherecht bei den Gerichtsangelegenheiten des Kontors Peterhof in Nowgorod und in Pommerellen. Danzig wurde zum Vorort des preußischen Quartiers. Um 1350 trat sie dem Bund der Hanse bei. Seit 1361 ist die Teilnahme am Hansetag belegt, bereits 1377 hatte Danzig eine ebenso bedeutende Stellung innerhalb des Hansebundes wie Thorn und Elbing. An den Auseinandersetzungen der Hanse mit Dänemark und Schweden nahm Danzig seit 1367 teil (siehe auch Kölner Konföderation).

Zahlreich waren in der Folgezeit die Spannungen und Streitigkeiten zwischen der Stadt und dem Deutschen Orden um den freien Handel und die Kontrolle über die Schifffahrt. 1343 wurde an Stelle des lübischen Rechtes das im Gebiet des Ordens gültige Kulmer Recht eingeführt. Der Polenkönig Kasimir III. erkannte im Vertrag von Kalisch 1343 die Herrschaft des Deutschen Ordens formell an, ohne jedoch die Rechtstitel an Danzig und Pommerellen preiszugeben.

Der wachsende Reichtum der Stadt zeigte sich in der starken Erweiterung des Stadtareals, die auch wegen der zahlreichen Einwanderer notwendig wurde (Kaufleute und Handwerker, u. a. aus den Hansestädten, aus Brandenburg, Obersachsen und Thüringen). Auf den Fundamenten der alten Burganlage errichtete der Orden um 1340 eine große Burg, die zum Sitz des Danziger Komturs wurde. Aus jener Zeit stammen viele bedeutende Bauten, z. B. die Anlage der Rechtstadt (1340), der Jungstadt (1380) und der Vorstadt (1393). Das Stadtgebiet dehnte sich nach Norden aus, wo die sogenannte Neustadt entstand (Pfarrkirche St. Johannes ca. 1349) und auch nach Süden, wo sich die sog. Vorstadt um die Schiffswerft entwickelte (Filialkirche St. Peter und Paul um 1400). Die Rechtsstadt hatte seit 1378 eine Ratsverfassung; am Langen Markt entstand 1380 das Rathaus, seit 1343 wurde die Marienkirche ausgebaut. Seit der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts führte die schnelle Entwicklung Danzigs wiederholt zu Konflikten zwischen dem Patriziat, das den Rat bildete, und den Handwerkern sowie den neu zugezogenen Kaufleuten (1363, 1378).

Unter dem Hochmeister Konrad von Jungingen (1393-1407) erscheint Danzig zuerst kriegerisch tätig, indem es für den Schwedenkönig Albrecht Stockholm besetzte und durch seinen Kampf mit den seeräuberischen Vitalienbrüdern auch mit Margarethe von Dänemark in einen Krieg verwickelt wurde. Als infolge der Niederlage Ulrichs von Jungingen bei Tannenberg 1410 die Macht des Deutschen Ordens sank, benutzte Danzig diesen Umstand, um sich vom Orden zu lösen. Der Danziger Rat ging zum polnischen König Władysław II. Jagiełło über. Es kam zu blutigen Repressalien gegen die Ratsherren, als der Deutsche Orden die Macht im Kern seines Territoriums im Erster Frieden von Thorn in 1411 zurückerlangte. In der Folgezeit versuchte Danzig, sich finanziellen Leistungen an den Orden zu entziehen. 1416 führten Unruhen in der Stadt zum Eingreifen der Ordensritter und zu einer verstärkten Abhängigkeit Danzigs vom Deutschen Orden in der Mitte des 15. Jahrhunderts.

Die Politik der Stadt Danzig gegenüber der Hanse wurde teilweise durch den Deutschen Orden beeinflusst, der sie zur Neutralität im Krieg der Hanse (1426-1435) gegen Erich von Pommern zwang; innerhalb der Hanse aber betrieb Danzig immer mehr eine eigene Politik, unabhängig von der Stadt Lübeck, zu der ein gewisser Interessengegensatz bestand. Dieser äußerte sich in der Zeit nach dem Frieden von Utrecht darin, dass Danzig der Politik der Monopolisierung des Ostseehandels zugunsten der Städte des Wendischen Viertels der Hanse und damit insbesondere Lübecks nicht mehr folgte und die mit diesen Städten bislang gemeinsam bekämpften Umlandfahrer, wie die englischen Merchant Adventurer, unterstütze.

Danzig wurde Mitglied im sogenannten Preußischen Bund, zu dem sich 1440 die ständische Mitregierung fordernden Städte und Adligen in Preußen zusammengeschlossen hatten. Als der Preußische Bund den polnischen König Kasimir IV. um Hilfe gegen den Orden bat, brach zwischen dem Bund, Polen auf der einen und dem Deutschen Orden auf der anderen Seite der Dreizehnjährige Krieg aus: Am 6. März 1454 ging Danzig auf Antrag der von Hans von Baysen angeführten Gesandtschaft des Preußischen Bundes mit dem seit 10. Februar 1454 mit Elisabeth von Habsburg verheirateten König Kasimir IV. eine Schutzbeziehung ein; Diese Schutzbeziehung mündete während des von Danzig finanzierten Dreizehnjährigen Krieges gegen den Orden 1457 mit der Verleihung des Großen Privilegs (Landgebiet, Hoheitsrechte und weitgehende Autonomie) an Danzig. Im Zweiten Frieden von Thorn von 1466 kam Danzig dauerhaft an das Königliche Preußen, das der Krone Polens, d. h. dem König persönlich, unterstellt war. Danzig wurden die bereits 1454, 1455 und 1457 verliehenen weitgehenden Autonomierechte bestätigt und es durfte gemäß dem ihm erteilten Privilegium Casimirianum seine Ämter selbst besetzen, erhielt die vollständige Gerichtsbarkeit (nach eigenem Gesetzbuch, Danziger Willkür genannt), Befreiung von allen Zöllen und Abgaben und von der Rechnungslegung über seine Einkünfte, das Münzrecht, das Recht, eigene Besatzung zu halten, und völlig freie Entscheidung über Krieg, Bündnisse und Frieden. Die Oberhoheit des Königs von Polen repräsentierte ein Mitglied des Stadtrats, den Burggrafen. Die Stadt hielt in Warschau ihren Sekretär und stimmte auf Reichstagen und bei Königswahlen mit. Die vier Stadtteile wurden nun zu einem Ganzen vereinigt und dem rechtstädtischen Rat untergeordnet.

Streitigkeiten mit dem König wegen Besetzung des Bistums Ermland führten zu dem achtjährigen Pfaffenkrieg (1472-1480|80), in welchem sich zwar Danzigs Macht, aber auch die polnische Antipathie gegen diese Stadt bewährte.

Reformation und Renaissance

Schon 1523 nahm Danzig die Reformation an, die jedoch nicht ohne heftige innere Kämpfe festen Fuß fassen konnte. Am verderblichsten für die Zukunft der Stadt war die Durchstechung der Großen Kampe, einer Flussinsel vor der Spaltung der Weichsel (in Weichsel und Nogat), seitens der Elbinger und Marienburger, wodurch die Tiefe des Fahrwassers im Verlauf eines Jahres um die Hälfte vermindert wurde. Um etwa 1534 siedelten sich in und um Danzig auch aus den Niederlanden geflüchtete Mennoniten an [3]. Im Jahr 1569 entstand formell auch eine flämische Mennonitengemeinde.

Danzig ist als einzige Stadt (Stadtrepublik) in den Ländern der polnischen Krone der während der Union von Lublin von 1569 vom polnischen König Sigismund II. (Polen) aus der bisherigen Personalunion zwischen dem Königlichen Preußen, Polen und Litauen beschlossenen Realunion - der polnischen Adelsrepublik (Rzeczpospolita) - nicht beigetreten.

Als 1575 Stephan Báthory zum König von Polen gewählt wurde, wollte ihn Danzig nicht anerkennen und erklärte sich für Kaiser Maximilian II., welcher der Stadt bedeutende Handelsvorteile zusichern ließ. Selbst nach dessen Tod 1576 wollte Danzig dem König Stephan die Huldigung nur gegen bedeutende Zugeständnisse leisten. Danzig wurde daher belagert, verteidigte sich aber 1577 so entschlossen, dass sich der König mit einer Abbitte und der Zahlung von 200.000 Gulden begnügte.

1656 belagerten die Schweden die Stadt zu Wasser und zu Lande, wurden aber durch Hilfstruppen des Königs Johann II. Kasimir und durch eine holländische Flotte vertrieben, worauf die Holländer mit dem Großen Kurfürsten den Elbinger Vertrag am 10. September über die Neutralität Danzigs vereinbarten, den Schweden allerdings nicht anerkannte. 1734 wurde Danzig, weil es den König Stanislaus I. Leszczyński aufgenommen hatte, von den Russen und Sachsen unter Münnich belagert und trotz tapferer Gegenwehr nach mehrmonatlicher Einschließung durch ein Bombardement am 9. Juli zur Kapitulation genötigt. Bald darauf entstanden zwischen Magistrat und Bürgerschaft Streitigkeiten, die erst 1752 eine neue Gesetzgebung beilegte.

Bei der Ersten Teilung Polens 1772 behielt die Stadt zwar ihre Freiheit, aber da sie von preußischem Gebiet umschlossen und von starken Zöllen hart bedrückt war, nahmen der Handel, der Kunstfleiß und die Bevölkerung immer mehr ab. Bei der Zweiten Teilung Polens 1793 kam die Stadt an Preußen.

Koalitionskriege

Das Jahr 1806 wurde aber für Danzig wieder sehr verderblich. Schon vor der Kriegserklärung wurde der Hafen von den Schweden blockiert und von England auf die preußischen Schiffe ein Embargo gelegt. Nach der verlorenen Schlacht bei Jena und Auerstädt wurde in Danzig die Aufrüstung zum Widerstand mit Eifer betrieben. Die 21.700 Mann starke Besatzung genügend verproviantiert, die Niederung unter Wasser gesetzt und die Vorstädte zum Teil demoliert. Schon Anfang März rückten die Franzosen unter Marschall François-Joseph Lefebvre vor die Stadt.[4]

Trotz tapferer Verteidigung durch den Gouverneur Kalckreuth setzten sich die Belagerer am 1. April auf dem Zigankenberg fest und nahmen in der Nacht vom 12. auf den 13. April auch die Kalkschanze an der Weichsel. Sie wurde ihnen zwar wieder entrissen, aber die Danziger sahen sich genötigt, dieses höchstwichtige Werk selbst zu zerstören. In der Nacht vom 23. auf den 24. April begann das Bombardement der Stadt, das, nachdem Lefebvre am 25. April vergeblich zur Übergabe aufgefordert hatte, mit Nachdruck fortgesetzt wurde. Der furchtbarste Angriff der Belagerer am 21. Mai wurde noch einmal abgeschlagen, erschöpfte aber den letzten Pulvervorrat. Als nun auch die Lebensmittel zur Neige gingen, die Besatzung auf 7.000 Mann zusammengeschmolzen war, dagegen die Streitmacht des Feindes durch die Ankunft des Marschalls Edouard-Adolphe Mortier auf 60.000 Mann angewachsen war, kapitulierte die Stadt am 24. Mai.

Die Besatzung verließ am 27. Mai, als auch Weichselmünde kapitulierte, die Festung mit Kriegsehren und der Verpflichtung, ein Jahr lang nicht gegen Frankreich zu dienen. Den Einwohnern aber wurde eine Kriegssteuer von 20 Millionen Franc mit der Bewilligung allmählicher Bezahlung auferlegt.

Der Marschall Lefebvre erhielt den Titel eines Herzogs von Danzig. Im Tilsiter Frieden vom 9. Juli 1807 wurde Danzig als Freistaat mit einem Gebiet von 2 Lieues, die durch die willkürliche Erklärung Napoleons I. aus zwei deutsche Meilen im Umkreis ausgedehnt wurden, unter Frankreichs, Preußens und Sachsens Schutz anerkannt, doch blieb fortwährend ein französischer Gouverneur in der Garnison, und durch die Kontinentalsperre war der Handel mit England zerstört. Beim Rückzug aus Russland gelang es den französischen und polnischen Truppen des 10. französischen Armeekorps, sich in die Stadt zu retten.

Da erschien gegen Ende Januar 1813 ein aus 6.000 Kosaken bestehendes russisches Einschließungskorps, welches jedoch bald durch ein Korps von 7.000 Mann Infanterie und 2.500 Mann Kavallerie mit 60 Feldgeschützen unter dem Kommando des Generalleutnants von Loewis abgelöst wurde.[5] Die elfmonatige Belagerung brachte wieder schwere Not über die Stadt. Die heftigsten Ausfälle und Angriffe fanden am 4. Februar, 5. März, 27. April und, nachdem am 1. Juni das Belagerungsheer durch 8.000 Mann preußischer Landwehr unter dem Grafen Dohna verstärkt worden war, am 9. Juli statt. Nach dem Waffenstillstand vom 24. August übernahm der Herzog Alexander von Württemberg den Oberbefehl der Belagerungsarmee und fügte am 28. und 29. August, 1., 7. und 17. September und 1. November den Belagerten große Nachteile zu, während ein englisches Geschwader die Stadt von der Seeseite her beschoss.

Endlich kam am 17. November eine Kapitulation zustande, nach welcher die Garnison am 1. Januar 1814 mit der Verpflichtung, ein Jahr lang nicht gegen die Verbündeten zu dienen, nach Frankreich entlassen werden sollte. Diese Bedingungen erhielten jedoch die Genehmigung des Kaisers Alexander I. nicht, und General Rapp musste auf die Bedingung eingehen, dass alle Franzosen nach Russland abgeführt wurden.

Nach dem Wiener Kongress: Eingliederung in das moderne Preußen

Mit dem 3. Februar 1814 kehrte Danzig unter Preußens Oberherrschaft zurück; worauf die alte Verfassung wiederhergestellt wurde. 1816 wurde Danzig der Sitz der Regierung des Danziger Bezirks, des Konsistoriums und des Oberpräsidiums von Westpreußen. Rasch erfolgten nun, namentlich auf Veranlagung des Oberpräsidenten von Schön, zahlreiche und in alle Zweige tief eingreifende Verbesserungen. Großen Schaden erlitt die Stadt 1829 durch einen Durchbruch der Weichsel 1831, durch die asiatische Cholera und durch einen Brand im Juni 1858. Seit 1863 hat die städtische Verwaltung einen neuen, großartigen Aufschwung genommen, hervorgerufen durch die Amtstätigkeit des Oberbürgermeisters v. Winter. Ihm verdankt die Stadt die Anlage einer Wasserleitung und die Kanalisation, die hier zuerst auf dem Kontinent gebaut wurde. Seitdem haben sich die Gesundheitsverhältnisse der Stadt erheblich verbessert.

Nach der Teilung der ehemaligen Provinz Preußen am 1. Juli 1878 ist Danzig Hauptstadt der Provinz Westpreußen geworden. Im Jahr 1902 wurde das Dorf Zigankenberg eingemeindet.

Freie Stadt Danzig

Mit dem Vertrag von Versailles 1919 wurde Danzig mit seinen umliegenden Gebieten vom Deutschen Reich getrennt und am 15. November 1920 zu einem unabhängigen Staat, der Freien Stadt Danzig, erklärt. Dieser Staat stand allerdings unter Aufsicht des Völkerbunds; polnische und englische Truppen gewährleisteten den neuen Status der Stadt. Da diese Entscheidung nicht von einer Volksabstimmung abhängig gemacht wurde, sahen das Deutsche Reich und die mehrheitlich deutschen Bewohner der Stadt das vom US-Präsidenten Wilson geforderte Selbstbestimmungsrecht der Völker verletzt.

Am 6. Dezember 1920 konstituierte sich der erste Danziger Volkstag, der aus freien Wahlen hervorgegangen war. Er bestand aus 120 Abgeordneten. Oberbürgermeister Heinrich Sahm wurde zum Präsidenten des Senats der Freien Stadt Danzig gewählt. Die Parteien stellten die folgenden Abgeordneten:

  • Deutschnationale Volkspartei: 34
  • Freie Wirtschaftliche Vereinigung: 12
  • Deutsche Demokratische Partei: 10
  • Zentrumspartei: 17
  • Sozialdemokratische Partei: 19
  • Unabhängige Sozialdemokraten: 21
  • Polnische Partei: 7.

1923 gaben im Rahmen einer Volkszählung 95 Prozent der Bürger Deutsch und vier Prozent Polnisch bzw. Kaschubisch als Muttersprache an. Entgegen dem Volkszählungsergebnis schätzte der polnische Historiker Drzycimski den Anteil polnischer Bürger an der Danziger Gesamtbevölkerung im Jahr 1923 auf 16 Prozent.

  •                           Ergebnis der Volkszählung vom 1. November 1923
  •   
  • Nationalität             Gesamt       Deutsch      Deutsch und      Polnisch und      Russisch,    Jiddisch      Keine
  •                                                                    Polnisch            Kaschubisch      Ukrainisch                     Angabe
  • Stadt Danzig           335.921       327.827       1.108                 6.788                    99            22               77
  • Landkreis Danzig    30.809         20.666          521                5.239               2.529          580           1.274
  • Gesamt                   366.730       348.493       1.629               12.027               2.628          602           1,351
  • Prozent                   100 %         95,03%        0,44 %             3,28 %              0,72 %        0,16 %      0,37 %

Die Freie Stadt Danzig bestand damals aus den Städten Danzig und Zoppot sowie den kleinen Städten Tiegenhof, Neuteich, Oliva und Ohra, wobei Neuteich und Tiegenhof im Danziger Werder bzw. im Kreis Großes Werder lagen. Die polnische Minderheit besaß eigene Schulen und ein Vereinswesen, wurde aber von der deutschen Bevölkerung des Öfteren mit Missgunst betrachtet und diskriminiert; außerdem lebten in Danzig vor 1939 Kaschuben und Russen. Unter den Einwohnern fanden sich auch zahlreiche Juden, die nach 1939 zum überwiegenden Teil enteignet und deportiert wurden.

Danzig hatte in der Zwischenkriegszeit nach einem anfänglichen Wirtschaftsaufschwung erhebliche wirtschaftliche Probleme, bedingt durch die Zollgrenzen zum Deutschen Reich, die globale Wirtschaftskrise und eine wenig entwickelte Industrie.

Der Hafen und der Zoll sowie die internationalen Eisenbahnverbindungen – jedoch nicht die Straßenbahn und Kleinbahnen im Freistaatgebiet – wurden unter polnische Verwaltung gestellt. Die Republik Polen legte im Danziger Hafen (Westerplatte) ein Munitionslager an und stationierte dort ihr Militär. Des Weiteren war es dem polnischen Staat zwecks Verbindung des Hafengebiets mit Polen erlaubt, eine Post- und Telegrafenverwaltung, das so genannte „Polnische Postamt“, im Hafengebiet einzurichten.

Die problematischen Verhältnisse, die Anlass für viele – unbeachtet gebliebene – Beschwerden der Freien Stadt Danzig an den Völkerbund waren, schufen unter der Bevölkerung Ressentiments gegen Polen.

Mitte 1933 kamen daher auch in Danzig die Nationalsozialisten (NSDAP) an die Macht, die sich aber wegen der internationalen Kontrolle des Gebietes bis 1936/37 mit Oppositionsparteien abfinden mussten, die bei den Volkstagswahlen von 1935 (trotz versuchter Wahlbeeinflussungen) eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Nationalsozialisten klar verhindern konnten. Während Hermann Rauschning 1933/34 als Senatspräsident eine Annäherung zu Polen versuchte, blieb sein Nachfolger Arthur Greiser dazu auf Distanz und führte die Freie Stadt Danzig in zunehmende (auch finanzielle) Abhängigkeit zum Deutschen Reich. Ende August 1939 erklärte sich der Gauleiter Albert Forster selbst zum Staatsoberhaupt und verfügte am 1. September 1939 völkerrechtswidrig, nachdem reichsdeutsche Streitkräfte das polnische Munitionsdepot auf der Westerplatte angegriffen hatten, den Anschluss Danzigs an das Deutsche Reich. Der deutsche Angriff auf die Westerplatte wird heute als Beginn des Zweiten Weltkrieges gesehen.

Zweiter Weltkrieg

In den Zeiten des Zweiten Weltkrieges wurden insbesondere die Juden, aber auch die polnische Minderheit in Danzig deportiert (Juden wurden bereits seit 1933 systematisch verfolgt und entrechtet), viele verloren ihr Leben. Andere wiederum ließen sich auf der sogenannten Volksliste als Deutsche eintragen und entgingen so der Verfolgung durch Nationalitätswechsel. Dazu wurden viele dieser Menschen in Konzentrationslager (wie das KZ Stutthof) deportiert und ermordet.

1941 befand sich in Danzig-Langfuhr die Flugzeugführerschule A/B 6. Ende März 1945 wurde Danzig von der Roten Armee im Zuge der Schlacht um Ostpommern eingeschlossen und erobert. Durch die Kampfhandlungen sind große Teile der Innenstadt (bestehend aus Rechtstadt, Altstadt, Vorstadt und Niederstadt) zerstört worden. Während und nach dem Einmarsch wurden die noch erhaltenen Häuser der Innenstadt von den sowjetischen Soldaten geplündert und in Brand gesteckt. Insgesamt wurde ein sehr hoher Anteil der Bebauung zerstört.

Bereits in den ersten Nachkriegsmonaten wurden die meisten in Danzig verbliebenen Deutschen von den sowjetischen Besatzern und polnischen Behörden vertrieben. Zurück blieb eine Minderheit von etwa fünf Prozent der ursprünglichen Stadtbevölkerung mit zumeist auch polnischen Vorfahren. Die Vertreibung wurde von den polnischen Behörden geduldet und nicht wie oft fälschlicherweise angenommen "systematisch" vorbereitet. Als Folge des Zweiten Weltkriegs und des Bierut-Dekretes wurde das Eigentum von Personen deutscher Nationalität und Herkunft enteignet. Straftaten, die gegen die deutsche Zivilbevölkerung begangen wurden hat man juristisch nur bedingt verfolgt. Aufgrund des Leidens der polnischen Bevölkerung während des Krieges und der Nachkriegsjahre wurden diese Geschehnisse nie richtig aufgearbeitet.

Nachkriegszeit – Polen

Die Danziger Rechtstadt sowie zahlreiche Baudenkmäler der Altstadt wurden in Anlehnung an frühneuzeitliche Vorbilder rekonstruiert.

Zugleich wurden insbesondere in den Sechzigern, in den Vorstädten wie Przymorze Trabantensiedlungen errichtet. Charakteristisch sind hier die sogenannten Wellenhäuser - Wohnblöcke von teilweise mehreren hundert Metern Länge in Plattenbauweise, die mäandrieren und so eine Assoziation zum nahe gelegenen Meer hervorrufen sollen.

Anfang der 1980er begann die Gewerkschaftsbewegung Solidarność unter Führung von Lech Wałęsa in der Danziger Werft ihren Widerstand gegen die kommunistische Herrschaft in Polen.

Gegenwart

Mit dem Fall des Eisernen Vorhanges veränderte sich die Lage der nationalen Minderheiten in der Republik Polen, auch die der deutschen Minderheit. In Danzig wurde im Jahre 1990 der Bund der Deutschen Minderheit gegründet (Mitgliederstärke: 5.512 Mitglieder; Quelle: Bund der Deutschen Minderheit, Danzig, 2005). Bald darauf begannen jüngere polnische Danziger, die bislang versteckten Spuren des deutschen Danzig zu entdecken; diese Suche nach lokaler Identität ist auch heute noch im Gange. Zu den wichtigsten Personen dieses Identitätsdiskurses zählen der liberale Politiker Donald Tusk sowie die Schriftsteller Paweł Huelle und Stefan Chwin.

Günter Grass fasste im Roman Die Blechtrommel die Geschichte Danzigs lapidar so zusammen (bevor er sie ausführlicher nachzeichnet):

  • Zuerst kamen die Rugier, dann kamen die Goten und Gepiden, sodann die Kaschuben, von denen Oskar in direkter Linie abstammt. Bald darauf schickten die Polen den Adalbert von Prag. Der kam mit dem Kreuz und wurde von Kaschuben oder Pruzzen mit der Axt erschlagen.
  • Das geschah in einem Fischerdorf und das Dorf hieß Gyddanyzc. Aus Gydannyzc machte man Danczik, aus Danczik wurde Dantzig, das sich später Danzig schrieb, und heute heißt Danzig Gdańsk. (Die Blechtrommel, Luchterhand 1959, S. 379)

Verweise

Literatur

Quellen

  • Daniel Gralath: Versuch einer Geschichte Danzigs aus zuverlässigen Quellen und Handschriften. Hartung, Königsberg 1789. Erster Band, 545 Seiten (Volltext).
  • Scriptores Rerum Prussicarum - Die Geschichtsquellen der Preußischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft (Theodor Hirsch, Max Töppen und Ernst Strehlke, Hrsg.), 5 Bände, Minerva GmBH, Frankfurt /Main 1965 (Nachdruck der Ausgabe von 1861 - 1872).
  • Goswin von Brederlow: Geschichte des Handels und der gewerblichen Kultur der Ostsse-Reiche im Mittelalter bis zum Schlusse des sechzehnten Jahrhunderts mit besonderem Bezug auf Danzig als Quartiersstadt des Hansebundes, und der sich in dieser Zeit entwickelnden inneren Staatsverhältnisse Preußens. Berlin 1820, 379 Seiten (Volltext).

Einzeldarstellungen

  • Werner Neugebauer: Neue polnische Forschungen zur Vor- und Frühgeschichte Westpreußens, Westpreußen Jahrbuch 1953, Leer/Ostfriesland
  • Andrzej Zbierski: Początki Gdańska w świetle najnowszych badań (Die Anfänge Danzigs im Lichte der neuesten Forschungen). In: Gdańsk, jego dzieje i kultura, Warschau 1969, S. 11–27
  • Wilhelm Brauer: Prußische Siedlungen westlich der Weichsel, J. G. Herder-Bibliothek Siegerland e.V., Siegen 1983
  • Heinz Lingenberg: Die Anfänge des Klosters Oliva und die Entstehung der deutschen Stadt Danzig, Klett-Cotta, Stuttgart 1982, ISBN 3-12-914900-7
  • Edmund Ciéslak/Czeslaw Biernat: History of Gdansk, Wydawnictwo Morskie, Gdansk 1988.
  • Paul Simson: Geschichte der Stadt Danzig bis 1626, 3Bde., Scientia Verlag Aalen 1967. ND 1913 - 1918
  • Erich Keyser: Danzigs Geschichte, 2. Aufl., Verlag A. W. Kasemann, Danzig 1928.
  • Gotthilf Löschin: Beiträge zur Geschichte Danzigs und seiner Umgebungen. Meistens aus alten Manuscripten und selten gewordenen Druckschriften gesammelt, Verlag Harro v. Hirschheydt, Hannover-Döhren 1977. ND 1837.
  • Frank Fischer: Danzig. Die zerbrochene Stadt, Propyläen Verlag, Berlin 2006.
  • Hans Georg Siegler: Danzig. Chronik eines Jahrtausends, Droste Verlag, Düsseldorf 1991.
  • Löschin, Gustav: Geschichte Danzigs, 2Bde., Danziger Verlagsgesellschaft,Klausdorf/Schwentine, o. J. ND 1822/1823.
  • Szermer, Bohdan: Gdansk - Vergangenheit und Gegenwart, Verlag Interpress, Warschau 1971.
  • Hirsch, Theodor: Handels- und Gewerbegeschichte Danzigs unter der Herrschaft des Deutschen Ordens, S. Hirzel, Leipzig 1858.

Fußnoten

  1. ↑ Heinrich Gottfried Philipp Gengler: Regesten und Urkunden der Verfassungs- und Rechtsgeschichte der deutschen Städte im Mittelalter, Erlangen 1863, S. 700-725..
  2. ↑ Johannes Voigt: Geschichte Preußens von der ältesten Zeit bis zum Untergange der Herrschaft des Deutschen Ordens. Vierter Band: Die Zeit von der Unterwerfung der Preußen 1283 bis zu Dieterichs von Altenburg Tod 1341, Königsberg 1830, S. 215.
  3. ↑ Mennonitisches Lexikon, Band 1. 1913, S. 426.
  4. ↑ Vergleiche z. B. Johann Karl Plümicke: Skizzierte Geschichte der Belagerung von Danzig durch die Franzosen im Jahr 1807, Berlin 1817, 277 Seiten.
  5. ↑ Vergleiche z. B. Johann Karl Plümicke: Skizzierte Geschichte der russisch-preußischen Blockade und Belagerung von Danzig im Jahr 1813, Berlin 1817, 211 Seiten.
  6.  

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Schelde

Die Schelde (fr. Escaut) ist ein Fluss in Frankreich, Belgien und den Niederlanden. Sie entspringt in Gouy im äußersten Norden Frankreichs, fließt durch Flandern, unter anderem durch die Stadt Antwerpen. Dort befindet sich der zweitgrößte Seehafen Europas. In der niederländischen Provinz Zeeland bildet die Schelde einen großen Mündungstrichter aus Westerschelde und der inzwischen eingedeichten Oosterschelde. Das Mündungsgebiet der Schelde oder Gebiete davon werden oft als Teil des Deltas von Rhein und Maas behandelt, das in seltenen Fällen auch Rhein-Maas-Schelde-Delta bezeichnet wird.

Die Schelde hat seit dem Mittelalter eine wichtige Rolle in der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung von Flandern, Brabant und Hennegau gespielt. Sie war lange Zeit Grenze zwischen dem Königreich Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich. Vauban nutzte die Schelde, um die Festungen von Valenciennes, Bouchain, Condé-sur-l’Escaut und Cambrai zu verteidigen. 1870 diente sie dazu, die Preußen aufzuhalten.

Sie ist ein langsamer und nicht besonders wasserreicher Fluss (104 m³/s). Der Einfluss der Gezeiten zeigt sich noch bis zu 160 km entfernt von der Mündung. Die bis zu fünf Kilometer breite Mündung (Westerschelde) stellt ein Reservoir von außergewöhnlichem ökologischen Reichtum dar.

Am Ufer der Schelde spielt die Handlung der romantischen Oper Lohengrin von Richard Wagner.

Schifffahrt

Die Schelde ist nahezu auf ihrem gesamten Verlauf mit Schiffen befahrbar, im Oberlauf in Form des Canal de Saint-Quentin, den sie mit Wasser versorgt, ab Cambrai als selbständiger kanalisierter Fluss. Durch die Einmündung des Großschifffahrtsweges Dünkirchen-Schelde (französisch: Liaison à grand gabarit Dunkerque-Escaut) ist sie zu einer bedeutenden Schifffahrtsstraße in Nordfrankreich und Belgien geworden.

Nebenflüsse der Schelde

Ab Mündung. Nur direkte Nebenflüsse und deren Nebenflüsse sind aufgelistet. (..) deuten auf weitere nicht genannte Verzweigungen.

  • Oosterschelde der alte Lauf der Schelde
  • Westerschelde oder Honte (zwischen Bath und Vlissingen), heute meist einfach Schelde genannt
    • Schijn (Anvers)
    • Rupel (Rupelmonde)
      • Nete (Rumst) (..)
      • Dijle (Rumst) (..)
    • Durme (Temse)
    • Dender (Dendermonde)
      • Marcq (Lessines-Deux-Acren)
      • Ruisseau d’Ancre (Lessines)
      • Sille (Ath)
      • Dendre Orientale und Dendre Occidentale (Ath)
    • Leie (Gent)
      • Mandel (Wielsbeke)
      • Heulebeek (Kuurne)
      • Gaverbeek (Kortrijk)
      • Douve (Comines-Warneton)
      • Deûle oder Feule (Deûlémont) (..)
      • Laquette (Aire-sur-la-Lys)
      • Lawe (La Gorgue-Estaires) (..)
      • Clarence (Merville ) (..)
      • Becque de Steenwerck (..)
    • Zwalm (Zwalm)
    • Rone (Kluisbergen)
      • Rhosne (Ronse)
    • Scarpe (Mortagne-du-Nord)
      • Crinchon
      • Ugy
    • Haine ou Hayne (Condé-sur-l’Escaut)
      • Trouille (Mons-Jeumont)
      • Hogneau ou Honneau (Condé-sur-l’Escaut) (..)
    • Rhonelle (Valenciennes)
    • Écaillon (Thiant)
    • Selle (Schelde) (Denain)
    • Torrent d'Esnes
    • Sensée (Bouchain)
      • Hirondelle (..)
    • Erclin (Iwuy)
    • Eauette (Marcoing)

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Faktorei

Eine Faktorei (französisch factorerie oder factorie, englisch factory, italienisch fattoria, spanisch factoría, portugiesisch feitoria), war in der Kolonialzeit die Handelsniederlassung von Kaufleuten im europäischen Ausland oder in Übersee.

Aufgaben der Faktoristen

Ihr Leiter, Faktor oder Faktorist genannt, war vor Ort als Vertreter seines Prinzipals (Geschäftsherrn) oder der jeweiligen Handelskompanie Ansprechpartner in allen Angelegenheiten, gab Berichte und Informationen an den Hauptsitz weiter und war für die Warenlogistik (fachgerechte Lagerung und/oder Weitertransport) verantwortlich. Da Informationen aus dem Stammhaus erst Tage oder Wochen später ankamen, war dies in mittelalterlichen Handelshäusern wie denen der Fugger und Welser eine absolute Vertrauensstellung.

Bedeutung der Faktoreien und ihre Verbreitung

Faktoreien wurden besonders in Asien, Afrika und Amerika gegründet und sorgten für den Warenaustausch zwischen europäischen Handelsgesellschaften und der einheimischen Bevölkerung. Dazu verfügten sie meist über große Lager für ein- und auszuführende Waren. Ähnliche Niederlassungen besaß schon im 13. und 15. Jahrhundert die Hanse in den Ost- und Nordseeländern; der Ausdruck Faktorei wurde aber erst im 16. Jahrhundert gebräuchlich. Die Hanse unterhielt Faktoreien unter anderem in England (Boston, King's Lynn), Norwegen (Tönsberg) und Finnland (Åbo).

Im 19. Jahrhundert kamen Faktoreien nur noch in Afrika, im südlichen Teil Asiens, in Ostindien, in Kanton (China, bis 1842), in Nagasaki (Japan, von 1609 bis 1858 durch die niederländische Faktorei) und im Norden Amerikas (zum Beispiel die Faktoreien der Hudsonbaigesellschaft mit militärischer Ausrüstung und Forts) vor. Aus solchen von mächtigen Handelsgesellschaften angelegten Faktoreien, die sich allmählich über größere Gebiete ausdehnten, sind mehrfach Kolonien entstanden.

Im Bereich des Bergbaus gab es auch Bergfaktoreien.

  • Faktor, Faktorei bzw. Faktorist sind nicht zu verwechseln mit Faktur, Fakturierung und Fakturist.

Literatur

Primärliteratur

  • Faktorei. In: Brockhaus’ Konversationslexikon. Bd 6. 14. Aufl. Leipzig 1893–1897, S. 533.
  • Faktoreien. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 6, Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1892, ‎ S. 3.
  • Meyers Konversationslexikon, 5. Auflage, 1894
  • B. Somerlad: Die Faktorei der Fugger in Leipzig. Schriften des Vereins für die Geschichte Leipzigs, Band 22. 1938
  • Max Spindler, Andreas Kraus: Handbuch der Bayerischen Geschichte, Edition 3 Geschichte Schwabens. ISBN 3406394523, abgefragt am 10. Mai 2009
  • Katharina von Ciriacy-Wantrup: Familien- und erbrechtliche Gestaltungen von Unternehmen der Renaissance, Seite 122. ISBN 3825803570, abgefragt am 10. Mai 2009

Sekundärliteratur

  • Götz Pölnitz: Jakob Fugger. ISBN 3168145726
  • Johannes Burkhardt, Christine Werkstetter, Thomas Nieding: Augsburger Handelshäuser im Wandel des historischen Urteils. ISBN 3050026537
  • Hermann Kellenbenz, Rolf Walter, Archivo de Protocolos de Sevilla, Archivo Histórico Provincial de Cádiz: Oberdeutsche Kaufleute in Sevilla und Cádiz (1525-1560). ISBN 3515077405
  • Zeitschrift für allgemeine Erdkunde, Zehnter Band. Berlin 1861, Seite 397, abgefragt am 10. Mai 2009

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Brügge

Brügge (niederl.: Brugge, franz.: Bruges) ist die Hauptstadt und mit etwa 117.000 Einwohnern die größte Stadt der Provinz Westflandern in Belgien. Außerdem ist Brügge Bischofssitz der katholischen Kirche für das Bistum Brügge.

Der mittelalterliche Stadtkern wurde im Jahr 2000 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Im Jahr 2002 war Brügge Europäische Kulturhauptstadt.

Brügge beherbergt das renommierte Europakolleg (College of Europe) und verfügt über einen wichtigen Seehafen im Teilort Zeebrügge.

Toponomastik

Woher der Name Brugge (Brügge) stammt, ist nicht exakt bekannt. Möglicherweise ist es eine Verballhornung des keltischen Namens für den inzwischen kanalisierten Fluss Reie, der durch Brügge strömte und in der Nordsee mündete. Reie stammt vom keltischen Wort Rogia, das „Heiliges Wasser“ bedeutet; die Kelten sahen Flüsse und Brunnen als göttliche Wesen an. Durch Evolution könnte der Name des Flusses Rogia oder Ryggia zum Namen der Stadt geworden sein, Bryggia.

Er ist auch möglich, dass es in späteren Jahrhunderten eine Kontamination mit dem altnordischen Wort bryggja gegeben hat, das „Landungsbrücke“ oder „Kai“ bedeutet. Seit dem Jahre 800 gab es auf Grund des Handels über die Nordsee und wegen der Invasionen der Normannen viele Kontakte mit Skandinavien. Die Bezeichnung Brugge zeigt Ähnlichkeit mit Bryggen, dem historische Hafen von Bergen, der genau wie Brügge seit dem 14. Jahrhundert zu einer wichtigen Stadt der Hanse geworden war.

Weniger wahrscheinlich ist ein Ursprung aus dem Wort brug (Brücke). Sprachwissenschaftlich hätte der Name dann eher Brigge lauten müssen (zum Vergleich mit dem Englischen bridge, dem Altenglischen brycg, dem Friesischen brigge oder bregge und dem Gallischen briva). Ein Ursprung aus dem Wort burcht (Burg) scheint auch unwahrscheinlich; zum Vergleich mit Oudenburg und Aardenburg, die wie Brügge auf einem wichtigem Handelsweg lagen und aus einer römischen Siedlung entstanden sind.[1]

Geschichte

Bereits im 2. und 3. Jahrhundert befand sich auf dem Grundgebiet von Brügge eine gallo-römische Siedlung. Die Bewohner dieser Siedlung waren nicht nur Landwirte, sondern auch Händler, die Kontakte mit England und mit dem Rest von Gallien unterhielten. In der Mitte des 9. Jahrhunderts baute Balduin Eisenarm die Festung am heutigen Burgplatz aus, zum Schutz vor Angriffen der Normannen. Brügge erhielt 1128 das Stadtrecht.

Zur Zeit der Hanse

1134 riss eine Sturmflut eine Fahrrinne in die Meeresbucht Zwin, so dass die Stadt danach direkten Zugang zur Nordsee hatte. Brügge konnte am internationalen Handel partizipieren, der die Wollproduzenten Englands mit den Weinproduzenten der Gascogne und den flandrischen Tuchmachern verband.

Die Stadt erhielt 1200 das Recht, einen eigenen jährlichen Markt abzuhalten. Bald kamen auch Händler vom Rhein und, als die Hanse zu expandieren begann, auch Kaufleute aus Lübeck und Hamburg in die Stadt. 1253 wurden ihnen von Gräfin Margarete von Flandern spezielle Privilegien wie niedrigere Zölle zugesichert. Die Hanse errichtete in Brügge – neben dem Stalhof in London und der Bryggen in Bergen – eines von drei Kontoren an der Nordsee, wobei Brügge als messeähnlicher Standort die größten Umsätze erzielte und so die Hanse mit Märkten außerhalb ihres eigenen Gebiets verband. Das Zentrum dieses Kontors, das Haus der Osterlinge, ist in Resten noch vorhanden.

Im 13. Jahrhundert gehörten neben der Hanse Händler aus Genua, Venedig und Florenz ebenso wie aus Süddeutschland, Kastilien, Portugal oder Schottland zu den regelmäßigen Besuchern der Stadt. Im Haus der Kaufmannsfamilie Van der Beurse entstand das erste „Börsengebäude“; die Bezeichnung Börse soll auf diesen Familiennamen zurückgehen. 1302 stärkt der für Flandern positive Ausgang der Sporenschlacht das bürgerliche Selbstverständnis der Städte Flanderns, auch in Brügge.

Der 1337 ausbrechende und bis 1457 andauernde Hundertjährige Krieg hatte aus der Sicht Flanderns vor allem einen wirtschaftlichen Hintergrund: den Kampf der großen Mächte um die Tuchindustrie Flanderns rund um den Weltmarkt in Brügge.

Ab dem 16. Jahrhundert

Im 15. Jahrhundert wurde Brügge von burgundischen Herzögen regiert, die die Stadt kulturell, architektonisch und wirtschaftlich zu hoher Blüte brachten. Gegen Ende des Mittelalters war Brügge die reichste Stadt Nordeuropas. Zum Ende des 15. Jahrhunderts versandete der Zwin und schnitt der Stadt damit den direkten Zugang zum Meer ab, woraufhin sich auch der burgundische Hof aus der Stadt zurückzog. Kaiser Maximilian I. beschränkte die Rechte der Stadt, die führende Position der Stadt in Flandern wurde an Antwerpen abgegeben.

Die Stadt verarmte und kam von 1524 bis 1713 unter spanische Herrschaft. Die Hugenottenkriege trugen weiter zum Verfall bei. In der Stadt herrschte über Jahrhunderte Stillstand; nacheinander herrschten hier das Kaiserhaus Habsburg (1713 bis 1795), Frankreich (1795 bis 1815) und die Niederlande (bis 1830) über Brügge. Danach wurde Flandern und damit Brügge ein Teil des neuen Königreiches Belgien. An der im 19. Jahrhundert aufkommenden Industrialisierung hatte die Stadt praktisch keinen Anteil.

Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts erhielt Brügge einige Aufmerksamkeit als Kulturstadt, als der Schriftsteller Georges Rodenbach die Stadt in seinem Roman Bruges la Morte beschrieb. Als 1907 ein Anschluss an den Seehafen Zeebrügge geschaffen wurde, erhielt Brügge neue wirtschaftliche Perspektiven. Seit 1949 beherbergt Brügge das Europakolleg (College of Europe) als renommierte Europa-Hochschule, 1960 wurde die Stadt mit dem Europapreis für ihre hervorragenden Bemühungen um den europäischen Integrationsgedanken ausgezeichnet. Heute profitiert Brügge von dem jahrhundertelangen Stillstand, da der mittelalterliche Stadtkern unverbaut erhalten geblieben ist und die Grundlage für den Tourismus bildet.

Stadtteile

  • Innenstadt Brügge, Sint-Pieters und Sint-Jozef (I)
  • Koolkerke (II)
  • Sint-Andries (III)
  • Sint-Michiels (IV)
  • Assebroek (V)
  • Sint-Kruis (VI)
  • Dudzele (VII)
  • Lissewege, Zeebrügge und Zwankendamme (VIII)

Tourismus und Sehenswürdigkeiten

Die mittelalterliche Altstadt, die von Wallanlagen, auf denen sich Windmühlen befinden, und Kanälen umgeben ist, ist sehr gut erhalten, da sie nie durch Kriege oder großflächige Brände zerstört wurde. Die Stadt ist sowohl auf gepflasterten Straßen als auch per Bootstour erkundbar.

Die Kanäle, die die Stadt durchziehen, nennen die Einheimischen Reien, nach dem im Mittelalter vollständig kanalisierten Flüsschen Reie. Sie dienten dem Warentransport zum Zwin.

Einige der Sehenswürdigkeiten sind:

  • Sint-Salvator-Kathedrale
  • Liebfrauenkirche mit der Madonna von Michelangelo
  • Beginenhof
  • Tuchhallen und Belfried
  • Rathaus
  • Heilig-Blut-Basilika
  • Altes Sankt-Jans-Spital, das erste städtische Krankenhaus der Neuzeit
  • Die vier übriggeblieben alten Stadttore: Gentpoort, Kruispoort, Smedenpoort und Ezelpoort
  • Marktplatz (Grote Markt)

Kunst und Kultur

Museen

Die städtische Museen in Brügge sind unterteilt in die Kategorien „Schöne Künste“ (vom 15. bis zum 21. Jahrhundert), „Bruggemuseum“ (Sammelname für elf historische Museen) und „Hospitaalmuseum“ (Hospitalmuseen).

Die drei Museen der Schönen Künste sind das Groeningemuseum (mit der Kollektion der flämischen Primitiven und Gemälden und Skulpturen der Renaissance, des Barock, des Klassizismus und des Expressionismus), das Arentshaus und Forum+ (im Concertgebouw), eine Plattform der zeitgenössischen Kunst.

Bruggemuseum enthält das Archäologie-Museum, den Gentpoort, den Belfried, das Rathaus, das Brügger Freiamt, das Gruuthusemuseum, die Liebfrauenkirche, das Heimatmuseum, die Koelewei-Mühle, die Sint-Janshuis-Mühle und das Guido-Gezelle-Museum.

Die zwei Hospitalmuseen sind das Alte Sankt-Jans-Spital mit dem Memling in Sint-Jan - Hospital Museum (unter anderem mit Werken von Hans Memling) und „Unserer Lieben Frau zur Potterie“.

Privatmuseen in Brügge sind das Beginenhaus, das Brauereimuseum, das Diamantmuseum, das Schokoladenmuseum Choco-Story, das Englische Kloster, das Pommes-Frites-Museum, die Heilig-Blut-Basilika, der Hof Bladelin, die Jerusalemskirche, das Lampenmuseum Lumina Domestica, Museum-Gallery Xpo: Salvador Dalí, das Spitzenzentrum, die St.-Georgs-Schützengilde, die St.-Sebastian-Schützengilde, die St.-Salvator-Kathedrale, die St.-Trudo-Abtei, die Sternwarte Beisbroek und das Kloster Ter Doest in Lissewege.

Theater und Konzertsäle

Brügge hat verschiedene Theater und Konzertsäle. Die wichtigsten sind das für Brügge 2002 – Europäische Kulturhauptstadt neugebaute Concertgebouw („Konzertgebäude“), die Stadsschouwburg, Biekorf, De Dijk, De Werf, der Magdalenazaal, Het Entrepot und der Joseph Ryelandtzaal.

Kinos

Die drei Kinos in Brügge sind Cinema Lumière für nicht-kommerzielle Filme, Cinema Liberty, ein kleines kommerzielles Kino, und das große Komplex von Kinepolis in Sint-Michiels.

Verkehr, Wirtschaft und Bildung

Verkehr

  • Brügge ist durch die Autobahnen A10/E 40 Brüssel-Ostende, A18/E 40 Brügge-Frankreich, A10/E 403 Brügge-Doornik und N49/E 34 Antwerpen-Brügge/Zeebrügge/Knokke-Heist erschlossen.
  • Der Hauptbahnhof von Brügge liegt an den Eisenbahnlinien Brüssel-Ostende (Strecke 50A), Brügge-Kortrijk (Strecke 66) und Brügge-Blankenberge (Strecke 51); weitere Strecken führen nördlich nach Zeebrügge (Strecke 51A) und nordöstlich nach Knokke-Heist (Strecke 51B). Zwischen 1863 und 1959 gab es auch eine weitere Verbindung (Strecke 58) nach Eeklo. Rund um die Uhr gibt es unter anderem mehrere IC-Verbindungen in andere wichtige Städte Belgiens. Der Hauptbahnhof ist auch ein Stopp für den Thalys Paris-Brüssel-Ostende.
  • Mit Gent, Ostende und Sluis ist es über den Kanal Gent-Brügge, Brügge-Ostende und Brügge-Sluis verbunden, und mit Zeebrügge, an der Nordsee, über dem 12 km langen, für Seeschiffe befahrbaren Boudewijnkanal.
  • Der nächstgelegene Flughafen ist der Internationale Flughafen Ostende-Brügge in Ostende, ungefähr 25 km vom Zentrum von Brügge.
  • Der öffentliche Stadtverkehr in Brügge besteht aus einem umfangreichen Busnetz. Betreiber ist die Gesellschaft De Lijn.

Hafen

Der Hafen von Brügge-Zeebrügge gilt als einer der modernsten und wichtigsten in Europa. Seine Hauptvorteile sind seine geographische Lage an der Nordsee mit der Straße von Dover, die Nähe zu England und sein Zugang mit großen Wassertiefen.

Bildung

In Brügge befindet sich unter anderem das renommierte Europakolleg, ein unabhängiges postgraduales Hochschulinstitut für europäische Studien.

Sport

Fußball

Erste Division:

  • FC Brügge
  • Cercle Brügge

Beide spielen im Jan-Breydel-Stadion (30.000 Sitzplätze) in Sint-Andries. Jedoch gibt es Pläne ein neues Stadion mit 45.000 Sitzplätzen zu bauen in der Nähe der Kreuzung der Europastraßen E40 und E403.

Im Jahr 2000 war Brügge eine der acht Gastgeberstädte der Fußball-Europameisterschaft.

Fahrradrennen

In Brügge befindet sich der Startpunkt für die Flandern-Rundfahrt.

Brügge in den Medien

Film und Fernsehen

Filme, die (überwiegend) in Brügge spielen (Auswahl):

  • Geschichte einer Nonne, Regie Fred Zinnemann, USA, 1959
  • Herz aus Schokolade, Regie Oliver Dommenget, Deutschland, 2008
  • Brügge sehen… und sterben?, Regie Martin McDonagh, Irland, Vereinigtes Königreich, 2008
  • Aspe (Fernsehserie), belgische Krimiserie, seit 2004

Literatur

  • Georges Rodenbach: Das tote Brügge, Reclam, Ditzingen 1986, ISBN 3-15-005194-0.
  • Die Kriminalromane des belgischen Schriftstellers Pieter Aspe, die in Brügge spielen.

Persönlichkeiten

Söhne und Töchter der Stadt

  • Pieter Aspe, Kriminalschriftsteller
  • Pierre Basin, Sänger
  • Arsène Becuwe, Komponist und Dirigent
  • Arnold von Bruck, österreichischer Komponist
  • Peter Candid, Maler und Grafiker
  • Eugène Charles Catalan, Mathematiker
  • Hugo Claus, Schriftsteller
  • Albert Van Coile, Fußballspieler
  • Jean Cordier, Priester, Sänger, Botschafter der Medicis in Brügge
  • Octave Delepierre, Schriftsteller
  • Paul Devaux, Politiker
  • Edgar Everaert, Fußballspieler und Gründer des Club Unión
  • Guido Gezelle, Dichter des 19. Jahrhunderts
  • Franciscus Gomarus, reformierter Theologe
  • Eugène Goossens, Dirigent
  • Jens Keukeleire, Radrennfahrer
  • Nicolas Lombaerts, Fußballspieler
  • Henri Milne Edwards, französischer Naturforscher
  • Joseph-Denis Odevaere, Maler
  • Tony Parker, französischer Basketballspieler
  • Philipp I. (Kastilien), erster spanischer König aus dem Hause Habsburg
  • Joseph Ryelandt, Komponist und Direktor des Konservatoriums
  • Simon Stevin, niederländisch-belgischer Mathematiker, Physiker und Ingenieur
  • James Vanlandschoot, Radrennfahrer

Persönlichkeiten, die vor Ort gewirkt haben

  • Gilles Binchois, Komponist, Dichter und Kleriker
  • Antoine Busnoys, französischer Komponist, Sänger, Dichter und Kleriker
  • William Caxton, der erste englische Buchdrucker
  • Petrus Christus, niederländischer Maler
  • Gerard David, altniederländischer Maler
  • Guy Duijck, belgischer Komponist, Professor und Dirigent
  • Franky Van Der Elst, Fußballspieler
  • Jan van Eyck, Vertreter der altniederländischen Malerei
  • Gilles Joye, Theologe, Dichter, Sänger und Komponist
  • Hans Memling, deutscher Maler der niederländischen Schule
  • Jacob Obrecht, flämischer Komponist und Sänger sowie Kleriker der Renaissance
  • Werner Quintens, belgischer römisch-katholischer Priester
  • Jacek Saryusz-Wolski, 1997 bis 1999 Vizerektor des Europakollegs in Brügge
  • Guy Thys, belgischer Fußballtrainer
  • Johan Vandewalle, Orientalist
  • Hildebrand Veckinchusen, Kaufmann der Hansezeit
  • Gaspar van Weerbeke, Komponist und Sänger
  • Joseph H. H. Weiler, Professor für Internationales Recht und Europarecht am Europakolleg in Brügge

Städtepartnerschaften

  • Burgos (Spanien), 2007

Fußnoten

  1. ↑ Brugge, stad met vele gezichten - Andries Van den Abeele
  2.  

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Hansekontor in Brügge

Das Hansekontor in Brügge war das wirtschaftlich bedeutsamste der vier Kontore der Hanse. Das Kontor führte ein Siegel mit dem doppelköpfigen Reichsadler, das ihm im Jahr 1486 von Kaiser Friedrich III. verliehen worden war. Das Hansekontor in Brügge war eine völkerrechtlich anerkannte Interessenvertretung der Hanse. Sie hatte eine eigene Jurisdiktion. Die in Brügge tätigen Kaufleute aus Hansestädten waren Zwangsmitglieder. Das Hansekontor in Brügge hatte die Stellung einer auswärtigen Handelskammer der Hanse in Brügge mit konsularischen Befugnissen.

Geschichte

Entstehungsvoraussetzungen

Die Hanse etablierte handelspolitisch die als juristische Person rechtlich selbstständigen Kontore an einigen wichtigen Handelsplätzen im Ausland, an denen dort erworbene Handelsprivilegien und die Interessen der dort tätigen Hansekaufleute des besonderen Schutzes bedurften. Die Stadt Brügge war um 1200 Messeplatz geworden und lag im Zentrum der flandrischen Tuchherstellung. Aufgrund einer Sturmflut im Jahr 1134 hatte sie durch den Zwin in Verbindung mit dem Reie einen Zugang zur Nordsee erhalten, der sie und ihren 1180 gegründeten Vorhafen im Städtchen Damme für die Koggen von der Nordsee her erreichbar machte. In den Jahren 1252 und 1253 privilegierte Gräfin Margarete II. von Flandern nach Verhandlungen mit dem Lübecker Ratsherren Hermann Hoyer und dem Hamburger Ratsherrn Jordan die deutschen Kaufleute aus Lübeck, Hamburg, Aachen, Köln, Dortmund, Münster und Soest. Der Schnittpunkt des internationalen Handels und die Messe in Brügge machten das Kontor in Brügge zu dem wirtschaftlich wichtigsten der deutschen Kaufleute. Diese wurden hier Osterlinge genannt, weil sie alle aus Städten kamen, die östlich von Brügge und Flandern lagen. Brügge bot seewärts die Verbindung zu London mit dem Stalhof als weiterem Kontor, aber auch den Handel mit Frankreichs Süden (Baiensalz, Wein) und der Iberischen Halbinsel. Landseitig war die Verbindung zum oberdeutschen Handel mit den Städten Süddeutschlands und Oberitaliens (Südfrüchte als Trockenfrüchte, Gewürze) gegeben. Die Kaufleute der Hansestädte Westfalens und des Rheinlandes, mit den Städten des wendischen Quartiers der Hanse an der südlichen Ostseeküste aus der Ostsiedlung oft familiär eng verbunden, lagen im direkten Hinterland dieses flandrischen Messeplatzes.

Die Handelssperre von 1280

Bereits in den Jahren 1280-82 galt es im Spannungsverhältnis zwischen dem Grafen Guido I. von Flandern und der Stadt Brügge taktierend die Privilegien zu bewahren und nach Möglichkeit auszuweiten. Die Stadt Brügge schränkte über Behinderungen und Schikanen nicht nur die deutschen Kaufleute, sondern auch die aus Südfrankreich und Spanien kommenden in ihren Handlungsspielräumen ein, in Verkennung ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für den Standort.

Nach schriftlicher Rückversicherung bei den hauptsächlich betroffenen Städten beschloss daher der Rat der Stadt Lübeck zu handeln und entsandte den Ratsherrn Johann van Doway nach Flandern und Brügge. Die Stadt Brügge und ihr sog. Stapel wurden mit einem Handelsboykott belegt. Das Kontor verlegte seinen Sitz 1280 von Brügge nach Aardenburg. Die Folgen waren für Brügge desaströs, und 1282 konnte das Kontor schließlich nach Bestätigung der alten Privilegien nach Brügge zurückkehren.

Johann van Doway als einer der frühen Außenpolitiker der Hansestädte setzte damit vor Ort erfolgreich die in den nächsten Jahrhunderten noch perfektionierten Mittel hansischer Handelspolitik ein: zunächst Verhandlung mit allererster Priorität und dem Druckmittel des Boykotts, dann Wirtschaftsblockade und zuletzt den Seekrieg als Kaperkrieg. Damit unterschieden sich die Handelskriege der Hanse auch in ihren Mitteln deutlich von denen der Territorialfürsten, da sie nicht auf Landgewinn, sondern ausschließlich um geldwerte Privilegien und Kompensationen geführt wurden. Fremdes Territorium wurde hingegen ausschließlich nur „in Pfand genommen", um Kompensationen zu sichern, die nicht sofort geleistet werden konnten.

Die Bedeutung des Flandernhandels wird auch dadurch unterstrichen, dass der Lübecker Ratskanzler Albert von Bardewik 1299 die Vorschriften des Lübecker Seerechts für die Flandernfahrt gesondert schriftlich niederlegte.

Der zweite Flandernboykott

Der zweite Boykott Flanderns durch die Hanse erfolgte in den Jahren 1358-60 unter der Leitung des Lübecker Ratsherrn Bernhard Oldenborch und führte zum gleichen Ergebnis; die Privilegien wurden erneut gesichert und die Hanse für die entgangenen Gewinne entschädigt. Diplomatisch hatten die Hanseaten sich 1358 von Herzog Albrecht I. von Bayern, der zugleich Graf von Holland war, neue Privilegien für den Stapelplatz Dordrecht erteilen lassen. Das reichte, um 1360 die Geschäfte in Brügge in gewohnter Weise fortsetzen zu können, nachdem die alten Privilegien dort (nach dem Urteil der Hansesyndici) durch Graf Ludwig II. von Flandern rechtsfest bestätigt worden waren.

Die Handelssperren des Jahres 1388

Ein dritter Flandernboykott der Stadt Brügge wurde vom Hansetag des Jahres 1388 (zeitgleich mit weiteren Handelssperren gegen England und Russland) beschlossen, nachdem ein Auszug des Kontors zuvor 1378 von den örtlichen Behörden verhindert, die deutschen Kaufleute eingekerkert und ihre Handelsware beschlagnahmt wurde. Dieser Boykott war nicht so unmittelbar effektiv wie die beiden vorangegangenen. In Flandern waren Weberaufstände ausgebrochen, Philipp van Artevelde hatte im nachbarlichen Gent die Macht übernommen und die politischen Verhältnisse in der Grafschaft Flandern konnten erst 1382 in der Schlacht bei Roosebeke wieder stabilisiert werden. Gleichzeitig fehlte im Hansischen Lager der Rückhalt der preußischen Städte und die Hochmeister des Deutschen Ordens Winrich von Kniprode und Konrad Zöllner von Rotenstein hielten offen zu der Stadt Brügge und Flandern und damit gegen die sog. Wendischen Städte um Lübeck (siehe unten), was die interne Meinungsfindung und die diplomatischen Verhandlungen des Lübecker Bürgermeisters Simon Swerting mit den Flamen erschwerte. Die Verhandlungen mit Philipp dem Kühnen nach Beginn des Boykotts zogen sich vier Jahre hin, bis dieser die Privilegien erneut bestätigte und eine Einigung über die Höhe der an die Hanse zu zahlenden Abfindung erzielt werden konnte. Mit Zahlung der ersten Abfindungsrate kehrte das Kontor 1392 von Dordrecht nach Brügge zurück. Die Diplomatie der Hanse hatte ein letztes Mal über die Niederlande gesiegt.

Niedergang Brügges im 15. Jahrhundert

Nach längerer Zeit des Friedens, wenn auch nicht ohne Beschwerden der hanseatischen Kaufleute, spitzten sich die Verhältnisse nach dem Frieden von Arras (1435) wieder zu. Im Hafen von Sluis am Zwin wurden etwa 80 Deutsche von der einheimischen Bevölkerung erschlagen. Bereits 1425 hatte man wegen der Erfolglosigkeit einer diplomatischen Mission des Lübecker Bürgermeisters Jordan Pleskow einen erneuten Auszug des Kontors geplant, aber wegen der Auseinandersetzungen mit Dänemark davon Abstand genommen. Die Mordtat führte 1436 zur umgehenden Verlegung des Kontors nach Antwerpen, die zu einem vierten, bis 1438 andauernden Boykott führte. Er wurde erst durch eine Schadensersatzzahlung von 8000 Pfund Groschen abgebrochen. Mit dem Haus der Osterlinge erwarb das Hansekontor in Brügge erst im Jahr 1442 ein Gebäude in Brügge, dieses wurde im Jahr 1478 durch einen geräumigeren Neubau am Osterlingenplein ersetzt. Es blieb jedoch weiterhin bei den Versammlungen im Karmeliterkloster, dessen Kirche die Kirche der hansischen Kaufleute in Brügge war. Dort wurden 1474 auch die Urkunden des Friedensvertrages von Utrecht zwischen Hanse und England durch den Ältermann Johann Durkop getauscht[1].

Mit der zunehmenden Versandung des Seezugangs Zwin im 15. Jahrhundert sank die Bedeutung der Stadt Brügge als Handelsplatz. Nun beschloss der Hansetag 1442 - wohl auch gegen die mit den Umlandfahrern im Ostseeraum aufkommenden englische Konkurrenz -, dass nur in Brügge erworbene Tuche gehandelt werden durften. Aber bereits 1486 wurde die Zahl der Ältermänner des Brügger Kontors reduziert, und 1520 wurde das Kontor an die sandfreie Schelde nach Antwerpen verlegt, wo Mitte des Jahrhunderts unter dem Syndikus Heinrich Sudermann durch den Architekten Cornelis Floris II. noch einmal ein großes Haus der Osterlinge errichtet wurde. Das hielt den Niedergang des Kontors in dieser unruhigen Zeit aber nicht auf.

Strukturelle Unterschiede zu den anderen drei Kontoren

Im Gegensatz zu den anderen drei Kontoren der Hanse, dem Peterhof in Nowgorod, der Tyske Bryggen in Bergen und dem Stalhof in London wohnten und arbeiteten die Hansekaufleute in Brüggen nicht von der ortsansässigen Bevölkerung Brügges isoliert in einem eigenen umfriedeten Bezirk, sondern in sozialem Kontakt mit den Bürgern der Stadt. Zwar hatte 1252 der Wunsch der deutschen Kaufleute nach Errichtung einer eigenen umfriedeten Siedlung Neudamme unweit Dammes am Zwin bestanden, diese exterritoriale Lösung war jedoch von Gräfin Margarete abgelehnt worden. Brügge war jedoch der einzige Kontorsitz, an dem auch der Grunderwerb oder die Pacht von Häusern in der Stadt für einzelne ausländische Kaufleute statthaft war. Insofern hatte das Kontor in Brügge (im Gegensatz zu den drei anderen) zunächst kein eigenes Gebäude. Es nutzte für seine Versammlungen traditionell den Remter des Karmeliterklosters der Stadt. Dies wird auch damit erklärt, das die große Anzahl der deutschen Kaufleute in der Stadt, die zeitweilig 1.000 überstieg, die Unterbringung in einem abgeschlossenen Komplex schlichtweg unmöglich machte.

Insofern war auch die Kontorordnung zwar der in allen anderen Kontoren dem Grunde nach ähnlich. Auch in Brügge wurde das Kontor durch gewählte Älterleute vertreten. Aber es bestand kein Anlass zu derart rigiden Regelungen, wie sie in Nowgorod für den Peterhof in der sog. Nowgoroder Schra niedergelegt wurden. Die schriftliche Fassung erfolgte, soweit überliefert, auch wesentlich später[2].

In Anbetracht der Bedeutung des Handelsplatzes Brügge für so gut wie alle Städte der Hanse trat in Brügge eine besondere Rivalität der Hansestädte um Einfluss auf die Leitung der Angelegenheiten des Kontors auf. Hieraus resultiert die vom Kontor Brügge ausgehende spätere Aufteilung der Hanse zunächst in Drittel, später in Quartiere („Wendisches Viertel“), in denen die Interessen bestimmter Städtegruppen „gebündelt“ wurden.

Eines hatten jedoch alle Kontore gemeinsam, das Grundproblem des auf ausbedungenen Privilegien beruhenden Handels der Hanse insgesamt: Die Privilegien mussten sowohl gegen den ortsansässigen Handel wie die sich entwickelnden internationalen Märkte verteidigt werden. In dieser Verteidigung erworbener Rechte waren die Kontore selbst nur die Speerspitze vor Ort und auf den Rückhalt und die Einigkeit bei der Unterstützung gemeinsamer Interessen der in der Hanse selbst nur lose zusammengeschlossenen Hansestädte angewiesen.

Hansekaufleute in Brügge

Die Ausbildung eines Hansekaufmannes bedingte in jungen Jahren Auslandsreisen und längere Auslandsaufenthalte in den Kontoren und Faktoreien der Hanse. Der mehrjährige Aufenthalt im größten Kontor Brügge bot Karrierechancen: wer hier zum Ältermann des Kontors gewählt wurde und sich als solcher bewährte, stieg auch später bei Rückkehr in seine Heimatstadt meist an deren Spitze als Ratsherr und Bürgermeister auf. Als gutes Beispiel mag in diesem Zusammenhang der Lübecker Bürgermeister Hinrich Castorp gelten.

Das Leben und Wirtschaften der Hansekaufleute in Brügge wird deutlich anhand des fast vollständigen Briefwechsels des Hildebrand Veckinchusen (1370-1426) in der Edition von Wilhelm Stieda[3], einer der wichtigsten Quellen zur Beurteilung und Erforschung hansischer Wirtschaftsgeschichte des Spätmittelalters, gleichzeitig ein gut dokumentiertes Beispiel für das nahe beieinanderliegen von Aufstieg und Fall eines Kaufmannsschicksals jener Zeit.

Akten und Archiv des Kontors

Das Aktenarchiv samt den Abschriften der Hanserezesse des Brügger Kontors wurde 1594 von Antwerpen nach Köln als nächst gelegener Hansestadt verbracht und befindet sich heute im Historischen Archiv der Stadt Köln.[4]

Anmerkungen

  1. ↑ Schubert: Die Kontore, S.23
  2. ↑ Abdruck der Neufestsetzung der Statuten (1374) bei Philippe Dollinger: Die Hanse im Quellenanhang
  3. ↑  Hildebrand Veckinchusen, Briefwechsel eines deutschen Kaufmanns im 15. Jahrhundert, Leipzig 1921
  4. ↑ Joachim Deeters: Hansische Rezesse. Eine quellenkundliche Untersuchung anhand der Überlieferung im Historischen Archiv der Stadt Köln. in: Hammel-Kiesow (Hrsg.): Das Gedächtnis der Hansestadt Lübeck, Lübeck, Schmidt-Römhild 2005, S.427-446 (429ff) -mit Bestandssignaturen im Anhang- ISBN 3-7950-5555-5

Literatur

  • Albert von Bardewik: Specinem juris publici Lubecensis, quo pacta conventa et privilegia, quibus Lubecae per omnem propemodum Europam circa inhumanum jus naufragii (Strandes Recht) est prospectum, ex authenticis recensuit ... qui etiam mantissae loco Jus maritimum Lubecense antiquissimum / Ab Alberto de Bardewic a. 1299 compositum ex membranis edidit Jo. Carolus Henricus Dreyer (Hrsg.), Bützow ohne Jahresangabe
  • Philippe Dollinger: Die Hanse, Stuttgart 1998, ISBN 3-520-37105-7
  • Ernst Schubert: Novgorod, Brügge, Bergen und London: Die Kontore der Hanse in Concilium medii aevi 5, 2002 (S.1-50), auch als pdf [1]
  • Mike Burkhardt: Die Ordnungen der vier Hansekontore Bergen, Brügge, London und Novgorod, in: Graßmann, Antjekathrin (Hg.), Das Hansische Kontor zu Bergen und die Lübecker Bergenfahrer. International Workshop Lübeck 2003 (= Veröffentlichungen zur Geschichte der Hansestadt Lübeck. Herausgegeben vom Archiv der Hansestadt, Reihe B, Band 41), Lübeck 2005, S. 58-77.
  •  

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

La Rochelle

La Rochelle ist eine westfranzösische Hafenstadt und Hauptstadt des Départements Charente-Maritime Region Poitou-Charentes mit 76.848 Einwohnern (Stand: 1. Januar 2007). Sie ist auch die Partnerstadt von Lübeck.

Geographie

La Rochelle liegt am Atlantik im Golf von Biscaya, gegenüber der Île de Ré und ist ein wichtiges Schifffahrts-, Handels- und Fremdenverkehrszentrum. Die Entfernung zu Nantes im Norden beträgt ungefähr 150 km, zu Bordeaux im Süden 190 km und zu Paris im Nordosten 470 km.

Geschichte

Ursprünge

Im Gebiet um La Rochelle siedelten in der Antike die Santones, ein Stamm der Gallier, von denen die Gegend nahe Saintes, die Saintonge, ihren Namen erhielt. Die Besatzungsmacht der Römer entwickelten entlang der Atlantikküste den dort bislang unbekannten Anbau und die Erzeugung von Wein und die Herstellung von Salz. Sie belieferten damit ihr ganzes Reich. Zeugnisse dieser Epoche sind archäologische Ausgrabungen römischer Villen in Saint- Eloi und in Les Minimes, ferner die von Salzgärten mit Salinen.

Der Name La Rochelle heißt übersetzt „Kleiner Felsen“, bezogen auf ein erhöhtes Kalkfelsplateau im Gebiet der heutigen Stadt, auf dem sich im Zuge der Völkerwanderung (Ende 4. bis Mitte 6. Jahrhundert) von der Donau kommende Alanen niederließen und dauerhaft ansiedelten. An sie erinnert heute noch der Name der Landschaft Aunis im Hinterland von La Rochelle.

Entwicklung zum größten Hafen am Atlantik

Die Gründung der Stadt muss für das 10. Jahrhundert angenommen werden.

Relativ späte erste schriftliche Überlieferungen über die Zeit um 1140 sprechen von einer Zuwanderung von Colliberts, einer Gruppe entflohener Sklaven, die sich der Niederlassung der Alanen anschlossen und deren Entwicklung mit vorantrieben.

Zu ihnen stießen noch die kosmopolitischen Templer, deren Routen im 12. und 13. Jahrhundert auch nach La Rochelle führten. Unter ihrer Mitwirkung wurde der Hafen zum größten der Atlantikküste ausgebaut. Noch heute gibt es eine Straße Rue des Templiers, die nach den Templern benannt ist. (Die Rue du Temple und Cour du Temple weisen dagegen auf reformierte Kirchen hin, die auf Französisch temple heißen).

1137 machte Wilhelm X., Herzog von Aquitanien, den Hafen der Stadt zu einem freien Hafen. Für die spätere blühende Geschichte der Stadt zeichnete Eleonore von Aquitanien verantwortlich. Sie verlieh La Rochelle 1199 das freie Stadtrecht, verbunden mit einer bürgerlichen Selbstverwaltung und eigener Gerichtsbarkeit. Damals wurde zum ersten Mal in der französischen Geschichte für La Rochelle ein Bürgermeister benannt, und zwar Guillaume de Montmirail. In dessen Folge wurde jedes Jahr ein neuer Bürgermeister gewählt, aus den Reihen der mächtigsten Familien der Stadt.

Im Jahr 1224 wurde die Stadt von König Ludwig VIII. belagert und unterwarf sich anschließend.

Während des Hundertjährigen Krieges fand bei La Rochelle am 22. Juni 1372 eine Seeschlacht statt, zwischen einer kastilisch-französischen und einer englischen Flotte. Die Spanier und Franzosen hatten 60 Schiffe und die Engländer nur 40 unter ihrem Kommando. Sie verfügten auch über deutlich mehr Personal als die Engländer. Die Franzosen und die Spanier besiegten damals entscheidend die Engländer. Damit fiel die Kontrolle über den Kanal zum ersten Mal in die Hände Frankreichs, seit der Schlacht von 1340 von Sluys.

Bis zum 15. Jahrhundert behielt La Rochelle den größten Hafen Frankreichs an der atlantischen Küste. Gehandelt wurde hauptsächlich mit Wein und Salz.

In Zeiten der Religionskriege

Während der Renaissance nahm La Rochelle die Ideen der Reformation offen auf und hatte bereits vor 1540 zahlreiche Anhänger. Die Toleranz untereinander ließ am Anfang einen gemeinsamen Gebrauch der katholischen Kirchengebäude zu.

Von 1562 bis 1598 überzogen das Land die Verwüstungen der Religionskriege. 1565 wurden in La Rochelle dreißig katholische Priester erdrosselt und von der Tour de la Lanterne ins Meer gestoßen, was den offenen Kampf auslöste. Nicht lange danach wurde es zur Hauptstadt des Protestantismus in Frankreich.

Der große Gegenschlag der katholischen Liga begann mit dem „Massaker der Bartholomäusnacht“ am 24. August 1572, mit der Hinrichtung von Hugenottenanführern in Paris und den sich anschließenden furchtbaren Gemetzeln, die auf ganz Frankreich übergriffen.

1573 erfolgte die Belagerung des Hugenottenzentrums durch die königlich- katholisch Armee, unter dem Befehl des Herzogs von Anjou, dem späteren Heinrich III. Trotz sechsmonatiger intensiver Belagerung, unter Verwendung modernster Kriegstechniken auf beiden Seiten, hielten die Protestanten durch, und die Angreifer mussten ergebnislos aufgeben. Immerhin hatten 20.000 Mann auf der katholischen Seite ihr Leben gelassen. Vom Misserfolg gezwungen, musste die Krone den Hugenotten von La Rochelle noch 1573 die ungehinderte Ausübung ihrer Religion gestatten.

Mit dem Edikt von Nantes beendete Heinrich IV. 1598 die Religionskriege.

Erneute Belagerung von La Rochelle 1627–1628

Etwa 55 Jahre später geriet die Stadt wieder in Konflikte mit Ludwig XIII., dessen königliche Armee La Rochelle am 10. September 1627 erneut belagerte. Die Stadt hatte sich mit den Engländern verbündet, die bereits die Insel Ré besetzt hatten. In den Kämpfen standen sich zwei gleichermaßen sture Köpfe gegenüber, einerseits Kardinal Richelieu, Angehöriger des absolutistischen Königtums und andererseits Jean Guiton (1585–1654), ein fanatischer Admiral und neuer Bürgermeister von La Rochelle.

Die Blockade durch die Königlichen erfolgte nicht nur von Land, sondern auch von der Seeseite, auf der im Wasser ein riesiger 12 km langer Damm aufgeschüttet wurde, in den lange angespitzte Holzbalken in Richtung Stadt eingerammt waren. Soldaten der Artillerie besetzten den Damm. Die Versorgung und Verstärkung vom Meer aus, etwa von den Engländern, war damit abgeschnitten. Der Bürgermeister konnte die hungernde Bevölkerung der Stadt über mehr als ein Jahr zum Durchhalten bewegen.

Als die Wachen auf den Mauern vor Hunger tot umfielen, musste Guiton kapitulieren. Am 30. Oktober 1628 zog Richelieu und sein Heer in die Stadt ein, nach zwei Tagen gefolgt von König Ludwig XIII. In den Häusern fanden sie unzählige Leichen. Von den 28.000 ursprünglich eingeschlossenen Einwohnern hatten nur 5.000 überlebt, so auch Jean Guiton, der später in königliche Dienste eintrat.

Exodus der Hugenotten und die Kolonialzeit

Nach der Niederlage der Hugenotten von La Rochelle 1628 ging ihre Verfolgung im ganzen Land unerbittlich weiter, die mit der Rücknahme des Edikt von Nantes durch Ludwig XIV. ihren Höhepunkt erreichte. Viele Hugenotten flohen, wanderten aus und gründeten 1689 in Nordamerika die Stadt New Rochelle.

In der Kolonialzeit spielte La Rochelle im „atlantischen Dreieckshandel“ zwischen Afrika, Neufrankreich (Kanada und die Antillen) und dem Kernland Frankreich eine wichtige Rolle.

La Rochelle blieb weiterhin einer der größten Häfen Frankreichs. Dafür war vor allem der aufgekommene Sklavenhandel und die Entwicklung der überseeischen Beziehungen verantwortlich. Die beschädigten Wehranlagen wurden durch den bedeutenden Festungsarchitekten Vauban wiederhergestellt und modernisiert.

19. Jahrhundert

1864 war der Hafen von La Rochelle, im Bereich des „Bassin der Flotten“, hinter den Schleusen, der Standort für Tauchexperimente des ersten mechanisch betriebenen U-Boots der Welt, genannt Plongeur. Es wurde kommandiert von Marie-Joseph Camille Doré, geboren in La Rochelle.

Zweiter Weltkrieg

Im April 1941 begann die Organisation Todt im fünf Kilometer entfernten La Rochelle-La Pallice einen U-Boot-Bunker zu errichten, welcher noch heute zu besichtigen ist.

Die Stadt La Rochelle sowie die Hafenanlagen La Pallice blieben bis zum Tag der deutschen Gesamtkapitulation am 9. Mai 1945 in deutscher Hand. Im Rahmen eines Stillhalteabkommens zwischen dem deutschen Festungskommandanten Vizeadmiral Ernst Schirlitz und dem französischen Unterhändler Capitaine de Fregate Hubert Meyer wurde vereinbart, auf eine befohlene Zerstörung der Stadt- und Hafenanlagen zu verzichten, sofern die alliierten Truppen die in La Rochelle eingekesselten Deutschen nicht angreifen würden. Die sogenannte Konvention von La Rochelle führte letztlich dazu, dass Stadt- und Hafenanlagen von La Rochelle am 9. Mai 1945 unversehrt übergeben werden konnten, während andere Atlantikstädte wie z.B. Royan noch kurz vor Kriegsende im April völlig zerstört wurden.

Heute

Auch wenn heute in La Rochelle die internationale Schifffahrt kaum noch eine Rolle spielt, so ist er jedoch immer noch einer der bedeutenden Fischereihäfen des Landes. Seine Kapazität erreicht die vierte Stelle in Frankreich. Beim Umschlag von Handelsgütern, mit einem Bruttovolumen von etwa sechs Millionen Tonnen jährlich, nimmt er den achten Rang unter den französischen Häfen ein.

Sehenswürdigkeiten

Der alte Hafen

Das Hafenbecken des Vieux Port ist das Zentrum der Altstadt, und wird eingefasst von den Uferstraßen, im Norden vom Quai Duperre und im Westen von der Cours des Dames. Im Winkel der beiden Straßen erhebt sich die Statue des Admiral Duperre, 1775 in La Rochelle geboren, und Kommandant der französischen Flotte bei der Einnahme von Algier im Jahr 1830. Auf der Esplanade Cour des Dames wurden früher Sardinen verkauft und von den Fischern ihre Netze geflickt.

Tour St.-Nicolas

Der leicht geneigte zwischen 1317 und 1345 errichtete Turm weist die Merkmale einer Festung auf, und bildet zusammen mit dem gegenüberliegenden Tour de la Chaine das Wahrzeichen von La Rochelle. Er hat einen fünfeckigen Grundriss und ist 42 m hoch. An Stelle der fünf Ecken gibt es drei im Grundriss halbrunde Türme und einen rechteckigen und einen quadratischen höheren Turmanbau, eine Art Donjon. Alle Seiten sind mit Schießscharten und kleinen Fenstern ausgestattet. Der Turm diente lange als Gefängnis. Eine weit ausladende Zugangstreppe mit seitlichen Mauern, als Strebewerke ausgebildet, vom Boden bis zur Höhe der Treppenbrüstung reichend, erschließt den Hauptsaal, der von einem eleganten oktogonalen Kreuzrippengewölbe überdeckt wird. Die ins dicke Mauerwerk der Turmwände eingearbeiteten Treppen führen in den darüber liegenden zweiten Saal, von dort weiter zu noch anderen Räumen. Einer davon ist als Kapelle ausgestattet. Darüber liegt die erste mit Zinnen umschlossenen Dachterrasse und etwas aufwärts die zweite und höchste Terrasse auf dem Turmanbau, die von Brustwehren mit Schießscharten und Pecherkern eingeschlossen wird.

Tour de la Chaine

Der Name dieses Turms kommt von der großen Kette (frz.Chaine), die über Nacht mit dem Tour St.-Nicolas verbunden wurde, zur Blockierung der Hafenzufahrt. Am Fuß des Turms gibt es davon noch einen Rest. Der im 14. Jahrhundert erbaute Turm war überwiegend ein Pulvermagazin. Er wurde im 17. Jahrhundert teilweise abgetragen. Sein ursprünglicher Turmanbau, der in die Hafeneinfahrt hineinragte, wurde abgerissen um diese zu erweitern. Die vom Tour de la Chaine in Richtung Tour de la Lanterne verlaufende Befestigungsmauer, die sich im Mittelalter direkt aus dem Meer erhob, ist die einzige, die von Richelieu nicht zerstört wurde. Er dachte daran, dass sie ihm zum Schutz gegen die Angriffe der Engländer dienen konnte.

Tour de la Lanterne

Sein Name deutet auf seine Nutzung als Leuchtturm. Er wurde erst im 15. Jahrhundert errichtet. Die an seinem Fuß anschließenden sechs Meter dicken Festungsmauern kontrastieren zu der Eleganz des oktogonalen Turmhelms, dessen Rippen mit „Krabben“ verziert sind. Dort oben gibt es die Laterne, die als Leuchtfeuer gedient hat. In der oberen Turmspitze sind noch vier Räume übereinander angeordnet, auf deren Wände zahlreiche Graffiti der dort inhaftierten erhalten sind (17. und 18. Jahrhundert). Im unteren Teil des Turms befand sich der Saal der Wachen. Von einem vorspringenden Balkon erkennt man bei Ebbe die Fundamente des von Richelieu errichteten Damms, in Höhe von Fort Louis, hinter der Promenade.

Die Altstadt

Die Altstadt besitzt einen regelmäßigen Grundriss mit rechtwinklig zueinander verlaufenden Straßen, und hat die Charakteristik einer alten Handels- und Geschäftsstadt konserviert. Die sie heute noch in Teilen umschließenden Wehrmauern und Außenwerke (oder Ravelins) verraten die Handschrift von Vauban. Das Geschäftsviertel umschließt im Wesentlichen das Rathaus. Viele Arkadengänge und überdachte Passagen bieten bei jedem Wetter den flanierenden Passanten Schutz. Die ältesten Häuser bestehen aus Fachwerkkonstruktionen deren Holzständer und –riegel oft mit Schieferplatten geschützt sind.

Porte de la Grosse Horloge

Der Eingang zur Altstadt von der Hafenseite aus bildet der Uhrenturm mit Tordurchlass. Die den im Grundriss rechteckigen Turm in ganzer Höhe flankierenden Rundtürme werden von Seetrophäen verziert. Der gotische Torturm erhielt im 18. Jahrhundert nachträglich einen Aufbau, aus einem Glockenstuhl, auf beiden Seiten mit großen Uhrzifferblättern bestückt, und von einer Kuppel und einer Laterne gekrönt.

Hôtel de Ville

Wie sehr oft in Ortschaften mit protestantischer Geschichte, ist auch in La Rochelle nicht ein Sakralbau, sondern ein Profangebäude, hier das Rathaus, der besondere Glanzpunkt des Stadtzentrums, und dessen bedeutendstes Bauwerk. Bevor man das Rathausgebäude, das um die Wende vom 15. zu. 16. Jahrhundert erbaut worden ist, betrachten kann, muss man zunächst eine Barrikade überwinden, aus einer eher schlichten gotischen Festungsmauer, mit Wehrgang und auskragenden Pecherkern, auf der linken rechtwinkligen Mauerecke zusätzlich mit einem Belfried bewehrt. Sie umschließt einen geräumigen rechteckigen Innenhof, der über zwei gotisch gestalteten Tore betreten werden kann, das kleinere für Fußgänger, das größere für Fuhrwerke. Der schlanke, zylindrische Eckturm beginnt erst in Höhe der Mauerkrone und überragt das Rathaus weit, mit einem sich nach oben bis zur Spitze verjüngenden Turmhelm mit einer offenen Glockenstube. Im Hof erhebt sich die Hauptfassade des prächtigen Renaissancepalastes. Die Bauarbeiten erstreckten sich von der Grundsteinlegung 1544 bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts. Der Einfluss der italienischen Renaissance ist unverkennbar. Das Erdgeschoss wird hofseitig von einer Arkadengalerie mit kannelierten Säulen begrenzt. Im ersten Obergeschoss kann man den ehemalige Arbeitsraum des Bürgermeisters Jean Guiton (sh. Geschichte) besuchen.

Weitere Sehenswürdigkeiten der Altstadt

  • Hôtel de la Bourse: 18. Jahrhundert, Sitz der Handelskammer, mit Arkadeninnenhof
  • Rue du Palais: Hauptstraße mit Arkaden und öffentlichen Gebäuden
  • Rue Chaudrier: einer der Verteidiger von La Rochelle; schönes altes Fachwerkhaus. In der Nr. 54 befindet sich das Café de la Paix, eine der ältesten und schönsten Brasserien Frankreichs (Monument historique!).
  • Maison Henri II.: 1555 für Huges de Pontard erbaut
  • Grande Rue des Merciers: Arkaden und Häuser des 16. und 17. Jahrhunderts, in mittelalterlichem Charakter, viele Fachwerkhäuser,
  • Palais de Justice: 1789 fertiggestellt, Renaissance
  • Cathedrale St.-Louis: teilweise über den Fundamenten der Kirche St.-Barthélemy erbaut
  • Rue de Minage: beidseitig von Arkaden gesäumt, sehr alte Häuser
  • Place du Marché: zwei Häuser aus dem 15. und 16. Jahrhundert

Museen der Altstadt

  • Musée d’Histoire naturelle: Naturkundemuseum, ehemaliger Wohnsitz des Gouverneurs
  • Musée du Nouveau Monde: im Hôtel Fleuriau, Handel zwischen La Rochelle und Amerika seit der Renaissance
  • Musée d’Orbigny Bernon: Geschichte von La Rochelle
  • Musée des Beaux-Arts: Kunstmuseum im bischöflichen Palast

La Ville en Bois

Die „Stadt aus Holz“ ist ein Viertel südlich des Vorhafens gegenüber dem Tour de Lanterne, mit einigen Museen.

  • Neptunéa: Musée maritime: Seefahrtsmuseum
  • Musée à Flot: kleine Flotte Schiffe verschiedener Größe mit dem Wetterschiff Franc I
  • Musée des Automates: elektronische Roboter

Port des Minimes

Der Port des Minimes ist der größte Jachthafen der Atlantikküste mit über 3200 Liegeplätzen für Kielboote, mit drei Tiefwasserbecken.

Aquarium

La Rochelle besitzt ein großes Aquarium, eines der schönsten Europas. Es verfügt über 65 Becken.

Wirtschaft

Schiffbau, Fisch- und chemische Industrie sind die wichtigsten Industriezweige der Stadt. Weiterhin ist der Tourismus eine wichtige Stütze der Wirtschaft.

Klima

Mittlere Temperatur von 5 °C im Januar, etwa 7 mm Regen.

Mittlere Temperatur von 24 °C im Juli, etwa 4 mm Regen.

Mittlere Sonnenscheindauer: 91 h im Januar, 302 h im Juli.

Maritimes Klima.

Verkehr

La Rochelle ist an das System der französischen Staatsbahn SNCF angeschlossen. Es gibt tägliche Verbindungen nach Montparnasse (ungefähr drei Stunden) und Bordeaux, aber auch regionale Verbindungen in die näher liegenden Städte.

Der Busverkehr wird in La Rochelle von der RTCR in einem sehr gut ausgebautem Netz von Buslinien durchgeführt. Auch eine Verbindung auf die Ile de Ré ist vorhanden.

Am Stadtrand gibt es einen Park & Ride-Parkplatz, von dem aus man in den Sommermonaten gratis ins Zentrum gelangt. Es gibt dort auch eine Servicestation für Wohnmobile (Wasserversorgung und Abwasserentsorgung).

Der Flughafen La Rochelle (Aéroport de La Rochelle – île de Ré) liegt 2,5 km nordwestlich des Stadtzentrums.

Sport

Bekanntester Sportverein der Stadt ist Atlantique Stade Rochelais, der Rugby Union spielt und in der höchsten Liga TOP 14 vertreten ist.

Filmstadt La Rochelle

  • Anfang der 1980er Jahre diente der Hafen von La Pallice als Drehort für den Film Das Boot von Wolfgang Petersen.
  • Ebenfalls zur selben Zeit wie für Das Boot wurde im Hafen von La Pallice für den erste Teil der Indiana-Jones-Trilogie von Steven Spielberg gedreht.
  • 1980 wurde der Film Der ungeratene Sohn von Regisseur Claude Sautet mit Patrick Dewaere und Brigitte Fossey gedreht.

Söhne und Töchter der Stadt

  • François de Beauharnais, Generalmajor
  • Jacques Nicolas Billaud-Varenne, Revolutionär; Haupturheber der Septembermassaker
  • Aimé Bonpland, Naturforscher
  • William Adolphe Bouguereau, Maler
  • Jean-Loup Jacques Marie Chrétien, französischer Raumfahrer, Kampf- und Testpilot
  • Victor Guy Duperré, Admiral
  • Jean-Baptiste Élissalde, Rugby-Union-Nationalspieler
  • René Antoine Ferchault de Réaumur, Wissenschaftler
  • Eugène Fromentin, Schriftsteller, Kunstkritiker und Maler
  • Louis Rattuit de Souches, kaiserlicher Feldherr
  • Melissa Lauren, Pornodarstellerin

Städtepartnerschaften

La Rochelle unterhält freundschaftliche Beziehungen mit folgenden sechs Gemeinden:[1]

  • New Rochelle, USA (seit 1910)
  • Lübeck, Deutschland (seit 1951)
  • Akkon, Israel (seit 1972)
  • Petrosawodsk, Russland (seit 1973)
  • Essaouira, Marokko (seit 1999)
  • Figueiró de Santiago, Portugal (seit 2003)

Quellen, Literatur

  • Michelin-Reiseführer ATLANTIKKÜSTE Poitou Vendée Charentes Pyrenäen. 2. Auflage 1998
  • Thorsten Droste: POITOU, Westfrankreich zwischen Poitiers und Angoulême – die Atlantikküste von der Loire bis zur Gironde. DUMONT Kunst-Reiseführer, Köln 1999

Einzelnachweise

  1. ↑ Homepage von La Rochelle, Abschnitt Jumelage (abgerufen am 1. April 2010)
  2.  

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Belagerung von La Rochelle (1573)

Die Belagerung von La Rochelle, angeordnet von König Karl IX. und befehligt vom Herzog von Anjou, dem späteren König Heinrich III., begann am 11. Februar 1573 und endete am 26. Juni des gleichen Jahres.

Die Bartholomäusnacht hatte den Protestanten einen schweren Schlag versetzt. Der König und seine Mutter Katharina von Medici wollten das auf der Gegenseite nun herrschende Chaos nutzen, um sie endgültig unter ihre Autorität zu zwingen. Ihr Ziel war La Rochelle, die Stadt an der Spitze des französischen Protestantismus, deren Fall einen Dominoeffekt bei den anderen protestantischen Städten erzeugen würde. Der König hoffte, durch Verhandlungen zum Ergebnis zu kommen, doch die Protestanten verweigerten die Unterwerfung, so dass die Belagerung beschlossen wurde.

Der Herzog von Anjou wurde außer von seinem Bruder François-Hercule noch von Heinrich von Navarra, dem späteren König Heinrich IV., und Henri I. de Bourbon, prince de Condé begleitet, die beide gerade erst zum Katholizismus konvertiert waren. Anjou kommandierte eine Armee von 5000 Infanteristen und 1000 Kavalleristen, darunter der gesamte katholische Adel des Landes: der Großmeister der Artillerie Armand de Gontaut-Biron, die Oberhäupter der katholischen Partei, Luigi Gonzaga, Henri I. de Lorraine, duc de Guise, Charles II. de Lorraine, duc de Mayenne, Claude de Lorraine, duc d’Aumale, Blaise de Montesquiou, seigneur de Montluc, aber auch Artus de Cossé-Brissac, Marschall von Frankreich, Henri de la Tour d'Auvergne, Villequier, Pierre de Bourdeille, seigneur de Brantôme, Albert de Gondi, duc de Retz und Filippo Strozzi.

La Rochelle hingegen war ohne tatsächlichen Militärbefehlshaber. François de La Noue arbeitete sowohl auf Rechnung der Protestanten als auch des Königs. Die Stadt war in den Händen der Bürger, die etwa 1300 Soldaten unter Waffen hatten. Englische Schiffe versorgten sie mit Nachschub, während Königin Elisabeth I. mit Frankreich verbündet war und offiziell die englischen Hilfslieferungen für La Rochelle verurteilte, sie aber tatsächlich unterstützte. Die Engländer konnten ungehindert die Reede anlaufen, entladen und wieder wegsegeln. Die Versuche, die Lücke zuzuschütten, scheiterten. Am 19. April gelang es jedoch, eine englische Flotte unter dem Kommando von Montgomery durch einen Kanonenhagel zur Umkehr zu zwingen.

An Land wurden von Februar bis Juni acht große Sturmangriffe auf die Mauern gestartet, Himmelfahrtskommandos, da kaum einer unverletzt von diesen Attacken zurückkehrte. Der Herzog von Anjou war mehrmals unter den Verletzten, Claude de Lorraine fiel am 3. März. Am 26. März starben 150 Belagerer bei einer vorzeitigen Explosion eines Geschosses, das über die Mauern geworfen werden sollte. Der Widerstand der Protestanten, das Scheitern der Sturmangriffe und Schwierigkeiten mit dem Proviant brachten die Belagerer zur Verzweiflung. Intrigen kamen im königlichen Lager auf, mit François-Hercule an der Spitze. Am 23. Mai kamen 6000 Truppen Schweizer Verstärkung an, aber der Generalangriff drei Tage später scheiterte ebenfalls. Am 28. Mai erfuhr Heinrich III. von seiner Wahl zum König von Polen.

Die Belagerung wurde am 26. Juni aufgegeben, ein Friedensvertrag am 6. Juli unterzeichnet.

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Belagerung von La Rochelle (1627–1628)

Die Belagerung von La Rochelle durch Truppen des französischen Königs Ludwig XIII. begann am 4. August 1627 und endete am 28. Oktober 1628 mit der Kapitulation der von Hugenotten bewohnten Stadt.

Hintergrund

Im 16. Jahrhundert strahlte die Reformation in Form einer calvinistisch geprägten Glaubenslehre auch auf Frankreich aus. Vor allem im Südwesten des französischen Königreichs nahmen viele Menschen den neuen Glauben an und wurden fortan als „Huguenots“ (Hugenotten) bezeichnet. Mehrere französische Adelsgeschlechter konvertierten zum Protestantismus, wodurch sich die Konflikte mit der Krone verschärften. 1562 brach der erste der insgesamt acht Hugenottenkriege aus, in denen auch La Rochelle umkämpft war.

Die am Golf von Biscaya gelegene Stadt La Rochelle war einer der wichtigsten Stützpunkte der Hugenotten. Der venezianische Ingenieur Scipione Vergano ließ 1569 die mittelalterlichen Mauern der Stadt mit zeitgemäßen Bastionen und Wällen ausbauen, wodurch La Rochelle zu einer der stärksten Festungen der Hugenotten wurde. Am 11. Februar 1573 begann ein Heer unter König Karl IX. mit der Belagerung von La Rochelle, die am 6. Juli desselben Jahres durch Verhandlungen beendet werden konnte. Die königlichen Truppen hatten 34.000 Kanonenkugeln auf die Stadt abgefeuert und acht erfolglose Sturmangriffe unternommen. Insgesamt wurden über 20.000 Belagerer getötet oder verwundet. Seitdem galt La Rochelle als nahezu uneinnehmbar.

Unter König Heinrich IV. fanden die Kriege ein Ende. Heinrich IV. war selbst ein Hugenotte, nahm aber 1593 den katholischen Glauben an. Mit dem Edikt von Nantes (1598) garantierte er den Hugenotten politische und religiöse Privilegien und gestand ihnen mehrere Sicherheitsplätze zu, in denen sie auf Staatskosten eigene Garnisonen unterhalten durften. Nach Heinrichs Ermordung 1610 wurde sein Sohn als Ludwig XIII. zum französischen König gekrönt. Ludwigs absolutistische Bestrebungen richteten sich unter anderem gegen die Sonderrechte der Hugenotten, was deren Widerstand provozierte. 1621 erhoben sich die Hugenotten, woraufhin Ludwig XIII. einen Feldzug gegen sie unternahm. Dabei scheiterte er an der Eroberung von Montauban und Montpellier und musste am 10. Oktober 1622 das Edikt von Nantes bestätigen. Die Befestigungsanlagen von La Rochelle und Montauban durften beibehalten werden.

1624 wurde Kardinal Richelieu zum neuen leitenden Minister unter Ludwig XIII. ernannt. Richelieu trat für die vollständige Beseitigung der politischen Sonderrechte der Hugenotten ein und übte dabei einen großen Einfluss auf König Ludwig aus. Ludwig verschärfte seine gegen die Hugenotten gerichtete Politik, was erneut zu Erhebungen führte. Unter Benjamin de Rohan stellten die Hugenotten im Januar 1625 Truppen in der Provinz Poitou auf. Diese besetzten die Île de Ré westlich von La Rochelle und setzten von dort aus nach Oléron über, wo sie die königliche Garnison besiegten. Benjamins älterer Bruder Henri II. de Rohan hatte währenddessen mit der Aushebung von Truppen in Languedoc begonnen. In dieser Situation richteten die Hugenotten Forderungen an den König. Ludwig XIII. erklärte sich zu einer Bestätigung des Edikts von Nantes bereit, verlangte aber im Gegenzug die Beschränkung der Befestigungsanlagen von La Rochelle auf die mittelalterliche Mauer und die Einsetzung eines königlichen Verwalters als oberste Autorität in der Stadt. Die Rohans lehnten dies ab und ersuchten ausländische Unterstützung.

Benjamin de Rohan begab sich in das protestantische England, um dort militärische Hilfe zu erbitten. Er nahm Kontakt zum Duke of Buckingham George Villiers auf, der mit dem englischen König Karl I. befreundet war. Villiers ließ eine Flotte mit 5000 Soldaten bemannen und begab sich mit Benjamin nach La Rochelle. Als sie am 25. Juli 1627 vor der Stadt eintrafen, entschieden sich Villiers zunächst für einen Angriff auf die Insel Ré, die bereits von königlichen Truppen besetzt worden war. Die englischen Soldaten gingen im Osten der Insel an Land und schlugen einen Angriff der Franzosen zurück, welche sich daraufhin in die Forts de la Prée in der Gemeine von La Flotte und Saint-Martin zurückzogen. Villiers ließ das Fort belagern, während unter den Bewohnern von La Rochelle Uneinigkeit darüber herrschte, wie man sich gegenüber den Engländern verhalten solle.

Verlauf

Am 4. August traf ein königliches Heer mit einer Stärke von 11.000 Mann unter dem Befehl des Herzogs von Angoulême vor La Rochelle ein. Angoulême legte den Bewohnern der Stadt die Kapitulation nahe, was bei diesen heftige Diskussionen auslöste. Die königlichen Truppen verhielten sich zunächst friedlich, doch gingen sie am 10. September dazu über, das westlich von La Rochelle befindliche Fort St. Louis auszubauen. Die Hugenotten betrachteten dies als Provokation und nahmen das Fort unter Geschützfeuer. Die königlichen Truppen erwiderten das Feuer. Angoulême ließ nun einen Ring aus Feldbefestigungen um die Stadt errichten und stellte seine Soldaten auf einen langwierigen Belagerungskampf ein. In La Rochelle war jeder männliche Erwachsene zur Verteidigung der Stadt aufgerufen. Bürgermeister Jean Guiton und Benjamin de Rohan übernahmen den Oberbefehl.

Am 7. Oktober gelang es den Mannschaften von 46 königlichen Transportschiffen, auf der Île de Ré an Land zu gehen und die Besatzung vom Fort St. Martin mit Lebensmitteln und Munition zu versorgen. Der Gouverneur der Insel und Oberbefehlshaber der französischen Truppen, Jean de Saint-Bonnet, Marquis de Toiras hatte es bereits in Betracht gezogen, wegen Nahrungsmangel zu kapitulieren. Am 12. Oktober traf Ludwig XIII. mit neuen Truppen vor La Rochelle ein. Das königliche Heer war nun auf eine Stärke von über 20.000 Soldaten angewachsen. Am 7. November befahl Villiers einen Sturmangriff auf das Fort St. Martin, der lediglich zur Eroberung des äußeren Walles führte. Villiers plante daraufhin den Rückzug nach England, doch setzten in der Nacht auf den 8. Oktober 4.000 französische Soldaten auf die Île de Ré über und griffen die Engländer am Morgen an. Die Besatzung des Forts nutzte dies zu einem Ausfall gegen Villiers' Truppen, unter denen ein Blutbad angerichtet wurde. Villiers gehörte zu den wenigen, denen die Flucht auf ein Schiff gelang.

Während des Winters ließ Ludwig XIII. weitere Verbände heranziehen, bis das Belagerungsheer im Januar 1628 über 30.000 Soldaten umfasste. Obwohl seit Beginn der Belagerung bereits mehrere Monate vergangen waren, verfügten die Verteidiger von La Rochelle über ausreichend Nahrung und Munition, da sie über den Seeweg von englischen Schiffen mit Nachschub versorgt wurden. Die Belagerer begannen deshalb in der Bucht von La Rochelle mit dem Bau eines Deiches, mit dem die Stadt vollständig von der Außenwelt abgeschnitten werden sollte. Auf dem Deich wurden Kanonen postiert, die man gegen die feindlichen Schiffe einsetzte. Von einem Überläufer erfuhr man auf königlicher Seite, dass ein unbewachter Zugang in die Stadt führe. Kardinal Richelieu brach in der Nacht auf den 13. März mit 5.000 Soldaten auf, um La Rochelle auf diesem Wege zu erstürmen. Seine Kundschafter verirrten sich jedoch in der Sumpflandschaft nördlich der Stadt, und entdeckten erst am Morgen den ungeschützten Zugang. Die Hugenotten wurden durch die Präsenz zahlreicher Gegner alarmiert und schlossen die Lücke in ihren Befestigungsanlagen.

Die Seeblockade zeigte bereits im Frühjahr 1628 Wirkung. In La Rochelle brach eine Hungersnot aus, der täglich mehrere Hundert Menschen zum Opfer fielen. Die Zahl der Überläufer vergrößerte sich, während auf Mitglieder des Stadtrats Anschläge unternommen wurden. An manchen Tagen wurde über die Hälfte einer Kompanie tot aufgefunden, welche die Nachtwache auf einem Wall übernommen hatte. Selbst Gras und Schuhsohlen wurden von den Hugenotten verzehrt. Mit dem Eintreffen eines Entsatzheeres unter Henri de Rohan konnten die Einwohner der Stadt nicht mehr rechnen. Bis zum 12. Oktober trafen mehrere englische Flotten vor der Stadt ein, die ausnahmslos von den Truppen des Königs abgewiesen wurden. Am 27. Oktober eröffnete Bürgermeister Jean Guiton Verhandlungen mit den Belagerern. Die Stadt kapitulierte am nächsten Tag, dem 28. Oktober.[1] Ludwig XIII. und Richelieu marschierten am 30. Oktober mit ihren Truppen in die Stadt ein. Guiton wurde aus Frankreich verbannt, während Benjamin de Rohan die Flucht nach England gelang.

Resultat

Etwa drei Viertel der Einwohner von La Rochelle waren verhungert. Ludwig XIII. hatte für die Belagerung die enorme Summe von 40 Millionen Livre aufgewendet. Die Befestigungsanlagen von La Rochelle wurden nach der Einnahme der Stadt geschleift. Durch die Auflösung sämtlicher Sicherheitsplätze fielen die Hugenotten als militärischer Machtfaktor weg, doch wurden ihre bisherigen religiösen Freiheiten 1629 im Gnadenedikt von Alès bestätigt. Dadurch wurde die innenpolitische Situation stabilisiert, so dass sich die französische Krone auf eine vor allem gegen Habsburg gerichtete Machtpolitik konzentrieren konnte. Unter Ludwig XIV. wurden 1685 mit dem Edikt von Fontainebleau die religiösen Freiheiten der Hugenotten beseitigt. Mehrere Hunderttausend Hugenotten flohen aus Frankreich.

Einzelnachweise

  1. ↑ Hugenotten. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bd. 8, Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1892, ‎ S. 770.
  2.  

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Straßburg

Straßburg (frz. Strasbourg [stʀazˈbuʀ], im Straßburger Dialekt Schdroosburi), ist die Hauptstadt der im Osten Frankreichs gelegenen Region Elsass.

Die Stadt ist Sitz des Regionalrates und des Regionspräfekten sowie der Präfektur des Départements Bas-Rhin. Die Präfektur verwaltet auch die beiden Arrondissements Strasbourg-Campagne und Strasbourg-Ville; sie bestehen aus acht bzw. zehn Kantonen. Straßburg ist mit etwa 640.000 Einwohnern in der Agglomeration die größte Stadt im Elsass, in Bas-Rhin und im Stadtverband Straßburg (CUS) sowie die größte Stadt der Trinationalen Metropolregion Oberrhein.[1]

Straßburg ist Sitz zahlreicher europäischer Einrichtungen: Europarat, Europaparlament, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Europäischer Bürgerbeauftragter, Eurokorps u. a. m. und versteht sich deshalb als „Hauptstadt Europas“.[2][3][4]

Der Name der Stadt

Die römische Vorgängersiedlung hieß Argentoratum („Silberburg“). Der Name findet sich auch auf Darstellungen bis ins 16./17. Jahrhundert (Frans Hogenberg), die oft in Latein beschriftet waren. Verschieden wurde im ausgehenden Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit der Name Argentina benutzt (Matthäus Merian, Hartmann Schedel). Der heutige Name kam im Mittelalter auf, und setzt sich aus „Straße“ und „Burg“ zusammen, im Sinne von „Burg an der Straße“ bzw. „Burg an (wichtigen) Straßen“. Die Aussprache der deutschen Version des Stadtnamens ist daher mit einem langen ersten Vokal wie in „Straße“. Aufgrund der Tatsache, dass die französische (Strasbourg) und die englische Version (Strasburg) mit einem kurzen ersten Vokal ausgesprochen werden, wird auch die deutsche Version irrtümlicherweise manchmal mit einer kurzen ersten Silbe ausgesprochen. Korrekt ist aber die lange erste Silbe wie in „Straße“, wie sie auch in der städtischen Mundartaussprache zum Tragen kommt (Schdroosburi).

Geographie

Die Stadt liegt am Fluss Ill, die sich im Stadtgebiet verzweigt. Auf der von beiden Illarmen umflossenen Grande Île (Große Insel) liegt die historische Altstadt. Die östlichen Stadtteile mit dem Hafen grenzen an den Rhein. Am gegenüberliegenden östlichen Rheinufer liegt auf deutscher Seite die Stadt Kehl. Straßburg ist der Endpunkt des Canal de la Marne au Rhin.

Straßburg ist in 14 Stadtteile (Quartiers) gegliedert:

  • Centre (17.798 Einwohner)
  • Conseil des XV – Orangerie – Contades (25.312 Einwohner)
  • Cronenbourg (21.462 Einwohner)
  • Elsau
  • Esplanade – Bourse – Krutenau (23.605 Einwohner)
  • Gare – Halles – Tribunal – Porte de Schirmeck (24.000 Einwohner)
  • Hautepierre (17.305 Einwohner)
  • Koenigshoffen (16.119 Einwohner)
  • Meinau (16.627 Einwohner)
  • Montagne verte (12.149 Einwohner)
  • Neudorf – Musau – Port du Rhin (40.706 Einwohner)
  • Neuhof (19.658 Einwohner)
  • Poteries (7.305 Einwohner)
  • Robertsau – Wacken – Cité de l'Ill (19.557 Einwohner)

Geschichte

Antike

Straßburg wurde von dem römischen Feldherren Drusus im Jahre 12 v. Chr. als ein militärischer Außenposten namens Argentoratum („Silberburg“) in der späteren Provinz Germania superior gegründet. In dessen Nähe befand sich bereits eine gallische Siedlung; überhaupt weist das Straßburger Becken mehr oder weniger ständige Besiedlung seit circa 700.000 Jahren auf.[5] Unter dem Kommando von Gnaeus Pinarius Cornelius Clemens errichtete die Legio VIII Augusta im Jahre 74 eine Straße von Augusta Vindelicorum (Augsburg) durch das Kinzigtal nach Argentoratum (Straßburg) mit Anschluss über die Rheintalstraße nach Mogontiacum (Mainz). Das Stadtzentrum von Argentoratum befand sich auf der Illinsel, auf der sich noch heute das Zentrum Straßburgs befindet (Cardo: Rue du Dôme, Decumanus: Rue des Hallebardes[6]). Ab 90 war die Legio VIII permanent in Argentoratum stationiert.[7] Das Lager bedeckte zu dieser Zeit eine Fläche von 20 Hektar und beherbergte auch eine Kavallerieabteilung der Legion.[8] Weitere temporär in Argentoratum stationierte Legionen waren die Legio XIV Gemina und die Legio XXI Rapax, letztere unter der Herrschaft Neros.[9]

Systematische archäologische Ausgrabungen unter der Leitung von Prof. Jean-Jacques Hatt legten zwischen 1947 und 1953 zahlreiche Spuren des antiken Straßburgs zutage. Diese Ausgrabungen wurden maßgeblich durch die in der Altstadt verursachten Kriegszerstörungen ermöglicht. Dabei wurde festgestellt, dass das Lager zwischen dem ersten und dem fünften Jahrhundert unserer Zeit insgesamt sechs Mal niedergebrannt und wieder aufgebaut worden war: In den Jahren 70, 97, 235, 355, im letzten Viertel des 4. Jahrhunderts und in den ersten Jahren des 5. Jahrhunderts. Unter Trajan und nach dem Brand von 97 hatte Argentoratum seine größte Ausdehnung und stärkste Befestigung erreicht.[10][11] Zahlreiche archäologische Überreste der römischen Ansiedlung wurden auch im westlichen Stadtviertel Kœnigshoffen entlang der ehemaligen Römerstraße, der heutigen Route des Romains gefunden.[12] An dieser Stelle befanden sich die ausgedehntesten Nekropolen und die dicht besiedeltsten Niederlassungen der Zivilbevölkerung (Vicus) um das Lager.[13] 1911–12 wurden in Kœnigshoffen von Hatts Vorgänger Robert Forrer zahlreiche Fragmente eines großangelegten Mithräums ausgegraben, das in frühchristlicher Zeit (vermutlich 4. Jahrhundert) zerschlagen worden war (heute sichtbar im Musée archéologique de Strasbourg).[14]

Straßburg war möglicherweise ab dem 4. Jahrhundert Bischofssitz; 1956 wurden unterhalb der heutigen Église Saint-Étienne Überreste eines Apsidenbaus aus dieser Zeit, vielleicht der ältesten Kirche auf elsässischem Boden und eventuell Sitz des Ur-Bistums, ausgegraben. 357 fand in der Umgebung die Schlacht von Argentoratum statt. Im 5. Jahrhundert wurde die Stadt durch Alamannen, Hunnen und Franken erobert. 842 wurden hier die Straßburger Eide geschworen und abgesehen von Latein auch in den Sprachen der jeweiligen Gefolgsleute festgehalten, in althochdeutsch und altfranzösisch, wodurch dies das älteste Dokument in einer frühen französischen Sprache darstellt. Die Sprache von Stadt und Region war damals althochdeutsch.

Freie Reichsstadt

Im Mittelalter gehörte Straßburg zum Heiligen Römischen Reich.[15] Die Familie Müllenheim (die vom benachbarten Müllheim i. Br. (Baden) nach Straßburg zog) und die Familie Zorn waren zu dieser Zeit die bedeutendsten Straßburger Patriziergeschlechter, deren Rivalität um die Vormacht in der Reichsstadt in regelrechten Straßenschlachten ausgetragen wurde. So erhielt das Rathaus z. B. extra zwei Eingänge, einen für die Müllenheim und einen für die Zorn. Auch die beiden Ufer der Ill wurden nach diesen Familien benannt; das eine heißt Quai Müllenheim, das andere Quai Zorn.

Unter der Regentschaft dieser Familien entwickelte sich Straßburg zu einem der bedeutendsten Wirtschaftszentren der Region und war von 1262 an Freie Reichsstadt. Der Höhepunkt der gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen den Familien Müllenheim und Zorn war der sogenannte „Geschell der Müllenheim und Zorn“ am 20. Mai 1332[16], in deren Folge die Stadtadelsvorherrschaft gestürzt wurde, denn die eigentlichen Sieger dieses Kampfes waren die Zünfte.

Somit war Straßburg als freie Reichsstadt eine der ersten kleinen Republiken im Heiligen Römischen Reich. In den kommenden Jahren wurden noch etwa 40 verschiedene Angehörige der Familie Müllenheim bis 1760 zu Straßburger Stettmeistern (adeligen Mitgliedern des Magistrats, die im Wechsel der städtischen Exekutive vorstanden) gewählt.

Als eine der Folgen des „Schwarzen Todes“, der verheerenden europäischen Pestepidemie der Jahre 1348–49, fand am 14. Februar 1349 einer der ersten und größten Pogrome des Mittelalters statt: Im Laufe des sogenannten „Valentinstagmassakers“ wurden mehrere Hundert (nach einigen Quellen sogar bis zu 3000) Straßburger Juden öffentlich verbrannt, die Überlebenden der Stadt verwiesen. Bis Ende des 18. Jahrhunderts blieb es Juden bei Todesstrafe untersagt, nach 10 Uhr abends innerhalb der Stadtmauern zu verweilen.

1399 bis 1439 wurde auf die Westfassade des Straßburger Münsters nördlich der Turm gesetzt. Von dem Entwurf einer Doppelturmfront aus dem Jahre 1275 weichen schon die darunter liegenden Geschosse der Fassade ab. Das Münster blieb von 1647 (Zerstörung des Turmhelms der Stralsunder St.-Marienkirche) bis 1874 das höchste Gebäude der Welt und gehört immer noch zu den höchsten Kirchtürmen der Welt.

Nach der Erfindung des Buchdrucks in Europa durch Johannes Gutenberg wurde Straßburg schnell zu einem bedeutenden Zentrum der Bücherherstellung. Im Jahr 1605 gab Johann Carolus hier das Nachrichtenblatt Relation aller Fürnemmen und gedenckwürdigen Historien heraus, das als erste gedruckte Zeitung der Welt gilt.

Durch den Anschluss an die Reformation wurde Straßburg lutherisch. Am 20. Februar 1529 schaffte der Rat der Stadt die Heilige Messe ab.[17] Auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 legte Straßburg ebenfalls ein Bekenntnis zur Reformation ab. Straßburg schloss sich dabei aber zunächst nicht den lutherischen „Protestanten“ der „Confessio Augustana“ an, sondern legte mit Memmingen, Konstanz und Lindau ein eigenes, von Martin Bucer und Wolfgang Capito verfasstes Bekenntnis, die nach den vier Städten sogenannte Confessio Tetrapolitana ab. Erst die zwischen Martin Luther und ebenfalls Bucer ausgehandelte „Wittenberger Konkordie“ von 1536 sorgte für eine festere theologische und politische Anbindung an das Luthertum. Unter dem Einfluss von Johannes Pappus erlangte die lutherische Lehre (in Abgrenzung von der reformierten) alleinige Geltung. 1531 nahmen Vertreter der Stadt am Konvent in Schmalkalden teil und später wurde Straßburg Mitglied des Schmalkaldischen Bundes zur Verteidigung der evangelischen Reichsstände gegen Kaiser Karl V. 1598 verpflichtete sich Straßburg in einer neuen Kirchenordnung auch auf die „Konkordienformel“. Im Straßburger Kapitelstreit 1583 bis 1604 konnte sich jedoch die katholische Partei durchsetzen und das Gebiet des Fürstbistums Straßburg, d.h. ein großer Teil des Straßburger Umlands blieb katholisch.

Französische Herrschaft

Nach 1648 strebte Frankreich den Rhein als Grenze an, wobei die im Westfälischen Frieden gewonnene Reichsvogtei über die elsässischen Reichsstädte den eigenen Zwecken nutzbar gemacht wurde; Straßburg blieb davon jedoch zunächst ausgenommen. Erst im Rahmen der 1679 begonnenen Reunionspolitik Königs Ludwigs XIV. geriet auch Straßburg ins Visier. Nachdem die Stadt in diesem Zusammenhang im September 1681 mitten im Frieden durch die Franzosen besetzt worden war, wurde diese Änderung der Herrschaftsverhältnisse im Frieden von Rijswijk 1697 endgültig bestätigt. Protestanten wurden von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen, das Münster wurde rekatholisiert. Die Aufhebung des Toleranzedikts von Nantes durch das Edikt von Fontainebleau im Jahr 1685, mit dem die Unterdrückung des Protestantismus in Frankreich endgültig legalisiert wurde, fand jedoch im Elsass keine Anwendung und es herrschte Religionsfreiheit, wenn auch die französische Obrigkeit bemüht war, den Katholizismus, wo immer möglich, zu begünstigen. Die lutherische, deutsch geprägte Universität Straßburgs bestand weiter. Außerdem war das Elsass bis 1789 als eine faktisch ausländische Provinz (province à l'instar de l'étranger effectif ) durch eine entlang der Vogesen verlaufende Zollgrenze vom übrigen Frankreich getrennt, also zollrechtlich Ausland, während es keine Zollgrenze gegenüber dem Reich gab. Daher blieben die Stadt und ihr Umland deutschsprachig und kulturell deutsch geprägt.

1770/71 studierte in Straßburg Johann Wolfgang Goethe. In diesen Jahren wurde die Stadt ein Kristallisationspunkt der literarischen Bewegung „Sturm und Drang“. Jakob Michael Reinhold Lenz und Johann Gottfried Herder lebten hier.

In der Zeit der französischen Revolution wurde die Stadt zu einem Anziehungspunkt für Republikaner aus Deutschland. Der bekannteste von ihnen ist Eulogius Schneider. Von Enragés aus dessen Umkreis kam Ende April 1794 der Vorschlag, den Nordturm des Münsters als Symbol für klerikale Arroganz und Verletzung des Prinzips der Gleichheit (Égalité) abzureißen. Dem widersetzten sich Straßburger Bürger indem sie Mitte Mai den Turm mit einer riesigen Phrygischen Mütze aus bemaltem Blech bekrönten. Diese wurde später im städtischen Museum aufbewahrt und 1870 durch preußisches Artilleriefeuer vernichtet.[18] In den folgenden Jahren und Jahrzehnten wurde Straßburg zum Exil für deutsche Oppositionelle und Revolutionäre, wie z. B. für Georg Büchner.

In Straßburg komponierte Claude Joseph Rouget de Lisle die Marseillaise.

1805, 1806 und 1809 hielt sich Napoléon Bonaparte mit seiner ersten Frau Joséphine de Beauharnais in Straßburg auf.[19] 1810 verbrachte seine zukünftige zweite Frau Marie-Louise von Österreich ihre erste Nacht auf französischem Boden in der Stadt. 1828 hielt sich dort auch König Charles X. auf.[20] Am 29. Oktober 1836 unternahm der künftige Napoleon III. einen ersten, erfolglosen Putschversuch in Straßburg.

Im Deutschen Reich

1871, nach dem deutsch-französischen Krieg, wurde Straßburg vom neu gegründeten Deutschen Reich zur Hauptstadt des Reichslandes Elsass-Lothringen erklärt. Während des Krieges selbst war Straßburg von deutschen Truppen belagert und heftig beschossen worden, wobei die Stadtbibliothek mit dem Großteil ihrer wertvollen Bestände (darunter der „Hortus Deliciarum“) sowie das städtische Kunstmuseum vernichtet wurden. Am 28. September 1870 kapitulierte die Stadt, nachdem sie einen Monat lang der Kanonade getrotzt hatte.

Neben den Festungen Metz und Köln wurde Straßburg nach 1871 zu einer der wichtigsten Festungen im Westen des Deutschen Reiches ausgebaut. Im Zuge der Stadterweiterung entstand eine moderne Umwallung, die ältere Wallabschnitte aus der französischen Zeit miteinbezog. Von den Wallanlagen sind im Osten der Stadt Reste der Zitadelle von Vauban erhalten, vor allem aber große Teile der preußischen Befestigungen entlang der rue du Rempart hinterhalb des Bahnhofs, darunter das imposante „Kriegstor“. Hier sind heute noch Grabenwehren aus Eisen zu sehen, damals und heute eine absolute Seltenheit. Neben dieser inneren Umwallung entstand in weitem Umkreis um die Stadt ein Gürtel aus Forts nach dem Einheitsfortsystem von Hans Alexis von Biehler, von denen die meisten heute noch stehen und als Monuments historiques eingetragen sind, so zum Beispiel Fort Roon (heute Fort Desaix) und Fort Podbielski (heute Fort Ducrot) in Mundolsheim, Fort Moltke (heute Fort Rapp) in Reichstett, Fort Bismarck (heute Fort Kléber) in Wolfisheim, Fort Kronprinz (heute Fort Foch) in Niederhausbergen, Fort Großherzog von Baden (heute Fort Frère) in Oberhausbergen und Fort Kronprinz von Sachsen (heute Fort Joffre) in Holtzheim.[21] Diese Forts wurden später von der französischen Armee benutzt (Fort Podbielski/Ducrot beispielsweise wurde in die Maginot-Linie einbezogen[22]) und dienten 1918 und 1945 auch als Kriegsgefangenenlager.

Politisch war die Situation nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1871 und der Annexion Elsass-Lothringens durch das Deutsche Reich komplex. Die Mehrheit der elsässischen Bevölkerung stand 1871 einer Eingliederung in das neu gegründete Deutsche Reich ablehnend gegenüber, was sich in den Reichstagswahlen nach 1871 zeigte: die Autonomisten waren bis 1890 die führende Partei. In den Jahren nach 1871 ergab sich jedoch auf wirtschaftlicher Seite ein starker Aufschwung der Stadt Straßburg und des Elsass, was zumindest einen Teil der Bevölkerung mit der deutschen Herrschaft versöhnte. Zur Zeit der Industrialisierung bis zum späten 19. Jahrhundert verdreifachte sich die Einwohnerzahl auf 150.000.

1872 wurde die Universität als „Kaiser-Wilhelm-Universität“ (nach Wilhelm I) neu gegründet und entwickelte sich in den folgenden Jahren zu einer der bedeutendsten Hochschulen im Deutschen Reich. Eine weitere wichtige Veränderung des Stadtbilds brachte der vor allem auch aus militärischen Gesichtspunkten vorangetriebene Bau des neuen Straßburger Bahnhofs mit sich, der 1883 eingeweiht wurde und bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts weitgehend unverändert blieb. Mit dem Wiederaufbau des im Krieg vernichteten Stadtarchivs wurde der Historiker Rodolphe Reuss beauftragt, die Neugründung und Bestückung der Kunstsammlungen leitete 1889 bis 1914 der kaiserliche Kurator Wilhelm von Bode. Die im Krieg zerstörte Bibliothek wurde, ebenfalls von Reuss, unter anderem durch Schenkungen aus dem ganzen Deutschen Reich zu einer der bedeutendsten Universitätsbibliotheken aufgebaut (heute ist sie nach Paris die zweitgrößte in Frankreich). Mit der wilhelminischen Neugestaltung der Stadt wurden vor allem die Architekten Hermann Eggert, August Hartel, Otto Warth, Jacques Albert Brion und Fritz Beblo beauftragt, weitere repräsentative Aufträge gingen unter anderem an Ludwig Becker, Ludwig Levy und Carl Schäfer sowie an Karl und Paul Bonatz.

Kommunale Wirtschafts- und Sozialpolitik in der Vor-Weltkriegszeit

Das deutsche Verwaltungssystem ließ den Kommunen einen eigenen Gestaltungsspielraum, anders als die zentralistische französische Bürokratie. Durch die 1895 erlassene Gemeindeordnung erhielt die Stadt Straßburg mehr kommunalen Entscheidungsspielraum, als sie vergleichbare französische Kommunen bis heute haben. In Elsaß-Lothringen galt das allgemeine gleiche Kommunalwahlrecht, im Gegensatz zum Dreiklassenwahlrecht in Preußen und eingeschränkten Wahlrechten in den meisten anderen deutschen Staaten. Dadurch wurde Straßburg vor dem Weltkrieg zur einzigen deutschen Großstadt, in der die Sozialdemokraten im Gemeinderat massiv vertreten waren und zusammen mit den Linksliberalen die Kommunalpolitik wesentlich beeinflussen konnten. Schon unter dem Bürgermeister Otto Back war die Neustadt mit zahlreichen repräsentativen Bauten angelegt worden. 1906 wurde mit den entscheidenden Stimmen der SPD Rudolf Schwander zum Bürgermeister gewählt, der mit Hilfe eines Mitarbeiterstabs von sozialpolitisch engagierten Mitarbeitern den Ausbau der Stadt vorantrieb. Im sogenannten Großen Durchbruch, der zum umfangreichsten städtischen Sanierungsprojekt im Deutschen Reich wurde, wurden heruntergekommene Armenviertel abgerissen und durch großzügig gestaltete Neubauten ersetzt. Ein vorbildliches Reglement der städtischen Armenfürsorge und Gesundheitsvorsorge wurde eingeführt, das Straßburger System mit regelmäßigen Schulzahnarzt- und -arztvisiten. Im Rahmen der kommunalen Gesundheitsfürsorge wurden ein städtisches Volksbad und ein Tuberkulose-Sanatorium in den Vogesen errichtet. Dem wirtschaftlichen Aufschwung diente der Ausbau des Straßburger Rheinhafens. Auf Schwanders Initiative erwarb die Stadt Straßburg auch die Aktienmehrheit an dem zum AEG-Firmenimperium gehörenden Elektrizitätswerk Straßburg AG. Unter städtischer Kontrolle, aber privatwirtschaftlicher Führung, erfolgte danach die systematische Elektrifizierung der mittel- und nordelsässischen Dörfer, wodurch sich der Stadt neue Einnahmequellen erschlossen. Noch heute besitzt die Nachfolgegesellschaft Electricité de Strasbourg eine gemischt kommunal-privatwirtschaftliche Rechtsform; im Gegensatz zur voll verstaatlichten Electricité de France im übrigen Frankreich.

Diese sozialdemokratisch inspirierte Kommunalpolitik stieß bei konservativen Kreisen in Deutschland auf Misstrauen. Insgesamt blieben die Beziehungen der Elsässer zum übrigen Deutschland trotz dieser positiven Entwicklungen nicht spannungsfrei. Insbesondere das Auftreten des Militärs in der Zabern-Affäre stieß auf heftigen Protest im Elsass, aber auch in weiten Teilen des übrigen Deutschlands.

Zwischen den Kriegen

Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Thronverzicht des Kaisers erklärte sich Elsass-Lothringen zur unabhängigen Republik Elsass-Lothringen, wurde aber innerhalb weniger Tage von französischen Truppen besetzt. Vom 11. bis zum 22. November herrschte in Straßburg eine kommunistische Räterepublik; an deren Niederschlagung erinnert heute der Name einer der Hauptstraßen, die Rue du 22 Novembre.[23] Die Stadt wurde danach gemäß dem Versailler Vertrag von 1919 wieder Frankreich zugeschlagen.

Die Annexion durch Frankreich erfolgte gemäß den 14 Punkten von US-Präsident Woodrow Wilson ohne Volksabstimmung. Als Datum der Abtretung wurde rückwirkend der Tag des Waffenstillstands (11. November 1918) festgelegt. Es erscheint fraglich, ob ein Referendum in Straßburg zugunsten Frankreichs ausgegangen wäre, da die politischen Parteien, die eine Autonomie des Elsasses oder einen Anschluss an Frankreich erstrebten, bei den letzten Reichstags- und Kommunalwahlen nur noch geringe Stimmenanteile erzielten.

1920 wurde die Stadt Sitz der seit 1861 in Mannheim angesiedelten internationalen Zentralkommission für die Rheinschifffahrt, die den ehemaligen Kaiserpalast bezog.

Bei der Errichtung der Maginot-Linie ab 1930 wurde das Gebiet der Stadt Straßburg dem „Befestigten Sektor Niederrhein“ (secteur fortifie du Bas-Rhin) unterstellt. Von den Bunkeranlagen des „befestigten Untersektors Straßburg“ (sous-secteur fortifie de Strasbourg) entlang des Rheins und des Rheinseitenkanals sind insbesondere im Robertsauer Forst noch zahlreiche Überreste zu besichtigen. Entlang der Route du Rhin, die gegenwärtig zur Europabrücke führt, standen bis zu deren Abriss 2009–2010 weitere Wehranlagen.[24]

Zweiter Weltkrieg

Zwischen der deutschen Invasion in Polen am 1. September 1939 und der britisch-französischen Kriegserklärung am 3. September 1939 an das Deutsche Reich wurde die ganze Stadt evakuiert (insgesamt 120 000 Menschen), wie alle anderen grenznahen Ortschaften auch. Bis zum Einmarsch der Wehrmachtstruppen Mitte Juni 1940 befand sich zehn Monate lang niemand in der Stadt, mit Ausnahme der kasernierten Soldaten. Nach dem Waffenstillstand im Juni 1940 wurde das Elsass an Deutschland angeschlossen und erlebte unter Robert Wagner eine strenge Germanisierungspolitik. Als im Juli 1940 die ersten Evakuierten zurückkehrten, wurden nur Einwohner elsässischer Herkunft zugelassen. Juden wurden abgewiesen und die Synagoge, ein gewaltiger neuromanischer Bau aus dem Jahre 1897 mit einer 54 Meter hohen Kuppel, in Brand gesteckt und abgerissen.[25] Die jüdische Gemeinde flüchtete nach Périgueux und Limoges,[26] die Universität nach Clermont-Ferrand. Die Straßennamen wurden auf Deutsch übersetzt, die französische Sprache wurde verboten und das Vereinsleben und die religiösen Aktivitäten erloschen. Ab 1942 wurden alle jungen Männer des Elsass und des Departements Moselle in die Wehrmacht eingezogen und an die Ostfront geschickt, wo etwa ein Drittel umkam.[27] Ab 1943 wurde die Stadt aus alliierten Flugzeugen bombardiert. 1944 wurden mehrere bedeutende Gebäude, wie das Palais Rohan, der Alte Zoll und das Münster, von Bomben beschädigt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Zweiten Weltkrieg und der offiziellen Befreiung der Stadt durch die 2. Französische Panzerdivision unter General Philippe de Hauteclocque am 23. November 1944 galt es zunächst, die Zerstörungen, die die englisch-amerikanischen Luftangriffe (insbesondere jener vom 11. August 1944) in der Altstadt und den Industriegebieten angerichtet hatten, zu beheben. Zu den nicht wiedergutzumachenden Verlusten an alter Bausubstanz[28] kam 1947 eine Brandkatastrophe hinzu, die einen beträchtlichen Teil der städtischen Gemäldesammlung alter Meister zerstörte.

In den 1950er und 1960er Jahren wurde die Stadt um neue Wohnviertel bereichert, die sowohl das Problem des Wohnungsmangels aufgrund von Kriegszerstörungen als auch den starken Zuwachs der Bevölkerung aufgrund von „Baby-Boom“ und Zuwanderung aus Nordafrika lösen sollten: Cité Rotterdam im Nordosten, Quartier de l'Esplanade im Südosten, Hautepierre im Nordwesten. 1995 bis 2010 entstand südlich von Hautepierre im gleichen Sinne das Viertel Quartier des Poteries mit einer Kapazität von 8.000–10.000 Einwohnern. In den 1950er Jahren begann ebenfalls die Ausdehnung der Anlage der Universität Straßburg und deren Aufteilung auf drei Hauptgelände: die historischen Gebäude, den Campus im Viertel Esplanade und jenen im Osten von Illkirch-Graffenstaden.

1949 wurde die Stadt zum Sitz des von Winston Churchill angeregten Europarats. 1952 wurde sie zum Hauptsitz des Europäischen Parlaments. 1992 wurde sie zum Sitz des deutsch-französischen Kulturkanals ARTE. 2005 entstand der Eurodistrikt Straßburg-Ortenau, der erste überhaupt. Insbesondere dem Engagement des langjährigen Straßburger Oberbürgermeisters und Spitzenpolitikers Pierre Pflimlin ist es zu verdanken, dass die Stadt zum Symbol der deutsch-französischen Aussöhnung und der europäischen Einigung werden konnte.

Im Jahr 2000 wurde in Frankfurt am Main eine Gruppe von algerischen Islamisten verhaftet, die geplant hatte, auf den Weihnachtsmarkt vor dem Straßburger Münster einen Anschlag zu verüben.[29] Am 6. Juli 2001 wurden im Laufe eines Freiluftkonzerts 13 Menschen durch eine von einem plötzlichen Gewitter gefällte, jahrhundertealte Platane getötet und 97 weitere verletzt; einer der verheerendsten Unfälle dieser Art in der Geschichte. Am 27. März 2007 wurde die Stadt Straßburg gerichtlich wegen Fahrlässigkeit für schuldig befunden und zu einer Geldstrafe von 150.000 € verurteilt.[30]

Am 16. März 2008 wurde der Sozialist Roland Ries im zweiten Wahlgang mit 58,6 % der abgegebenen Stimmen zum Nachfolger von Fabienne Keller (UMP) zum Oberbürgermeister der Stadt gewählt. Ries hatte das Amt bereits in den Jahren 1997 bis 2001 bekleidet, als Stellvertreter der zur Kulturministerin berufenen Catherine Trautmann.

Politik

Partnerstädte

Straßburg hat mit fünf Städten Städtepartnerschaften geschlossen. Mit drei weiteren Städten gibt es eine enge Zusammenarbeit vor allem auf kulturellem Gebiet.[31]

Städtepartnerschaften

  • Boston, Vereinigte Staaten (1960)
  • Leicester, Vereinigtes Königreich (1960)
  • Stuttgart, Deutschland (1962)
  • Dresden, Deutschland (1990)
  • Ramat Gan, Israel (1991)

Zusammenarbeit

  • Jacmel, Haiti (1996)
  • Weliki Nowgorod, Russland (1997)
  • Fès, Marokko (2001)

Wirtschaft und Infrastruktur

Medien

In Straßburg wurde die erste deutschsprachige Bibel gedruckt und die erste Zeitung der Welt (die deutschsprachige „Relation“).

Heute werden in der elsässischen Metropole noch mehrere deutschsprachige oder zweisprachige Publikationen, Radio- und Fernsehprogramme produziert.

Die größte Zeitung der Stadt ist das Tagblatt „Dernières Nouvelles d'Alsace“ („Neueste Nachrichten des Elsass“). Von ihr gibt es eine französischsprachige und eine deutschsprachige Ausgabe. Die deutschsprachige Ausgabe kann separat abonniert werden und wird derzeit von Gabrielle Werrn geleitet.

Zu den weiteren Publikationen in Straßburg mit deutschsprachigen Nachrichten gehört unter anderem die Zeitschrift „Land un Sproch“.

In Straßburg wird auch das Programm des deutsch-französischen Fernsehsenders ARTE produziert.

Bildungseinrichtungen

Universitäten und Hochschulen

Johannes Sturm gründete 1538 das protestantische Gymnasium, das 1556 in den Rang einer Akademie erhoben und nach und nach in eine Universität (1621) und in eine königliche Universität (1631) verwandelt wurde. Ab dem Anschluss Straßburgs an Frankreich und besonders im Zuge der Französischen Revolution wird die Universität mehr und mehr zu einer französischen Universität und zu einem französischen Pol in der Stadt. Nach dem Krieg von 1870 und dem Verlust des Elsass für Frankreich sowie der Abwanderung des frankophilen Teils der Elite wurde sie als Kaiser-Wilhelm-Universität neu gegründet. Ab 1918, nach dem Wiederanschluss des Elsass an Frankreich, mussten nach 1871 angesiedelte Deutsche das Elsass verlassen, die Unterrichtssprache wurde gänzlich auf Französisch umgestellt. Während des Zweiten Weltkriegs, als das Elsass de facto vom Dritten Reich annektiert wurde, verließ der französischsprachige Teil erneut die Universität Straßburg, um sich in Clermont-Ferrand niederzulassen. Während dieser Zeit führte die deutschsprachige Reichsuniversität Straßburg Forschung und Lehre fort. Nach 1945 kehrte der französischsprachige Teil nach Straßburg zurück.

Die Universität Straßburg ist in der „Europäischen Konföderation der Oberrheinischen Universitäten“ (EUCOR) mit den Universitäten Karlsruhe, Basel, Mülhausen und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg verbunden. Sie verfügt wegen der kirchenrechtlichen Sonderstellung des Elsass als einzige in Frankreich über zwei staatlich finanzierte theologische Fakultäten (katholisch und protestantisch).

In den 1970er Jahren wurde die Universität Straßburg auf drei verschiedene Einrichtungen aufgeteilt:

  • Université Louis Pasteur (Strasbourg I) (Naturwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften)
  • Université Marc Bloch (Strasbourg II) (Geisteswissenschaften)
  • Université Robert Schuman (Strasbourg III) (Politikwissenschaften, Jura)

Seit dem 1. Januar 2009 ist die Universität erneut zu einer Einheit verschmolzen. Die neugegründete „Université unique de Strasbourg“ (Unistra) zählt 42.000 Studenten und beschäftigt 5.200 Personen.[32]

Straßburg ist ferner Sitz der französischen Verwaltungshochschule ENA (École nationale d'administration), der INSA (Institut National des Sciences Appliquées), des INET (Institut national des études territoriales) und der ENGEES (École nationale du génie de l'eau et de l'environnement de Strasbourg).

Bibliotheken

Die Bibliothèque nationale et universitaire de Strasbourg (BNUS), mit über 3 Millionen Dokumenten zweitgrößte Sammlung des Landes nach der Bibliothèque nationale de France, wurde nach 1871 vom Deutschen Reich als Wiedergutmachung für die Vernichtung der Vorgängerbibliothek in der ehemaligen Dominikanerkirche eingerichtet. Die Bibliothek besitzt den einzigartigen Status, zugleich als Staats- und als Universitätsbibliothek zu dienen.

Die Stadtbibliothek Bibliothèque municipale de Strasbourg (BMS) verwaltet ein Netz von einem Dutzend Einrichtungen verschiedener Größe. Am 19. September 2008 wurde am ehemaligen Binnenhafen Môle Seegmuller die sechsstöckige Zentralbibliothek Médiathèque André Malraux eingeweiht, die als größte öffentliche Bibliothek in Ostfrankreich gilt.[33]

Wiegendrucke

Als eines der ersten Buchdruckzentren Europas zählte Straßburg jahrhundertelang eine große Sammlung von Wiegendrucken zu seinen wertvollsten Schätzen. Jedoch verschwand der überwiegende Teil dieser Drucke durch die Vernichtung der Stadtbibliothek im Jahre 1871. In den darauffolgenden Jahrzehnten wurde eine neue Sammlung hergestellt. Heute weist die elsässische Metropole erneut eine beachtliche Anzahl von Inkunabeln auf, die sich auf folgende Bibliotheken verteilen: Bibliothèque nationale et universitaire, ca. 2 300 [34] Médiathèque de la ville et de la communauté urbaine de Strasbourg, 349 [35] Bibliothèque du Grand Séminaire, 237 [36] Médiathèque protestante, 66 [37] und Bibliothèque alsatique du Crédit Mutuel, 5. [38]

Europäische und internationale Institutionen in Straßburg

Folgende europäische Institutionen haben in der Stadt ihren Sitz:[39]

  • Europäisches Parlament
  • Europarat
  • Europäischer Bürgerbeauftragter
  • Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
  • Europäisches Direktorat für die Qualität von Arzneimitteln
  • EURIMAGES
  • Eurokorps
  • Europäische Wissenschaftsstiftung
  • ARTE, deutsch-französischer Fernsehsender
  • Versammlung der Regionen Europas (VRE)
  • Zentralkommission für die Rheinschifffahrt
  • Internationales Institut der Menschenrechte (IIDH)
  • Human Frontier Science Program (HFSP)
  • Internationale Kommission für das Zivilstandwesen (CIEC)
  • Zentrum für europäische Studien (CEE)

Verkehr

Eisenbahn

Der Bahnhof Straßburg ist ein wichtiger Knotenpunkt der französischen Staatsbahn SNCF, der auch von deutschen Eisenbahnverkehrsunternehmen wie der Deutschen Bahn und der Ortenau-S-Bahn angefahren wird. Die meisten Nah- und Fernverkehrsverbindungen mit Deutschland werden über die Europabahn nach Offenburg hergestellt. Berührt wird Straßburg von den EuroCity-Zügen der Relation Zürich–Basel–Straßburg–Luxemburg–Brüssel. Straßburg ist auch Mittelpunkt des elsässischen TER-Systems „Metralsace“, das bis zu 200 km/h schnelle Nahverkehrszüge vorsieht und sich bis in die Nachbarländer Deutschland und Schweiz erstreckt. Die sogenannten TER 200 verkehren nur auf der Strecke Nancy-Straßburg – Basel SNCF. Der Hochgeschwindigkeitszug TGV aus Paris verkehrt seit Sommer 2007 direkt über die LGV Est européenne genannte neue Schnellfahrstrecke nach Straßburg und über Karlsruhe nach Stuttgart. Weitere internationale TGV zwischen Frankreich und der Schweiz (über Basel nach Zürich) verkehren unter der Marke „TGV LYRIA“ und werden durch Lyria, eine Tochtergesellschaft der SNCF und der SBB, betrieben und vermarktet.

Straßenverkehr

Straßburg ist Ausgangspunkt der Schnellstraße RN4 Richtung Paris via Nancy und der französischen Autoroute A4 Richtung Metz und Paris. Die RN4 führt ostwärts bis zur Europabrücke und geht dort in die B 28 in Richtung Kehl über. Aufgrund des starken Durchgangsverkehrs über die Europabrücke existiert eine Südumfahrung von Straßburg, die zur deutschen A 5 und nach Offenburg führt. Auf französischer Seite ist sie als N353 überwiegend autobahnähnlich ausgebaut, in Deutschland wird sie allerdings nur durch eine Landstraße mit Kreisverkehren (jedoch ohne Ortsdurchfahrten) fortgesetzt. Außerdem führt an Straßburg die Nord-Süd-verlaufende Autoroute A35 vorbei, die Lauterbourg an der deutschen Grenze mit Colmar, Mulhouse und Basel verbindet.

ÖPNV

Die Straßenbahn Straßburg besteht aus sechs Linien (A bis F), die neben den zahlreichen Buslinien den Kern des öffentlichen Nahverkehrs ausmachen. Eine Besonderheit dieses erst in den 1990er Jahren entstandenen Netzes sind die damals futuristisch anmutenden Straßenbahnwagen mit Niederflurtechnik, die eher einem Hochgeschwindigkeitszug als einer Straßenbahn gleichen und zu einer Touristenattraktion wurden. Im Jahr 2007 wurden mehrere neue Strecken durch Neudorf und Neuhof in Betrieb genommen sowie eine Verlängerung der Linie E von Wacken nach Robertsau durch das Europaviertel eröffnet, 2008 ist die Verlängerung der Linie B nach Lingolsheim fertiggestellt worden, 2010 kam die neue Linie F hinzu. Zudem gibt es langfristig Pläne, das Netz bis ins badische Kehl zu erweitern.

Fahrrad

Das Radwege-Netz von Straßburg wurde in den letzten Jahren stark ausgebaut. Damit zählt die Stadt zu den radfahrerfreundlichsten Kommunen Frankreichs. An mehreren innerstädtischen Stationen können für wenig Geld kommunale Fahrräder ausgeliehen werden. Zusätzlich bietet die Stadt auch einen Fahrradverleih vor dem EU-Parlament während der monatlichen Plenarsitzungen an.[40]

Schifffahrt

Straßburg liegt an der Ill, am Rhein und ist angebunden an den Kanälen Canal de la Marne au Rhin und Rhein-Rhone Kanal. Es findet sowohl Güterumschlag wie auch der Besuch diverser Kreuzfahrt- und Ausflugsschiffe statt. Die Ausflugsboote in Straßburg (Bateau-omnibus) befördern jährl. ca. 650.000 Besucher.

Der Hafen „Port Autonome de Strasbourg“ ist der zweitgrößte Binnenhafen Frankreichs und der zweitgrößte Rheinhafen überhaupt. An Gütern wurde 2006 8,5 Mio. Tonnen auf dem Binnenschifffahrtsweg und ca. 1,9 Mio. Tonnen auf dem Schienenweg umgeschlagen. Hauptsächlich Nahrungsmittel, Erdölprodukte, Kies, Erze. Zunehmend auch der Containerverkehr. Es bestehen regelmäßige Liniendienste nach Le Havre und Flandern.

Der Hafen ist gleichermaßen ein Industrie- und Logistikzentrum, das sich mit mehreren Standorten von Lauterbourg bis nach Marckolsheim erstreckt. Die größte Einrichtung ist das eigentliche Straßburger Hafengelände mit insgesamt 1000 Hektar. 354 Unternehmen mit insgesamt 13.000 Mitarbeitern sind im Hafenareal angesiedelt; hierbei handelt es sich um Unternehmen aus den Branchen Industrie, Logistik und Dienstleistung.

Im südlichen Bereich des Hafengeländes betreibt der Port Autonome einen Containerterminal mit zwei Multimodal-Portalkranen. Die Hochseecontainer werden auf Rheinschiffen, per Zug oder per Lkw angeliefert und weiterverschickt. Zehn Rheinschifffahrts-Linien befahren mehrmals wöchentlich die Strecken Straßburg-Rotterdam, Straßburg-Antwerpen und Straßburg Zeebrügge.

Luftfahrt

Der internationale Flughafen von Straßburg liegt in Entzheim, etwa 20 Kilometer südwestlich von Straßburg.

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Straßburgs gut erhaltene historische Altstadt Grande Île, welche 1988 zum Weltkulturerbe erklärt wurde, wird von der Ill, einem Nebenfluss des Rheins, umflossen. Wahrzeichen der Stadt ist das 1176–1439 erbaute romanische und gotische Straßburger Münster. Der Münsterplatz gehört zu den schönsten europäischen Stadtplätzen. Dominiert von der Westfassade des Münsters, stehen hier zahlreiche, teilweise vier- bis fünfgeschossige Fachwerkhäuser im alemannisch-süddeutschen Stil. Charakteristisch sind die steilen Dächer mit bis zu vier Dachgeschossen. An der Nordseite des Münsterplatzes steht das bekannte, reich verzierte Kammerzellhaus.

Gegenüber dem Südportal des Münsters liegt das Palais Rohan, die ehemalige Stadtresidenz der Straßburger Bischöfe, die im 18. Jahrhundert sämtlich aus der Familie Rohan stammten. Das Palais wurde 1727 von Robert de Cotte entworfen und am Ort 1731–1742 unter Leitung von Joseph Massol ausgeführt. Es folgt in Typus, Stil und Materialien der damaligen Pariser Architektur und unterscheidet sich deutlich von den älteren Straßburger Bauten. Bedeutend sind die Wohn- und Empfangsräume in den Formen des Louis-quinze, des französischen Rokoko. Im Palais befinden sich heute Museen (siehe unten), die historischen Räume können besichtigt werden.

Touristisch sehr beliebt ist das so genannte „Gerberviertel“ (frz. „Quartier des Tanneurs“ im Stadtteil La Petite France) am Ufer der Ill und mehrerer Kanäle mit seinen malerischen Fachwerkhäusern, kleinen Gassen und den typischen Dachgauben. Früher lag auf dieser Insel ein Militärkrankenhaus, in der Soldaten mit der sogenannten „Franzosenkrankheit“ behandelt wurden – man bezeichnete so abwertend die Syphilis zu Zeiten, als Straßburg noch nicht französisch war. Von diesem Begriff leitet sich der Name für das Viertel ab. Einer anderen Theorie zufolge leitet sich der Name von französischen Soldaten ab, die die Blätter der dort stehenden Weiden für heilsam hielten.

Sehenswerte Denkmäler aus der Zeit des deutschen Kaiserreichs sind der Bahnhof, die Kunsthochschule, die ehemalige Jungmädchenschule (heute Lycée international des Pontonniers), der ehemalige Kaiserpalast Palais du Rhin, das Gericht und die Universität mitsamt Bibliothek und Sternwarte. Die Synagogue de la Paix wurde 1958 anstelle der zerstörten alten Synagoge errichtet. Für die Konzeption des Parkplatzes und der Straßenbahnhaltestelle in Hoenheim-Nord[41] erhielt Zaha Hadid den Mies van der Rohe Preis für Europäische Architektur 2003.

Regelmäßige Veranstaltungen

Zur Weihnachtszeit bietet Straßburg einen der schönsten Weihnachtsmärkte überhaupt, der auf mehrere Standorte in der Innenstadt verteilt ist. An allen Standorten werden elsässische Spezialitäten angeboten. Beim Rathaus befindet sich der Christkindelsmärik. Auf dem Kléberplatz wird alljährlich eine riesige Weihnachtstanne aus den Vogesen aufgestellt (2009 war sie 28 Meter hoch[42]), die von einer Arbeitsgruppe alljährlich ein anderes Dekor erhält. Auch Weihnachtskonzerte werden in den Kirchen und dem Münster angeboten.

Darstellende Kunst

  • Der Opéra national du Rhin mit eigenem Ballett und Orchester, dem Orchestre Philharmonique de Strasbourg, kann mit Gastauftritten von Spitzenstars der Konzertwelt aufwarten und hat ein treues Abonnement-Publikum, das aus dem gesamten oberrheinischen Gebiet kommt.
  • Der Kabarettist Roger Siffer betreibt seit 1984 sein eigenes Kabarett, das „Théâtre de la Choucrouterie“ oder auch „Sürkrüt-Theater“, einer ehemaligen Sauerkrautfabrik, im Viertel Finkwiller am Rande der Straßburger Altstadt. Seine Revues laufen gleichzeitig auf Französisch und auf Elsässisch in zwei Sälen. In die Choucrouterie kommen jährlich mehr als 20 000 Besucher.

Kultur um und im Münster

  • Führungen durch das Straßburger Münster erschließen dem Besucher die Geschichte und Ästhetik eines architektonischen Höhepunktes der Gotik.
  • Seit 1982 findet an jedem 21. Juni in Strasbourg die Fête de la Musique statt – wie derzeit (2009) auch in etwa 340 anderen Städten in Europa. Die Innenstadt (Petite France) ist dann ab 18 Uhr für den Verkehr gesperrt und Besucher können unentgeltlich Musikdarbietungen von Solisten, Bands und Chören in den Straßen der Stadt genießen.

Museen

  • Das Musée des Beaux-Arts (im Palais Rohan) präsentiert Gemälde alter Meister, u. a. Hans Memling, El Greco, Goya, Correggio, Rubens, Tintoretto, Veronese, Canaletto, Giotto, Van Dyck und Watteau.
  • Das Musée des Arts décoratifs (im Palais Rohan) ist das Kunstgewerbemuseum. Zu ihm gehören die historischen Räume des Palais de Rohan. Bedeutend ist auch die Sammlung von Silber und Fayencen.
  • Das Musée archéologique (im Palais Rohan), bietet die archäologische Geschichte des Elsass von der Urgeschichte bis zum Anfang des Mittelalters. Die Abteilung „Das römische Elsass“ bietet eine reichhaltige Sammlung von Funden des 1.–5. Jh. n. Chr.[43]
  • Das Musée de l’Œuvre Notre-Dame („Frauenhausmuseum“), das Museum der Münsterbauhütte zeigt Meisterwerke der Gotik und der Renaissance (Originalskulpturen, Glasfenster und Baupläne des Straßburger Münsters, Bilder von Hans Baldung und Sebastian Stoskopff) und oberrheinische Kunst vom 11. bis 17. Jahrhundert.
  • Im Musée Alsacien wird Volkskunst und Kunsthandwerk aus dem Elsass ausgestellt.
  • Weithin bekannt ist das Musée d’Art Moderne et Contemporain de Strasbourg, das „Museum für moderne und zeitgenössische Kunst“, mit seiner markanten Pferdestatue auf dem Dach und seiner großen Sammlung von Werken von Gustave Doré, Hans Arp und Victor Brauner.
  • Das Cabinet des estampes et dessins zeigt eine Sammlung von circa 200.000 internationalen Grafikwerken aus dem Mittelalter bis 1871.
  • Im Musée Tomi Ungerer – centre international de l'illustration ist das zeichnerische und graphische Lebenswerk des berühmten elsässischen Künstlers zu sehen. Eine Spielzeugsammlung, Fotografien, das Familienarchiv sowie Werke anderer international bekannter Zeichner (Saul Steinberg, Ronald Searle...) ergänzen das Museum.
  • Seit 2005 bereichert das „Le Vaisseau“,[44] ein Wissenschafts- und Technikzentrum für Kinder und Jugendliche zwischen 3 und 15 Jahren, die Straßburger Museumslandschaft.
  • Das Musée historique (Historische Museum) widmet sich der wechselhaften Geschichte der Stadt. Es zeigt unter anderem ein Modell des abgerissenen historischen Rathauses „Pfalz“ und das Grüselhorn, ein mittelalterliches Horn, mit dem die Straßburger Juden jeden Abend um 22 Uhr zum Verlassen der Stadt aufgefordert wurden.
  • Das Musée zoologique stellt eine sehr umfangreiche naturhistorische Sammlung aus, deren Bestände und Geschichte auf das 18. Jahrhundert zurückgehen.

Sport

  • Der Profi-Fußballverein Racing Strasbourg spielt in der Saison 2010/11 in der dritten französischen Liga (National (D3)).
  • Strasbourg Illkirch Graffenstaden Basket hat 2004/05 die französische Meisterschaft im Basketball gewonnen.
  • Der Étoile noire ist einer der bekanntesten französischen Eishockeyklubs.
  • Das WTA-Damentennisturnier Internationaux de Strasbourg gilt alljährlich als wichtiges sportliches Ereignis. Zu den ehemaligen Gewinnerinnen zählen u. a. Steffi Graf, Jennifer Capriati und Lindsay Davenport.[45]

Persönlichkeiten

Zahlreiche bekannte Persönlichkeiten wurden in Straßburg geboren, darunter: Johannes Tauler, Sebastian Brant, Johann Fischart, Johann Friedrich Oberlin, Jean-Baptiste Kléber, Marie Tussaud, Ludwig I. von Bayern, Gustave Doré, Charles Friedel, Émile Waldteufel, Charles de Foucauld, Hugo Becker, Hans Arp, Charles Münch, Rudolf Schwarz, Hans Bethe, Marcel Marceau, Tomi Ungerer, Arsène Wenger und Armando Teixeira.

Nachstehende hielten sich längere Zeit in Straßburg auf: Johannes Gutenberg, Martin Bucer, Jean Calvin, Hans Baldung, Hans von Gersdorff, Johann Wolfgang Goethe, Jakob Michael Reinhold Lenz, Klemens Wenzel Lothar von Metternich, Georg Büchner, Louis Pasteur, Ferdinand Braun, Georg Simmel, Albert Schweitzer, Otto Klemperer, Marc Bloch, Alberto Fujimori und Jean-Marie Lehn.

Literatur

  • Roland Recht, Georges Foessel, Jean-Pierre Klein: Connaître Strasbourg, 1988, ISBN 2-7032-0185-0
  • Georges Livet, Francis Rapp (Hrsg.): Histoire de Strasbourg des origines à nos jours, vier Bände (ca. 2000 Seiten), 1982, ISBN 2-7165-0041-X
  • Ralf Bernd Herden: Straßburg Belagerung 1870. BoD Norderstedt 2007, ISBN 978-3-8334-5147-8
  • Yuko Egawa: Stadtherrschaft und Gemeinde in Straßburg vom Beginn des 13. Jahrhunderts bis zum Schwarzen Tod (1349), Kliomedia, Trier 2007 (Trierer Historische Forschungen 62). ISBN 978-3-89890-108-6

Einzelnachweise

  1. ↑ Population totale par sexe et âge regroupé (französisch)
  2. ↑ Strasbourg, capitale européenne. peap.fr. Abgerufen am 14. Juni 2011.
  3. ↑ Strasbourg, capitale européenne. ciel-strasbourg.org. Abgerufen am 14. Juni 2011.
  4. ↑ Résultats de recherche pour "Belin, Jean Marie". ina.fr. Abgerufen am 14. Juni 2011.
  5. ↑ Des origines à la Pax Romana (französisch)
  6. ↑ Argentorate : description (französisch)
  7. ↑ Le camp de la Legio VIII Augusta à Strasbourg (französisch)
  8. ↑ 4 rue Brûlée (französisch)
  9. ↑ Argentorate sous Néron (französisch)
  10. ↑ Résultats historiques et topographiques des dernières fouilles de Strasbourg, de 1949 à 1951 (französisch)
  11. ↑ Les fouilles de Strasbourg et de Seltz en 1952 et 1953 (französisch)
  12. ↑ Argentoratum.com: Les fouilles archéologiques (französisch)
  13. ↑ Le vicus et les canabae (französisch)
  14. ↑ The Roman Cult of Mithras: The God and His Mysteries
  15. ↑ Ernst Theodor Gaupp: Deutsche Stadtrechte des Mittelalters. Erster Band: Die Stadtrechte von Straßburg, Hagenau, Molsheim, Colmar, Annweiler, Winterthur, Landshut in Bayern, Regensburg, Nürnberg, Eger, Eisenach und Altenburg. Breslau 1851, S. 36–93.
  16. ↑ Allgemeine Deutsche Biographie: Berthold von Buchegg
  17. ↑ retro|bib – Seite aus Meyers Konversationslexikon: Elsaß-Lothringen (Geschichte: 15.-17. Jahrh.)
  18. ↑ La Cathédrale de Strasbourg pendant la Révolution. (1789–1802) (französisch)
  19. ↑ Das Napoleonzimmer
  20. ↑ Recht, Roland; Foessel, Georges; Klein, Jean-Pierre: Connaître Strasbourg, 1988, ISBN 2-7032-0185-0
  21. ↑ Vollständige interaktive Karte der Forts
  22. ↑ Festen incorporée dans la ligne. ligne-maginot.fr. Abgerufen am 14. Juni 2011.
  23. ↑ 11 novembre 1918: le drapeau rouge flotte sur Strasbourg (französisch)
  24. ↑ Verzeichnis der Anlagen (Französisch)
  25. ↑ La Synagogue Consistoriale du quai Kléber: de la pose de la première pierre à sa destruction (1896–1940) (französisch); Daltroff, Jean: 1898–1940, La synagogue consistoriale de Strasbourg, Éditions Ronald Hirlé, 1996, ISBN 2-910048-35-7
  26. ↑ Limoges et Périgueux, Refuges des Juifs de Strasbourg sous l'Occupation (französisch)
  27. ↑ Benoît Jordan, op. cit., S. 119f. Siehe auch "Malgré-nous"
  28. ↑ Fotos der 1944 zerbombten Straßburger Altstadt
  29. ↑ Der Frankfurter Al-Qaida-Prozess und das Netzwerk des Terrors (Link nicht mehr abrufbar)
  30. ↑ City of Strasbourg fined in storm deaths
  31. ↑ Website Straßburg, Jan. 2010
  32. ↑ Université de Strasbourg: Une identité forte
  33. ↑ Strasbourg ouvre une grande médiathèque sur le port (Link nicht mehr abrufbar) in L'Express
  34. ↑ Les incunables | BNU
  35. ↑ Portail de lecture publique
  36. ↑ Supplément au catalogue des incunables et livres du XVIe s. (jusqu'en 1530) de la bibliothèque du grand séminaire de Strasbourg = Supplement to the Catalogue of Incunabulum an...
  37. ↑ La Médiathèque Protestante – fondation saint thomas
  38. ↑ Général
  39. ↑ Liste der internationalen Institutionen in Straßburg
  40. ↑ „Straßburgs Bürgermeisterin legt gutes Wort für Radfahrer ein“, Tagesspiegel, 29. November 2006
  41. ↑ Straßenbahnhaltestelle in Hoenheim-Nord. In: archINFORM. Abgerufen am 14. Dezember 2009
  42. ↑ StrasTV.com: Le Sapin de la place Kléber à Strasbourg (12. November 2009) (Link nicht mehr abrufbar)
  43. ↑ Auswahl (zwei Seiten) vom Musée archéologique
  44. ↑ Le Vaisseau
  45. ↑ xxx.com

    xxx – Entsprechend unserer Statuten werden uns unbekannte Webadressen nicht veröffentlicht .Für eine weiterführende Recherche gehen Sie bitte auf die entsprechende Wikipediaseite. Mehr Informationen lesen Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Straßburger Münster

Das Liebfrauenmünster (frz. Cathédrale Notre-Dame) in Straßburg ist ein römisch-katholisches Gotteshaus und gehört zu den bedeutendsten Kathedralen der europäischen Architekturgeschichte sowie zu den größten Sandsteinbauten der Welt. Wie die Stadt Straßburg im Allgemeinen verbindet auch das Liebfrauen-Münster deutsche und französische Kultureinflüsse.

Das Münster wurde 1176 bis 1439 aus rosa Vogesensandstein an der Stelle eines abgebrannten Vorgängerbaus aus den Jahren 1015 bis 1028 errichtet, der seinerseits ein 1007 abgebranntes Gotteshaus aus karolingischer Zeit ersetzt hatte. Das neue Gebäude entstand zunächst im romanischen, dann im gotischen Stil. Von 1647 bis 1874 war das Münster mit seinem 142 Meter hohen Nordturm das höchste Bauwerk der Menschheit.

Das Straßburger Münster ist mit seiner charakteristischen asymmetrischen Form (der Südturm wurde nie gebaut) bis heute das Wahrzeichen des Elsass und auch vom drei Kilometer entfernten deutschen Rheinufer, von den Vogesen und dem Schwarzwald aus sichtbar.

Baugeschichte und Baumeister

Vorgängerbauten bis zur romanischen Basilika

Der zentral auf der Illinsel gelegene Hügel südlich der Schnittstelle von Cardo (heute: Rue du Dôme) und Decumanus (heute: Rue des Hallebardes) der römischen Garnisonstadt Argentoratum diente bereits in der Antike zunächst als Herkules-und-Mars-Tempel, noch früher vermutlich als druidisches Heiligtum.[1] Bereits im 4. Jahrhundert soll an der Stelle der Tempelruine ein erstes christliches Heiligtum aus Holz errichtet worden sein. Um 510 ließ König Chlodwig I. ein steinernes Gebäude errichten, das 675 von Bischof Arbogast unter der Schirmherrschaft vom Thronerben Dagobert vergrößert wurde. Um 775 wurde das Gotteshaus im karolingischen Stil erweitert, 873 jedoch wurde es zum großen Teil vom Feuer zerstört. Diese Vorgängerbauten des heutigen Münsters sind archäologisch nicht fassbar, der Standort unbekannt.

1007 schlug in die inzwischen wiederhergestellte Kirche der Blitz ein. Der Bau wurde wohl zunächst repariert, denn erst 1015 leitete Bischof Wernher den Bau einer überaus groß dimensionierten, dreischiffigen Basilika ein. Dieser wurde von mehreren Bränden, zuletzt 1176, beschädigt. Das Wernher-Münster wurde renoviert und mit neuen Glasfenstern versehen. Um 1190 begann man einen Neubau im spätromanischen Stil. Die Krypta wurde westwärts erweitert und es entstanden Apsis, Chor und Querschiff, allesamt noch dem Grundriss des Vorgängerbaus entsprechend. Aus dieser Übernahme der Fundamente des Vorgängerbaus ergeben sich Unregelmäßigkeiten wie die für eine Einwölbung nötig gewordenen Mittelpfeiler im Querhaus. Welche Bauteile außer den Fundamenten noch vom Bau Wernhers übernommen wurden, ist unklar. Sicher kann nur ein Pilaster in der nördlichen Kapelle seitlich der Apsis sowie zwei Pilaster in der Krypta dem ottonischen Bau zugeordnet werden. Eine Datierung des gesamten östlichen Teils der Krypta in das 11. Jahrhundert wurde vielfach diskutiert und zuletzt in Frage gestellt. Die Erneuerung erfasste zunächst das Nord-, dann das Süd-Querhaus, wo sich um 1225 allmählich unter dem Einfluss von aus Frankreich kommenden Meistern frühgotische Formen durchsetzten.

Bau des gotischen Langhauses und der Westfassade mit dem Nordturm

Um 1245 wurde der Bau des Langhauses im neuen, gotischen Stil unternommen. Das Langhaus des Wernherbaus (und vielleicht auch einen bereits begonnenen spätromanischen Langhausneubau) riss man ab. 1275 war dieser Bauteil vollendet. Am 2. Februar 1276 legten die Bauleute die Fundamente, am 25. Mai 1277 den Grundstein der Westfront des Straßburger Münsters. Erwin von Steinbach begann im Auftrag des Bischofs Konrad III. von Lichtenberg mit dem Bau der Fassade, gefolgt nach seinem Tod am 17. Januar 1318 von seinem Sohn Johannes (sein anderer Sohn, Gerlach arbeitete derweil an der Stiftskirche Niederhaslach). Die ursprünglich zweitürmig geplante Fassade (nach dem französischen Vorbild der Kathedralen von Paris und Reims) war 1365 bis zur Höhe der heutigen Plattform auf 66 Metern gewachsen. Dann erbaute Meister Michael von Freiburg 1383-88 zwischen den beiden Türmen ein Glockengeschoss, so dass ein gleichmäßig hoher, querriegelartiger Fassadenblock entstand. 1399 begann unter der Leitung von Ulrich Ensinger der Bau der achteckigen Freigeschosse des nördlichen Turms, auf die der Kölner Architekt Johannes Hültz 1429 bis 1439 den durchbrochene Turmhelm aufsetzte, der das Straßburger Münster zu einer Höhe von 452 rheinischen Fuß (142 m) brachte.[2] Wiederholt gab es Planungen für den Ausbau des Südturmes, die jedoch nie realisiert wurden.

Ergänzungsbauten und wesentliche Umgestaltungen ab der Renaissancezeit

Anfang des 16. Jahrhunderts entstand an der Nordseite des Querschiffs das Laurentiusportal, ein reich geschmücktes Werk der Renaissance, erbaut von Jakob von Landshut und ausgestattet mit lebensgroßen Figuren von Hans von Aachen (1502–03).

Im 18. Jahrhundert war das Münster mit einer Galerie im neugotischen Stil umgeben worden, im 19. Jahrhundert restaurierte Dombaumeister Gustave Klotz den im Deutsch-Französischen Krieg durch preußisches Artilleriefeuer Ende August 1870 schwer beschädigten romanischen Vierungsturm. 1875 erhielt das Chorgewölbe auch seine Ausmalung im neubyzantinischen Stil.

Anfang des 20. Jahrhundert wurden durch Bauschäden im Westbereich der Kirche Arbeiten an den Fundamenten der Fassade nötig. Dabei stieß man auch auf Fundamente des ottonischen Wernher-Münsters und sah, dass diese für den Neubau weiterverwendet und lediglich in der Breite verstärkt worden waren.

Architektur

Architekturkonzept und Skulpturen des Südquerhauses

Das Straßburger Münster kennzeichnet sich durch die Koexistenz eines massiven, wuchtigen und gedrungenen romanischen Ostbaus im Stile der rheinischen Kaiserdome, mit einem Chor von geringer Tiefe und einem sehr weit hintangelegten, den Chor praktisch einrahmenden Querschiff, und eines Westbaus im blühendsten gotischen Stil, dessen aufwärtsstrebender Charakter in dem berühmten „Harfenmaßwerk“, einer Straßburger Erfindung, seinen Ausdruck findet. Durch im 18. Jahrhundert direkt hinter dem Münster erfolgten Anbau der gewaltigen Anlage des Grand séminaire[3] ist der Blick auf die Apsis allerdings verwehrt, so dass diese nicht wie in Speyer oder Mainz eine Wirkung auf den Betrachter entfalten, die den Gegensatz zum steil aufragenden Turm noch steigern könnte.

Im Inneren wird das überdurchschnittlich breite, wenn auch nicht überdurchschnittlich hohe Mittelschiff gleichsam durch eine höhlenähnliche Wand und nicht, wie in rein gotischen Bauten wie den benachbarten Kathedralen von Freiburg und Metz, durch eine lichteinlassend und fensterreich konzipierte Chorpartie abgeschlossen. Dieser Eindruck wird durch die Abwesenheit sowohl des im 17. Jahrhundert abgerissenen Lettners als auch des anschließend errichteten, baldachinbekrönten Hochaltars verstärkt, die beide den Raum, anders als heute, teilten. Fragmente des Lettners werden heute im Musée de l’Œuvre Notre-Dame und in The Cloisters aufbewahrt; Apostelbüsten aus dunkel bemaltem Lindenholz vom ehemaligen barocken Hochaltar wurden 2006 entlang der Chorabschlusswand aufgestellt.

Im südlichen Querhaus befindet sich der “Engelspfeiler” oder “Weltgerichtspfeiler”. Um einen hohen Pfeiler finden sich in drei Etagen große Skulpturen. Seinen Namen hat der Engelspfeiler von den großen Figuren von Posaunenengeln in der mittleren Etage. In der obersten Etage ist Christus von Engeln umgeben, zu seinen Füßen, kaum zu erkennen, eine kleine Gruppe Auferstehender.

Ebenfalls im Musée de l’Œuvre Notre-Dame werden die Fassadenrisse der diversen Planungsstadien der Westfassade aufbewahrt. Sie gehören zu den ältesten Architekturentwürfen im deutschsprachigen Raum. Die Westfassade, 1277 begonnen, zeigt eine Dreiportalgliederung, die Portale mit breiten Gewänden und hohen, mit Fialen besetzten Wimpergen, beim Mittelportal bis ins mittlere Geschoss reichend, wo die große Fensterrose anschließt. Vor das Mauerwerk der Westfassade wurde ein freistehendes Gerüst dünner Stäbe und maßwerkverzierter Bögen gesetzt, das wegen der Ähnlichkeit mit Harfensaiten, wie schon erwähnt, als „Harfenmaßwerk“ bezeichnet wird und welches wesentlichen Anteil an der ungewöhnlichen Wirkung der Fassade hat.

Im Gegensatz zu den meisten Kathedralen weist das Straßburger Münster nur eine geringe Zahl von Kapellen auf: nördlich des Langhauses die Laurentiuskapelle (15. Jahrhundert), südlich die Katharinenkapelle (14. Jahrhundert), östlich vom nördlichen Querschiff die Johannes-der-Täufer-Kapelle (13. Jahrhundert), östlich vom südlichen Querschiff die Andreaskapelle (12. Jahrhundert). Die in deren Nähe befindliche Sakristei wurde 1744 vom Stadtarchitekten Joseph Massol angefügt.

Zu den gestalterischen und überhaupt künstlerischen Höhepunkten des Münsters gehören die fünf Portale: Das zweiteilige romanische Portal des südlichen Querhauses, die drei gotischen Portale der Westfassade und das Renaissance-Portal des nördlichen Querhauses.

Thema des Tympanons des Mittelportals der Westfassade ist die Passion Christi, darunter alttestamentliche Motive. Im Tympanon des linken, nördlichen Portals Szenen aus der Kindheit Jesu, an den Seiten allegorische Statuen der Tugenden. Die Statuen des rechten Portals stellen das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen dar. Ungewöhnlich hier die Figur des „Fürsten der Welt“, dessen Rücken von ekelerregendem Getier bedeckt ist.

Das Portal des südlichen Querhauses ist berühmt für seine die im frühen 13. Jahrhundert entstandenen ausdrucksstarken Tympana der „Marienkrönung“ und „Marientod“ sowie die Gruppe „Ecclesia und Synagoge“ (Originale im Musée de l’Œuvre Notre-Dame), die eine Darstellung König Salomos und seines Urteils umrahmt, darüber befand sich früher eine Halbfigur Jesu als Weltenherrscher, in den Gewänden waren die zwölf Apostel. Das Portal wird überragt von einer großen „Madonna mit Kind“, die sich unter einer Uhr befindet. In den Gestalten der Ecclesia und der Synagoge hat ein Pauluszitat (2 Kor 3) eine steinerne Ausformung gefunden: Die weibliche personifizierte Kirche, erhobenen Hauptes und mit Herrscherstab in der Hand, steht der ebenfalls weiblichen Synagoge gegenüber. Diese jedoch gebeugt mit einer Binde vor den Augen und die Lanze in der Hand vierfach gebrochen.

„Zwischen Paulus und diesen beiden Frauenskulpturen liegen die Schmähpredigten der Kirchenväter und über ein Jahrtausend der Entrechtung, Erniedrigung und Demütigung der Juden.“[4]

Das Münster weist insgesamt fünf Rosetten auf: jeweils zwei kleine an der äußeren Wand der Querschiffe und eine große über dem Hauptportal der Westfassade.

Ausmaße des Baus

Die Innen- und Außenausmaße des Münster sind wie folgt:[5][6]

  • Außenlänge gesamt: 112 Meter
  • Innenlänge gesamt: 103 Meter
  • Innenhöhe des Mittelschiffs: 32 Meter
  • Innenbreite des Mittelschiffs: 16 Meter
  • Innenhöhe der Seitenschiffe: 19 Meter
  • Breite der Westfassade: 51,5 Meter
  • Höhe der Westfassade: 66 Meter
  • Durchmesser der Fassadenrosette: 13,6 Meter
  • Höhe des Vierungsturmes: 58 Meter
  • Höhe des Nordturms: 142 Meter

Städtebauliche Einbindung

Der Münsterplatz gehört zu den schönsten europäischen Stadtplätzen. Dominiert von der Westfassade des Münsters, stehen hier zahlreiche, teilweise vier- bis fünfgeschossige Fachwerkhäuser im Stile alemannisch-süddeutscher Architektur. Charakteristisch sind die steilen Dächer mit bis zu vier Dachgeschossen. An der Nordseite des Münsterplatzes steht das bekannte, reich verzierte Kammerzellhaus.

Ausstattung

Inventar

  • Bleiglasfenster, vorwiegend 14. Jahrhundert, einige spätes 12. Jahrhundert (nördliches Querschiff) sowie 13. Jahrhundert („Kaiserfenster“ im nördlichen Seitenschiff), manche 20. Jahrhundert (südliches Querschiff, Chor). Fenster aus der ehemaligen Dominikanerkirche in der Laurentiuskapelle und in der Andreaskapelle.
  • Grabmal von Konrad von Lichtenberg in der Johannes-der-Täufer-Kapelle, um 1300. Gegenüber, Denkmal eines Kanonikus von Niclas Gerhaert van Leyden (1464).
  • Reich verzierter Taufstein von Jost Dotzinger im nördlichen Querschiff, 1443
  • Reich verzierte Kanzel von Hans Hammer nordöstlich des Mittelschiffs, 1486
  • Skulpturengruppe „Christus am Ölberg“ im nördlichen Querschiff gegenüber vom Taufstein (zuvor in der Thomaskirche), 1498
  • Apostelbüsten vom ehemaligen Hochaltar entlang der Chorwand, Holz, 17. Jahrhundert
  • Wandteppiche „Marienleben“, Paris, 17. Jahrhundert, vom Domkapitel im 18. Jahrhundert erworben
  • Altäre in den Kapellen (15. bis 19. Jahrhundert, großer Barockaltar von 1698, 1776 ausgemalt, in der Laurentiuskapelle)

Astronomische Uhr

Bemerkenswert ist die astronomische Uhr [7] im südlichen Querschiff. Ihre Vorläuferin, die sogenannte „Dreikönigsuhr“, wurde 1353 vollendet und stand an der Westmauer gegenüber der heutigen Uhr. Sie hatte bereits ein Kalendarium, Anzeigen für Gestirne und die Heiligen Drei Könige als bewegte Figuren, die zu jeder Stunde zu einem Glockenspiel die Köpfe vor der Jungfrau Maria neigten. Von dieser Uhr ist heute lediglich die bewegliche Figur eines flügelschlagenden Hahns erhalten. In der Westmauer des Querschiffs zeigen alte Stützsteine den Standort der Uhr an.[8]

Im Jahr 1567 wurde durch den Stadtmagistrat der Bau einer neuen Uhr beschlossen. Mit der Konstruktion beauftragt wurden die drei Mathematiker Michael Herr, Christian Herrlin und Nikolaus Prugner, aber ihr Entwurf kam nicht zur Ausführung. Erst Conrad Dasypodius, ebenfalls Professor der Mathematik und Schüler Herrlins, schuf den endgültigen Plan, der dann durch die Gebrüder Josias und Isaak Habrecht ausgeführt wurde. Die Uhr, bereits mit astronomischen Anzeigen, Kalendarium und Planetarium versehen, wurde 1574 vollendet und lief bis 1789. Von dieser Uhr stammt das bis heute erhaltene Uhrengehäuse und ein Teil der Gemälde [8].

Nach fast 50 Jahren Stillstand des Mechanismus wurde dann im Jahre 1836 Jean-Baptiste Schwilgué vom Stadtrat mit der Renovierung beauftragt. Die Arbeiten an der Uhr begannen am 24. Juni 1838 und dauerten bis 1842.[8] Schwilgué konstruierte ein völlig neues Uhrwerk, dessen Funktionen einmalig in der Welt sind. Die Uhr zeigt die Erdbahn, die Mondbahn und die Bahnen der damals bekannten Planeten (Merkur bis Saturn) an. Am erstaunlichsten ist das Räderwerk, das in der Silvesternacht abläuft und das Basisdatum für die beweglichen Feiertage errechnet. Den Rekord für langsam drehende Zahnräder stellt wohl der Teil der Uhr auf, der die Präzession der Erdachse nachbildet – eine Umdrehung in 25.800 Jahren. Sie ist aber auch die einzige Uhr auf der ganzen Welt, die 13 Uhr schlägt.

Ein Nachbau der Uhr befindet sich im Powerhouse Museum in Sydney.

Glocken

Vor der Französischen Revolution verfügte die Kathedrale über 13 Glocken. Die Stadt- und Uhrglocken hingen im Turm, die Kirchenglocken im Mittelbau der Fassade. Sechs Glocken konnten damals erhalten werden, darunter die große, 1427 gegossene Heiliggeist- oder Totenglocke (auch Le Bourdon oder Le Grand Bourdon genannt). Sie ist ein Werk von Meister Hans Gremp und wiegt rund 8.500 Kilogramm.[9] Ihre Inschrift lautet:

  • „Anno D[omi]ni MCCCCXXVII mense julii fusa sum per magistrum Joannem de Argentina – nuncio festa, metum, nova quædam, flebile læthum.“
  • („Im Jahre des Herrn 1427, des Monats Juli, wurde ich durch Meister Johann aus Straßburg gegossen. Ich verkündige Festtage, Furcht, etliche Nachrichten, beweinenswerten Tod.“)

Geblieben sind die sogenannte Zehnerglock, die allabendlich ab 22 Uhr läutet und nicht zum Hauptgeläut gehört[10], sowie vier Uhrschlag-Glocken, von denen die beiden kleineren im Wechsel die Viertelstunden und die beiden größeren zur vollen Stunde nacheinander jeweils die Stundenzahl anzeigen.

In den Jahren 1975 und 1977 wurden sieben Glocken in der Heidelberger Glockengießerei gegossen und ergänzen die Gremp'sche Glocke.[11] Das Straßburger Münstergeläute zählt seitdem zu den schönsten Geläuten in Europa. Ab 1978 sprachen viele Experten, darunter der damalige Kölner Glockensachverständiger Jacob Schaeben, von einem „Klangwunder“. Das Geläut wurde konzipiert von den Glockensachverständigen Jean Ringue[12] und Hans Rolli. In den Jahren 1987, 1993 und 2004 wurden drei weitere Glocken hinzugefügt; die Apostelglocke von 1977 musste 2006 umgegossen werden. Mit einer Gesamtmasse von über 32 Tonnen bilden die zwölf Läuteglocken und die vier Uhrglocken das schwerste Glockenensemble Frankreichs.

Orgeln

Im Straßburger Münster befinden sich drei Orgeln.

Im Chor, an der nördlichen Seite, befindet sich die Chororgel, die 1878 von Joseph Merklin geschaffen wurde. Das Instrument wurde seitdem mehrfach gravierend umgebaut, sodass von der originalen Klangsubstanz nur noch wenig vorhanden ist. Seit den letzten Modifikationen von Daniel Kern im Jahre 1989 besitzt es 24 Register auf drei Manualen und Pedal bei mechanischen Trakturen.[13] In der Krypta befindet sich ein Kleininstrument, das 1998 von Gaston Kern geschaffen wurde. Die rein mechanische Orgel hat 8 Register auf zwei Manualen und Pedal.

Die Langhausorgel an der Nordseite des zweiten Mittelschiffjochs ist eine Schwalbennestorgel und hat die Funktion der Hauptorgel. Das Instrument befindet sich in einem gotischen Orgelprospekt aus dem Jahr 1385, in dem sich ursprünglich das 1716 von Andreas Silbermann geschaffene Werk mit 2 602 Pfeifen befand.[14] Das bis dahin kaum modifizierte Instrument wurde 1897 von Orgelbauer Heinrich Koulen im romantischen Stil radikal umgebaut und durch eine elektropneumatische Traktur an die Chororgel angeschlossen. Dieser Umbau konnte nicht überzeugen, sodass bereits 1935 wiederum ein neues Werk von E.A. Roethinger erstellt wurde. Die Spieltrakturen dieser bereits leicht neoklassisch disponierten Orgel waren nun mechanisch mit Barkermaschinen für Récit, Grand Orgue und Pédale, das Rückpositiv blieb jedoch pneumatisch. 1981 baute Alfred Kern unter Verwendung von fast allen vorhandenen Pfeifen die heute vorhandene, technisch völlig neu konzipierte, vollmechanische Orgel. Die Trakturen sind hängend angelegt.[15]

Restaurierungsmaßnahmen am Baukörper und den Fenstern

Aufgrund der brüchigen und für Umweltverschmutzung stark anfälligen Natur des verwendeten Sandsteins, nachwirkender Schäden der Bombardierung vom August 1944 sowie Beschädigungen durch die Orkane von 1999 mussten in den letzten Jahrzehnten durch die Münsterbaustiftung Fondation de l'Œuvre Notre-Dame und den Eigentümer des Münsters, den französischen Staat, zahlreiche Restaurierungsmaßnahmen unternommen werden. So wurden 1999–2009 der Turm vom Sockel bis zur Spitze stufenweise restauriert, 2004–2009 das nördliche Seitenschiff, um 1990 und seit 2008 (bis voraussichtlich 2010) der Vierungsturm, dessen Aufsatz und der Dachbereich des südlichen Querschiffs und 1997–1999 die Südfassade des Westwerks. Innen wurden unter anderem bis 2004 der Chorbereich renoviert, 2005 (bis voraussichtlich 2014) folgten die Glasfenster.

Das Münster in Zeiten historischer Ereignisse

Protestantischer Bildersturm

Der Stadt Straßburg war es im späten Mittelalter gelungen, sich von der Herrschaft des Bischofs zu befreien und zur Freien Reichsstadt aufzusteigen. Das ausgehende 15. Jahrhundert wurde von den Predigten Johann Geilers von Kaysersberg sowie von der aufkommenden Reformation geprägt. 1524 wurde das Münster vom Stadtrat dem protestantischen Glauben zugewiesen, dabei erlitt das Gebäude einige bilderstürmerische Schäden. 1539 wurde im Münster der erste urkundlich belegte Weihnachtsbaum der Welt aufgestellt.

Französische Reunionspolitik

Nach der Besetzung der Stadt im Rahmen der Reunionspolitik Ludwigs XIV. am 30. September 1681 wurde das Münster wieder an die Katholiken zurückgegeben, das Kircheninnere gemäß der katholischen Liturgie umgestaltet und der 1252 entstandene Lettner 1682 herausgebrochen, um die Choranlage in Richtung Langhaus zu erweitern. In Anwesenheit von Fürstbischof Franz Egon von Fürstenberg und Ludwig XIV. wurde eine Messe im Münster abgehalten.

Französische Revolution

Im Rahmen der Französischen Revolution wurden zahlreiche Portal- und Fassadenstatuen des Münsters beschädigt oder zerstört und sind seitdem durch Kopien ersetzt. Von Enragés aus dem Umkreis von Eulogius Schneider kam Ende April 1794 der Vorschlag, den Nordturm als Symbol für klerikale Arroganz und Verletzung des Prinzips der Gleichheit (Égalité) abzureißen. Dem widersetzten sich Straßburger Bürger, indem sie Mitte Mai den Nordturm mit einer riesigen Phrygischen Mütze aus bemaltem Blech bekrönten. Diese wurde später im städtischen Museum aufbewahrt und 1870 durch preußisches Artilleriefeuer vernichtet.[16]

Zweiter Weltkrieg

Im Laufe des Zweiten Weltkriegs erhielt das Münster Symbolcharakter für beide Parteien. Adolf Hitler, der es am 28. Juni 1940 besichtigte, wollte aus dem Sakralbau ein „Nationalheiligtum des deutschen Volkes“ machen[17]; am 1. März 1941 schwor General Leclerc in Kufra, die „Waffen erst dann niederzulegen, wenn unsere [Frankreichs] schönen [Landes]Farben wieder auf dem Straßburger Münster wehen“.[18] Am 11. August 1944 erlitt das Gebäude Schäden, als es von englischen und amerikanischen Fliegerbomben getroffen wurde, endgültig behoben wurden diese erst 1990. 1956 stiftete der Europarat das berühmte Chorfenster von Max Ingrand, die „Straßburger Madonna“.

Bildung des Erzbistums Straßburg

Im Rahmen eines feierlichen Besuchs erhob Papst Johannes Paul II. im Oktober 1988 das Bistum Straßburg zum Erzbistum.

Islamistischer Attentatsplan

Im Jahr 2000 wurde in Frankfurt am Main eine Gruppe von algerischen Islamisten verhaftet, die geplant hatte, auf den Weihnachtsmarkt vor dem Münster einen Anschlag zu verüben.[19]

Persönlichkeiten, die am Münster wirkten

  • Johann Geiler von Kaysersberg – Prediger
  • Johann Conrad Dannhauer – Pfarrer
  • Philipp Jacob Spener – Prediger
  • Franz Xaver Richter – Kapellmeister
  • Ignaz Josef Pleyel – Kapellmeister

Ausstrahlung des Bauwerks auf berühmte Besucher

U.a. Victor Hugo und Johann Wolfgang von Goethe, der durch den Besuch des Münsters zu seiner Schrift „Von deutscher Baukunst“ (1772) angeregt wurde, drückten ihre Bewunderung für den aufwärtsstrebenden Elan seiner Architektur aus.

Turmbesteigung

Die Turmplattform in Höhe von 66 m ist über einen Wendelstein im südlichen Turmfundament begehbar; der Abgang erfolgt im Nordturmfundament. Auch der junge Goethe hatte diesen Aufstieg unternommen und seinen Namen am südöstlichen Ecktürmchen des Nordturms eingeritzt.[20] In früherer Zeit, zumindest bis 1942, konnte über einen der vier Ecktürmchen sogar der Nordturm bis unterhalb der Turmspitze bestiegen werden. Man gelangte zunächst bis zum Umgang zwischen den Ecktürmchen (106 m), der auch noch viele Jahre nach dem 2. Weltkrieg zugänglich blieb[21], und danach bis zur Laterne unterhalb der Turmspitze.[22]

Einzelnachweise

  1. ↑ Argentorate : description: Anlage von Argentoratum im 4. Jahrhundert.
  2. ↑ Hültz-Denkmal in Straßburg
  3. ↑ 48° 34′ 56″ N, 7° 45′ 7″ O
  4. ↑ Pinchas Lapide: Paulus zwischen Damaskus und Qumran. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1993, 42001, S. 91. ISBN 3-579-01425-0.
  5. ↑ http://xxx.de
  6. ↑ das Straßburger Münster. In: archINFORM.
  7. ↑ Henri Bach, Jean-Pierre Rieb, Robert Wilhelm: Die drei astronomischen Uhren des Strassburger Münsters; Editions Ronald Hirlé, Strasbourg 1992, ISBN 3-7946-0297-8.
  8. ↑ a b c Das Strassburger Münster und seine astronomische Uhr. Alsatia-Verlag, Kolmar i. Els. Um 1939. S. 38–40.
  9. ↑ Le Bourdon solistisch (2:17 min)
  10. ↑ Zehnerglock solistisch (7:02)
  11. ↑ Geläut as0–b0–des1–es1–f1–as1–b1–c2 (3:59 min)
  12. ↑ Jean Ringue (1922–2009), campanologue de la Cathédrale
  13. ↑ http://decouverte.orgue.free.fr/orgues/stcathec.htm
  14. ↑ Karl Baedeker: Strassburg. Freiburg 1973, S. 33
  15. ↑ http://xxx.fr
  16. ↑ La Cathédrale de Strasbourg pendant la Révolution. (1789–1802) (französisch)
  17. ↑ „Nazideutschland im Elsass“
  18. ↑ „Der Schwur vor Kufra“
  19. ↑ Der Frankfurter Al-Qaida-Prozess und das Netzwerk des Terrors
  20. ↑ Karl Baedeker: Strassburg. Freiburg 1973, S. 35
  21. ↑ Baedekers Autoreiseführer: Frankreich von Flandern bis Korsika. Stuttgart 1963, 4. Auflage, S. 406
  22. ↑ Karl Baedeker: Das Elsass. Strassburg und die Vogesen. Leipzig 1942, S. 22

Quellen

  • Kaltenbach, Roland: Le guide de l’Alsace, La Manufacture 1992, ISBN 2-7377-0308-5.
  • HB Kunstführer Straßburg – Colmar – Elsaß, 1986, ISBN 3-616-06560-8 (formal falsche ISBN), korrigierte ISBN 3-616-06520-8.
  • Merveilleuses cathédrales de France, Agence internationale d’édition Jean F. Gonthier 1981, ISBN 2-85961-122-3.
  • Recht, Roland; Foessel, Georges; Klein, Jean-Pierre: Connaître Strasbourg, 1988, ISBN 2-7032-0185-0.
  • Ringue, Jean: La nouvelle sonnerie de la cathédrale de Strasbourg, 1980.

Literatur

  • Johann Wolfgang Goethe, Von deutscher Baukunst. D.M. Ervini a Steinbach, in: Von Deutscher Art und Kunst. Einige fliegende Blätter, Hamburg 1773.
  • Wilhelm Heinse, Zum Strassburger Münster, in: Aufzeichnungen 1768–1783. Texte (Die Aufzeichnungen. Frankfurter Nachlass, hrsg. von Markus Bernauer u. a., Bd. I), hrsg. von Markus Bernauer, München 2003, 446–450 (Kommentar dazu in: Aufzeichnungen 1768–1783. Kommentar zu Bd. I (Die Aufzeichnungen. Frankfurter Nachlass, hrsg. von Markus Bernauer u. a., Bd. III), hrsg. von Markus Bernauer, München 2005, S. 402–403).
  • Benoît van den Bossche: Straßburg, das Münster. Fotografien von Claude Sauvageot. Schnell & Steiner, Regensburg 2001. ISBN 3-7954-1387-7 vom ehem. Verlag der Mönche in Saint-Léger-Vauban, Département Yonne, Région Bourgogne (Burgund), Rezension (pdf-Datei).
  • August Raichle: Das Münster zu Straßburg. Mit einer Einführung von Alfred Stange. Reihe Das kleine Kunstbuch. Knorr & Hirth Verlag, Ulm.
  • Harald Keller (Einführung): Der Engelspfeiler im Strassburger Münster, Reclam Vedrlag Stuttgart 1957.
  • Bernd Nicolai et al.: Gotik. Kunst-Epochen, Bd. 4, Philipp Reclam jun. Stuttgart, 2007. ISBN 978-3-15-018171-3.
  • Roland Recht: Das Straßburger Münster. Stuttgart 1971.

    xxx – Entsprechend unserer Statuten werden uns unbekannte Webadressen nicht veröffentlicht .Für eine weiterführende Recherche gehen Sie bitte auf die entsprechende Wikipediaseite. Mehr Informationen lesen Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

London

London (englische Aussprache [ˈlʌndən]) ist die Hauptstadt Englands und des Vereinigten Königreiches. Die Stadt liegt an der Themse in Südostengland auf der Insel Großbritannien. Das heutige Verwaltungsgebiet mit den Stadtbezirken entstand am 1. April 1965 mit der Gründung von Greater London (Groß-London). In dem Verwaltungsgebiet Greater London leben 7.556.900 Menschen (2007)[2], davon 2.972.900 in den 13 Stadtbezirken von Inner London. London ist damit die bevölkerungsreichste Stadt der Europäischen Union. Die Agglomeration hat 8.278.251 Einwohner (2001). In der Metropolitan Area lebten im Jahre 2001 etwa 14 Millionen Menschen.

London ist eines der wichtigsten Kultur-, Finanz- und Handelszentren der Welt (Weltstadt). In der Stadt befinden sich zahlreiche Universitäten, Hochschulen, Theater und Museen. Das Stadtgebiet von Greater London, das in Inner und Outer London unterteilt ist, gliedert sich in insgesamt 33 Stadtbezirke („London boroughs“), darunter die City of London und die City of Westminster.

Geographie

Geographische Lage

London erstreckt sich etwa 45 Kilometer entlang der schiffbaren Themse und liegt durchschnittlich 15 Meter über dem Meeresspiegel. London entstand aus einer Siedlung am Nordufer, der heutigen City of London. Die London Bridge war bis 1739 die einzige Brücke über den Fluss.

Aus diesem Grund befindet sich der größere Teil der Stadt nördlich des Flusses. Mit dem Bau weiterer Brücken im 18. Jahrhundert und dem Bau der Eisenbahnen im 19. Jahrhundert begann sich die Stadt in alle Richtungen auszudehnen. Die Landschaft ist flach bis leicht wellig, wodurch das ungehinderte Wachstum begünstigt wurde.

Die Themse war in früheren Zeiten wesentlich breiter und seichter als heute. Sie wird heute fast gänzlich durch Dämme begrenzt und die meisten Zuflüsse fließen unterirdisch. Die Gezeiten der Nordsee machen sich in London noch deutlich bemerkbar, die Stadt ist deshalb durch Überschwemmungen und Sturmfluten gefährdet. Bei Woolwich – östlich von Greenwich gelegen – wurde in den 1970er-Jahren der Thames Barrier gebaut, um diese Gefahr einzudämmen.

Die geografischen Koordinaten des Stadtzentrums in der Nähe des Trafalgar Square sind 51° 30′ nördlicher Breite und 0° 8′ westlicher Länge. Durch das königliche Observatorium, das Royal Greenwich Observatory in Greenwich, wurde der Nullmeridian gelegt. Er ist Ausgangspunkt der Längengrade und damit der Zeitzonen.

Geologie

Südostengland mit der Hauptstadt London, der am meisten begünstigte Teil der Hauptinsel, unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von den anderen Landesteilen. Die geologische Struktur wird durch die mesozonischen Sedimente bestimmt, die eine großzügig gegliederte Schichtstufenlandschaft entstehen ließen. Ihre Höhen ragen nirgends hoch auf, so dass der gesamte Raum die klimatischen Vorteile des Südostens genießt. Denn die Niederschläge sind geringer, und trotz größerer winterlicher Kälte ist der wärmere Sommer dem Ackerbau günstig, zumal die meisten Gesteine und die darüberliegenden glazialen Ablagerungen wesentlich bessere Böden ergeben als in den Gebirgsländern.

Wenngleich im Laufe der letzten Jahrhunderte der Ackerbau trotzdem immer wieder Rückschläge zeigte, so sind diese in der ökonomischen Struktur Großbritanniens und nicht in der Natur des Landes begründet. Der kontinentnahe Südosten galt von jeher als Schwergewicht des Inselreiches. Hier fassten die vom Festland kommenden Eroberer – Römer, Sachsen, Normannen – zuerst Fuß. Auch als mit der Entdeckung Amerikas und der Entwicklung der Überseeschifffahrt die Außenseiten der Insel infolge ihrer günstigeren Lage stärker belebt wurden, konnte sich das alte Kulturzentrum behaupten. London blieb das Tor zur Insel.

Stadtgliederung

London gliedert sich in 32 Stadtbezirke (London Boroughs) und die City of London.

Klima

London befindet sich in der gemäßigten Klimazone. Die Sommer sind warm, aber selten heiß; die Winter sind zwar kühl, doch sinkt die Temperatur selten unter den Gefrierpunkt. Der wärmste Monat ist Juli mit 16,3 Grad Celsius im Durchschnitt, der kälteste Januar mit 3,9 Grad Celsius im Mittel. Die höchste jemals in London gemessene Temperatur war 37,9 Grad Celsius, gemessen während der Hitzewelle 2003. Die große überbaute Fläche hält die Wärme zurück und schafft dadurch ein Mikroklima. Manchmal ist es in der Stadt bis zu fünf Grad wärmer als in der umliegenden Landschaft.

Die durchschnittliche Jahrestemperatur beträgt 9,7 Grad Celsius und die mittlere jährliche Niederschlagsmenge 611 Millimeter. In den Monaten Oktober, November und Dezember gibt es den meisten Niederschlag mit durchschnittlich 57 Millimeter und der wenigste im Februar mit 36 Millimeter im Durchschnitt. Schnee fällt eher selten, höchstens einige Zentimeter pro Jahr. Ereignisse wie die Schneekatastrophe von 1978 sind eine Seltenheit. Anfang Februar 2009 gab es das schlimmste Schneechaos seit 18 Jahren, als über 15 Zentimeter Neuschnee fielen. Keine Seltenheit sind dagegen Inversionswetterlagen. Eine davon führte 1952 zu einer großen Smog-Katastrophe.

Geschichte

Antike

Die Existenz einer vorrömischen Siedlung der Kelten im Bereich der City of London konnte nicht nachgewiesen werden. Wahrscheinlich im Jahr 47 n. Chr. gründeten die Römer die Stadt Londinium. Im Jahr 60 oder 61 n. Chr. zerstörten die Icener, angeführt von Königin Boudicca, die Siedlung. Londinium wurde wieder aufgebaut und löste zu Beginn des 2. Jahrhunderts Camulodunum (Colchester) als Hauptstadt Britanniens ab. Ab 197 n. Chr. war Londinium Hauptstadt der Provinz Britannia superior, ab etwa 300 n. Chr. der Provinz Maxima Caesariensis. Rund um die Stadt wurden Wallanlagen errichtet.

Im Jahr 410 n. Chr. zogen die Römer ihre Legionen zurück und die Bevölkerung war den Raubzügen germanischer Stämme zunehmend schutzlos ausgeliefert. Nach der Eroberung Englands durch die Angeln und Sachsen verfiel Londinium bis Ende des 5. Jahrhunderts zu einer unbewohnten Ansammlung von Ruinen.

Mittelalter

Die Angelsachsen mieden zunächst die unmittelbare Umgebung der zerstörten Stadt. Im späteren 7. Jahrhundert gründeten sie westlich davon die Siedlung Lundenwic, die zunächst zum Königreich Mercia, später zum Königreich Essex gehörte. Unter der Führung von Alfred dem Großen, dem König von Wessex, eroberten die Angelsachsen im Jahr 878 die Gegend an der Themsemündung von den Dänen zurück. In den folgenden Jahren wurde das Gebiet innerhalb der römischen Stadtmauer wieder besiedelt. Die neu entstandene Stadt hieß Lundenburgh.

1066 eroberten die Normannen England und London löste Winchester als Hauptstadt ab. Der neue Herrscher Wilhelm I. bestätigte die besonderen Rechte Londons. Richard Löwenherz ernannte 1189 den ersten Lord Mayor (Bürgermeister), der dann ab 1215 von den immer mächtiger werdenden Kaufmannsgilden selbst gewählt wurde. 1209 wurde die erste aus Stein errichtete Brücke, die London Bridge, fertiggestellt, die bis 1750 die einzige Brücke im heutigen Stadtzentrum war. Mehrere Male musste London Plünderungen durch aufständische Bauernheere erdulden, so zum Beispiel 1381 während der Peasants’ Revolt und 1450 während der Jack-Cade-Rebellion.

Im Rosenkrieg, der 1485 mit der Krönung von Henry Tudor als Heinrich VII. zu Ende ging, hielt die Stadt zur Partei der Yorks. Die Reformation brach die Macht der Kirche, die bis dahin rund die Hälfte des Bodens besaß; die Neuverteilung kirchlicher Güter ab 1535 leitete eine Ära des wirtschaftlichen Wachstums ein und London stieg zu einer führenden Handelsstadt auf.

Frühe Neuzeit

London musste in seiner wechselvollen Geschichte einige Rückschläge hinnehmen. Nachdem im 16. Jahrhundert die Gründung der ersten großen Handelskompanien und der Royal Exchange den wirtschaftlichen Aufstieg vorangetrieben hatte, wurde die Stadt 1664 und 1665 von der „Großen Pest“ heimgesucht, die über 70.000 Menschenleben forderte. Im September 1666 verwüstete der „Große Brand von London“ weite Teile der Stadt. Etwa 13.000 Häuser und 89 Kirchen fielen den Flammen zum Opfer.

Die Stadt wurde nach dem verheerenden Brand neu aufgebaut. Pläne für eine grundlegende Neugestaltung scheiterten jedoch an den zu hohen Kosten, weshalb die neuen Häuser im Wesentlichen entlang der alten verwinkelten Straßen errichtet wurden. Verantwortlich für den Wiederaufbau war der Architekt Christopher Wren. In der Folge zogen fast alle adeligen Bewohner endgültig aus der alten Innenstadt weg und ließen sich im aufstrebenden West End neue repräsentative Wohnhäuser bauen. Ins Eastend abgedrängt wurden die ärmsten Bevölkerungsschichten, die im expandierenden Hafen ihr Auskommen finden mussten. Ende des 17. Jahrhunderts stieg London zum bedeutendsten Finanzzentrum der Welt auf.

Während des 18. Jahrhunderts wuchs London über die historischen Grenzen hinaus. Neue Brücken über die Themse ermöglichten die Ausbreitung der Stadt nach Süden. Im Juni 1780 war London Schauplatz der Gordon Riots, als sich fanatische Protestanten gegen die Gleichberechtigung der Katholiken zur Wehr setzten.

Moderne

Im Laufe des 19. Jahrhunderts vervielfachte sich die Bevölkerungszahl, der Bau zahlreicher Vororte-Eisenbahnen und U-Bahnen ermöglichte eine rasche Ausbreitung des überbauten Gebiets. London errang während des viktorianischen Zeitalters große Bedeutung als Hauptstadt des Britischen Weltreichs. 1851 war London laut Volkszählung mit 2.651.939 Einwohnern die größte Stadt Europas und das Zentrum der industrialisierten Welt. Hier fand im gleichen Jahr mit der „Great Exhibition“ die erste Weltausstellung statt.

Der ausufernde Ballungsraum war in zahlreiche Kirchgemeinden und Gerichtsbezirke zersplittert. Als erster Zweckverband wurde 1829 die Metropolitan Police gegründet, die in der Folge in der ganzen Metropole die zuvor auf privater Basis betriebene Verbrechensbekämpfung übernahm. 1855 folgte mit dem Metropolitan Board of Works eine Vereinheitlichung im Bereich des Bauwesens. Das unter der Leitung von Joseph Bazalgette errichtete Londoner Abwassersystem gilt als größtes Bauprojekt des gesamten 19. Jahrhunderts. 1889 wurde mit der County of London erstmals überhaupt eine einheitliche Verwaltungsregion für den gesamten Ballungsraum geschaffen.

Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war geprägt von der Ausdehnung des überbauten Gebiets in einem vorher nie gekannten Ausmaß. Die neuen Vororte lagen fast gänzlich außerhalb der County of London: in ganz Middlesex, im Westen von Essex, im Norden von Surrey, im Nordwesten von Kent und im Süden von Hertfordshire.

Während des Zweiten Weltkriegs, vor allem 1940/41, erlitt London insbesondere in den östlichen Industriegebieten durch Angriffe der deutschen Luftwaffe schwere Zerstörungen. Diese Bombardements gingen mit dem Namen „The Blitz“ in die Geschichte der Stadt ein. Eine zweite Angriffswelle folgte 1944/45 mit den V1- und V2-Raketen. Knapp 30.000 Einwohner starben, Hunderttausende wurden obdachlos.

Nach Kriegsende sank die Einwohnerzahl beträchtlich, da viele Londoner sich in neuen Satellitenstädten niederließen. 1965 wurde die Verwaltungsregion Greater London geschaffen, die auch die im 20. Jahrhundert entstandenen Vororte umfasst. Währenddessen büßte London seine Rolle als bedeutender Hafen ein, die Anlagen in den Docklands zerfielen. 1981 begann ein umfangreiches Stadtentwicklungsprogramm, Zehntausende von Arbeitsplätzen der Dienstleistungsbranchen wurden von der City of London auf die Isle of Dogs verlagert oder neu geschaffen. In der Canary Wharf entstand ein ausgedehnter Hochhauskomplex. Durch diese Aufwertung Londons stieg die Einwohnerzahl seit dem Tiefpunkt in den 1980er-Jahren wieder um eine Million an. Trotzdem hat London heute noch eine Million Einwohner weniger als am historischen Höchststand, der 1939 mit etwa 8,6 Millionen erreicht wurde.

Bevölkerung

Religionen

Die Volkszählung 2001 ergab folgende Religionsverteilung:[6]

  • 58,2 Prozent Christen
  • 8,5 Prozent Muslime
  • 4,1 Prozent Hindus
  • 2,1 Prozent Juden
  • 1,5 Prozent Sikhs
  • 0,8 Prozent Buddhisten
  • 0,5 Prozent andere

15,8 Prozent der Londoner gehören keiner Religion an. Keine Angaben machten 8,7 Prozent der Bevölkerung.

Die Mehrheit der Christen gehört der Anglikanischen Kirche von England an. Hauptkirche und Sitz des Bischofs der Diözese London ist die Saint Paul’s Cathedral. Die katholische Hauptkirche von Wales und England und Sitz des Erzbischofs von Westminster ist die Westminster Cathedral. Seit das englische Königshaus den protestantischen Glauben (Anglikanische Kirche) angenommen hatte, gab es mehrere Jahrhunderte lang keine katholischen Gotteshäuser in London. Erst im 19. Jahrhundert etablierten sich wieder katholische Gemeinden. Weitere christliche Religionsgemeinschaften sind die United Reformed Church, die Heilsarmee, die Quäker und die Orthodoxe Kirche.

Die Stadt ist das Zentrum des Islam in Großbritannien. Etwa 38 Prozent der 1,589 Millionen britischen Muslime lebten laut Volkszählung 2001 in London. Siedlungszentren sind überwiegend die Stadtbezirke Tower Hamlets und Newham[7]. Die Bait ul-Futuh ist die größte Moschee der Hauptstadt.

Von den 558.000 britischen Hindus lebten 2001 circa 52 Prozent in London. Siedlungszentren sind vor allem die Bezirke Brent und Harrow sowie der Stadtteil Southall im Bezirk Ealing im Westen Londons[7]. Der Neasden Temple war bis zur Eröffnung des Shri Venkateswara (Balaji) Temple in Tividale (West Midlands) im August 2006 der größte Hindu-Tempel außerhalb Indiens.[8]

Etwa 56 Prozent der 267.000 britischen Juden lebten 2001 in der Hauptstadt. Siedlungszentren sind Stamford Hill im Bezirk Hackney und Golders Green im Bezirk Barnet.[7]

Einwohnerentwicklung

Schon 140 n. Chr. lebten in London 30.000 Menschen, um 1300 waren es bereits 100.000 und 1801 überschritt die Einwohnerzahl der Stadt die Grenze von einer Million. London war von 1825 bis 1925 die bevölkerungsreichste Stadt der Welt, bis sie von New York überholt wurde. Bei der Volkszählung im Jahre 2001 wurden 7.172.091 Einwohner gezählt[6].

London ist traditionellerweise ein Anziehungspunkt für verschiedene Kulturen und Religionen. Während zu Beginn des 20. Jahrhunderts hauptsächlich Iren, Polen, Italiener und osteuropäische Juden nach London kamen, sind seit circa 1950 vor allem Menschen aus ehemaligen britischen Kolonien, beispielsweise Indien, Pakistan, Sri Lanka und Bangladesch, eingewandert.

Bei der Volkszählung 2001 stammten 6,1 Prozent der Bevölkerung vom indischen Subkontinent, 5,3 Prozent aus Schwarzafrika und 4,8 Prozent aus der Karibik, 1,1 Prozent waren chinesischer Abstammung. Insgesamt wurden 72,9 Prozent der Bevölkerung Londons in Großbritannien geboren, 5,3 Prozent in weiteren Ländern der Europäischen Union (EU) und 21,8 Prozent außerhalb der EU[6].

Die Agglomeration von London erstreckt sich über das eigentliche Stadtgebiet von Greater London hinaus und zählt 8.278.251 Einwohner (2001)[3]. Dies sind mehr als in Schottland und Wales zusammen. London ist damit eine der größten Agglomerationen Europas.

Die folgende Übersicht zeigt die Einwohnerzahlen nach dem jeweiligen Gebietsstand. Bis 1750 handelt es sich um Schätzungen, von 1801 bis 2001 um Volkszählungsergebnisse und 2006 um eine Berechnung.

  • Jahr Einwohner
  • 50 7.500
  • 140 30.000
  • 200 50.000
  • 300 15.000
  • 400 4.500
  • 500 500
  • 700 5.000
  • 900 5.000
  • 1000 10.000
  • 1100 15.000
  • 1180 40.000
  • 1300 100.000
  • 1350 50.000
  • 1500 125.000
  • 1600 200.000
  • 1650 375.000
  • 1700 575.000
  • 1750 675.000
  • 10. März 1801 1.096.784
  • 27. Mai 1811 1.303.564
  • 28. Mai 1821 1.573.210
  • 30. Mai 1831 1.878.229
  • 6. Juni 1841 2.207.653
  • 30. März 1851 2.651.939
  • 7. April 1861 3.188.485
  • 2. April 1871 3.840.595
  • 3. April 1881 4.713.441
  • 5. April 1891 5.571.968
  • 31. März 1901 6.506.889
  • 2. April 1911 7.160.441
  • 19. Juni 1921 7.386.755
  • 26. April 1931 8.110.358
  • 29. September 1939 8.615.050
  • 8. April 1951 8.196.807
  • 23. April 1961 7.992.443
  • 25. April 1971 7.368.693
  • 5. April 1981 6.608.598
  • 21. April 1991 6.679.699
  • 29. April 2001 7.172.091
  • 1. Juli 2006 7.512.400

Entwicklung der Wohnsituation

Die ethnische und soziale Segregation (Entmischung) der Bevölkerung ist in der britischen Hauptstadt weniger ausgeprägt als etwa in New York. Rund 20 Prozent der Einwohner stammen aus Asien, Afrika und der Karibik. Wohngebiete der Bengalen befinden sich beispielsweise in Tower Hamlets (Inner London) und der Inder in Brent und Ealing (Outer London). In den östlichen Bezirken Londons sind Arbeitslosigkeit, Armut, Überbelegung der Wohnungen und Verfall der Bausubstanz erheblich höher als in den westlichen Bezirken.

Die Wohn- und Gewerbegebiete aus dem 19. Jahrhundert weisen eine relativ hohe Wohndichte und einen überproportionalen Anteil von Einwanderern sowie Menschen mit niedrigem Einkommen auf. Gering verdichtete Wohnformen, vor allem von Eigentümern bewohnte Einzel- und Doppelhäuser, sind hier das dominierende Siedlungsbild.

Der frühere Gegensatz in den Wohn- und Lebensbedingungen der Bevölkerung britischer Nationalität und der Einwanderer mit hohem und niederem Einkommen zwischen den Stadtteilen Westend und Eastend wird von entgegengesetzten Entwicklungstendenzen überlagert. Es kommt zu einer Zunahme ethnischer, sozialer und kultureller Differenzierung und Ghettobildung. Immer mehr Haushalte mit hohem Einkommen bleiben in London oder ziehen in die Stadt und verdrängen die ärmeren Haushalte und Mieter. Ursache ist die Anfang der 1980er-Jahre begonnene nationale und lokale Stadtentwicklungspolitik, deren wichtigstes Ziel es war, die Bedeutung der Hauptstadt als Handels- und Finanzzentrum zu stärken und für internationale Firmen attraktiv zu machen.

Politik

Stadtregierung

Im Jahre 1965 wurde die Verwaltungsregion Greater London, ein Zusammenschluss der alten County of London mit Middlesex sowie Teilen der Grafschaften Essex, Hertfordshire, Kent und Surrey, gegründet. Greater London ist unterteilt in 32 London Boroughs und die City of London. Die Boroughs sind für die lokale Selbstverwaltung und den Betrieb der meisten öffentlichen Einrichtungen auf ihrem Gebiet zuständig. Die City of London wird historisch bedingt von der City of London Corporation verwaltet.

Die Greater London Authority (GLA) koordiniert die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Boroughs, ist für die strategische Planung zuständig und betreibt öffentliche Einrichtungen, die in der ganzen Stadt tätig sind; dazu gehören die Feuerwehr, die Polizei und der öffentliche Verkehr. Die GLA besteht aus dem Mayor of London (Oberbürgermeister) und der London Assembly (Stadtparlament mit 25 Sitzen), die beide ihren Sitz in der City Hall haben. Der aktuelle Mayor of London ist Boris Johnson (Conservative Party). Sein Vorgänger war Ken Livingstone. Dieser trat im Jahre 2000 gegen den offiziellen Labour-Kandidaten an, wurde nach einem Nominierungsdebakel aus der Partei ausgeschlossen, 2004 unter Kritik wieder aufgenommen und haushoch für eine zweite Amtszeit bestätigt, ehe er letztlich bei der Wahl 2008 Johnson unterlag. Der Lord Mayor of London, der Bürgermeister der City of London, übt lediglich zeremonielle Funktionen aus.

Frühere Verwaltungsbehörden waren die Metropolitan Board of Works (MBW) von 1855 bis 1889, der London County Council (LCC) von 1889 bis 1965 und der Greater London Council (GLC) von 1965 bis 1986. Der GLC wurde von Premierministerin Margaret Thatcher nach politischen Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und dem GLC-Vorsitzenden Ken Livingstone aufgelöst. 14 Jahre lang besaß London keine übergeordnete Verwaltung; die meisten Aufgaben wurden an die Boroughs übertragen, einzelne direkt an die Zentralregierung. Diese Maßnahme führte zu großen Koordinationsproblemen. Auch nach der Einsetzung der GLA im Jahr 2000 besitzen die Boroughs eine größere Autonomie als noch zu Zeiten der GLC.

Die Polizeibehörde der 32 London Boroughs ist der Metropolitan Police Service, besser bekannt unter dem Namen Metropolitan Police oder kurz als „the Met“. Die City of London besitzt eine eigene Polizeibehörde, die City of London Police.

Städtepartnerschaften

London unterhält mit folgenden Städten Partnerschaften.

  • Algier, Algerien
  • Berlin, Deutschland (seit 2000)
  • Moskau, Russland (seit 2002)
  • New York, Vereinigte Staaten (seit 2001)
  • Paris, Frankreich (seit 2001)
  • Präfektur Tokio, Japan (seit 2006)
  • Peking, Volksrepublik China (seit 2006)
  • Karatschi, Pakistan (seit 2005)
  • Zagreb, Kroatien (seit 2009)

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Theater

London bietet eine breite Palette an kulturellen Veranstaltungen. Im Londoner Westend sind mehr als ein Dutzend Theater zu Hause. Gespielt wird alles von der Klassik bis zur Moderne. Dort wurden unter anderem Andrew Lloyd Webbers weltberühmte Musicals Cats und Das Phantom der Oper uraufgeführt.

Das Royal National Theatre der National Theatre Company in South Bank und das Barbican Centre der Royal Shakespeare Company gehören zu den vielen Zentren des professionellen Theaterschauspiels. Das Royal Court Theatre, eine der traditionsreichsten Bühnen in London, ist im Februar 2000 nach vier Jahren Umbauzeit wieder eröffnet worden.

Das Royal Opera House in Covent Garden ist das bedeutendste britische Opernhaus. Es ist die Heimat der Royal Opera und des Royal Ballet. Das erste Theatergebäude an dieser Stelle, das damalige Theatre Royal (siehe Patent Theatre) wurde von Edward Shepherd entworfen. Es wurde am 7. Dezember 1732 mit einer Aufführung von William Congreves The way of the world eröffnet. Obwohl schon ab 1735 auch Opern, zum Beispiel von Händel, aufgeführt wurden, blieb das Haus doch hauptsächlich ein Schauspielhaus.

Das Theatre Royal Drury Lane ist ein Theater im Londoner West End. Seit Mitte der 1980er-Jahre war es die Heimat großer Musicalproduktionen wie 42nd Street, Miss Saigon und My Fair Lady. Das London Palladium ist das wohl berühmteste Londoner Theater. In den 1950er-Jahren wurde die in Großbritannien populäre Varieté-Aufführung „Sunday Night at the London Palladium“ live im Fernsehen ausgestrahlt.

Das Theatre Royal Haymarket (Haymarket Theatre) ist ein Theater am Londoner Haymarket. Es wurde 1720 von John Potter als Little Theatre gegründet – in Anspielung auf das größere King’s Theatre (heute Her Majesty’s Theatre), das sich ebenfalls am Haymarket befand. Das Her Majesty’s Theatre wird hauptsächlich für Musicalaufführungen genutzt. Seit dem 9. Oktober 1986 wird täglich Das Phantom der Oper aufgeführt.

Das Globe Theatre am Südufer der Themse ist eine Rekonstruktion des Freiluftschauspielhauses, das 1599 entworfen wurde. Für dieses Theater schrieb William Shakespeare viele seiner größten Stücke. Die Spielzeit läuft von Mai bis September mit Produktionen von Shakespeare, seinen Zeitgenossen und von modernen Autoren. Ein weiteres bekanntes Theater ist das Coliseum Theatre, in dem die English National Opera Company untergebracht ist.

Das London Dungeon ist kein Theater im herkömmlichen Sinne. Das Gruselkabinett unter dem Bahnhof London Bridge im historischen Stadtteil Southwark präsentiert seinen Besuchern bekannte Ereignisse der Stadtgeschichte aus den vergangenen 2000 Jahren. Schauspieler führen durch die unterirdischen Gewölbe und lassen unter anderem die Große Pest von London, den Großen Brand von London, Jack the Ripper und Sweeney Todd wieder zum Leben erwachen.

Musik

London beheimatet fünf professionelle Symphonieorchester. Diese sind das London Symphony Orchestra, das London Philharmonic Orchestra, das Royal Philharmonic Orchestra, die Philharmonia und das BBC Symphony Orchestra. Der Höhepunkt eines jeden Jahres ist die von der BBC weltweit übertragene “Last Night of the Proms” aus der Royal Albert Hall.

Konzerthäuser sind die Barbican Hall, die Royal Festival Hall und die Saint John’s Church in Westminster. Einer der beliebtesten Konzertsäle ist die Wigmore Hall hinter der Oxford Street. Im Juni 2002 sind nach umfangreichen Renovierungsarbeiten Teile des 1988 im heutigen Finanzviertel entdeckten römischen Amphitheaters der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden.

Am Trafalgar Square steht die Kirche St. Martin-in-the-Fields. Sie wurde in den Jahren 1721 bis 1726 nach den Plänen des Architekten James Gibbs gebaut. In der Kirche finden häufig Konzerte statt; zu den dort auftretenden Orchestern zählen unter anderem die Academy of St. Martin in the Fields und das Ensemble New Trinity Baroque aus den USA. In der Krypta wurde ein Café eingerichtet, in dem manchmal Jazz-Gruppen auftreten. Die Pfarrei beherbergt auch einen der berühmtesten Kirchenchöre der Welt.

In der City of Westminster befinden sich die Abbey Road Studios. Das Gebäude in der gleichnamigen Straße wurde 1929 von EMI gekauft, die Studios am 12. November 1931 eröffnet. In der Eröffnungszeremonie dirigierte Sir Edward Elgar das London Symphony Orchestra in Studio 1 und die historische Aufzeichnung von Land of Hope and Glory entstand. Die Beatles widmeten dem Musikaufnahmestudio das Album „Abbey Road“ (1969).

Pink Floyd, die in den 1970er-Jahren ihre Alben in den Studios einspielten, galt bald als die „Hausband“ des Studios. Unter anderem entstand hier „The Dark Side of the Moon“. Seit den 1980er-Jahren wird das Studio 1 auch als Aufnahmestudio für orchestrale Filmmusiken benutzt. Der erste Film, der hier seine musikalische Untermalung erhielt, war Jäger des verlorenen Schatzes mit der Musik von John Williams. Auch die Musik für Der Herr der Ringe und die Harry-Potter-Filme wurden hier eingespielt.

The O2 ist ein Unterhaltungskomplex, welcher früher unter dem Namen Millennium Dome bekannt war. Zahlreiche bekannte internationale Künstler hatten in der O2 Arena, die eigentliche Konzerthalle, Auftritte, so etwa Britney Spears, Justin Timberlake und die Spice Girls.

Museen

Zu den größten und bekanntesten Museen weltweit zählt das Britische Museum in Bloomsbury. In ihm befinden sich über sechs Millionen Ausstellungsstücke. Berühmt ist auch der Reading Room, ein kreisrunder Lesesaal, in dem schon Mahatma Gandhi und Karl Marx studierten. Rechtzeitig zum Millennium ist der Queen Elizabeth II Great Court (Architekt: Norman Foster) fertiggestellt worden. Es ist der größte überdachte Innenhof Europas.

Das Victoria and Albert Museum im Stadtteil South Kensington verfügt über eine Sammlung von Kunstschätzen aus aller Welt, darunter Skulpturen, Kleidung und Kostüme, kostbare Porzellan- und Glasgefäße, Möbelstücke und Musikinstrumente. Unweit davon befinden sich das Science Museum (Wissenschaftsmuseum) und das Natural History Museum (Naturhistorisches Museum).

Im Science Museum werden in den auf fünf Ebenen angeordneten Galerien Ausstellungen aus den Bereichen Astronomie, Meteorologie, Biochemie, Elektronik, Navigation, Luftfahrt und Fotografie gezeigt. Zu den Klassikern unter den Ausstellungsstücken zählen Teleskope von Galileo Galilei und ein Mikroskop von George Adams, die erste Dampflokomotive Puffing Billy, das erste Telefon von Alexander Graham Bell, ein Rolls-Royce aus dem Jahre 1909, ein Flugapparat von Otto Lilienthal sowie die Kommandokapsel des Raumschiffs Apollo 10.

Das Natural History Museum beinhaltet etwa 40 Millionen verschiedene Objekte aus der Flora und Fauna, darunter zahlreiche Dinosaurierskelette, Fossilien (unter ihnen ein Archaeopteryx), ein 30 Meter langes Skelett eines Blauwals oder das Modell des um 1690 ausgestorbenen Dodo-Vogels.

Die National Gallery am Trafalgar Square besitzt eine reichhaltige Gemäldesammlung, die von den frühen Anfängen in Italien bis hin zu Werken von Cézanne und Seurat reicht. Nebenan befindet sich die National Portrait Gallery, in der über 9.000 Porträts ausgestellt sind. Im Jahre 1897 ist die Tate Gallery auf der Uferstraße zwischen Chelsea und Westminster eröffnet worden. Sie umfasst die größte Sammlung britischer Gemälde vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Gegenüber der Saint Paul’s Cathedral ist im Juni 2000 die Tate Modern, ein Ableger der Tate Gallery, eröffnet worden.

Das Imperial War Museum (Reichskriegsmuseum) ist eines der bedeutendsten Kriegsmuseen weltweit. Es zeigt in erster Linie Exponate aus den beiden Weltkriegen, wie Kanonen und Fahrzeuge. Eine von vier Etagen widmet sich ausführlich dem Dritten Reich. Kleinere Abteilungen gelten einigen anderen Kriegen des 20. Jahrhunderts wie beispielsweise dem Vietnamkrieg und dem Falklandkrieg. Zusätzlich gibt es Wechselausstellungen.

Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett ist eine der größten Attraktionen der Hauptstadt. Ausgestellt werden lebensnah nachempfundene Wachsfiguren von historischen Gestalten und Personen der aktuellen Zeitgeschichte, wie Sportler, Filmstars, Modeschöpfer und Models. Einen Platz in der Ausstellung von Madame Tussaud zu erhalten, zählt heute zu den größten Ehren, die einem Menschen zuteil werden kann. Die Gründerin des 1835 eröffneten Museums war Marie Tussaud (1761–1850).

Direkt in der City liegt das Museum of London, dessen Ausstellungen die Entwicklung Londons von seinen Anfängen bis zum heutigen Tag zeigt. Weitere bekannte Museen und Ausstellungen sind die Cabinet War Rooms, das London Transport Museum, Somerset House und das Sherlock Holmes Museum in der Baker Street 221B.

Seit 2001 ist der Eintritt in sämtliche staatlichen Museen und Galerien kostenlos. Davon ausgenommen ist Madame Tussauds, da es sich um eine private Ausstellung handelt. Auch in den Cabinet War Rooms wird Eintritt verlangt. Den CWR ist das Churchill-Museum angeschlossen, für dessen Besuch kein separater Eintritt verlangt wird.

Bauwerke

Straßen und Plätze

Der Trafalgar Square ist ein großer Platz im Zentrum der britischen Hauptstadt, als deren eigentliches Zentrum er vielen gilt. Er ist der größte Platz Londons und seit dem Mittelalter ein zentraler Treffpunkt. 2003 wurde er nach einem größeren Umbau wiedereröffnet. In der Mitte des Platzes steht ein Denkmal, das die Londoner als Dank für Admiral Nelsons Sieg der Briten über die Franzosen in der Schlacht von Trafalgar setzten. Die 1842 erbaute Nelson Column (deutsch: Nelsonsäule) mit dem Admiral auf der Spitze ist mit 55 Metern so hoch wie Nelsons Flaggschiff HMS Victory vom Kiel bis zur Mastspitze.

Etwa zwei Drittel der Strecke von Trafalgar Square bis Parliament Square heißt Whitehall, das restliche Drittel heißt Parliament Street. Der Kenotaph, das wichtigste Kriegsdenkmal in Großbritannien, befindet sich in der Mitte der Straße und ist der Ort der jährlichen Gedenkfeiern am Remembrance Day. Der zentrale Teil der Straße wird von militärischen Gebäuden beherrscht, darunter das britische Verteidigungsministerium (englisch: Ministry of Defence) und die früheren Hauptquartiere der British Army (heute Horse Guards) und der Marine (englisch: Royal Navy oder Admiralty).

Die Downing Street ist die berühmte Straße im Stadtzentrum, auf der sich seit mehr als zweihundert Jahren die offiziellen Amts- und Wohnsitze von zwei der wichtigsten britischen Regierungsmitglieder befinden – des Premierministers des Vereinigten Königreichs und des Schatzkanzlers. Die berühmteste Hausnummer in der Downing Street ist die Nr. 10. Hier befindet sich der offizielle Amts- und Wohnsitz des ersten Lords des Schatzamtes und somit des Premierministers, da beide Ämter von ein und derselben Person bekleidet werden. Die Downing Street ist eine Seitenstraße der Whitehall im Zentrum von London, nur wenige Schritte vom Parlamentsgebäude entfernt und läuft in Richtung des Buckingham Palace.

Die Straße Piccadilly befindet sich in der Innenstadt und gehört zu den bekanntesten Straßen der Stadt. Sie erstreckt sich vom Piccadilly Circus im Nordosten bis zum Hyde Park Corner im Südwesten. Sehenswert ist das vor allem auf Lebensmittel spezialisierte Geschäft Fortnum & Mason aus dem Jahre 1707, das Hotel Ritz mit seiner neoklassizistischen Architektur von 1906 und die Royal Academy of Arts aus dem Jahre 1868 im Burlington House. Der Piccadilly Circus ist vor allem durch seinen Eros-Brunnen und die riesige Leuchtreklamewand an einem gewundenen Eckhaus bekannt. Der Platz wurde 1819 erbaut, um die Regent Street mit der Einkaufsstraße Piccadilly zu verbinden. Aufgrund seiner zentralen Lage im Herzen des West Ends, seiner Nähe zu großen Einkaufs- und Vergnügungsmöglichkeiten sowie zu den großen Verkehrsadern, die sich hier kreuzen, ist er ein sehr stark besuchter Treffpunkt.

Weltliche Bauwerke

Tower of London

Am nördlichen Ufer der Themse befindet sich der Tower von London, ein im Mittelalter errichteter Komplex aus mehreren befestigten Gebäuden entlang des Flusses, der als Festung, Waffenkammer (stronghouse), königlicher Palast und Gefängnis, insbesondere für Gefangene der Oberklasse, diente. Außerdem waren dort die Münze, das Staatsarchiv, ein Waffenarsenal und ein Observatorium untergebracht.

Bis zu Jakob I. wohnten alle englischen Könige und Königinnen zeitweise dort. Es war üblich, dass der Monarch vor dem Tag seiner Krönung im Tower übernachtete und dann in feierlichem Zug durch die Stadt nach Westminster ritt. Heute werden im Tower die britischen Kronjuwelen aufbewahrt, ferner eine reichhaltige Waffensammlung.

1078 ordnete Wilhelm der Eroberer an, den White Tower hier zu bauen. Er sollte die Normannen vor den Menschen der City of London aber auch London überhaupt schützen. In den folgenden Jahrhunderten wurde die Festung ständig erweitert. Sie wird von einem breiten Wassergraben umgeben. Ein Außenwall schützt die inneren Gebäude. In der Mitte des Geländes steht der mächtige „Weiße Turm“. Von weitem wirkt er quadratisch, aber drei der Ecken bilden keine rechten Winkel und alle vier Seiten sind verschieden lang. Die UNESCO hat das Bauwerk 1988 zum Weltkulturerbe der Menschheit erklärt.

Tower Bridge

Die Tower Bridge ist eine Straßenbrücke über die Themse. Sie verbindet die City of London auf der Nordseite mit dem Stadtteil Southwark im gleichnamigen Stadtbezirk (London Borough of Southwark) auf der Südseite. Es handelt sich hierbei um eine im neugotischen Stil errichtete Klappbrücke und um die am östlichsten gelegene Themsebrücke; darüber führt die Hauptstraße A100.

Am Nordufer befinden sich der Tower of London (nach dem die Brücke benannt ist) und die St Katharine Docks, am Südufer die City Hall. Die Brücke ist im Besitz von Bridge House Estates, einer Wohlfahrtsorganisation der City of London Corporation, die auch für den Unterhalt zuständig ist. Gelegentlich wird die Tower Bridge fälschlicherweise London Bridge genannt, diese jedoch ist die nächste Brücke stromaufwärts.

Die Tower Bridge ist 244 Meter lang, die Höhe der beiden Brückentürme beträgt 65 Meter. Die Fahrbahn zwischen den 61 Meter voneinander entfernten Türmen liegt neun Meter über dem Fluss, die Fußgängerbrücke 43 Meter. Die beiden Basküle können bis zu einem Winkel von 83 Grad hochgeklappt werden, um größeren Schiffen die Durchfahrt zu ermöglichen. Fertiggestellt wurde die Tower Bridge im Jahre 1894.

Palace of Westminster

Bekanntester Turm in London ist der 98 Meter hohe Glockenturm, in dem sich Big Ben befindet, die mit 13 Tonnen schwerste der fünf Glocken, welche den bekannten Westminsterschlag spielen. Er ist ein Teil des Palace of Westminster, einem monumentalem, im neugotischen Stil errichtetem Gebäude, in dem das aus dem House of Commons und dem House of Lords bestehende britische Parlament tagt. Der Palast befindet sich in der City of Westminster am Parliament Square, in unmittelbarer Nähe zu Whitehall. Er wurde von der UNESCO 1987 zum Weltkulturerbe erklärt.

Der älteste erhaltene Teil des Palastes ist die Westminster Hall aus dem Jahr 1097. Ursprünglich diente er als Residenz der englischen Könige, doch seit 1529 hat kein Monarch mehr hier gelebt. Vom ursprünglichen Gebäude ist nur wenig erhalten geblieben, da es im Jahr 1834 bei einem verheerenden Großbrand fast vollständig zerstört wurde. Der für den Wiederaufbau verantwortliche Architekt war Charles Barry.

Die wichtigsten Räume des Palastes sind die Ratssäle des House of Commons und des House of Lords. Daneben gibt es rund 1.100 weitere Räume, darunter Sitzungszimmer, Bibliotheken, Lobbys, Speisesäle, Bars und Sporthallen. Der Begriff Westminster ist im britischen Sprachgebrauch oft gleichbedeutend für den Parlamentsbetrieb, ist also ein Metonym für Parlament.

Buckingham Palace

Der Buckingham Palace im Stadtbezirk City of Westminster ist die offizielle Residenz des britischen Monarchen in London. Neben seiner Funktion als Wohnung von Königin Elisabeth II. dient er auch als Austragungsort für offizielle Anlässe des Staates. So werden in ihm ausländische Staatsoberhäupter bei ihrem Besuch in Großbritannien empfangen. Daneben ist er ein wichtiger Anziehungspunkt für Touristen. Die ursprüngliche georgianische Inneneinrichtung beinhaltete auf Vorschlag von Sir Charles Long die großzügige Verwendung von Marmormalerei („Scagliola“) in leuchtenden Farben sowie blaue und rosafarbene Lapislazuli.

Unter König Eduard VII. fand eine großangelegte Neuausstattung im Stil der Belle Époque statt. Dabei wurde ein Farbschema aus einer Kombination von Cremetönen und Gold verwendet. Viele der kleineren Empfangsräume sind im chinesischen Regency-Architekturstil gehalten. Sie wurden mit Möbelstücken und Dekorationen ausgestattet, die nach dem Tod König Georgs IV. aus dem Royal Pavilion in Brighton sowie aus Carlton House herbeigeschafft wurden.

St. James’s Palace

Der St. James’s Palace befindet sich in der City of Westminster. Das Gebäude war bis 1837 die offizielle Londoner Residenz des jeweiligen britischen Monarchen. Er ist heute noch der offizielle Verwaltungssitz des königlichen Hofes. Hier werden die Botschafter Großbritanniens akkreditiert. Auch die Proklamation eines neuen Monarchen findet hier statt. Das Gebäude wurde in der Zeit von 1532 bis 1540 durch Heinrich VIII. errichtet.

Heute wird der Palast vom Prince of Wales und anderen Verwandten der Königin bewohnt. Der frühere Sitz der britischen Königinmutter, Clarence House, liegt innerhalb der Palastmauern. Das Anwesen wird nur durch den St. James’s Park vom Buckingham Palace getrennt. Ein interessantes Schauspiel ist die Wachablösung am Palast. In den Sommermonaten April bis Juli findet diese täglich, ansonsten alle zwei Tage statt.

Hampton Court Palace

Hampton Court Palace ist ein Schloss im Stadtbezirk Richmond upon Thames, unmittelbar neben dem Bushy Park. Gebäude und Parkanlagen wurden unter den verschiedenen Bewohnern verändert und erweitert, sodass heute Architekturelemente des Tudorstils und des englischen Barock erhalten sind. Das Schloss war Wohnsitz zahlreicher britischer Könige und Königinnen.

Seit der Regierungszeit Georg III. bewohnen britische Monarchen andere Londoner Schlösser und Königin Viktoria öffnete 1838 den Palast für die Öffentlichkeit. Teilbereiche des Palastes wurden an verdiente Veteranen vermietet. 1986 brach in solch einer Wohnung ein Feuer aus, das den Palast teilweise zerstörte. Die Wiederaufbaumaßnahmen dauerten bis 1995 an.

Kensington Palace

Der Kensington Palace liegt im Stadtbezirk Kensington and Chelsea. Das von Sir Christopher Wren umgestaltete Schloss war früher ein privater Landbesitz und wurde im Jahre 1689 von Mary II. und Wilhelm III. ausgebaut, um im Winter nicht die Feuchtigkeit der Whitehall ertragen zu müssen. In den nächsten 70 Jahren wurde der Palast immer wichtiger für das gesellschaftliche und politische Leben des Landes.

Zu Lebenszeiten von George I. und George II. wurde das Anwesen verschwenderisch mit Prunkgemächern ausgestattet und erhielt eine herausragende Möbel- und Gemäldesammlung. Besonders bekannt sind vor allem die aufwendigen Deckenverzierungen von William Kent. Nachdem George II. im Jahre 1760 plötzlich starb, verlor das Gebäude immer mehr an Bedeutung. Bis heute lebte nie wieder ein regierender Monarch hier. Allerdings werden Teile des Palastes von Mitgliedern der Königsfamilie bewohnt.

Wolkenkratzer

Östlich des Stadtzentrums befinden sich beidseits der Themse die Docklands, zu denen auch Canary Wharf mit dem One Canada Square gehört. Mit einer Höhe von 236 Metern und 50 Stockwerken ist es das höchste bewohnbare Gebäude in Großbritannien. (Der Fernsehturm Emley Moor, das höchste freistehende Bauwerk Großbritanniens bei Huddersfield, ist 330 Meter hoch.)

Der im Jahr 1991 vollendete Wolkenkratzer wurde nach Kanada benannt, weil er von der kanadischen Firma Olympia and York gebaut worden war. Architekt war César Pelli. Es gibt keine Aussichtsplattform und die oberen Stockwerke des Gebäudes sind für Touristen allgemein nicht zugänglich, allerdings befindet sich im Untergeschoss ein Einkaufszentrum.

Das Gebäude wird flankiert von zwei weiteren Wolkenkratzern, die zehn Jahre später entstanden sind und beide 200 Meter hoch sind: HSBC Tower (8 Canada Square) und Citigroup Centre (25 Canada Square). Weitere Wolkenkratzer befinden sich im Zentrum Londons, darunter der Tower 42 und 30 St Mary Axe. (Siehe auch Liste der höchsten Bauwerke in London.)

Seit der Jahrtausendwende erlebt London im Bereich der Wolkenkratzer einen Bauboom, der sich unter anderem in der 306 Meter hohen Shard London Bridge, dem 288 Meter hohen Bishopsgate Tower und rund dreißig weiteren Wolkenkratzern mit einer Höhe von mehr als 150 Metern zeigt. Der Shard London Bridge wird bei seiner Fertigstellung im Jahre 2012 nach dem 354 Meter hohen Moskauer Hochhaus Federazija das zweithöchste Gebäude Europas sein.

London Eye

Am Südufer der Themse, nahe der Westminster Bridge, steht das Riesenrad London Eye. Die Anlage, die mit einer Höhe von 135,36 Metern bis Anfang 2006 das höchste Riesenrad der Welt war, sollte bereits zum Jahreswechsel 2000 fertiggestellt werden. Aufgrund von Sicherheitsmängeln ist die Konstruktion aber erst einige Wochen später in Betrieb genommen worden.

Das London Eye besitzt 32 fast vollständig aus Glas geformte Kapseln, in denen jeweils bis zu 25 Personen Platz finden. Das Rad dreht sich mit einer Geschwindigkeit von 0,26 m/s und braucht für eine Umdrehung 30 Minuten. Sind die Sichtverhältnisse optimal, kann man vom Riesenrad aus bis zu 40 Kilometer weit sehen, unter anderem bis zum etwas außerhalb der Stadt gelegenen Schloss Windsor. Drehachse und Stützen des Riesenrads wurden von der tschechischen Maschinenbaufirma Škoda geliefert.

Battersea Power Station

Die Battersea Power Station ist ein Kohlekraftwerk im Stadtteil Wandsworth, das von 1933 bis 1983 in Betrieb war. Das markante und zugleich umstrittene Wahrzeichen Londons ist eines der größten Ziegelgebäude Europas und befindet sich am Südufer der Themse in der Nähe der Grosvenor Bridge.

Die Battersea Power Station ist auf Musikalben zahlreicher britischer Pop- und Rockbands abgebildet. Am bekanntesten ist die Abbildung auf dem Cover des 1977 erschienenen Albums Animals von Pink Floyd, das das Elektrizitätswerk mit einem großen Plastikschwein zwischen den Kaminen schwebend zeigt. Weitere Beispiele sind das Album Quadrophenia von The Who (1973), Adventures Beyond The Ultraworld von The Orb, Live Frogs: Set 2 von Les Claypool’s Frog Brigade (eine Coverversion von Animals) und Power Ballads von London Electricity.

Thames Barrier

Die Thames Barrier auf der Themse im Stadtteil Woolwich ist das größte bewegliche Flutschutzwehr der Welt. Die Planungen für das Bauwerk begannen nach einer schweren Sturmflut im Jahre 1953, bei der 307 Menschen ums Leben kamen. 1974 wurde mit dem Bau begonnen. Die Einweihung erfolgte am 8. Mai 1984 durch Königin Elisabeth II.

Das Sperrwerk besteht aus zehn schwenkbaren Toren. Um den Schiffsverkehr nicht zu behindern, sind sie im offenen Zustand auf den Boden der Themse abgesenkt. Schiffe mit bis zu 16 Metern Tiefgang können dann problemlos das Sperrwerk passieren. Die vier mittleren Tore, durch die der Schiffsverkehr läuft, sind je 60 Meter breit, 10,5 Meter hoch und wiegen je 1.500 Tonnen. Das gesamte Bauwerk hat eine Länge von 523 Metern. Droht eine Sturmflut, können die Tore innerhalb von 15 Minuten geschlossen werden.

Sakrale Bauwerke

Saint Paul’s Cathedral

In der City of London, etwa 300 Meter nördlich der Themse, steht die Saint Paul’s Cathedral, die Hauptkirche der Anglikanischen Kirche in London. Die Schnitzarbeiten des Chorgestühls stammen von Grinling Gibbons, die Schmiedeeisernen Chorschranken von Jean Tijou. Erst 1890 wurden die Glasmosaiken an der Decke über dem Chor von William Richmond fertiggestellt. Der Hochaltar, nach Plänen Wrens gebaut, ist das Werk von Dykes Bower und Godfrey Allan, die ihn 1958 vollendeten.

Die Kathedrale hat eine kreuzförmige Grundfläche, die in Ost-West Richtung ausgerichtet ist. In der Mitte dieses Kreuzes befindet sich eine Kuppel, auf der sich eine 750 Tonnen schwere Laterne befindet, die in 111 Meter Höhe endet. Um diese gewaltige Last abzuleiten, befindet sich zwischen der äußeren und der inneren Kuppel ein konischer Steinaufbau, der auf den massigen Vierungspfeilern ruht.

An der Kuppelbasis in etwa 30 Meter Höhe befindet sich in der Kirche ein ringförmiger Umgang mit einem Durchmesser von 34 Meter, die sogenannte Whispering Gallery, die Flüstergalerie. Der Schall wird hier durch die gebogenen Wände immer wieder zurück in das Innere des Rings reflektiert, sodass ein geflüstertes Wort auf die andere Seite der Kuppel getragen werden kann. Sie ist 365 Fuß hoch, einen Fuß für jeden Tag im Jahr.

Steigt man bis zur Spitze hinauf, so gelangt man auf die Golden Gallery, mit der Möglichkeit einer Aussicht über London. Unter der Kirche befindet sich eine weitläufige Krypta, in der zahlreiche bedeutende Persönlichkeiten der britischen Geschichte beigesetzt sind.

St. Margaret’s Church

Die St. Margaret’s Church ist eine anglikanische Kirche. Sie befindet sich im Stadtteil City of Westminster am Parliament Square, unmittelbar neben der Westminster Abbey und gegenüber dem Palace of Westminster. Es ist die Pfarreikirche des britischen Parlaments.

Sehenswert ist das östliche Fenster mit flämischer Glasmalerei aus dem Jahr 1509, angefertigt in Erinnerung an die Verlobung von Arthur Tudor, dem älteren Bruder von Heinrich VIII., mit Katharina von Aragón. Andere Glasfenster erinnern an William Caxton, den ersten englischen Buchdrucker, Sir Walter Raleigh, der hier 1618 begraben wurde, und an den Poeten John Milton, ein Mitglied der Kirchgemeinde.

Zu den Personen, die in der Kirche ihre letzte Ruhestätte fanden, gehört der böhmische Kupferstecher Wenzel Hollar. Zahlreiche Berühmtheiten wurden in St. Margaret’s getraut, darunter Samuel Pepys und seine Frau sowie Winston Churchill und Clementine Hozier. Die Kirche wurde 1987 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.

Westminster Abbey

Westminster Abbey ist eine Kirche im Stadtteil City of Westminster. Traditionell werden hier die Könige von England gekrönt und beigesetzt. Die Stiftskirche des Kollegiatstifts St. Peter, Westminster gehört zur Kirche von England, ist aber aufgrund ihrer Funktion keiner Diözese zugehörig, sondern Eigenkirche (royal peculia) der britischen Monarchie.

Der Haupteingang befindet sich an der Westseite. Das Portal wird von Darstellungen der vier christlichen Tugenden Wahrheit, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Friede sowie von Märtyrern des 20. Jahrhunderts gerahmt. Im Mittelschiff liegt das Grab des Unbekannten Soldaten. In Erde von den belgischen Schlachtfeldern ruht dort ein unbekannter Soldat des Ersten Weltkriegs „inmitten der Könige, weil er seinem Gott und Vaterland gut diente“, wie eine Inschrift auf schwarzem Marmor verkündet. Den Gefallenen beider Weltkriege wird auch in der St.-Georgs-Kapelle gedacht.

Im linken (nördlichen) Querschiff sind zahlreiche berühmte britische Staatsmänner bestattet, unter anderem William Pitt, Palmerston, Benjamin Disraeli und William Gladstone. Vom nördlichen Teil des Querschiffs betritt man die hinter dem Hochaltar gelegene „Kapelle Eduards des Bekenners“. In der Mitte befindet sich der Sarg des 1066 gestorbenen Königs. Dahinter steht der Krönungsstuhl, in dem sich bis 1996 der Stein von Scone befand.

 Auf diesem Stein wurden jahrhundertelang die schottischen Könige gekrönt, bis ihn Eduard I. im Jahr 1297 den Schotten abnahm. Zu Weihnachten 1950 wurde der Stein gestohlen und erst nach langem Suchen wiedergefunden. 1996 wurde er offiziell an Schottland zurückgegeben und befindet sich seitdem im Schloss von Edinburgh. Der Stein gilt als ein Symbol für die Einheit der Königreiche England und Schottland.

 In dieser Kapelle befinden sich außerdem die Särge von Heinrich III., Eduard I., Eduard III., Richard II. und Heinrich V.. Die UNESCO erklärte die Kirche 1987 zum Weltkulturerbe.

Westminster Cathedral

Die Westminster Cathedral ist die katholische Hauptkirche von Wales und England. Sie befindet sich in der City of Westminster. Erzbischof Wiseman (1802–1865) begann mit den Spendensammlungen für die neue Kathedrale. Er war der erste römisch-katholische Kardinal und Erzbischof in England nach der Reformation. Doch erst im Jahre 1895 konnte mit dem Bau begonnen werden. Eröffnet wurde die Kathedrale im Jahre 1903.

Man entschied sich beim Bau für den byzantinischen Stil. Von außen besticht das Gebäude durch die aufwendig gestaltete Backsteinfassade, die hohe Kuppel und nicht zuletzt durch den für diese Breiten völlig untypischen freistehenden Glockenturm. Im Inneren überrascht sie durch die Raumwirkung und vor allem durch die Mosaiken an Decken und Wänden, die ständig vervollständigt werden. In der Holy Souls Chapel im Seitenschiff wurden mehr als 100 verschiedene Marmorsorten verarbeitet.

Neasden Temple

Der Neasden Temple (Shri Swaminarayan Mandir) im Stadtbezirk Brent ist nach dem Tempel in Tividale (West Midlands) der größte Hindu-Tempel außerhalb Indiens. Errichtet wurde er in den 1990er-Jahren von einer hinduistischen Sekte, der Swaminarayan-Mission aus Ahmedabad (Indien). Die Kuppeln und Türmchen bestehen aus Carrara-Marmor und bulgarischem Kalkstein; innen sind die Altäre mit Blumenschmuck hinduistischer Götter (Murtis) ausgestattet. Jeder der 26.300 bearbeiteten Steine besitzt ein anderes Motiv.

Innerhalb von drei Jahren wurde das Bauwerk zusammengefügt und am 20. August 1995 eröffnet. In der Konstruktion ist auf Eisenträger verzichtet worden, da Stahl nach hinduistischem Verständnis Magnetwellen abstrahle, die die Meditationsruhe stören. Der Tempel beherbergt die ständige Ausstellung „Understanding Hinduism“ (Begreifen des Hinduismus) und ein Kulturzentrum.

Parks

London besitzt eine große Anzahl von luxuriösen Grünanlagen. Über 200 Parkanlagen breiten sich auf rund 220 Quadratkilometern aus. Die Royal Parks waren einst den englischen beziehungsweise britischen Monarchen vorbehalten und wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts in öffentlich zugängliche Parkanlagen umgewandelt.

Greenwich Park ist einer dieser königlichen Parks in London. Er liegt im Stadtbezirk Greenwich im Südosten von London. 1997 wurden der Greenwich Park und die dazugehörigen Gebäude von der UNESCO zum Weltkulturerbe der Menschheit erklärt. Am Nordrand des 73 Hektar großen Geländes befinden sich das National Maritime Museum und das Queen’s House, ein ehemaliger königlicher Palast. Auf einem Hügel in der Mitte des Parks befindet sich das Royal Greenwich Observatory. Der kleine Platz vor dem Observatorium wird durch eine Statue von General James Wolfe geschmückt.

Der Hyde Park mit der Marble Arch und dem Speakers’ Corner, der an die Kensington Gardens angrenzt, ist lange Zeit als die „Lunge Londons” bezeichnet worden. Von eleganten Wohngebäuden umgeben, die für den Prinzregenten entworfen wurden, ist der Regent’s Park im Norden des West Ends. Dieser Park beinhaltet auch den zoologischen Garten (London Zoo). Mitten im Stadtzentrum befinden sich der Green Park und der St. James’s Park.

Die Royal Botanic Gardens (Kew Gardens) sind eine ausgedehnte Parkanlage mit bedeutenden Gewächshäusern. Sie sind zwischen Richmond upon Thames und Kew im Südwesten Londons gelegen und zählen zu den ältesten botanischen Gärten der Welt. Es sind dort Pflanzen und Gewächse zu sehen, die nirgendwo sonst in Europa oder gar auf der nördlichen Halbkugel anzutreffen sind. Neben den weltbekannten viktorianischen Gewächshäusern finden sich in Kew Gardens auch großflächige Parkanlagen mit sehr alten Rhododendrongewächsen. Am 3. Juli 2003 wurden die Royal Botanic Gardens von der UNESCO in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.

Richmond Park ist mit einer Fläche von zehn Quadratkilometern der größte der königlichen Parks. Er liegt in den Stadtbezirken Richmond upon Thames und Kingston upon Thames im Südwesten von London. Ursprünglich war Richmond Park das Hirschjagdgebiet von König Edward I., heute ist er der größte ummauerte Park Europas in einem städtischen Gebiet. Hauptattraktionen sind eine Herde mit 650 Wapitis und Damhirschen, die freien Auslauf haben, sowie die Isabella Plantation, ein Gebiet mit zahlreichen seltenen Pflanzenarten.

Im Januar 2001 ist der Thames Barrier Park fertiggestellt worden; die Anlage entstand bei den Stauwerken der Themse (Thames Barrier) auf alten Dockanlagen. In den äußeren Stadtbezirken von London befinden sich noch einige weitere ausgedehnte Grünflächen, wie Bushy Park und Hampstead Heath.

Sport

In London gibt es 13 professionelle Fußballclubs; die meisten sind nach dem Stadtteil benannt, in dem sie ihre Heimspiele austragen. In der Premier League sind folgende Mannschaften vertreten: Arsenal, Chelsea, Fulham, Tottenham Hotspur und West Ham United. In der Football League Championship, der zweithöchsten Spielklasse, spielen Crystal Palace, Millwall und Queens Park Rangers.

In Wembley, einem Teil des Stadtbezirks Brent, befand sich das legendäre Wembley-Stadion. Dort fanden die Endspiele der Fußball-Weltmeisterschaft 1966 und der Fußball-Europameisterschaft 1996 statt. Es wurde mit der offiziellen Eröffnung im Jahr 2007 durch einen Neubau ersetzt. Das Stadion ist jährlich Austragungsort des Finales im FA Cup, dem größten rundenbasierten Pokalwettbewerb im englischen Fußball. Die Rugby League veranstaltet seit 1929 ihr Challenge Cup Finale im Stadion. Außer für besondere Ereignisse war Wembley auch für regelmäßige Veranstaltungen Austragungsort, wie zum Beispiel Windhundrennen oder Motorradrennen. Auch die Wrestling-Liga WWF (heute WWE) veranstaltete 1992 den Summerslam-Event im Wembley-Stadion.

Eine Attraktion ist das Boat Race zwischen den beiden renommiertesten englischen Universitäten, Oxford und Cambridge. Das berühmte Ruderrennen ihrer beiden Achter findet jährlich im März oder April auf der Themse statt.

Sehr beliebt in London ist Cricket. Die Mannschaft des Middlesex County Cricket Club spielt in Lord’s, dem berühmtesten Cricketstadion der Welt, welches dem Marylebone Cricket Club gehört, die Mannschaft des Surrey County Cricket Club im Stadion The Oval.

In Wimbledon findet jeweils im Juni das wichtigste der Grand-Slam-Tennisturniere statt. Im Twickenham Stadium finden nationale und internationale Rugby-Spiele statt. Im April wird jeweils der London-Marathon durchgeführt, einer der beliebtesten Marathonläufe der Welt überhaupt.

Der Start der Tour de France 2007 fand im Juli in London statt.

Mit der Vergabe der Olympischen Sommerspiele 2012 an die britische Hauptstadt ist London die erste Stadt, welche zum dritten Mal – nach 1908 und 1948 – Austragungsort der Spiele sein wird.

Regelmäßige Veranstaltungen

Am 1. Januar findet die Neujahrsparade vom Parliament Square bis zum Berkeley Square statt. Das chinesische Neujahrsfest in Chinatown im Stadtteil Soho findet am zweiten Neumond nach der Wintersonnenwende, also zwischen dem 21. Januar und 21. Februar statt. Da der chinesische Kalender im Gegensatz zum gregorianischen Kalender astronomisch definiert ist, fällt das chinesische Neujahr jedes Jahr auf einen anderen Tag.

Mit einer Kranzniederlegung vor dem Banqueting House und einer Prozession ab St. James’s Palace wird Ende Januar an die Hinrichtung König Karls I. am 30. Januar 1649 erinnert (Commemoration of King Charles I.).

Die Wachablösung (Changing of the Guard) der Queen’s Guard am Buckingham Palace gehört zu den ältesten und bekanntesten Zeremonien und findet an fast allen Tagen des Jahres statt. Die Ablösung wird durch Militärkapellen begleitet, die traditionelle Märsche, Stücke beliebter Theatershows des West Ends und bekannte Popsongs spielen.

Bei der rund 700 Jahre alten Schlüsselzeremonie (Ceremony of the Keys) werden die Haupttore des Tower of London jeden Abend vom Hauptwärter des Towers (Chief Yeoman Warder), eskortiert von Gardisten, verschlossen.

Salutschüsse werden am 6. Februar (Tag der Thronbesteigung), am 21. April (Geburtstag der Königin), am 2. Juni (Tag der Krönung) und am 10. Juni (Geburtstag des Duke of Edinburgh) abgefeuert. Fallen die Termine auf einen Sonntag, werden die Salutschüsse am folgenden Tag abgefeuert. Um 12 Uhr werden 41 Schüsse von der King’s Troop der Royal Horse Artillery im Hyde Park abgegeben und um 13 Uhr feuert die Ehrenartilleriekompanie (Honourable Artillery Company) 62 Schüsse beim Tower of London ab. Salutschüsse werden auch bei der Fahnenparade und der Parlamentseröffnung abgegeben.

Die Shakespeare’s Birthday Celebrations finden anlässlich von Shakespeares Geburtstag am 23. April jedes Jahr an dem Sonnabend, der diesem Tag am nächsten liegt, im Shakespeare’s Globe Theatre statt. Ein klassisches Musikfestival ist das Hampton Court Palace Music Festival Anfang bis Mitte Juni im Hampton Court Palace. Das City of London Festival wird mit Musik, Theater und Tanz von Ende Juni bis Mitte Juli an verschiedenen Orten veranstaltet. Promenadenkonzerte (The BBC Proms) gibt es von Juli bis September in der Royal Albert Hall.

Der Notting Hill Carnival, Europas größter Straßenkarneval mit karibischem Flair, findet Ende August in Notting Hill statt. Im September gibt es beim Thames Festival Kunst, Sport und zahlreiche Veranstaltungen auf dem Fluss zwischen der Waterloo- und der Blackfriars-Brücke. Jährlich am ersten Sonntag im Oktober findet in der Kirche St. Martin-in-the-Fields der Erntedankgottesdienst (Pearly Harvest Festival Service) der Londoner Markthändler (Cockney Pearly Kings and Queens) statt.

Die Trafalgar Day Parade anlässlich Admiral Horatio Nelsons Sieg in der Seeschlacht von Trafalgar kann man sich am 21. Oktober auf dem Trafalgar Square ansehen. Die Bonfire Night ist ein Feuerwerk zum Gedenken an die Aufdeckung der Schießpulververschwörung (Gunpowder Plot) gegen das englische Parlament und die Verhaftung ihres Anführers Guy Fawkes am 5. November 1605. Sie findet Sonnabendnacht um den 5. November in fast allen Teilen Londons statt.

Einkaufen

In der britischen Hauptstadt gibt es mehr als 30.000 Geschäfte. Eine Besonderheit der Stadt ist, dass sich in einigen Vierteln bestimmte Branchen konzentrieren. So befinden sich in der King's Road zahlreiche Modegeschäfte, in der Old und New Bond Street viele Designerläden und Galerien. Saville Row und Jermyn Street sind für seine Maßschneidereien bekannt, Oxford und Regent Street für seine Bekleidungsgeschäfte und großen Kaufhäuser wie beispielsweise Hamleys oder Selfridges.

In der Tottenham Court Road konzentrieren sich überwiegend Elektronik- und Computergeschäfte. Die Charing Cross Road ist bekannt für ihre Buchläden. Waterstones, einer der größten Buchläden der Welt, befindet sich am Piccadilly Circus. Zahlreiche Kleidungs- und Schuhgeschäfte sind in der Neal Street zu finden. Covent Garden beheimatet viele Spezialgeschäfte, Cafés und Stände, an denen Kunsthandwerk verkauft wird.

Große Einkaufspassagen sind der Leadenhall Market, die Burlington Arcade und die Piccadilly Arcade. Harrods ist eines der bekanntesten Kaufhäuser der Stadt. Das Gebäude befindet sich an der Brompton Road im Stadtbezirk Knightsbridge im Südwesten der Innenstadt. Berühmt ist die im Erdgeschoss liegende Lebensmittelabteilung, mit ihren sogenannten „Food Halls“ und deren unterschiedlichen Ausstattungen im Jugendstil. Sehenswert ist die Beleuchtung der Fassade, die aus rund 100.000 Glühlampen besteht. Am 30. Oktober 2008 eröffnete Europas größtes innerstädtisches Einkaufszentrum Westfield im Stadtteil Shepherd's Bush.[9]

Beim Besuch der Märkte Londons kann man die örtliche Kultur kennenlernen. Erwähnenswert sind der Wochenendmarkt in der Chalk Farm Road bei Camden Lock und der Antiquitäten- und Flohmarkt in der Portobello Road. Die Sonntagsmärkte in der Petticoat Lane und Brick Lane im Stadtteil Eastend bieten fast alles vom Obst und Gemüse bis zu Antiquitäten und Schmuck. Ein Blumenmarkt ist in der Columbia Road zu finden, Märkte für Antiquitäten und Kunsthandwerk befinden sich in Spitalfields und in der Camden Passage in Islington. Der Brixton Market an der Electric Avenue bietet eine große Auswahl an karibischem Essen.

Wirtschaft

In London haben die produzierenden Industriezweige seit vielen Jahren an Bedeutung verloren. Gegenwärtig sind lediglich noch zehn Prozent der Arbeitnehmer in diesem Sektor beschäftigt. Die Druck- und Verlagsindustrie schreibt noch die besten Umsatzzahlen. Sie stellt ein Viertel der genannten Arbeitsplätze und hat einen Anteil von einem Drittel an der gesamten Produktion in London.

Die High-Tech-Industrie, die auf elektronische und pharmazeutische Erzeugnisse spezialisiert ist, arbeitet erfolgreich mit hohen Umsätzen. Viele der Industriebetriebe, die sich überwiegend in den äußeren Stadtbezirken befinden, tendieren dazu, sich völlig aus London zurückzuziehen. Im Sektor der Leichtindustrie sind Bekleidungswerke und Brauereien vertreten.

Über den Hafen von London werden heute nur noch zehn Prozent des Binnen- und Außenhandels Großbritanniens abgewickelt. Seit 1971 ist die wirtschaftliche Wachstumsrate der Stadt mit 1,4 Prozent geringer als die des gesamten Landes in einer Höhe von 1,9 Prozent. Trotzdem weist London eine positive Handelsbilanz auf, was überwiegend auf den Dienstleistungssektor – insbesondere die Bereiche Finanzdienstleistungen und Tourismus – zurückzuführen ist. Jährlich besuchen etwa 27 Millionen Touristen die Stadt[10].

Die Hauptstadt besaß 2004 einen Anteil von 19 Prozent am nationalen Bruttoinlandsprodukt (BIP)[11]. Der Anteil der Metropolregion am britischen BIP lag 1999 bei 30 Prozent[12]. Mehr als die Hälfte der 100 größten Konzerne des Landes und über 100 der 500 größten Unternehmen in Europa haben ihren Hauptsitz in London. Die Stadt ist zudem weiterhin der größte der drei globalen Finanzplätze.

Die Internationale Börse des Vereinigten Königreichs und der Republik Irland befindet sich in der City of London. Die Aufhebung der Regulierungen, bekannt unter dem Begriff Big Bang, ermöglichte 1986 den Einstieg in die moderne Welt des elektronischen Finanzwesens. Die Warenbörse London Metal Exchange ist die bedeutendste der Welt, die Wertpapierbörse London Stock Exchange belegt weltweit den dritten Platz hinter der New York Stock Exchange und der Tokioter Börse. Der London Bullion Market ist der wichtigste außerbörsliche Handelsplatz für Gold und Silber. Hier wird seit 1919 der Weltmarktpreis für Gold und seit 1897 der Weltmarktpreis für Silber festgestellt. Die ICE Futures (früher „International Petroleum Exchange“, IPE) ist Handelsplattform für die in Europa führende Ölsorte Brent. Sie ist die größte Terminbörse für Optionen und Futures auf Erdöl, Erdgas und Elektrizität in Europa.

Einige der wichtigsten Banken des Landes, wie beispielsweise die Bank of England, Barclays, die Barings Bank und HSBC, haben ihren Sitz in der Hauptstadt. Mehrere Hundert internationale Banken besitzen Filialen in London. Ein anderer Dienstleistungsbereich sind die Versicherungen, denen die Stadt seit über 300 Jahren ihren Wohlstand verdankt. Lloyd’s of London ist die bekannteste Institution, nicht als Versicherungsgesellschaft im eigentlichen Sinn, sondern als eine Börse für Versicherungsverträge. Es ist eine Gemeinschaft von Versicherern, die fast jede Art von Versicherungen auf dem internationalen Markt übernimmt.

Eine Besonderheit der Londoner Stromversorgung stellte der Einsatz der HGÜ Kingsnorth, der bis heute einzigen innerstädtischen Anlage zur Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung dar. Diese 1975 in Betrieb genommene Anlage muss sich offenbar nicht sehr bewährt haben und wurde inzwischen stillgelegt. Für die Wasserversorgung der Stadt ist das privatisierte Unternehmen Thames Water zuständig. London verfügt über ein rund 150 Jahre altes Wasserleitungsnetz, in welches von jeher nur spärlich investiert wurde. Rund 30 Prozent des Leitungswassers versickern täglich im Londoner Untergrund.

Medien

Rundfunk und Fernsehen

London ist Hauptsitz bedeutender Rundfunk- und Fernsehanstalten wie (BBC, ITV, Channel 4, Five und BSkyB). Im Bush House zwischen Aldwych und Strand sind der BBC World Service und die Abteilung Neue Medien des BBCi beheimatet.

Die BBC wurde am 18. Oktober 1922 in London als unabhängiger Radiosender gegründet. Die erste Ausstrahlung eines Programms fand am 14. November 1922 aus einem Londoner Studio statt. Die BBC betreibt mehrere Rundfunk- und Fernsehsender.

Printmedien

Alle wichtigen Tages- und Wochenzeitungen des Landes haben ihren Sitz in London.

Die Boulevardzeitungen The Sun, Daily Express, Daily Mail (konservativ) und The Daily Mirror (Labour nahestehend) und ihre sonntäglich erscheinenden Schwesterzeitungen sind überwiegend die größten Zeitungen der Stadt und erreichen teilweise Auflagen in Millionenhöhe.

Der Daily Telegraph ist eine 1855 gegründete konservative Tageszeitung. Die Auflage beträgt 905.000 Exemplare (Stand 2005). Die Zeitung fällt häufig durch eine äußerst EU-kritische Berichterstattung auf. Schwesterzeitung ist das Wochenblatt The Sunday Telegraph. Ein weiterer Titel der Gruppe ist das Magazin The Spectator.

The Times ist eine konservative Tageszeitung mit einer Auflage von 693.000 Exemplaren. Außerhalb Großbritanniens wird sie manchmal als The London Times oder The Times of London bezeichnet, um sie von vielen anderen Zeitungen mit dem Namen Times zu unterscheiden. The Times wurde im Jahre 1785 als The Daily Universal Register gegründet.

The Guardian ist eine 1821 gegründete Tageszeitung mit einer Auflage von 380.000 Exemplaren. Sie wird zusammen mit dem Daily Telegraph und The Times zu den seriösen und angesehenen Zeitungen in Großbritannien gezählt – den „Quality Papers" –, in Abgrenzung zu den Boulevardblättern, den „Tabloids“. Ihre politische Gesamtausrichtung lässt sich als linksliberal beschreiben. Mit dem Observer erscheint im gleichen Verlagshaus auch eine bedeutende Sonntagszeitung, die die Ausrichtung ihrer Schwesterzeitung teilt.

The Independent ist eine der vier großen seriösen Tageszeitungen Großbritanniens. Die Sonntagsausgabe erscheint unter dem Namen The Independent on Sunday. Er ist ebenso wie The Guardian eher dem linken Meinungsspektrum zuzuordnen. The Independent wurde 1986 gegründet und hat eine Auflage von 260.000 Exemplaren.

Die Financial Times ist eine der wichtigsten Wirtschaftszeitungen der Welt, von der auch eine deutsche Ausgabe erscheint.

Nachrichtenagenturen

Mit Reuters hat eine der weltweit größten Nachrichtenagenturen ihren Sitz in der Hauptstadt. Das Unternehmen wurde von Paul Julius Reuter zunächst 1850 in Aachen gegründet, dort übermittelte er per Brieftauben Aktiendaten zwischen Aachen und Brüssel. Als zwischen den beiden Städten eine Telegrafenverbindung eingerichtet wurde, stellte Reuters den „Flug-Dienst“ ein. Nach seiner Emigration nach London gründete er erneut ein Unternehmen um über das Seekabel zwischen Dover und Calais Börsenkurse nach Paris zu übermitteln. Heute erwirtschaftet das Unternehmen 90 Prozent seines Umsatzes mit Börsen- und Wirtschaftsinformationen.

Verkehrswesen

London ist Dreh- und Angelpunkt des Straßen-, Schienen- und Luftverkehrs im Vereinigten Königreich. Das Verkehrswesen fällt in die direkte Zuständigkeit des Mayor of London, des Oberbürgermeisters, der die betrieblichen Belange an die Verkehrsgesellschaft Transport for London (TfL) delegiert. TfL ist für den größten Teil des öffentlichen Personennahverkehrs zuständig. Dazu gehören U-Bahn, Busse, Straßenbahnen und Stadtbahnen, nicht jedoch der Eisenbahnvorortsverkehr und der Flugverkehr. Darüber hinaus reglementiert TfL das Taxiwesen und ist für den Unterhalt der wichtigsten Hauptstraßen verantwortlich.

Schienenverkehr

Herzstück des öffentlichen Personennahverkehrs ist die London Underground, die älteste U-Bahn der Welt, deren erstes Teilstück im Jahr 1863 eröffnet wurde. Die U-Bahn wird jährlich von beinahe einer Milliarde Fahrgästen genutzt. Sie erschließt die Innenstadt und die meisten Vororte nördlich der Themse. Der Süden der Stadt wird hingegen hauptsächlich von einem engmaschigen Netz von Vorortseisenbahnlinien erschlossen.

Die fahrerlose Stadtbahn Docklands Light Railway erschließt das ehemalige Hafengelände der Docklands im Osten der Stadt und hat maßgeblich zur Regenerierung dieses Stadtteils beigetragen. Im südlichen Stadtteil Croydon fährt die Straßenbahn Tramlink.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen durchqueren Vororts- und Intercity-Schnellzüge nicht das Stadtgebiet, sondern verkehren zu und ab 14 Hauptbahnhöfen, die rund um die Innenstadt verteilt sind. Die Eurostar-Züge verbinden London durch den Eurotunnel mit Paris und Brüssel.

Straßenverkehr

Während im Stadtzentrum die meisten Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln erfolgen, wird der Verkehr in den äußeren Stadtteilen vom Auto dominiert. Die innere Ringstraße um das Stadtzentrum, die A406 (North Circular Road) und die A205 (South Circular) in den Vororten sowie die Autobahn M25 um das gesamte Ballungsgebiet herum verbinden zahlreiche radiale und vielbefahrene Ausfallstraßen miteinander. Autobahnen führen nur in Ausnahmefällen bis in die inneren Stadtteile.

Im Jahr 2003 wurde eine Innenstadtmaut mit dem Namen London Congestion Charge eingeführt, um das Verkehrsaufkommen in der von engen und oft verstopften Straßen in der Innenstadt zu reduzieren. Die zu zahlende Gebühr betrug bis zum 4. Juli 2005 5 Pfund, bis zum 3. Januar 2011 8 Pfund und wurde dann auf 10 Pfund pro Tag angehoben.

Das Netz der Londoner Busse erschließt sämtliche Stadtteile mit einem dichten Liniennetz. Täglich werden auf über 700 Linien rund sechs Millionen Fahrgäste befördert, etwa doppelt so viel wie mit der London Underground. Die roten Doppeldeckerbusse sind ebenso ein international bekanntes Symbol der Stadt wie die schwarzen Taxis.

Luftverkehr

London stellt mit Heathrow den meist frequentierten Flughafen Europas. Zusammen mit den weiteren vier internationalen Flughäfen Gatwick, Luton, Stansted und City Airport bildet die Metropole ein wichtiges Zentrum des internationalen Luftverkehrs. Im Jahr 2006 wurden insgesamt 137 Millionen Passagiere auf Londoner Flughäfen abgefertigt. Heathrow und City Airport befinden sich innerhalb von Greater London, die übrigen außerhalb. Gatwick, Heathrow und Stansted werden durch Airport-Express-Züge sowie Reisebusse verschiedener Anbieter mit der Innenstadt verbunden. Außerdem besitzt Heathrow als einziger der Londoner Flughäfen einen U-Bahn-Anschluss. Der City Airport ist auch über die Docklands Light Railway angebunden.

Daneben existieren in und um London mehrere Flugplätze für privaten und kommerziellen Luftverkehr. Dies sind Northolt Aerodrome, Biggin Hill Airport, Southend Airport und Farnborough Airfield.

Bildung

Universitäten

Die Universitäten und Hochschulen in London können auf eine lange Geschichte zurückblicken. London ist auch die Stadt mit den meisten Studenten. Die Universitäten Londons können in zwei Gruppen eingeteilt werden.

Die föderal organisierte University of London ist mit über 100.000 Studenten eine der größten Universitäten Europas. Sie besteht aus über 50 Colleges und Instituten, die über einen hohen Grad an Autonomie verfügen. Die größten und prestigeträchtigsten Colleges sind University College London, King’s College, Queen Mary, die London School of Economics and Political Science und die London Business School. Kleinere Schulen und Institute sind auf bestimmte Wissensgebiete spezialisiert, wie die School of Oriental and African Studies, das Institute of Education und das Birkbeck College.

Daneben existieren weitere Universitäten, die nicht der University of London angeschlossen sind, wie das Imperial College und die City University im historischen Stadtzentrum. Einige Universitäten waren früher Technische Hochschulen, bis sie 1992 durch eine Gesetzesänderung den Status einer Universität erhielten (so etwa die University of East London), während andere lange vor der der Gründung der University of London entstanden waren. Zu diesen zählen die Middlesex University im Norden Londons, die Brunel University im Westen und die London South Bank University.

Kunstschulen

London ist das britische Zentrum der künstlerischen Ausbildung. Die vier Konservatorien sind das Royal College of Music, die Royal Academy of Music, das Trinity College of Music und die Guildhall School of Music and Drama. Auf die Schauspielerei spezialisiert sind die Royal Academy of Dramatic Art (RADA), und die Central School of Speech and Drama.

Mit Kunst befassen sich das Central Saint Martins College of Art and Design, das Chelsea College of Art and Design und die Camberwell School of Art (alle Teil der University of the Arts London), daneben auch das Goldsmiths College und die Slade School of Fine Art (beide Bestandteil der University of London) sowie das Royal College of Art und die Wimbledon School of Art. Die ehemalige Hornsey School of Art ist heute ein Teil der Middlesex University.

Medizin und Forschung

Es gibt zahlreiche medizinische Fakultäten in London. Einige bestehen schon seit Jahrhunderten, darunter Queen Mary’s School of Medicine and Dentistry, Guy’s Hospital und St Thomas’ Hospital. Das Imperial College ist ein führendes Zentrum der wissenschaftlichen Forschung und ist hinsichtlich seiner Reputation mit dem Massachusetts Institute of Technology zu vergleichen. Ebenfalls von Bedeutung ist die Royal Institution.

Literatur

  • Survey of London. 34 Bände, 1894–2000. Digitalisat
  • Peter Ackroyd: London. Die Biographie. Deutsch von Holger Fließbach. Knaus, München 2002, ISBN 3-8135-0290-2. (Originaltitel: London. The Biography. Random House, London 2000, ISBN 0-09-942258-1.)
  • Stephen Inwood: A History Of London. Papermac, London 2000, ISBN 0-333-67154-6.
  • Norbert Kohl (Hg.): London. Eine europäische Metropole in Texten und Bildern. 2. Aufl., Insel Verlag, Frankfurt am Main 1980, ISBN 3-458-32022-9
  • Ingrid Nowel: London. Biographie einer Weltstadt. Architektur und Kunst, Geschichte und Literatur. DuMont-Reiseverlag, Ostfildern 2005, ISBN 3-7701-4382-5.

Einzelnachweise

  1. ↑ Focus on London 2007 - Chapter 2: Education and training. S. 4, abgerufen am 29. April 2010 (Englisch).
  2. ↑ a b Table 8 Mid-2007 Population Estimates: Selected age groups for local authorities in the United Kingdom; estimated resident population. Abgerufen am 29. April 2010 (Datei „Table_8_Local_Authority_selected_age_groups_2007.xls“ innerhalb des ZIP-Archives).
  3. ↑ a b Usual resident population: Census 2001, Key Statistics for urban areas. Abgerufen am 29. April 2010 (Englisch).
  4. ↑ World Weather Information Service. Abgerufen am 29. April 2010 (Englisch).
  5. ↑ Largest Mosque in western Europe. Abgerufen am 29. April 2010 (Englisch).
  6. ↑ a b c Office for National Statistics – Census 2001: Profiles London. Abgerufen am 29. April 2010 (Englisch).
  7. ↑ a b c Office for National Statistics – Geographic Distribution: Minority religions mainly in London. Abgerufen am 29. April 2010 (Englisch).
  8. ↑ Opening for biggest Hindu temple. 23. August 2006, abgerufen am 29. April 2010 (Englisch).
  9. ↑ About Westfield London Shopping Centre. Abgerufen am 29. April 2010 (Englisch).
  10. ↑ Visit London – London 101: One Hundred and One Amazing Facts About London. Abgerufen am 29. April 2010 (Englisch).
  11. ↑ Oxford Economic Forecasting – London’s Place in the UK Economy 2005-06. November 2005, S. 6, abgerufen am 29. April 2010 (Englisch).
  12. ↑ IAURIF – The Economic Positioning of Metropolitan Areas in North Western Europe. Abgerufen am 29. April 2010 (Seit dem 29. April 2010 nicht mehr erreichbar).

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Geschichte Londons

Die Geschichte Londons reicht 2.000 Jahre zurück. Zwar konnte die Existenz einer keltischen Siedlung nicht nachgewiesen werden, aber um das Jahr 50 n. Chr. gründeten die Römer die Stadt Londinium. Nach dem Ende des Römischen Reiches wurde die Stadt während der Eroberung Großbritanniens durch die Angelsachsen zerstört. Ende des 9. Jahrhunderts wurde London neu gegründet.

Nach der normannischen Eroberung im Jahr 1066 wurde London anstelle von Winchester Hauptstadt des Königreichs England. Im Mittelalter musste die Stadt mehrere Male Plünderungen durch aufständische Bauernheere erdulden. Durch die Reformation wurde die Macht der Kirche gebrochen, die bis dahin rund die Hälfte des Bodens besaß; die Neuverteilung kirchlicher Güter leitete eine Ära des wirtschaftlichen Wachstums ein und London stieg zu einer führenden Handelsstadt auf.

Mit der Großen Pest und dem Großen Brand prägten zwei unmittelbar aufeinander folgende Katastrophen die Jahre 1665 und 1666. Doch die Stadt erholte sich rasch von diesen Rückschlägen und nahm parallel zum größer werdenden Einfluss Englands weiter an Bedeutung zu. Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich London zur größten Stadt der Welt und zur Hauptstadt des weltumspannenden Britischen Empires; innerhalb weniger Jahrzehnte vervielfachte sich die Bevölkerung.

Der Ausbau der Verkehrsverbindungen führte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer fast ungebremsten Ausdehnung des bebauten Gebiets und London wuchs weit über seine historischen Grenzen hinaus. Während des Zweiten Weltkriegs wurden weite Teile der Stadt durch deutsche Luftangriffe zerstört. Nach Kriegsende sank die Einwohnerzahl beträchtlich, da viele Londoner sich in neuen Satellitenstädten niederließen. 1965 wurde die Verwaltungsregion Greater London geschaffen, die den gesamten Ballungsraum umfasst. Im brachliegenden Hafengebiet der Docklands begann in den 1980er Jahren ein umfangreiches Stadtentwicklungsprogramm, viele neue Hochhäuser und Wolkenkratzer entstanden.

Gründungslegenden und Vorgeschichte

Laut der Historia Regum Britanniae, der mittelalterlichen Mythologie von Geoffrey of Monmouth, wurde London durch den Trojaner Brutus gegründet, nachdem er die Riesen Gog und Magog besiegt hatte. Angeblich hieß die Stadt zuerst Troia Nova, woraus später Trinovantum wurde (die Trinovanten waren ein keltischer Stamm, der in der Gegend siedelte). Monmouth erzählte von zahlreichen sagenhaften Königen und schmückte sein Werk mit frei erfundenen Geschichten über das prähistorische London. So soll König Lud die Stadt in CaerLudein umbenannt haben, woraus sich später London ableitete. Angeblich wurde Lud unter dem Ludgate begraben, dem westlichen Stadttor Londons.

Trotz umfangreicher Ausgrabungen haben Archäologen bis heute keinerlei Spuren einer prähistorischen britannischen Siedlung entdeckt. Es gibt zwar einige verstreute Funde von landwirtschaftlichen Geräten und Gräbern sowie Spuren einer Besiedlung, die jedoch nicht von größerer Bedeutung sind. Heute gilt es als unwahrscheinlich, dass in vorrömischer Zeit eine Stadt existierte. Ausgrabungen der Abteilung für urbane Archäologie des Museum of London seit den 1970er Jahren konnten die Existenz einer bedeutenden Siedlung vor dem Jahr 50 n. Chr. nicht nachweisen. Der Fund weiterer Siedlungsspuren ist jedoch nicht ausgeschlossen, da selbst die römische Stadt nur zu einem Teil erforscht worden ist.

Aufschlussreiche Funde wie der Battersea-Schild in der Themse bei Chelsea deuten darauf hin, dass die Umgebung der späteren Stadt eine gewisse Bedeutung hatte. Es wurden Überreste von Dörfern bei Egham und Brentford und die Ruinen einer Hillforts in Uppall entdeckt, jedoch keine Stadt auf dem Gebiet der heutigen City of London. Mehrere Holzpfähle, die 1999 in der Themse gegenüber dem Gebäude des Secret Intelligence Service gefunden wurden, deuten auf die Existenz einer Brücke oder eines Bootsstegs vor rund 3500 Jahren hin.

Römer

Die Römer eroberten im Jahr 43 n. Chr., während der Regierungszeit von Kaiser Claudius, England. Archäologen gehen heute davon aus, dass Londinium ein paar Jahre nach der Invasion als zivile Siedlung entstanden ist. Entlang der einstigen, in Ost-West-Richtung verlaufenden römischen Hauptstraße wurde beim Neubau des Hauses No 1 Poultry eine hölzerne Abwasserleitung entdeckt.[1] Die dendrochronologische Untersuchung ergab, dass sie aus dem Jahr 47 n. Chr. stammt; dies gilt als wahrscheinlichstes Gründungsjahr der Stadt.

Man nimmt an, dass der Ortsname vorrömischen Ursprungs ist, auch wenn über die genaue Bedeutung Unklarheit herrscht. Der Linguist Richard Coates geht davon aus, dass der Ortsname vom vorkeltischen (ureuropäischen) Wort Plowonida abgeleitet wurde, was ungefähr „Siedlung am breiten Fluss“ bedeutet.[2] Eine andere Theorie lautet, dass der Ortsname keltischen Ursprungs ist und sich auf einen früher existierenden Bauernhof bezieht. Die Silbe Lond bedeutet „wild“ im Sinne von „überwachsen“ oder „bewaldet“. Inschriften und Wandzeichnungen lassen darauf schließen, dass Latein die Amtssprache war. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Einheimischen einen britannischen Dialekt sprachen. Die Stadt war etwa eine Meile lang und knapp eine halbe Meile breit.

Im Jahr 60 oder 61 wurde Londinium durch den von Königin Boudicca angeführten Stamm der Icener überfallen. Eine bei Ausgrabungen entdeckte Schicht roter Asche lässt darauf schließen, dass die Stadt in Brand gesteckt und zerstört wurde. Nach der blutigen Niederschlagung des Boudicca-Aufstands wurde Londinium in kurzer Zeit wieder aufgebaut und wuchs in den folgenden Jahrzehnten beständig an. Londinium ersetzte Camulodunum (Colchester) als Hauptstadt der Provinz Britannien und um das Jahr 120 wurde mit rund 60.000 Einwohnern der Bevölkerungshöchststand erreicht. Seine Blütezeit hatte Londinium um die Mitte des 2. Jahrhunderts. In der Stadt standen die größte Basilika nördlich der Alpen, ein Regierungspalast, Thermen sowie eine große Festung für die städtische Garnison. Es gab auch mehrere Tempel; die 1954 entdeckten Überreste eines Mithras-Tempels in der Straße Walbrook gelten als bedeutendster archäologischer Fund der Römerzeit. Vom London Stone aus sollen die Entfernungen zu anderen römischen Städten gemessen worden sein.

Londinium blieb nicht lange Hauptstadt von ganz Britannien. Diese römische Provinz wurde im Jahr 197 in die Provinzen Britannia superior (Oberbritannien) und Britannia inferior (Niederbritannien) mit der Hauptstadt Eboracum (York) geteilt. Etwa um diese Zeit entstand der London Wall, eine Befestigungsanlage an der nördlichen, flussabgewandten Seite. Die Mauer definierte während Jahrhunderten die Ausdehnung der Stadt, einzelne Überreste sind erhalten geblieben.

Bedingt durch politische Instabilität und andauernde Wirtschaftskrisen begann im 3. Jahrhundert ein schleichender Niedergang. Um das Jahr 300 änderte sich die Provinzeinteilung Britanniens erneut; Londinium war nun die Hauptstadt der Provinz Maxima Caesariensis. Ende des 4. Jahrhunderts war London eine noch relativ wohlhabende Stadt mit einer gesunkenen Bevölkerungszahl und einer zusätzlichen Mauer auf der flusszugewandten Seite. Die Römer erklärten im Jahr 410 offiziell das Ende der Besetzung und zogen ihre Legionen zurück. Die Bewohner Britanniens waren nun sich selbst überlassen. Bis Mitte des 5. Jahrhunderts konnte eine kleine Anzahl wohlhabender Familien den römischen Lebensstil noch aufrechterhalten.

Nach dem Ende des Römischen Reiches war die keltoromanische Bevölkerung Britanniens den Raubzügen germanischer Stämme zunehmend schutzlos ausgeliefert. Laut Beda Venerabilis handelte es sich dabei um die Angeln, Sachsen, Jüten und Friesen. Es gibt kaum Hinweise darauf, was in dieser Zeit geschah. Londinium war möglicherweise Sitz einer nachrömischen Verwaltung. Die Angelsächsische Chronik berichtet, die Britannier seien nach Londinium geflohen, nachdem sie in der Schlacht von Creganford (möglicherweise Crayford, ca. 457 n. Chr.) von den Jüten besiegt wurden. Ende des 5. Jahrhunderts war die Stadt eine unbewohnte Ansammlung von Ruinen.[3]

Angelsachsen

Während mehrerer Jahrzehnte blieb die strategisch günstige Position an der Themse von den Angelsachsen ungenutzt. Die unmittelbare Umgebung der zerstörten Stadt Londinium wurde vorerst nicht besiedelt. Im Hinterland beidseits des Flusses entstanden jedoch einzelne kleine Dörfer. Mitte des 6. Jahrhunderts wurde die Gegend in das Königreich Essex integriert, das später auch ganz Middlesex und möglicherweise Surrey umfasste. 604 konvertierte König Saebert von Essex zum Christentum und im selben Jahr ließ sich Mellitus, der erste historisch nachweisbare Bischof, in London nieder. Er legte den Grundstein der späteren Saint Paul’s Cathedral; diese soll der Legende nach über den Ruinen des Diana-Tempels entstanden sein (auch wenn Christopher Wren beim Neubau keinen Hinweis darauf fand).

Im späteren 7. Jahrhundert wurde das angelsächsische Dorf Lundenwic („Siedlung London“) gegründet, rund eine Meile westlich von Londinium, das die Angelsachsen Lundenburgh („Festung London“) nannten. Das Dorf lag unweit des heutigen Bahnhofs Charing Cross. Die Mündung des River Fleet diente wahrscheinlich als Hafen für Handelsschiffe und Fischerboote. Ausgrabungen in jüngster Zeit haben ergeben, dass beim Covent Garden bereits zu Beginn des 7. Jahrhundert ein weiteres Dorf existierte. Lundenwic kam um 730 unter die Kontrolle des Königreichs Mercia, das sich auf Kosten des Königreichs Essex ausgedehnt hatte. Im Jahr 825 übernahm das Königreich Wessex die Herrschaft.

Angriffe der Wikinger wurden ab etwa 830 immer häufiger. Dokumentiert sind Raubzüge in den Jahren 842 und 851. Im Jahr 865 folgte die Invasion von East Anglia und 871 hatten die Wikinger London erreicht; es ist jedoch nicht bekannt, was damals genau geschah. 878 konnte jedoch Wessex unter König Alfred dem Großen die von Guthrum angeführten Wikinger besiegen und zum Friedensschluss zwingen. Während der zehn darauf folgenden Jahre wurde das Gebiet innerhalb der römischen Stadtmauer wieder besiedelt. Die neu entstandene Stadt hieß Lundenburgh, Stadtmauer und Verteidigungsgraben wurden wieder instandgestellt. Als der Besiedlungsschwerpunkt sich wieder an den ursprünglichen Standort verlagerte, erhielt das ältere Dorf Lundenwic den Namen Ealdwic („alte Siedlung“); daraus entwickelte sich mit der Zeit die Bezeichnung Aldwych.

Alfred der Große ernannte 886 seinen Schwiegersohn, Herzog Æthelred von Mercia, zum Gouverneur. Um die Brücke zu kontrollieren, die damals neu errichtet wurde, ließ er am Südufer die befestigte Siedlung Suthringa Gewarc („Verteidigungsbauwerk der Männer von Surrey“) errichten, das heutige Southwark. Im selben Jahr erhielt die am Nordufer gelegene spätere City of London das Recht zur Selbstverwaltung. Nach Æthelreds Tod im Jahr 911 gelangte London unter direkte Herrschaft der englischen Könige. Im frühen 10. Jahrhundert hatte sich London zu einem bedeutenden Handelszentrum entwickelt. Auch wenn Winchester damals die Hauptstadt des Königreichs England war, so nahm die politische Bedeutung Londons stetig zu. Æthelstan hielt zahlreiche Versammlungen des Witan in London ab, erließ hier Gesetze und gewährte der Stadt das Recht, eigene Münzen zu prägen. König Æthelred bevorzugte London als Hauptwohnsitz.

Während Æthelreds Herrschaft begannen die von Sven Gabelbart angeführten Wikinger wieder Raubzüge durchzuführen. Im Jahr 994 widerstand London erfolgreich einem Angriff, doch es folgten zahlreiche Raubzüge in der Umgebung der Stadt. 1013 wurde London belagert und Æthelred floh in die Normandie. Drei Jahre später gelang es Svens Sohn, Knut dem Großen, die Stadt zu erobern. 1042 übernahmen die Angelsachsen wieder die Herrschaft, als Knuts Stiefsohn, Eduard der Bekenner, den Thron bestieg. Nach dessen Tod war die Thronfolge ungeklärt. Sein Cousin, Herzog Wilhelm der Normandie, erhob Anspruch auf die englische Königswürde. Der Witan ernannte jedoch Eduards Schwager Harold Godwinson zum König, der daraufhin in der Westminster Abbey gekrönt wurde. Als Reaktion darauf entsandte Wilhelm seine Armee, um England zu erobern.

Mittelalter

Die normannische Eroberung Englands im Jahr 1066 bedeutete das endgültige Ende der angelsächsischen Herrschaft. Harold Godwinsons Armee, durch die Schlacht von Stamford Bridge gegen die Wikinger erheblich geschwächt, unterlag in der Schlacht bei Hastings; der König starb auf dem Schlachtfeld. Wilhelm ließ Southwark niederbrennen, verschonte aber die Stadt. Stattdessen sammelte er seine Truppen im nordwestlich gelegenen Berkhamstead und wartete, bis die Räte der Stadt ihn als König anerkannten. Am Weihnachtstag 1066 wurde er in der Westminster Abbey gekrönt.

Der neue König (nun „der Eroberer“ genannt) ließ an der Themse drei Festungen errichten (Tower of London, Baynard's Castle und Montfitchet Castle), um die Stadt vor weiteren Angriffen der Wikinger zu schützen und um mögliche Aufstände der Einheimischen zu verhindern. 1067 verlieh er der Stadt ein formelles Stadtrecht und bestätigte die während der Herrschaft der Angelsachsen erworbenen Privilegien. Sein Sohn Wilhelm Rufus ordnete 1097 den Bau der „Westminster Hall“ an. Diese Halle im flussaufwärts gelegenen Westminster wurde zur Hauptresidenz des Königs und ist der älteste Teil des Palace of Westminster.

1189 ernannte König Richard Löwenherz den ersten Lord Mayor (Bürgermeister) der Stadt. 1176 hatte der Neubau der London Bridge begonnen, der sich bis 1209 hinzog. Diese Brücke hatte während mehr als 600 Jahren Bestand und war bis 1750 die einzige über die Themse im heutigen Stadtzentrum. Die nächste flussaufwärts gelegene Brücke war erst diejenige in Kingston upon Thames. Ein von William Fitz Osbern angeführter Bauernaufstand wurde 1196 rasch niedergeschlagen. 1212 oder 1213 brach auf der London Bridge ein verheerender Brand aus, dabei soll es mehr als 3000 Tote gegeben haben (diese von zeitgenössischen Chronisten angegebene Zahl gilt heute als stark übertrieben).

Im Mai 1216 war London während des Ersten Kriegs der Barone zum letzten Mal überhaupt von Truppen aus Kontinentaleuropa besetzt. Der französische König Ludwig VIII. hatte sich in diesem Konflikt auf die Seite der englischen Adligen gestellt, die gegen Johann Ohneland rebellierten. Er nahm London ein und ließ sich in der Saint Paul's Cathedral zum neuen Herrscher Englands ausrufen. Doch nach Johanns Tod im Oktober 1216 verlor Ludwig die Unterstützung des englischen Adels und musste knapp ein Jahr später im Frieden von Lambeth seinen Herrschaftsanspruch auf England aufgeben.

Handel und Gewerbe erlebten während des Mittelalters einen Aufschwung und als Folge davon stieg auch die Einwohnerzahl rasch an. Um 1100 lebten rund 15.000 Menschen in der Stadt, zweihundert Jahre später waren es bereits 80.000. Der Handel stand unter dem Einfluss mehrerer Gilden, die faktisch die Stadt kontrollierten und seit 1215 auch den Lord Mayor aus ihren Reihen wählten. Das mittelalterliche London bestand aus engen, gewundenen Gassen und die meisten Häuser waren aus leicht brennbarem Material wie Holz und Stroh erbaut. Die hygienischen Verhältnisse waren schlecht: Der „Schwarze Tod“, der London im November 1348 erreichte, forderte rund 30.000 Todesopfer. Bis 1666 folgten fünfzehn weitere Pestepidemien.

Während der Peasants’ Revolt im Jahr 1381 besetzten aufständische Truppen unter Wat Tyler für kurze Zeit die Stadt. Eine Gruppe von Bauern stürmte den Tower of London und exekutierte den Lordkanzler, Erzbischof Simon Sudbury sowie den Schatzkanzler. Währenddessen wurde die Stadt geplündert und zahlreiche Gebäude in Brand gesteckt, darunter der berühmte Savoy Palace. Außerhalb der Stadt kam es zu Verhandlungen mit König Richard II.. Tyler äußerte abfällige Bemerkungen, woraufhin Lord Mayor William Walworth sein Schwert zog und ihn schwer verletzte. Ein Knappe des Königs tötete den Rebellenführer und die Aufständischen zogen sich zurück.

Im Sommer 1450 war London erneut Ziel eines Bauernaufstands, diesmal angeführt von Jack Cade. Rund 20.000 Rebellen aus Kent versammelten sich südöstlich der Stadt und zogen am 3. Juli über die Brücke. Der Schatzkanzler und weitere Vertraute von König Heinrich VI. wurden gefangengenommen und geköpft. Die Aufständischen plünderten die Stadt und zogen sich vor Einbruch der Dunkelheit wieder über den Fluss zurück. Als sie am darauf folgenden Tag wieder in die Stadt eindringen wollten, wurden sie auf der Brücke von den städtischen Milizen aufgehalten und nach mehrstündiger Schlacht vertrieben.

Richard Plantagenet, der 3. Herzog von York, ließ 1455 Truppen in Richtung London marschieren, wurde aber bei St Albans gestoppt; dies war der Beginn der Rosenkriege zwischen dem Haus Lancaster und dem Haus York. Sein Verbündeter Richard Neville nahm London im Juli 1460 kampflos ein und der Herzog von York erhob erstmals öffentlich den Anspruch auf die Königswürde. Doch bereits Ende Dezember 1460 fiel er in der Schlacht von Wakefield. Stattdessen bestieg sein Sohn Eduard IV. den Thron.

Mit der Schlacht von Bosworth Field und der Thronbesteigung Heinrichs VII. endeten 1485 die Rosenkriege. Der neue Herrscher dehnte die Macht der Krone aus und führte die königliche Tradition fort, bei der City of London Kredite für Kriege gegen Frankreich aufzunehmen. Er bezahlte seine Schulden fristgerecht zurück, was für die damalige Zeit äußerst ungewöhnlich war. Im Allgemeinen kümmerte er sich aber wenig um den Ausbau der städtischen Infrastruktur. Die vergleichsweise stabile Herrschaft des Hauses Tudor führte jedoch zu einer Belebung des Handels und zu einem verstärkten Wachstum der Stadt.

Der Hochstapler Perkin Warbeck gab 1497 vor, der jüngere Bruder von Eduard V. zu sein. Mit ihm verbündete aufständische Truppen, hauptsächlich aus Cornwall, versammelten sich bei Lewisham mit der Absicht, den König zu stürzen. Die Stadtbewohner gerieten zuerst in Panik, doch dann konnte die Verteidigung organisiert werden. Die Rebellen flüchteten nach der verlorenen Schlacht von Deptford Bridge.

16. Jahrhundert

Die Reformation verlief in London relativ unblutig, da die meisten Angehörigen der oberen sozialen Schichten bereitwillig zum Protestantismus wechselten. Vor 1535 war fast die Hälfte der Fläche Londons im Besitz von Klöstern und anderen geistlichen Institutionen gewesen. Die von Heinrich VIII. angeordnete Aufhebung der Klöster hatte zur Folge, dass bis 1538 beinahe alle kirchlichen Immobilien und Ländereien enteignet wurden. Diese fielen in den Besitz der Krone, der Stadt oder an Adlige, die in der Gunst des Königs standen. Heinrich VIII. ließ beispielsweise ein Leprakrankenhaus abreißen und stattdessen den St. James’s Palace errichten. Er enteignete auch den York Palace, die Residenz von Erzbischof Thomas Wolsey; durch Umgestaltung und mehrere Erweiterungen entstand daraus der Palace of Whitehall, die neue königliche Hauptresidenz. Der Hyde Park und der St. James’s Park, zuvor im Besitz der Westminster Abbey, waren nun königliche Jagdgebiete.

Nach dem Tod Eduards VI. im Jahr 1553 wurde Lady Jane Grey im Tower of London als neue Königin empfangen. Doch der Lord Mayor und die Ratsherren änderten nach wenigen Tagen ihre Meinung und schlugen sich auf die Seite von Maria Tudor. Marias Entschluss, den spanischen König Philipp II. zu heiraten, hatte im Januar 1554 einen Aufstand zur Folge, der von Thomas Wyatt angeführt wurde. Seine Truppen zogen von Kent aus in Richtung London, konnten aber die London Bridge nicht passieren, da diese von königstreuen Truppen gehalten wurde. Sie überquerten den Fluss bei Kingston upon Thames und wandten sich wieder nach Osten der Stadt zu. Wyatts Hoffnung auf einen Aufstand in der City of London erfüllte sich nicht und er ergab sich.

Während der Herrschaft von Elisabeth I. stieg Londons Bedeutung unter den europäischen Handelszentren markant an. Die zahlreichen Gewerbebetriebe florierten, insbesondere die Webereien. Die Handelsbeziehungen wurden über Westeuropa hinaus nach Russland, in die Levante und nach Amerika ausgedehnt. In diese Periode des Merkantilismus und des Monopolhandels fiel die Gründung der Moskauer Kompanie (1555), der Royal Exchange (1566) und der Britischen Ostindien-Kompanie (1600). Hingegen büßte die Hanse 1598 ihre Privilegien ein. Nach der Zerstörung von Antwerpen durch die Spanier im Jahr 1572 stieg London zum wichtigsten Nordseehafen auf. Zählte London im Jahr 1530 noch rund 50.000 Einwohner, so waren es 1605 bereits 225.000.[4]

Das späte 16. Jahrhundert war eine Blütezeit der Kultur, als William Shakespeare und viele andere Künstler in London lebten und wirkten. Die Stadtbehörden behinderten jedoch die Entwicklung der Theater. Ihrer Meinung nach zogen öffentliche Veranstaltungen Menschenmassen an, die leicht außer Kontrolle geraten konnten; auch übten die gegen weltliche Vergnügungen jeglicher Art eingestellten Puritaner einen gewissen Einfluss aus. Die Theater entstanden aus diesen Gründen außerhalb des Einflussbereichs der Stadtbehörden, hauptsächlich in Southwark. Das bekannteste Theater jener Zeit war Shakespeares Globe Theatre.

17. Jahrhundert

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war zwischen der City of London und der City of Westminster nur ein schmaler Landstreifen entlang des Nordufers der Themse überbaut. Die Umgebung unmittelbar nördlich und östlich der City of London betrachtete man noch nicht als geeignet, um besiedelt werden zu können, da das Gelände teilweise sumpfig war und dort Krankheiten ausbrechen konnten. Im Norden lagen die Moorfields, die damals entwässert und anschließend während mehr als eineinhalb Jahrhunderten landwirtschaftlich genutzt wurden. Nördlich an die Moorfields grenzten die Finsbury Fields, ein beliebter Übungsplatz für Bogenschützen. Mile End im Osten war eine große Allmende, auf der oft Manöver stattfanden. Die Vorbereitungen für die Krönungsfeierlichkeiten von James I. im Jahr 1603 wurden von einer Pestepidemie unterbrochen, die rund 30.000 Tote forderte. Die Lord Mayor's Show wurde einige Jahre ausgesetzt und erst ab 1609 auf Wunsch des Königs wieder durchgeführt.

Beliebtester Versammlungsort der Londoner war damals das Hauptschiff der teilweise zerfallene Saint Paul’s Cathedral. In den Seitenschiffen gingen Händler ihren Geschäften nach, bezahlt wurde am Taufstein. An den Säulen trafen Rechtsanwälte ihre Klienten und Arbeitslose hielten dort nach einer Beschäftigung Ausschau. Der Kirchhof war das Zentrum des Buchhandels und die nahe gelegene Fleet Street war ein Vergnügungsviertel. Die Theater gewannen weiter an Popularität, vor allem Blackfriars etablierte sich als neues Theaterviertel. Während der Herrschaft von Karl I. zogen zahlreiche Vertreter des Landadels mit ihren Familien in die Stadt und ließen sich in repräsentativen Wohnhäusern im West End nieder. So konnten sie am sozialen Geschehen am Königshof teilhaben.

Im Januar 1642 ordnete Karl I. die Verhaftung mehrerer oppositioneller Parlamentsabgeordneter an, die jedoch fliehen konnten und in der City of London Zuflucht fanden. Im August 1642 begann der englische Bürgerkrieg und die Stadt stellte sich auf die Seite des Parlaments. Im November siegten die königlichen Truppen in der Schlacht von Brentford, nur wenige Kilometer westlich von London. London stellte rasch eine eigene Armee auf und die Königstreuen zogen sich zurück. Anschließend wurde ein ausgedehntes System von Befestigungsanlagen errichtet, das nicht nur die City of London schützte, sondern auch Westminster und Southwark. Im weiteren Verlauf des Krieges blieb London von Kampfhandlungen unbehelligt und die finanzielle Unterstützung, die die Stadt dem Parlamentsheer zukommen ließ, trug wesentlich zu dessen Sieg bei. Nach einem Hochverratsprozess wurde Karl I. am 30. Januar 1649 vor dem Banqueting House in Whitehall enthauptet.

In den Jahren der englischen Republik, in denen Oliver Cromwell das Land als Lordprotektor regierte, kamen große Teile des kulturellen Lebens in London weitgehend zum Erliegen. So schlossen die siegreichen Puritaner alle Theater der Stadt. Das barocke Lebensgefühl hielt erst mit der Stuart-Restauration unter König Karl II. seinen Einzug. Eine einzigartige Chronik dieser Zeit schuf der Londoner Marinebeamte Samuel Pepys mit seinem geheimen Tagebuch, in dem er auch die beiden großen Katastrophen beschrieb, die in den 1660er Jahren über London hereinbrachen: die Pest und die große Feuersbrunst.

Die Große Pest von London in den Jahren 1665 und 1666 war die letzte und zugleich eine der folgenschwersten Pestepidemien Großbritanniens. Rund 70.000 Einwohner Londons starben, was etwa einen Fünftel der Bevölkerung entsprach. Unmittelbar auf die Pestepidemie folgte eine weitere Katastrophe: Vom 2. bis 5. September 1666 zerstörte der Große Brand von London rund vier Fünftel der Stadt, darunter die meisten mittelalterlichen Bauten. 100.000 Einwohner wurden obdachlos, nach offiziellen Angaben sollen aber nur neun Personen in den Flammen ums Leben gekommen sein. Eine Inschrift am Brand-Monument, die auf die angebliche Schuld der Katholiken an dem Feuer und auf eine Verschwörung des Papstes hinwies, wurde erst 1831 entfernt.

Nur wenige Tage nach dem Brand wurden König Karl II. drei verschiedene Pläne für den Wiederaufbau der Stadt präsentiert. Die Pläne von Christopher Wren, John Evelyn und Robert Hooke ähnelten sich in den Grundzügen und sahen breite Boulevards und Plätze im italienischen Stil vor. Doch schon Mitte September waren sich König, Parlament und die Corporation of London einig, dass ein Plan, der auf bestehende Grundbesitzverhältnisse keine Rücksicht nahm, zu teuer und daher undurchführbar war. Die neuen Häuser wurden entlang der bestehenden und leicht verbreiterten Straßen errichtet, als Baumaterialien waren aber nur noch Steine und Ziegel erlaubt.

Fast alle adeligen Bewohner zogen endgültig aus der Stadt weg und ließen im aufstrebenden West End neue repräsentative Wohnhäuser bauen, beispielsweise am Piccadilly. Dadurch wurde die endgültige Trennung zwischen den Händlern der City of London und dem Adel sowie dem Königshof in Westminster vollzogen. Christopher Wren konnte seinen Wiederaufbauplan zwar nicht umsetzen, doch erhielt er den Auftrag, die zerstörten Kirchen wiederaufzubauen und die Saint Paul’s Cathedral durch einen Neubau zu ersetzen. Die ärmeren Bevölkerungsschichten ließen sich im Eastend, der Gegend unmittelbar östlich der Stadtmauern, nieder und verdienten ihren Lebensunterhalt in den stark expandierenden Docks und den dort zahlreich entstehenden verarbeitenden Betrieben.

Während der Kleinen Eiszeit bildete sich auf der Themse in besonders kalten Wintern eine dicke Eisschicht. Der längste „Frostjahrmarkt“ auf dem zugefrorenen Fluss fand im Winter 1683/84 statt und dauerte über sechs Wochen. Nach dem Edikt von Fontainebleau im Jahr 1685 flohen viele französische Hugenotten nach London und trugen mit ihren Fähigkeiten zum Wirtschaftswachstum bei. Ende des 17. Jahrhunderts stieg London auf Kosten von Amsterdam zum bedeutendsten Finanzzentrum der Welt auf. Lloyd’s of London wurde 1688 gegründet, die Bank of England 1694. Um 1700 gingen 80 % der englischen Importe über den Hafen von London, ebenso 69 % der Exporte und 86 % der Re-Exporte.

Der neue, aus den Niederlanden stammende König Wilhelm III. mochte London nicht; der Rauch der vielen Kamine löste bei ihm Asthma aus. Nach dem ersten Brand im Palace of Whitehall im Jahr 1691 (der Palast brannte 1698 vollständig nieder) erwarb er das in der Nähe des damals unbedeutenden Dorfes Kensington gelegene Nottingham House und ließ es zum Kensington Palace ausbauen.

18. Jahrhundert

1702 erschien in London die erste Tageszeitung Englands; die Redaktion des Daily Courant befand sich im Obergeschoss eines Pubs in der Fleet Street. In den darauf folgenden Jahren wurden in dieser Straße immer mehr Zeitungen vertrieben und bald war die Fleet Street das Zentrum der britischen Presse. Diese Zeitungen und Zeitschriften wurden vom aufstrebenden Bürgertum in den zahlreichen neu entstehenden Kaffeehäusern gelesen, wo auch politische Fragen debattiert wurden.

Mit dem Act of Union wurden 1707 die Königreiche England und Schottland vereinigt, London wurde dadurch zur Hauptstadt des Königreichs Großbritannien. Im darauf folgenden Jahr vollendete Christopher Wren sein bedeutendstes Bauwerk, die neue Saint Paul’s Cathedral, die zu einem Symbol der aufstrebenden Stadt wurde und als eines der herausragendsten Beispiele barocker Architektur gilt.

Während Jahrhunderten war die London Bridge die einzige Brücke über die Themse gewesen, wodurch sich die Ausdehnung der Stadt in Richtung Süden in engen Grenzen hielt. Erst die Eröffnung der Westminster Bridge und der Blackfriars Bridge ermöglichte die flächendeckende Erschließung des Gebiets südlich des Flusses. Im Westen entstanden für die reichen Einwohner neue Stadtviertel wie Mayfair. Die ärmeren Bevölkerungsschichten hingegen wurden mehr und mehr ins East End verdrängt, wo sich ausgedehnte Slums bildeten. Die Verbrechensrate stieg so stark an, dass der Richter John Fielding 1750 die erste Polizeitruppe aufstellte, die Bow Street Runners. Öffentliche Hinrichtungen hatten oft einen Volksfestcharakter; bis 1783 fanden diese in Tyburn statt, einem kleinen Dorf wenige Kilometer westlich der Stadt, danach bis 1868 im Hof des Newgate-Gefängnisses.

Der Arzt Hans Sloane vermachte 1753 seine große Sammlung von Kunstgegenständen aus aller Welt dem Staat. Das Parlament beschloss, die Sammlung zu erhalten und dafür ein Museum einzurichten; 1759 wurde das British Museum eröffnet, das als ältestes noch bestehendes Museum der Welt gilt. Zwischen 1760 und 1766 erfolgte die Schleifung der letzten verbliebenen Stadttore und Abschnitte der Stadtmauer. König Georg III. erwarb 1762 das Buckingham House, das rund 60 Jahre später zum Buckingham Palace ausgebaut wurde.

Im Juni 1780 erschütterten die „Gordon Riots“ die Stadt. Radikale Protestanten unter Führung von Lord Gordon wollten die Umsetzung eines Gesetzes verhindern, das die Katholikenemanzipation zum Ziel hatte. Ein aufgewiegelter Mob zog durch die Stadt, verwüstete katholische Kirchen und steckte die Häuser von Katholiken in Brand. Erst nach zwei Wochen gelang es der Armee, die Unruhen unter Kontrolle zu bringen. 285 Menschen kamen ums Leben und mehr als 100 Häuser wurden zerstört.

Ebenfalls 1780 lebte im Tower of London der einzige amerikanische Gefangene. Henry Laurens, ehemaliger Vorsitzender des zweiten Kontinentalkongresses, hatte in den Niederlanden erfolgreich um Unterstützung im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg geworben und war auf dem Heimweg von der Royal Navy festgesetzt worden. Im Dezember 1781 wurde er im Austausch gegen Charles Cornwallis freigelassen.

19. Jahrhundert

Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich London zur größten Stadt der Welt und zur Hauptstadt des weltumspannenden Britischen Empires. Die Bevölkerungszahl stieg von einer Million im Jahr 1800 auf 6,7 Millionen hundert Jahre später an. Während dieser Zeitspanne entwickelte sich London im Bereich der Politik, des Finanzwesens und des Handels zu einer Art „Welthauptstadt“. Diese Dominanz blieb während Jahrzehnten praktisch unangefochten und wurde erst gegen Ende des Jahrhunderts mit der wachsenden Bedeutung von Paris und New York in Frage gestellt.

Mit der Ausdehnung der britischen Besitzungen in aller Welt stieg auch der Wohlstand Londons an. Auf der anderen Seite war die Stadt auch von extremer Armut geprägt. Millionen von Menschen mussten in den überbevölkerten und unhygienischen Slums ihr Dasein fristen. Der Schriftsteller Charles Dickens beschrieb diese Zustände in Romanen wie Oliver Twist. 1829 erhielt London mit der von Premierminister Robert Peel eingesetzten Metropolitan Police eine zentral geführte Polizeibehörde, die mit Ausnahme der City of London im gesamten Ballungsraum für die Verbrechensbekämpfung zuständig war. Es handelte sich dabei um den ersten Zweckverband im damals in viele kleine Gemeinden zersplitterten Ballungsraum. Nach Robert Peel bezeichnet man die Polizisten bis heute als „bobbies“ oder „peelers“.

Mit der Eisenbahn änderte sich im 19. Jahrhundert die Stadtstruktur Londons grundlegend. Ein dichtes Netz von Eisenbahnlinien ermöglichte die Bildung von Vororten in den benachbarten Grafschaften, von wo aus die Angehörigen der Mittel- und Oberschicht zu ihren Arbeitsplätzen im Stadtzentrum pendelten. Das überbaute Gebiet erstreckte sich nun auf einst ländlich geprägte Gegenden wie Greenwich, Islington, Paddington, Belgravia, Holborn, Finsbury, Shoreditch, Southwark and Lambeth. Mit der ungebremsten Ausdehnung der Stadt ging auch eine verstärkte Segregation einher; die Wohlhabenden zogen praktisch ausnahmslos in die Vorstädte und überließen die inneren Viertel rund um das Stadtzentrum den Armen.

Die erste Eisenbahnlinie Londons war diejenige vom Bahnhof London Bridge nach Greenwich, die 1836 eröffnet wurde. Bald darauf folgten weitere Hauptbahnhöfe, die London mit allen Teilen Großbritanniens verbanden: Euston (1837), Paddington (1838), Fenchurch Street (1841), Waterloo (1848), King's Cross (1850), Victoria (1858), St Pancras (1863), Broad Street (1865) und Liverpool Street (1874). Die erste Straßenbahn verkehrte 1861. Zwei Jahre darauf folgte die Metropolitan Railway, die erste U-Bahn der Welt. 1890 wurde die erste elektrisch betriebene U-Bahn eröffnet, die City and South London Railway. Beide Bahnen sind heute Teil der London Underground.

Das noch aus dem Mittelalter stammende unübersichtliche System der lokalen Verwaltung erwies sich für die Bedürfnisse einer Millionenmetropole zunehmend als antiquiert und konnte nicht mehr mit der Entwicklung Schritt halten. 1855 wurde deshalb der Zweckverband Metropolitan Board of Works (MBW) gegründet, der wenigstens im Bereich des Bauwesens eine gewisse Zentralisierung mit sich brachte. Auf den MBW folgte 1889 die County of London mit einer zentralen Verwaltung für den gesamten Ballungsraum. 1899 wurde diese Verwaltungsgrafschaft weiter in 28 Metropolitan Boroughs unterteilt.

Das ungebremste Bevölkerungswachstum führte ab etwa 1850 zu starker Umweltbelastung. Das Abwasser wurde direkt in die Themse geleitet. Da das Trinkwasser hauptsächlich aus dem Fluss stammte, brachen regelmäßig Choleraepidemien aus, allein im Jahr 1854 starben daran über 10.000 Menschen. Nach dem „Großen Gestank“ im Sommer 1858, als der Fluss buchstäblich zum Himmel stank, beauftragte das Parlament den MBW, ein umfassendes unterirdisches Kanalisationssystem zu planen und zu bauen. Zum Oberingenieur für das größte Bauprojekt des gesamten 19. Jahrhunderts wurde Joseph Bazalgette ernannt. Unter seiner Leitung entstanden 135 Kilometer Hauptabwassersammler und 1750 Kilometer Abwasserkanäle. Nach der Vollendung des Abwassersystems, das heute noch in Betrieb ist, hatten alle Bewohner Londons sauberes Trinkwasser und die Sterberate sank rapide.

Als Hauptstadt eines Weltreiches wirkte London wie ein Magnet auf Einwanderer aus den Kolonien und den ärmeren Teilen Europas. Hunderttausende von Iren zogen in die Stadt, viele von ihnen während der großen irischen Hungersnot. Zeitweise waren über 20 % der Bevölkerung Londons Iren. Die Juden profitierten von den Vorzügen der liberalen Gesellschaft und dem Wegfall von Handelsbeschränkungen. Auch kleinere Gruppen von Chinesen und Indern wählten London als neue Heimat.

Viele der Gebäude, die heute das Stadtbild Londons prägen, wurden während des 19. Jahrhunderts errichtet. Dazu gehören der Trafalgar Square, der Neubau des durch einen Brand zerstörten Palace of Westminster, die Royal Albert Hall, das Victoria and Albert Museum, zahlreiche Institute der Universität London, die National Gallery und die Tower Bridge.

Drei Ereignisse stehen sinnbildlich für das London der viktorianischen Zeit. 1851 fand im Hyde Park auf Initiative von Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, dem Ehemann von Königin Victoria, die „Great Exhibition“ statt, die erste Weltausstellung überhaupt. Weltruhm erlangte dabei die gläserne Ausstellungshalle, der Crystal Palace. Während Jahrzehnten sorgten die nächtlichen Attacken von „Spring Heeled Jack“ für Schlagzeilen. Ebenfalls zur Legende wurde die Mordserie von „Jack the Ripper“ im Jahr 1888.

20. Jahrhundert

Bis 1945

Die Bevölkerungszahl Londons stieg zu Beginn des 20. Jahrhunderts weiterhin an, wenn auch weitaus weniger stark als in den vorangegangenen Jahrzehnten. Die Verkehrsinfrastruktur wurde weiter ausgebaut; so elektrifizierte man den größten Teil des Eisenbahn- und des U-Bahn-Netzes, es entstanden zahlreiche neue Straßenbahnlinien und 1902 verkehrte der erste motorisierte Omnibus. 1908 fanden parallel zur Franco-British Exhibition die IV. Olympischen Spiele statt.

London war weiterhin das Ziel politischer Flüchtlinge. Diese ließen sich meist im armen East End nieder, wo sie relativ leicht untertauchen konnten. Nicht immer griffen sie bei der Finanzierung ihrer politischen Aktivitäten zu friedlichen Mitteln. Das bekannteste Beispiel ist eine Gruppe baltischer Anarchisten. Nach einer Reihe von brutal ausgeführten Raubüberfällen und Morden kam es im Januar 1911 zur Belagerung der Sidney Street, die mit dem Tod der Anarchisten in einem brennenden Haus endete. Einer der Augenzeugen war der damalige Innenminister Winston Churchill, der im Parlament wegen der leichtsinnigen Gefährdung seines Lebens scharf kritisiert wurde.

London musste im Ersten Weltkrieg erstmals Bombardierungen aus der Luft durch die Luftwaffe hinnehmen, ausgeführt von Luftschiffen und Gotha-Doppeldeckerflugzeugen. Die britische Öffentlichkeit nannte die Luftschiffe „Babykiller“; die Zerstörungen waren aber nicht im Geringsten mit jenen ein Vierteljahrhundert später vergleichbar. Die Bomben töteten etwa 700 Menschen, alleine beim Abwurf einer 1000-Pfund-Bombe auf den Bahnhof Liverpool Street im Mai 1917 kamen 162 Menschen ums Leben.

Die Zwischenkriegszeit war geprägt von der Ausdehnung des überbauten Gebiets in einem vorher nie gekannten Ausmaß. Die geringe Bebauungsdichte in den neu entstehenden Vororten mit Einzel- und vor allem Doppelhäusen vermittelte den Londonern das Gefühl, dass sie „auf dem Land“ lebten. Diese Entwicklung wurde insbesondere von der Metropolitan Railway mit der Metro-land-Werbekampagne gefördert, doch auch die steigende Zahl von Automobilen trug dazu bei. Die neuen Vororte lagen fast gänzlich außerhalb der County of London; in ganz Middlesex, im Westen von Essex, im Norden von Surrey, im Nordwesten von Kent und im Süden von Hertfordshire.

Während der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre war auch London von hoher Arbeitslosigkeit betroffen. Im East End fanden extreme Parteien auf der linken als auch auf der rechten Seite großen Zulauf. Die Communist Party of Great Britain gewann einen Sitz im Unterhaus und auch die British Union of Fascists hatte viele Anhänger. Die Auseinandersetzungen zwischen extremer Linke und extremer Rechte gipfelten 1936 in der „Schlacht in der Cable Street“. Viele Juden flohen aus dem von den Nazis beherrschten Deutschen Reich und ließen sich hauptsächlich im West End nieder. Am 29. September 1939 erreichte die Einwohnerzahl ihren absoluten Höchstwert: 8.615.050 lebten auf dem heutigen Stadtgebiet.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde London, wie zahlreiche andere britische Städte auch, von Bombern der deutschen Luftwaffe angegriffen. Vor allem der Osten der Stadt war von „The Blitz“ betroffen. Vor Beginn dieser Angriffe waren Hunderttausende von Kindern aufs Land evakuiert worden, Zivilisten suchten Schutz in tief liegenden U-Bahn-Stationen. Vom 7. September 1940 an wurde London während 76 aufeinanderfolgenden Nächten bombardiert. Die Angriffe wurden bis zum 10. Mai 1941 fortgeführt, flauten dann aber merklich ab. Eine zweite Angriffswelle folgte von Juni 1944 bis April 1945 mit den ferngesteuerten Raketen des Typs V1 und V2. Bis Ende des Krieges starben knapp 30.000 Einwohner, über 50.000 wurden schwer verletzt. Zehntausende Häuser (vor allem in den Docklands) waren zerstört worden und Hunderttausende Einwohner obdachlos geworden.

Nachkriegszeit

Nur gerade drei Jahre nach Ende des Krieges − die Stadt hatte die Folgen noch kaum überwunden − fanden die XIV. Olympischen Sommerspiele statt; Hauptveranstaltungsort war das Wembley-Stadion. Der Hauptflughafen Croydon Airport wurde geschlossen und durch den neuen Flughafen London-Heathrow ersetzt. Der Wiederaufbau ging in den ersten Jahren nur langsam voran. Das 1951 durchgeführte Festival of Britain war so etwas wie ein Wendepunkt und wurde als Signal für eine bessere Zukunft verstanden.

Seit dem frühen 19. Jahrhundert verwendeten die Einwohner Londons Kohle, um ihre Wohnungen zu heizen, was eine starke Rauchentwicklung mit sich brachte. Durch die häufigen Inversionswetterlagen senkte sich der Rauch im Winter wie eine Decke über die Stadt und verband sich mit dem Nebel. Der Begriff Smog entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Dezember 1952 war der Smog derart dicht, dass in nur fünf Tagen über 4.000 Menschen an Lungenkrankheiten starben (weitere 8.000 an den Spätfolgen). Als Reaktion auf diese Smog-Katastrophe wurde der „Clean Air Act“ (Gesetz für saubere Luft) erlassen, ein Bündel von Maßnahmen, um die Luftqualität in der Metropole nachhaltig zu verbessern. Seither gibt es diese Art von Wintersmog in London kaum mehr.

In den ersten Nachkriegsjahren war die Wohnungsnot ein ernsthaftes Problem, da während des Krieges viele Wohnhäuser zerstört worden waren. Die Behörden reagierten mit dem Bau von Wohnblocks. Da man auch die Beschränkung der Höhe von Bürohochhäusern aufhob, änderte sich das Stadtbild Londons grundlegend. Mit verschiedenen Anreizen wurden die Stadtbewohner dazu ermuntert, sich in Satellitenstädten wie z. B. Harlow, Crawley, Stevenage oder Milton Keynes niederzulassen. Die Einwohnerzahl Londons sank unter 7 Millionen. Mit rigiden Planungsvorschriften wurde die weitere Zersiedelung eingeschränkt. Neue Siedlungen dürfen seither nur noch jenseits des Green Belt errichtet werden, einem etwa 5 bis 10 km breiten Grüngürtel rund um das überbaute Stadtgebiet, oder wenn bereits bestehende urbane Flächen neu genutzt werden. 1965 wurde die County of London aufgelöst. An ihre Stelle trat die weitaus größere Verwaltungsregion Greater London.

Seit den 1950er Jahren wurde London zur neuen Heimat einer großen Zahl von Einwanderern, hauptsächlich aus unabhängig gewordenen Commonwealth-Staaten wie Jamaika, Indien und Pakistan. London wurde zu einer der ethnisch vielfältigsten Städte Europas. Vor allem die schwarzen Einwanderer waren aber von Rassismus betroffen und standen in der Sozialstruktur meist an unterster Stelle. Die Spannungen entluden sich 1981 in den Brixton-Unruhen. Von den frühen 1970er Jahren bis Mitte der 1990er Jahre war London als Folge des Nordirlandkonflikts wiederholt Ziel terroristischer Anschläge der IRA.

In den Nachkriegsjahrzehnten büßte London seine traditionelle Rolle als bedeutender Hafen ein, da die alten Anlagen in den Docklands für die großen Containerschiffe nicht geeignet waren und auch nicht ausgebaut werden konnten. Neue Hafenanlagen entstanden weiter östlich in Felixstowe und Tilbury. 1981 begann ein umfangreiches Stadtentwicklungsprogramm, Zehntausende von Arbeitsplätzen der Dienstleistungsbranche wurden von der City of London auf die Isle of Dogs verlagert oder neu geschaffen. In der Canary Wharf entstand ein ausgedehnter Hochhauskomplex, der 1991 erbaute Wolkenkratzer One Canada Square ist das höchste Gebäude Großbritanniens. Seit 1984 schützt die Thames Barrier in Woolwich die Stadt vor Springfluten der Nordsee. Im östlichen Teil der Docklands wurde 1987 der Flughafen London City eröffnet. Mitte der 1980er Jahre begann die Einwohnerzahl wieder anzusteigen.

Die immer heftigeren Auseinandersetzungen zwischen dem von Ken Livingstone angeführten Greater London Council (GLC) und der Regierung von Premierministerin Margaret Thatcher führten 1986 zur Auflösung des GLC. Dessen Kompetenzen wurden zum größten Teil an die Stadtbezirke und teilweise an die Zentralregierung übertragen. London war somit die weltweit einzige Metropole ohne zentrale Verwaltung. Diese aus rein politischen Gründen angeordnete Maßnahme erwies sich als äußerst kurzsichtig und führte zu erheblichen Koordinationsproblemen. Als Ersatz für den aufgelösten GLC schuf die Regierung von Tony Blair im Jahr 2000 die Greater London Authority. Ken Livingstone wurde der erste direkt gewählte Oberbürgermeister für ganz London (Mayor of London). Bei den Wahlen 2008 wurde er durch Boris Johnson von der Conservative Party abgelöst.

21. Jahrhundert

Um die überhandnehmenden Verkehrsstaus im Stadtzentrum einzudämmen und den vermehrten Gebrauch öffentlicher Verkehrsmittel zu fördern, setzte Ken Livingstone im Jahr 2003 die Einführung der Innenstadtmaut London Congestion Charge gegen erbitterten Widerstand von Anwohnern und Geschäftsinhabern durch. Seitdem haben sich die Verkehrsprobleme ebenso beruhigt wie die anfänglichen Empörungen und Schlagzeilen über die Neuerung. Der 2004 veröffentlichte London Plan schätzt, dass die Einwohnerzahl bis 2016 auf 8,1 Millionen ansteigen wird.

Seit den Terroranschlägen am 11. September 2001 galt London, vor allem wegen des Einsatzes britischer Truppen im Irak, als Ziel möglicher Anschläge islamistischer Terroristen. Am 7. Juli 2005 kam es zu vier Bombenanschlägen mit 56 Todesopfern und mehr als 700 Verletzten. Nur einen Tag zuvor war die Stadt als Austragungsort der Olympischen Sommerspiele 2012 gewählt worden.

In den folgenden Jahren wurden mindestens zwei weitere Terrorakte verhindert. Am 10. August 2006 hatte die britische Polizei mit Unterstützung des britischen Inlandsgeheimdienst MI5 mehrere Terroranschläge auf Flugzeuge vereitelt. Im Rahmen der Antiterroraktion wurde der Flughafen Heathrow teilweise geschlossen und mehrere Tatverdächtige hauptsächlich in London festgenommen.

Am 29. Juni 2007 wurden zwei Autobomben im Londoner Stadtgebiet entdeckt und rechtzeitig entschärft. Die erste Autobombe wurde in der Nacht am Haymarket in der Nähe des Piccadilly Circus gefunden, ein zweites Fahrzeug wurde am Nachmittag ebenfalls in der City of Westminster entdeckt. Als einen Tag später ein weiterer Anschlag auf den Flughafen Glasgow versucht wurde, wurde die Terrorwarnstufe auf die höchste Stufe, „Critical“, gesetzt.

Quellen

  1. ↑ Ausgrabungsbericht von English Heritage
  2. ↑ Richard Coates: A New Explanation of the Name of London, in Transactions of the Philological Society, November 1998, S. 203
  3. ↑ Roman London - a brief history Website des Museum of London
  4. ↑ Nikolaus Pevsner: London I: The Cities of London and Westminster, S. 48

Literatur

  • Peter Ackroyd: London. The biography. Chatto & Windus, London 2000, ISBN 1-85619-716-6
  • Arthur H. Beavan: Imperial London. Dent, London / Dutton, New York 1901 (Digitalisat, PDF)
  • Erich Germer: London. Geschichte und kulturgeschichtliche Stätten der britischen Hauptstadt. Neukastel-Verlag, Leinsweiler 1993, ISBN 3-927443-01-8
  • Martin Weinbaum: Verfassungs-Geschichte Londons 1066-1268. (= Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte; Beihefte; Heft 15). Kohlhammer, Stuttgart 1929
  • London. Geschichte einer Weltstadt 1558-1945. (= Geo Epoche; Nr. 18). Gruner und Jahr, Hamburg 2005

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Londinium

Londinium, das heutige London, war die größte Stadt und Hauptstadt der römischen Provinz Britannien. Durch seine günstige Lage an der Themse, die wiederum einen guten Anschluss ans Meer und ins Hinterland bot, war Londinium auch ein bedeutendes Handelszentrum.

Die Geschichte von Londinium lässt sich aus wenigen verstreuten Erwähnungen bei antiken Autoren, an Hand der allgemeinen Geschichte Britanniens und durch Ausgrabungen in der Stadt in groben Zügen rekonstruieren. Am Ende des dritten Jahrhunderts war sie sogar Residenz des Gegenkaisers Carausius und damit Hauptstadt eines Sonderreiches in Britannien. Als bedeutende römische Stadt hatte sie alle öffentlichen Gebäude einer solchen, wobei nur ein Teil von ihnen durch Ausgrabungen identifiziert werden konnte. Das große Forum im Zentrum der Stadt, der größte Bau seiner Art nördlich der Alpen, bezeugt die starke wirtschaftliche Position von Londinium. Dies wird auch durch die Reste zahlreicher Warenlager an den Ufern der Themse bestätigt.

Geschichte

Im Jahre 43 n. Chr. wurden große Teile des heutigen Englands von den Römern erobert. In den Jahren nach der Eroberung kam es zu verschiedenen Stadtgründungen, bei denen es sich meist um die Hauptorte einheimischer Stämme handelte. Die Städte, deren Gründung oft die Errichtung eines Militärlagers vorausging, wurden der Ausgangspunkt der Romanisierung des Landes.[1] Mit den Soldaten kamen auch Händler und Handwerker, die in der neuen Provinz ihr Glück suchten.

Im Gegensatz zu vielen anderen römischen Städten in Britannien scheint Londinium keinen keltischen Vorgängerort gehabt zu haben, und die Stadt war auch nie der Hauptort eines Stammesgebietes (civitas). Im heutigen Stadtgebiet von London gibt es diverse vorgeschichtliche Siedlungen, doch ist keine von diesen als wirkliche Vorgängersiedlung zu bezeichnen. Es wird ein römisches Militärlager an Stelle der späteren Stadt vermutet, doch konnte dies bisher archäologisch nicht nachgewiesen werden und bleibt daher sehr spekulativ. Dennoch ist schon bei der Namensgebung (Londinium ist wohl keltischen Ursprungs und enthält möglicherweise den keltischen Personennamen Londinos) ein starker keltischer Einfluss erkennbar.[2] Möglicherweise ist der Ortsname aber vom vorkeltischen (ureuropäischen) Wort Plowonida abgeleitet, was ungefähr „Siedlung am breiten Fluss“ bedeutet.[3]

Die Lage des Ortes war ausgesprochen günstig. Hier war die Themse (lateinisch Tamesis) relativ flach und konnte deshalb ohne Schwierigkeiten durchquert werden. Der Fluss bot einen guten Anschluss an das Meer und damit nach Gallien und dem Mittelmeerraum. Von Londinium konnte man auf dem Landweg auch gut andere Orte in Britannien erreichen. Schon bei der römischen Invasion im Jahr 43 war die Stelle der späteren Stadt ein zentraler Anlaufpunkt der Römer.[2]

Vor dem Aufstand der Boudicca 47−60 n. Chr.

Archäologen gehen heute davon aus, dass Londinium ein paar Jahre nach der Invasion als zivile Siedlung entstanden ist, ausgehend vom Cornhill im Osten des heutigen Stadtzentrums. Entlang der einstigen, in Ost-West-Richtung verlaufenden römischen Hauptstraße, wurde beim Neubau des Hauses No 1 Poultry eine hölzerne Abwasserleitung entdeckt.[4] Die dendrochronologische Untersuchung ergab, dass sie aus dem Jahr 47 n. Chr. stammt; dies wird in neuerer Zeit gerne als wahrscheinlichstes Gründungsjahr der Stadt angegeben.

Beiderseits des sumpfigen Walbrooktals (der Bach Walbrook mündete hier in die Themse) wurde der Ort auf Anhöhen errichtet. Dennoch konnten bislang weder eine Brücke noch ein Kastell, Bauten die üblicherweise errichtet wurden, nachgewiesen werden. Diese Siedlung erlangte schon früh bedeutende Ausmaße. An der Stelle des späteren Forums gab es einen großen freien Platz, der wahrscheinlich als Markt fungierte. Die damaligen Häuser waren alle aus Holz. Dem Bericht von Tacitus zufolge war die Stadt wegen ihrer zahlreichen Kaufleute und umfangreichen Handelsbeziehungen berühmt.[5] Tacitus’ Aussagen wurden durch zahlreiche archäologische Funde im Hafenbereich untermauert. Die frühe besondere Bedeutung erlangte Londinium also durch den Handel mit dem europäischen Festland. Beim Aufstand der Boudicca im Jahr 60 n. Chr. nahmen die Rebellen den Ort, der sicherlich nicht befestigt war, ein und brannten ihn vollkommen nieder. Der römische Legat Gaius Suetonius Paulinus konnte die Stadt nicht halten und die Aufständischen ließen die florierende Stadt ihre besondere Wut spüren. Der Zerstörungshorizont ist heute archäologisch gut sichtbar.[6]

Zweites und drittes Jahrhundert

In den Jahren nach dem Aufstand wurde die Stadt wieder aufgebaut. Londinium war nun Hauptstadt der britannischen Provinz, wobei der genaue Zeitpunkt des Umzuges der Provinzialverwaltung von Camulodunum (Colchester) nach Londinium nicht sicher ist. Doch spricht für die Bedeutung der Stadt beispielsweise, dass hier der Provinzverwalter Gaius Iulius Alpinus Classicianus bestattet wurde.[7] Westlich des Walbrook wurden öffentliche steinerne Bauten errichtet, so ein Forum, ein Prätorium und Thermen. Das Forum wurde um 120 erweitert.[8] Im Nordwesten der Stadt entstand ein vier Hektar großes Kastell, das in einem Zusammenhang mit dem officium des Statthalters zu sehen ist. In unmittelbarer Umgebung befand sich ein Amphitheater. Um das Jahr 100 begann man auch mit der Erweiterung der Kaianlagen, die aus riesigen Eichenbalken entlang dem Themseufer errichtet wurden.

Obwohl es früh schon zahlreiche Steinbauten gab, bestand der Großteil der Wohnbebauung zunächst aus Holzhäusern. Die Stadt hatte einen Plan mit sich rechtwinklig kreuzenden Straßen, freilich mit zahlreichen Unregelmäßigkeiten, die vielleicht auf das ungeplante frühe Wachstum der Stadt zurückzuführen sind. Es gab verschiedene Stadtbrände, in denen Teile der Stadt vernichtet wurden. Diese sind nur archäologisch fassbar. Das wohl verheerendste dieser Feuer kann unter Kaiser Hadrian datiert werden. Aus dieser Zeit konnte ein ausgebranntes Warenlager ausgegraben werden, das sich voll von importierter, noch unbenutzter Terra Sigillata fand.

Im Jahr 122 besuchte Kaiser Hadrian Britannien und wahrscheinlich auch Londinium, und es wird vermutet, dass der Bau und die Erweiterung einiger öffentlicher Gebäude auf Anregung des Kaisers erfolgt sind. In der Folgezeit erreichte die antike Stadt ihre größte Blütezeit und es kann angenommen werden, dass mehrere zehntausend Menschen hier lebten.

In den Jahren 185 bis 187 war der spätere Kaiser Pertinax Statthalter von Britannien und residierte in der Stadt. Kurz nach ihm wurde um 195 Clodius Albinus, der ebenfalls Statthalter von Britannien war, wahrscheinlich in Londinium zum Caesar, also zum Mitkaiser erhoben.

Zwischen 190 und 220 errichtete man im Norden, Osten und Westen des Stadtgebietes eine Mauer, die gegen Ende des dritten Jahrhunderts bis zur Themse erweitert wurde. Die genauen Gründe für den Bau der London Wall bleiben im Dunkeln, doch geschah dies zu einer Zeit, als auch viele andere britannischen Städte eine Stadtmauer erhielten.[9] Um 200 wurde die britannische Provinz zweigeteilt. Londinium war nun die Hauptstadt von Britannia superior. Im Laufe des dritten Jahrhunderts wurden die Verhältnisse unruhiger, und die Stadt scheint auch Ziel von Angriffen seitens verschiedener Barbaren gewesen zu sein. Am Ende des dritten Jahrhunderts (286) war die Stadt wahrscheinlich Regierungssitz des Gegenkaisers Carausius. 296 eroberte der legitime Imperator Constantius I., auf dessen Münzen sich das älteste Bild der Stadt findet, dieses britannische Sonderreich zurück. Die Quellen berichten von einer drohenden Plünderung der Stadt durch die Franken, die der Kaiser gerade noch verhindern konnte.[10] Kurz darauf kam es zu einer erneuten Provinzteilung. Londinium war nun der Hauptort der Provinz Maxima Caesariensis. Das ganze dritte Jahrhundert ist archäologisch in der Stadt nur schlecht belegt. Gegenüber dem zweiten Jahrhundert machte Londinium offensichtlich eine Phase des Niederganges durch.

Viertes Jahrhundert

Um 314 hatte die Stadt auch einen Bischof. Restitutus nahm in diesem Jahr an dem christlichen Konzil in Arles teil und wird in diesem Zusammenhang genannt. Administrativ behielt die Stadt ihre Bedeutung jedoch auch weiterhin. Neben der Erhebung zur Augusta ist auch die Stationierung des praepositus thesaurum Augustensium im späten 4. Jahrhundert zu nennen.

Im Verlaufe des vierten Jahrhunderts gab es zahlreiche Angriffe von Franken und Sachsen auf Britannien. Inwieweit die Stadt davon betroffen war ist nicht bekannt. Flavius Theodosius, der Vater des späteren Kaisers Theodosius I., setzte 368 mit seinem Sohn nach Britannien über und gelangte nach Londinium, wo er überwinterte, um dann die Ordnung wiederherzustellen.[11] Dennoch war Britannien in der Spätantike vor allem ein Sprungbrett für Usurpatoren. Im Jahr 383 gab es mit Magnus Maximus wieder einen Gegenkaiser in Britannien, dessen Hauptstadt kurzzeitig Londinium gewesen sein dürfte und der hier auch Münzen prägen ließ.[12] Nachdem der Usurpator Konstantin III. 407 Britannien mit den Resten des Feldheeres verlassen hatte, war die Provinz weitgehend sich selbst überlassen. Wie bei so gut wie allen britannischen Städten ist im Laufe des vierten Jahrhunderts ein steter Niedergang zu beobachten, obwohl es anscheinend noch eine Reihe von bewohnten ansehnlichen Stadtvillen gab. In Londinium scheint der Verfall aber drastischer als an anderen Orten in Britannien gewesen zu sein. Funde vom Ende des vierten Jahrhunderts sind selten. Münzen dieser Zeit sind im Fundgut auch kaum anzutreffen. Im Laufe des fünften Jahrhunderts wurde die Stadt weitestgehend verlassen, der Siedlungsschwerpunkt verlagerte sich nach außerhalb der Mauern in den Westen, auf die andere Seite des River Fleet. Hier entstand auch das angelsächsische Lundenwic, das nach Anzeichen neuerer Grabungen schon um 500 entstand.

Status der Stadt

Unklar ist heute jedoch trotz der unzweifelhaften Bedeutung der Stadt der Status, den diese hatte. Es ist nicht bekannt, ob es eine colonia oder eine civitas war. Wahrscheinlich ist jedoch, dass die Stadt in flavischer Zeit zum municipium erhoben wurde.[2][13] Für das vierte Jahrhundert gibt es Anzeichen, dass die Stadt vielleicht wirklich in den Status einer colonia erhoben worden war. Darauf deutet, dass Londinium in Augusta umbenannt wurde.[14] Die Bevölkerung der Stadt war weitaus bunter gemischt als in allen anderen Städten Britanniens, was bei der Rolle der Stadt als Verwaltungszentrum auch nachvollziehbar ist. Kaufleute, Soldaten und kaiserliche Beamte beeinflussten das Leben in der Stadt nachhaltig. So war beispielsweise ein breites Spektrum antiker Kulte vertreten. Schon im 1. Jahrhundert entstand ein Isis-Tempel, der um 250 erneuert wurde. Östlich des Walbrook befand sich seit dem späten 2. Jahrhundert bis zu seiner Zerstörung im frühen 4. Jahrhundert ein Mithraeum, das reich mit Skulpturen ausgestattet war. Vor nicht allzu langer Zeit fand man am Tower Hill eine Basilika, die wohl als christliche Kirche des späten 4. Jahrhunderts zu identifizieren ist.[2]

Londinium als Provinzhauptstadt

Die Funktion von Londinium als Provinzhauptstadt wird in den antiken Quellen nicht ausdrücklich erwähnt, kann jedoch aus verschiedenen Indizien erschlossen werden. Zunächst war es die größte römische Stadt Britanniens. Es fand sich bei der Nicholas Lane eine Inschrift, die vielleicht die numina Caesaris Augusti nennt, bei denen es sich um die guten Geister des Kaisers handelt, die auf die Existenz des Kaiserkultes in der Stadt deuten. Dieser Kult wurde meist in der Provinzhauptstadt ausgeübt. In der Stadt fand sich ein hölzernes Schreibbrett, das den Stempel des kaiserlichen Procurators trägt. Das Brett ist nie benutzt worden. Es scheint ungewöhnlich, dass solch ein Brett fern von seinem Büro verworfen wurde. Das entsprechende Büro ist also in Londinium zu vermuten. Es gibt den Grabstein eines speculators, bei dem es sich um einen Beamten handelt, der bisher nur im Palast eines Provinzstatthalters bezeugt ist. Ein Centurio mit dem Namen Vivius Marcianus ist von seinem Grabstein aus London bekannt. Er trägt eine Rolle und es wird vermutet, dass er Princeps praetorii war.[15] Schließlich fanden sich Dachziegel mit der Aufschrift: P.PR.BR.LON – der Provinzprocurator von Britannien in Londinium.[16] Im vierten Jahrhundert war die Stadt aber mit Sicherheit, wie in der Notitia Dignitatum verzeichnet ist, der Sitz des Vicarius und des Praepositus thesaurorum, bei denen es sich jeweils um hohe Beamte der Provinzialverwaltung handelte.

Handwerk und Handel

Es gibt zahlreiche Belege für verschiedene Handwerksbetriebe. An der Stelle des späteren Praetoriums scheint ein Goldschmied im ersten Jahrhundert gearbeitet zu haben. Aus der Zeit vor dem Aufstand der Boudicca gibt es auch Belege für Eisenschmiede und Kupferverarbeitung. Bemerkenswert, da nicht oft anzutreffen, sind die Reste von Glaswerkstätten aus dem ersten und zweiten Jahrhundert. Vor dem Aufstand bestand in der Stadt auch eine Töpferei, wobei der Töpfer eventuell aus dem Rhonetal kam, wo es schon vorher eine blühende Töpferindustrie gab.

Besonders wichtig für die Stadt war aber der Handel, vor allem mit Gallien, Germanien, Spanien und Italien. Am Ufer der Themse konnten Kaianlagen ausgegraben werden, und im Fluss fand man sogar ein relativ gut erhaltenes Schiff. Inschriften belegen, dass die Einwohner der Stadt aus allen Teilen des römischen Reiches nach Londinium kamen. Die besondere Bedeutung des Handels belegen auch die zahlreichen ausgegrabenen Warenlager, vor allem an den Ufern der Themse. Als Handelsgut ist archäologisch vor allem Keramik belegt, wozu auch Lampen und Tonfiguren gehören. In der Zeit nach dem Aufstand der Boudicca wurde die einfache Tafelware meist in der Umgebung der Stadt produziert oder kam aus verschiedenen Töpfereien bei Verulamium. Im zweiten Jahrhundert kamen diese aus Töpfereien aus Dorset. Anspruchsvolle Tischware, vor allem Terra Sigillata, wurde aus Gallien eingeführt. Ab dem dritten Jahrhundert nahmen diese Importe aber ab und man verwendete nur noch lokale Keramik.

Glaswaren nahmen, trotz der eigenen Produktion, als Importgut sicherlich vor allem seit dem zweiten Jahrhundert zu. Wertvolle Baumaterialien wurden teilweise auch von weit her eingeführt, obwohl diese im Gesamthandelsvolumen sicherlich keine große Rolle spielten. Lebensmittel wurden zu einem Teil lokal hergestellt. In Londinium selbst fand man die Reste eines Betriebes, in dem Fischsoße (Garum) produziert wurde.[17] Bestimmte anspruchsvollere Lebensmittel wie Oliven, Fischsoßen aus Spanien, diverse Fischsorten, Früchte und Wein wurden aber importiert. In der Themse fand sich eine Amphore mit 6.000 Oliven. Als britannisches Exportgut erscheinen in antiken Texten vor allem Textilien.[18] Als besondere Delikatesse werden in römischen Quellen britannische Austern genannt. Wie Funde zeigen – im Hafen von Londinium fanden sich viele Austern – war die Stadt einer der Orte, von dem diese Muscheln verschifft wurden.[19]

Kunst

Eine große Stadt wie Londinium war sicherlich reich mit Kunstwerken geschmückt, von denen auch Beispiele aus allen Bereichen erhalten sind. Die Architektur ist jedoch dermaßen zerstört auf uns gekommen, dass es kaum möglich ist, sich ein wirkliches Bild von ihr zu machen. Es kann z. B. nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob es Tempel im klassischen Stil gab. Das gut erhaltene Bad am Themseufer beim Huggin Hill wirkt architektonisch eher anspruchslos und ist rein funktional konzipiert. Das Prätorium war dagegen ein Repräsentationsbau mit großen Hallen, einem Garten und verschiedenen Sälen mit Apsiden. Bei jüngsten Ausgrabungen fand man in der Vorstadt südlich der Themse einen Bezirk mit zwei gallo-römischen Umgangstempeln.

Etwas klarer ist das Bild im Bereich Plastiken und Flachbild, wobei letzteres in Mosaik und Malerei unterteilt werden kann.

Wie die meisten Städte im römischen Reich waren die öffentlichen Plätze und Tempel und sicherlich auch die Häuser wohlhabender Bürger reich mit Statuen ausgeschmückt. Beispiele von Plastiken finden sich auch auf den Friedhöfen der Stadt. Es lassen sich grundsätzlich zwei Stile unterscheiden. Eine Reihe von Werken ist offensichtlich nicht vor Ort, sondern in Italien oder an anderen Orten am Mittelmeer produziert worden. Sie fallen durch ihren rein klassischen Stil (siehe den Bronzekopf des Hadrian), ihre stilistische Vollkommenheit und den hohen handwerklichen Standard auf. Eine Anzahl solcher Werke fand sich auch im Mithraeum. Es handelt sich meist um kleine, aber auch lebensgroße Marmorskulpturen. Einheimisch gefertigte Skulpturen sind meist viel gröber und wirken teilweise etwas unproportioniert. Dies war, zumindest teilweise, bedingt durch die Verwendung lokaler Gesteinsarten. Diese Skulpturen stehen Werken der Gallo-römischen Kultur nahe.

In Londinium wurde eine Reihe von Mosaikfußböden gefunden, die meist geometrische Muster zeigen. Die wenigen erhaltenen figürlichen Darstellungen wirken meist eher bescheiden bezüglich ihrer Qualität.[20] Dies steht im Gegensatz zu den erhaltenen Beispielen der Wandmalerei. Die Reste einer Wand in Southwark steht mit ihrer Darstellung plastischer Architektur kaum italischen Beispielen aus der gleichen Zeit nach (siehe Bild unten).[21] Vergleichbare Reste sind aber auch aus anderen Teilen der Stadt bekannt und belegen, wie eng diese Kunstform in Londinium italischen Vorbildern verpflichtet war. Malereien, die z. B. in der Fenchurch Street gefunden wurden, gehören zu aufwändigen Architekturmalereien mit Aedikulae. Sie datieren wahrscheinlich vom Beginn des zweiten Jahrhunderts.[22]

Die Stadt

Londinium lag an der Themse, die zur römischen Zeit viel breiter war als heute. Das Stadtgebiet zog sich in einer Länge von etwa 1,5 Kilometer am Fluss entlang und war ca. 600 bis 1000 m breit. Es wurde um 200 ummauert. Außerhalb der Stadtmauern, wo vor allem die Nekropolen zu finden sind, gab es eine dünne Besiedlung. Das Zentrum der Stadt war von Anfang an die Gegend um das Forum. In diesem Bereich standen auch viele aufwändige Wohnbauten und hier fanden sich die meisten Mosaiken. Eine weitere Konzentration an Bauten findet sich am Ufer der Themse. Auch hier fanden sich die Reste bedeutender öffentlicher Gebäude, reich ausgestatteter Wohnbauten, zahlreiche Warenlager und Kaianlagen. Nach Norden hin, abseits des Themseufers, scheint die Bebauung lockerer gewesen zu sein und vor allem im dritten und vierten Jahrhundert, als es einen Bevölkerungsrückgang gab, waren diese Gebiete unbebaut und wurden als Gärten oder Ackerland benutzt. Am Ende des vierten Jahrhunderts, als die Bevölkerung immer weiter abnahm, blieben vor allem die Gebiete am Themseufer besiedelt.

Umgebung der Stadt

Im ganzen Stadtgebiet des heutigen Großraums London (Greater London) gibt es römische Funde. Größere Siedlungen gab es aber wohl nur bei Enfield, Brockley Hill und Old Ford im Norden und Brentford, Putney, Croydon und Grayford im Süden. Alle diese Orte, über die sonst wenig bekannt ist, liegen an den Ausfallstraßen der Stadt. Villen sind aus dem näheren Umfeld der Stadt dagegen kaum bekannt. Es ist fraglich, ob dies Zufall ist oder einen besonderen, heute nicht mehr ersichtlichen Grund hatte.[25]

Die Bauten

Forum

Im Zentrum der Stadt stand das Forum. Es handelte sich um den größten Bau dieser Art nördlich der Alpen. Schon vor dem Aufstand der Boudicca gab es hier einen freien Platz. Von dem eigentlichen Forum lassen sich zwei Bauphasen unterscheiden, wobei das Forum in der zweiten Bauphase deutlich erweitert wurde. Die Identifikation des Baues in der ersten Phase als Forum ist umstritten und es ist auch vorgeschlagen worden, dass es sich bei den gefundenen Resten um Lagerhäuser handelte. Eine weitere Möglichkeit wäre schließlich, dass es sich um Macellum gehandelt hat.[26] Die wenigen Reste zeigen Reihen von Räumen, die zu Warenlagern, aber auch zu den genannten Bauten gehört haben könnten.

Der Ausbau in der zweiten Bauphase wird oft mit dem Besuch von Kaiser Hadrian in Verbindung gebracht, obwohl es bisher nicht bewiesen werden kann und auch ein Ausbau unter den Flaviern (69 bis 96 n. Chr.) vorgeschlagen wurde. Immerhin lässt sich immer wieder an anderen Orten im römischen Reich beobachten, dass Kaiser bei ihren Besuchen Geld für den Aufbau oder die Erweiterung von öffentlichen Gebäuden spendeten. Das Forum bestand aus einem großen freien Platz mit einem Wasserbecken in der Mitte. Der Platz war einst von Kolonnaden und Läden gesäumt. Im Norden schloss sich eine Basilika mit Apsiden an. Die Basilika bestand aus einem Mittelschiff. Der ganze Komplex war ca. 168 × 167 m groß. Der Haupteingang lag wohl im Süden. Dieses Forum wurde um 300 abgerissen und nie wieder aufgebaut.[27]

Praetorium

Am Ufer der Themse (in der Gegend des heutigen Bahnhofs Cannon Street) stand ein großes repräsentatives Gebäude mit einem Garten, Wasserbecken und Springbrunnen. Es handelt sich vielleicht um das Praetorium (der Palast des Statthalters) der Stadt, obwohl die schlecht erhaltenen Reste eine andere Funktion, wie die eines großen Bades nicht vollkommen ausschließen. Der Gebäudeplan ist nur in Teilen erhalten. Der Bau war aber einst reich ausgestattet, wie Reste von Mosaiken zeigen. Es gab einen großen Mittelsaal und Bauteile mit Apsiden. Der Bau wurde in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts errichtet, wobei diverse An- und Umbauten in der Folgezeit beobachtet werden konnten. Der Bau wurde bis ca. 300 benutzt.[28]

Tempel

Londinium hatte mehrere Tempel. Auf einem Altar wird die Renovierung eines Iuppitertempels erwähnt.[29] Durch Inschriften ist der Bau eines Tempels einer Muttergottheit und ein Tempel der ägyptischen Göttin Isis belegt. Ein Krug trägt die Aufschrift von Londinium beim Tempel der Isis. Ein Altar nennt schließlich die Renovierung des Isis-Tempels.[30] Neben dem Bau, der vielleicht das erste Forum darstellte fanden sich die Fundamente eines Tempels, der rechteckig und ca. 10 × 20 m groß war. Es gab zwei Räume und im zweiten, größeren Raum eine Nische, sicherlich für die Kultstatue. Vor dem Bau fand sich ein freier Platz, der zum Tempelbezirk gehörte. Die hier verehrte Gottheit ist unbekannt. Der Bau wurde mit Errichtung des großen Forums eingeebnet.[31]

Am Ufer der Themse, eher im Westen der Stadt (in der Nähe von Peter's Hill) wurden bei Ausgrabungen starke Fundamente eines unbekannten Gebäudes gefunden. Es wird vermutet, dass sie zu einem Tempel gehören. Schließlich konnten neuere Ausgrabungen in der Vorstadt von Southwark einen kleinen Tempelbezirk erfassen. Hier standen zwei gallo-römische Umgangstempel. Die hier verehrten Gottheiten bleiben jedoch vorerst unbekannt. Den Ausgrabungen des Tempelkomplexes wurde von der breiten Öffentlichkeit Aufmerksamkeit geschenkt, da sich hier eine Cremedose fand, in der noch die antike Creme steckte.[32] Ein weiterer gallo-römischer Umgangstempel fand sich im Winter 2006/2007 in Osten der Stadt.

Mit Sicherheit konnte jedoch nur ein Mithraeum identifiziert werden. Der Bau enthielt bei seiner Auffindung 1954 noch zahlreiche Skulpturen. Die Reste wurden versetzt und sind deshalb heute noch erhalten. Westlich der Stadt, außerhalb der Stadtmauern, fand man die Reste eines oktogonalen Baues, der vielleicht auch die Reste eines Tempels darstellt. Er wurde um 270 oder vielleicht sogar erst im vierten Jahrhundert errichtet.[33]

Andere öffentliche Bauten

Mehrere Bäder sind bekannt, wobei es im Einzelfall nicht immer sicher ist, ob die gefundenen Reste zu öffentlichen oder privaten Badeanlagen gehörten. Das Bad am Huggin Hill (in der Nähe des Themseufers), das in flavischer Zeit errichtet wurde und fast vollständig ausgegraben werden konnte, ist sicherlich ein öffentliches Bad gewesen. Es enthielt einen der größten beheizbaren Räume im römischen Britannien. Es wurde jedoch schon am Ende des zweiten Jahrhunderts abgerissen.[34]

An der Fenchurch Street, etwas östlich des Forums fand man die Reste eines Saales, der in hadrianischer Zeit niederbrannte. Die Bedeutung ist unsicher, doch könnte es sich um den Versammlungssaal einer Zunft handeln, obwohl dies nur eine von verschiedenen vorgeschlagenen Möglichkeiten ist.

Etwas südlich des Militärlagers konnten die Fundamente eines Amphitheaters ausgegraben werden. Es war ca. 130 × 110 m groß; es wurde im zweiten Jahrhundert erbaut und in der Mitte des vierten Jahrhunderts aufgegeben.

Südlich von Peter’s Hill am Themseufer, dort wo die starken Fundamente, die vielleicht zu einem Tempel gehörten, gefunden wurden, fanden sich auch die wiederverbauten Reste eines Triumphbogens. Der einstige Aufstellungsort des Bogens bleibt unbekannt, doch bei der Annahme, dass er nicht weit von dem hier vermuteten Tempel stand, kann vermutet werden, dass es hier ein religiöses Zentrum der Stadt mit verschiedenen öffentlichen Gebäuden gab.

Reste eines Aquäduktes konnten bisher nicht gefunden werden. Wahrscheinlich wurde die Stadt durch die Themse und deren Nebenflüsse mit Frischwasser versorgt. An mehreren Stellen in der Stadt fand man Abwasserleitungen aus Holz, die Schmutz- und Regenwasser fortleiteten.

Warenlager

Am Ufer der Themse konnten in den Jahren 1973 bis 1983 zahlreiche Lagerbauten ausgegraben werden, die die wirtschaftliche Bedeutung der Stadt unterstreichen. Hier fand man auch den Betrieb, in dem die für römische Gerichte so beliebte Fischsoße produziert wurde. Die Uferlinie schob sich dabei im Laufe der Jahrhunderte immer weiter nach Süden, womit also neues Land gewonnen wurde. Teile der Uferbefestigungen mit den Landestegen aus Holz sind bei Ausgrabungen gefunden worden und waren zum Teil überraschend gut erhalten. Die Reste eines Holzkastens, der einst im Wasser stand, könnten die Fundamente der vermuteten Themsebrücke darstellen.[35]

Militärlager

Im Norden der Stadt gab es ein ca. 4,5 ha großes Militärlager, das am Ende des ersten oder zu Beginn des zweiten Jahrhunderts errichtet wurde. Es ist umstritten, was für eine Militärtruppe hier stationiert war, vielleicht Soldaten, die in Verbindung mit dem in Londinium residierenden Statthalter standen. In Texten auf Weihesteinen aus der Stadt erscheinen Legionen. Doch ist es sehr zweifelhaft, dass diese hier ihr Lager hatten. Drei Legionen sind bezeugt. Es sind die Legio II Augusta, die Legio XX Valeria Victrix und die Legio VI Victrix.

Wohnbauten

Wohnbauten konnten im ganzen modernen Stadtgebiet beobachtet werden. Da die Ausgrabungen jedoch meist nur kleine Ausschnitte erfassen, sind nur wenige Gebäude in ihrem Gesamtplan erkennbar. Im ersten und zweiten Jahrhundert scheinen vor allem Holzbauten dominiert zu haben, die dicht an dicht die Stadt bedeckten, obwohl es auch bedeutende Steinhäuser gab. Bemerkenswert sind einige runde Hütten des ersten Jahrhunderts, die zweifelsohne von einheimischen Briten stammen, die sich in der Stadt ansiedelten. Im dritten Jahrhundert wurden immer mehr Steinbauten errichtet, wobei diese Bauten meist größer waren und es den Anschein hat, dass es einen Rückgang in Handwerk und Industrie gab. In dieser Zeit scheinen einige Bereiche innerhalb der Stadtmauern unbebaut und für Ackerbau oder Gärten vorbehalten gewesen zu sein. Ein besonders großer Wohnbau mit Badeanlagen fand sich an der heutigen Lower Thames Street, nahe der Themse, etwas südöstlich des Forums.

Die reicheren Häuser, besonders im Zentrum der Stadt, hatten Mosaiken, Wandmalereien, Hypokausten und Badeanlagen. Sie belegen den Wohlstand in der Stadt.

Stadtmauer

Die Stadtmauer aus Stein, die zum Umland hin ca. 3,2 km lang war, ist wie die meisten Stadtmauern Britanniens am Ende des zweiten Jahrhunderts errichtet worden. Unterhalb der Mauer fand sich eine Münze von Commodus.[37] Es gab mindestens sechs Tore, ein weiteres, wenn nicht noch mehr, kann zur Themse hin erwartet werden, wo es eine Brücke über den Fluss gab. Die Brücke kann bisher auch nur aus der Konzentration in dieser Gegend von Funden und dem Standort der Vorstadt auf der anderen Seite der Themse erschlossen werden. Eindeutige Reste fanden sich bisher nicht. Die Stadtmauer schloss das Militärlager, aber auch das Amphitheater mit ein, was in den meisten anderen britannischen Städten in der Regel nicht der Fall war. Der Verlauf der Stadtmauer ist im Allgemeinen gesichert, nur an der Westseite, südlich von Ludgate Hill, ist sie bisher nicht archäologisch nachweisbar. Die Sicherung des Ufers der Themse ist nicht gesichert. Es wurde zunächst von einer Reihe von Türmen ausgegangen. Neuere Grabungen erbrachten jedoch massive Mauern am Themseufer, die eine Mauer auch hier nahelegen. Problematisch ist, dass die Ufermauer wohl erst um 270 n. Chr. erbaut wurde, also viel später als die Landmauer.

Vorstädte

Auf der Südseite der Themse (heutiges Southwark) gab es eine große Vorstadt, die mit der eigentlichen Stadt durch eine Brücke verbunden war. Das Gelände war hier flach, wurde oft überflutet, so dass nur auf einer Reihe von kleinen Hügeln gesiedelt werden konnte. Die Bebauung scheint typisch für eine Vorstadt gewesen zu sein und entwickelte sich vor allem entlang der Ausfallstraßen. Hier konnten jedoch auch bedeutende Steinbauten mit teilweise reichen Innenausstattungen ausgegraben werden. Hier stand wahrscheinlich auch der Isis-Tempel. Eine Inschrift, die sich vor Ort fand, listet Legionäre mit Namen auf. Es bleibt unklar, was der Zweck dieser Inschrift ist und warum sie sich gerade hier fand.[38] Immerhin könnte diese Inschrift mit einer Mansio in Verbindung stehen, die hier vermutet wird.[39] Es fand sich ein Tempelbezirk mit zwei Tempelbauten.

Nekropolen

Außerhalb der Stadtmauern gab es umfangreiche Nekropolen mit teilweise monumentalen Grabbauten. Das Grabmal des Gaius Iulius Alpinus Classicianus gehört einer historisch fassbaren Person. Verschiedene Inschriften auf Grabsteinen belegen den kosmopolitischen Charakter der Bevölkerung. Alfidus Olussa z. B. stammte aus Athen, L. Pomeius Da […] stammte aus Arretium in Italien. Sein Grabmal wurde von einer marmornen Inschrift geziert. Urnenbestattungen waren die Regel, erst ab dem dritten Jahrhundert kommen Erdbestattungen immer häufiger vor. Die ältesten Gräber fanden sich innerhalb der späteren Stadtmauer, nahe dem Forum. In der Gegend der West Tenter Street, östlich der Stadtmauer wurde ein größerer Friedhofsabschnitt ergraben. Es fanden sich 672 Körpergräber und 134 Brandbestattungen. Sie datieren vom Ende des ersten bis in das fünfte Jahrhundert, Holzsärge konnten beobachtet werden. Ein Grab enthielt mit Silber eingelegte Bronzebroschen, die typisch für hohe Militärangehörige sind.[40]

Ausgrabungen

Durch die intensive Bebauung der modernen Stadt gestaltet sich die archäologische Erforschung von Londinium schwierig. Viele antike Bauten wurden schon im Mittelalter abgetragen, daneben bewahrten aber auch die dicken mittelalterlichen Schichten römische Reste vor neuzeitlichen Zerstörungen. Die römische Stadt liegt im Zentrum des heutigen Londons, genau dort wo sich die größten Bauten mit den tiefsten Kellern befinden. Die Fundamente großer Häuser sind seit viktorianischer Zeit oft sehr tief und zerstören dabei viele alte Reste, wobei sich die entstandenen Schäden in den letzten Jahren als weniger dramatisch als befürchtet erwiesen haben. Die viktorianischen Mauern bilden oft nur Fundamente an den Außenseiten der Gebäude und lassen den Raum dazwischen ungestört.

Seit der Renaissance wurde antiken Objekten, die bei Bauarbeiten in der Stadt zu Tage kamen, Aufmerksamkeit geschenkt. Vor allem nach dem Großen Brand von London (1666) wurden auch einige mächtige Mauerstrukturen, die zum Forum und Praetorium gehören, von Sir Christopher Wren beobachtet und beschrieben. Inschriften und Skulpturen, seit dem 18. Jahrhundert auch Mosaiken, wurden kopiert und sind teilweise noch heute erhalten. Systematische Ausgrabungen finden seit dem 19. Jahrhundert statt und sind besonders seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges intensiv. Es können dabei in der Regel nur kleine Ausschnitte der antiken Stadt erfasst werden, die den modernen Parzellen entsprechen. Das Bild der antiken Bebauung bleibt daher ungleichmäßig.

Die sichtbaren Reste in der heutigen Stadt

Im heutigen London sind nur noch wenige Reste der antiken Stadt zu sehen. Ruinen der Stadtmauer (die wiederum im Mittelalter weiter benutzt und ausgebaut wurde) finden sich beim Tower of London und vor allem in der Nähe des Museum of London. Einige Mauern des Amphitheaters sind heute unter der Guildhall zu sehen. Die Fundamente des Mithraeums wurden abgebaut und versetzt. Sie stehen heute in der Queen Victoria Street. Die Einzelfunde der Grabungen sind vor allem im Museum of London zu sehen. Dort gibt es auch die lebensgroße Rekonstruktion eines Wohnraumes aus römischer Zeit mit Mosaik und Wandmalerei. Einige herausragende Objekte von überregionaler Bedeutung sind auch im Britischen Museum ausgestellt.[42]

Literatur

Allgemeines

  • Edward Bacon: Auferstandene Geschichte. Archäologische Funde seit 1945. Aktualisierte Auflage. Zürich 1964, S. 15–24.
  • Peter Marsden: Roman London. London 1980.
  • Ralph Merrifield: London, City of the Romans. Berkeley (California) 1983, ISBN 0-520-04922-5. (eher populäre Zusammenfassung)
  • Gustav Milne: The Port of Roman London, London 1993 (reprint), ISBN 0-7134-4365-0. (Zusammenfassung der Grabungen an der Themse)
  • John Morris: Londinium, London in the Roman Empire. London 1999, ISBN 0-7538-0660-6.
  • Dominic Perring: Roman London (The Archaeology of London). London 1991, ISBN 1-85264-039-1. (vor allem archäologische Zusammenfassung zum römischen London, reich an Plänen)
  • John Wacher: The Towns of Roman Britain. London/New York 1997, ISBN 0-415-17041-9, S. 88–111. (vor allem archäologische Zusammenfassung zum römischen London)
  • R. J. A. Wilson: A Guide to the Roman Remains in Britain. 4. Auflage. London 2002, ISBN 1-8411-9318-6, S. 604–652.

Antike Autoren

  • Stanley Ireland: Roman Britain. A Sourcebook. London 1996, ISBN 0-415-13134-0. (Sammlungen aller Stellen bei klassischen Autoren, die Britannien und London erwähnen)

Ausgrabungsberichte

Die Ausgrabungsberichte zum römischen London finden sich verstreut in verschiedenen Zeitschriften und Aufsätzen, deren Zahl unüberschaubar erscheint. In den letzten Jahren werden Ausgrabungsberichte in der Reihe MoLAS Monograph Series veröffentlicht. Besonders wichtig sind:

  • P. Marsden: The Roman Forum Site in London. Discoveries before 1985. London 1987, ISBN 0-11-290442-4.
  • John D. Shepherd: The temple of Mithras, London. London 1998, ISBN 1-85074-628-1.

Werke der MoLAS Reihe:

  • Bruno Barber, David Bowsher: The eastern cemetery of Roman London: excavations 1983–90. (MoLAS Monograph), London 2000, ISBN 1-901992-06-3.
  • Brian Yule: A Prestigious Roman Building Complex on the Southwark Waterfront: Excavations at Winchester Palace, London, 1983–90. (MoLAS Monograph) London 2005, ISBN 1-901992-51-9.

Einzelnachweise

  1. ↑ allgemein: Wacher: The Towns of Roman Britain. S. 17–32.
  2. ↑ a b c d Malcolm Todd: Art. „Londinium“, in: Der Neue Pauly Bd. 7, Sp. 432–33.
  3. ↑ Richard Coates: A New Explanation of the Name of London. In Transactions of the Philological Society. November 1998, S. 203.
  4. ↑ Ausgrabungsbericht von English Heritage
  5. ↑ Tacitus: Annalen. XIV 33.
  6. ↑ vgl. die Karte bei Marsden: Roman London. S. 30.
  7. ↑ Die Reste seines Grabmals fand man 1885 und sind heute im Britischen Museum zu sehen: [1]
  8. ↑ Malcolm Todd spricht im Neuen Pauly von einer kompletten Umgestaltung samt einer neu errichteten Basilika (die größte in den nordwestlichen Provinzen) um das Jahr 100.
  9. ↑ Wacher: The Towns of Roman Britain. S. 74.
  10. ↑ Paengyris Latini VIII, V.
  11. ↑ Ammianus Marcellinus, XXVII, 8, 7; XXVIII, III,1
  12. ↑ Solidus, der in Londinium geprägt wurde
  13. ↑ vergleiche die Diskussion: The Status of Roman London
  14. ↑ Ammianus Marcellinus, XXVIII, III,1; vgl. auch die Notitia Dignitatum (XI)
  15. ↑ J. C./M. G. Jarret: The division of Britain. In: Journal of Roman Studies. 57 (1967), S. 63.
  16. ↑ Wacher: The Towns of Roman Britain. S. 83–87.
  17. ↑ Milne: The Port of Roman London. S. 87–95.
  18. ↑ Milne: Port of London. S. 103–126.
  19. ↑ Milne: Port of London. S. 91–95.
  20. ↑ Vgl. die Figur des Dionysos in dem Leadenhall street mosaic
  21. ↑ Yule: A Prestigious Roman Building. S. 125–30.
  22. ↑ M. Rhodes: Wall-paintings from Fenchurch Street, City of London. In: Britannia. 18 (1987), S. 169ff, Taf. 1–3.
  23. ↑ Rare Roman murals go on display
  24. ↑ Perring: Roman London. S. 101, fig. 45.
  25. ↑ Siehe Karte bei Morris: Londinium, London in the Roman Empire. Fig. 13, S. 260–61.
  26. ↑ Wacher: The Towns of Roman Britain. S. 91.
  27. ↑ Marsden: The Roman Forum Site in London.
  28. ↑ P. Marsden: The Excavation of a Roman Palace Site in London. In: Trans. London and Middx Arch Soc. 1961–971, 26 (1975), S. 1–102.
  29. ↑ Roman Inscriptions of Britain, 39a infra.
  30. ↑ Roman Inscriptions of Britain, 39b infra.
  31. ↑ Perring: Roman London. S. 22, fig. 8.
  32. ↑ Londontreasures (engl., Worddokument)
  33. ↑ J. Heachcote: Excavation round-up 1988, Part 1: City of London. In: The London Archaeologist. 6 (1989), S. 46–53.
  34. ↑ P. Marsden: “Two Roman public baths in London”. In: Transactions of the London and Middlesex Archaeological Society. 27, 1976, S. 1–70.
  35. ↑ zusammenfassend: Milne: The Port of Roman London.
  36. ↑ Zusammenfassung einer Grabung im Stadtzentrum.
  37. ↑ W. F. Grimes: Excavations of Roman and Medieval London. London 1968, S. 50.
  38. ↑ K. Heard, H. L. Sheldon, P. Thompson: “Mapping Roman Southwark”. In: Antiquity. 64, 1990, S. 608–619; Yule: A Prestigious Roman Building. Siehe auch online: Southwark, Roman waterfront buildings and industry, assessment and analysis
  39. ↑ Yule: A Prestigious Roman Building. S. 69–72.
  40. ↑ B. Barber, D. Bowsher, K. Whittaker: “Recent excavations in a cemetery of Londinium”. In: Britannia. 21, 1990, S. 1–12. Siehe auch: East cemetery
  41. ↑ Perring: Roman London. S. 56, fig. 22.
  42. ↑ Wilson: A Guide to the Roman Remains in Britain. S. 604–652.

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

Home  u~m~d~h~T

 

 

Diese Seite als PDF-Download

 

 

Zurück zur Themenseite “Syndicus der Hanse / Syndikus der Hanse”