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Titelregister zu:

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Strelasund

Der Strelasund ist ein Meeresarm der Ostsee in Mecklenburg-Vorpommern mit sehr unterschiedlicher Breite. Er trennt die Insel Rügen vom Festland bei der Hansestadt Stralsund. Das langgestreckte und mit durchschnittlich vier Metern ungewöhnlich tiefe Boddengewässer weist eine Fläche von 64 Quadratkilometer auf.

Entstehung

Die letzte Eiszeit und ihre vor 13.000 Jahren in dieser Region abgeschmolzenen Eismassen hinterließen eine leicht hügelige Geschiebemergellandschaft. Vor 7.000 Jahren befand sich hier wahrscheinlich noch ein bewaldetes Tal mit einem tief eingeschnittenen Flusslauf, der durch das Abschmelzen des eiszeitlichen Eispanzers entstanden war. Später drang von beiden Seiten das Meer in den Flusslauf, was eine Flutung der Ufer auslöste. Das Ufer des Strelasunds ist auf Rügener Seite sowohl durch Steilufer als auch flache Ufer mit Schilfgürtel geprägt, das Festlandufer ist dagegen überwiegend flach.

Informationen über die Entstehung des Strelasunds werden im Deutschen Meeresmuseum in Stralsund gezeigt.

Geschichte

Im Strelasund fanden 1362 und 1369 Schlachten zwischen dem dänischen König Waldemar IV. und der Flotte der Hanse statt. Als Ergebnis der zweiten Schlacht wurde 1370 der Frieden von Stralsund geschlossen. In den Jahren 1678 und 1715 war der Strelasund Schauplatz von Kämpfen der mit Dänemark verbündeten Preußen gegen die Schweden, in deren Ergebnis jeweils die schwedische Herrschaft in diesem Teil Schwedisch-Pommerns kurzzeitig unterbrochen wurde. Beide Male wurden die Schweden nach der Landung dänischer und brandenburgischer bzw. preußischer Truppen auf Rügen über den Strelasund nach Stralsund zurückgedrängt.

Über den Strelasund führt – als einzige feste Verbindung der Insel Rügen zum Festland – seit 1936 der Rügendamm, er stellt eine kombinierte Straßen- und Eisenbahnverbindung her. Seit 2004 wurde an einer neuen Strelasundquerung gearbeitet, die seit Oktober 2007 als Hochbrücke mit einer Schiffsdurchfahrtshöhe von 42 Meter den alten Rügendamm entlastet.

Ein Sportereignis, das einmal jährlich durchgeführt wird, ist das Sundschwimmen, ein Schwimmwettbewerb über eine Strecke von 2,3 Kilometern zwischen Altefähr und Stralsund.

Weithin bekannt ist der Strelasund auch als guter Fanggrund für Hecht- und Zanderangler. Im Brackwasser gibt es eine große Nahrungsvielfalt, weshalb die Raubfische schnell groß werden. Angelei und Berufsfischerei zehren jedoch kräftig am Bestand.

In Stralsund stießen im Jahr 2002 Bauleute auf die Einbäume von Stralsund, drei 6000 bis 7000 Jahre alte Einbäume.

 

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Greifswalder Bodden

Der Greifswalder Bodden ist ein Randgewässer der südlichen Ostsee mit einer Fläche von 514 km².

Die Wasserfläche ist umgeben von der Insel Rügen im Norden, dem Festland im Westen und Süden und der Öffnung zur Ostsee mit den kleinen Inseln Ruden und Greifswalder Oie im Osten. Südöstlich liegt die Insel Usedom.

Im Westen des Greifswalder Boddens bildet der Strelasund eine weitere Verbindung zur Ostsee. Der Norden des Boddens wird auch Rügischer Bodden genannt. Die Küstenlinie des Greifswalder Boddens ist stark gegliedert. Die Halbinseln Zudar, Struck und Teile der Halbinsel Mönchgut reichen weit in das Gewässer hinein. Diese teilen den Bodden wiederum in Buchten, die zum Teil tief eingeschnitten sind (im Norden der Having mit dem Selliner See und die Hagensche Wiek, im Westen die Schoritzer Wiek und im Süden die Dänische Wiek). Zu den Inseln im Osten des Boddens kommen die Inseln Vilm, Riems, Koos und die ehemalige Insel Stubber hinzu.

Die durchschnittliche Wassertiefe beträgt 5,6 m (max. 13,5 m). Das Wasser des Greifswalder Boddens setzt sich aus Süßwasser des mündenden Flusses Ryck, dem schwach salzigen Wasser des Peenestroms und dem salzhaltigen Wasser der Ostsee zusammen und wird als Brackwasser bezeichnet.

Ehemalige Bohrplattformen

Im Süden des Greifswalder Boddens am Übergang zur Dänischen Wiek befinden sich drei verlassene Bohrplattformen. Auf ihnen waren in den 1970er Jahren Probebohrungen durch den VEB Erdöl Grimmen vorgenommen wurden, durch die jedoch keine ergiebigen Erdöllagerstätten aufgefunden wurden.

Wassersportgebiet zu Zeiten der DDR

Zu DDR-Zeiten war der Bodden im Gegensatz zur restlichen Ostsee zugängliches Wassersportgebiet, da die Ausgänge zur Ostsee wirksam überwacht werden konnten, um Republikfluchten zu verhindern.

 

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Sundhagen   -   Stahlbrode (Ortsteil von Sundhagen)

Sundhagen ist eine Gemeinde im Landkreis Nordvorpommern. Sie ist Teil des Amtes Miltzow. Der Name leitet sich vom Strelasund ab, an dessen südöstlichem Ende sie sich befindet.

Geografie

Die Gemeinde grenzt südöstlich an die Hansestadt Stralsund und liegt im Nordosten Mecklenburg-Vorpommerns am Strelasund, einem Meeresarm der Ostsee zwischen dem Festland und der Insel Rügen. Die maximalen Geländehöhen im Gemeindegebiet erreichen 32 Meter über dem Meeresspiegel. Größere Waldgebiete existieren westlich von Wilmshagen und südwestlich von Kirchdorf.

Gemeindegliederung

Sundhagen besteht aus den Ortsteilen Ahrendsee, Groß-Behnkenhagen, Hildebrandshagen, Klein-Behnkenhagen, Behnkendorf, Groß-Miltzow, Middelhagen, Neuhof, Niederhof, Schönhof, Wüstenfelde, Brandshagen, Horst, Jager, Gerdeswalde, Segebadenhau, Wendorf, Tremt, Jeeser, Kirchdorf, Reinkenhagen, Mannhagen, Engelswacht, Hankenhagen, Klein Miltzow, Miltzow, Oberhinrichshagen, Falkenhagen, Dömitzow, Stahlbrode, Reinberg, Bremerhagen und Wilmshagen.

Geschichte

Der Ortsteil Bremerhagen wurde 1323 erstmals urkundlich erwähnt.

Sundhagen wurde am 7. Juni 2009 durch den Zusammenschluss der Gemeinden Behnkendorf, Brandshagen, Horst, Kirchdorf, Miltzow, Reinberg und Wilmshagen gebildet.

Das Gemeindegebiet war bis 1952 Teil des Landkreises Grimmen und gehörte danach bis 1994 zum Kreis Grimmen im Bezirk Rostock. Seit 1990 gehört die Region zum Land Mecklenburg-Vorpommern.

Verkehr

Durch die Gemeinde führen die Bundesstraße 96 von Stralsund nach Berlin, die Bundesstraße 105 von Stralsund nach Greifswald sowie die Bahnstrecke Angermünde–Stralsund. Letztere besitzt in der Gemeinde Haltepunkte oder Bahnhöfe in Wüstenfelde, Miltzow und Jeeser.

Söhne und Töchter der Gemeinde

  • Albert Georg Schwartz (1687–1755), Theologe, Historiker und Philosoph, wurde im Ortsteil Horst geboren.

Einzelnachweise

  1. ↑ Mecklenburg-Vorpommern Statistisches Amt - Bevölkerungsentwicklung der Kreise und Gemeinden 2009 (PDF; 522 KB) (Hilfe dazu)

 

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Wolgast

Wolgast ist eine Stadt im äußersten Nordosten Deutschlands. Sie gehört zum Landkreis Ostvorpommern und ist Sitz des Amtes Am Peenestrom, dem weitere neun Gemeinden angehören. Sie ist eines der 18 Mittelzentren des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

Geografie

Geografische Lage

Wolgast liegt zum größten Teil am Westufer des Peenestroms, eines Meeresarms der Ostsee, der die Insel Usedom vom Festland trennt. Der Ortsteil Mahlzow liegt östlich des Peenestroms auf der Insel. Da diese über zwei Wolgaster Brücken mit dem Festland verbunden ist, wird die Stadt auch als Tor zur Insel Usedom bezeichnet.

Etwa drei Kilometer südwestlich der Stadt, in der Nähe des Ziesabergs, mündet die von Westen aus dem Ziesebruch kommende Ziese in den Peenestrom.

Stadtgliederung

Zu Wolgast gehören die Ortsteile:

  • Altstadt
  • Mahlzow (auf der Insel Usedom)
  • Tannenkamp
  • Weidehof
  • Wolgast-Nord
  • Wolgast-Süd

Geschichte

Name

Der Name Wolgast könnte ein altpolabischer Personenname Voligost gewesen sein, dessen zweiter Namensteil gość die Bedeutung Gast, auch Freund hat. Der Name bezeichnet somit jemanden, der einen größeren/besseren Freund hat.[2] Wilhelm Ferdinand Gadebusch ging ebenfalls von „groß“ als Bedeutung der ersten Silbe („woly“) aus, „gast“ soll jedoch als „Dickicht“ oder „Hain“ zu deuten sein, woraus er „Großer Hain“ ableitete.[3]

Der Ortsname veränderte sich von Hologosta (1165) zu Woligost und urkundlich 1140 zu Wologost sowie zu Wolegast (1229) oder Wolgust (1250) zum heutigen germanisierten Wolgast (1250, 1331).[4]

Mittelalter

Die Gegend von Wolgast gehörte zum Siedlungsgebiet der wendischen Liutizen, später zum Herzogtum Pommern. Der Ort wurde urkundlich erstmals im Jahr 1123 als eine Handels- und Zollstelle erwähnt. Hier befand sich der Tempel des slawischen Gottes Jarovit. Dieser wurde durch Bischof Otto von Bamberg auf seiner zweiten Missionsreise im Jahre 1128 zerstört. Er legte vermutlich an dieser Stelle die St.-Petri-Kirche an. Der Kirchbau und der südlich davon gelegene wendische Rundling waren der Ursprung der Stadt.

Wolgast erhielt 1282 durch Herzog Bogislaw IV. eine Bestätigung des Lübischen Stadtrechts. Die erstmalige Verleihung des Stadtrechts wird zwischen 1250 und 1259 erfolgt sein.[5] Es ist davon auszugehen, dass sich die Stadtrechtsverleihung auf eine neue deutsche Stadt bezog, die mit regelmäßigem Straßennetz neben den bisherigen wendischen Siedlungen Kronwiek, Bauwiek und Fischerwiek angelegt wurde.[5]

Von 1296 bis 1625 war die Stadt nach der Teilung des Herzogtums Pommern in Pommern-Stettin und Pommern-Wolgast Sitz der Herzöge der Wolgaster Linie. Ihre Residenz, das Schloss Wolgast, war einer der bedeutendsten norddeutschen Renaissancebauten. Es befand sich auf einer kleinen, der Stadt vorgelagerten Insel im Peenestrom zwischen dem Festland und der Insel Usedom, die bis in die Gegenwart als „Schlossinsel“ bezeichnet wird. Um 1820 verschwanden die letzten Überreste des Schlosses aus dem Stadtbild. Sehenswert aus dieser Zeit sind die Petrikirche mit der herzoglichen Gruft und die Gertrudenkapelle auf dem alten Friedhof, ein architektonisches Kleinod.

Wolgast war Mitglied der Hanse, innerhalb dieses Städtebundes jedoch nie von größerer Bedeutung. Die durch die Residenz vermittelte Nähe des Landesherrn führte dazu, dass die Stadt nicht die Unabhängigkeit und Selbständigkeit anderer Städte dieser Zeit erreichen konnte.[5]

16. bis 19. Jahrhundert

Der schwedische König Gustav II. Adolf landete im Dreißigjährigen Krieg mit seiner Armee unweit des Stadtgebietes. Ebenso erfolgte nach seinem Tod die Rückführung seines Leichnams nach Schweden von Wolgast aus.

Vom Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 bis zum Wiener Kongress 1815 befand sich die Stadt, wie das gesamte Gebiet Vorpommerns, unter schwedischer Herrschaft und versank in die Bedeutungslosigkeit, profitierte aber von den Zoll- und Steuervergünstigungen. Das herzogliche Schloss verfiel und wurde als Baumaterial für innerstädtische Häuser verwandt. Im Jahr 1713 ließ der russische Zar Peter I. die Stadt im Großen Nordischen Krieg niederbrennen. Dabei wurden das Residenzschloss endgültig und große Teile der Stadt fast völlig zerstört. Daher basiert das heutige Stadtbild von Wolgast in wesentlichen Teilen auf barocker Architektur, mit dem historischen Rathaus als herausragendem Beispiel, bei weitgehend mittelalterlichem Straßengrundriss. Zu den wenigen in diesem Brand nicht zerstörten und damit noch heute verbliebenen Resten gotischer Baukunst zählt die Kirche St. Petri.

Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts kam es zu neuem Aufschwung durch Handel und Industrie. Es entstanden Speicher- und Handelshäuser. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts verfügten die in Wolgast vertretenen Reeder über 20 Handelsschiffe.[6]

Besonders sehenswert als gut erhaltene Fachwerkbauten waren die beiden großen Getreidespeicher am Stadthafen, der eine aus dem Jahr 1836. In ihnen sollen die letzten Steine des Schlosses verbaut sein. Der in unmittelbarer Nähe zur Peene-Werft stehende, 1843 für den Getreidegroßhändler Wilhelm Homeyer errichtete Speicher wurde in der Nacht vom 6. zum 7. Juni 2006 durch einen auf Brandstiftung beruhenden Großbrand vollständig zerstört.

Ab 20. Jahrhundert

Die Weltkriege überstand Wolgast ohne nennenswerte Zerstörungen. Dies ist vor allem auf die kampflose Übergabe der Stadt im Zweiten Weltkrieg am 30. April 1945 zurückzuführen.

Zu Zeiten der DDR wurde in der Stadt die Peene-Werft errichtet. Sie war auf Militärschiffbau ausgerichtet und hatte ca. 3.500 Beschäftigte. Daneben wurde Wolgast zum Marinestützpunkt. Administrativ wurde Wolgast Kreisstadt des Kreises Wolgast im Bezirk Rostock. Die Einwohnerzahl stieg bis 1989 auf etwa 17.000.

Nach der politischen Wende wurden ab 1991 der historische Stadtkern und die Schlossinsel im Rahmen der Städtebauförderung gründlich saniert; das Stadtbild mit seinem modernisierten Rathaus und den Speichergebäuden hat sich stark verbessert. Durch Stadtumbau und Wohnumfeldverbesserungen wurden die benachbarten großen Wohngebiete saniert.

Nach der Wiedervereinigung wurden die Marinestreitkräfte abgezogen. Im Zuge der Kreisgebietsreform des Landes Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 1994 wurde der Kreis Wolgast-Land zusammen mit den Kreisen Anklam-Land und Greifswald-Land zum Landkreis Ostvorpommern zusammengefasst, dessen Kreissitz die Stadt Anklam ist. Aufgrund von Abwanderung, vorwiegend in andere Bundesländer aufgrund der angespannten Arbeitsmarktsituation in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch durch Stadtflucht in kleinere Umlandgemeinden, hat Wolgast seit Beginn der 1990er Jahre deutlich an Einwohnern verloren.

Politik

Bürgermeister der Stadt Wolgast ist seit 2008 der parteilose Stefan Weigler, der von der Partei Die Linke nominiert worden war und in einer Stichwahl gegen den langjährigen Amtsinhaber Jürgen Kanehl von der SPD gewann. Der aus 25 Abgeordneten bestehenden Stadtvertretung gehören seit 2009 acht Abgeordnete der Linken, fünf Abgeordnete der CDU, fünf Abgeordnete der Wählervereinigung „Bürger für Wolgast“, vier Abgeordnete der SPD, ein Abgeordneter der NPD und zwei unabhängige Einzelbewerber an.

Wappen

Das Wappen wurde unter der Nr. 52 der Wappenrolle von Mecklenburg-Vorpommern registriert.

Blasonierung: „In Gold auf grünem Boden ein roter Zinnenturm mit abwechselnd von Blau und Gold senkrecht gestreiftem Kuppeldach und geschlossenem goldenen Tor zwischen zwei goldbewehrten, einander zugewendeten schwarzen Greifen, die auf den Bärten zweier senkrecht stehender abgewendeter schwarzer Schlüssel stehen und mit einer Pranke den Turm und mit den Fängen die Kuppel ergreifen.“

Das Wappen wurde 1997 neu gezeichnet.

Flagge

Die Flagge der Stadt Wolgast ist längs gestreift von Gold (Gelb), Rot und Gold (Gelb), die goldenen (gelben) Streifen nehmen jeweils ein Sechstel, der rote Streifen nimmt zwei Drittel der Höhe des Flaggentuches ein. In der Mitte des roten Streifens liegt das Stadtwappen, fünf Sechstel der Höhe des roten Streifens einnehmend. Die Länge des Flaggentuchs verhält sich zur Höhe wie 5:3.

Städtepartnerschaften

Partnerstädte von Wolgast sind Wedel in Schleswig-Holstein, Nexø auf Bornholm in Dänemark, Sölvesborg in Schweden und Karlino in Polen.

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Museen

  • Das städtische Museum Kaffeemühle ist ein zweigeschossiger quadratischer Fachwerkbau auf Feldsteinsockel aus dem 17. Jahrhundert mit einem reizvollen Zeltdach.
  • Das Rungehaus ist das Geburtshaus des Malers Philipp Otto Runge.

Bauwerke

  • Recht gut erhalten ist die inzwischen sanierte mittelalterliche Innenstadt von Wolgast. Von den Bauten auf der herzoglichen Schlossinsel sind hingegen kaum Reste erhalten.
  • Die Petrikirche wurde von 1280 bis 1350 im gotischen Stil errichtet und bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts zu einer dreischiffigen Basilika umgestaltet. In der Gruft von 1587 befinden sich die Särge der letzten sieben Angehörigen der Herzogsfamilie von Pommern-Wolgast. Nach einem Brand wurde die Kirche 1713 wiederhergestellt. Vom Kirchturm aus bietet sich ein guter Überblick über die Stadt. Die Besichtigung der Gruft ist möglich.
  • Die Herz-Jesu-Kirche wurde 1910 errichtet und ist das Gotteshaus der in Wolgast ansässigen Katholiken, die zusammen mit den Katholiken der Stadt Anklam von der Kirchengemeinde Salvator betreut werden.
  • Das historische Rathaus ist ein zweigeschossiger Backsteinbau, dessen heutige Erscheinung durch die Wiederherstellung von 1718 bis 1724 bestimmt wird. Die Laternentürmchen am barocken Marktgiebel stammen von 1780. Spätgotische Reste sind am hinteren Giebel erhalten.
  • Die Gertrudenkapelle ist eine Kirche vom Anfang des 15. Jahrhunderts. Die gotische Kapelle wurde als zwölfeckige Zentralbau aus Backsteinen errichtet und soll an das Heilige Grab in Jerusalem erinnern. Sie steht südlich der Bundesstraße 111 (Chausseestraße, B 111) auf dem Alten Friedhof und gehört zu den ältesten erhaltenen Gebäuden der Stadt. Herzog Wartislaw IX. von Pommern ließ das Gebäude um 1420 als Hospitalkapelle außerhalb der Stadtmauern errichten.
  • Die Kapelle St. Jürgen aus dem 15. Jahrhundert ist ein einschiffiger Backsteinbau.
  • Das spätgotische Wohnhaus Burgstraße 9 stammt aus dem 16. Jahrhundert.
  • Denkmal aus den 1950er Jahren oberhalb der Bahnhofstraße für die Opfer des Faschismus, unter denen sich Sozialdemokraten, Kommunisten und Juden der Stadt befinden.
  • Der Wassermühlen-Brunnen ist eine bespielbare Brunnenskulptur, die im Jahre 2001 im Rahmen einer Kontakt-Kunst-Aktion der Bildhauer Hans-Werner Kalkmann und Jens Kalkmann unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger entstand. Kulturgeschichtlicher Hintergrund ist die Mahlsteinsammlung im Mühlen-Stein-Park in der Dr.-Theodor-Neubauer-Straße.
  • Das Bankgebäude am Rathausplatz 2 wurde von Hans Poelzig, dem Architekten des I.G.-Farben-Hauses in Frankfurt am Main und des Berliner Hauses des Rundfunks, entworfen.
  • Der historische Brunnen vor dem alten Rathaus zeigt auf zwölf Bildern die Geschichte Wolgasts.

Freizeiteinrichtungen

  • Im Norden der Stadt liegt der Tierpark Tannenkamp.
  • Zwischen der Schlossinsel und dem Fischmarkt befindet sich ein Museumshafen, dessen Hauptattraktion die über 100 Jahre alte und bis nach der Wende eingesetzte Eisenbahnfähre „Stralsund“ ist.
  • Am Ufer des Peenestroms befindet sich der Dreilindengrund, der vor allem als städtische Badestelle genutzt wird.

Vergessene Orte

  • Der alte Jüdische Friedhof am Paschenberg hinter dem Krankenhaus ist 2008 verwildert und unkenntlich. Der jüdischen Opfer der Shoa wird dort mit dem Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus gedacht.

Sport

Der größte und bekannteste Sportverein der Stadt ist der SV Motor 1949 Wolgast, dessen Sportler unter dem Vereinsnamen BSG Motor Wolgast bis 1990 vor allem in den Sportarten Judo und Kegeln sowie im Boxen bei DDR-Meisterschaften in Einzel- und Mannschaftswettbewerben erfolgreich waren. Die im Jahr 2001 als FC Rot-Weiß Wolgast ausgegliederte Fußballmannschaft erreichte 1963, 1977 und 1980 dreimal den Aufstieg in die DDR-Liga, die zweithöchste Klasse im Spielbetrieb des Deutschen Fußballverband der DDR. Im Bereich des Motorsports ist der MC Wolgast aktiv, der ebenfalls bei DDR-Meisterschaften erfolgreich war und bis in die Gegenwart auf der vereinseigenen Rennstrecke am Ziesaberg jährlich stattfindende Motocross-Wettkämpfe mit internationaler Beteiligung organisiert. Der Sportclub Wolgast hat unter dem Namen Wolgast Vandals seit 2006 eine American-Football-Mannschaft, die in der Verbandsliga Ost spielt. Weitere aktive Sportvereine in der Stadt bestehen unter anderem in den Bereichen Angeln, Handball, Kanusport, Reitsport, Rudern, Schwimmen, Sportschießen, Segeln, Tanzen und Tauchen.

Wirtschaft und Infrastruktur

Wolgast ist Sitz des Amtes Am Peenestrom und gilt als Mittelzentrum in der Region. In der Stadt befinden sich ein Amtsgericht, ein Arbeitsamt, eine Dienststelle der Sozialagentur des Landkreises Ostvorpommern, das Kreiskrankenhaus Wolgast in Trägerschaft des Universitätsklinikums Greifswald, ein Ärztehaus, eine Musikschule und eine Außenstelle der Volkshochschule Ostvorpommern, eine städtische Bibliothek, eine Berufsschule und ein Gymnasium, sowie ein Polizeirevier und eine Inspektion der Wasserschutzpolizei. Das ehemalige Finanzamt Wolgast wurde mit Wirkung vom 1. August 2009 mit dem Finanzamt Greifswald am Standort Greifswald zusammengelegt.

Die Wirtschaft wird geprägt von der Peene-Werft mit ihren rund 800 Beschäftigten und diversen Zulieferbetrieben. Die Stadt besitzt weiterhin ein Existenzgründerzentrum sowie einen Stadthafen und einen Südhafen für Binnen- und Hochseeschifffahrt.

Verkehrsanbindung

Wolgast liegt an der Bundesstraße 111, welche von der Bundesautobahn 20 kommend die Stadt durchquert und auf der Insel Usedom bis nach Ahlbeck an die polnische Grenze führt. Der Bau einer Ortsumgehung zur Entlastung vom Durchgangsverkehr, insbesondere in den touristisch wichtigen Sommermonaten, ist seit Mitte der 1990er Jahre geplant.

Die 1934 fertiggestellte Peenebrücke über den Peenestrom wurde nach der Sprengung gegen Ende des Zweiten Weltkrieges neu aufgebaut und 1950 wieder eröffnet. Ab 1996 begannen die Bauarbeiten für einen kompletten Neubau, der 1998 als Straßen- und 2001 als kombinierte Eisenbahnbrücke fertiggestellt wurde. Heute nennt man diese Brücke das „Blaue Wunder“.

Heute erfolgt über die seit 1863 bestehende Bahnstrecke Züssow–Wolgast Hafen und die seit 1876 bestehende Bahnstrecke Ducherow–Heringsdorf–Wolgaster Fähre ein direkter Bahnverkehr auf die Insel Usedom bis nach Świnoujście (Swinemünde) in Polen. Für den regionalen Bahnbetrieb ist auf diesem Gleisnetzbereich die private Usedomer Bäderbahn (UBB) zuständig. Hinzu kommen an den Sommerwochenenden Fernzüge der Deutschen Bahn AG aus Köln über Potsdam in das Seebad Heringsdorf.

Literatur

  • Gustav Kratz: Die Städte der Provinz Pommern. Abriß ihrer Geschichte, zumeist nach Urkunden. Berlin 1865; Nachdruck: Sändig Reprint Verlag, Vaduz 1996 ISBN 3-253-02734-1, S. 541-547 (Digitalisat).
  • Joachim Wächter: Wolgast im Mittelalter. Erst wendisches Zentrum, dann deutsche Stadt. In: Pommern. Zeitschrift für Kultur und Geschichte. Heft 4/2007, ISSN 0032-4167, S. 18–23.
  • Karl Heller: Chronik der Stadt Wolgast, Greifswald 1829. (Digitalisat).

Einzelnachweise

  1. ↑ Mecklenburg-Vorpommern Statistisches Amt - Bevölkerungsentwicklung der Kreise und Gemeinden 2009 (PDF; 522 KB) (Hilfe dazu)
  2. ↑ Oskar Beyersdorf: Ueber die Slavischen Städtenamen Pommerns. In: Gesellschaft für pommersche Geschichte und Altertumskunde (Hrsg.): Baltische Studien. Band 25, Heft 1, Stettin 1874, S. 100
  3. ↑ Wilhelm Ferdinand Gadebusch: Chronik der Insel Usedom. W. Dietze, Anklam 1863, S. 243. (Digitalisat)
  4. ↑ Ernst Eichler und Werner Mühlmer: Die Namen der Städte in Mecklenburg-Vorpommern. Ingo Koch Verlag, Rostock 2002, ISBN 3-935319-23-1
  5. ↑ a b c Joachim Wächter: Wolgast im Mittelalter. In: Pommern. Zeitschrift für Kultur und Geschichte. Heft 4/2002, S. 18–23.
  6. ↑ Übersicht der Preußischen Handelsmarine (E. Wendt & Co., Hrsg.), Stettin 1848, S. 29.

 

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Bremen

Die Stadtgemeinde Bremen ist die Hauptstadt des Landes Freie Hansestadt Bremen (meist kurz auch „Bremen“). Zu diesem Zwei-Städte-Staat gehört neben der Stadtgemeinde Bremen noch die 60 Kilometer nördlich gelegene Stadtgemeinde Bremerhaven. Bremen ist die zehntgrößte Stadt Deutschlands. Die Stadt gehört zur Europäischen Metropolregion Bremen/Oldenburg, einer von insgesamt elf Europäischen Metropolregionen in Deutschland.

Geographie

Bremen liegt zu beiden Seiten der Weser, etwa 60 Kilometer vor deren Mündung in die Nordsee bzw. deren Übergang in die Außenweser bei Bremerhaven. In Höhe der Bremer Altstadt geht die Mittelweser in die Unterweser über, die ab dem Bremer Hafengebiet zur Seeschifffahrtsstraße ausgebaut ist. Die von der Ochtum durchzogene Landschaft links der Unterweser wird als Wesermarsch bezeichnet, die Landschaft rechts der Unterweser gehört zum Elbe-Weser-Dreieck. Die Lesum, mit ihren Quellflüssen Wümme und Hamme, die Schönebecker und die Blumenthaler Aue bilden von hier aus die Zuflüsse der Weser.

Das Stadtgebiet ist etwa 38 Kilometer lang und 16 Kilometer breit. Die Länge der Stadtgrenze beträgt 136,5 Kilometer. Bremen ist nach Fläche (siehe: Liste der flächengrößten Städte und Gemeinden Deutschlands) und Einwohnern (siehe: Liste der Großstädte in Deutschland) die zehntgrößte Stadt Deutschlands, nach Hamburg die zweitgrößte Norddeutschlands und die größte Stadt in Nordwestdeutschland. Des Weiteren liegt Bremen in der Liste der größten Städte Europas auf Platz 74 und in der EU auf Platz 44.

Bremen liegt etwa 50 Kilometer östlich von Oldenburg (Oldenburg), 110 Kilometer südwestlich von Hamburg, 120 Kilometer nordwestlich von Hannover, 100 Kilometer nördlich von Minden und 105 Kilometer nordöstlich von Osnabrück.

Nachbargemeinden

Die Stadt Bremen (547.685 Einwohner) ist ganz von niedersächsischem Staatsgebiet umschlossen (mit Ausnahme der Exklave Stadtbremisches Überseehafengebiet Bremerhaven, die vom Stadtgebiet Bremerhavens umgeben ist). Im Westen grenzen die kreisfreie Stadt Delmenhorst (75.672 Einwohner) sowie der Landkreis Wesermarsch (93.725 Einwohner) mit den Gemeinden Lemwerder, Berne und Elsfleth an, im Norden der Landkreis Osterholz (112.587 Einwohner) mit den Gemeinden Schwanewede, Ritterhude und Lilienthal, im Osten der Landkreis Verden (134.084 Einwohner) mit den Gemeinden Ottersberg, Oyten, Achim und im Süden der Landkreis Diepholz (215.648 Einwohner) mit den Gemeinden Weyhe und Stuhr. Diese Ansammlung von Gemeinden wird als „Speckgürtel“ bezeichnet, da ein Großteil ihrer Einwohner Einkünfte im Bundesland Bremen bezieht, aber Einkommensteuer, Grundsteuer und andere Abgaben an den Staat in Niedersachsen bezahlt. Die nächstgrößeren Städte im Umkreis von etwa 50 km sind im Westen die Stadt Oldenburg (160.279 Einwohner) und im Norden die Seestadt Bremerhaven (114.506 Einwohner). Aus dem Raum um Bremen, einer Agglomeration von 1.511.198 Einwohnern (858.488 im Verdichtungsraum), pendeln etwa 115.000 Arbeitnehmer[2] täglich nach Bremen, das sind etwa 48 % der in Bremen Beschäftigten. Umgekehrt pendeln tausende Bremer zu und von ihren Arbeitsplätzen in die Gewerbegebiete im niedersächsischen Umland.

Stadtgliederung

Das Stadtgebiet Bremens ist in fünf Stadtbezirke eingeteilt. Von den insgesamt 89 Ortsteilen sind fünf direkt einem Stadtbezirk zugeordnet, die anderen sind in den 18 Stadtteilen zusammengefasst, die ihrerseits den Stadtbezirken zugeordnet sind. Die Namen der Stadt- und Ortsteile gehen weitgehend auf historisch gewachsene Bezeichnungen zurück. Für bestimmte örtliche Verwaltungsaufgaben sind 17 Ortsämter zuständig, davon vier als gemeinsame Ortsämter für jeweils mehrere Stadt- bzw. Ortsteile.

Für die Stadtteile und selbständigen Ortsteile ist auf kommunalpolitischer Ebene jeweils ein Beirat zuständig. Ausnahme: Die Ortsteile des Stadtteils Häfen werden aufgrund der geringen Einwohnerzahl von anderen Beiräten betreut. Die 22 Beiräte werden alle vier Jahre von den Bürgern direkt gewählt und tagen mehrmals im Jahr öffentlich. Die Befugnisse des Beirats sind ähnlich beschränkt wie bei der Bezirksversammlung oder Bezirksverordnetenversammlung anderer Stadtstaaten.

Zur Stadt Bremen gehört auch das etwa 8 km² große stadtbremische Überseehafengebiet, für das jedoch die Stadt Bremerhaven auf Grund eines Vertrages mit der Stadt Bremen als Gemeindeverwaltung zuständig ist. Dies wurde in der Verfassung für die Stadt Bremerhaven (§ 8 VerfBrhv) verankert.

Gewässer

Die Bundeswasserstraße der Weser, die durch die Innenstadt fließt, stellt eine geschichtlich gewachsene Grenze dar: So wird noch heute in vielen Bezeichnungen unterschieden zwischen „links der Weser“ (südliches Stadtgebiet) und „rechts der Weser“. Geographisch, historisch und für das Alltagsleben bedeutsam ist die Grenze zwischen Bremen-Stadt und Bremen-Nord entlang der Lesum, einem Nebenfluss der Weser. Südlich der Lesum ist Marsch, das Werderland, nördlich davon Geest, die Bremer Schweiz. Die politische Grenze des Stadtbezirks Bremen-Nord liegt allerdings etwas weiter südlich. Ein weiterer Nebenfluss der Weser, die Ochtum, bildet die natürliche südliche Grenze der Stadtgemeinde Bremen. Die Wümme fließt durch Borgfeld und ist dann Grenzfluss bis zur Mündung (zusammen mit der Hamme) in die Lesum.

Naturschutzgebiete

In der Stadt Bremen gibt es insgesamt 17 Naturschutzgebiete. Zu den größten gehören die Borgfelder Wümmewiesen (677 ha), die Ochtumniederung (375 ha), das Hollerland (293 ha) und das Werderland (242 ha).

Erhebungen in Bremen

Die Innenstadt liegt auf einer Weserdüne, die am Bremer Dom eine natürliche Höhe von 11,5 m ü. NN erreicht; der höchste Punkt mit 14 m ü. NN liegt östlich davon in den Wallanlagen auf dem ehemaligen künstlich angelegten Theaterberg.[3] Die mit 32,5 m ü. NN höchste natürliche Erhebung in der heutigen Stadtgemeinde Bremen befindet sich dagegen im Friedehorstpark des nordwestlich gelegenen Stadtteils Burglesum. Noch höher ist nur der Hügel der Mülldeponie in Bremen-Blockland mit 49 m ü. NN.

Klima

Bremen liegt in der gemäßigten Zone mit deutlichen maritimen Einflüssen. Der wärmste Monat ist der Juli mit durchschnittlich 16,8 °C und der kälteste der Januar mit 0,8 °C. Die Niederschläge fallen über das ganze Jahr verteilt. Im Laufe eines Jahres fallen durchschnittlich 693,9 mm Niederschlag, wobei die Abweichungen recht ausgeprägt sind. So fielen zwischen 1961 und 1990 in Farge 638,8 mm, in Strom hingegen 753,2 mm pro Jahr[4], meist als Regen. Die Niederschlagsmengen in Form von Schnee sind hingegen eher gering. Bremen gehört zu den schneeärmsten Städten Deutschlands; im Durchschnitt liegt an weniger als fünf Tagen im Jahr Schnee, dabei wurde 1979 mit fast 700 mm die höchste gemessene Schneehöhe erreicht.[5] Im Herbst kann es zu Stürmen und Unwettern kommen, dabei können auch Sturmfluten auftreten, wie 1976 oder 1990.

Geschichte

Von den ersten Siedlungen bis zur Christianisierung

Zwischen dem 1. und dem 8. Jahrhundert n. Chr. entstanden an der Weser erste Siedlungen, die auf einer langen Düne Schutz vor Hochwasser und gleichzeitig guten Zugang zu einer Furt boten. Bereits 150 n. Chr. erwähnte der alexandrinische Geograph Claudius Ptolemaeus eine dieser Siedlungen (Fabiranum, auch Phabiranum geschrieben).

Bistum

Als Bischofsstadt und Kaufmannssiedlung reicht Bremens Geschichte bis ins 8. Jahrhundert zurück.[6] Sie war aber zunächst noch unsicheres Missionsgebiet. So schrieb der Missionar Willehad 782: „… hat man uns aus Bremen vertrieben und zwei Priester erschlagen.“ Die Stadt wurde 787 von Karl dem Großen zum Bischofssitz erhoben

Seit 845 Erzbistum, erlangte Bremen unter Erzbischof Adalbert von Bremen (1043–1072) erstmals Einfluss auf Reichsebene.

Reichsfreiheit und Hanse

Mit dem Gelnhauser Privileg Kaiser Friedrich Barbarossas von 1186 wurde Bremen Reichsstadt (im Volksmund freie Reichsstadt), nicht jedoch reichsunmittelbar.

1260 trat die Stadt der Hanse bei, war in ihr aber zeitweise ein unsicherer Bündnispartner. Die zu wirtschaftlicher Bedeutung gelangende Stadt schüttelte teilweise die weltliche Herrschaft des Bistums Bremen ab und errichtete als Zeichen ihrer Freiheit den Roland (1404) und ihr Rathaus (1409) auf dem Bremer Marktplatz.

Ausdehnung der Stadt, Versuch einer territorialen Expansion

Zum Schutz des zwischen 1574 und 1590 angelegten Weserhafens wurde am Westufer der Weser die befestigte Neustadt angelegt. Die Weser versandete jedoch zunehmend und für die Handelsschiffe wurde es immer schwieriger, an der seit dem 13. Jahrhundert als Hochseekai genutzten Schlachte anzulegen. Von 1619 bis 1623 bauten deshalb im flussabwärts gelegenen Vegesack niederländische Konstrukteure den ersten künstlichen Hafen Deutschlands.

Reichsunmittelbarkeit

Während des Dreißigjährigen Krieges, konnte Bremen die Anerkennung seiner Reichsunmittelbarkeit durch das Linzer Diplom erreichen, das von Kaiser Ferdinand III. ausgestellt wurde. Diese Reichsunmittelbarkeit blieb dennoch bedroht. So musste Bremen durch Konzessionen 1741 im 2. Stader Vergleich mit dem Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg eine Einigung über die Herrschaftsansprüche und das Kontributionsrecht erreichen.

1783 begannen Bremer Kaufleute einen direkten Transatlantikhandel mit den USA. 1802 beauftragte die Stadt den Landschaftsgärtner Isaak Altmann, die frühere Stadtbefestigung in die heutigen Wallanlagen umzugestalten.

Französische Besetzung, Ende der Torsperre, Erwerb Bremerhavens

1811 ließ Napoleon Bremen besetzen und integrierte es als Hauptstadt des Départements des Bouches du Weser in den französischen Staat. Nach ihrer Niederlage in den Befreiungskriegen verließen die französischen Truppen 1814 Bremen.

Im 19. Jahrhundert hatte Bremen wesentlichen Anteil an der Entwicklung des deutschen Überseehandels. Auf der Werft von Johann Lange wurde 1817 das erste von Deutschen gebaute Dampfschiff gebaut. Der Raddampfer Die Weser verkehrte als Passagier- und Postschiff zwischen Bremen, Vegesack, Elsfleth und Brake, später auch Geestemünde bis 1833. Wegen der zunehmenden Versandung der Weser wurde 1827 die Siedlung Bremerhaven als Außenposten auf einem vom Königreich Hannover angekauften Grund angelegt. Den Vertrag zum Erwerb des Hafengeländes unterzeichneten am 11. Januar 1827 für Hannover Friedrich von Bremer und der Bremer Bürgermeister Johann Smidt.[7]

Die Aufhebung der Torsperre 1848 schaffte Raum für die industrielle Entwicklung der Stadt. Seit 1847 erhielt sie Anschluss an die Königlich Hannoversche Staatsbahn. 1853 begann – nach großzügiger Eindeichung des umliegenden Marschlandes – die bis ins 20. Jahrhundert für Bremen typische Reihenhausbebauung der Vorstädte mit sogenannten Bremer Häusern.

Industrialisierung

Lag die Einwohnerzahl 1812 noch bei rund 35.000, so überschritt diese 1875 die Grenze von 100.000, wodurch Bremen zu einer Großstadt wurde. 1911 hatte die Stadt bereits 250.000 Einwohner. 1857 erfolgte die Gründung des Norddeutschen Lloyds, später auch anderer Schifffahrtgesellschaften. 1867 wurde Bremen Gliedstaat des Norddeutschen Bundes und 1871 Bundesstaat im Deutschen Kaiserreich. Auf Grund der Seehäfen blieben die Hansestädte Bremen, Hamburg und Lübeck auch nach 1870/71 zunächst noch Zollausland. Sie traten erst 1888 dem Deutschen Zollverein bei. Die Freihäfen von Bremen und Hamburg blieben aber danach außerhalb des deutschen Zollgebiets. 1886 bis 1895 wurde durch eine großzügige Korrektur der Fahrrinne die Schiffbarkeit der Weser für Seeschiffe bis Bremen gesichert. Die Stadt entwickelte sich zum Umschlagplatz für vielerlei Waren. 1890 fand auf dem Gelände des Bürgerparks die Nordwestdeutsche Gewerbe- und Industrieausstellung statt. Die wirtschaftliche Entwicklung Bremens schritt in der Weimarer Republik fort. Auf dem Flughafen begannen 1920 Linienflüge. 1928 wurde die Columbuskaje in Bremerhaven eingeweiht. Von hier ausgehend gewann das Passagierschiff Bremen des Norddeutschen Lloyd das Blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung. Mit der wirtschaftlichen Bedeutung wuchs auch die Einwohnerzahl beträchtlich.

1939 verlor Bremen die Stadt Bremerhaven, das mit dem preußisch-hannoverschen Wesermünde vereinigt wurde.[8] Das stadtbremische Gebiet wurde dafür um Bremen-Nord (dort gehörte nur Vegesack schon vorher zu Bremen), Hemelingen, Arbergen und Mahndorf vergrößert.

Diktatur und Zweiter Weltkrieg

Im Zweiten Weltkrieg erlitten Bremen und Wesermünde (Bremerhaven) schwere Zerstörungen. Insbesondere der Bremer Westen mit seiner Werftindustrie und dem Flugzeugbau war häufig Ziel alliierter Luftangriffe. Insgesamt wurden bei 173 Luftangriffen auf die Stadt 62 % der städtebaulichen Substanz zerstört, rund 4.000 Einwohner kamen ums Leben.

Die jüdische Gemeinde zählte Anfang 1933 1.438 Mitglieder.[9] Im Pogrom von 1938 wurde der jüdische Friedhof verwüstet, Geschäfte und Privathäuser wurden geplündert und beide Synagogen wurden von SA-Männern zerstört. Fünf Juden wurden ermordet, hunderte verhaftet. Bis 1941 gelang es etwa 930 Bremer Juden Deutschland zu verlassen. Im Herbst 1941 wurden 50 Kinder während eines „Schulausflugs“ in ein Konzentrationslager verschleppt. Am 18. November 1941 wurden 440 Juden [10] ins Ghetto Minsk deportiert und am 28. oder 29. Juli 1942 wurden 434 von ihnen ermordet.[11].

Schon 1933 wurde das erste Arbeitslager Mißler errichtet, in dem zunächst 170 Häftlinge interniert wurden, meist Kommunisten und Sozialdemokraten. Spätere Lager waren für Zwangsarbeiter vorgesehen, wie etwa das Lager Farge, für dessen Bau ab Oktober 1943 13.000 polnische, französische und sowjetische Gefangene eingesetzt wurden. Hinzu kamen Konzentrationslager im Umkreis von Bremen, wie das KZ Bahrsplate.

1945 besetzten US-amerikanische Streitkräfte die Stadt. Bremen mit Bremerhaven wurde amerikanische Exklave im Küstengebiet der britischen Besatzungszone. Von 1945 bis 1965 war Wilhelm Kaisen Präsident des Senats. 1947 gaben sich die Bremer Bürger die Verfassung der Freien Hansestadt Bremen. 1949 wurde Bremen ein Land der Bundesrepublik Deutschland.

Bundesland, Verluste historischer Bausubstanz

Die Vergangenheit konnte sich im Baubestand durch Restaurierung oder Wiederaufbau nur bedingt gegenüber dem modernen Städtebau behaupten. Vor allem um den Marktplatz sind repräsentative alte Gebäude erhalten geblieben oder restauriert worden. Den Eindruck eines mittelalterlichen Altstadtquartiers vermittelt nur noch der Schnoor, das einstige Fischerviertel.

2004 wurden das Rathaus und das Wahrzeichen der Stadt, der steinerne Bremer Roland, zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.

Ende des Bevölkerungswachstums

1969 erreichte die Einwohnerzahl mit 607.184 ihren historischen Höchststand. Bis Ende 1986 ging die Zahl der Erstwohnsitze auf 521.976 zurück. Im Zuge der Wiedervereinigung wuchs die Bevölkerung schnell auf 554.377 im Dezember 1992. Bis Ende des Jahrhunderts sank die Zahl der Erstwohnsitze wieder auf 540.330. Am 1. Januar 2010 waren 547.685 Einwohner gemeldet

Politik

Die Volksvertretung des Landes Bremen ist die Bremer Bürgerschaft, welche von den Bürgern auf vier Jahre gewählt wird. Die Wahl erfolgt dabei nach dem Verhältniswahlrecht in zwei getrennten Wahlbereichen, wobei 68 Abgeordnete in Bremen und 15 Abgeordnete in Bremerhaven gewählt werden. Die im Wahlbereich Bremen gewählten Abgeordneten bilden gleichzeitig das Kommunalwahlparlament der Stadtgemeinde Bremen, die Stadtbürgerschaft[12], während die Stadtgemeinde Bremerhaven ein separates Kommunalparlament wählt.

An der Spitze der Stadt und Landesverwaltung steht die Bremer Landesregierung, der Senat. Präsident des Senats und Bürgermeister ist seit dem 8. November 2005 Jens Böhrnsen (SPD). Auch der Stellvertreter des Präsidenten des Senats wird als Bürgermeister bezeichnet. Dem Bremer Senat als Landesregierung gehören gegenwärtig sieben Mitglieder (5 SPD, 2 Bündnis 90/Die Grünen) an.

Die Mitglieder des Senats (Senatoren) sind sowohl den Ministern der Flächenländer wie auch den Dezernenten anderer Großstädte vergleichbar. Sie leiten für das Land ihre Landesbehörden und für die Stadt Bremen die ihrem Fachbereich zugehörigen kommunalen Behörden.

Wappen

Das Wappen der Hansestadt Bremen zeigt auf rotem Grund einen schräg nach rechts aufgerichteten, mit dem Bart nach links gewandten silbernen Schlüssel gotischer Form („Bremer Schlüssel“). Auf dem Schild ruht eine goldene Krone, welche über dem mit Edelsteinen geschmückten Reif fünf Zinken in Blattform zeigt („Mittleres Wappen“). Beim Kleinen Wappen wird lediglich der Schlüssel ohne Krone abgebildet. Das große Wappen hingegen hat darüber hinaus noch eine Konsole beziehungsweise ein bandartiges Fußgestell, auf dem der Schild ruht. Der Schild wird von zwei aufgerichteten rückwärts schauenden Löwen mit den Vorderpranken gehalten.

Die Bedeutung des Wappens

Der Schlüssel ist das Attribut des Apostels Petrus, des Schutzpatrons des Bremer Doms. Er taucht als Wappensymbol bereits 1366 im Stadtsiegel Bremens auf. Im Laufe der Geschichte veränderte sich die Form des Schlüssels mehrmals. Auch zeigte das Stadtwappen teilweise den Heiligen Petrus mit dem Schlüssel. Die Formen außerhalb des Wappenschildes veränderten sich ebenfalls mehrmals. So erscheinen etwa die Löwen erstmals 1618 auf dem großen Wappen. In seiner heutigen Form geht das Wappen auf die Wappenordnung von 1891 zurück.

Im Bremer Volksmund wird eine Verbindung zum Wappen der Stadt Hamburg hergestellt, indem spöttisch gesagt wird: „Hamburg ist das Tor zur Welt, aber Bremen hat den Schlüssel dazu.“

Flagge

Die Bremer Flagge ist mindestens achtmal rot und weiß gestreift und am Flaggenstock gewürfelt. Sie wird umgangssprachlich auch als Speckflagge bezeichnet.

Die Staatsflagge enthält in der Mitte das Flaggenwappen mit Schlüssel und drei Löwen. Die Dienstflagge führt nur das Schlüsselwappen. Die Flagge Bremens trägt die Farben der Hanse, Rot und Weiß. Siehe auch dazu den Hauptartikel Hanseflagge.

Städtepartnerschaften

Bremen unterhält aktive Städtepartnerschaften mit:[13]

  • Danzig, Polen, ist seit 1976 die älteste Partnerschaft
  • Riga, damals Sowjetunion, heute Lettland, 1985
  • Dalian, Volksrepublik China, 1985
  • Rostock, (damals DDR), 1987
  • Haifa, Israel, 1988
  • İzmir, Türkei, 1995.

Derzeit ruhende Partnerschaften bestehen zu:

  • Bratislava, damals Tschechoslowakei, heute Hauptstadt der Slowakei, 1989
  • Corinto, Nicaragua, 1989.

Informelle Beziehungen pflegt Bremen zu:

  • Windhoek, Namibia, 2001
  • Durban, Südafrika, 2003
  • Dudley, Großbritannien
  • Pune, Indien
  • Tamra, eine rein arabische Nachbargemeinde Haifas in Israel.

Wirtschaft und Infrastruktur

Wirtschaft

Die Handelskammer Bremen vertritt die Interessen der Bremer Kaufmannschaft. Sie hat ihren Sitz im Schütting.

Besondere Bedeutung hatte für Bremen immer schon der Außenhandel. Auch wenn der Schwerpunkt des Warenumschlags in der Hafengruppe Bremen/Bremerhaven inzwischen in Bremerhaven liegt, hat Bremen daran durch das stadtbremische Überseehafengebiet Bremerhaven noch Anteil. Die Palette der verschiedenen Handelsgüter, die hier im- und exportiert werden, erstreckt sich von Fisch-, Fleisch- und Molkereiprodukten über traditionelle Rohstoffe wie die an der Bremer Baumwollbörse gehandelte Baumwolle, Tee, Reis und Tabak bis hin zu Wein und Zitrusfrüchten. Während der Hafenumschlag von der halbstaatlichen BLG Logistics Group vorgenommen wird, sind in den Kontoren Großhändler wie C. Melchers, Otto Stadtlander und Atlanta zu finden. Bremen ist ein wichtiger Standort der Automobil-, Schiffbau-, Stahl-, Elektronik- und Nahrungsmittelindustrie. Das Unternehmen Daimler AG ist der größte private Arbeitgeber der Stadt und fertigt in seinem Mercedes-Benz-Werk in Bremen, das bis 1963 der Borgward GmbH gehörte, unter anderem die Automodelle der C-Klasse, das T-Modell und den Roadster SL. Darüber hinaus haben sich zahlreiche Zulieferunternehmen in unmittelbarer Nähe angesiedelt. Das größte von ihnen ist die Hella Fahrzeugkomponenten GmbH aus der Hella-Gruppe.

Schiffbau- und Stahlindustrie haben in den vergangenen Jahrzehnten einen Strukturwandel durchgemacht. Viele Unternehmen, darunter die beiden großen Werften AG Weser und Bremer Vulkan, haben ihn nicht überlebt; die Stahlwerke Bremen wurden von Arcelor (seit 2006: ArcelorMittal) übernommen. Die Luft- und Raumfahrtindustrie hingegen hat sich mit gewandelt und prägt heute Bremen als Dienstleistungs- und High-Tech-Standort. So entwickelte sich an der Universität in den letzten Jahren einer der größten deutschen Technologieparks, in dem aktuell rund 6.000 überwiegend hochqualifizierte Menschen Beschäftigung finden. Bremen ist international bekannt als bedeutender Luftfahrt- und Weltraumtechnologiestandort. Die Endmontage der Airbusflügel findet in Bremen statt, bei Unternehmen der EADS- und OHB-Technology-Gruppen entstehen Module und Bauteile für weltraumtaugliche Laboratorien, Trägerraketen und Satellitensysteme. Rheinmetall und Atlas Elektronik entwickeln in Bremen Elektronik für militärische und zivile Anwendungen. Außerdem befinden sich in Sebaldsbrück ein Mercedes-Werk und ein großes Bahnwerk der Deutschen Bahn.

Bremen hat eine führende Position in der Lebensmittelbranche. Neben der bekannten Brauerei Beck & Co. haben hier Kellogg’s und Kraft Foods inkl. Milka eine Niederlassung, Vitakraft, Nordmilch und der Schokoladenhersteller Hachez ihren Hauptsitz.

Gewerbe- und Industriegebiete

Die größten Gewerbe- und Industriegebiete sind:

  • Der ganze Stadtteil Häfen beidseitig an der Weser gelegen mit
  • dem Bremer Industrie-Park im Ortsteil Industriehäfen mit ca. 140 ha Fläche.
  • Die Innenstadt als Einkaufs-, Handels-, Banken-, Verwaltungs- und Medienzentrum mit um die 1.300 ha Fläche.
  • Das Güterverkehrszentrum Bremen (GVZ) in der Neustadt mit ca. 472 ha Fläche.
  • Der Überseestadt im Stadtteil Walle mit ca. 290 ha Fläche.
  • Die Gewerbegebiete in der Neustadt an der Neuenlander Straße - Oldenburger Straße (B 75) mit über 210 ha Fläche, mit der Airport-Stadt am Flughafen Bremen, mit Airbus Bremen (3.000 Beschäftigte) und Astrium Bremen, mit dem Gewerbegebiet Ochtum, mit der Nordmilch-Zentrale und mit der Bremer Straßenbahn.
  • Der Technologiepark Bremen um die Universität Bremen mit ca. 172 ha Fläche.
  • Der Gewerbepark Hansalinie in Hemelingen mit ca. 155 ha Fläche.
  • Das Gewerbegebiet Mercedes-Benz-Werke Bremen in Sebaldsbrück mit ca. 70 ha Fläche.
  • Das Industrie- und Gewerbegebiet Bremer Vulkan in Vegesack mit ca. 50 ha Fläche.
  • Das Gewerbegebiet Bayernstraße in Findorff mit ca. 60 ha Flächen.
  • Das Gewerbegebiet Bremer-Kreuz in Osterholz mit ca. 50 ha Fläche.
  • Das Gewerbegebiet Alte Neustadt direkt an der Weser mit ca. 40 ha Fläche, mit u. a. der Brauerei Beck & Co. und Kraft Foods.
  • Der Weserpark in Osterholz mit ca. 25 ha Fläche, mit dem Einkaufszentrum der Metro Group.
  • Das Gewerbegebiet Farge-Ost in Farge mit ca. 22 ha Fläche.

Verkehr

Schifffahrt

Die Schifffahrt hatte in Bremen über Jahrhunderte hinweg eine prägende Bedeutung. Trotz des Strukturwandels stellt sie auch heute noch einen wichtigen Wirtschafts- und Arbeitsmarktfaktor dar. Zu den stadtbremischen Häfen zählen neben dem Neustädter Hafen, die durch die Nähe zum Güterverkehrszentrum noch regelmäßig genutzt werden, auch die Handelshäfen, der Hohentorshafen, die Industriehäfen und die stadtbremischen Häfen in Bremerhaven. Für den Binnenschiffsverkehr existieren noch, vom Stadtzentrum aus flussaufwärts, der Werra-, der Fulda- und der Allerhafen. Auf dem Gelände des verfüllten Überseehafens und auf den Industriebrachen rundherum entsteht ein neues Viertel, die Überseestadt. Um auch bei immer größer werdenden Schiffen weiter am Seehandel teilhaben zu können, beteiligt sich Bremen zusammen mit dem Land Niedersachsen am Projekt JadeWeserPort in Wilhelmshaven, einem Hafen für größte Containerschiffe.

Bremen-Nord ist über drei Autofähren mit dem Landkreis Wesermarsch in Niedersachsen auf dem anderen Weserufer verbunden.

Luftverkehr

Im Süden Bremens befindet sich der internationale Flughafen Bremen (BRE). Dieser Luftverkehrsstandort ist seit dem Jahre 1909 dort angesiedelt. Um das Terminalgebäude entstand seit 1995 ein Airport-Center mit zahlreichen Niederlassungen von teilweise internationalen Unternehmen. Ein neues Flughafen-Terminal wurde nach Plänen des Architekten Gert Schulze 2001 eingeweiht. Das Passagieraufkommen lag im Jahre 2006 bei 1,7 Millionen Fluggästen. Zugleich sank die Zahl der Flüge 2006 mit 40.419 auf den niedrigsten Wert seit 1988. Eine Steigerung wurde durch die Fluggesellschaft Ryanair erzielt, die von Bremen aus neue Ziele in Europa direkt anfliegt. Im Jahr 2008 wurden 2,5 Millionen Passagiere abgefertigt. Durch Einsatz größerer Maschinen und bessere Kapazitätsplanung ist die Zahl der Flüge trotz steigender Passagierzahlen seit 1965 nie über 60.000 im Jahr gestiegen. Es besteht nur ein beschränkter Nachtbetrieb, das letzte Flugzeug landet planmäßig um 23 Uhr. Die Stoßzeiten sind morgens und abends. Der Flughafen kann über die Bundesautobahn 281 erreicht werden. Vom Hauptbahnhof führt eine Straßenbahn der Linie 6 direkt zum Terminal. Am Bremer Flughafen befindet sich außerdem die Pilotenausbildung der Lufthansa.

Eisenbahn

Bremen ist ein Eisenbahnknotenpunkt. Am Hauptbahnhof treffen die Hauptstrecken von Hamburg ins Ruhrgebiet, nach Bremerhaven, nach Hannover, nach Vegesack und nach Oldenburg (–Leer) aufeinander. Bremen ist über die ICE-Linie Bremen–München sowie über die IC-Linien Hamburg–Köln / Rollbahn und Oldenburg–Leipzig in das Fernverkehrsnetz der DB eingebunden.

Der Rangierbahnhof im Stadtteil Gröpelingen wurde am 12. Juni 2005 als solcher stillgelegt, der örtliche Güterverkehr Bremens wird in dessen noch betriebenen Resten sowie an den Hafenbahnhöfen und am Werksbahnhof der Klöckner-Hütte (ArcelorMittal Bremen) abgefertigt. Der ehemalige nordwestlich des Hauptbahnhofes gelegene Güterbahnhof ist abgebrochen worden. Durch den Ausbau des Container-Terminals in Bremerhaven ist jedoch wieder eine Zunahme des Güterverkehrs zu verzeichnen.

Im Regionalverkehr besteht ein S-Bahn-ähnlicher Vorortverkehr bis Bremerhaven, Vegesack und Farge, Rotenburg (Wümme), Twistringen, Oldenburg, Nordenham und Verden. Die Einrichtung einer S-Bahn ist geplant. Ferner bestehen schnelle RegionalExpress-Verbindungen nach Bremerhaven, Hannover, Hamburg, Osnabrück und Oldenburg–Norddeich Mole und eine RegionalBahn-Verbindung durch die Lüneburger Heide nach Uelzen (über Langwedel, Visselhövede und Soltau).

Der 1958 stark reduzierte und 1961 eingestellte Personenverkehr auf der 10 km langen Strecke der Farge-Vegesacker Eisenbahn in Bremen-Nord wurde im Dezember 2007 wieder aufgenommen. Hier verkehren Dieseltriebwagen der Betreiberin NordWestBahn im Halbstundentakt. Nach ihrer Elektrifizierung werden auf dieser Strecke durchgehende S-Bahnen von Bremen-Farge nach Verden verkehren. Gegenwärtig sind insgesamt 19 Bahnhöfe bzw. Haltepunkte für den Personenverkehr in Betrieb. Die Trassen der Haupteisenbahnstrecken in Bremen haben nach Angaben des Eisenbahnbundesamtes eine Gesamtlänge von 24 km.[14]

Straße

Auch an das Fernstraßennetz ist Bremen gut angebunden.

Insgesamt beträgt die Länge der Autobahnen auf dem Gebiet von Bremen (Stadt) ca. 50 bis 60 km.

Das südliche Stadtgebiet Bremens wird von der Bundesautobahn 1 Ruhrgebiet - Hamburg berührt. Im Südosten der Stadt, am Bremer Kreuz, wird die A 1 von der A 27 Hannover (Walsrode) – Bremerhaven bzw. Cuxhaven gekreuzt. Diese Autobahn führt durch das östliche Stadtgebiet von Südosten nach Nordwesten. Im Norden zweigt die A 270 von der A 27 in Ihlpohl ab und führt auf einer Länge von 10 km bis nach Bremen-Farge. In Gröpelingen ist der erste Teil der A 281 vom Dreieck Bremen-Industriehäfen bis Bremen-Burg-Grambke fertiggestellt. Auf der anderen Weserseite wurde der Abschnitt vom Güterverkehrszentrum bzw. Neustädter Hafen bis zum Flughafen bzw. bis zur Airport-Stadt im Januar 2008 dem Verkehr übergeben. Wahrzeichen der neuen Autobahnverbindung ist eine Schrägseilbrücke mit 50 m hohen Pylonen in der Nähe des Flughafens. Bis 2013 sollen die beiden Teilstücke mit einem unter der Weser entlang führenden Tunnel verbunden werden, außerdem ist die Verlängerung bis zur A 1 vorgesehen. Damit wäre der Autobahnring um Bremen geschlossen, der die innerörtlichen Straßen von Durchgangsverkehr entlasten soll. Im Westen führt die A 28 nach Oldenburg, außerdem bindet sie den Stadtteil Huchting an die A 1 an.

Die A 1 ist auf gesamter Länge sechsspurig ausgebaut und soll im weiteren Bedarf achtspurig ausgebaut werden. Die A 27 ist zwischen Bremen-Überseestadt (B 6) und Bremen-Nord (A 270) ebenfalls sechsspurig ausgebaut. Der Abschnitt zwischen Bremen-Überseestadt und dem Bremer Kreuz ist vierspurig und soll im weiteren Bedarf sechsspurig ausgebaut werden. Die Bundesautobahnen 270 und 281 sind durchgehend vierspurig. Auf den Bundesautobahnen 270 und 281 gilt - in erster Linie aus Lärmschutzgründen - durchgehend ein Tempolimit von 80 km/h. Auf der A 1 wird der Verkehr durch eine automatische Verkehrsbeeinflussungsanlage gesteuert. Je nach Verkehrsbelastung beträgt die zugelassene Höchstgeschwindigkeit 60, 80, 100 oder 120 km/h (auf der Weserbrücke max. 100 km/h aufgrund der provisorischen Achtstreifigkeit und der damit verbundenen Einengung der einzelnen Fahrstreifen). Schneller als 120 km/h bzw. keine Begrenzung werden nie angezeigt, auch nachts nicht, da Bremen als erstes Bundesland eine allgemeine maximale Tempobegrenzung von 120 km/h eingeführt hat. Entsprechend gilt auf der A 27 in Bremen durchgängig ein Tempolimit von 120 km/h.

Außerdem führen die Bundesstraßen 6 (in Nord-Süd-Richtung), B 74 und B 75 (in West-Ost-Richtung) durch Bremen. Die B 6/B 75 war zwischen der A 27 und A 28 einst als A 282 geplant. Ein Ausbau dieses Abschnitts zur vollwertigen Autobahn ist derzeit aber eher unwahrscheinlich. Gleichwohl kann Bremen seit der Fertigstellung der Autobahndreiecke Stuhr und Delmenhorst auf Autobahnen und Schnellstraßen kreuzungsfrei umrundet werden. Mit der Vollendung der A 281 wird es auch einen geschlossenen Autobahnring um Bremen geben. Im Zuge der Fertigstellung der A 281 erhält auch die B 212 eine neue Streckenführung: Sie wird künftig im Westen Bremens an der A 281 enden und den Landkreis Wesermarsch besser mit Bremen verbinden.

Der Plan aus den 1970er Jahren, die A 5 von nördlich Gießen (bzw. Frankfurt am Main) über Bremen Richtung Nordenham zu verlängern, wurde endgültig aufgegeben. Die A 5 sollte die B 75 zwischen Huchting und Grolland kreuzen.

Die Hauptverbindungsstraßen der Stadtteile für den Autoverkehr sind die im Jahre 1914 durch Beschluss der Bürgerschaft in Heerstraßen umbenannten Chausseen.

Die Deutsche Märchenstraße ist eine Ferienstraße, die von Hanau nach Bremen zu den Bremer Stadtmusikanten führt.

ÖPNV

Den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) innerhalb des Stadtgebiets bedienen acht Straßenbahn- und 44 Buslinien der Bremer Straßenbahn AG (BSAG). Die meisten Ortsteile Bremens und einzelne niedersächsische Vororte sind mit einem dichten Takt an das ÖPNV-Netz angeschlossen. Für den Verkehr zwischen Bremen-Stadt und Bremen-Nord hat die Eisenbahn hohe Bedeutung. Es gibt Bestrebungen, Straßenbahnlinien bis in das Umland zu verlängern und auf den bestehenden Eisenbahnstrecken den Takt zu verdichten, um die Vororte besser anzubinden.

Der Regionalverkehr wird durch Buslinien anderer Verkehrsbetriebe beziehungsweise Unternehmen betrieben. Sowohl Stadt- als auch Regionalverkehrsunternehmen haben sich im Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (VBN) zusammengeschlossen.

Ab Dezember 2010 wird die Nordwestbahn (NWB) im Auftrag des Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (VBN) die ersten drei Regio-S-Bahn Bremen-Linien in der Metropolregion Bremen/Oldenburg in Betrieb nehmen (RS 2 - Bremerhaven-Lehe, Bremerhaven-Hbf, Bremen-Hbf, Twistringen; RS 3 - Bad Zwischenahn, Oldenburg-Hbf, Hude, Delmenhorst, Bremen-Hbf; RS 4 - Nordenham, Hude, Delmenhorst, Bremen-Hbf). Ab Dezember 2011 wird dann auch die letzte Regio-S-Bahn-Linie in Betrieb gehen (RS 1 - Bremen-Farge, Bremen-Vegesack, Bremen-Hbf, Verden/Aller).

Fahrrad

Bremen wird durch die Radfernwege Radfernweg Hamburg-Bremen, Bremen–Osnabrück (Brückenradweg) und Wümme-Radweg erreicht. Zudem ist die Stadt eine wichtige Station auf dem Weserradweg, der die Weser von ihrem Entstehungsort bis nach Bremerhaven begleitet und ein beliebtes Urlaubsprogramm darstellt.

Unter den deutschen Städten mit über 500.000 Einwohnern hat Bremen mit über 22 % der Wege den größten Radverkehrsanteil, weswegen Bremen als Fahrradstadt gilt. Der Radfahrtradition entsprechend hat es auch die meisten Radwegkilometer pro Einwohner unter den deutschen Großstädten, viele davon jedoch schlecht unterhalten oder in Straßen mit geringem Autoverkehr, so in Tempo-30-Zonen, wo Verkehrswissenschaftler heute Radwege ablehnen.[15]

Medien

Bremen ist Sitz von Radio Bremen, der kleinsten Rundfunkanstalt der ARD. Radio Bremen produziert diverse Fernsehsendungen im „Radio Bremen TV“ und betreibt vier Hörfunkwellen – eine davon gemeinsam mit dem NDR (Nordwestradio), eine weitere mit dem WDR und dem RBB (Funkhaus Europa). Als privates Pendant ist Energy Bremen in der Hansestadt mit einem Radioprogramm ansässig; zusätzlich gibt es im Sendegebiet die Radiosender Radio ffn und Hit-Radio Antenne Bremen. Außerdem unterhalten die privaten Fernsehsender RTL und Sat1 Korrespondentenbüros in Bremen und produzieren von hier aus ein halbstündiges Regionalmagazin für Bremen und Niedersachsen. Beim Bürgerrundfunk Bremen können Bürgerinnen und Bürger aus Bremen kostenlos eigene Radio- und TV-Sendungen gestalten. Seit Anfang September 2007 gibt es in Bremen den privaten Fernsehsender center.tv. Dieser produziert täglich zwei Stunden aktuelle Live-Sendungen aus Bremen.

Als Tageszeitungen erscheinen der Weser-Kurier und die fast identischen Bremer Nachrichten, letztere ist, dem Titel nach, die drittälteste noch erscheinende Tageszeitung Deutschlands. Montags und Donnerstags liegt dem Weser-Kurier und der Bremer Nachrichten jeweils der Stadtteil-Kurier (Sechs Ausgaben: Nordost, Südost, Mitte, Links der Weser, West und Huchting) bei. In Bremen-Nord erscheint von Montag bis Sonnabend die Regionalausgabe Die Norddeutsche, die als eigenständige Tageszeitung seit 1885 unter dem Namen Norddeutsche Volkszeitung erscheint. Mit einer eigenständigen Ausgabe für den Großraum Bremen erscheint außerdem die Bild. Die eigenständige Bremen-Ausgabe der tageszeitung (taz) wurde aus finanziellen Gründen eingestellt und in die taz nord eingegliedert; diese umfasst neben der Mantelzeitung drei Seiten allgemeinen Regionalteil und eine Wechselseite jeweils für die Länder Bremen und Hamburg.

In Bremen erscheinen ferner drei Wochenblätter: der Bremer Anzeiger als Anzeigenblatt von Weser-Kurier und Bremer Nachrichten, der Weser-Report sowie in Bremen-Nord „Das BLV“. Mit „Bremer“, „Prinz Bremen“, „Bremen-Magazin“, dem Stadtmagazin „Mix“, „BIG Bremen“ und „Bremborium“ und dem Nordanschlag in Bremen-Nord erscheinen außerdem eine Reihe unabhängiger Stadtmagazine. Hinzu kommen die Kultur- und Gesellschaftszeitschriften „Foyer“ und „Brillant“ sowie zahlreiche kleinere Publikationen mit stark lokalem Charakter in einzelnen Stadtteilen.

Ferner sind alle großen Nachrichtenagenturen und die meisten großen Tageszeitungen Nordwestdeutschlands sowie zahlreiche Radiosender mit Korrespondentenbüros oder Regionalredaktionen vertreten.

Gesundheitswesen

Die vier staatlichen Krankenhäuser sind durch den Klinikverbund Gesundheit Nord gGmbH organisiert:

  • Klinikum Bremen-Mitte
  • Klinikum Bremen-Nord
  • Klinikum Bremen-Ost
  • Klinikum Links der Weser

Darüber hinaus bestehen weitere Krankenhäuser:

  • Diakonissen-Krankenhaus Gröpelingen (evangelisch)
  • St.-Joseph-Stift in Schwachhausen (katholisch)
  • Rotkreuzkrankenhaus in der Neustadt

Kleinere Spezialkliniken sind unter anderen die Roland-Klinik, die Kurfürstenklinik und die Klinik Dr. Heines.

Öffentliche Einrichtungen

Die meisten regional gegliederten deutschen Organisationen haben eine Niederlassung in Bremen. Bedingt durch die Bedeutung für den Außenhandel sind in Bremen auch etwa 40 Konsulate und Honorarkonsulate zu finden. Eine ungewöhnliche Einrichtung ist die Arbeitnehmerkammer Bremen, welche die Interessen der abhängig Beschäftigten wahrnehmen soll und zu der es außer im Saarland in keinem anderen Bundesland eine Entsprechung gibt.

Als bundesweit tätige Organisationen mit Zentrale in Bremen sind die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger und der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club zu nennen. Weitere öffentliche Einrichtungen sind:

Körperschaften des öffentlichen Rechts

  • Römisch-katholische Kirche in Bremen
  • Bremische Evangelische Kirche
  • Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden im Lande Bremen
  • Arbeitnehmerkammer Bremen
  • Kassenärztliche Vereinigung Bremen
  • Kassenzahnärztliche Vereinigung Bremen
  • Steuerberaterkammer Bremen
  • Tierärztekammer Bremen
  • Ärztekammer Bremen

Anstalten des öffentlichen Rechts

  • Radio Bremen (Radio Bremen TV, Bremen Eins, Bremen Vier, Nordwestradio)
  • Bremische Landesmedienanstalt

Gerichte

  • Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen
  • Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen
  • Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen
  • Landesarbeitsgericht Bremen
  • Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (Zweigstelle)
  • Finanzgericht Bremen
  • Landgericht Bremen
  • Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven
  • Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen
  • Sozialgericht Bremen
  • Amtsgerichte Bremen und Bremen-Blumenthal

Bildung, Wissenschaft und Forschung

Universitäten und Hochschulen

In Bremen gibt es die staatliche Universität Bremen, die staatliche Hochschule Bremen, eine staatliche Hochschule für Künste sowie die private Jacobs University Bremen. Darüber hinaus existieren zahlreiche außeruniversitäre Institutionen und Forschungseinrichtungen. Bremen wurde zusammen mit Bremerhaven vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft zur „Stadt der Wissenschaft 2005“ (bei 36 deutschen Städten als Mitbewerber) gewählt.

Universitäten

  • Die Universität Bremen ist mit ca. 20.000 Studierenden und über 1.500 Wissenschaftlern die größte Hochschule des Landes Bremen. Zum Wintersemester 1971/72 nahm sie ihren Betrieb auf. Die Grundsteinlegung erfolgte am 11. November 1970. 1973 wurde die Pädagogische Hochschule integriert, daher lag der Schwerpunkt der Universität zunächst in der Lehrerausbildung. Heute gibt es beinahe alle Fachbereiche (außer Medizin und Theologie), sowie diverse Sonderforschungsbereiche. Zum Beispiel lässt der Bremer Fallturm als europaweit größte derartige Einrichtung Untersuchungen und Forschungen in simulierter Schwerelosigkeit zu. Ein Indikator für die Wertschätzung der Forschungsleistungen ist der hohe Anteil der eingeworbenen Drittmittel. Die Qualität der Universität Bremen zeigt das gute Abschneiden dieser Alma Mater bei der im Jahre 2006 erstmals abgeschlossenen Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder. Hier wurde die Universität Bremen für ihre „Zukunftskonzepte zur universitären Spitzenforschung“ als möglicherweise förderungswürdig mit besonderen Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet – als einzige Hochschule Norddeutschlands. Die Universität Bremen hat drei Exzellenzeinrichtungen vorzuweisen, die durch die Exzellenzinitiative gefördert werden.
  • Die Jacobs University Bremen (bis 2007: International University Bremen) ist eine private Hochschule, gegründet 1999 nach US-amerikanischem Vorbild. Sie befindet sich auf einem Gelände einer ehemaligen Ausbildungskaserne der Bundeswehr in Vegesack, Ortsteil Grohn. Die Lehrsprache ist Englisch. Im November 2006 gab der in der Schweiz lebende Bremer Kaufmann Klaus J. Jacobs bekannt, dass seine Stiftung der Universität insgesamt bis zu 200 Millionen Euro zuwenden wird; ein europaweit bisher einmaliger Geldbetrag. Infolgedessen trägt die Hochschule seit Frühjahr 2007 den Namen Jacobs University Bremen.

Hochschulen

  • Die Hochschule Bremen entstand 1982 durch die Fusion von vier Hochschulen; Hochschule für Wirtschaft, Hochschule für Technik, Hochschule für Sozialwissenschaften und der Hochschule für Nautik. Die älteste Vorläufer-Akademie wurde bereits 1799 gegründet. Die Drittmitteleinwerbung ist insbesondere im technischen Fachbereich enorm, es ist die höchste aller technischen Fachbereiche in Deutschland. Internationalität ist ein weiteres Kennzeichen der Hochschule Bremen. Mit über 250 Universitäten und Hochschulen gibt es weltweit Kooperationsabkommen, mit verschiedensten sogar Doppeldiplom-Abkommen (je vier Semester Studium an der Hochschule Bremen, vier an einer ausländischen Partnerhochschule). Auf dem Gelände der Hochschule befindet sich die Walter-Stein-Sternwarte und ein Studienzentrum der Fachhochschule für Oekonomie & Management.
  • Die Hochschule für Künste Bremen ist eine staatliche Kunst- und Musikhochschule mit 70 Professoren und ca. 900 Studenten, darunter ca. 300 Studenten aus dem Ausland. Die älteste Vorläuferinstitution wurde 1873 gegründet. An der HfK Bremen gibt es den Fachbereich Kunst und Design, der sich in der Überseestadt befindet, sowie den Fachbereich Musik in der Dechanatstraße in der Altstadt. Damit ist sie außer der UdK Berlin die einzige Hochschule in Deutschland, die Musik- und Kunsthochschule unter einem Dach vereint.

Institute

  • Mit dem Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) und dem Fraunhofer-Institut für bildgestützte Medizin (MeVis) sind in Bremen gleich zwei von insgesamt 57 Forschungsinstituten der Fraunhofer-Gesellschaft ansässig. Das IFAM betreibt Angewandte Forschung und Entwicklung auf den Gebieten Formgebung und Funktionswerkstoffe sowie Klebtechnik und Oberflächen mit Schwerpunkten in den Bereichen Pulvermetallurgie und Pulvertechnologie, Gießerei- und Schäumtechnologie, Industrielle Klebtechnik, Funktionsintegrierende Bauweisen sowie Plasma- und Oberflächentechnologie. Das MeVis entwickelt workflow-orientierte Softwareassistenten für die effiziente Visualisierung und quantitative Analyse medizinischer Bilddaten. Dabei konzentriert man sich auf epidemiologisch bedeutsame Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, des Gehirns, der Leber und Lunge sowie auf Krebserkrankungen.
  • Mit dem Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie (MPI-MM) ist die Max-Planck-Gesellschaft, die zweite große Forschungsgesellschaft in Deutschland, in Bremen vertreten. Das der Grundlagenforschung zuzuordnende Institut führt Untersuchungen zum Stoffkreislauf der Elemente in den Meeren und den beteiligten Mikroorganismen durch.

Mit dem Thema „System Erde“ gehört Bremen zu den zehn deutschen Städten zum Treffpunkt der Wissenschaft im Wissenschaftsjahr 2009.

Bibliotheken

  • Die Stadtbibliothek Bremen im Forum Am Wall ist als Eigenbetrieb der Stadt Bremen eine kommunale, öffentliche Bibliothek mit einem Gesamtbestand von 514.000 Bänden, mit rund 1,3 Mio Besuchern und rund 3,5 Mio Ausleihen. Sie ist eine der größten kommunalen Bibliotheken in Norddeutschland. Zum Bibliotheksnetz gehören weiterhin sechs Stadtteilbibliotheken, neun Jugend- und Schulbibliotheken, die Schulbibliothekarische Arbeitsstelle, die Busbibliothek, die Bibliotheken in der Justizvollzugsanstalt und die Bibliothek im Zentralkrankenhaus Ost.
  • Die Staats- und Universitätsbibliothek Bremen (SuUB) auf dem Campus der Universität ist die wissenschaftliche Bibliothek des Landes und der Universität Bremen. Im Jahr 2007 haben rund 38.000 aktive Benutzer die Bibliothek aufgesucht und es gab 1.972.247 Entleihungen inkl. Verlängerungen, bei einem Bestand von 3.198.948 Bänden (Bücher, Zeitungen), 240.132 Dissertationen, 6.438 Karten, 13.596 Raritäten, 184 Inkunabeln, 66.963 Noten, 96.680 AV-Materialien, 8.257 laufend bezogene gedruckte Zeitschriften und 21.003 laufend bezogene elektronische Zeitschriften.

Ver- und Entsorgung

Traditionell war Bremen in allen Bereichen der Ver- und Entsorgung weitgehend autonom. Steigende Anforderungen an die Versorgungsqualität haben diese Autonomie nach 1945 zunächst verbessert und nach 1995 erneut beschränkt.

  • Trinkwasserversorgung

Die Entnahme von Trinkwasser aus der Weser wurde mit zunehmender allgemeiner Verschmutzung und wegen starker Einleitung von Abraumsalz (NaCl) in die Werra im Laufe der 70er Jahre eingestellt. Heute kommt das Trinkwasser ausschließlich aus lokalen Tiefbrunnen (Blumenthal), aus Brunnen der Harzwasserwerke (Ristedt) sowie über weitere Brunnen von Wasserversorgern im Norddeutschen Raum. Brauwasser für die berühmten lokalen Biere kommt mit eigener Leitung ausschließlich aus der Harzversorgung. Vorübergehend konnte von 1935 bis in die 1960er Jahre auch Wasser aus der Sösetalsperre vom Harz über eine Fernleitung bis nach Bremen gefördert werden.

  • Brauchwasserentsorgung

Infolge der Siedlung in Überflutungsgebieten konnte die Volkswirtschaft seit dem 18. Jahrhundert lediglich eine Mischwasser-Kanalisation leisten. In den alten Siedlungsgebieten wird Abwasser aus Brauchwasser und Trinkwasser gemeinsam mit oberflächlich gesammeltem Regenwasser abgeführt. Das hat allemal den Vorteil guter Spülung der Kanäle nach zunehmender Sparsamkeit beim Wasserverbrauch. In neuen Siedlungsgebieten erfolgt die Entsorgung getrennt.

  • Regenwasserentsorgung

Große Teile des Stadtgebiets abseits der Domdüne und der Dünenkette an Weser und Lesum liegen unter dem Hochwasserpegel der Weser. Die Regenwasserentsorgung erfolgt daher seit dem 19. Jahrhundert durch Abpumpen. Nach Starkregen ergießt sich ein Teil des Wasseraufkommens ungeklärt in die Überläufe an Ochtum und Wümme.

  • Bauschuttentsorgung

Das Aufkommen an Bauschutt aus den Kriegszerstörungen kann bei jeder Tiefbaustelle wahrgenommen werden, kaum ein Bodenaushub ist frei von Ziegelresten. Heute wird das gesamte Aufkommen an Baustellenabfällen getrennt und verwertet. Sperrige brennbare Anteile werden in einer geregelten Deponie verklappt oder gebrochen und verfeuert.

  • Hausmüllentsorgung

Frühzeitig wurde in den 1970er Jahren eine Müllverbrennungsanlage errichtet, deren Benennung mehrere politisch motivierte Änderungen durchlaufen hat. Heute wird der Müll vor der Verbrennung durch Mischen auf konstanten Heizwert konditioniert. Die Universität Bremen wird komplett aus Müll beheizt.

  • Energieversorgung

Die Stadtwerke Bremen waren vor der Veräußerung an ein privates Energieversorgungsunternehmen lediglich durch zwei Speisepunkte mit dem übrigen Verbundnetz verknüpft (Neuenlande und Farge). Heute existieren weitere Speisepunkte, um die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Den Großteil der thermischen und elektrische Energie produzieren die swb-Kraftwerke Hafen, Hastedt, Mittelsbüren sowie die Müllverbrennungsanlage. Das Kraftwerk Mittelsbüren, das mit Gichtgas der Bremer Stahlhütte befeuert wird, erzeugt zudem wesentliche Energiemengen des Bahnstromverbrauchs (16,7 Hz) in der norddeutschen Tiefebene. Darüber hinaus steht in Bremen-Nord noch das Kraftwerk Farge, das 2009 von GDF Suez übernommen wurde. Bis zur Fertigstellung des Weserkraftwerks beschränkt sich die Erzeugung erneuerbarer Energien auf einige Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen.

  • Frischluftversorgung

In Zeiten der besonderen Aufmerksamkeit für Luftverschmutzung gewinnt ein Merkmal an Bedeutung: Die Umgebungsluft in Bremen wird zunächst fortlaufend durch die üblich vorherrschende Westwindlage bereinigt. Außerdem erfolgt durch den täglichen Temperaturwechsel zwischen Tag und Nacht nach Sonnenuntergang eine abendliche Einströmung warmer Meeresluft, welche die Luftqualität bis zum Morgen wieder auf Spitzenwerte bringt.

  • Sonneneinstrahlung

Mit ansteigender durchschnittlicher Erwärmung im Nordseebereich erweitert sich die Schönwetterzone bei Hochdrucklagen zunehmend von Ostfriesland und Oldenburg zunehmend nach Osten, so dass eine leichte Zunahme des Jahresmittels der täglichen Sonnenstunden zu verzeichnen ist (plus eine Stunde seit 1980).

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Bauwerke

Rund um den Marktplatz

Der Roland ist Mittelpunkt und Wahrzeichen der Stadt. Der originale Kopf des Roland ist im Focke-Museum ausgestellt. Während des Zweiten Weltkrieges wurde er aus Furcht vor Zerstörung durch Bombenangriffe durch eine Kopie ersetzt. Sein Blick ist auf den Dom St. Petri gerichtet, der für Besucher das Dom-Museum und den Bleikeller bereithält. Neben dem Roland steht das Rathaus, in dessen Ratskeller Wein serviert und verkauft wird. Roland und Rathaus gehören zum UNESCO-Welterbe. An der Westmauer des Rathauses sind die Bremer Stadtmusikanten, ebenfalls ein Wahrzeichen der Stadt, zu finden. Hier endet die Deutsche Märchenstraße. Es schließt sich die ehemalige Ratskirche Unser Lieben Frauen an.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Marktplatzes befindet sich der Schütting, das Haus der Kaufleute. Die Ostseite des Platzes nimmt das Gebäude der Bremischen Bürgerschaft ein, an der Westseite steht eine Reihe von vier Gebäuden aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Zwischen dem Schütting und der Bremer Baumwollbörse öffnet sich die Böttcherstraße, ein zwischen 1922 und 1931 entstandenes Gesamtkunstwerk. Sie führt zur Martinikirche an der Weser.

Die Kirchen in der Altstadt

Von den Bremer Kirchen aus der Zeit der Gotik ist durch den Zweiten Weltkrieg nur die Ansgarikirche nicht erhalten.

  • Am Marktplatz steht der evangelische Bremer Dom als teils romanische, teils früh- und schließlich spätgotische dreischiffige Hallenkirche. Sie war der Sitz der Erzbischöfe vom Bistum Bremen.
  • Direkt neben dem Bremer Rathaus befindet sich die evangelische Liebfrauenkirche, die 1229 im frühgotischen Stil errichtet wurde. Der Turmhelm der Ratskirche hat eine außergewöhnliche Höhe.
  • In der Altstadt, direkt an der Weser, steht die evangelische Martinikirche, ein wieder aufgebauter spätgotischer Backsteinbau, der 1384 zur Hallenkirche umgebaut wurde.
  • Zwischen Domshof und Schnoor befindet sich die katholische Propsteikirche St. Johann, eine dreischiffige Hallenkirche aus dem 14. Jahrhundert, ehemalige Klosterkirche der Franziskaner und die einzige noch erhaltene Klosterkirche in Bremen.
  • In der Katharinenpassage zwischen Sögestraße und Domshof sind noch die Reste des Dominikanerklosters mit der Kirche St. Katharinen zu sehen.
  • Im Stephaniviertel, am westlichen Ende der bremischen Altstadt, wurde die evangelische Pfarrkirche St. Stephani gebaut. Sie ist eine gotische Hallenkirche aus dem 14. Jahrhundert mit einem rund 75 m hohen neugotischen Südturm.

Am Weserufer

In Höhe der Martinikirche beginnt die Schlachte, die in den 1990er Jahren sanierte historische Uferpromenade mit zahlreichen gastronomischen Angeboten. Gegenüber auf der Halbinsel zwischen der Weser und der Kleinen Weser liegt der Teerhof, auf dem sich neben dem Museum Weserburg und der Gesellschaft für aktuelle Kunst (GAK) in den 1990er Jahren errichtete Wohnbebauung befindet. Einige Kilometer flussabwärts war der Space Park im Stadtteil Gröpelingen zu finden, der im Dezember 2003 auf dem ehemaligen Gelände der Werft AG Weser eröffnet und nach einem Jahr wieder geschlossen wurde. Dessen Gebäude wurde als Einkaufszentrum „Waterfront“ umgebaut.

Das Schnoorviertel

Der Schnoor ist ein mittelalterliches Gängeviertel in der Altstadt Bremens und wahrscheinlich der älteste Siedlungskern. Das Quartier verdankt seine Bezeichnung dem alten Schiffshandwerk. Die Gänge zwischen den Häusern standen oft in Zusammenhang mit Berufen oder Gegenständen: So gab es einen Bereich, in welchem Seile und Taue hergestellt wurden (Schnoor = Schnur), und einen benachbarten Bereich, in dem Draht und Ankerketten gefertigt wurden (Wieren = Draht). Zahlreiche Häuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert sind noch erhalten und vermitteln einen romantischen Eindruck vom Leben in früheren Zeiten. In den Jahren 1856/57 wurde hier das Dienstgebäude der Landherren errichtet, und erst am 19. September 1945 wurde die Stellung des Landherren aufgehoben.

Die Weserrenaissance und die Neorenaissance

Aus der Zeit der Weserrenaissance sind in Bremen eine Anzahl von Gebäuden erhalten geblieben, u. a. zählen dazu: Das Bremer Rathaus (Kernbau aus der Gotik) von 1612 und der Schütting von 1538 – beide am Markt, die Stadtwaage von 1587 und das Essighaus von 1618 – beide in der Langenstraße – und das Gewerbehaus am Angariikirchhof von 1620.

Im 19./20. Jahrhundert wurden u. a. historisierend im Stil der Neorenaissance das Postamt 1 an der Domsheide (1879), die Bremer Baumwollbörse (1902) und die Bremer Bank am Domshof (1905) errichtet.

Weitere besonders bemerkenswerte Bauwerke

Weitere besonders sehenswürdige und auch ungewöhnliche Bauwerke sind u. a. das ehemalige Wasserwerk (1873) auf dem Stadtwerder, der als Kolonialdenkmal errichtete „Elefant“ (heute Antikolonialdenkmal) im Stadtteil Schwachhausen, das Haus des Reichs (1930) in der Bahnhofsvorstadt, das Aalto-Hochhaus (1962) in der Neuen Vahr, die Stadthalle (1964/2005) auf der Bürgerweide, und im Bereich der Universität Bremen der Fallturm (1990) des ZARMs und das Science Center Universum. Das Gebäude mit dem höchsten Aussichtspunkt ist mit 80 Metern der Wesertower (2009) in der Überseestadt.

Das Bremer Haus

Das Bremer Haus ist ein Reihenhaustyp, der in England seine Wurzeln hat. Es war, in verschiedenen Größen, für alle sozialen Bevölkerungsgruppen gedacht und bestimmte seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre den Wohnungsbau in Bremen. In den Stadtteilen Schwachhausen, Steintor, Ostertor und der Neustadt findet man hauptsächlich den großen Typ, der für wohlhabendere Bürger errichtet wurde. In Arbeitervierteln wie Walle und Gröpelingen den kleinsten mit 1-2 vollen Etagen und niedrigeren Geschosshöhen.

Bremen-Nord

Als Baudenkmäler in Bremen-Nord sind unter anderem in Vegesack das Havenhaus am Vegesacker Hafen sowie einige Packhäuser aus dem 19. Jahrhundert, darunter das Kitohaus, zu nennen. Am Vegesacker Ufer der Lesum liegt außerdem das Schulschiff Deutschland. Sehenswert sind weiter das Schloss Schönebeck, die Wasserburg Haus Blomendal sowie der U-Boot-Bunker Valentin im Ortsteil Farge.

Auch sehenswert ist die  'Skyline'  von Blumenthal: die Türme der katholischen Kirche St. Marien, der evangelisch-lutherischen Martin-Luther-Kirche und der evangelisch-reformierten Kirche und der Wasserturm, alle im Zeitalter des neugotischen Bauens im Stil der Backsteingotik entstanden.

Theater

Das Theater Bremen ist ein städtisches Theater der Freien Hansestadt Bremen mit Aufführungen von Opern, Operetten, Musicals, Schauspielen und Tanztheater. Es besteht aus mehreren Spielstätten – das größte unter ihnen ist das Theater am Goetheplatz im Viertel. 2007 wurde das Theater Bremen unter Klaus Pierwoß zum „Opernhaus des Jahres“ gewählt.

Darüber hinaus besitzt Bremen eine vielfältige Theaterszene mit zahlreichen, etablierten Theatern in freier oder privater Trägerschaft. Bei der bremer shakespeare company im Theater am Leibnizplatz ist der Name Programm. Das Travestietheater von Madame Lothár im Schnoor war eine bremische Institution. Inszenierungen moderner Stücke sind im Jungen Theater zu sehen. Als Kinder- und Jugendtheater ist das Theaterhaus Schnürschuh bekannt geworden. 1976 gegründet, finden dort außerdem Lesungen und Musikveranstaltungen statt.

Museen

Die Museumslandschaft in Bremen ist vielfältig

  • Das Überseemuseum ist eines der bedeutendsten völkerkundlichen Museen Europas mit über 100-jähriger Tradition und umfangreichen Sammlungen zu Ozeanien, Asien, Afrika, Amerika, Naturkunde und Handelskunde sowie wechselnden Sonderausstellungen.
  • Die Kunsthalle, von Bürgern der Stadt gegründete, wurde nach Plänen von Lüder Rutenberg 1849 gebaut. Der Bestand umfasst heute europäische Kunstwerke vom Mittelalter bis zur Gegenwart.
  • Im Neuen Museum Weserburg ist die Moderne Kunst ausgestellt.
  • Die Kunstsammlungen Böttcherstraße mit dem Paula-Modersohn-Becker-Haus und dem Museum im Roselius-Haus
  • Das Gerhard-Marcks-Haus und das Wilhelm-Wagenfeld-Haus Am Wall in Bremen-Mitte
  • Die Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK) präsentiert internationale, zeitgenössische Kunst.
  • Das Künstlerhaus Bremen und die Städtische Galerie Bremen in der Neustadt
  • Das Focke-Museum ist das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte
  • Das Heimatmuseum Schloss Schönebeck stellt Kultur- und Heimatgeschichte der Umgebung aus.
  • Das Dom-Museum und der Bleikeller im St.-Petri-Dom
  • Das Universum ist ein modernes Science Center auf dem Universitätsgelände.
  • Das Hafenmuseum wurde 2004 eröffnet Es behandelt die Entwicklung der stadtbremischen Häfen.
  • Das Antikenmuseum im Schnoor ist ein 2005 eröffnetes Spezialmuseum für griechische Vasen aus der Zeit von 560 bis 350 v. Chr.

Musik

Klassik

Die Bremer Philharmoniker wurden 1825 von der Gesellschaft für Privatkonzerte, heute Philharmonische Gesellschaft Bremen, gegründet und sind das offizielle Orchester der Freien Hansestadt Bremen. Ihr Tätigkeitsspektrum umfasst neben der Bespielung des Musiktheaters im Theater Bremen die Veranstaltung einer Serie von Abonnementkonzerten und diverser Sonder- und Benefizkonzerte sowie ein weitreichendes Engagement im Bereich der musikalischen Nachwuchsförderung. Seit 2002 ist das Orchester als erste deutsche Orchester-GmbH mit privater Mehrheitsbeteiligung aufgestellt, Gesellschafter sind die Philharmonische Gesellschaft Bremen (26 %) und die Orchestermusiker, organisiert im Bremer Philharmoniker e. V. (26 %) sowie die Freie Hansestadt Bremen (26 %) und das Theater Bremen (22 %). Intendant der Bremer Philharmoniker ist Christian Kötter-Lixfeld, Generalmusikdirektor ist seit 2007 Markus Poschner.

Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, die seit 1992 ihren Sitz in Bremen hat, gehört zu den weltweit führenden Kammerorchestern. Künstlerischer Leiter ist seit 2004 der estnische Dirigent Paavo Järvi. Räumlich ist das Kammerorchester seit März 2007 in der Gesamtschule Bremen-Ost untergebracht, wo es unter anderem über mehrere Gruppenproberäume und einen Konzertsaal für bis zu 450 Zuhörer verfügt.

Der Haupt-Veranstaltungsort für klassische Musik in Bremen ist das 1928 erbaute Haus Die Glocke neben dem Dom. Herbert von Karajan zählte die Glocke zu den drei besten Konzerthäusern Europas.

Im Theater am Goetheplatz finden unter der Regie des Theater Bremen regelmäßige Opern- und Operettenaufführungen statt.

Der Fachbereich Musik der Hochschule für Künste Bremen leistet neben der künstlerischen Ausbildung durch zahlreiche Konzerte und Veranstaltungen im Konzertsaal und in der Galerie einen wichtigen Beitrag zum vielfältigen kulturellen Leben der Hansestadt.

Musicaltheater

Im Musical Theater Bremen findet man die Kombination aus Musik und Theater.

Populäre Musik

Aus Bremen kommen die Deutschrock-Band Wolfsmond (Wie der Wind so frei), die Indie-Rock Band Trashmonkeys, die sich inzwischen auch in England einen Namen gemacht hat, sowie die Sixties-Beatgruppe Yankees (Halbstark).

Der deutsche Schlagersänger Ronny (Oh my Darling, Caroline), der sich auch als Entdecker und Produzent des holländischen Kinderstars Heintje (Mama) in den 1960er Jahren einen Namen gemacht hat, kommt ebenfalls aus Bremen. Hier lebt auch der Textdichter dieser und vieler weiterer berühmter Interpreten, Hans Hee.

Bei Radio Bremen produzierte Michael Leckebusch ab 1965 mit dem Beat-Club eine der ersten richtungsweisenden TV-Musiksendungen der Nachkriegszeit. Die Moderatoren Uschi Nerke und Gerd Augustin erzielten regelmäßig am Sendetermin am Samstagnachmittag hohe Einschaltquoten bei jugendlichen Zuschauern. Die Sendung entwickelte sich in einem nicht unerheblichen Maße zu einem Phänomen der Jugendkultur im Deutschland. Im Anschluss an den Beat-Club wurde u. a. der Musikladen oder Extratour produziert.

Avantgarde

In der Jazz- und Avantgardemusik erlangte der Trompeter Uli Beckerhoff Bekanntheit.

Diskotheken

Es gibt in Bremen eine ganze Reihe an Diskotheken, z. B. das StuBu, das Tivoli, das Aladin, die Lila Eule und das Modernes.

Parks

wichtigsten Anlagen:[16]

Der Bürgerpark ist der größte privat finanzierte Stadtpark in Deutschland. Er schließt sich hinter dem Bahnhof direkt an die Bürgerweide an und geht in den Stadtwald über, mit dem zusammen er 202 Hektar umfasst. Der Bürgerpark wurde in den 1860er Jahren vom Landschaftsgärtner Wilhelm Benque angelegt.

Der Stadtwald ist vom Bürgerpark durch eine Eisenbahnlinie getrennt. Die Finnbahn bringt täglich bis zu 500 Läufer auf Trab.

Der Unisee, die Uniwildnis und das Universum Bremen schließen nördlich direkt an den Stadtwald an.

Die Bremer Wallanlagen sind nach Plänen von Isaak Altmann ab 1805 hervorgegangen aus der bis zum 17. Jahrhundert erbauten Bremer Stadtmauer und der dann folgenden Befestigungsanlagen. Sie sind nicht nur Bremens älteste, sondern auch die erste öffentliche Parkanlage in Deutschland, die durch eine bürgerliche Volksvertretung realisiert wurde. In der Windmühle befindet sich heute ein Restaurant. Die meisten Bremer Windmühlen sind Stationen der Niedersächsischen Mühlenstraße.

Die Neustadtswallanlagen auf der linken Weserseite sind ab 1805 auf der Befestigungsanlage der Neustadt entstanden. Geblieben ist davon nur eine nicht durchgängige 16 Hektar große Parkanlage vom Hohentorshafen bis zur Piepe.[17] Der markante Centaurenbrunnen steht seit 1958 gegenüber der Schule am Leibnizplatz.

Der Rhododendron-Park bietet auf einer Fläche von 46 Hektar eine einzigartige Sammlung an Rhododendren und Azaleen. 500 von den weltweit 1.000 verschiedenen Rhododendronwildarten wachsen in diesem Park und dem hier stehenden grünen Science-Center Botanika. Der Park wurde um 2000 durch einen Themenpark erweitert.

Der Botanische Garten ist 3,2 Hektar groß und liegt im Rhododendron-Park. Er ist 1937 an diesem Standort neu aufgebaut worden.

Der Park links der Weser, fast 300 Hektar groß, entstand auf Grund der Initiative des gleichnamigen Vereins zwischen Huchting und Grolland als Landschaftspark erst ab 1975. Der Flusslauf der Ochtum, die wegen des Flughafens verlegt wurde, stellt das wichtigste Element dieses Parks dar.

Der Park am Sodenmattsee ist 1960 in Huchting entstanden, als Sand für den Straßenbau benötigt wurde. Heute ist der Park 19 Hektar groß.

Die Pauliner Marsch ist mit 54 Hektar Bremens größter Sportpark und liegt direkt an der Weser östlich vom Weserstadion. Hier ist auch die Heimat von Werder Bremen.

Der Weseruferpark - eine 22 Hektar große maritime Meile - liegt direkt an der linken Weserseite und erstreckt sich von Rablinghausen bis zum Lankenauer Höft.

Die Oberneulander Parks sind zumeist Grünanlagen im englischen Stil um die Herrenhäuser verschiedener Landgüter. Dazu zählen Höpkens Ruh mit 7 Hektar Fläche und daneben Muhle's Park, dann Heinekens Park mit 2,7 Hektar und Ichons Park - beide nach Plänen von Gottlieb Altmann, Menke Park, Park Gut Hodenberg nach Plänen von Gartenarchitekt Christian Roselius, Hasses Park nach Plänen von Wilhelm Benque sowie der Park Holdheim.

Der Achterdiekpark in Oberneuland entstand ab 1969. Der Park selbst ist 8 Hektar groß und umfasst sieben Teiche. Der Achterdiekpark e. V. betreut die Anlage. Die anschließenden Grünflächen am Achterdieksee und der Bundesautobahn 27 entstanden beim Bau der Vahr in den 1960er Jahren. Sie sind 31 Hektar groß. Eine Golfanlage befindet direkt neben den Grünzonen.

Das Blockland ist nicht nur ein Ortsteil, sondern ein 30 Quadratkilometer großes Landschaftsgebiet der Wümmeniederung mit Naturschutzgebieten an der linken Seite der Wümme, mit dem Wümme-Radweg und vielen Ausflugslokalen.

Im Stadtbezirk Bremen-Nord

Knoops Park in St. Magnus (Bremen-Nord) am Rande der Bremer Schweiz aus dem 19. Jahrhundert, stammt von Wilhelm Benque. Der 60 Hektar große Park ist eine Mischung aus englischem Park und italienischem Renaissance-Garten.

Wätjens Park in Blumenthal ist 40 Hektar groß. Er entstand ab 1850 als Park um Wätjens Schloss für den Reeder Wätjen nach Plänen von Isaak Altmann. Der Park verkam und wird seit 1999 saniert.

Der Naturpark um Schloss Schönebeck in Vegesack mit malerischen Wegen im Tal der Schönebecker Aue umfasst 30 Hektar. Mittendrin die bremische Ökologiestation.

Die Weserpromenade Vegesack wird als Garten am Fluss bezeichnet. Nur 2 Hektar groß hat er eine fast 1 Kilometer lange maritime Promenade mit auch exotischen Gehölzen, die von der Strandlust bis zum ehemaligen Werftgelände vom Bremer Vulkan führt.

Friedhöfe in Bremen

Der Riensberger Friedhof und der Waller Friedhof

Nach dem deutsch-französischen Krieg (1870–1871) wurden, als Ersatz für die beiden stadtnahen Friedhöfe am Doventor und am Herdentor, eine gute Stunde Wegzeit vor den Toren Bremens zwei neue Friedhöfe angelegt. Der Riensberger Friedhof im heutigen Stadtteil Schwachhausen und als westliche Ergänzung der Waller Friedhof. Beide Friedhöfe wurden am 1. Mai 1875 eröffnet. Auf beiden Friedhöfen findet man noch heute viele künstlerisch gestaltete Grabmäler, darunter auch größere Mausoleen.

Der Osterholzer Friedhof

Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts beide Friedhöfe nicht mehr ausreichend freie Flächen zur Verfügung hatten, schrieb der Senat einen Wettbewerb für einen neuen kommunalen Zentralfriedhof für den östlichen Teil Bremens aus. Der erste Abschnitt der Anlage wurde im Oktober 1916 fertiggestellt – mitten im Ersten Weltkrieg. Die Einweihung fand 1920 statt. Die Ruhestätte für derzeit mehr als 100.000 Verstorbene ist mit 79,5 ha Bremens größter Friedhof.

Der Jüdischer Friedhof Deichbruchstraße, wurde seit 1796 belegt und ist seit 1803 offizieller jüdischer Friedhof von Bremen.

Regelmäßige Veranstaltungen

Im Laufe des Jahres wechseln sich auf den Plätzen in der Stadtmitte die Losbuden der Bürgerpark-Tombola und Fahrgeschäfte der Osterwiese, des Freimarktes, der so genannten 5. Jahreszeit und des Weihnachtsmarktes ab. Beim Freimarkt handelt es sich um eines der ältesten Volksfeste Deutschlands, das erstmals im Jahr 1035 abgehalten wurde. Der „Kleine Freimarkt“ findet vor dem Rathaus zeitgleich mit dem „großen“ Freimarkt auf der Bürgerweide statt. Je einmal im Monat verkehren die Museumsstraßenbahn-Linien 15 und 16.[18]

Bedeutend sind die Bremer Eiswette am Dreikönigstag und das Bremer Schaffermahl im Februar. Aus der Vielzahl der kulturellen Veranstaltungen ragen der Bremer Karneval im Februar, das Freiluftfestival Breminale, das Internationale Literaturfestival sowie das Musikfest Bremen im September heraus. Eine viele Besucher anlockende Veranstaltung mit sportlichem Hintergrund ist das stets im Januar stattfindende Bremer Sechstagerennen. September 2009 fand erstmals die Maritime Woche an der Weser statt.

Kulturpreise

zeitlich geordnet

Die Senatsmedaille für Kunst und Wissenschaft wurde seit 1938 und erneut seit 1952 vom Bremer Senat verliehen.

Der Literaturpreis der Stadt Bremen wurde von 1954 bis 1960 vom Senat und seit 1962 durch die vom Senat erfolgte Gründung der Rudolf-Alexander-Schröder-Stiftung vergeben. Zusätzlich wird seit 1977 ein Förderpreis verliehen.

Der Bremer Kunstpreis wird seit 1955 an Künstler im deutschsprachigen Raum verliehen. Er hieß bis 1983 Kunstpreis der Böttcherstraße. Der Stifterkreis ist seit 1983 ein Zusammenschluss von Mitgliedern des Kunstvereins Bremen.

Der Kultur- und Friedenspreis der Villa Ichonwird seit 1983 von dem Verein der Freunde und Förderer der Villa Ichon jährlich verliehen für Werk oder Wirken als Bekenntnis zum Frieden und von hohem kulturellem Rang.

Der Hannah-Arendt-Preis wird seit 1995 von der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Bremer Senat vergeben für Personen die zu öffentlichem, politischen Denken und Handeln beitragen.

Der Kurt-Hübner-Preis wird seit 1996 vom Verein Bremer Theaterfreunde verliehen an Ensemblemitglieder des Theater Bremens für besondere künstlerische Leistungen.

Der Bremer Musikfest-Preis wird seit 1998 für herausragende Musikkünstler vergeben. Zusätzlich wird zusammen mit dem Deutschlandfunk der Förderpreis Deutschlandfunk für begabte Nachwuchskünstler verliehen.

Der Bremer Filmpreis wird seit 1999 für langjährige Verdienste um den europäischen Film von der Kunst- und Kultur-Stiftung der Sparkasse Bremen vergeben.

Der Heinrich-Schmidt-Barrien-Preis wurde seit 2000 vom Bremer Kulturverein Freizeit 2000 uns seit 2007 vom Freundeskreis „Dat Huus op’n Bulten“ an Personen und Institutionen verliehen, die sich besonders um den Erhalt der niederdeutschen Sprache verdient gemacht haben.

Der Radio Bremen Krimipreis wird seit 2001 für Autoren qualitativ herausragender Werke der Kriminalliteratur von Radio Bremen auf dem Krimifestival verliehen.

In der Mall of Fame, als inoffizieller Name einer Fußgängerzone in Bremen, werden seit 2003 die Handabdrücke verschiedener Prominenter eingelassen.

Der private Feature-Preis des Bremer Hörkinos für Autoren besteht seit 2007.

Der Bremer Stadtmusikantenpreis wird seit 2009 verliehen. Der undotierte Preis wird in den vier Kategorien Bürgerschaftliches Engagement (Senat), Medien (Radio Bremen und Weser-Kurier), Kultur (Internationalen Kulturform) und Tourismus/Stadtmarketing (Verkehrsverein Bremen) vergeben.

Bremensien

Als Bremensien werden auch Begebenheiten und Bräuche in Bremen bezeichnet wie der Bremer Freimarkt (seit 1035), die Schaffermahlzeit (seit 1545), die Bremer Eiswette (seit 1829), das Kohl- und Pinkelessen, das Domtreppenfegen (seit etwa 1890), die Große Mahlzeit der Januargesellschaft (seit dem 15. Jh.) oder das Bremer Tabak-Collegium (seit Anfang der 1950er Jahre)

Weitere besondere, neuere Bremer Begebenheiten sind:

Der Bremer Kunstpreis (seit 1985), der Bremer Karneval (seit 1986), die Breminale (seit 1987), der Bremer Solidaritätspreis (seit 1988), der Bremer Musikfest-Preis (seit 1998), der Bremer Filmpreis (seit 1999) und der Bremen-Marathon (seit 2005).

Nachtleben

Vor allem am Wochenende tummeln sich in der Innenstadt Einheimische und Touristen, Jugendliche und Studenten in zahlreichen Diskotheken, Clubs, Bars und Lounges.

Hauptanlaufpunkte sind dabei die Altstadt mit dem Weserufer Schlachte, wo im Sommer zahlreiche Biergärten entlang der Weser geöffnet sind, das sogenannte Viertel – ein Gebiet der Stadtteile "Steintor" und "Ostertor" mit hoher Kneipendichte, sowie die Bahnhofsvorstadt mit der Discomeile, die jedoch in den letzten Jahren wiederholt wegen hier auftretender Gewaltkriminalität und Drogendelikten in den Schlagzeilen war. Um dem entgegen zu wirken, trat im Februar 2009 ein Waffenverbot in der Zeit von 20:00-08:00 auf der Discomeile in Kraft.

Sport

Bremen beheimatet als Großverein den Fußballbundesligisten Werder Bremen, der auch eine starke Schach- und Tischtennis-Abteilung hat.

Der Grün-Gold-Club Bremen ist Welt- und Europameister im Formationstanzen Latein.

Für den Freizeitsport bieten sich der Bürgerpark mit dem Stadtwald, das Werdergebiet an beiden Seiten der Weser, der Park links der Weser sowie zahlreiche Wassersportanlagen auf den Nebenarmen der Weser und auf dem Stadtwaldsee an.

Die Stadthalle ist als Veranstaltungsort des Bremer Sechstagerennens bekannt. Die Stadthalle ist Austragungsort weiterer Sportwettkämpfe, auch manche Heimspiele der Handball-Zweitligamannschaft SG Achim/Baden aus der Nachbarstadt Achim fanden hier in der Saison 2007/08 statt. In der Stadthalle spielt außerdem regelmäßig der Basketballzweitligist Bremen Roosters.

Seit 1907 gibt es in Bremen-Vahr an der Vahrer Straße eine Galopp-Rennbahn mit einem Trainingszentrum für Pferde und Reiter.

Religion

Im Jahr 2005 sind im Lande Bremen 43,8 % der Bürger in den Protestantischen Kirchen, 12,4 % in der Römisch-katholischen Kirche und 43,9 % der Bürger sind konfessionslos oder in sonstigen Gemeinschaften.[19] Eine aktuelle Übersicht der Religionsgemeinschaften bietet der Bremer Stadtplan der Religionen.[20]

Christentum

Evangelische Landeskirche

Die Einzelgemeinden der Stadt sind relativ autonom und haben eine sehr unterschiedliche Tradition und Ausprägung. Dem trägt die Bremische Evangelische Kirche (BEK) Rechnung, indem sie ihrer Verfassung den Grundsatz der „Glaubens-, Gewissens- und Lehrfreiheit“ vorangestellt hat (→ Präambel der Verfassung der BEK). Die Bremische Evangelische Kirche ist ein freiwilliger Zusammenschluss der meisten bremischen Einzelgemeinden und fungiert als Körperschaft des öffentlichen Rechts als „Dach“ jener Einzelgemeinden. An ihrer Spitze steht auch kein Bischof, wie in den meisten anderen Landeskirchen, sondern ein „Präsident“, bzw. eine „Präsidentin des Kirchenausschusses“ (ein Nicht-Theologe, bzw. -Theologin) und ein „Schriftführer des Kirchenausschusses“ (ein Theologe). Dem Kirchenausschuss obliegen zentrale verwaltungs- und dienstrechtliche Aufgaben. Er wird vom Kirchentag, der parlamentarischen Vertretung aller Mitgliedsgemeinden (Synode) für jeweils sechs Jahre gewählt. Der Bremischen Evangelischen Kirche gehören 242.386 Mitglieder an (Ende 2005). Zur Bremischen Evangelischen Kirche gehört neben den meisten stadtbremischen Gemeinden auch die Vereinigte Protestantische Gemeinde Bremerhaven. Der 32. Deutsche Evangelische Kirchentag hat vom 20. bis 24. Mai 2009 in Bremen stattgefunden.

Römisch-Katholische Kirche

Nach den Umbrüchen der Reformation entstand ab 1648 in Bremen auch wieder eine römisch-katholische Gemeinde, die 1931 Sitz eines Dekanats wurde. Das Dekanat Bremen (Südlich der Lesum) gehört zum Bistum Osnabrück, das Dekanat Bremen-Nord gehört zum Bistum Hildesheim. Als „Dach“ aller katholischen, übergemeindlichen Einrichtungen fungiert der Katholische Gemeindeverband Bremen. Er unterhält aus Spenden mehrere katholische Schulen und Kindertagesstätten. Mit dem „Apostolat des Meeres“, der katholischen Seemannsmission Stella Maris, richtet sich der Gemeindeverband an die Seeleute der Hafenstadt Bremen. Ein katholisches Krankenhaus besteht mit dem St.-Joseph-Stift. Im Jahr 2002 wurde mit dem Birgittenkloster Bremen der erste Schwesternkonvent seit der Reformation in der Hansestadt gegründet. Die Katholische Kirche umfasst 62.300 Mitglieder (11,42 %).

Freikirchen

1845 kam es zur Gründung der ersten Bremer Baptisten als Baptistengemeinde. Heute gibt es auf dem Gebiet in Bremen sechs Evangelisch-Freikirchliche Gemeinden, darunter auch eine englischsprachige internationale Baptistengemeinde. Eine Brüdergemeinde ist in der Wilhelm-Busch-Siedlung in der Vahr angesiedelt.

Ab 1849 entstand in Bremen auch eine bischöfliche Methodistenkirche, die von hier aus eine reiche Missionstätigkeit in ganz Deutschland ausübte. Heute befindet sich der Sitz dieser Freikirche in Frankfurt am Main.

Rückwanderer aus Amerika sammelten sich ab 1896 zu einer lutherischen Gemeinde, eine der Wurzeln der heutigen evangelisch-lutherischen Bethlehemsgemeinde, die zum Kirchenbezirk Niedersachsen-West in der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche gehört.

In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts trennte sich die Bremer Elim-Gemeinde vom Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden und schloss sich der Pfingstbewegung an. Die Gemeinde, die heute über drei Gemeindezentren im Bremer Stadtgebiet verfügt, ist Trägerin des Sozialwerks Grambke. Neben verschiedenen Sozialeinrichtungen betreibt dieses Sozialwerk auch eine Schule.

Neben den genannten Freikirchen gibt es eine Reihe weiterer freikirchlicher Gemeinschaften, unter anderem eine Mennonitengemeinde, Siebenten-Tags-Adventisten, eine Gemeinde Gottes, eine Freie evangelische Gemeinde und eine Gemeinde im Mülheimer Verband.

Viele landeskirchliche und freikirchliche Gemeinden arbeiten in Bremen sehr intensiv auf der Ebene der Evangelischen Allianz zusammen und betreiben auf dieser Grundlage verschiedene diakonische Einrichtungen: zum Beispiel das Mutter-Kind-Haus Bremen-Findorff und das Seelsorgezentrum an der Martini-Kirche.

Weitere christliche Religionsgemeinschaften

Auch die Altkatholiken, die Apostolische Gemeinschaft, die Christengemeinschaft (Michael-Kirche am Rembertiring), die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, die Neuapostolische Kirche, die Russisch-Orthodoxe Kirche (Gottesdienste in der kath. St. Bonifatius-Kirche in Findorff) sowie die Zeugen Jehovas sind mit Gemeinden im Stadtgebiet vertreten.

Judentum

Die jüdische Gemeinde hat eine Synagoge und ein Gemeindezentrum in der Schwachhauser Heerstraße. Die alte Synagoge stand bis zu ihrer Zerstörung während der Novemberpogrome 1938 in der Dechanatstraße hinter dem Postamt 1. Der Friedhof der israelitischen Gemeinde in Bremen liegt in der Deichbruchstraße im Ortsteil Hastedt.

Islam

Die Muslime sind in mehreren Gemeinden organisiert. Ihre größte Moschee ist die Fatih-Moschee in Gröpelingen.

Sonstige

Schließlich leben in Bremen Angehörige asiatischer Religionsgemeinschaften in weniger festgefügten Organisationsformen, zum Beispiel Buddhisten und Hindus.

Mundarten/Sprachen

In Bremen wird Hochdeutsch gesprochen, daneben nur noch selten Plattdeutsch. Das Bremer Platt als eigene Mundart ist nicht mehr in seiner Reinform zu hören, da es sich inzwischen mit dem Platt des Umlandes gemischt hat.

In die in Bremen gesprochene Umgangssprache haben viele Elemente des „Bremer Snak“ Eingang gefunden. Der „Bremer Snak“ ist der bremische Dialekt des Missingsch, eines Hochdeutschen mit niederdeutschem Einschlag.

Kulinarische Spezialitäten

Eine der bekanntesten Bremer Spezialitäten ist Kohl und Pinkel. In Bremen wird der Grünkohl als „Braunkohl“ bezeichnet, weil die regional angebaute Kohlsorte rote Pigmente in den Blättern hat. Deshalb erhält der Kohl durch das Kochen eine bräunliche Färbung und schmeckt würziger.

Ein beliebtes Bremer Wintergebäck ist der Klaben. Dieses „urbremische Gebäck“ ist ein schwerer Stollen, das Wort „Klaben“ weist auf die gespaltene Form hin. Er wird zumeist Anfang Dezember gebacken, und zwar in solchen Mengen, dass er bis Ostern reicht. Im Gegensatz zum Stollen wird Klaben nach dem Backen nicht mit Butter bestrichen und gezuckert.

Weitere beliebte Süssigkeiten sind Bremer Babbeler (ein langes Lutschbonbon) und Bremer Kluten (Zucker mit Pfefferminz und Schokolade).

Persönlichkeiten

Ehrenbürger

Zu den bekanntesten Ehrenbürgern der Stadt Bremen gehören u. a. der Reichskanzler Otto von Bismarck, der Verleger Anton Kippenberg, der Nachkriegspräsident des Senats Wilhelm Kaisen und der Dichter, Übersetzer und Architekt Rudolf Alexander Schröder. Zuletzt wurden am 6. September 2005 Annemarie Mevissen und Barbara Grobien ausgezeichnet.

Söhne und Töchter der Stadt Bremen

Als Bremer weit über ihren Geburtsort hinaus bekannt geworden sind (Alphabetisch geordnet)

  • der Bundespräsident Karl Carstens
  • der Manager Klaus Kleinfeld
  • der Kabarettist Piet Klocke
  • der Geiger Georg Kulenkampff
  • der Schauspieler und Fernsehmoderator Hans-Joachim Kulenkampff
  • der Bandleader, Komponist und Musikproduzent James Last (Hans Last)
  • der Kolonialkaufmann Franz Adolf Eduard Lüderitz
  • der Pastor Joachim Neander
  • der Astronom und Mathematiker Wilhelm Olbers (1758–1840)
  • der Friedensnobelpreisträger Ludwig Quidde
  • der Schriftsteller und Musiker Sven Regener
  • der Afrikaforscher Gerhard Rohlfs
  • der Verleger Ernst Rowohlt
  • die Fernsehmoderatorin Bärbel Schäfer
  • der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin
  • der Designer Wilhelm Wagenfeld

Sonstiges

  • Robinson Crusoe ist der berühmteste Bremer in der Weltliteratur: Daniel Defoe lässt nämlich in seinem erstmals 1719 erschienenen Reisebericht den 1632 geborenen Robinson Crusoe schreiben: „My Father being a foreigner of Bremen, who settled first at Hall: He got a good Estate by Merchandise“; In York heiratete er eine Robinson aus einer sehr guten Familie „and from whom I was called Robinson Kreuznaer; But by the usual Corruption of Words in England, we… write our name Crusoe.“
  • Der amerikanische Weltbestseller-Autor Mario Puzo („Der Pate“) hat auch einen Bremen-Roman geschrieben: „The Dark Arena“, London (Heinemann) 1973, der Bremen unter amerikanischer Besatzung mit Schwarzhandel u. a. schildert.

Literatur

  • Herbert Schwarzwälder: Das Große Bremen-Lexikon. Edition Temmen, Bremen 2003, ISBN 3-86108-693-X.
  • Werner Kloos: Bremer Lexikon. Ein Schlüssel zu Bremen. Bremen 1980, 378 S. o. Abb., ISBN 3-920699-31-9.
  • Baedekers Bremen Bremerhaven. Stadtführer. Ostfildern-Kemnat / München 1992, 126 S. m. 13 Karten u. Plänen u. 28 Zeichnungen, ISBN 3-87954-060-8.
  • Hanswilhelm Haefs: Siedlungsnamen und Ortsgeschichten aus Bremen. Anmerkungen zur Geschichte von Hafenstadt und Bundesland Bremen sowie des Erzbistums einschließlich Holler-Kolonieen. Norderstedt 2006, ISBN 3-8334-2313-7.
  • Claudia Dappen und Peter Fischer (Illustrationen): Bremen entdecken & erleben. Das Lese-Erlebnis-Mitmachbuch für Kinder und Eltern. Bremen 2006, 112 S. m. zahlr. Abb., ISBN 3-86108-565-8.
  • Radek Krolczyk und Jörg Sundermeier: „Bremenbuch“. Verbrecher Verlag, Berlin 2007.
  • Konrad Elmshäuser: Geschichte Bremens. Verlag C.H.Beck, München 2007, ISBN 3-406-55533-0.

Einzelnachweise

  1. ↑ Statistisches Landesamt Bremen - Bevölkerungsstand und Bevölkerungsbewegung (monatlich)
  2. ↑ Quelle und Zeitangabe zu ergänzen!
  3. ↑ Laut amtlichen Angaben von Geoinformation Bremen http://www.xxx
  4. ↑ Klimadaten Niedersachsen und Bremen - Mittlerer Niederschlag (1961-1990) - Jahr. Im Einzelnen nannten die Messstationen Bremen Farge 638,8 mm; Bremen (Flgh) 693,8; Mittelsbüren 700,2; Ritterhuder Heerstr. 700,9; Bürgerpark 712,8; Blumenthal 719,1; Warturmer Heerstr. 719,6; Bayernstr. 722,5; Osterholz 740,2; Strom 753,2 mm.
  5. ↑ klimanews
  6. ↑ Heinrich Gottfried Philipp Gengler: Regesten und Urkunden zur Verfassungs- und Rechtsgeschichte der deutschen Städte im Mittelalter, Erlangen 1863, S. 313 ff..
  7. ↑ Sonderausgabe Nordsee-Zeitung „150 Jahre Bremerhaven“ Juni 1977
  8. ↑ Bremerhaven Online
  9. ↑ Herbert Schwarzwälder: Das Große Bremen-Lexikon. Edition Temmen, 2003, ISBN 3-86108-693-X, S. 442.
  10. ↑ Herbert Schwarzwälder: Das Große Bremen-Lexikon. Edition Temmen, 2003, ISBN 3-86108-693-X, S. 443.
  11. ↑ Alfred Gottwald, Diana Schulle: Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941–1945. Wiesbaden 2005, ISBN 3-86539-059-5, S. 95.
  12. ↑ Wegen des Kommunalwahlrechts für Bürger der Europäischen Union können sich jedoch minimale Unterschiede in Umfang und Besetzung zwischen Landes- und Kommunalparlament ergeben.
  13. ↑ * Internationale Beziehungen. Senatskanzlei Bremen, abgerufen am 31. Oktober 2009.
  14. ↑ Laut amtlichen Angaben http://www.xxx
  15. ↑ Nationaler Radverkehrsplan – Aktuelle Stände in Sachen Radverkehr
  16. ↑ Bremen Marketing: Parks in Bremen; Bremen 2008
  17. ↑ Grünanlage an der Piepe (PDF). Stand: 22. Februar 2006. Stadtgrün Bremen. Abgerufen am 25. Juni 2009.
  18. ↑ Homepage der „Freunde der Bremer Straßenbahn e.V.“
  19. ↑ EKD 2007 in Fischer Weltalmanach 2008, Seite 139
  20. ↑ Bremer Stadtplan der Religionen

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Geschichte der Stadt Bremen

Die Geschichte der Freien Hansestadt Bremen ist von der Hanse, vom Handel und der Seefahrt sowie vom Streben nach Selbständigkeit geprägt.

Ursprünge

Geländesituation

Das ältere Bremen liegt auf einem von Nordwest nach Südost verlaufenden zirka 11 km langen Dünenzug, der von Bremen Burg bis Mahndorf und bis zur Achimer Geest reicht und der beim Bremer Domshof eine Höhe von 13,2 m ü. NN hat. Nördlich der Lesum befindet sich an der Lesum und Weser mit der Vegesacker und der Rekumer Geest ein Geestrücken, der von Burglesum bis Rekum reicht. Weitere eiszeitliche Geestfläche sind die Huchtinger Geest mit einer maximalen Höhe am Hohen Horst von 5,5 m ü. NN, eine sandig-kiesige Kuppe in Habenhausen mit 4,7 m ü. NN und der Hexenberg bei Borgfeld. Zwischen diesen höheren Zonen befinden sich im so genannten Bremer Becken mit durchschnittlichen Höhen um 3,3 m ü. NN (derzeitige durchschnittliche Höhe der Weser bei Bremen-Mitte) die Marschenlandschaft der Bremer Wesermarsch und der Weser-Aller-Aue (beide links der Weser), das Blockland, die Borgfelder Wümmeniederung und im Bereich Osterholz, Oberneuland und Borgfeld eine Wesersandterrasse.

Frühe Besiedlungen

Es kann angenommen werden, dass auch im Bremer Raum Neandertaler aus der Zeit des Pleistozäns, also vor 150.000 bis 30.000 Jahren in der Altsteinzeit, als Jäger und Sammler das Gebiet aufgesucht haben. Erst in der Jungsteinzeit, im Neolithikum, seit rund 25.000 bis 3000 Jahre v. Chr. breitet sich die Kultur sesshafter Bauern aus.

Funde der Steinzeit

Aufgrund der in den früheren Jahrtausenden unterschiedlichen Wasserhöhen der Weser und seiner Nebenflüsse konnten weitgehend nur auf den geestigen Gebieten steinzeitliche Funde nachgewiesen werden. Durch Weserbaggerfunde vor Bremen-Mitte und Blumenthal gibt es Steinwerkzeuge aus der mittleren Altsteinzeit (Mittelpaläolithikum). Durch Lesefunde im Bremer Dünenzug sind mittelsteinzeitliche Schlagplätze, Kernbeile oder ein Scheibenbeil belegt. Einige Funde aus der Jungsteinzeit, der Kupfersteinzeit und der Bronzezeit belegen erste Besiedlungen aus dieser Zeit auf den etwas höher gelegenen Flächen von Bremen.[1]

Eisenzeit

Um 650 v. Chr. verbreitet sich die Eisenzeit in den Norddeutschen Raum zwischen Weser, Elbe und westlichem Holstein. Funde aus der Jastorfkultur von etwa 600 v. Chr. bis zur Zeitenwende sind nachgewiesen. Die Verhältnisse von Wirtschaft und Kultur verändern sich stark. Um 250 v. Chr. dringen Sachsen in diesen Raum und vermischen sich mit den bereits ansässigen Chauken.

Chauken und Sachsen

Aber erst ab 100 v. Chr. findet für die Siedler in diesem Bereich der Begriff Nordseegermanen Verwendung, zu denen die Angeln, Chauken, Friesen, Sachsen und Warnen gehören. Sie bildeten später – etwa ab 300 n.Chr. – den Großstamm der Sachsen.

Im Gebiet um Bremen siedelte um die Zeitenwende der germanische Stamm der Chauken. Ab dem 3. Jahrhundert n. Chr. ist die Bezeichnung Sachsen nachweisbar. Ob sich die Chauken teils den Sachsen und teils den Friesen angeschlossen haben, oder ob Chauken und Sachsen eventuell verschiedene Bezeichnungen für ein und dasselbe Volk waren, konnte bisher nicht geklärt werden.

In Seehausen wurden Reste eines kleinen römischen Flottenstützpunktes ausgegraben, angelegt nach der Varusschlacht.

Zwischen dem ersten und dem achten Jahrhundert nach Christus entstanden an der Weser mit ihren verschieden Unterläufen erste Siedlungen, gelegen auf der 20–30 Kilometer langen Bremer Düne, die Schutz vor Hochwasser und gleichzeitig guten Zugang zu einer Furt über den Fluss bot.

Bereits im Jahr 150 n. Chr. erwähnte der alexandrinische Geograph Claudius Ptolemaeus eine dieser Siedlungen (Fabiranum, auch Phabiranum geschrieben). Der spätere Name Bremen – lateinisch Brema – könnte soviel bedeuten wie „am Rande liegend“ (altsächsisch Bremo bedeutet „Rand“ bzw. „Umfassung“) und bezieht sich möglicherweise auf den Rand der Düne.[2]

Der Dünenrücken am rechten Weserufer war im heutigen Bereich des Bremer Doms zirka 10 Meter hoch, steil abfallend zur Balge, die zirka 3 bis 4 Meter über der Weser lag. Die Siedlung auf dem Dünenrücken war deshalb vor den häufigeren Überschwemmungen des Bereiches an der Balge gesichert. Funde aus der Balge, vom Marktplatz und der Domdüne belegen Siedlungen aus der Zeit der Völkerwanderung. Nach dem sich eine Fährstelle an der unbesiedelten Tiefer (Tiefer = „Tie-vere“ = Fähre zum Tie, also zum Platz oder Thing) entwickelte wurde die Siedlung auf der Düne in der karolingischen Zeit ein Dorf, das als Fähr- und Etappenort vom Durchgangsverkehr lebte, aber zunächst auch noch von der Viehlandwirtschaft.[3]

Mittelalter

Bremen wird Stadt; von 780 bis 1300

Die erste urkundliche Siedlung

Bremen wird Bischofssitz

Während der mittelalterlichen Christianisierung Nordeuropas durch Karl den Großen wurde der Missionar Willehad 780 in die Weserregion geschickt. 782 erwähnte dieser Bremen zum ersten Mal urkundlich in einem Brief mit den Worten:

    „… hat man uns aus Bremen vertrieben und zwei Priester erschlagen …“

Erschlagen wurde der Priester Gerwal und andere, aber 787 wurde der Aufstand niedergeschlagen und Willehad zum ersten Bischof des Bistums Bremen ernannt. Die Stiftungsurkunde der Bistumsgründung von 788 als zweite Urkunde der Existenz Bremens entpuppte sich später übrigens als eine Fälschung. Bremen ist zu dieser Zeit ein sehr kleiner Ort zwischen dem Wesernebenarm – der Balge (Schiffsfund von 802) – und dem Markt. 789 soll der erste Dom aus Holz auf dem höchsten Punkt der Düne entstanden sein. Man weihte ihn auf den Namen des Apostels Petrus, dessen Attribut, der Schlüssel, zum Bremer Wappen geworden ist. 805 wurde das Bistum Bremen dem Erzbistum Köln unterstellt. Aufgrund der großen Entfernung hatten die Bremer aber relativ freie Hand.

Durch die Lage an der Weser etablierte sich Bremen schon bald als Umschlagplatz für friesische Händler, die mit ihren seetauglichen Schiffen an den Küsten und großen Flüssen handelten. Die Balge diente als natürlicher Hafen. Auch viele aktive und ehemalige Bauern ließen sich nahe der sächsischen Siedlung nieder. Man lebt von der Landwirtschaft, vom Fischfang, vom Handwerk und vom Handel. Eine Furt oder Fähre ist von strategischer Bedeutung.

Der Erzbischof von Hamburg, Ansgar, verlegte 848/849, nach der Plünderung Hamburgs durch die Normannen, seinen Sitz nach Bremen, wo der Bischofssitz gerade vakant war. Es entstand das Erzbistum Bremen. Um 850 (andere Quellen um 858) wurde der erste Dom von dänischen Wikingern zerstört. Ansgar ließ danach einen steinernen Dom errichten. Um den hölzernen wie den steinernen Dom entstand die Domburg mit eigenen Wällen, Gräben, Mauern und Toren. Der Dombezirk blieb viele Jahrhunderte ein geschlossener, selbständiger, geistlicher Bezirk. Um den Dombezirk entwickelte sich die Siedlung. An der Balge und der Langenstraße entstand zudem eine dauerhafte Händlersiedlung und mit der Zeit wuchsen beide Siedlungen zusammen.

Um 994 entstand der erste Wall um die Domburg, dem 1032 eine erste Stadtmauer folgte.

Markt- und Münzrecht für Bremen

888 erlangte Erzbischof Rimbert vom Kaiser Arnulf von Kärnten das Markt-, Münz- und Zollrecht. Dieser Markt, als periodische Zusammenkunft der Händler, lag als abgesteckte Fläche westlich vom Dom, also noch nicht an seinem heutigen Ort, da diese Gelände damals noch zur Weser hin ein starkes Gefälle hatte. Er war die Keimzelle der späteren Stadt. Zunächst war es ein Jahrmarkt, der sich mit zunehmendem Bedarf dann zum Wochenmarkt entwickelte. Rimbert ließ im 9. Jahrhundert die ersten erzbischöflichen bremischen Münzen prägen, jedoch erst aus der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts sind die ersten Münzen aus Bremen überliefert.

Otto I. stellte die kleine Stadt 937 unter königlichen Schutz und übertrug seinen Grundbesitz in Bremen an den Erzbischof. Er erteilte ihr am 10. August 965 erneut das Markt-, Münz- und Zollrecht. Drei Jahre später erhielt Bremen die Erlaubnis jährlich zwei Märkte abzuhalten; einen acht Tage vor Pfingsten und einen Anfang November. Aus letzterem entwickelte sich der Bremer Freimarkt.

Der Dom

Vom Bistum Bremen gingen unter den Bischöfen Ansgar, Adaldag und Adalbert wichtige Impulse aus. In den ersten Jahren der Amtszeit von Bischof Adalbrand (auch „Bezelin“ genannt) (1035 bis 1043) begannen der Umbau zum salischen Dom. Der Bau ist die romanische Kernzelle des heutigen Bremer Doms. Noch vor der Vollendung fiel das Gotteshaus jedoch – wie auch der Großteil der übrigen Stadtbebauung – im Jahre 1041 der Feuersbrunst des Bremer Brandes zum Opfer. Mit dem Wiederaufbau, vor allem unter Förderung von Erzbischof Adalbert (1043–1072), wurde sofort wieder begonnen.

Gräfin Emma und die Bürgerweide

Gräfin Emma von Lesum (um 975–1038) war eine mildtätige Gutsbesitzerin und erste namentlich nachweisbare Bremerin. Um die Stiftung einer Weide im Jahr 1032 geht es in einer der schönsten Volkssagen des 18. Jahrhunderts: damals wollte sie den Bürgern eine Wiese schenken von der Fläche, die ein Mann in einer Stunde umrunden konnte. Ihr Schwager und Erbe, Herzog Benno von Sachsen erhöhte die Zeit auf einen Tag, aber er suchte einen Mann ohne Beine aus. Der „Krüppel“ aber entwickelte ungeahnte Kräfte und umrundete ein Gebiet, größer als die heutige Bürgerweide.

Bremen wächst

Eine Feuersbrunst zerstörte 1041 Bremen. Nach dem Wiederaufbau folgte in den Jahren 1043 bis 1072 ein wirtschaftlicher Aufschwung unter Erzbischof Adalbert, der insbesondere auf dem Handel mit Norwegen, England und den nördlichen Niederlanden sowie mit dem Hinterland an der Weser, in Sachsen und Teilen Westfalens beruhte. Bremen wurde ein bedeutender Handelsort und Warenumschlagplatz und

„gleich Rom namhaft und zu einem Sammelpunkt der Völker des Nordens.“

Aber nicht nur der Handel brachte Erfolge. Das sumpfige Land – das Hollerland östlich von Bremen – wurde mit Hilfe holländischer Siedler (Vertrag von 1106 mit Privilegien für die Siedler) entwässert, durch Deiche geschützt und urbar gemacht. Ab 1171 entwickelte sich nach „Holländerrecht“ auch am linken Weserufer – also in Huchting, Weyhe, Brinkum und im Stedinger Land – eine stetig wachsende landwirtschaftliche Besiedlung. Bald folgten 1181 u. a. das Blockland, Arsten, Hasbergen, Horn und Oberneuland.

1050 kamen, durch Erzbischof Adalbert gefördert, die ersten Mönche – die Benediktiner – nach Bremen und bauten das Paulskloster vor die Tore der Stadt.

Die civitas und das Barbarossaprivileg

Das Barbarossaprivileg

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung wuchs auch der Einfluss der Bürger in der Stadt. 1139 wurde in bischöflichen Urkunden von der civitas geschrieben. Um 1157 wurde von einem Bürgerausschuss als Interessenvertreter der Stadt berichtet. 1186 verbriefte Kaiser Friedrich I. Barbarossa im sogenannten Gelnhauser Privileg das erste bürgerliche Gesetz. Es besagte, dass nicht mehr die Kirche, sondern nur noch der Kaiser und der Senat Regierungsgewalt über die Stadt ausüben konnten. Bremen war nun formal freie Reichsstadt. Faktisch musste die Unabhängigkeit den Erzbischöfen noch abgerungen werden. Erneute Bedrohungen der städtischen Eigenständigkeit in der Zeit des Absolutismus erforderten im 17. und 18. Jahrhundert Bestätigungen der Reichsunmittelbarkeit wie das Linzer Diplom von 1646, das manchmal irrtümlich für deren Beginn angesehen wird.

Das Gelnhauser Privileg

Das Gelnhauser Privileg von 1186 enthielt zudem die Klausel Stadtluft macht frei. 1200 trat die Bürgerschaft Bremens dann nach außen in Erscheinung, indem sie mit der Grafschaft Altena einen Vergleich schloss. In einer als concordia bezeichneten Übereinkunft mit Erzbischof Gerhard I. stehen sich die Stadt und das Erzbistum dann 1217 erstmals gleichberechtigt gegenüber.

Die Stadtmauer

Aus den ersten Stadtmauern und Schutzwällen von 1032 und 1157 war um 1229 eine zusammenhängende Stadtmauer – die murus civitatis – geworden, welche die gesamte Altstadt mit wenigen Teilen des Stephaniviertels landseitig umfasste. Zur befestigten Stadt gehörte ein Gebiet rechts der Weser, das von der heutigen Hutfilterstraße bis zum Schnoor und den Wallanlagen reichte. Bereits 1244 führte die erste Brücke über die Weser. Ab 1307 wurde in die Stadtmauer der Altstadt auch das restliche Stephaniviertel einbezogen. Die Stadt konnte landseitig durch Stephanitor, Doventor, Ansgariitor, Herdentor, Ostertor und über die Weser durch das Brückentor erreicht werden. Viele weitere Tore und Pforten führten zudem zur Schlachte oder in das Umfeld. Zwischen Ansgariistadt und Stephanistadt verblieb bis 1657 die vorhandene Stadtmauer, die durch ein Tor – die Natel – verbunden war. Dieses Befestigungssystem wurde um 1512 bis 1514 verstärkt durch vertiefte Gräben, Erdwälle, Zwingertürme (Auf der Herrlichkeit die so genannte Braut, Ostertor und Stephanitor) und Kanonenbestückung.[4]

Beginn des 13. Jahrhunderts

Mit seinen 10.000 bis 15.000 Einwohnern war Bremen am Anfang des 13. Jahrhunderts rechtlich und tatsächlich eine Stadt mit Selbstverwaltung, Befestigung und Markt geworden, in der die Bürger, die Geistlichen sowie die Einwohner ohne Bürgerrechte lebten.

1220 spannte der Erzbischof Gebhard II. eine Eisenkette über die Weser und verlangte von den Schiffen für die Durchfahrt Abgaben. Die Bremer begehrten aber gegen diese Regelung auf, sodass sie schnell wieder abgeschafft wurde. 1223 ging der hamburgische Erzbischofstitel erneut auf Bremen über. 1225 wurden sieben consules als Rat der Stadt eingesetzt. Der Rat hatte seine eigenen Siegel, die den eigenen Machtanspruch verdeutlichten, auch wenn die Macht des Territorialfürsten, des Erzbischofs, respektiert wurde.

1229 wird erstmals ein Rathaus erwähnt, welches Ecke Obernstraße/Sögestraße lag.

Stadtrecht

Anlässlich des Streits mit den Stedinger Bauern bestätigte Erzbischof Gebhard II. Bremen 1233 seine eigenständigen Rechte und das Stadtrecht. Die Stadt entwickelte sich damit zunehmend zu einer vom Stadtherrn unabhängigen Reichsstadt.

Bremen im 14. Jahrhundert

Der allgemeine Wohlstand in Bremen wuchs. Das Stephaniviertel wurde 1305 in den Stadtmauerring einbezogen.

Rechtsunsicherheit und zunehmende Konflikte zwischen dem Rat und den herrschenden Familien mit Grund- und Rentenbesitz – kurz „Geschlechter“ genannt – führten dazu, dass von 1303 bis 1308 das Bremer Stadtrecht erstmals kodifiziert, also schriftlich niedergelegt, und danach ständig erweitert wurde. Das Stadtrecht umfasste Bestimmungen über den Rat, über die Bürgerrechte und zu allen Bereichen des Zivil-, Handels-, Gewerbe- und Strafrechts. Trotz dieser Entwicklung kam es zu weiteren Konflikten. 1304 wird mit Arnd von Gröpelingen ein Mitglied der Oberschicht ermordet. Die „anständigen“ Ratsherren und Bürger vertrieben die „Geschlechter“. 1305 konnte ein für Bremen vorteilhafter Friede erreicht werden.

Die Stadt wird nun in vier Pfarrsprengel geteilt (s.u.). Die angesehenen Familien und Zunftmeister haben die Bürgerrechte. Sie wählen die „Wittheit“ von drei mal zwölf Männern, die jedes dritte Jahr als Rat im Amt waren. Schied ein Ratsmitglied aus wählte die Wittheit einen Nachfolger. Um 1330 wurden die auf Lebenszeit gewählten Ratsmitglieder zu einer exklusiven Gruppe. Jahrelang fanden keine Neuwahlen statt und die Anzahl der Ratsherren reduzierte sich drastisch. Man einigte sich über die Voraussetzungen, unter denen sich Anwärter um das Amt eines Ratsmitgliedes bewerben konnten:

    „Freie und eheliche Geburt, ein Mindestalter von vierundzwanzig Jahren, Besitz von Stadtgrundwert in der Mindesthöhe von zweiunddreißig Mark, die Möglichkeit, dem Amt ein Pferd im Werte von drei Mark zur Verfügung zu stellen sowie zur Abtragung von städtischer Rentenschuld eine Mark einzuzahlen“.

Hoyaer Fehde

Die Erzbischofsfehde von 1348 bis 1350 mit der Doppelwahl von Gottfried von Arnsberg (der später Erzbischof wurde) und Graf Moritz von Oldenburg führte zu Krieg und Unruhen. Dazu erreichte um 1350 Bremen die Pest. Ihr erlagen angeblich allein in einem Jahr 7.000 Menschen bei einer Einwohnerzahl von ca. 15.000. Unmittelbar danach folgte die Hoyaer Fehde von 1351 bis 1359 mit bremischen Niederlagen und Kosten für die Gefangenenauslösungen. Bremen war pleite. Hohe Vermögenssteuern waren danach erforderlich. Zu dieser Zeit führte 1358 die Hanse einen Boykott gegen Flandern durch. Bremen, damals zwischenzeitlich nicht Mitglied der Hanse und finanziell durch die Hoyaer Fehde geschwächt, musste deshalb in Lübeck sehr demütig um Wiederaufnahme in die Hanse bitten und sodann den Flandern-Boykott und Hamburg bei der Bekämpfung der Seeräuber in der Elbe unterstützen.

Der Aufstand von 1365 bis 1366

Von den 15.000 Einwohnern der Stadt waren nur die wenigsten auch Bürger. Eine kleine Oberschicht von etwa 30 Familien beherrschte die wirtschaftlichen Grundlagen. Sie stellten ein Ratsdrittel. Das Ratsherrenamt behielten sie lebenslänglich. Auch die anderen beiden „Ratsdrittel“, die Wittheit und die Meenheit waren gut situierte Bürger. Die Pest, die Hoyaer Fehde und die deshalb erforderliche kostspielige Auslösung von Gefangenen verschärften die sozialen Spannungen.

Im sogenannten Bannerlauf protestierten im September 1365 einige Handwerker (16–18) aus dem Ratsdrittel der Meenheit – das Bremer Banner tragend gegen die ungerechte Verteilung der erforderlichen hohen Geldzahlungen. Sie drangen in einige Häuser von Ratsherren und des Bürgermeisters Albert Doneldey und beschimpften diese als „Verräter und Hurensöhne“. Im Gegenzug wurden die Führer des Aufstandes zum Tode verurteilt, ihr Eigentum eingezogen und ihre Frauen und Kinder verbannt. Die meisten der Aufständischen konnten jedoch entkommen.[5]

1365 versuchte Erzbischof Albert II. von Braunschweig-Lüneburg die Stadt zu beherrschen mit Hilfe dieser ausgewichenen Handwerker als Bürgerpartei. In der Nacht vom 28. auf den 29. Mai 1366 jedoch überrumpelten geflohene Aufrührer mit Hilfe der Kriegsknechte des Erzbischofs die Stadt. Die Kriegsknechte verbrannten den noch hölzernen Roland, der auf dem Marktplatz stand. Einige Wittheitsmitglieder und Ratsmitglieder flohen nach Delmenhorst. Die von der Hanse geächteten Aufrührer regierten die Stadt nur kurzzeitig. Eine Neuordnung der Ratswahlen wurde eingeführt, bei der die Gruppe der Meenheit – die einfachen Handwerker – und die der Zünfte dominieren sollten. Der neue Rat konnte nicht den erforderlichen Rückhalt der Bürger erwerben. Am 24. Juni ächtete die Hanse den neuen Rat als „Verräter“, um die Rechte der freien Stadt gegenüber dem Erzbischof zu stärken. Die ausgewichenen alten Ratsherren konnten mit Hilfe von Konrad II. von Oldenburg am 27. Juni 1366 Bremen zurück erobern und diesen sozialen Aufstand beenden. Die „Verräter“ wurden im Kampfgetümmel erschlagen, oder danach, erhängt, geköpft oder gerädert. Der zurückgekehrte Rat restaurierte die alten Machtansprüche der Oberschichten und arrangierte sich mit den Zünften.

Nachbetrachtung: Das Bündnis der Meenheit mit dem Bischof führte zwar dazu, dass die einfacheren Handwerker im Rat angemessen vertreten waren, aber nur für den Preis einer Unterordnung der Stadt unter den Bischof, also zu Lasten der Reichsfreiheit. Nach diesen Krisen hat sich Bremen gut erholt und eine aktive Machtpolitik verfolgt mit territorialen Zugewinnen.

Kirchen und Klöster im Mittelalter

Das römisch-katholische Bistum Bremen bestand von 787 bis 1648. Es war ein Suffragan von Köln, wurde dann aber selbst Metropolit. Die Residenz war zunächst Bücken, dann Burg Vörde, (heute Bremervörde). In Bremen blieb nur die Domfreiheit unter erzbischöflicher Hoheit. Nach der Reformation ab 1566 konnte man von einem evangelischen Erzstift sprechen. Die Stadt Bremen blieb im Gegensatz zum lutherischen Territorium des Erzbistums calvinistisch. Aus dem weltlichen Besitz des Bistums, dem „Stift“, wurde das Herzogtum Bremen, welches das Elbe-Weser-Dreieck umfasste.

Der Bremer Dom

789 entstand der erste Dom aus Holz. Man weihte ihn auf den Namen des Apostels Petrus. Die Arbeiten am salischen Dom, der romanischen Kernzelle des heutigen Doms, begannen unter Erzbischof Bezelin (1035–1043). Seit 1223 war der Dom Metropolitankathedrale. Durch Umbauten erhielt die dreischiffige Hallenkirche ein gotisches Rippengewölbe, eine Doppelturmfassade mit Rosenfenster, und die Seitenschiffe sowie Ost- und Westchor erhielten eine gotische Gestaltung. Um 1500 wurde unter Erzbischof Johann III. Rode von Wale das nördliche Seitenschiff des Bremer Doms durch einen großen Saal mit Netzgewölbe ersetzt.

Die Pfarrkirche Unser Lieben Frauen

Sie wurde nordwestlich des Marktplatzes zunächst im 12. Jahrhundert errichtet und ab 1229 zur frühgotischen Hallenkirche umgebaut. Sie war die Kirche des Rates, später auch Garnisonkirche. Die romanische Krypta stammt noch von der früheren St.-Veit-Kirche von 1013 bis 1029. Die Westfassade wurde 1881 historisierend restauriert und der Turmhelm 1964 nach Plänen von Dieter Oesterlen auf den Nordturm gesetzt.

Die St.-Martini-Kirche

Sie wurde 1229 in der Altstadt an der Weser als frühgotische dreischiffige Basilika errichtet und 1384 zur spätgotischen Hallenkirche umgebaut. 1944 erlitt der Backsteinbau schwerste Zerstörungen, die in den 1950er Jahren beseitigt wurden.

Die St.-Ansgarii-Kirche

Sie wurde ab 1227 bis 1250 als frühgotische Basilikakirche gebaut und im 14. Jahrhundert zur Hallenkirche umgewandelt. Sie ist nach ihrer Zerstörung von 1944 nicht erhalten. Ein Denkmal erinnert an die Kirche. Die St.-Ansgarii-Kirchgemeinde befindet sich heute in Schwachhausen.

Die Pfarrkirche St. Stephani

Sie wurde um 1050 von Erzbischof Adalbert von Bremen vor den westlichen Toren der Stadt gegründet und 1139 zur Stifts- und Pfarrkirche erhoben. Die dreischiffige romanische Basilika wurde Ende des 14. Jahrhunderts zur hochgotischen Hallenkirche umgebaut. Die Pfarrkirche wurde 1944 stark beschädigt und nur das Mittelschiff zwischen 1947 und 1959 erneuert.

Die Kirche St. Johann

Die Johanneskirche ist heute noch eine katholische Propsteikirche. Sie wurde im 14. Jahrhundert beim heutigen Schnoor als Klosterkirche des Franziskanerordens erbaut; zunächst als Basilika, bald danach neu als dreischiffig gewölbte Hallenkirche. Sie ist ein prägnanter Vertreter der Backsteingotik.

Pfarrsprengel

Die Kirche teilte sich im 13. Jh. in vier Pfarrsprengel auf: Liebfrauen, Stephani, Angarii und Martini. Seit 1050 waren die Benediktiner in Bremen. 1225 kamen die Dominikaner und die Franziskaner und 1230 die Deutschen Ordensritter nach Bremen.

Klöster

Die Klöster in Bremen sind nicht erhalten. Historisch gab es in Bremen das Benediktiner-Kloster St. Paul von 1050 bis 1523, das Dominikaner-Kloster St. Katharinen von 1253 bis 1528, das Franziskaner-Kloster St. Johannis von 1258 bis 1528 und die Komturei des Deutschen Ordens von 1230 bis 1564. Bauliche Reste der Klosterbauten sind erhalten vom Katharinenkloster unter der gleichnamigen Hochgarage, die Kirche St. Johannis vom Franziskanerkloster und von der Komturei ein Teil der Unterkirche im Gerichtsgebäude.

Bremen und die Hanse

Bremen war vier Mal Mitglied der Hanse.[6] Insgesamt summiert sich die Mitgliedszeit auf 252 Jahre. Die einzelnen Mitgliedszeiten:

  • 1260–1285
  • 1358–1427
  • 1438–1563
  • 1576–1669

Die erste Mitgliedschaft endete nach nur 25 Jahren. Der Grund dafür war ein Konflikt zwischen den bremischen Kaufleuten, welche weiterhin ein Interesse an dem seit dem 11. Jahrhundert vorherrschenden Nord-Süd-Handelsverkehr hatten, und den Hansestädten an der Ostsee. Die wendische Städteversammlung hatte in Wismar eine Blockade Norwegens beschlossen, um den West-Ost-Handel zu stärken. Bremer Kaufleute verweigerten sich diesem Beschluss. Daraufhin wurde Bremen aus der Hanse ausgeschlossen.

Ein weiterer Grund der Schwierigkeiten Bremens mit der Hanse war sein lasches Vorgehen gegenüber Seeräubern. Bremen wollte seine Beziehungen zu den Friesen Butjadingens nicht verderben in der Hoffnung, die territoriale Herrschaft über das Land an der Wesermündung zu gewinnen.

In einer Schwächeperiode Bremens wurde die Stadt 1358 gezwungen wieder der Hanse beizutreten (s.o.). Bremens Interesse an der Hanse war oft sehr eigennützig. Hatten die Kaufleute Vorteile durch den Städtebund, nutzten sie ihn, machten aber auch gerne Geschäfte, die den Interessen der Hanse entgegenstanden. Aber bei den Hanse-Versammlungen in Lübeck forderte Bremen immer – oft erfolglos – einen hohen Rang.

1427 wurde Bremen aus der Hanse ausgeschlossen, nachdem Bürgermeister Herbort Duckel 1425 auf Grund innerer Unstimmigkeiten wegen bremischer Anleihen aus Bremen floh und die Hanse gegen Bremen mobilisieren konnte. 1438 wurde Bremen wieder in die Hanse aufgenommen. Es nahm an den Kaperkriegen gegen Burgund – wozu auch Holland gehörte – teil und schloss 1446 Frieden mit Burgund. Zwischen 1449 und 1530 fanden in der nun hoch geachteten Hansestadt sechs hanseatische „Tagfahrten“ (Fahrten um zu tagen, also um zu verhandeln) statt, zwei davon, 1493 und 1494 als Hansetag aller Mitglieder. Der Handel bremischer Kaufleute mit u. a. Getreide, Fisch, Stein, Holz und Bier orientierte sich auf die Niederlande, England, Norwegen, die Oberweser, Westfalen aber auch auf die Ostseestädte. Der Machtverlust der Hanse begann mit dem Erstarken der landesherrlichen Territorialgewalten im Ostseeraum. Auch musste die Hanse 1441 die wirtschaftliche Gleichberechtigung der Niederländer anerkennen. Die Hanse verlor weiter an Bedeutung, da sich durch die Entdeckung Amerikas 1492 neue Handelsmöglichkeiten erschlossen.

Die Bremer Bergenfahrergesellschaft erstarkte mit dem Niedergang der Bergenfahrt der Wendischen Hansestädte unter Führung Lübecks. Beginnend um die Mitte des 16. Jahrhunderts stieg Bremen im Bergener Kontor Bryggen zur neuen Führungsmacht auf.

Von 1563 bis 1576 war Bremen wegen des Religionsstreites zwischen orthodoxen Lutheranern und Reformierten wieder einmal von der Hanse ausgeschlossen worden. (s. bei von Büren)

Mit Beginn des 17. Jahrhunderts war der stolze und mächtige Städtebund der Hanse nur noch dem Namen nach ein Bündnis. Der Dreißigjährige Krieg, 1618–1648, brachte die völlige Auflösung. Auf den Hansetagen 1629 und 1641 wurden Hamburg, Bremen und Lübeck beauftragt, das Beste zum Wohle der Hanse zu wahren.

Das Fahrwasser der Weser erlaubte oft nicht, dass die Koggen bis Bremen fahren konnten. Sie wurden deshalb im Blexer Tief oder bei Brake in Eken (Weserschiffe) umgeladen und an der Schlachte oder in der Balge (Wesernebenarm) entladen. Koggen hingegen wurden in Bremen gebaut. Aus dem Jahr 1380 stammt das Wrack einer Hanse-Kogge, das verhältnismäßig gut erhalten 1962 bei Hafenerweiterungsarbeiten im Schlamm der Weser gefunden wurde und sich heute im Deutschen Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven befindet.

Die Bremer Handelsflotte hatte um 1560 um die 65 Schiffe mit einer Gesamttragfähikeit von über 4.000 Lasten was etwa 8.000 Tonnen entspricht. Die Anzahl der Schiffe nimmt zum Ende des 16. Jh. auf 107 Schiffe zu.[7]

15. und 16. Jahrhundert

Zunächst expandierte Bremen. Um 1400 sind Butjadingen, das Stadtland an der linken Wesermündung, die Herrschaft Bederkesa, Lehe, Land Wührden, Blumenthal, Nieder- und Obervieland, Huchting, Blockland, Borgfeld und Hollerland bremische Territorien. In den Jahren 1405 bis 1410 entstand auf Initiative des Bürgermeisters Johann Hemeling am Bremer Marktplatz das gotische Rathaus. Bereits 1404 war ein neuer steinerner Roland errichtet. Er drückte die Befreiung der Bremer von der Macht der Kirche aus. Aus diesem Grund schaute und schaut er direkt auf das Portal des Domes.Von 1404 bis 1407 baute die Stadt die Friedeburg (heute Nordenham) zur Sicherung des Stadtlandes. Durch gefälschte Urkunden sollte zudem ein erhöhter Rechtsstatus belegt werden; Bremen wollte freie Reichsstadt sein, wird es aber erst 1646 (Linzer Diplom). Es hatte sich zur Sicherung der Weserschifffahrt in Rüstringen gegen verschiedene friesische Häuptlinge und die Grafschaft Oldenburg durchgesetzt. Es war der Höhepunkt Bremens im Mittelalter.

Bald darauf erlebte Bremen machtpolitisch jedoch erhebliche Rückschläge. 1424 wurde Bremen von einer Koalition der Rüstringer Friesenhäuptlinge wieder aus den nördlichen linken Wesergebieten vertrieben. Es kam in Bremen zu Unruhen und zum Umsturz. Die Bürgerschaft wählte einen neuen Rat. Bürgermeister Herbort Duckel floh 1425 und mobilisierte die Hanse, welche Bremen 1427 aus dem Städtebund ausschloss. 1428 wurde deshalb das Stadtrecht neu gefasst mit einem differenzierten Ratswahlrecht, welches die Beteiligung der Gemeindeviertel, Kaufmannsgilde, Handwerksämter im Wechselrhythmus festlegte. Aber auch weiterhin konnten nur vermögende Bürger in den Rat gewählt werden. Der Streit blieb aber, so dass sogar 1429 bis 1436 die Reichsacht über die Stadt verhängt wurde. Schwierige Jahrzehnte folgten.

Ab 1452 beeinträchtigte der Graf Gerd von Oldenburg durch Land- und Seeräuberei den Handel. 1464 verloren Bremen und die friesischen Verbündeten ein Gefecht, und der Graf Gerd versuchte nun Bremen anzugreifen. Erst 1474 konnte durch eine Koalition von Fürsten und Städten in einem wechselhaften Krieg bis 1482 der Graf besiegt werden.

Nach diesen Fehden konnten Bremen und sein Handel sich vorteilhaft entwickeln. Viele reich geschmückte gotische Giebelhäuser entstanden. In den folgenden Jahren hegte der Rat Pläne, einen Unterweserstaat zu schaffen (Dominium Visurgis). Aber diese Bestrebungen waren nicht erfolgreich. Das Stadtland und Butjadingen gingen verloren, das „Pfand“ Landwürden fiel an Oldenburg zurück, die Herrschaft Bederkesa war strittig.

Bremer Kaufmannschaft

Der Bremer Rath bestand aus Kaufleuten, Renteninhabern und Grundeigentümern, zu denen später Juristen hinzukamen.

1451 hatten sich die „Elterleute“ der bremischen Kaufmannschaft eine Satzung gegeben. Mit den Statuten für die „kopmann tho Bremen“ begann die organisierte Selbstverwaltung der bremischen Wirtschaft, aus der dann 1849 die Handelskammer Bremen hervorging. Die Kaufmannschaft hatte ihren Sitz im Schütting (von Schossen = Aufbringen der Steuern). Das ehemalige Gilde- und Kosthaus der Kaufleute befand sich zunächst in der Langenstraße. Es wurde zum Zeitpunkt des Rathausbaues (1405–1410) zum Marktplatz verlegt. Von 1537 bis 1538 ließen die Bremer Kaufleute einen feingliedrigen Renaissance-Neubau errichten. Dieser dritte Schütting ist seit 1849 Sitz der Bremer Handelskammer. 1895/99 erhielt das Prunkportal ein bremisches Motto, die plattdeutsche Inschrift: „buten un binnen – wagen un winnen“

Bremer Münzhoheit von 1541 bis 1872

Ursprünglich hatte im Mittelalter seit dem 9. Jahrhundert nur der Erzbischof das Münzrecht. Die Münzprägeanstalt (kurz auch Münze oder Munte genannt) in Bremen wurde ab 1369 vom Erzbischof mehrfach an die Stadt verpfändet. 1469 endete die Münzpfändung an die Stadt. 1541 erhielt auch die Stadt Bremen durch eine Urkunde von Kaiser Karl V. das Münzrecht, also die Befugnis, Bremische Münzen zu prägen und in Umlauf zu bringen. Grote und Schwaren (der sware = schwere Pfennig) in verschiedenen Werten waren trotz vereinzelter späterer Prägungen von Goldgulden bis 1872 die gängigen bremischen Münzsorten.Reichsmünzordnung aus dem 16. Jahrhundert geprägt. Am 1. Juli 1872 verlor Bremen seine Münzhoheit im Zuge der Gründung des Deutschen Kaiserreichs.

Reformation in Bremen

Im Mittelalter bildete das Domgebiet des Erzbischofs eine eigene kirchliche „Immunität“, es war kein Stadtgebiet. Die Pfarrrechte übten die vier Kirchen St. Stephan, St. Ansgarii, St. Martin und Liebfrauen aus. Dazu gab es die Klöster der Dominikaner mit St. Katharinen und der Franziskaner mit St. Johann. Mit Martin Luther aber veränderten sich in Europa die Glaubensrichtungen radikal. Bis 1521 gab es in dieser Kaufmannstadt keine religiösen Konflikte. Erst 1522 kam der Lutherische Augustinermönch Heinrich von Zütphen durch Bremen und predigte in der Ansgariikirche. Bei dem nun folgenden Streit mit dem Erzbischof Christoph schützte der Rat den Mönch. Erst 1524 wurde er in Dithmarschen als Ketzer verbrannt. Der lutherische Glaube setzte sich aber zunehmend in Bremen durch.

Der ehemalige Augustinerprior von Antwerpen, Jakob Probst wurde um 1524 an Unser-Lieben-Frauen in Bremen berufen, ihm folgte kurze Zeit später Johann Timann. Bremen trat durch Vermittlung des Herzogs Ernst I. von Braunschweig-Lüneburg 1531 dem Schmalkaldischen Bund bei.

1528 wurde die freie „Schola Bremensis“ – aus der später das Alte Gymnasium wurde – als Lateinschule gegründet und die bis dahin für die Bildung zuständigen Klosterschulen aufgelöst. 1562 – zur Zeit Bürgermeisters Daniel von Bürens – erweiterte die Schule ihr Lehrangebot auch für den naturwissenschaftlichen Bereich.

Der Aufstand der 104 Männer war eine Revolte im Jahre 1532, die sich an der Nutzung der Bürgerweide entzündete, wohl aber stark von den Ideen der Reformation mit der Gleichberechtigung aller Menschen beeinflusst war. Der Komtur des Deutschritterordens, von dem behauptet wurde, er verstecke die Dokumente der Bürgerweide, und seine Knechte wurden ermordet. Der Rat wurde bedroht mit der „Reise des Komturs“ und gezwungen, ein gewähltes Gremium von 104 Männern an der Regierung der Stadt zu beteiligen. Vier Bürgermeister und sechs Ratsherren zogen nach Bederkesa. Das Domkapitel musste nach Verden fliehen. Im Dom durfte nur noch evangelisch gepredigt werden. Die 104 enteigneten Anfang 1532 schließlich den Schütting. Aber dann zerstritten sich die 104. Schließlich gelang es dem Rat, die Macht wieder zu erlangen. 1532 wurde der Sprecher der 104, Johann Dove, trotz Amnestie unter fadenscheinigen Gründen verurteilt und hingerichtet. 1533 erhielten die Kaufleute ihren Schütting zurück, und 1534 kam es zu einer „Neuen Eintracht“ und damit zur Wiederherstellung der alten rechtlichen Verhältnisse. Der Erzbischof kehrte zwar zurück, aber Bremen blieb der evangelischen Sache mit einer neuen Kirchenordnung verbunden.

Zwischendurch, sozusagen als Episode, wurde Bremen 1538/39 von dem Seeräuber und Junker Balthasar von Esens bedroht. 1539 führte Bremen einen erfolgreichen Kaperkrieg an der friesischen Küste; 81 Gefangene wurden hingerichtet. 1540 belagerte ein Bremer Heer den Ort Esens; der Junker starb (seine Rüstung ist im Focke-Museum ausgestellt), und die Gefahr für die Schifffahrt war beseitigt.

Im Schmalkaldischen Krieg wurde auch Bremen tangiert. 1547 drangen die katholischen Kaiserlichen bis vor die verstärkten Festungswälle von Bremen vor, und da die Belagerer Versorgungsschwierigkeiten hatten, mussten sie sich zurückziehen. Auch eine zweite Belagerung des Herzogs Erich II. zu Braunschweig-Lüneburg musste abgebrochen werden, da ein Entsatzheer die Kaiserlichen vertrieb.

Ab 1599 wurde nach Plänen der Festungsbauer Johan van Rijswijck und Johan van Valckenburgh die Stadt durch Bastionen stärker befestigt (siehe dazu: Bremer Stadtmauer) und ab 1623 – der Dreißigjährige Krieg hatte begonnen – wurden die Anlagen links der Weser in der nun entstehenden Bremer Neustadt in Angriff genommen und 1627 vollendet. Erst 1660 bis 1664 konnten die vorhandenen Bollwerksanlagen auf der Altstadtseite modernisiert und weiter gebaut werden.

Zwischen 1547 und 1661 stritten sich in Bremen die „Reformierten“ und die „Lutheraner“ um die neue Glaubensrichtung. Albert Rizäus Hardenberg, ein reformierter Prediger, verlor die Auseinandersetzung: die Lutheraner obsiegten zunächst. Bürgermeister Daniel von Büren der Jüngere stand – wenn auch als Teil einer Ratsminderheit – nach wie vor zur reformierten Partei. 1562 setzten er und die aufbegehrenden Bürger sich gegen die Mehrheit im Rat durch. Diese Ratsmitglieder und fünf weitere Priester verließen Bremen. Sie versuchten Kaiser und Fürsten gegen Bremen zu mobilisieren. Auch wird erneut Bremen 1563 aus der lutheranisch orientierten Hanse ausgeschlossen. 1568 schließlich wurde die Augsburger Konfession von den streitenden Parteien anerkannt. Der Persönlichkeit von Büren gelang dann jedoch die Aussöhnung. 1576 wurde Bremen wieder Mitglied der Hanse. Die reformierte Kirchendiziplin setzte sich um 1580 bis 1586 durch; Bildwerke und Altäre in den Kirchen wurden entfernt.

Im Jahr 1648 kam es dann durch den Westfälischen Frieden endgültig zur Säkularisation des Erzstiftes Bremen, welches als Herzogtum Bremen zusammen mit dem ebenfalls säkularisierten Herzogtum Verden als Territorium Bremen-Verden an Schweden kam.

17. und 18. Jahrhundert

Besonders verdient haben sich Bürgermeister Heinrich Krefting und später sein Neffe und Bremer Syndicus Johann Wachmann der Ältere um eine Weiterentwicklung des Stadtrechtes um 1600 bzw. um 1635 gemacht.

Im 16. Jh. hatte man schon die Befestigungsanlagen um die Altstadt weiter entwickelt. Ab 1602 und dann aber erst von 1660 bis 1664 wurde die Befestigung um die Altstadt mit Wallgräben und Wällen den Festungsbedingungen der Zeit angepasst. 1615 erfolgte der Ausbau von Bastionen am Ostertor. Erst von 1623 bis 1628 wurde nach ersten Anregungen des holländischen Festungsbaumeisters Johann von Rijswijk (1601) und Plänen seines Schülers Johan van Valckenburgh (1614) auch links der Weser die Neustädter Befestigung mit 7 Bastionen erstellt und der Wall mit Wallgraben angelegt und 1664 mit der 8. Bastion auf dem Stadtwerder ergänzt.

Die Weser versandete zunehmend. Für die Handelsschiffe der Bremer Kaufleute wurde es immer schwieriger, in der Stadtmitte an der Schlachte anzulegen.

Von 1619 bis 1623 wurde deshalb im flussabwärts gelegenen Vegesack von holländischen Konstrukteuren der erste künstliche Hafen Deutschlands angelegt, bezahlt und verwaltet vom Haus Seefahrt. Seit 1624 erhob für zwei Jahrhunderte Graf Anton Günther von Oldenburg an der Unterweser einen umstrittenen Weserzoll bei Elsfleth. 1638 stürzte der niedrigere Südturm des Domes ein.

Lateinschule, Gymnasium und Bibliothek

Lateinschule

Mit der Einführung des neuen Glaubens durch die Reformation sollten sich die Obrigkeiten – so die Aufforderung des Reformators Martin Luther – um die Erziehung und Bildung der Jugend kümmern.

„Anno 1528 is tho Bremen ein frey Schole angerichtet dorch den erbaren Radt“ – so lautet die Nachricht über die Gründung der Schola Bremensis, der ersten Lateinschule. Die Gelehrtenschule befand sich in den Räumen des ehemaligen Dominikanerklosters St.- Katharinen. Damit begann die Geschichte des Alten Gymnasiums in Bremen.

1584 erweiterte Christoph Pezel - ein Vertrauter Daniel von Bürens - die Schule um eine Oberstufenklasse als akademischen Oberbau, eine Vorstufe zum Gymnasium illustre.

Gymnasium illustre

1610 wurde neben der sechsklassigen Basisschule, dem Paedagogeum, das darauf aufbauende Gymnasium illustre für ein Hochschulstudium mit den Fakultäten Theologie, Jura, Medizin und Philosophie eingerichtet. Der Vorläufer der Universität Bremen bestand von 1610 bis 1810.

Bibliotheka Bremensis

1628 hinterließ der Syndicus Gerlach Buxdorff der Stadt seine Bücher. 1646 kaufte der Rat der Stadt die 2000 Bücher und Handschriften des verstorbenen Gelehrten Melchior Goldast. 1660 wurde aus diesen Beständen die Bibliotheka Bremensis, die erste wissenschaftliche, öffentliche Bibliothek im Katharinenkloster eingerichtet; dieses war der Vorläufer der heutigen Staats- und Universitätsbibliothek Bremen.

Dreißigjähriger Krieg und seine Folgen

Im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) war Bremen am Anfang neutral. Erst 1632 unterstützte Bremen – jedoch ohne Truppenkontingente – die Schweden. In dieser Zeit (1638) öffnete Erzbischof Friedrich II., Prinz von Dänemark, der spätere König von Dänemark und Norwegen, den Dom für lutherische Gottesdienste. 1643/44 stieß der schwedische General Hans Christoph von Königsmarck nach Norden in die Bistümer Bremen und Verden vor. Bremen öffnete jedoch nicht seine Tore und der General musste abrücken. In den letzten Jahren des dreißigjährigen Krieges machte Schweden Ansprüche auf das Bistum Bremen und das Bistum Verden geltend, welche Dänemark 1645 im Frieden von Brömsebro abgetreten hatte.

In diesen Jahren gefährdeten die Bremer ihre Reichsunmittelbarkeit, indem der Rat 1637 dem 1635 gewählten Erzbischof Friedrich II. huldigte, einem Mitglied des dänischen Königshauses. 1637 war die Bestätigung der Privilegien als Freie Reichsstadt durch Kaiser Ferdinand III. noch leicht zu erlangen, 1646 (Linzer Diplom) nur gegen eine hohe Gebühr.

Bestrebungen Bremens ihren Machtbereich weserabwärts auszudehnen (siehe dazu: Dominium Visurgis) misslangen, obwohl ihnen schon vor 1646 Butjadingen und Stadland am linken Weserufer und Gebiete um Stuckenborstel bis Rotenburg (Wümme) gehörten. Nur die Wümmewiesen und Hemelingen verblieben bei Bremen.

Schon längere Zeit vorher nahmen die Erzbischöfe ihren Aufenthalt zunehmend außerhalb der Stadt, zeitweise in Bücken, schließlich überwiegend in Bremervörde. Im Jahr 1648 kam es dann durch den Westfälischen Frieden endgültig zur Säkularisation des Erzstiftes, welches als Herzogtum Bremen zusammen mit dem ebenfalls säkularisierten Herzogtum Verden als Territorium Bremen-Verden an Schweden kam.

Den Ersten Bremisch-Schwedische Krieg von 1654 um die Vorherrschaft im Gebiet des Herzogtums Bremen-Verden verlor Bremen durch die Kapitulation an der Burger Schanze. Im Ersten Stader Vergleich wurde am 28. November 1654 beendet. Das Kirchspiel Lehe und die Herrschaft Bederkesa sowie die Burger Schanze verblieben bei Schweden; Vegesack und Blumenthal verblieben bei Bremen. Schweden anerkannte nicht die Reichsunmittelbarkeit von Bremen als freie Reichsstadt.

Nach dem Zweiten Bremisch-Schwedischen Krieg erkannte 1666 auch Schweden die Unabhängigkeit der Stadt Bremen im Frieden von Habenhausen an.

18. Jahrhundert

Nach dem Übergang des Herzogtums Bremen an das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg im Jahr 1715/19 stellte jedoch Kurhannover die Reichsunmittelbarkeit der Stadt Bremen wieder in Frage. Ab 1733 wurde darüber verhandelt. Im Zweiten Stader Vergleich [8] waren der von 1741 musste die Stadt Bremen allerdings bedeutende Teile ihres Landgebietes abtreten, damit der nun mächtigste Nachbar ihre Reichsunmittelbarkeit anerkannte. Bremen behielt in diesen Gebieten das Kirchenpatronat und die Gerichtsbarkeit.

Vorübergehend folgte eine friedlichere Periode. Bremer Kaufleute begannen 1783 mit einem direkten Transatlantikhandel mit den USA.

19. Jahrhundert

1800 bis 1850

Die Stadt beauftragte 1802 den Landschaftsgärtner Isaak Altmann, die frühere Stadtbefestigung (siehe Bremer Stadtmauer) in die heutigen Wallanlagen umzugestalten. Doch bereits 1811 wurde Bremen erneut zum Schauplatz militärischer Auseinandersetzungen. Napoleon ließ Bremen besetzen und integrierte es als Hauptstadt des Départements des Bouches du Weser in den französischen Staat und setzte Philipp Karl Graf von Arberg 1811 als Präfekt ein. Nach der Niederlage in den Befreiungskriegen verließen die französischen Truppen 1814 Bremen. Die Stadt Bremen entsandte 1815 ihren Bürgermeister Johann Smidt als diplomatischen Vertreter Bremens zum Wiener Kongress. Er erreichte, dass Bremen als souveräner Staat in den Deutschen Bund aufgenommen wurde.

1804 eröffnete Bremen sein eigenes Postamt, das Bremer Stadtpostamt sowie Postämter in den Exklaven Bremerhaven (1846) und in Vegesack (1847). 1855 wurden die ersten Briefmarken in Bremen eingeführt (siehe dazu die Postgeschichte und Briefmarken Bremens).

1810 wurde von Martin Heinrich Wilkens die Bremer Silberwaren Fabrik (BSF) gegründet. Am Ende des 19. Jh. wurde die Fertigung in das zu dieser Zeit noch preußische Hemelingen verlegt.

Bürgermeister Nonnen gründete mit anderen Kaufleuten, Bürgermeistern und Senatoren 1825 die Sparkasse Bremen.

Auf der Werft von Johann Lange wurde 1816/17 das erste in Deutschland von Deutschen gebaute Dampfschiff hergestellt.[9] Der Raddampfer Die Weser verkehrte als Passagier- und Postschiff zwischen Bremen, Vegesack, Elsfleth und Brake, später auch Geestemünde bis 1833. Die Wirtschaftlichkeit des Schiffes wurde allerdings durch die fortschreitende Versandung der Weser beeinträchtigt. Um sich den Zugang zum Seehandel zu erhalten, erwarb Bremen 1827 vom Königreich Hannover ein Gelände an der Wesermündung von 89,5 Hektar Größe und gründete Bremerhaven. Für die Gründung war vor allem der bremische Bürgermeister Johann Smidt verantwortlich. Der neue Hafen wurde nach Plänen des holländischen Wasserbaumeisters Jacobus Johannes van Ronzelen gebaut und 1830 fertiggestellt. Im neuen Hafen florierte neben dem Warenumschlag auch die Personenbeförderung. Zwischen 1832 und 1960 verließen über sieben Millionen Auswanderer über Bremen und Bremerhaven die „Alte Welt“, ab 1847 wurde Bremerhaven Ausgangspunkt der ersten Dampferlinie von Europa nach Amerika. Nachdem sich rund 4.000 Bewohner rund um den Hafen niedergelassen hatten, wurde Bremerhaven 1851 zur eigenständigen Stadt innerhalb des bremischen Staates erhoben. Die Reederei Norddeutscher Lloyd wurde 1857 von H. H. Meier und Eduard Crüsemann in Bremen gegründet. Sie bediente zunächst die Schifffahrtsverbindungen von Bremen nach Bremerhaven, den Seebädern und England, dehnte dann aber die Fracht- und Passagierdienste weltweit aus und stieg neben der HAPAG zur größten deutschen Reederei auf.

Eine Gruppe von zunächst 34 kunstinteressierten Kaufleuten um Senator Hieronymus Klugkist gründeten 1823 den Kunstverein. Durch verschiedene Stiftungen und andere Mäzene konnte der Verein 1849 die von Lüder Rutenberg geplante Kunsthalle Bremen am Ostertor eröffnen.

Bei der Märzrevolution von 1848 stellte sich ein Bürgerverein in Bremen an die Spitze der Revolution. Im März 1848 wurden Allgemeines Wahlrecht, ein Bürgerparlament, Pressefreiheit, Gewaltenteilung und unabhängigen Gerichte gefordert. Die früheren Kopfsteuern wurden durch ein Einkommensteuergesetz – das erste in Deutschland – abgelöst. Eine verfassungsgebende Versammlung wurde gewählt und eine von Ferdinand Donandt geprägte Verfassung 1848 beschlossen und 1849 in Kraft gesetzt, die 1852 einseitig vom Senat aufhoben wurde.

1850 bis 1899

Neue Verfassung: Zur Niederschlagung der demokratischen Bewegung von 1848 bis 1850 hatte der Senat alle Machtmittel angewandt. Immerhin gelang es dem Senat nicht, alle alten Privilegien der vergangenen 300 Jahre wieder durchzusetzen. Eine neue Verfassung wurde 1854 verabschiedet, die bis zur Revolution von 1918 gültig blieb. Das allgemeine, gleiche Wahlrecht konnte dabei nicht durchgesetzt werden. Von den 150 Mitgliedern der Bürgerschaft mussten die Hälfte alle drei Jahre ausscheiden; eine Wiederwahl war aber möglich. Wahlberechtigt waren nur alle männlichen Bürger, die den Bremer Bürgereid abgelegt hatten (die Geschworenen). Gewählt wurde nach dem 8-Klassen-Wahlrecht. Die Wahlberechtigten konnten ab 1854 bzw. ab 1894 je nach Klasse unterschiedlich viele Bürgerschaftsmitglieder wählen:

  • Klasse         Wahlberechtigte                                                                              1854     1894
  •     
  • 1. Klasse      Wähler mit akademischer Vorbildung                                                    16        14
  • 2. Klasse      Kaufleute mit Handelskammerwahlrecht                                                48        40
  • 3. Klasse      Gewerbetreibende mit Gewerbekammerwahlrecht                                  24        20
  • 4. Klasse      Übrige Wähler; bis 1894 gestaffelt nach Einkommen:
  •                    über 500 Taler, 250 Taler bis 500 und unter 250 Taler je 10 Abgeordnete 30        48
  • 5. Klasse      Wähler in Vegesack wohnhaft                                                               6          4
  • 6. Klasse      Wähler in Bremerhaven wohnhaft                                                          6          8
  • 7. Klasse      Wähler mit Landwirtschaftskammerwahlrecht                                       10          8
  • 8. Klasse      Wähler im übrigen Landgebiet wohnhaft                                               10          8

Da die 4. Klasse in ihrem Wahlrecht so drastisch eingeschränkt war, blieb die Herrschaft der Oberschicht gesichert. Die Senatoren wurden weiterhin auf Lebenszeit gewählt. In der Praxis konnten zudem viele ärmere Einwohner wegen der Registraturgebühr das Bürgerrecht nicht erwerben und hatten somit auch kein Wahlrecht. Damit waren breite Bevölkerungsschichten in Bremen bis 1918 nicht am parlamentarischen Prozess der politischen Mitgestaltung beteiligt – noch 1911 war nicht einmal ein Drittel der Reichstagswähler bei den Bürgerschaftswahlen stimmberechtigt.[10] Die Gruppierung und politische Arbeit der Abgeordneten innerhalb der Bürgerschaft über die politischen Parteien war, bis auf einen gewissen Einfluss der SPD, bis 1918 weitgehend unbekannt.[11]

Deutsches Reich: Im Zuge der nationalstaatlichen Bestrebungen in Mitteleuropa trat nach dem Deutschen Krieg von 1866 Bremen dem Norddeutschen Bund bei. Dann wurde nach dem Sieg des Norddeutschen Bundes und der verbündeten süddeutschen Staaten im Deutsch-Französischen Krieg 1871 das Deutsche Kaiserreich gegründet. Bremen erhielt den verfassungsmäßigen Namen Freie Hansestadt Bremen und hatte eine Stimme im Bundesrat. Durch den Beitritt zum Deutschen Reich wurde das Bremer Stadtrecht Partikularrecht und schließlich durch das Recht des Reiches weitgehend ersetzt (Strafrecht ab 1871, Privatrecht (BGB) 1900, Ratsverfassung 1920). 1888 schloss Bremen sich dem Deutschen Zollverein an und eröffnete den ersten Freihafen.

Zur Erschließung der neuen Häfen begradigte Ludwig Franzius zwischen 1875 und 1895 die Weser (siehe auch Weserkorrektion).

Arbeiterbewegung: 1864 nahm der Allgemeine Arbeiterverein für Bremen unter Leitung von Gustav Deckwitz seine Arbeit auf. Bis Ende der 1870er Jahre waren mehrere Gruppen der Arbeiterbewegung in Bremen entstanden: der kleine Arbeiterverein von Deckwitz, der große Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) unter Führung von Wilhelm Frick, der Verein Vorwärts und die von August Kühn geführte Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP). Der ADAV verlegte 1874 sogar seinen Hauptsitz von Berlin nach Bremen. 1875 vereinigten sich die Gruppen zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP), die heutige SPD war entstanden. 1878 traf das Verbot der SAP auch die Arbeiterbewegung in Bremen. Trotzdem wurde erstmals ein SAP-Vertreter 1881 in die Bürgerschaft gewählt, und 1884 waren es dann schon 5 Abgeordnete. Erst 1890 wurden mit Julius Bruhns und 1903 mit Hinrich Schmalfeldt (1930 Ehrenbürger von Bremerhaven) erstmals Bremer Sozialdemokraten in den Reichstag gewählt. Sogleich entstand als Sprachrohr 1890 die Bremer Bürgerzeitung. Als prominente Mitglieder wirkten damals in und für Bremen Wilhelm Hasenclever, Wilhelm Liebknecht, Hermann Rhein, Wilhelm Pieck und Friedrich Ebert.

Die Gewerkschaften konnten sich in Bremen nach der Aufhebung der Verbote von 4.554 (1894) bis 1900 auf 10.341 und bis zum Ersten Weltkrieg auf 36.085 Mitglieder steigern.[12]

Der Norddeutsche Lloyd: Hermann Henrich Meier und Eduard Crüsemann gründeten 1857 in Bremen die Reederei Norddeutscher Lloyd. Sie entwickelte sich zu einem der bedeutendsten deutschen Schifffahrtsunternehmen und förderte nachhaltig die wirtschaftliche Entwicklung von Bremen und Bremerhaven. Mit den Schiffen Kaiser Wilhelm der Große, Kronprinz Wilhelm, Kaiser Wilhelm II, Bremen und Europa konnte die Reederei zwischen 1898 und 1930 fünfmal das Blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung erringen.

Bürgerpark: Am 28. Juni 1866, ein Jahr nach dem Zweiten Deutschen Bundesschießen auf dem baumlosen Gelände, wurde nach einem Plan von Wilhelm Benque der erste Teil des Bürgerparks durch den Bürgerparkverein (auf Initiative Hermann Hollers und unter Vorsitz von Justin Löning) angelegt und in den nächsten Jahrzehnten bis auf eine Größe von 202 Hektar – einschließlich Stadtwald – erweitert. Franz Ernst Schütte hat den Bau des Parks maßgeblich unterstützt.

Baumwollbörse: Die Bremer Baumwollbörse wurde 1872 gegründet. Sie hat ihren Sitz in der alten Börse.

Werften: 1872 wurde die Werft Aktien-Gesellschaft „Weser“ – AG Weser – in Bremen-Gröpelingen gegründet. Zeitweise waren bis zu 20.000 Mitarbeiter bei der Werft beschäftigt. Viele Torpedoboote, U-Boote, Frachter, Passagierschiffe (u. a. 1929 die Bremen IV) und später Großtanker wurden durch sie gebaut. 1983 wurde die Werft geschlossen. 1893 wurde in Bremen-Nord die Werft Bremer Vulkan AG gegründet. Sie entwickelte sich zu einer Großwerft mit bis zu 4.000 Mitarbeitern, die über 1.000 Schiffe baute, u. a. viele für den Norddeutschen Lloyd. Nach der Insolvenz von 1996 stellte sie 1997 den Schiffbau ein.

Von 1872 bis 1875 wird die „Große Weserbrücke“ zu Entlastung des Verkehrs gebaut. Sie trägt bis 1919 zunächst den Namen Kaiserbrücke. Nach dem Wiederaufbau von 1950 bis 1952 heißt sie Bürgermeister-Smidt-Brücke.

Eisenbahn: Der erste Bahnhof Bremens wurde nach Plänen von Mohr und Alexander Schröder 1847 nach Eröffnung der Bahnstrecke Bremen – Hannover bereits an der Stelle des heutigen Hauptbahnhofes erbaut. In der Neustadt wurde im neugotischen Stil der Neustädter-Bahnhof gebaut. Die Cöln-Mindener Eisenbahn errichtete 1870–1873, nach Eröffnung der Strecke Wanne – Hamburg, am heutigen Standort der Stadthalle (heute „Bremen Arena“) den Venloer Bahnhof. Weiterhin entstand um diese Zeit der Weserbahnhof (nördlich des Stephaniviertels). 1890 wird der nach den Plänen des Architekten Prof. Hubert Stier erbaute Bremer Hauptbahnhof in Betrieb genommen. Um 2000 erfolgte ein grundlegender Umbau des Bahnhofs.

Straßenbahn: 1876 wurde die Actiengesellschaft Bremer Pferdebahn (ab 1890 Bremer Straßenbahn) gegründet. Dem Antrag des Ingenieurs Carl Westenfeld die „projectirte Pferdebahn vom Heerdenthore bis zur Horner Brücke“ betreiben zu dürfen wurde entsprochen. Am 4. Juni 1876 eröffnet eine Bahnlinie vom Herdentor via Vahrster Brücke und 1877 weiter nach Horn. 1883 erfolgte die Verlängerung in die Stadt. Das Konkurrenzunternehmen Große Bremer Pferdebahn begann 1879 eine Linie von Hastedt nach Walle (heute Linie 2). Die Gesellschaften bauten ihre Netze aus: Zum Freihafen (1888), zum Hohentor (1889) und zum Arsterdamm (1880/1884).

1890 wurde anlässlich der Nordwestdeutschen Gewerbe- und Industrieausstellung im Bürgerpark die Strecke von der Börse zum Ausstellungsgelände probeweise elektrifiziert. Das System hatte sich bewährt, so dass die Umstellung des Netzes von 1892 bis 1913 durchgeführt wurde. Die Bremer Straßenbahn AG übernahm 1899 die Große Bremer Pferdebahn.

Ausstellung: 1890 fand auf dem Gelände des Bremer Bürgerparks die Nordwestdeutsche Gewerbe-, Industrie-, Handels-, Marine-, Hochseefischerei und Kunst-Ausstellung statt, eine mit dem Großherzogtum Oldenburg und der preußischen Provinz Hannover gemeinsam organisierte Leistungsschau.

Das Landgericht Bremen befand und befindet sich im sogenannten Alten Gerichtshaus zwischen Buchtstraße, Violenstraße und Ostertorstraße in der Altstadt Bremens. Das Alte Gerichtshaus für das Landgericht wurde 1895 nach den Entwürfen der Oldenburger Architekten Weber und Klingenberg im Stile des Historismus an der Domsheide errichtet. Das bis dahin unbebaute Gelände des Bistums Bremen gehörte erst seit mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 zur Stadt Bremen. Das Alte Gerichtshaus konnte trotz schwerer Bombenschäden in der bremischen Innenstadt den Zweiten Weltkrieg weitgehend unbeschadet überstehen.

Bremer Haus: Zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts und den 1930er Jahren entwickelte sich das sogenannte Bremer Haus, ein englischer Haustyp, der viele Stadtteile wie Schwachhausen, Ostertor und Steintor sowie die Neustadt prägte.

20. Jahrhundert

1900 bis 1933

Durch Staatsverträge von 1904 und 1905 tauschte Bremen mit Preußen Gebiete im Norden, Osten und Westen Bremerhavens, die fortan zu Bremen gehörten, gegen Gebiete an der Wümme, die nun an Preußen gingen. Später versuchte sich Bremen unter Berufung auf die clausula rebus sic stantibus in einem Verfahren vor dem Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich von einigen belastenden Auflagen aus den Staatsverträgen zu befreien, unterlag jedoch 1925.

Am 6. November 1918 erreichte die Novemberrevolution Bremen. Adam Frasunkiewicz verkündete vom Balkon des Rathauses die geplante Bildung eines Arbeiter- und Soldatenrates. Das liberale Bürgertum widersetzte sich und organisierte sich in einem „Bürgerausschuss“, dessen Vorsitz der Reeder Friedrich Adolph Vinnen am 9. Dezember 1918 übernahm. Am 10. Januar 1919 wurde die „Bremer Räterepublik“ ausgerufen. 600 Freiwillige eines sogenannten „Freikorps Caspari“ zerschlugen im Auftrage der Reichsregierung und in Übereinkunft mit bürgerlichen Kräften in Bremen mit militärischer Gewalt am 4. Februar 1919 die Räterepublik. 1920 wurde unter maßgeblichen Einfluss von Senator Dr. Theodor Spitta eine Verfassung erarbeitet. Während die entschiedene „Linke“ einen „Sozialistischen Freistaat“ anstrebten mit Elementen der Räterepublik, setzte sich mehrheitlich (SPD und Bürgerparteien) eine 1920 beschlossene parlamentarische Verfassung durch, die bis 1933 galt. Mit der Gründung der Weimarer Republik wurde Bremen ein Bundesland der Republik.

Als Präsidenten des Senats fungierten von 1919 bis 1920 Karl Deichmann (SPD) und dann bis 1933 Dr. Martin Donandt.

Von 1904 bis 1934 wurde die frühere „Hellingstraße“ nunmehr als Böttcherstraße weitgehend mit Mitteln des Kaufmanns Ludwig Roselius (Kaffee HAG) nach Plänen von Bernhard Hoetger erbaut und nach Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg bis 1954 wieder hergestellt.

In der Weimarer Republik schritt die wirtschaftliche Entwicklung Bremens fort. Der Flughafen öffnete 1920 für Linienflüge. 1928 wurde die Columbuskaje in Bremerhaven eingeweiht. Von hier ausgehend gewann später das Passagierschiff Bremen des Norddeutschen Lloyd das Blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung.

1924 bzw. 1929 wurde die Autofabrik Borgward durch Carl F. W. Borgward gegründet. Ende 1950 arbeiteten 20.000 Menschen in den Werken von Bremen-Sebaldsbrück und Bremen-Hemelingen. 1961 musste der Betrieb schließen.

Das Haus des Reichs wurde 1928–1931 von der Norddeutschen Wollkämmerei & Kammgarnspinnerei (Nordwolle) erbaut. Architekten waren die Brüder Hermann und Eberhard Gildemeister. Kurz vor Fertigstellung des Gebäudes ging die Firma in Konkurs. 1934 übernahm das Deutsche Reich das Haus. Es war zunächst das Landesfinanzamt Weser-Ems, dann Sitz des NSDAP-„Reichsstatthalters“ und NS-Gauleiters. Nach 1945 wurde es Sitz der amerikanischen Militärregierung für Bremen. Ab 1947 nahm die bremische Finanzverwaltung das Gebäude wieder in Benutzung.

1933 bis 1945

Bei den Reichstagswahlen 1930 stimmten in Bremen ca. 12 % der Wähler für die NSDAP, 1932 bereits 21,2 % und 1933 schon 32,6 % und damit erstmals etwas mehr als für die SPD. Schon einen Tag nach den Reichstagswahlen, am 6. März 1933, mussten die Senatoren der SPD Wilhelm Kaisen, Wilhelm Klemann und Emil Sommer zurücktreten. Reichsinnenminister Wilhelm Frick ernannte Richard Markert zum kommissarischen Polizeisenator. Der Senat kündigte seinen Rücktritt an und abends wehte die Hakenkreuzfahne vom Rathaus. Das Stimmenverhältnis in der Bürgerschaft wurde dem Ergebnis der Reichstagswahlen angeglichen. Die KPD-Abgeordneten wurden dabei von der Bürgerschaft ausgeschlossen. Am 18. März 1933 traten Bürgermeister Dr. Martin Donandt und die weiteren vier Senatoren zurück und die NSDAP übernahm die Regierungsgewalt.

Im Mai 1933 ernannte Innenminister Frick den Gauleiter der NSDAP Carl Röver schließlich zum Reichsstatthalter für Bremen und Oldenburg. Damit hatte das Land Bremen seine Unabhängigkeit verloren. Nach dem Tod Rövers folgte 1942 Paul Wegener als Gauleiter. Kreisleiter der NSDAP wurde ab März 1933 Wegener, ihm folgte im Juli 1934 Berhard Blanke und 1942 Max Schümann.

Bürgermeister in dieser Zeit waren Dr. Ernst Otto Richard Markert (1933/34), Karl Hermann Otto Heider (1934–1937), Johann Heinrich Böhmcker (1937–1944) und Dr. Richard Duckwitz (1944/45, kom.). Ansonsten siehe die Liste der Senatoren von 1933 bis 1945.

1937 verlor Bremen die Stadt Bremerhaven, das mit dem preußisch-hannoverschen Wesermünde vereinigt wurde, an Preußen. Das stadtbremische Gebiet wurde dafür infolge der Vierten Verordnung über den Neuaufbau des Reichs zum 1. November 1939 um Lesum, Grohn, Schönebeck, Aumund, Blumenthal, Farge, Hemelingen und Mahndorf sowie Vegesack und die Gemeinden Büren, Grambkermoor und Lesumbrok des Landkreises Bremen vergrößert.[13]

Wie im gesamten Deutschen Reich wurde auch in Bremen jeglicher Widerstand unterdrückt. Die 1438 Juden wurden entrechtet, verfolgt, deportiert und ermordet. Politische Gefangene wurden in die Konzentrationslager des Reichs transportiert. Seit 1940 eingerichtete Sondergerichte beugten das Recht. In den Lagern Mißler, KZ Farge, Blumenthal, Neuenland, Obernheide, Osterort, Schützenhof, Uphusen und dem Borgward-Lager mussten die Häftlinge Zwangsarbeit verrichten; über tausend von ihnen verloren ihr Leben. In der Endphase des Zweiten Weltkriegs häuften sich die Verbrechen an Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen.

Im Zweiten Weltkrieg wurden viele Ortsteile Bremens stark zerstört. Insbesondere der Bremer Westen mit seiner Werftenindustrie war ein oft getroffenes Ziel der Alliierten. Der 132. und schwerste Bombenangriff auf Bremen erfolgte in der Nacht vom 18. auf den 19. August 1944. Beteiligt waren 500 Bomber, die 68 Minenbomben, 2323 Spreng-, 10.800 Phosphor- und 108.000 Stabbrandbomben abwarfen. Es gingen bei diesem Angriff 25.000 Wohnungen verloren, insgesamt wurden vollständig zerstört: 8.248 Wohngebäude, 34 öffentliche Gebäude, 37 Industriegebäude, 80 Wirtschaftsgebäude. Es wurden 1.054 Tote, 72 Schwer- und 677 Leichtverletzte, sowie 49.100 Obdachlose infolge dieses Luftangriffs gezählt. Insgesamt wurden auf Bremen 173 Luftangriffe geflogen, bei denen 62 % der städtebaulichen Substanz zerstört wurden. Am 26. April wird Bremen von den Briten erobert, die dann weiter nach Nordosten ziehen.

1945 bis 1999

Ära Wilhelm Kaisen

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Bremen und Bremerhaven zunächst britische Besatzungszone und ab 1947 wegen ihrer Häfen eine amerikanische Besatzungszone als US-Exklave im britisch besetzten Umland. Das Kfz-Kennzeichen war demzufolge von 1948 bis 1956: „AE“ = „Amerikanische Exklave“. Die amerikanischen Streitkräfte beanspruchten Bremen für sich, um Zugang zu dessen Seehäfen (port of embarkation) zu erlangen. Dies erleichterte es Bremen, seine Selbständigkeit gegenüber dem niedersächsischen Umland zu erhalten. Durch eine Übereinkunft der britischen und amerikanischen Besatzungsbehörden vom 22. Januar 1947 und durch die Proklamation Nr. 3 der amerikanischen Militärregierung vom 21. Januar 1947 wurden das Stadt- und Landgebiet Bremens sowie der Stadtkreis Wesermünde, einschließlich Bremerhavens, rückwirkend zum 1. Januar 1947 zu einem als Land zu bezeichnenden Verwaltungsgebiet erklärt.

Von 1945 bis 1965 war Wilhelm Kaisen (SPD) als Regierender Bürgermeister und ab 1948 als Präsident des Senats und Bürgermeister die prägende Führungspersönlichkeit des Landes (siehe Senat Kaisen I, II, III, IV, V, VI, VII).

Am 21. Oktober 1947 trat die von Bürgermeister Theodor Spitta (BVP/FDP) entworfene und von der Bremer Bürgerschaft am 15. September 1947 beschlossene und durch Volksabstimmung am 12. Oktober 1947 angenommene Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen in Kraft. 1949 wurde Bremen ein Land der Bundesrepublik Deutschland.

Die Zeit danach war von einer wirtschaftlichen Umstrukturierung und vom Drang, als Stadtstaat selbstständig zu bleiben, gekennzeichnet. So versuchte man nach dem Niedergang der Werftenindustrie (AG-Weser, Bremer Vulkan), dem Konkurs von Borgward und dem Bedeutungsrückgang der stadtbremischen Häfen, weitere wirtschaftliche Standbeine zu finden (u. a. Mercedes Benz) und das Profil als Wissenschaftsstandort mit Schwerpunkt in der Luft- und Raumfahrttechnik zu schärfen.

Die Einwohnerzahl wuchs rapide. Während 1945 Bremen nur noch rund 370.000 Einwohner aufwies, waren es 1966 um 600.000 Bürger. Durch die Kriegszerstörungen, Zuwanderungen, Geburtenüberschüsse und durch einen erhöhten Wohnflächenbedarf pro Einwohner musste ein großer Wohnraumbedarf in kurzer Zeit befriedigt werden. So wurden von Mitte der 1950er bis Mitte der 1970er Jahre durch den Wiederaufbau wie in Walle und Gröpelingen und den Bau vieler neuer Großwohnsiedlungen – wie u. a. in der Vahr, in Osterholz-Blockdiek, Huchting, Grohn (Grohner Düne), Kattenturm und Osterholz-Tenever sowie durch die Siedlungsergänzungen wie beispielsweise in Blumenthal, Habenhausen oder Neustadt-Huckelriede – in kurzer Zeit (1945–1975) bis zu 170.000 Wohnungen geschaffen, viele davon im sozialen Wohnungsbau.

Bis 1954 konnte die im Krieg zerstörte Böttcherstraße durch den Bremer Kaffeekaufmann Ludwig Roselius junior (Kaffee HAG) größtenteils in ihren ursprünglichen Zustand wiederhergestellt werden. Die Sparkasse Bremen kaufte 1989 alle Gebäude, bis auf das Haus Atlantis, das bereits an einen Hotel-Konzern veräußert war.

In den 1960er Jahren wurde auf der linken Weserseite der Neustädter Hafen mit Becken II, Lankenauer Hafen und Wendebecken realisiert und mit dem Bau des Güterverkehrszentrums begonnen. Beim Bau des Hafenbeckens konnte eine Kogge von 1380 im Weserschlick gefunden und sichergestellt werden, die sich im Deutschen Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven befindet.

Die Sturmflut 1962 in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar an der deutschen Nordseeküste war eine Katastrophe, die auch Bremen traf und im Bereich links der Weser zu Überschwemmungen führte.

Das rasante Wachstum führte aber auch zu spekulativen Grundstückshandel und zum Baulandskandal von 1969. Im Hollerland in Horn-Lehe kauften auf Grund von Informationen des SPD-Fraktionsvorsitzenden Richard Boljahn nicht nur die bremische Grundstücksgesellschaft Weser sondern auch die Wohnungsgesellschaft Neue Heimat (Boljahn war im Aufsichtsrat) und der Makler Willi Lohmann spekulativ riesige Flächen, die später einer Bebauung zugeführt werden sollten. Bausenator Wilhelm Blase (SPD) und Boljahn verloren ihre Ämter. Erst 25 Jahre später wurde ein kleinerer Teilbereich des Hollerlandes dann tatsächlich bebaut.

Wiederaufbau der Weserbrücken

1945 wurden im Krieg die Weserbrücken gesprengt. Die östliche Lüderitzbrücke von 1895 (benannt nach Adolf Lüderitz) wurde bis 1948 durch die 147 m lange Memorial-Brigde und die westliche Kaiserbrücke von 1918 durch die 120 m lange Trumann-Brigde (1946–1947, benannt nach US-Präsident Harry S. Truman) als Notbrücken ersetzt.

Für die Kaiserbrücke entstand von 1950 bis zum 28. Juni 1952 (andere Quellen 30. Juni 1952) die 220 m lange Bürgermeister-Smidt-Brücke (benannt nach Bürgermeister Johann Smidt) aus Stahl.

Das gesprengte Mittelteil der östlichen Lüderitzbrücke wurde bis zum Herbst 1947 wieder eingesetzt. Als neue Große Weserbrücke entstand von 1958 bis zum 22. Dezember 1960 daneben die 151 m lange und 30 m breite Brücke aus Beton. Sie erhielt 1980 den Namen Wilhelm-Kaisen-Brücke nach dem ersten Nachkriegsbürgermeister.

Die 1903 gebaute Kleine Weserbrücke über die Kleine Weser, die auch Brautbrücke (die Braut war ein Wehrturm der Bremer Stadtmauer) genannt wird, war im Krieg nur leicht beschädigt worden. Das Neustadtsportal wurde 1953 entfernt. Von 1958 bis 1960 wurde diese Brücke durch einen Neubau ersetzt.

Ergänzend zu den Weserbrücken im Zentrum entstand von 1966 bis zum 15. Juni 1970 die Werderbrücke, die von der Östlichen Vorstadt nach Obervieland führt. Sie wird im Volksmund Erdbeerbrücke genannt. 1999 erhielt sie den Namen Karl-Carstens-Brücke (Karl Carstens, Bundespräsident 1979-1984).

Mit der Autobahnbrücke der BAB 1 wurde um 1969 eine weitere sechs- bis achtspurige Brücke am östlichen Stadtrand über die Weser geführt. Ein Wesertunnel im Westen unter der Weser soll das Autobahnsystem um Bremen mit der BAB 281 um 2012/14 abschließen.

Koschnick als Präsident

18 Jahre lang prägte Hans Koschnick (SPD) von 1967 bis 1985 als Präsident des Senats die politischen Geschicke der Stadt (siehe Senat Koschnick I, II III, IV, V), wobei die SPD von 1971 bis 1985 ohne Koalition mit einer anderen Partei regierte.

Die durch Preiserhöhungen ausgelösten Straßenbahnunruhen der Schüler in Bremen vom Januar 1968 lösten für zwei Wochen in Bremen erhebliche Proteste auf der Domsheide aus. Die Polizei ging mit unangemessener Härte gegen die jugendlichen Schienenbesetzer vor. Die Bevölkerung solidarisierte sich zunehmend mit den Schülern. Bürgermeisterin Annemarie Mevissen versuchte mutig zu beruhigen. Bürgermeister Koschnick nahm die Preiserhöhungen schließlich wieder zurück. Deshalb konnten erst 1976/1977 wieder Preiserhöhungen für den öffentlichen Personennahverkehr in Bremen durchgesetzt werden.

Die Bremische Bürgerschaft – Stadt- und Landesparlament – tagte von 1946 bis 1966 im Rathaus. Sie erhielt 1966 am Markt ihr Haus der Bürgerschaft, gebaut nach den heftig umstritten Plänen des Architekten Wassili Luckhardt.

Die Stadthalle Bremen wurde in den Jahren 1961 bis 1964 aufgrund eines Wettbewerbes nach einem Entwurf des Wiener Architekten Roland Rainer errichtet. Der Entwurf beinhaltet mit einer Hängeseilkonstruktion ein seltenes Tragwerk, welches im Zuge des Umbaus entfernt wurde. Die Widerlager der Hängeseile, die auch ein wichtiges Wahrzeichen von Bremen sind, sind erhalten geblieben. 2001/02 wurde durch den Anbau der Halle 7 sowie nachfolgend weitere Hallen der Ausstellungbereich vergrößert. 2004 erfolgte der Umbau der Stadthalle, die seit 2009 Bremen-Arena heißt.

Der Lufthansa-Flug 005 stürzte am 28. Januar 1966 in Bremen-Huchting nahe der Ochtum ab. Alle 46 Insassen wurden Opfer des Absturzes.

Der im stadtbremischen Überseehafengebiet liegende Containerterminal in Bremerhaven, mit der längsten Stromkaje der Welt (knapp 5 km), wurde seit 1975 abschnittsweise ausgebaut. Der Seegüterumschlag betrug über 50 Millionen Tonnen im Jahr 2007.

Nach dem Konkurs der Automobilwerke Borgward (1961) und der Übernahme der Hanomag-Werke durch die Daimler AG (1971) baute Daimler in Sebaldsbrück von 1979 bis 1982 ein neues Mercedes-Werk in dem bis zu 18.000 Mitarbeiter beschäftigt wurden.

1985 bis 2000

Von 1985 bis 1995 war Klaus Wedemeier (SPD) Präsident des Senats. Von 1991 bis 1995 bestand der Senat Wedemeier III aus einer so genannte Ampelkoalition (SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen).

1992 entschied das Bundesverfassungsgericht wegen der extremen Haushaltsnotlage, dass das Land Bremen Anspruch habe auf Haushaltsnothilfen durch den Bund und die Bundesländer. Rund 16 Mrd. Mark wurden Bremen in den folgenden Jahren bis 2004 dafür gewährt. Das Ziel der Sanierung der extremen Haushaltsnotlage wurde nicht erreicht, da der SPD/CDU – Koalitionssenat von 1995 bis 2005 unter Führung von Dr. Henning Scherf erhebliche Anteile der Finanzhilfen nicht zur Entschuldung sondern für neue Investitionen verwandte und die für die Stadtstaaten ungerechte Steuerverteilung nicht geändert wurde.[14]

Neuere Stadtentwicklung

Der Bau eines inneren Ringes einer Stadtautobahn, der durch das Ostertor (Mozarttrasse) und die Neustadt (Kirchweg) führen sollte, scheiterte in den 1970er Jahren am Protest der Bürger und die Straße endet am Rembertiring. Das Ostertorviertel (genannt das Viertel) und das Steintorviertel wurden hingegen mit Mitteln der Städtebauförderung von 1970 bis 1990 grundlegend saniert.

In Vegesack wurde das Fährquartier und der Fußgängerbereich zwischen Vegesacker Bahnhof/Hafen und Sedanplatz im Zeitraum zwischen 1970 und 1990 saniert und städtebaulich erbeblich aufgewertet.

Die Strukturen der Innenstadt wurden ab 1985 bis 2005 deutlich verbessert. Das Fußgängersystem mit Obernstraße, Sögestraße, Langestraße, Papenstraße, Piperstraße, Knochenhauerstraße, Markt, Domshof und Liebfrauenkirchhof etc. wurde ausgeweitet und vollkommen neu gestaltet. In der Mitte der Nord-Süd-Achse entstanden eine Kette von überdachten Passagen (Von Nord nach Süd: Ansgari-, Lloyd-, Katharinen- und Domshofs-Passage) und Am Wall eine gläserne Überdachung. Auch das System der Hochgaragen in der Innenstadt wurde erheblich erweitert. 1986 wurde der Fernmeldeturm Bremen fertiggestellt.

Von 1990 bis 1995 wurde die kriegszerstörte Teerhofinsel zwischen Altstadt und Neustadt nach einem internationalen Wettbewerb wieder aufgebaut und über eine Fußgängerbrücke mit der Altstadt verbunden. Die Weserpromenade an der Schlachte wurde von 1992 bis 2001 neu gestaltet. Die Schlachte wurde zu einer beliebten Zone der Gastronomie (Fressmeile).

Auf der Bürgerweide, dem Ort des Bremer Freimarkts, wurden zwischen 1990 und 2002 die Stadthalle vergrößert, ein Congresszentrum gebaut und mehrere Messehallen erstellt. Der Hauptbahnhof erhielt im Rahmen eines Umbaus (1995, 1998–2001) einen Ostausgang und damit durch eine Passage eine Fußgängerverbindung zur Bürgerweide. Der Bahnhofsvorplatz wurde ebenfalls neu gestaltet.

Hochschulentwicklung

Die Universität Bremen wurde 1971 gegründet. Sie ist eine der jüngeren Universitäten Deutschlands und hat ca. 20.000 Studierende und über 1.500 Wissenschaftler. Die Gründungsphase verlief sehr kontrovers und führte zur Beendigung der Bremer Koalition zwischen SPD und FDP. 1973 wurde die Pädagogische Hochschule integriert. Gründungsrektor war von 1970 bis 1974 Prof. Thomas von der Vring. Das Bremer Modell brachte der Uni Bremen zunächst den Ruf einer „roten Kaderschmiede“ ein. Dieses Bild hat sich nach 1990 entschieden gewandelt.

1982 entstand die Hochschule Bremen als eine Fachhochschule, durch die Fusion der Hochschulen für Wirtschaft, für Technik, für Sozialpädagogik und Sozialökonomie und für Nautik. Sie hat rund 8000 Studierende verteilt auf drei Standorte in Bremen-Neustadt.

Von 1979 bis 1988 fand der Integrationsprozess der früheren Kunst- und der Musikhochschule statt, die zur Hochschule für Künste Bremen (HfK Bremen) vereinigt wurden. Die älteste Vorläuferinstitution stammte von 1873. Mit den Standorten im Speicher XI in der Überseestadt und in der Dechanatstraße (Bremen-Altstadt) hat sie rund 900 Studierende und 300 Mitarbeiter

1999 wurde in Bremen-Grohn die Jacobs University Bremen (bis 2007: International University Bremen) als private Hochschule durch die Stadt Bremen, die Universität Bremen und die Rice University, Houston, Texas gegründet. Sie hat um 1100 Studierende und 280 Mitarbeiter.

21. Jahrhundert

2000 beschloss der Senat die Umstrukturierung der Alten Hafenreviere. 2003 entstand der „Masterplan Überseestadt“. Das Gebiet wurde verstärkt erschlossen. Seit 2006 durchfährt die neue Straßenbahnlinie 3 Teile des Gebiets. Angesiedelt wurden der Großmarkt, im Speicher XI das Hafenmuseum sowie Bereiche der Hochschule für Künste Bremen und gewerbliche Gebäude. Im Quartier Überseepark sollen Wohn-, Geschäfts- und Bürogebäude entstehen. Im sogenannten Weser Quartier soll der Weser Tower als höchstes Bürogebäude der Stadt gebaut werden.

Die Brauerei Beck & Co wurde 2002 durch den belgischen Konzern Interbrew (heute: InBev) übernommen.

2004 wurden das Rathaus und das Wahrzeichen der Stadt, der steinerne Bremer Roland, zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.

Eingemeindungen

Wie die meisten ehemaligen Freien Reichsstädte konnte auch Bremen im Laufe der Geschichte neben dem eigentlichen Stadtgebiet umliegende Dörfer für sich gewinnen. Das „Staatsgebiet“ der Freien Reichsstadt Bremen bestand daher aus dem eigentlichen Stadtgebiet, dem sog. „Landgebiet“, also einer Vielzahl von Landgemeinden, die später als Landkreis Bremen bezeichnet wurden, und der Stadt Vegesack, die sich aus einem alten Dorf nach Anlegung des Hafens zu einem Flecken (ab 1794) und schließlich zu einer Kleinstadt (Stadtrecht seit 1850) entwickelt hatte. Von 1827 bis 1939 und dann wieder ab 1947 gehörte Bremerhaven zum Bremer Staatsgebiet also zum Land Freie Hansestadt Bremen. Der Freihafen in Bremerhaven ist gleichzeitig eine Exklave der Stadt Bremen, also ein Ortsteil der Stadtgemeinde Bremen. Die Städte Bremerhaven und Vegesack sowie die Gemeinden des Bremer Landgebiets hatten mehr oder weniger eine eigene Verwaltung beziehungsweise die Bürger dieser Gemeinden hatten andere Rechte als die Bürger der Stadt Bremen.

Das eigentliche Stadtgebiet Bremens umfasste bis Mitte des 19. Jahrhunderts nur die sogenannte Altstadt, die Neustadt (links der Weser) und die außerhalb der Wallanlagen gelegenen Vorstädte. Ab 1849 wurden in mehreren Abschnitten benachbarte Landgemeinden in das Stadtgebiet eingegliedert. Dadurch verkleinerte sich der Landkreis Bremen stetig, bis er 1945 vollständig aufgelöst und seine Gemeinden in die Stadt Bremen eingegliedert wurden. Ab 1945 waren damit zunächst Staatsgebiet und Stadtgebiet Bremens identisch. Bremerhaven hieß zu jener Zeit Wesermünde und gehörte zur preußischen Provinz Hannover. Erst seit 1947, als Bremerhaven wieder in das Bremische Staatsgebiet zurückgegliedert wurde, besteht das Land Freie Hansestadt Bremen (wieder) aus zwei Städten.

Im Einzelnen wurden folgende Gemeinden in die Stadt Bremen eingegliedert (in Klammer der Flächenzuwachs des Stadtgebiets in Hektar):

  • 1. Januar 1849: Pagentorn, Utbremen, Pauliner Marsch, Stephanikirchweide und Bürgerviehweide (1.212 Hektar)
  • 3. Februar 1872: Stadtwerder (205 Hektar)
  • 1875: Teile der Landgemeinden Neuenland (Buntentor) und Woltmershausen (342 Hektar)
  • 1885: Teil der Landgemeinde Walle (28 Hektar)
  • 21. Oktober 1892: Teile der Landgemeinden Walle und Gröpelingen (256 Hektar)
  • 1. April 1902: Landgemeinden: Bremen-Schwachhausen, Hastedt sowie Teile der Landgemeinden Walle, Gröpelingen und Woltmershausen (2.770 Hektar)
  • 1. April 1921: Landgemeinden Oslebshausen, Neuenland sowie Teile der Landgemeinden Oberneuland-Rockwinkel, Osterholz, Horn, Grambke, Arsten, Habenhausen und Rablinghausen (3.490 Hektar)
  • 1923: Teil der Landgemeinde Oberneuland/Rockwinkel (21 Hektar)
  • 1. April 1938: Hafengebiet der Stadt Bremerhaven
  • 1. November 1939: Landgemeinden Büren, Grambkermoor und Lesumbrok sowie Stadt Vegesack (zusammen 2.106 Hektar) und die zur preußischen Provinz Hannover gehörigen Landgemeinden Aumund, Blumenthal, Farge, Grohn, Lesum und Schönebeck (alle Landkreis Osterholz) sowie Hemelingen, Arbergen und Mahndorf (beide Landkreis Verden + Altkreis Achim) (zusammen 6.787 Hektar). Die Kirchengemeinde des Ortsteils Achim-Bollen gehört zur Kirche Arbergen und somit zur Bremischen Landeskirche.
  • 1. Dezember 1945: Landgemeinden Osterholz, Rockwinkel, Borgfeld, Lehesterdeich, Blockland, Strom, Seehausen, Lankenau, Huchting, Arsten und Habenhausen

Die damit erfolgte Auflösung des Landkreises Bremen mit zusammen 13.977 Hektar war eine Verwaltungsform innerhalb des Landes Bremen und nicht eine Erweiterung des Landes Bremen in das hannoversche/preußische Umland.

Einwohnerentwicklung

1350 hatte Bremen rund 20.000 Einwohner. Im Mittelalter und der frühen Neuzeit wuchs die Bevölkerung der Stadt nur langsam und ging durch die zahlreichen Kriege, Seuchen und Hungersnöte immer wieder zurück.

Mit Beginn der Industrialisierung hatte Bremen 28.000 Einwohner (1748). Danach setzte in Bremen ein starkes Bevölkerungswachstum ein. Lag die Einwohnerzahl der Stadt 1812 noch bei nur 35.000, so überschritt diese schon 1875 die Grenze von 100.000, wodurch Bremen zu einer Großstadt wurde.

1911 hatte die Stadt 250.000 Einwohner. 1939 stieg die Bevölkerungszahl durch die Eingemeindung von Vegesack und weiterer Gemeinden um 68.515 Personen. Bis 1956 wurden es mehr als eine halbe Million Einwohner. 1969 erreichte die Einwohnerzahl der Stadt mit 607.184 ihren historischen Höchststand. Seitdem ist die Bevölkerungszahl wieder gesunken. Seit wenigen Jahren hat sich dieser Trend aber wieder gekehrt. Am 31. Dezember 2005 betrug die „Amtliche Einwohnerzahl“ 546.852, am 1. November 2006 dann 548.477 Einwohner.

Literatur

  • Herbert Schwarzwälder: Geschichte der Freien Hansestadt Bremen. Band I bis V. Edition Temmen, Bremen 1995, ISBN 3-86108-283-7.
  • Konrad Elmshäuser: Geschichte Bremens. In: Beck'sche Reihe 2605, C. H. Beck Wissen. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-55533-6.
  • Erich Keyser (Hrsg.): Niedersächsisches Städtebuch. Niedersachsen und Bremen. Kohlhammer, Stuttgart 1952 (ohne ISBN).
  • Werner Kloos, Reinhold Thiel: Bremer Lexikon. Ein Schlüssel zu Bremen. 3., überarbeitete Auflage. Hauenschild, Bremen 1997 (Erstausgabe 1977), ISBN 3-931785-47-5.
  • Herbert Schwarzwälder: Das Große Bremen-Lexikon. In zwei Bänden. 2., erweiterte und aktualisierte Auflage. Edition Temmen, Bremen 2003, ISBN 3-86108-693-X (Erstausgabe 2002, Ergänzungsband A–Z 2008, ISBN 978-3-86108-986-5).

Fußnoten

  1. ↑ Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern. Band 2 – Bremen, Verden, Hoya. 1965, S. 22 ff
  2. ↑ Rudolf Stein: Romanische, gotische und Renaissance-Baukunst in Bremen. S. 17
  3. ↑ Erich Keyser: Die Entstehung von Bremen. In: Bremisches Jahrbuch Nr. 45. 1957
  4. ↑ Karolin Bubke: Die Bremer Stadtmauer, Staatsarchiv Bremen, 2007, ISBN 978-3-925729-48-5
  5. ↑ Herbert Schwarzwälder: „Bannerlauf“ und „Verrat“ in Bremen 1365–1366, in Bremisches Jahrbuch, Band 53, 1975
  6. ↑ Philippe Dollinger: Die Hanse, Stuttgart, 1998, ISBN 3-520-37105-7
  7. ↑ Hartmut Müller: Untersuchungen zur bremischen Reederei im 17. Jahrhundert, in Bremisches Jahrbuch, Band 53, 1975
  8. ↑ Diese Infragestellung und mühsam erkaufte Neubestätigung der Reichsunmittelbarkeit durch benachbarte Flächenstaaten war in der Zeit des Absolutismus nicht außergewöhnliches, vgl. Gottorper Vergleich zwischen Hamburg und Dänemark 1768.
  9. ↑ Das erste in Deutschland gebaute Dampfschiff war die Prinzessin Charlotte von Preußen, die 1816 auf der Werft von John Barnett Humphreys in Pichelsdorf bei Spandau vom Stapel lief.
  10. ↑ Peter Kuckuck: Kein roter Stern über Bremen: Ursachen, Entwicklung und Folgen einer Revolution. In: Karin Kuckuk: Im Schatten der Revolution. Lotte Kornfeld - Biografie einer Vergessenen (1896 - 1974). Mit einem Geleitwort von Hermann Weber, einem Beitrag von Peter Kuckuk und einem Briefroman Lotte Kornfelds, Donat, Bremen 2009, ISBN 978-3-938275-48-1, S. 110.
  11. ↑ Herbert Schwarzwälder: Das Große Bremen-Lexikon. Band 1: A–K. 2. aktualisierte, überarbeitete und erweiterte Auflage, Edition Temmen, Bremen 2003, ISBN 3-86108-693-X, S. 156.
  12. ↑ Christian Paulmann: Die Sozialdemokraten in Bremen, 1864-1964, Verlag Schmalfeldt, Bremen, 1964
  13. ↑ Vierte Verordnung über den Neuaufbau des Reichs vom 28. September 1939
  14. ↑ Günter Dannemann, Stefan Luft (Hrsg.): Die Zukunft der Stadtstaaten, Kellnerverlag, 2006, Bremen

 

Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Gelnhauser Privileg

Das Gelnhauser Privileg[1] oder Barbarossaprivileg ist ein Privileg, mit dem Kaiser Friedrich I. Barbarossa im Jahre 1186 die Stadt Bremen als politische Körperschaft anerkannte, ihren Schutz und die Rechte ihrer Bürger – der cives Bremensis civitatis (der „Bürger der Bremer Bürgerschaft“) – garantierte.[2]

Das Gelnhauser Privileg, das mit Zustimmung von Bischof Hartwig II. ausgestellt wurde, legte fest, dass die Regierungsgewalt in der Stadt nur mehr vom Kaiser und der Bürgerschaft ausgehen sollte, nicht mehr von der Kirche. Die Stadt unterstand somit direkt dem Kaiser und war formal eine freie Reichsstadt. Des Weiteren enthielt das Dokument Bestimmung über die Freiheit von Leibeigenen, die sich gemäß dem Rechtsgrundsatz Stadtluft macht frei ein Jahr und einen Tag in der Stadt aufgehalten hatten, sowie Klauseln über den Schutz von Erb- und Grundeigentum.

Die Bestimmungen des Privilegs beziehen sich auf Rechte, die vorgeblich bereits Karl der Große auf Veranlassung von Bischof Willehad der Stadt Bremen gewährt haben soll.[3]

Literatur

  • Herbert Schwarzwälder: Das Große Bremen-Lexikon. Edition Temmen, Bremen 2003, ISBN 3-86108-693-X.
  • Thomas Hill: Die Stadt und ihr Markt. VSWG – Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte / Beihefte Nr. 172, Franz Steiner Verlag, Bremen 2004, ISBN 3-515-080-68-6.

Einzelnachweise

  1. ↑ Der Name bezieht sich auf die Kaiserpfalz Gelnhausen in der es ausgestellt wurde.
  2. ↑ D F.I. 955
  3. ↑ Siehe Thomas Hill: Die Stadt und ihr Markt. VSWG – Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte / Beihefte Nr. 172, Franz Steiner Verlag, Bremen 2004, ISBN 3-515-080-68-6, S. 235

 

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Bremer Stadtmauer

Die Bremer Stadtmauer entstand im Mittelalter und umschloss die Altstadt von Bremen

Wie die meisten anderen deutschen Städte des Mittelalters hatte Bremen eine Stadtmauer, von der jedoch nur Reste eines Halbturms erhalten sind, eingebunden in das Haus Marterburg 45.

Im 10. Jahrhundert war nur der Dombezirk ummauert, als so genannte Domburg. Ab 1229 wurde um die gesamte Altstadt eine Ringmauer gebaut, zur Landseite hin halbkreisförmig. Im 13. Jahrhundert weitete sich Bremen in Richtung Westen aus. Die neue Stephanivorstadt erhielt ab 1307 eine nur landseitige Mauer. Im 15. Jahrhundert, der ersten Backsteinphase der Bremer Baugeschichte, wurde die Stadtmauer auf der Weserseite in den Hafenbereichen von Schlachte und Tiefer sukzessive durch die Giebelseiten gemauerter Speicherhäuser ersetzt, so dass an der Schlachte von der ursprünglichen Mauer nur noch die Schlachtpforten übrig blieben. Das Stephaniviertel erhielt andererseits erst Mitte des 16. Jahrhunderts eine Mauer auf der Weserseite. Danach konnte 1551 die Mauer zwischen alten Stadtteilen und Stephaniviertel fallen. Zusätzliche Landwehren – sowohl rechts wie auch links der Weser – sollte die Stadt im äußeren Vorfelde sichern. Durch die zehn Stadttore konnte kontrolliert die Stadt betreten werden. Zur Weserseite führten eine Vielzahl von Pforten durch die Mauer. Mauer- und Pulvertürme sollten die Stadtbefestigung sichern und Vorräte aufnehmen.

Die Befestigung wurde landseitig um 1512 bis 1514 verstärkt. Die möglichen Belagerungskriege mit stärker werdenden Kanonen machte es ab 1602 erforderlich, das Bremer Befestigungssystem mit neun Bollwerken vollkommen umzubauen. Die Neustadt am linken Weserufer wurde ab 1620 mit sieben, dann acht Bastionen und zwei Toren in das Festungswerk einbezogen. Erst 1664 waren alle Bollwerksanlagen ausgebaut.

Die Befestigungsanlagen wurden in Ermangelung eines militärischen Wertes ab 1803 beseitigt und die Bremer Wallanlagen entstanden bis 1811.

Die ersten Befestigungen

Die erste Befestigung in Bremen war die Domburg, die nur den Dom und seine nächste Umgebung schützte. Deren Ummauerung wurde schon im 11. Jahrhundert unter Bischof Adalbert I. großenteils wieder abgerissen, um Material für einen Ausbau des Doms zu gewinnen. Ein Teil des Verlaufes der Mauer ist im Pflaster mitten auf dem Domshof erkennbar.

Im 12. Jahrhundert gab es zeitweise keine leistungsfähigen Befestigungsanlagen. Vor einer Invasion Heinrichs des Löwen flüchtete die Bevölkerung 1166/67 in umliegende Sumpfgebiete. Aus dieser Zeit stammen jedoch die ersten Hinweise auf eine Stadtbefestigung. 1157 wurde ein Grundstück des Bürgers Eccahard an das Domkapitel übertragen, welches dazu dienen sollte, einen vorhandenen Befestigungswall (secus vallum) an der Westseite der Altstadt am Ende der Obernstraße weiterführen zu können. Eine westliche Holz-Erde-Mauer mit vorgelagertem Graben quer über den Bremer Dünenrücken fehlte offensichtlich noch, um Bremen vor Angriffen zu schützen. Vermutet wird, dass landseitig um die Altstadt ein Palisadenzaun aus Holzplanken mit vorgelagertem Graben bereits bestand. Die Formulierung „muren unde planken“ im Bremer Stadtrecht von 1308/09 verweist auf auch Palisadenwände, die dann möglicherweise noch teilweise bis zum Anfang des 14. Jh. bestanden haben könnten. [1] Verschiedene archäologische Holzfunde im Bereich der Stadtmauer belegen auch den Palisadenzaun.

Die Stadtmauer nach 1229

1229 wurden Stadtmauern als „muros civitatis“ (Akk.) in einer Urkunde erwähnt; allerdings nur an der Nordseite. [2] [3] Das Ende der Mauer im Westen an der Weser beim Ethelindenstein wird in der Nähe des späteren Fangturms vermutet. Zur Weser hin gab es noch keine Mauer. Auf der Ostseite der Altstadt wurde 1238 das Ostertor erwähnt. An der Schlachte an der Weser wurden aber Reste von Rundpalisaden gefunden. In Konflikten zwischen Stadt und Erzbischof ließ der Erzbischof um 1300 Teile der Mauer wieder abreißen. die Lücke wurde aber von den Bürgern alsbald wieder geschlossen. Die Befestigungsanlage verlief also um das Kirchspiel St. Ansgarii herum. Das Kirchspiel „sancti Stephani“ war danach nur zu einem geringeren Teil umschlossen.

Zur befestigten Stadt gehörte also ein Gebiet rechts der Weser, das von der heutigen Hutfilterstraße bis zum Schnoor und von den Wallanlagen zur Weser reichte. Mit seinen 10.000 bis 15.000 Einwohnern war Bremen am Anfang des 13. Jahrhunderts rechtlich und tatsächlich eine Stadt mit Selbstverwaltung, Befestigung und Markt geworden, in der die Bürger, die Geistlichen sowie die Einwohner ohne Bürgerrechte lebten.

An der Weserseite zwischen der Martinikirche und dem Fangelturm stand am Ende des 13. Jh. ebenfalls zeitweise eine Mauer. 1297 wurde ein Grundstück erwähnt, auf dem der Eigner ein Stück der Stadtmauer dort selbst bauen sollte. Auch zum Haus Werve an der Schlachte gibt es in einer Urkunde Angaben zur Lage der Mauer. [4] Archäologische Funde belegen Mauerreste südlich der Langenstraße, wonach aber die Martinikirche außerhalb dieser Befestigungsanlage zur Weser hin gelegen hat. [5]

Im 15. Jahrhundert, der ersten Backsteinphase der Bremer Baugeschichte, wurde die Stadtmauer auf der Weserseite in den Hafenbereichen von Schlachte und Tiefer nach und nach durch die Giebelseiten gemauerter Speicherhäuser ersetzt, so dass an der Schlachte von der ursprünglichen Mauer nur noch die Schlachtpforten übrig blieben.

Das Stephaniviertel wird einbezogen

Im 13. Jahrhundert weitete sich Bremen in Richtung Westen kräftig aus. Die Stadt bestand inzwischen aus vier Kirchspielen (Pfarrsprengeln): Liebfrauen, Stephani, Ansgarii und Martini. 1304 wurde der Ratsherr Arnd von Gröpelingen ermordet. Die „anständigen“ Ratsherren und Bürger vertrieben die „Geschlechter“, die ihrerseits dann Bremen belagerten. Deshalb wurde danach das Stephaniviertel in die Stadtbefestigung einbezogen. Belegt ist ein Baubeginn wo die „stadtmure begundt umme sunte Steffens“ von 1307. Im westlichsten Teil war der Mauerring nicht vollständig oder nicht ausreichend.

Deshalb blieb die vorhandene Mauer zwischen Altstadt und Stephaniviertel aus Sicherheitsgründen bestehen. Beide Stadtteile waren nur über ein Tor – die Natel – miteinander verbunden. Man unterschied im Bremer Stadtrecht zwischen unser stad muren (die alte Mauer) und der stadmuren umme sunte Stephans.

Die Mauer zwischen beiden Stadtteilen wurde erst 1551 abgerissen, nach dem der westliche Mauerteil endgültig geschlossen werden konnte und da sie schnelle Truppenbewegungen im Inneren erschwerte. Teile des Fundaments der Stadtmauer zwischen Altstadt und Stephaniviertel sind im Hotel Überfluss zwischen Langenstraße und Schlachte erhalten.[6]

Landwehren und Vorposten

Weit vor der Stadtmauer gab es Außenbefestigungen, sogenannten Landwehren, die teilweise natürliche Gegebenheiten nutzten. Die Verteidigungslinien rechts der Weser und links des Stromes waren nicht systematisch aufeinander abgestimmt.

Rechts des Stroms gab es stadtnah weserabwärts den Kumpfgraben und weseraufwärts den Dobben („Dobben“ ist ein Synonym für „Graben“). Am Dobben standen der Pagenturm und der Steinturm.

Der Pagenturm mit einer Zugbrücke über den Graben Dobben hieß früher Pagenthorn, was soviel wie Pferdeturm bedeutete. Er wurde erstmals 1410 erwähnt. Das umliegende Gebiet wurde vorher Ostendorf und Jerichow genannt, später dann nach dem Turm Pagentorner Dorf.

Der Steinturm („Steenthorn“) wurde 1309 erbaut. Er stand am Übergang der alten Heerstraße – heute Ostertorsteinweg – über den Dobben. Er gab der Straße Außerm Steintor den Namen, die 1855 in Steintorssteinstraße und ab 1870 in Vor dem Steintor umbenannt wurde. So leitet sich auch der Name des Steintorviertes von diesem Turm ab. Er wurde wahrscheinlich im 17. Jahrhundert abgerissen.

Eine äußere Verteidigungslinie rechts der Weser bildeten die Lesum, deren Übergang mit der Burg in Burg-Grambke gesichert war, die Wümme, an der eine Burg in Borgfeld stand, sowie im 14. Jahrhundert eine befestigte Landwehr in Horn und in Osterholz

Links der Weser bildete die Ochtum die wichtigste äußere Verteidigungslinie. Zur Sicherung ihrer Übergänge dienten der Warturm (heute Gasthaus „Storchennest“) im Westen und der Kattenthorn (Kattenturm) im Süden. Auch die Varreler Bäke und der Stellgraben können als Landwehr gedient haben.

Die Landwehren verschwanden im 17. Jahrhundert.

Die Konstruktion

Die ersten Befestigungsanlagen bestanden aus der Mauer, dem äußeren Stadtgraben und einem dazugehörenden unbebautem Feld. Die Mauer wurde als Zweischalen-Backsteinmauer aus Ziegeln im Klosterformat auf einem Findlingsfundament (Höhe 80–90 cm) errichtet. Sie war unten bis zu 1,0–1,3 m und oben bis zu 0,9–1 m stark. Eine übliche Höhe von 4,50 bis 6,50 m kann wie der Kranz aus Schießscharten und der Wehrgang sicherlich angenommen werden. Bei der Ausgrabung „Marterburg 53/54“ von 1950 sind alle 6 Meter etwa 1,50 m vorspringende aussteifende Strebepfeiler belegt worden. Es wurden zudem Mauer- und Mauerturmreste an verschieden Stellen bei Ausgrabungen gefunden. [7]

Die neuere, massive Mauer um Stephani gründete nur auf Sand. Sie war unten um 1,80–2,2 m und oben bis zu 1,2 m dick. Auch von der neuen Stadtmauer und seinen Türmen wurden durch Ausgrabungen Reste gefunden. [8]

Die Stadttore

Die Stadttore entstanden zusammen mit der Stadtmauer, zunächst also um 1229 und dann bei der Einbeziehung der Stephanistadt in das Befestigungssystem, also ab 1307. Die folgenden Stadttore wurden erstmals erwähnt:

  • 1229 das Herdentor als „portam gregum“ im Norden, als Weg der Viehherden (heute Herdentorsteinweg) zur Bürgerweide wurde 1664 erweitert. Der Turmabriss erfolgte 1802/04, der Restabriss 1826.
  • 1238 das Ostertor als „valvam orientalem civitatis nostre“ im Osten wurde um 1512/14 zum Osterzwinger ausgebaut. Der Torturm aus dem 14. Jh. wurde 1624 teilweise und 1828 ganz abgerissen. Um 1644 erfolgte die Erweiterung um eine zweite Toranlage. 1802/04 erfolgten Abrisse und der Bau von einem kleinen Wachhaus. Die beiden heute noch bestehenden Torgebäude wurden 1849 im Bereich der Kunsthalle gebaut. Das Ostertorviertel und der Ostertorsteinweg erinnern an das Tor
  • 1247 das Fischertor als „porta“ „piscatoriam“ bzw. „Vischerporten“ ist ein Durchgang an der 1. Schlachtpforte zur Schlachte.
  • 1274 das Bischofstor oder die Bischofsnadel als „Acus episcopi“ war ein enger Durchgang für die Geistlichkeit im Nordosten; Abriss 1802/04, 1838 erfolgte der Bau eines kleinen Wachhauses mit gusseiserner Toranlage in den Wallanlagen, welches heute ein Verkaufshaus ist. Die heutige kleine Straße Bischofsnadel führte zum Tor.
  • 1284 das Stephanitor, zunächst als Steintor als „portam lapideam“ bzw. 1299 dann als Stephanitor – „portam sancti Stephani“ – im Westen. Dieses Tor könnte sich in der Mauer um die St. Stephanikirche befunden haben, ist also kein Stadttor. Das Stephanitor als Stadttor wurde nach 1307 in das erweiterte Befestigungssystem einbezogen. Zwei Rundtürme mit Kegeldach flankierten das Tor. Ein Giebel- und Turmabriss erfolgte 1547. Nach 1602 wird die Toranlage weiter nach Außen verlegt um Teil der neuen Wallanlagen zu werden. Ein Ausbau der Toranlage erfolgte 1660, die dann 1802/04 abgebrochen wurde. Heute zeugen noch der Stephanitorsteinweg oder die Straße Stephanitor von dem Bauwerk.
  • 1299 das Ansgariitor als „portam sancti Anscharii“ im Nord-Westen; auch Schuldturm der Stadt; Torabriss um 1802/04, Turmabriss 1831. Die Ansgaritorstraße erinnert an das Tor.
  • 1324 das Abbentor als „portam Abonis“ bzw. „abendtore“ im Nordwesten an der heutigen Abbentorstraße entstand zunächst als Pforte um 1200; es wurde nach 1305 in die erweiterte Befestigungsanlage einbezogen. Die Turmbauten wurden 1547 abgerissen.
  • 1366 das Brückentor als „brughedor“ im Süden. Ein Tor musste es aber schon 1244 nach dem Bau der ersten Weserbrücke gegeben haben. 1554 wurde hier ein neues Brückentor gebaut.
  • Die „Natel“ („de Natlen“) – das älteste Stephanitor – war ein Tor im Westen nördlich vom Kornhaus und vom Fangturm am Ende der Langestraße, welches um oder bald nach 1229 entstanden sein muss (Archäologische Funde von 1955). Nach Ergänzung der Stadtmauer um die Stephanistadt war dieses Tor die einzige Verbindung zwischen Altstadt und Stephanstadt. Es wurde 1657/59 abgerissen.
  • 1367 das Doventor, das um 1307 entstand, als das Stephaniviertel in die Befestigungsanlagen einbezogen wurde. Ein Giebelabriss erfolgte 1547. Danach zierte eine Windmühle den Torturm. Das Tor wurde 1802/04 abgebrochen und es erfolgte der Bau zweier Wachhäuser für Wache und Akzise-Meister, die beide 1944 zerstört wurden. Die Doventorstraße führte zum ehemaligen Tor. Das Stadtteilquartier Dovetor sowie der Doventorsteinweg und der Doventorsdeich erinnern an das Tor.

In der Neustadt gab es bei dem Ausbau des Befestigungssystems auf der linken Weserseite um 1620 nur zwei Durchlässe durch den Wall, das Hohentor und das Buntentor

  • Das Hohentor im Westen der Neustadt entstand um 1620. Es hieß zunächst Westertor und auch Delmenhorster Tor. Den hohen Giebel schmückte das Bremer Wappen und darunter sechs Ratsherrenwappen. Die in der Grünanlage aufgestellte Justitia soll das Torhaus geschmückt haben. Um 1810 entstanden nach der Aufhebung der Festungsanlagen hier zwei Wachtore. Es entstanden neben dem Tor ein Wach- und ein Akzisehaus im klassizistischen Stil mit vier vorgezogenen dorischen Säulen. 1844 wurden nach der Aufhebung der Torsperren die Wachhäuser als Wohnhäuser genutzt. Um 1825 wurde das Tor abgerissen und die Wachhäuser 1944 zerbombt. Der Ortsteil Hohentor, die Straße Am Hohentorsplatz und der Hohentorsplatz erinnern an das Tor.
  • Das Buntentor gehörte auch zur Neustadter Befestigungsanlage aus der Zeit um 1620. Es hieß zuerst Südertor. Es war zunächst ein schmuckloses Tor. In der Mitte des 18. Jahrhunderts entstand ein Tor mit einem Dreiecksgiebel mit dem Bremer Wappen wie im Hohentor. 1819 entstanden neben dem Tor wie beim Hohentor ein Wach- und ein Akzisehaus. Das Tor wurde 1861 abgerissen und die Wachhäuser 1944 durch Bomben zerstört. Der Ortsteil Buntentor und der Buntentorsteinweg sind nur noch Hinweise auf das Tor. Die Bastionsstraße erinnert an die Bastion.

Die Pforten

Neben den Toren führten nach und nach eine Vielzahl von Pforten durch die Mauer zu den davor liegenden Gärten oder – wo es zur Weser hin keine Stadtmauer gab – durch die Häuserfront an den Weserhafen, die Schlachte und die Weser.

  • Die nachfolgenden Schlachtpforten führten zum Schlachtehafen: 1. Schlachtpforte, Josephsgang, Ulenstein, 2. Schlachtpforte, Heimlichenpforte, Ansgaritränkpforte, Kranpforte, Düsternpforte, Zingelpforte, Letzte Schlachtpforte. Die Pforten schlossen zur Weser bündig mit den angrenzenden Häusern an der Schlachte ab.
  • Die zwei Holz-Pforten (Holtporten und kleine Holtporten) führten im östlichen Bereich zum Holzumschlageplatz an der Tiefer.
  • Weitere Pforten waren u.a. die Adams-Pforte mit dem Adamsturm zwischen Stephani- und Dovetor, sowie die Hasen-Pforte und die Nagels-Pforte und weitere private Durchgänge.
  • Die kleine Pforte Brill (= Loch, Abortöffnung) befand sich an der Ecke Faulenstraße/Wenkenstraße/Hankenstraße und gab dem heutigen Platz und der Straße Am Brill und der Straße Hinterm Brill seinen Namen.

14 kleine Brücken verbanden die Wege von den Toren und Pforten zur Wasserseite.

Die Türme

Die Mauertürme

Zur Sicherung der Maueranlage wurden eine Reihe von Türmen und Türmchen gebaut. In den Überlieferungen – zum Beispiel im Ratsdenkelbuch – wurden einige der Türme auch namentlich benannt. In alten Auflistungen sind alleine 19 Türme benannt worden wie etwa der „Schepels thorn“, der „lange thorn“, „de thorn by der holtporthen“ und „de thorn darbaven“, der „blinden thorn“. Bekannter waren:

  • Der halbrunde „Adams thurm“ bei der Adamspforte in der Mauer um Stephanistadt in der Nähe des Doventors wurde auch als Pulverturm genutzt.
  • Der halbrunde „Rabenturm“ nahe beim Ostertor, der 1900 freigelegt und 1903 abgerissen wurde und der um 1870 noch erreichbar gewesen seien soll.

Die Pulvertürme

Als Pulvertürme bezeichnete man seit dem Mittelalter drei große Rundtürme, in denen die für den Kriegsfall benötigten Pulvervorräte, Waffen und Munitionen gelagert wurden. In den Erdgeschossen der Pulvertürme wurde auch Gefangene inhaftiert, wodurch die Türme oftmals auch als Zwinger bezeichnet wurden. Es gab

  • den Ostertorzwinger, der kleinste Pulverturm von 1514, der am östlichen Tor stand (explodiert 1624, wiedererrichtet),
  • den Stephanitorzwinger (Bräutigam), der größere Turm von 1525 bis 1534, der in der Nähe des Stephanitores stand und der Bräutigam genannt wurde (explodiert 1647) und
  • den Herrlichkeitzwinger (Braut), der größte Turm von 1522, der auf der Herrlichkeit, einer Halbinsel zwischen der großen und der kleinen Weser stand und der die Braut genannt wurde (explodiert 1739).

Ausbau des Befestigungssystems

Die Befestigungen wurden Anfang des 16. Jahrhunderts unter Bürgermeister Daniel von Büren dem Älteren ausgebaut und den neuesten wehrtechnischen Bedingungen angepasst. Landseitig erfolgte die Verstärkung zwischen 1512 bis 1514 durch vertiefte Gräben, durch zusätzliche Erdwälle und Zwingertürme (dem Ostertorzwinger und auf der Herrlichkeit die so genannte „Braut“) und durch verbesserte Kanonenbestückung. An der Weser wurde 1535 der Stephanizwinger (auch „Bräutigam“ genannt) – ein in den Fluss vorspringendes Bollwerk – gebaut, der mit Geschützen diesen Stadtteil mit seiner wasserseitigen Mauer bis zum Fangturm schützen sollte. Ansonsten war die Weserseite zur Altstadt weitgehend offen, also eine Schwachstelle im Befestigungssystem. Erst 1547 wurde, auf Grund der Belagerungen des kaiserlichen Heers im Schmalkaldischen Krieg, ein Ausbau der Anlage eilig durchgeführt. Zugleich mussten auch einige Tore der Entwicklung der Kriegstechnik angepasst werden. So wurden die Türme von Stephani-, Doven- und Abbentor abgerissen, um feindlichem Kanonenbeschuss kein Ziel zu bieten.

Einige Bürger protestierten gegen den Ausbau des Befestigungssystems, wahrscheinlich weil die Stadt lange von kriegerischen Ereignissen verschont geblieben war. Die akuten Gefährdungen aber veranlassten die Stadtoberen, zwischen Fangturm und Stephanibollwerk eine Mauer zur Weser hin errichten zu lassen.

Der Stadtplan von Franz Hogenberg zeigt die Stadtbefestigung um 1598: Zur Landseite ist die Altstadt außer von der mittelalterlichen Mauer von einem Wall und angedeuteten Rundbastionen und dem noch geradlinigen Graben umschlossen. Zur Weser hin gibt es nur vor der Stephanistadt und dem Schnoor eine Stadtmauer. Die Schlachte ist zwischen Fangturm und der Mauer des Martinikirchhofs abgesehen von den Schlachtpforten ohne militärische Sicherung. Am Tiefer und in einem Teil der Stephanistadt stehen Handelshäuser mit Fenstern zum Fluss direkt am Weserufer. Die fünf großen Stadttore Stephani-, Doven-, Ansgari-, Herden- und Ostertor führen mit Brücken über den Graben ins Landesinnere. Die Bischofspforte (heute Bischofsnadel) gibt es anscheinend noch nicht. Im Süden befindet sich in Verlängerung der Balgebrückstraße die Weserbrücke mit einem Tor auf der Altstadtseite und dem Wehrturm „Braut“ zwischen Weser und Kleiner Weser. Die Braut ist durch eine Wallbastion und einen Graben gesichert, der gleichzeitig den Teerhof vom Stadtwerder trennt. Auf der Südseite der Kleinen Weser gibt es noch keine Befestigung; die Neustadt ist noch nicht angelegt.

Die Befestigung mit Bastionen

Die möglichen Belagerungskriege der Zeit um 1600 mit stärker werdenden Kanonen machte es erforderlich, das Bremer Befestigungssystem vollkommen umzubauen. Die bisherigen kleineren Rondelle als Vorsprünge in der Mauer reichten nicht aus. Sie hatte zudem zu große, nicht einsehbare „tote“ Winkel. Moderne Verteidigungsanlagen und Festungen benötigten aber vorgezogene Verteidigungspunkt, die Bastionen. Als Bastion wird so ein aus dem Hauptwall hervorspringendes, nach hinten offenes Festungswerk mit in der Regel fünfeckigem Grundriss bezeichnet. Die Schusslinien der postierten Geschütze von den benachbarten Werken vermieden so einen toten Winkel. Erste Bastionen wurden Ende des 15. Jahrhunderts bereits in Italien erbaut.

Ab 1599 bemühte sich der Rat um erfahrene Festungsbauer. Wilhelm Ludwig, Graf von Nassau-Dillenburg schlägt dem Rat dafür (General) Johan van Rijswijk aus Middelburg vor, der gerade in Lipperode Festungspläne entwickelt hatte und dort noch tätig war, so dass er erst 1601 beginnen konnte. Rijswijck beschrieb die vorhandenen Mängel und sprach sich für eine Befestigungsanlage „mitt sieben Bollwerken“ auf der Neustadtseite aus, und für einen totalen Umbau der Anlagen vor der Altstadt. 1602 begann man mit den Baumaßnahmen im Westen zwischen Weser bis zum Dovetor und nach Unterbrechungen im Bereich Ostertor bis Herdentor. 1611 wurde der niederländische Rijswijck-Schüler Johan van Valckenburgh (* um 1575, † 1625) erstmals und nur zeitweise als Planer der Festungsanlagen in Bremen tätig. Erst 1623 – der Dreißigjährige Krieg hatte begonnen – wurden die Anlagen links der Weser auf der Basis der Pläne von Rijswijck und Valckenburgh in Angriff genommen und 1627 vollendet. Die Bremer Neustadt wurde weniger aus Platzbedarf angelegt, denn um Bremen und seinen Hafen ringsherum durch Befestigungsanlagen zu schützen. Merian zeigt in seinem Plan von 1638/41 bereits fünf Fünfeckbastionen im Westen und Osten der Altstadtseite, wovon die östlichen dem alten Graben vorgelagert sind. Auf der Neustadtseite (die kleine Weser ist einbezogen) befand sich nun eine moderne Stadtbefestigung aus Wällen mit acht Bastionen. Mit dem Bau der Anlagen waren die finanziellen Möglichkeiten Bremens beinahe erschöpft.

Erst 1660 bis 1664 konnten die vorhandenen Bollwerksanlagen auf der Altstadtseite modernisiert und weiter ausgebaut werden. Der Plan von Kupferstecher Caspar Schultze und Rektor Gerhard Meier aus dem Jahre 1664 zeigt den Abschluss des Umbaus der Befestigungsanlagen. neun Bastionen auf der Altstadtseite und eine kleine Torbastion vor dem Ostertor sowie acht Bastionen auf der Neustadtseite.

Diese Befestigungsanlage hatte nur eine Bewährungsprobe zu bestehen, als 1666 die Schweden die Stadt erfolglos auf der linken Weserseite belagerten. Dieser Krieg konnte durch den Habenhauser Frieden beigelegt werden.

Liste der Bastionen

(Von Osten nach Westen)

Altstadtseite:

  • Ostertorbastion
  • Junkernbastion
  • Bischofsnadelbastion
  • Herdentorbastion
  • Gießhausbastion
  • Ansgariibastion
  • Doventorbastion
  • Sanddünenbastion
  • Stephanibastion

Neustadtseite:

  • Werderbastion
  • Schulortbastion
  • Buntebrückebastion
  • Schwarzpottbastion
  • Hohentorbastion (Ost)
  • Hohentorbastion (West)
  • Stein-Corps-de-Garde-Bastion
  • Weserbastion

Überreste, weitere Entwicklung

Neue Durchgänge wurden genehmigt, die Häuserbebauung rückte auch näher an die Mauern und einige Bürger bezogen die Mauer – erlaubt oder nicht erlaubt – in ihre Bauten mit ein. Hier und dort wurde die Mauer auch baufällig und der hohe Senat hatte zu wenig Geld, um zeitgerecht Renovierungen durchführen zu lassen. Die Mauerteile wurden oft als Teile der vorhandenen Bebauungen umbaut. Im Wallbereich standen inzwischen sieben Mühlen. 1792 wurde auf der Junkernbastion am Ostertor ein Schauspielhaus gebaut.

Am 27. September 1796 beschlossen der Rat und die Bürgerschaft die Abtragung des Brautwalles mit seiner die Weser sichernden Bastion auf der Weserhalbinsel zwischen der Alt- und der Neustadt. Damit war ein erster Schritt zur Entfestigung Bremens eingeleitet. Die Stadt verfolgte damit den Überlegungen, dass er sinnvoller seien könnte, Bremen den Festungscharkter zu nehmen, damit andere Mächte sich nicht in Bremen dauerhaft festsetzen könnten.[9]

Die Abtragung der Wälle erfolgte ab 1802/03. Von 1802 bis 1804 wurden viele Teile der Mauer, die Brustwehren und die Tore abgerissen (s. o.). Stattdessen wurden klassizistische Wachhäuser errichtet, erhalten am Ostertor, an der Bischofsnadel und am Ansgaritor. Die Anlage aus Gräben und Bastionen wurden nach Plänen von Christian Ludwig Bosse und Isaak Altmann von 1803 bis 1811 zu einem englischen Park umgestaltet, bei der – wenn auch abgerundet – die Zick-Zack-Form der Bollwerke gut erkennbar sind. Teile dieser Wallanlagen fielen – vor allem im Westen – den Verkehrsbauten nach und nach – zuletzt 2006/07 – zum Opfer.

Von der Stadtmauer sind nur noch Reste eines Halbturms erhalten, eingebunden in das Haus Marterburg 45 im Schnoor. Des Weiteren sind die archäologischen Befunde und Erkenntnisse durch die Ausgrabungen bei der Bebauung vieler Häuser Am Wall bis zum Schnoor gesichert.

Literatur und Pläne

Literatur

  • Herbert Schwarzwälder: Das Große Bremen-Lexikon. Edition Temmen, Bremen 2003, ISBN 3-86108-693-X.
  • Karolin Bubke: Die Bremer Stadtmauer. Schriftliche Überlieferung und archäologische Befunde eines mittelalterlichen Befestigungsbauwerks. Staatsarchiv Bremen, Bremen 2007, ISBN 978-3-925729-48-5 (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen Bd. 68).
  • Manfred Rech: Gefundene Vergangenheit – Archäologie des Mittelalters in Bremen. Der Landesarchäologe Bremen, Bremen 2004, ISBN 3-7749-3233-6 (entstanden als Begleitband zu einer Ausstellung des Fockemuseums, dort weiterhin erhältlich).
  • Friedrich Prüser: Die Schlachte. Bremens alter Uferhafen. Verlag Robert Bargmann, Bremen 1957.

Historische Pläne mit Stadtmauer bzw. Befestigungsanlage

  • Hans Weigel († um 1578): weserseitige Bremer Stadtansicht von 1550/1564
  • Franz Hogenberg (1535–1590): Plan Brema von 1574 bzw. 1588/89
  • Jürgen Landwehr (1580-1646): Ölgemälde im Rathaus von 1602 oder 1617
  • Matthäus Merian d. Ält. (1593–1650): Vogelschauplan von Bremen von 1640/1641
  • Johann Landwehr: Stadtansicht aus der Vogelperspektive mit Neustadt und Altstadt von 1661
  • Caspar Schultze (1635–1715): Plan von Bremen von 1664 und 1690
  • Johann Daniel Heinbach (1694–1764), Stadtpläne von 1734 und 1757
  • Carl Ludwig Murtfeldt (1745–1820 und Georg Heinrich Tischbein (1753–1848): Murtfeldtsche Karte von Bremen von 1796
  • Christian Adolf Eltzner (1816–1891): Plan von Bremen aus der Vogelperspektive von Südosten, Leipzig 1851

Einzelnachweise

  1. ↑ Manfred Rech: Gefundene Vergangenheit – Archäologie des Mittelalters in Bremen, S. 86f
  2. ↑ Karolin Bubke: Die Bremer Stadtmauer, S. 24, S. 32f
  3. ↑ Manfred Rech: Gefundene Vergangenheit – Archäologie des Mittelalters in Bremen, S. 87f
  4. ↑ Manfred Rech: Gefundene Vergangenheit – Archäologie des Mittelalters in Bremen, S. 89, 90
  5. ↑ Karolin Bubke: Die Bremer Stadtmauer, S. 296
  6. ↑ Foto: http://www.xxx
  7. ↑ (Altenwall 18, 24; Am Wall 115–117, 127–134, 166/167, 187/188, 200; Ostertorwallstraße 15, 40/42; Herdentorwallstraße 2; Spitzenkiel 5-8, Langenstraße 42/44, 68, 76, Jacobistr. 20; Schlachte 34/36
  8. ↑ u.a.: Grafenstraße 11, Faulenstraße 107
  9. ↑ Herbert Schwarzwälder: Geschichte der Freien Hansestadt Bremen. Band I , S. 520. Edition Temmen, Bremen 1995, ISBN 3-86108-283-7.

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Der obige Ergänzungsartikel wurde aus der Freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen und entsprechend der geltenden GNU-Lizenz veröffentlicht. Eine möglicherweise aktuellere Version finden Sie auf den Seiten der Wikipedia. Eine Liste der Autoren finden Sie auf der entsprechenden Wikipediaseite unter dem Punkt “Versionen/Autoren”.    Weitergehende Informationen  und Hinweise finden Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

Bremer Wallanlagen

Die Bremer Wallanlagen sind hervorgegangen aus den bis zum 17. Jahrhundert erbauten Befestigungsanlagen und heute eine beliebte Parkanlage am Rande der Bremer Altstadt. Sie sind nicht nur Bremens älteste, sondern auch die erste öffentliche Parkanlage in Deutschland, die durch eine bürgerliche Volksvertretung realisiert wurde.

Geschichte

Anfänge der Stadtbefestigung

Bremen war als klassisches Runddorf vermutlich seit Anfang an, also seit 782, durch einen Holzwall geschützt. Dieser wurde spätestens um 1229 durch eine auf Findlingen gebaute Backsteinmauer ersetzt. Einige Quellen sprechen auch davon, dass die erste Stadtmauer schon um 1032 errichtet wurde. Zudem zog man einen ersten Stadtgraben außerhalb dieser Mauer, der in die Weser mündete. Um 1250 hatte die Stadt sechs Tore:

  • Ostertor
  • Bischofstor
  • Herdentor
  • Ansgariitor
  • Brückentor
  • Natel

Ein halbes Jahrhundert später, 1305, wurde der Befestigungsring erweitert und um das Stephaniviertel gezogen. Die Stadtmauer hatte zu diesem Zeitpunkt eine Dicke von 1,20 Metern und eine Höhe von fünf Metern. Sie besaß einen hölzernen Laufgang, Schießscharten, sowie 22 Türme.

Ausbau

Im 17. Jahrhundert bis 1664 wurden die Bremer Befestigungsanlagen nach den Plänen des niederländischen Festungsbaumeisters Johan van Valckenburgh ausgebaut. Er entwickelte ein Konzept, das einen zackenförmigen Wassergraben um die gesamte Stadt, einschließlich der neu gegründeten Neustadt am linken Weserufer, vorsah. Die Realisierung erfolgte in der Neustadt bereits von 1623 bis 1628. Die Altstadt folgte 1660 bis 1664.

Der Aushub aus dem zirka 3,30 Meter tiefen Graben wurde dahinter als Wall aufgeschüttet. Die Ausbuchtungen innerhalb des Wasserringes wurden mit Kanonen besetzt und fungierten als Bastionen. Die Stadtmauer, welche allerdings nur in der Altstadt existierte und dort noch hinter dem Erdwall lag, wurde verstärkt. Sie besaß um 1750 fünf Tore:

  • Stephanitor
  • Doventor
  • Ansgaritor
  • Herdentor
  • Ostertor

In der Neustadt gab es nur zwei Durchlässe durch den Wall:

  • Hohentor
  • Buntentor

Der einzige wirkliche Angriff, den die Befestigungsanlagen aushalten mussten, war die Belagerung durch die Schweden 1666 im Zweiten Bremisch-Schwedischen Krieg.

Umgestaltung

Doch schon im 18. Jahrhundert war der militärische Wert der Anlagen relativ gering geworden, da die Zeitalter der großen Belagerungen und Angriffskriege vorbei war. Die Bastionen wurden mehr und mehr zweckentfremdet. Man baute Windmühlen auf ihnen, bepflanzte sie mit Bäumen und legte Gärten und Pfade zu den Wasserstellen an. So wurde 1802 beschlossen, die Brustwehren abzubauen und die Wälle zu einem englischen Landschaftsgarten umzugestalten.

Mit der Durchführung der Arbeiten wurden die Gärtner Christian Ludwig Bosse (1802) und Isaak Altmann (ab 1803) beauftragt. Der erste Bauabschnitt wurde 1803 zwischen Weser und Herdentor begonnen, die gesamte Anlage 1811 fertig gestellt. Die Wälle wurden etwas abgeflacht, Fußwege angelegt und die sieben Windmühlen in den Park integriert. Die gezackte Form des Wallgrabens wurde abgerundet. Unter dem ersten Bremer Gartenbaudirektor Paul Freye wurden die Wallanlagen im 20. Jahrhundert noch einmal verändert, ihre charakteristische Form mit dem zickzackförmigen Stadtgraben ist aber im wesentlichen bis heute erhalten geblieben. Lediglich im westlichen Teil der Anlage ergaben sich mit der Errichtung der Eisenbahnlinie nach Oldenburg im 19. Jahrhundert und dem Bau der Stephanibrücke samt Zubringerstraße Veränderungen. Unter anderem wurde der Wallgraben in diesem Bereich zugeschüttet und die Grünanlage zugunsten von Straßen- und Bahnflächen erheblich reduziert.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das 1843 errichtet Stadttheater auf dem „Theaterberg“ (der Bischoffsnadel-Bastion) zerstört und die Reste der Ruine 1965 abgerissen. Der Bereich wurde anschließend gärtnerisch neugestaltet. Der Theaterbetrieb wurde im Theater am Goetheplatz wiederaufgenommen. In der Nachkriegszeit befand sich zwischenzeitlich mit der Kunst-Krypta eine Sehenswürdigkeit im alten Bunker am Theaterberg, die 1968 zugunsten der Gartenneugestaltung abgerissen wurde.

In den 1950er Jahren wurde das Gelände des kriegszerstörten Focke-Museums nach seiner gärtnerischen Neugestaltung als Focke-Garten in die Wallanlagen miteinbezogen, so dass sich diese auch an ihrem westlichen Abschluss wieder bis an die Weser erstrecken.

Heutige Nutzung

Die Wallanlagen umschließen noch heute fast die ganze Altstadt. Sie erstrecken sich von der Weser am Osterdeich im Osten bis zum Doventorswall im Stephani-Viertel, wo sie von der Oldenburger Straße (Bundesstraße 6) unterbrochen werden und weiter bis zum Focke-Garten.

Die Trennung zum Stadtzentrum bildet die Straße Am Wall, eine verkehrsreiche Straße mit Geschäften in zum Teil alten ansehnlichen Gebäuden mit einem herrlichen Blick auf die Parkanlage und die jenseits der Wallanlagen verlaufende Contrescarpe.

Vier große Kreuzungen unterbrechen die langgestreckte Parkanlage:

  • die zum Ostertorviertel führende Straße Am Wall mit der Kunsthalle und dem nahen Theater am Goetheplatz
  • der vom Hauptbahnhof kommende Herdentorsteinweg, mit Blick auf die Wallmühle am Herdentor
  • die in die Neustadt führende Bürgermeister-Smidt-Straße
  • die Doventorstraße am Doventor

In der Neustadt existiert heute mit der Piepe, welche früher als Holzhafen genutzt wurde, nur noch ein kleiner See als Rest des Stadtgrabens. Grünzonen markieren hier ansonsten den früheren Wasserlauf.

Im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten anlässlich ihres 200-jährigen Bestehens im Jahre 2002 wurden die seit 1976 unter Denkmalschutz stehenden Wallanlagen von 1998 bis 2002 unter der Leitung von „Stadtgrün Bremen“ nach gartendenkmalpflegerischen Gesichtspunkten restauriert. Dabei wurden Wege saniert oder neu angelegt und Neupflanzungen vorgenommen. Über die Funktion einer „grünen Lunge“ hinaus werden die Anlagen für viele Veranstaltungen genutzt, die in den vergangenen Jahren mehr als 100.000 Besucher hatten.

Sehenswürdigkeiten

  • Olbers-Denkmal am Ostertor, eingeweiht am 11. Oktober 1850, für den Arzt und Astronom Wilhelm Olbers
  • Steinhäuser-Vase am Herdentor, enthüllt am 30. August 1856, mit dem Motiv Klosterochsenzug (Verlosung eines Ochsen zugunsten des Krankenhauses im Johanniskloster)
  • Kriegerehrenmal „Altmannshöhe“ (Entwurf Ernst Gorsemann), eingeweiht am 13. Oktober 1935. Die Skulptur Mutter mit Kindern wurde vor Kriegsende durch Bombensplitter beschädigt. Gorsemann schuf eine neue Plastik, die am 27. Mai 1963 aufgestellt wurde
  • Kriegsgefangenen-Ehrenmal am Fuß der Altmannshöhe, eingeweiht am 14. Oktober 1934
  • „Figur 1963“ am Herdentor, 1962, soll die Großstadtballung Bremens symbolisieren
  • Skulptur „Das Böse“ am Herdentor (vor dem Marriott-Hotel), 1988, 5 m hohe Granitplatte
  • Die Herdentorsmühle wurde nach dem letzten Brand 1892 im alten Stil wieder aufgebaut und war noch bis 1942 in Betrieb. Der Mühlenkopf wurde 1998 restauriert und in der Mühle ein Café eingerichtet

Literatur

  • Stadtgrün Bremen (Hrsg.): Zwischen Lust und Wandeln – 200 Jahre Bremer Wallanlagen. Edition Temmen, Bremen 2002, ISBN 3-86108-670-0
  • Herbert Schwarzwälder: Das Große Bremen-Lexikon. Edition Temmen, 2003, ISBN 3-86108-693-X

 

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Bremer Pulvertürme

Als Bremer Pulvertürme bezeichnete man seit dem späten Mittelalter drei große Rundtürme in Bremen, in denen die für den Kriegsfall benötigten Pulvervorräte, Waffen und Munitionen gelagert wurden. Daneben wurden in den Erdgeschossen der Pulvertürme aber auch Gefangene festgehalten sowie Straftäter inhaftiert und gefoltert, wodurch die Türme oftmals auch als Zwinger bezeichnet wurden.

Ostertorzwinger

Der in den Jahren 1512 bis 1514 nach den Plänen des Architekten Jacob Bockes van Vollenhoff erbaute Ostertorzwinger stand am östlichen Tor der Stadt an der befestigten Mauer und war der kleinste der drei Türme. Das Gebäude verfügte vermutlich über eine kupferne Kuppel und Schießscharten für Kanonen.

Am 9. Juni 1624 entzündeten sich die eingelagerten Sprengstoffe durch einen Blitzschlag, woraufhin 80 Tonnen Pulver und 30 Tonnen Salpeter explodierten und der Turm bis auf die Grundmauern zerstört wurde. Bei der Explosion starben 12 Menschen, die meisten von ihnen waren Gefangene aus dem Zwinger. Außerdem wurden etwa ein dutzend Häuser beschädigt.

Zwei Jahre später wurde der Ostertorzwinger in Ständerwerktechnik wiederhergestellt und mit einer Kuppel aus Schiefer versehen. Ab 1720 diente der Turm nicht mehr als Pulverlager, das Gefängnis blieb aber erhalten. Im Jahre 1826 brach man das Gebäude endgültig ab. Die Inhaftierten wurden in andere Gefängnisse verlegt.

Herrlichkeitzwinger (Braut)

Der größte Pulverturm der Stadt entstand im Jahre 1522 auf der Herrlichkeit, einer Halbinsel zwischen der großen und der kleinen Weser. Auch dieser Turm wurde nach Plänen Jacob Bockes van Vollenhoffs gebaut und im Erdgeschoss als Zwinger genutzt. Er besaß eine zinnenbekränzte Plattform, auf der Geschütze aufgestellt werden konnten. Zudem war er von einer Bastion (Propugnaculum Pontis) umgeben. Im Jahre 1614 erhielt er über der Plattform eine gewölbte Haube.

Der Herrlichkeitzwinger hatte riesige Ausmaße: Mit einer Höhe von 55 Metern war er hinter dem Dom und der Ansgarii-Kirche das dritthöchste Gebäude der Stadt. Außerdem hatte er einen Durchmesser von 30 Metern und eine Mauerstärke von vier Metern. In der „Braut“ wurden neben Pulver und Munition auch Sturm- und Pechkränze, Licht- und Brandkugeln sowie Handgranaten gelagert. Die Bremer nannten den Pulverturm liebevoll „Braut“, da die Stadt dem Turm wie einer Braut zu Füßen lag.

Doch auch die „Braut“ ereilte das gleiche Schicksal wie den Ostertorzwinger. Am 22. September 1739 gegen 1:20 Uhr schlug während eines Gewitters ein Blitz in die Haube ein. Das Dach wurde von einer Feuersäule emporgerissen und durch die nachfolgende ungeheure Detonation zerbarsten die meterdicken Wände. Brennende Trümmer wurden aus dem Feuerball geschleudert und setzten die Gebäude auf der Herrlichkeit sowie mehrere Straßenzüge auf der Altstadtseite der Weser in Brand. Die anschließende Feuersbrunst vernichtete etwa ein Sechstel der Stadt, bevor ein anhaltender Regenschauer die Brände löschte. Noch Tage nach dem Unglück lag eine dichte Wolke aus Rauch und Schwefeldämpfen über der Stadt. Insgesamt fielen der Explosion 32 Menschen zum Opfer, zum Beispiel der Akzisemeister mit seiner Frau und seinen fünf Kindern. Das Schicksal des Herrlichkeitzwingers wurde in vielen Gedichten verarbeitet.

Die „Braut“ wurde nie wieder aufgebaut. Heutzutage erinnern noch die Brautstraße und die kleine Brautbrücke an die Stelle, wo der Zwinger einst stand.

Stephanitorzwinger (Bräutigam)

Der Stephanitorzwinger stand im Westen Bremens in der Nähe des Stephanitores. Er wurde von 1525 bis 1534 errichtet und hatte somit die längste Bauphase aller Bremer Pulvertürme. Der Turm stand zur Hälfte in der Weser und hatte im Gegensatz zu den anderen beiden Zwingern ein spitzes kegelförmiges Dach. In Anlehnung an die „Braut“ wurde dieser Pulverturm „Bräutigam“ genannt.

Am 4. August 1647 gegen 16:00 Uhr wurde dieser Zwinger durch Blitzschlag zerstört, als sechs Tonnen Pulver explodierten. Dabei wurden viele Häuser in den umliegenden Straßen zum Teil schwer beschädigt. Angaben über Opfer wurden nie gemacht.

Verweise

Literatur

  • Herbert Schwarzwälder: Das Große Bremen-Lexikon Band 1 (A–K). 2. Auflage; Edition Temmen, 2003
  • Herbert Schwarzwälder: Das Große Bremen-Lexikon Band 2 (L–Z). 2. Auflage; Edition Temmen, 2003
  • Regina Bruss (Hrsg.): Bremen / Bremerhaven Geschichte + Geschichten, 1. Auflage; Verlag Eilers + Schünemann Bremen, 1980

 

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Bremer Wappen

Die Freie Hansestadt Bremen führt heute den Bremer Schlüssel als kleines, ein mittleres und ein großes Wappen.

Beschreibung

Das Wappen der Freien Hansestadt Bremen zeigt auf rotem Grund einen schräg nach rechts aufgerichteten, mit dem Bart nach links gewandten silbernen Schlüssel gotischer Form mit Vierpassreite („Bremer Schlüssel“). Auf dem Schild ruht eine goldene Krone, welche über dem mit Edelsteinen geschmückten Reif fünf Zinken in Blattform zeigt. („Mittleres Wappen“). Beim Kleinen Wappen wird lediglich der Schlüssel ohne Krone abgebildet. Das große Wappen hingegen hat darüber hinaus noch eine Konsole beziehungsweise ein bandartiges Fußgestell, auf dem der Schild ruht. Der Schild wird von zwei aufgerichteten rückwärts schauenden Löwen mit den Vorderpranken gehalten.

Geschichte

Die früheste Überlieferung von Siegeln stammt aus dem 13. Jahrhundert, erstmals urkundlich erwähnt wurde es 1229, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit existierte bereits einige Zeit früher ein Siegel. Diese waren im Laufe der Entwicklung der Stadt entstanden, als der Rat der jungen Stadt (der ist erstmals 1225 in einer Urkunde belegt) eigenständig Verträge schließen wollte, so mit den Rüstringer Friesen 1220.

Zu sehen ist darauf links ein Bischof mit Bischofsmütze und in der Rechten ein Krummstab (seit 780 war die Stadt Sitz des Bischofs), sowie rechts ein Kaiser mit Krone und Reichsapfel in der Linken, die über sich den Bremer Dom halten. Zwischen den beiden ist die zinnenbewehrte Stadtmauer zu sehen mit dem Tordurchlass in der Mitte. Es wird vermutet, dass es sich bei den beiden um Willehad und Karl den Großen handelt, da die mittelalterliche Überlieferung ihnen den Ursprung der Stadt und des Doms zuschreibt. Die Umschrift des Siegels lautet SIGILLVM BREMENSIS CIVITATIS (Siegel der Stadt Bremen). In der Folge von Konflikten zwischen Rat und Zünften innerhalb der Stadt, aber auch mit Albert II. von Braunschweig-Lüneburg, dem damaligen Erzbischof von Bremen, der am 28. Juni 1366 von der Bürgerschaft und Graf Konrad von Oldenburg hinausgeworfen wurde, wurde der Stempel dieses ersten Siegels (wahrscheinlich) 1366 zerstört. Der Rat hielt über den 9. August 1366 fest: „Unde dat inghezegel lete wy ok enttwey slan, do it erst in unse wolt wedder quam“ (das Siegel ließen wir auch entzweischlagen, als es wieder in unsere Gewalt kam).

Unmittelbar nach der Zerstörung des alten wurde 1366 ein neues Siegel eingeführt. Darauf saß nun links der Kaiser mit Krone, Zepter und Reichsapfel und rechts der Heilige Petrus mit der Tiara, dem Papsthut, in der rechten Hand ein Schwert und in der linken einen Schlüssel. Diese Darstellung ist auf zwei Gründe zurückführbar. Einerseits existierte ein 3. in dieser Zeit gebräuchliches Siegel des Bremer Domkapitals mit der Maria mit Kind und Petrus, die gemeinsam auf einer Bank sitzen. Andererseits kommt das Freiheitsstreben der Bremer in dieser Zeit durch die Abwendung vom Bischof deutlich zum Ausdruck: Der Kaiser nimmt links den wichtigeren Platz ein und der Bischof, der für die alten, erzbischöflichen Stadtherren stand, ist ersetzt durch den Schutzheiligen Petrus als Jünger Jesu, Vorgänger der späteren Päbste. Dieses Siegel wurde über 460 Jahre lang verwendet, in der Neuzeit vornehmlich zur Besiegelung von Immobiliengeschäften, bis es durch den Erlass einer neuen Erbe- und Handfestenordnung vom 19. Dezember 1833 seine Aufgabe ganz verlor und vom Obergericht an das Staatsarchiv abgegeben wurde. Es befindet sich heute im Archiv.[2]

Während die großen Siegel immer Bischof und Herrscher zeigten, war auf den kleinen Petrus mit dem Schlüssel zu sehen. Bereits auf dem seit 1366 benutzten kleinen Sekretsiegel ist Petrus thronend über einem Wappenschild mit einem gotischen Schlüssel zu sehen. Seit 1369 erscheint der Schlüssel auch auf Bremer Münzen und auf Darstellungen der Stadt.[3] Etwa 200 Jahre später erschien er auch auf der Hanseflagge Bremens, einem Banner, das vom Heck der Schiffe wehte.

Dieser Bremer Schlüssel spielt für das kleinste deutsche Bundesland Bremen eine besondere Rolle. Er stammt als Attribut von Petrus, dem Schutzpatron des Bremer Doms. Es handelt sich also um einen Himmelsschlüssel, hergeleitet aus dem Bibelzitat „Ich will Dir des Himmelreiches Schlüssel geben“[4]. Das Wort Schlüssel steht dabei im Plural. In vielen Wappen, die sich auf die Schlüssel des Petrus beziehen, wird ein goldener und ein silberner Schlüssel verwendet, so auch im Wappen der Vatikanstadt. Der traditionellen Interpretation nach ist einer zum „Binden“ und einer zum „Lösen“.

Schon immer waren die Farben des Wappens die Farben der Hanse: rot und weiß. Schildträger finden sich meist erst ab dem 16. Jahrhundert, aber Engel als Schildträger wurden schon 1405 in der Petruswange des Ratsgestühls dargestellt[5]. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurden die bis dahin verwendeten Engel nach und nach durch Löwen ersetzt[6]. 1617 wurde außerdem ein Helm hinzugefügt, der nie offizieller Bestandteil des Wappens war, aber noch heute auf dem Flaggenwappen vorhanden ist. Die Krone auf dem Wappen stammt aus dem späten 16. Jahrhundert[7].

Grundlegend verändert wurde das Wappen 1811 durch Napoleon. Dieses ist das einzige Bremer Wappen, in welchem sich die Farben von den historischen unterschieden. Es zeigte in einem roten Schildhaupt drei goldene Bienen, darunter in Gold ein schwarzer Schlüssel. Napoleon I. hatte 1804 die Biene zu seinem Wappentier gemacht, um damit seine fränkische Tradition darzustellen. Darstellungen von Bienen waren 1653 in Tournal am Grab Childerich I. gefunden worden, der 457 die Merowingerdynastie begründete. Sie gelten darum als ältestes Symbol Frankreichs und stehen für Unsterblichkeit und Wiedergeburt. Bremen musste sich mit 50 anderen Städten in diese "Auszeichnung", die viel Geld kostete, fügen.[8][9] Außerdem sind rot und gold die Farben des Wappens der Familie Buonaparte.[10]

Mit der Wappenverordnung von 1891 wird das Bremer Wappen beschrieben als „durch einen schräg nach rechts aufgerichteten, mit dem Barte linkshin gewandten silbernen Schlüssel gotischer Form in einem roten Schilde“.[11]

Bremen führt heute also sowohl ein kleines, mittleres, als auch großes Wappen. Letzteres findet sich beispielsweise auf den Ärmeln der Bremer Polizeibeamten.[12] Außerdem existiert ein Flaggenwappen. In dieser Form war es das Große Wappen Bremens im Deutschen Reich. Heute ist es nur noch auf Flaggen sowie im Siegel des Präsidenten des Senats zu sehen. Offizielles Wappen ist es nicht.

Gebrauchsschutz

Wappen sind allgemein für den freien Gebrauch geschützt, d.h. ihre Verwendung bedarf einer besonderen Genehmigung. Dieser Schutz hatte einmal dazu geführt, dass die in Hamburg erscheinende Wochenzeitung Die Zeit den Bremer Schlüssel auf ihrem Signet auf der Titelseite verwendete, da Berichten zufolge die Freie und Hansestadt Hamburg bei der Gründung der Zeitung sich geweigert hatte, die Erlaubnis zur Verwendung des Hamburger Wappens zu geben. Bremen erlaubte es. Die Zeit verwendet den Bremer Schlüssel noch heute.

Heute gestalten viele Städte und Länder sogenannte Wappenzeichen, welche nicht diesem besonderen Schutz unterstehen, sondern frei verwendet werden dürfen. So existiert auch eines für die Freie Hansestadt Bremen. Diese Wappenzeichen haben allerdings nicht den Status eines Wappens.

Schlüssel und Wappen als Symbol der Identität

  • Kaiserbrauerei Beck & Co: Ab 1876 verwendete die damalige Kaiserbrauerei Beck & Co (Beck’s) den Bremer Schlüssel aus dem Wappen als Markenzeichen. Später wandelte das Unternehmen das Logo ab und verwendet heute ein Markenzeichen, welches nicht der Blasonierung des Bremer Wappens entspricht. Der Schlüssel hat darauf keine gotische Form mehr und ist aus Sicht des Betrachters nach rechts gekippt (heraldisch ausgedrückt also schräg nach links aufgerichtet mit dem Bart nach rechts).
  • Norddeutscher Lloyd: Nach links gekippt wie auf dem Originalwappen findet sich der Schlüssel in den Logos des Norddeutschen Lloyd[13] und der Wochenzeitschrift Die Zeit.
  • Beilken: Die Segelmacherei Beilken benutzt seit der Gründung 1919 den „Bremer Schlüssel“ als Firmensymbol.[14]
  • Zeitung: Der Bremer Schlüssel war darüber hinaus der Name einer Zeitung, welche Friedrich Ludwig Mallet (1792–1865) gegründet hatte.
  • Hymne: Ende des 19. Jahrhunderts gab es ein Lied Der Bremer Schlüssel, in dem man wohl auch eine Bremer Hymne sehen wollte. Offiziell ist das Lied nie zum Hymne geworden, im 20. Jahrhundert geriet es in Vergessenheit[15].
  • Abgrenzung zu Hamburg: Das Stadtwappen von Hamburg wird oft als Tor zur Welt bezeichnet, in Bremen erwidert man darauf nur: "Und Bremen hat den Schlüssel dazu".

Literatur

  • Verfassung der Freien Hansestadt Bremen: Artikel 68: „Die Freie Hansestadt Bremen führt ihre bisherigen Wappen und Flaggen.“
  • Dienstsiegelerlass (DienstSErl) von Bremen mit Geltung ab 1. Januar 2001; Auszug:
    • § 2: Das große bremische Siegel ist ein Prägesiegel und zeigt das große bremische Wappen mit den für das Flaggenwappen vorgesehenen Abweichungen (§ 6 der Bekanntmachung, betreffend Vorschriften über das bremische Staatswappen). Das große bremische Siegel wird vom Senat als der Landesregierung und von dem Präsidenten des Senats geführt. Des großen Siegels kann sich auch der Präsident der Bürgerschaft bedienen.
    • § 3: Im übrigen führen alle Behörden das kleine bremische Siegel. Dieses wird als Prägesiegel, Siegelmarke oder Farbdruckstempel (aus Metall oder Gummi) benutzt. Das kleine Siegel soll einen Durchmesser von 3 ½ cm haben.
  • Hermann Tardel: Der Bremer Schlüssel. Zur Geschichte des Wahrzeichens. Bremer Schlüssel Verlag Hans Kasten, Bremen 1946.
  • Fritz Lohmann: Das Bremer Wappen. Vom Himmelsschlüssel zum Stadtsignet. Edition Temmen, Bremen 2010. ISBN 978-3-8378-1008-0

Fußnoten

  1. ↑ nach Wilhelm von Bippen, Die Entwickelung des bremischen Wappens, in: Jahrbuch der bremischen Sammlungen, Band 4, S. 11, Bremen 1911.
  2. ↑ Staatsarchiv Bremen: Bremer Stadtsiegel. Abgerufen am 7. Mai 2008.
  3. ↑ Siehe: Historische Landkarten von Bremen
  4. ↑ Siehe: Matthäus 16, Vers 19
  5. ↑ Lohmann, Fritz a.a.O., Seite 36
  6. ↑ Lohmann, Fritz a.a.O. Seite 38 zeigt das Wappen mit Engeln als Schildhalter in der oberen Rathaushalle, 1570
  7. ↑ Lohmann, Fritz a.a.O., Seite 53, zeigt die Krone auf dem Bremer Thaler von 1650
  8. ↑ Wappen von Frommhausen: www.xxx
  9. ↑ Das Wappen Napoleons: www.xxx
  10. ↑ Siehe: Wappen der Familie Buonaparte
  11. ↑ Die Beschreibung eines Wappens wird allgemein – und so auch hier – gemäß den Regeln der Blasonierung vorgenommen, also aus der Sicht des Wappenträgers und nicht aus der Sicht des Betrachters.
  12. ↑ Siehe: Bremer Polizei-Ärmelwappen
  13. ↑ Zu den Flaggen des Norddeutschen Lloyds: www.xxx
  14. ↑ http://www.xxx
  15. ↑ Lohmann,Fritz a.a.O., Seiten 116-123
  16. xxx – Entsprechend unserer Statuten werden uns unbekannte Webadressen nicht veröffentlicht. Für eine weiterführende Recherche gehen Sie bitte auf die entsprechende Wikipediaseite. Mehr Informationen lesen Sie auf unserer Impressumseite. Anmerkung der u~m~d~h~T: Wir machen darauf aufmerksam, daß politische Passagen im Zuge unserer Statuten stark gekürzt, bzw. nicht übernommen wurden.

 

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Flagge Bremens

Die Bremische Flagge ist die offizielle Flagge und Hoheitszeichen der Stadt Bremen und des Bundeslandes Freie Hansestadt Bremen. Sie ist mindestens achtmal rot und weiß gestreift und am Flaggenstock gewürfelt und wird in Bremen umgangssprachlich – allerdings auch von offiziellen Stellen – als „Speckflagge“ bezeichnet. [1] Die Staatsflagge enthält in der Mitte das Flaggenwappen mit Schlüssel und drei Löwen. Die Behörden greifen als Dienstflagge meist auf eine Flagge mit Schlüsselwappen zurück.

Die Flagge Bremens trägt die Farben der Hanse, Rot und Weiß. Siehe auch dazu den Hauptartikel Hanseflagge.

Als der SV Werder Bremen Anfang der 1970er keinen Trikotsponsor fand, half die Stadt Bremen aus und sprang dafür ein, so dass die Spieler von 1971 an fast drei Jahre in den Trikotfarben der Speckflagge spielten. [2]

Aussehen

  • Auszug aus der Landesverfassung:
    • „Die Freie Hansestadt Bremen führt ihre bisherigen Wappen und Flaggen.“ [3]
  • Auszug aus der Bekanntmachung, betreffend Vorschriften über das bremische Staatswappen vom 17. November 1891 (Bremische Staatswappenbekanntmachung, StaatsWBek)[4]:
    • § 1 – „Das große bremische Wappen wird gebildet durch einen schräg nach rechts aufgerichteten, mit dem Barte linkshin gewandten silbernen Schlüssel gotischer Form in einem roten Schilde. Auf dem Schilde ruht eine goldene Krone, welche über dem mit Edelsteinen geschmückten Reife fünf (sichtbare) Zinken in Blattform zeigt. Der Schild ruht auf einer Konsole oder auf einem bandartigen Fußgestell und wird von zwei aufgerichteten rückwärts schauenden Löwen mit den Vorderpranken gehalten. Das mittlere Wappen wird gebildet durch den gleichen Schlüssel im roten, mit der goldenen Krone gekrönten Schilde. Das kleine Wappen wird lediglich durch den gleichen Schlüssel ohne Schild gebildet.“ […]
    • § 6 – „Die Staatsflagge ist von Rot und Weiß mindestens achtmal gestreift und längs des Flaggenstocks mit der den Streifen entsprechenden Zahl abwechselnd roter und weißer Würfel in zwei Reihen gesäumt. Die Zahl der roten und die der weißen Streifen soll stets eine gerade sein. In der Mitte hat die Flagge ein viereckiges weißes Feld, in welchem, falls sie mindestens zwölfmal gestreift ist, das in § 1 geschilderte große Wappen dargestellt ist, jedoch mit der Abänderung, daß an Stelle der Krone ein gekrönter Helm mit rot und weißer Helmdecke tritt; die Helmzier bildet ein nach rechts gewandter wachsender Löwe, der mit den Pranken den Wappenschlüssel, den Bart nach links gekehrt, senkrecht hält. Wenn die Flagge nur achtmal gestreift ist, so erhält das Mittelfeld das in § 1 geschilderte mittlere Wappen.“

Einzelnachweise

  1. ↑ Internetpräsenz des Bremer Rathauses
  2. ↑ Online-Artikel des SV Werder Bremen über die Trikotfarben
  3. ↑ Artikel 68 der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen vom 21. Oktober 1947 (Brem.GBl. S. 251)
  4. • als PDF (364 KB, bei bremische-buergerschaft.de), als Quellentext bei  Wikisource.
  5. ↑ § 1 und § 6 Absatz 1 und 2 der Bekanntmachung, betreffend Vorschriften über das bremische Staatswappen vom 17. November 1891 (Bremische Staatswappenbekanntmachung, StaatsWBek), Brem.GBl. S. 124

Literatur

  • E. Grohne, Zur Geschichte der deutschen und bremischen Hoheitszeichen, im Brem. Jb. 46, 1957, 26-29

 

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Bremer Stadtrecht

Das Bremer Stadtrecht war das im Laufe des Hochmittelalters entwickelte, 1303 erstmals kodifizierte Stadtrecht der Hansestadt Bremen. Es blieb bis zur Ablösung im Zusammenhang mit den Entwicklungen nach der Französischen Revolution und den Befreiungskriegen im 19. Jahrhundert trotz Änderungen und Weiterentwicklungen in Kraft. Letzte Reste des Stadtrechts wurden erst in der Folge der Novemberrevolution und der Bremer Räterepublik mit der Verfassung von 1920 beseitigt. Das Bremer Stadtrecht galt im Gebiet einer, im Vergleich zu anderen Stadtrechtsfamilien, z. B. insbesondere der des Lübischen Rechtes, kleinen Stadtrechtsfamilie. Es wurde sicher übernommen in den Städten Delmenhorst, Oldenburg, Verden und Wildeshausen sowie für das Weichbild Harpstedt. Der Bremer Stadtrechtsfamilie zuzurechnen gewesen sein könnte Neustadt am Rübenberge.

Entwicklung des Bremer Rechts im Mittelalter

Entwicklung bis zur Entstehung des Stadtrechtes

Bei der Entwicklung bis zur Kodifizierung des Stadtrechtes sind Entwicklung der Stadt Bremen zu einer Stadt, die selbstständig Recht setzen konnte, und die Entwicklungstendenzen des Rechtes in der Stadt zu unterscheiden. Ersteres ist die Voraussetzung, damit es zu einem eigenen Stadtrecht kommen konnte. Die innere Entwicklung, die daneben ablief, bestimmte dann weitgehend den Inhalt der Kodifikation.

Entwicklung der Stadtgemeinde zur Gemeinde mit eigener Rechtsetzung

Spätestens 789 wurde Bremen Sitz eines Bischofs im Zusammenhang mit der Missionierung der Sachsen. 848 übernahm Bischof Ansgar das Bremer Bistum und vereinigte die Bistümer Bremen und Hamburg nach Überfällen der Wikinger auf Hamburg. So bildete sich das Erzbistum Bremen, das die Rolle des Feudalherrn in Bremen übernahm. Am 9. Juni 888 erlangte der damalige Erzbischof Rimbert vom Kaiser Arnulf von Kärnten das Markt-, Münz- und Zollrecht.[1] Hierdurch stand später der bremischen Bürgerschaft nur das Bistum und nicht noch weitere weltliche Herrschaften gegenüber. 965 wurde durch Otto I. ohne Rückgriff auf die Urkunde Arnulfs an das Bistum erneut das Marktrecht verliehen;[2] diese Verleihung wurde 988 durch Otto III. bestätigt.[3] Aus diesen Urkunden lässt sich aber bereits herauslesen, dass die ansässige Kaufmannschaft nicht zu den Hörigen des Bistums gehörte, sondern sich in einem anderen, die Gerichtsbarkeit einschließenden Rechtsverhältnis befunden haben muss.

Für das 12. Jahrhundert lässt sich dann die Herausbildung einer zumindest sprachlich vom Bistum abgegrenzten Stadt (civitas) nachweisen. 1139 wird in zwei bischöflichen Urkunden von der civitas und von cives (Bürgern) gesprochen; 1157 kam es zu einer Schenkung an das Domkapitel eines secus vallum in platea superiori civitatis, also eines am Wall der Obernstraße der Stadt gelegenen Hauses; der sogenannte Weidebrief des Erzbischofs von 1159 regelt die Abgrenzung der Viehweide der Bürgerschaft zu erzbischöflichen Kolonisten. Der Brief wurde einem Bürgerausschuss übergeben, der damit als Interessenvertreter der Stadt angesehen werden kann. In Auseinandersetzungen mit Heinrich dem Löwen trat die Stadt dann als Partei auf, auch wenn sie sich genötigt sah auf die Vermittlung des Erzbistums zurückzugreifen. Nach dem Sturz Heinrichs gelangte 1180 der Erzbischof Siegfried I. von Anhalt auf den Bischofsstuhl. Siegfried verzichtete 1181 ausdrücklich zugunsten der universitas civitates nostre auf Hafengebühren, Schutz- und Friedensgelder.

Siegfrieds Nachfolger Hartwig II. erwirkte 1186 ein Privileg Friedrich I. Barbarossas (Gelnhauser Privileg), in dem der Stadt dann Weichbildrechte verliehen wurden. Mit der Verleihung dieser Rechte war offiziell eine eigenständige Entwicklung eine bremischen Stadtrechtes überhaupt erst möglich. Bremen rief dann später aufgrund dieser Urkunde sogar erfolgreich Barbarossa um Hilfe gegen Bedrängung durch Erzbischof Hartwig an. Um 1200 trat die Bürgerschaft Bremens dann nach außen in Erscheinung, indem sie mit der Grafschaft Altena einen Vergleich schloss. In einer als concordia bezeichneten Übereinkunft mit Erzbischof Gerhard I. stehen sich die Stadt und das Erzbistum dann 1217 erstmals als gleichberechtigt gegenüber. In dieser Urkunde wird vom Erzbischof unter anderem bestätigt, dass zwei Bürger bei Auseinandersetzungen zwischen ihm als Stadtherren und der Stadtgemeinde das geltende Recht als ihr Recht bestätigen dürfen. Unter seinem Nachfolger Gebhard II. konnte die Stadt dann erhebliche Fortschritte in ihrer rechtlichen Selbstständigkeit erzielen. 1225 werden in einer Urkunde dieses Erzbischofs erstmals sieben consules als Vertreter der Stadt genannt. 1233 konnte sich Bremen die Auseinandersetzung Gebhards mit den Stedinger Bauern zu Nutze machen. Der Erzbischof gestand Bremen als verfasster Gemeinschaft seine eigenständigen Rechte und das Stadtrecht zu; im Gegenzug erhielt er militärische Unterstützung. Allerdings mussten 1246 die consules Bremenses et communetotius civitates Bremensis in Lesum erklären, Regelungen (wilcore) zu Lasten des Erzbischofes nur in Einvernehmen mit dem Bistum zu erlassen (sogenannte Gebharhardsche Reversalen). Gleichzeitig wurde das durch einen Vogt des Bischofs besetzte bischöfliche Gericht als das einzige Gericht anerkannt. Dieser Verzicht wurde 1248 teilweise wieder aufgehoben und später durch Verpfändung des Vogteirechtes praktisch negiert.[4]

Faktisch entwickelte sich die Stadt damit in Richtung einer vom Lehnsherrn unabhängigen Reichsstadt. Verbrieft wurde dieser Status allerdings erst viel später durch das Linzer Diplom von 1648. Erst 1666 erkannte das Königreich Schweden als Rechtsnachfolger des Erzbischofs im Friedensvertrag von Habenhausen diesen Status an.

Innere Entwicklung des bremischen Rechts vor der Kodifikation

Im Laufe der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts und dann verstärkt im 13. Jahrhundert kam es zunehmend zur Aufzeichnung und schließlich zur Kodifikation von Stadtrechten im Heiligen Römischen Reich. Hintergrund hierfür war zum einen, dass im zunehmend komplexeren sozialen Leben in den Städten die Notwendigkeit für immer ausdifferenzierte Regelungen bestand, die schließlich von Einzelnen kaum noch vollständig behalten werden konnten. Weiterer Grund war, dass zunehmend auch gefordert wurde, dass das Bestehen oder Nichtbestehen von Rechten auch zu beweisen sei.[5] Auch die Kodifizierung des Bremer Stadtrechtes ist Teil dieser Entwicklung.[6] Hierbei ist allerdings das mittelalterliche Weltbild zu berücksichtigen. Danach konnte Recht nicht durch gesetzgeberische Eingriffe gestaltet werden, sondern nach diesem theozentrischen Weltbild war Recht letztlich durch die göttliche Ordnung vorgegeben. Es musste lediglich „gefunden“ und gegebenenfalls aufgezeichnet werden.[7] Es handelte sich nach dem Verständnis der damaligen Zeit vor allem um eine Kodifizierung des vorher bestehenden Gewohnheitsrechts, wobei dies auch die Einbeziehung von Traditionen des römischen Rechtes einschloss.[8] In den Stadtrechten niedergelegte Regelungen hatten grundsätzlich zwei Quellen: Zunächst die vom Feudalherren verliehenen Rechte und zum zweiten die Willküren als aus der Rechtspraxis, etwa aus früheren Urteilen oder aus Beschlüssen des Rates übernommenes oder beschlossenes Recht. Wobei die Grenzen dieser Quellen fließend sein konnte – Privilegien konnten als Willküren übernommen werden, Willküre aber auch per Privileg bestätigt werden. [9]

Das Stadtrecht sollte auf ältere landesherrliche Regelungen zurückgreifen. Von den gewährten Privilegien ist das Gelnhauser Privileg von 1186 das älteste verliehene Recht, auf das zurückgegriffen wurde, indem ähnliche Regelungen zum Bürgerrecht übernommen wurden. Auch etwa die 1206 erzbischöfliche Regelung zur Aufhebung der Gerade im Erbrecht findet sich im Stadtrecht wieder.[10] Andererseits waren Tendenzen zur willkürlichen Setzung von Recht – etwa durch die Gebharhardsche Reversalen von 1246- unterbunden worden. Diese verwahrten sich ausdrücklich gegen Rechtssetzungen durch die Stadt im Bereich der durch Strafzahlungen lukrativen Kriminalgerichtsbarkeit.[4]

Kodifikation des Bremer Rechts 1303–1308

Die Personengruppe, die in Bremen die Kodifizierung in Angriff nahm, ist in der Stadtrechtsurkunde von 1303 namentlich genannt. Dort wird erwähnt, dass alle 14 Mitglieder des Rates eine Niederlegung des Stadtrechtes vereinbart hätten, nach diesen Vereinbarungen bestimmten der Rat und mene Stad 16 weitere Personen aus den 16 Stadtvierteln, die die Kodifikation durchzuführen hatten. Der Rat der Stadt und die zusätzlichen Sechzehn formulierten dann das Stadtrecht. Die Ratsherren und die Vertreter der Stadtviertel gehörten alle den damals führenden und ratsfähigen Familien der Stadt an. Diese Familien entstammten vielfach entweder selbst den Ministerialengeschlechtern des Bremer Erzbistums, oder waren eng mit den Ministerialen verbunden. Kaufleute gehörten diesen Familien noch nicht an.[11] Darüber hinausgehende Hintergründe lassen sich nur vermuten, da die Quellen insoweit schweigen. Gesichert ist, dass die Kodifizierung vor dem Hintergrund erheblicher Spannungen in der bremischen Oberschicht stattfand, von der der Anstoß zur Kodifikation ausging. 1304 kam es zur Ermordung des angesehenen Bürgers Arnd von Gröpelingen durch Söhne aus angesehenen Familien in seinem Haus. Es folgten erhebliche Auseinandersetzungen über die Bestrafung der Täter, die schließlich zur Ausweisung zahlreicher Familien führte. Betroffen waren auch Familien, deren Mitglieder an der Kodifizierung mitgewirkt hatten.[12] Schwarzwälder zieht hieraus den Schluss, dass die obsiegenden Familien sich das kodifizierte Recht zunutze machten;[13][14] von anderer Seite wird vertreten, dass die Kodifizierung der Versuch gewesen sei den Spannungen entgegenzuwirken.[15] Die erste Kodifikation des Stadtrechtes erfolgte insgesamt über einen Zeitraum vom 1. Dezember 1303 bis zum 21. Dezember 1308. Der Kernbestand des Stadtrechtes war hierbei allerdings bereits im Laufe des Jahres 1305 fertiggestellt.[16]

Weiterentwicklungen

In der Folge wurde die Stadtrechtskodifikation durch Novellen und ordele (Urteilssprüche) des Rates stetig erweitert und ergänzt. Besondere Bedeutung hatten die Ergänzungen zur Ratsverfassung. Das ursprüngliche Stadtrecht schwieg sich gerade zu dieser Frage weitgehend aus. Grundlegend war dann die Festsetzung der Ratsfähigkeit und nach welchen Regeln der Rat zu ergänzen sei von 1330. Ein ratsfähiger Mann musste demnach frei und ehelich geboren sein, mindestens 24 Jahre alt sein und Grundstücke im Wert von 32 Mark Silber besitzen.[17]

Neukodifikationen von 1428 und 1433

Das auch machtpolitisch nach außen expandierende Bremen erlebte im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts erhebliche Rückschläge. Hatte es sich zunächst zur Sicherung der Weserschifffahrt in Rüstringen gegen verschiedene friesische Häuptlinge und auch gegen die Grafschaft Oldenburg durchgesetzt, wurde Bremen von einer Koalition der Rüstringer Friesenhäuptlinge wieder vertrieben. In der Folge kam es innerhalb Bremens zu erheblichen Unruhen, die schließlich zum Umsturz in der Stadt führten. Der Rat wurde zum Rücktritt gezwungen, die Bürgerschaft wählte aus ihrer Mitte einen neuen Rat. In der Folge wurde Bremen 1427 aus der Hanse ausgeschlossen und die Reichsacht über die Stadt verhängt. 1428 kam es in der Folge des Umsturzes schließlich zu einer Neukodifikation des Stadtrechtes.[18] Inhaltlich werden die alten Regelungen weitgehend übernommen, allerdings neu gegliedert, lediglich die Ratsverfassung wurde völlig neu gefasst.[10] Hierbei wird erstmals der Versuch unternommen die Einzelregelungen thematisch zu gliedern. Erfasst wird nur das ursprüngliche Stadtrecht ohne spätere Novellen, dieses bleibt in der Sache allerdings unverändert. Bedeutsam ist allerdings die Neuregelung der Zusammensetzung des Rates, die aller Wahrscheinlichkeit der wirkliche Grund für die erneute Kodifikation war. Die inneren Unruhen hielten allerdings an und führten schließlich zur Hinrichtung des Bürgermeisters Johann Vasmer. In der Folge der Hinrichtung verbündeten sich Anhänger Vasmers und Angehörige der ehemaligen Ratsfamilien mit umliegenden Mächten. Es gelingt ihnen die Stadt einzunehmen und die Macht wieder an sich zu nehmen. In der Folge kommt es erneut zu einer Neukodifikation. Diese berücksichtigt nun die Novellen, wenn auch nicht alle, und gliedert den Text erneut um. Die „neue“ Gliederung greift allerdings weitgehend die alte Gliederung von 1303 wieder auf, die Abschnitte III. (Statuten) und IV (Ordelen/Urteile) finden sich in der Kodifikation wieder. Es wird 1433 wieder auf die alte Ratsverfassung zurückgegriffen und die Ratsordnung von 1398 im Wesentlichen wieder in Kraft gesetzt und in das Stadtrecht integriert. Diese Fassung sollte dann den Abschluss des Bremer Stadtrechtes darstellen und weitergelten.[19] Nach der Rückkehr zu den alten Verhältnissen wurde Bremen wieder in der Hanse aufgenommen und konnte gegen nicht unerhebliche Sühneleistungen gegenüber Vasmers Erben auch die Reichsacht wieder von sich abwenden.[20]

Weiterentwicklungen in der Neuzeit

Weiterentwicklungen durch die Kundigen Rollen

Durch die Fassung von 1433 galt die Kodifizierung des Bremer Stadtrechts als letztlich abgeschlossen. Die weitere Entwicklung erfolgte durch die Praxis der Rechtsprechung, die in weiten Teilen beim Rat lag und durch Verordnungen und Satzungen des Rates. Bekanntgegeben wurden die Neuregelungen auf einer jährlich zu Laertare (3. Sonntag vor Ostern) vor dem Bremer Rathaus einberufenen Bürgerversammlung („Bursprake“). Bei dieser Versammlung wurden die geltenden Satzungen und Verordnungen verlesen. Die Verlesung fand zunächst von der Rathauslaube statt. Diese Laube befand sich über dem heutigen Eingang zum Ratskeller. Später erfolgte sie von der Güldenkammer des Rathauses aus. Wurden bei der „Bursprake“ zunächst alle Regelungen verlesen, so entstand im 15. Jahrhundert die Praxis, nur noch Polizeiverordnungen zu verlesen. Es wird angenommen, dass bereits im 14. Jahrhundert alle derartigen Regelungen eigenständig gesammelt wurden. Im Ratsdenkelbuch ist eine Abschrift von 147 Verordnungen und Satzungen von 1450 erhalten. Das Denkelbuch war 1395 vom Rat angelegt worden, um für die Stadt wichtige Schriftstücke einzutragen. Benannt wurde dieser Abschnitt zunächst mit „De olde kundich breff“ überschrieben, später wurde diese Überschrift durch „oder Rulle“ ergänzt. 1489 wurde eine erneute Aufzeichnung begonnen. Hierbei wurden Pergamentblätter aneinander genäht, so dass eine Rolle entstand. Insgesamt enthielt diese Rolle nach und nach 225 Artikel. Die letzte Ergänzung stammt von 1513. Bei einer Breite von etwa 15 cm wies die gesamte Rolle eine Länge von zum Schluss 6,93 m auf. Diese Rechtssammlung wurde als „Kundige Rolle“ (bzw. „Kundige Rulle“) bezeichnet.[21] Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass auf Grund der deutsch-rechtlichen Ausprägung des Bremer Stadtrechtes die Bekanntgabe von Rechtsnormen für die Wirksamkeit des Rechtes nicht von Bedeutung war. Dies unterschied das norddeutsch-sächsische Bremer Stadtrecht von süddeutschen Stadtrechtsfamilien, die über oberitalienische Einflüsse stärker von den entsprechenden Gedanken des römischen Rechts beeinflusst waren.[22]

Zwar war die Kundige Rolle, die zur Verlesung des geltenden Rechts genutzt wurde, das grundlegende Rechtsdokument, aber nicht alle Rechtsänderungen sind auf ihr vermerkt. Vielmehr dienten hierzu Abschriften als Kanzleiexemplare in Form von Heften. Das älteste erhaltene Kanzleiexeolar enthält die Änderungen bis 1549. Ein zweites Kanzleiexemplar dann die Änderungen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Es folgten eine Abschrift mit den Änderungen von 1606 bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts und zuletzt ein Exemplar mit Änderungen zwischen 1656 und 1756. In der Praxis war der Rat auch dazu übergegangen Verordnungen und „Proklame“ schriftlich zu veröffentlichen. Dies war durch die in der folge der Reformation eingerichteten Kirchschulen und die damit einhergehende gestiegene Alphabetisierung der Bevölkerung möglich geworden. Die älteste überlieferte Verordnung des Rates, die in gedruckter Form verbreitet wurde, war die Bremer Kirchenordnung , die durch Johann Timann in der Folge der Ereignisse von 1530/1532 erarbeitet und vom Rat als Verordnung erlassen worden war. Diese wurde allen Pastoren in Bremen ab 1588 in gedruckter Form übergeben. Die erste gedruckte Proklamation des Rates stammt ebenfalls aus dem Jahr 1588 und betraf die Einrichtung von Wochenmärkten in den damals zu Bremen gehörenden Orten Lehe und Neuenkirchen. Allerdings gerieten die Ordnungen und Proklame häufiger durch Nichtwiederholung in Vergessenheit oder wurden nicht mehr als verbindlich betrachtet. 151 folgte daher der Druck einer, allerdings nicht offiziellen „’’Sammlung verschiedener Verordnungen, welche in Handlungs- Schiffahrts- und Policey-Sachen der Kayserl. Freyen Reichs-Stadt Bremen so in älteren als neueren Zeiten ausgegangen’’“ durch die Ratsdruckerei. Die Verlesung der Kundigen Rolle in der ’’Bursprak’’ war mittlerweile unpraktisch geworden und wurde 1756 endgültig vom Rat aufgegeben. Vielmehr ließ dieser 1756 eine Ausgabe der Kundigen Rolle drucken, der auch die Neue Eintracht von 1534 beigegeben wurde. 1810 erfolgte die erneute Veröffentlichung der seither ergangenen und noch gültigen Verordnungen. Ab 1813 sollte dann jährlich eine „Sammlung der Verordnungen und Proclame des Senats der freyen Hansestadt Bremen“ erfolgen. Ab 1849 in der Folge der Märzrevolution von 1848, wurden dann die Gesetzesblätter der Freien Hansestadt Bremen jährlich veröffentlicht.[23]

Reformen und Reformversuche

1532 war es kurzzeitig mit dem Aufstand der 104 Männer zu einem revolutionären Umsturz gekommen, die Macht hatte ein neuer Rat von 104 Männern an sich genommen. Im Gegensatz zu 1429 wurde jetzt aber kein neues Stadtrecht formuliert. Das neue Regime hielt sich letztlich auch nicht lange. Bereits 1534 kam es zu einer „Neuen Eintracht“ und damit zur Wiederherstellung der alten Verhältnisse. Zwar galt das Bremer Stadtrecht mit der Kodifikation von 1433 als abgeschlossen, was in der „Neuen Eintracht“ auch betont wurde, aber spätestens nach der Herrschaft der 104 Männer 1530–1532 und der „Neuen Eintracht“ von 1534 galt das Stadtrecht im 16. Jahrhundert als überarbeitungsbedürftig.

Besonders verdient haben sich der Bürgermeister Heinrich Krefting und sein Neffe und Bremer Syndicus Johann Wachmann der Ältere um eine Weiterentwicklung des Stadtrechtes gemacht. Krefting hatte 1590 noch als Professor an der Universität Heidelberg eine Schrift zur Reformierung des Bremer Stadtrechtes („Dispositio et Commentatio statutorum reipublicae Bremensis“) verfasst. Im Dezember 1591 wurde er dann zum Ratsmitglied gewählt und schließlich 1605 sogar zum Bremer Bürgermeister. Nach dem Eintritt in den Rat hat Krefting die Reformierung in Angriff genommen. Der erste Erfolg war hierbei 1592 die Reformierung der Abschnitte zum Strafrecht. Dieses wurde an die 1532 in Kraft getretene Peinlichen Halsgerichtsordnung (Constitutio Criminalis Carolina) Karls V. angepasst. Die von ihm angestrebte große Reformierung kam indessen nicht zustande.

Krefting und der mit ihm zusammenarbeitende Johann Almers, gingen davon aus, dass das sächsische Recht stets nur insoweit gegolten habe, wie es ausdrücklich übernommen wurde. Ansonsten sei von der praktischen Anwendung des vom römischen Recht stark beeinflussten gemeinen Rechts auszugehen. Auf dieser Annahme basierte der Entwurf eines „Verbeterden Stadtbooks“, der von Krefting initiiert, durch seine „Dispositio et Commentatio“ theoretisch beeinflusst und in der konkreten Ausführung von Almers erstellt wurde. Der Entwurf sah eine vollständige Neugliederung und Überarbeitung auf der Basis der zu der Zeit modernsten Erkenntnisse vor. In den Debatten mit der Wittheit als Gesamtheit aller Räte und Bürgermeister konnte sich Krefting zunächst in weiten Teilen trotz erheblicher konservativer Widerstände durchsetzen. Als aber der zugezogene Bürgerausschuss sich für getrennte Debatten nach Kirchspielen aussprach und sich dabei erheblicher Widerstand andeutete, zog der Rat den Entwurf des neuen Stadtrechtes zurück. Krefting und im geringeren Umfang Almers verfassten daraufhin als Glossatoren eine Glosse zum Stadtrecht von 1433, in der sie auf eine teilweise Novellierung wenigstens dreier Teilbereiche drängten: Die Regelungen zur Zahlungsunfähigkeit und zur Schuldknechtschaft sollten entsprechend der allgemein in der Hanse geltenden Vorschriften gemildert werden; die von der Reichspolizeiordnung von 1577 vorgesehene obrigkeitliche Aufsicht über Vormünder sollte eingeführt werden; die Regelungen zum Ehebruch sollten entsprechend der Reichspolizeiordnung verschärft werden und nicht mehr als bloße Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. Die Reformversuche wurden durch Kreftings Tod 1611 unterbrochen, später aber durch den Neffen Kreftings, Johann Wachmann dem Älteren, wieder aufgegriffen und in Glossen fortgeführt. Angefangen hatte Wachmann hierbei 1625. Gedacht war die Arbeit ursprünglich als Gedächtnisschrift für seinen geschätzten Onkel. Er fasste die Glossen Kreftings zum „Verbeterden Stadtbooks“ zunächst mit dem „Verbeterden Stadtbooks“ zusammen; die entsprechende Arbeit vollendete er 1634. In späteren Ausgaben dieses „Codex Glossatus“ vermehrte er dies durch eigene Glossen und nach Almers Tod auch noch durch Glossen Almers. Dieses Werk ist in vielen Abschriften erhalten, was auf eine erhebliche Nutzung in der rechtlichen Praxis hindeutet.[24]

19. Jahrhundert: Entwicklung und Ablösung

Napoleonische Kriege

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erloschen gemäß § 27 des Reichsdeputationshauptschlusses alle Rechte des Domkapitels in Bremen. Bremen war neben Augsburg, Lübeck, Nürnberg, Frankfurt und Hamburg eine der wenigen verbleibenden Reichsstädte.[25] Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reichs 1806 wurde Bremen zum souveränen Staat. Damit ergab sich für das Stadtrecht der Hansestadt, dass es sich vom Partikularrecht zum Recht eines souveränen Staates wandelte. Bereits 1808 wurde Bremen allerdings durch Frankreich unter Napoléon Bonaparte gezwungen den Code Napoléon einzuführen, der im Privatrecht das alte Stadtrecht damit ablöste. Am 13. Dezember 1810 annektierte Frankreich dann Bremen, trotz der vorher verfolgten Politik der Neutralität. Bremen wurde damit zunächst eine französische Provinzstadt, für die vollständig das französische Recht galt. Die Besetzung wurde am 15. Oktober 1813 durch den Einmarsch General Tettenborns beendet. Von den Änderungen durch den Code Napoléon blieb die Enführung eines Standesamtes, das für die Registrierung von persönlichen Angelegenheiten (Geburt, Heirat, Tod) zuständig war. Es entstanden ein Handelsgericht, die Handelskammer und eine Handelsbörse. [26]

Restauration des Stadtrechtes

Bereits am 6. November 1813 konstituierte sich der Rat der Stadt neu und führte das alte Recht wieder ein. Der Rat berief sich hierbei auf die von Johann Smidt entwickelte Kontinuitätstheorie, nach der das Bremer Recht altdeutsch und auf dem bremischen Boden gewachsen sei; die erzwungenen Änderungen Napoléons seien nur eine vorübergehende Räubertat ohne Bedeutung gewesen. Der Rat sagte allerdings zu, „baldmöglichst“ Vorschläge für Änderungen des Bremer Rechts vorlegen zu wollen. Smidt konnte als Unterhändler der Stadt auf dem Wiener Kongress erreichen, dass die Souveränität Bremens anerkannt wurde. Damit hatte sich zunächst die Restauration durchgesetzt, jedoch hatte sich auch ein Reformpartei formiert, die vor allem auf verfassungsrechtliche Änderungen drängte. Die vom Rat vorgeschlagenen Änderungen wurden vom traditionell nach Kirchspielen getrennt beratenden Bürgerkonvent allerdings abgelehnt. Es wurde von einer Vorbereitungskommission für die Constitutionsverhandlungen vielmehr ein Gegenvorschlag erarbeitet. Dieser Vorschlag sah eine Abkehr vom überkommenen Kommunalismus und die Bildung eines Zweikammerparlaments, Gewaltenteilung mit deutlicher Trennung von Judikative, Legislative und Exekutive vor, der Rat sollte nur noch exekutive Funktion haben. Bereits 1814 bildete sich dann eine gemischte Verfassungsdeputation, die über eventuelle zeitgemäße Änderungen beraten sollte. Mit der Bundesakte hatte sich Bremen auch verpflichtet, sogenannte „landständische Verfassungen“ zu schaffen. Allerdings sahen auch die Vertreter der Reformpartei nicht ein allgemeines Wahlrecht vor, auch wenn ein Drittel der Bürgerschaft gewählt werden sollte. Das Wahlrecht sollte vielmehr auch weiter ständisch orientiert sein, lediglich sollte es nun auch auf Handwerker ausgedehnt werden. Insgesamt setzten sich aber in der Deputation die auf die Restauration bedachten Kräfte durch, die Reformkräfte verzettelten sich in Einzelproblemen. Der Hauptbericht der Deputation vom 1814 sah zwar eine schärfere Abgrenzung der Kompetenzen des Rates und der Bürgerschaft vor, ansonsten blieb es im wesentlichen bei der alten Konstitution. In der Folge kam es zwar – etwa in der Folge der Julirevolution 1830 in Frankreich – immer wieder zu einer Verfassungsdebatte, diese Debatten verliefen aber ergebnislos. Immerhin kam es 1837 zur Erarbeitung eines neuen Verfassungsentwurfes.[27]

Konnte auch eine Verfassungsänderung politisch nicht durchgesetzt werden, so führte die Debatte um die Verfassung zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Rechtsgeschichte Bremens. Der Rechtsanwalt Ferdinand Donandt (1803–1872) verfasste sein zweiteiliges Werk „Versuch einer Geschichte des Bremischen Stadtrechts“ 1830. Diese Arbeit stand in der Tradition der Historischen Rechtsschule und stützte sich auf die mittelalterlichen Urkunden. Donandt war ein Vertreter der liberalen Reformkräfte. Zweck des Werkes sollte es sein, bei Verfassungsentwürfen über das notwendige Wissen für eine Neugestaltung der Verfassung zu verfügen und nicht zu überstürzt zu handeln.[28]

Revolution von 1848 und erneute Restauration

Schon im Vorfeld der Märzrevolution von 1848 hatte sich in Bremen eine Mittelstandsbewegung gebildet. Getragen wurde diese zunächst von Handwerksmeistern und Lehrern. Im November 1847 wurde von 204 Personen in diesem Zusammenhang ein „Bürgerverein gegründet“, der sich die Verfassungsänderung zum Ziel setzte. Innerhalb weniger Monate wuchs der Verein, als erste formell gegründete Partei Bremens, vor allem durch den Eintritt von Juristen und Kaufleuten auf 1320 Mitglieder an. Der Bürgerverein stellte sich in Bremen an die Spitze der Revolution von 1848. In einer Märzpetition vom 5. März 1848 wurde das Allgemeine Wahlrecht, die Einrichtung eines Bürgerparlaments und Pressefreiheit gefordert. Ergänzt wurde die mit Forderungen nach Gewaltenteilung, unabhängigen Gerichten und der Einführung von Geschworenengerichten. Die Petition wurde von 2.100 Bürgern unterzeichnet. In der Folge kam es zur Bildung einer verfassungsgebenden Versammlung nach einer allgemeinen Wahl. Die daraufhin formulierte Verfassung war stark von Ferdinand Donandt geprägt, der 1848 Vizepräsident und 1852 schließlich Präsident der Bürgerschaft und damit des Parlamentes werden sollte. Mit der „Verfassung des Bremischen Staates“ vom 21. März 1849 wurde die im alten Stadtrecht vorgesehene Ratsverfassung abgelöst.

Insgesamt war die Verfassung aber eine Verbindung neuer und alter Elemente. So sah die Verfassung einen Dualismus im Bereich der Legislative vor, indem der Senat, dessen Mitglieder lebenslänglich im Amt blieben, neben der Bürgerschaft zur Gesetzgebung befugt sein sollte. Der Senat war dabei von Donandt als ein „Element der Ruhe“ angesehen worden. Zusammengesetzt sein sollte der Senat aus fünf Juristen und fünf Kaufleuten.

Am 29. März 1852 verfügte der Senat einseitig die Aufhebung der Verfassung. Berufen konnte er sich auf eine möglicherweise drohende Intervention des Bundes, insbesondere Preußens, und vom Bund geforderte Strukturänderungen. Es wurde schließlich ein Achtklassenwahlrecht für die Bürgerschaft eingeführt, um den ständischen Kräften eine Stärkung zu verleihen. Der Senat erhielt im wesentlichen die alten Rechte zurück. Befürworter dieser Änderung beriefen sich hierbei darauf, dass die Aufgabe der Seestädte die Sicherstellung des deutschen Außenhandels sei, was nur unter gebührender Berücksichtigung der kaufmännischen Elemente möglich sei. Diese Staatsverfassung wurde letztlich erst nach der Niederschlagung der Bremer Räterepublik durch die „Verfassung der freien Hansestadt Bremen“ vom 18. Mai 1920 abgeschafft.[29] Die Verfassung von 1920, wie auch die Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen von 1947, stärkten bewusst die Stellung der Bremer Bürgerschaft als Parlament entgegen der traditionell starken Stellung des Rates nach der alten Ratsverfassung.[30]

Ablösung des Straf- und Zivilrechtes durch Reichsrecht

Bremen wurde Mitglied des 1866 gegründeten Norddeutschen Bundes und trat 1871 dem Deutschen Reich bei. Die Gesetzgebung des Norddeutschen Bundes verdrängte bereits teilweise die älteren Bestimmungen des Stadtrechtes. Durch den Beitritt zum Deutschen Reich wurde das Bremer Stadtrecht erneut Partikularrecht und wurde durch die Kodifikationen des Reiches schließlich weitgehend ersetzt.

Zunächst zu nennen ist die Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes von 1869. Durch die Gewerbeordnung wurde das Recht der gewerblichen Angestellten der Mitgliedsstaaten des Bundes durch modernere, am Liberalismus des 19. Jahrhunderts orientierte Regelungen ersetzt. Arbeitsverhältnisse waren nun bei Angestellten der Wirtschaft normale schuldrechtliche Verträge. § 152 der Gewerbeordnung erlaubte ausdrücklich die Bildung von Gewerkschaften als Vertreter der Arbeiterschaft. Ergänzt wurde dies später durch Vorschriften des Reiches zur Sozialversicherung und zur Arbeitssicherheit.[31]

Bereits am 15. Mai 1871 wurde das Reichsstrafgesetzbuch verabschiedet und damit eine einheitliche Regelung des Strafrechts im gesamten Deutschen Reich herbeigeführt. Die strafrechtlichen Bestimmungen des Stadtrechtes verloren daher mit dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches am 1. Januar 1872 ihre Bedeutung. Es folgten die Reichsjustizgesetze, die am 1. Oktober 1879 in Kraft traten. Durch diese Gesetze wurden eine einheitliche Gerichtsstruktur und einheitliches Prozessrecht geschaffen.[32] Die bisherige Gerichtsordnung Bremens wurde durch die Gründung des Landgerichts Bremen und des Amtsgerichts Bremen abgelöst, die sich nach den neuen Prozessordnungen zu richten hatten.[33]

Durch die Kodifikation des Privatrechtes im Bürgerlichen Gesetzbuch wurden die übrigen zivilrechtlichen Bestimmungen des Partikularrechtes zum 1. Januar 1900 ersetzt.[34]

Mit Ausnahme der schließlich 1920 ersetzten Ratsverfassung war das Bremer Stadtrecht damit abgelöst worden.

Inhaltliche Gestaltung des Stadtrechtes

Verfasst ist das Bremer Stadtrecht von 1303 in einer frühen Form des Mittelniederdeutschen.[35]

Inhaltlich ging Eckhardt[36] davon aus, dass das Bremer Stadtrecht im wesentlichen eine Aufzeichnung bereits vorher bestehenden Rechtes darstelle. Allerdings sind entgegen dieser Annahme etwa ein Viertel aller Bestimmungen direkte Übernahmen aus dem Hamburger Stadtrecht, dem sogenannten Ordelbook (etwa 1270) unter anderem ein Block von 45 Vorschriften. Das Hamburger Recht hatte seinerseits erhebliche Anleihen beim Sachsenspiegel Eike von Repgows gemacht. So waren 23 der genannten 45 Vorschriften ihrerseits bereits im Sachsenspiegel enthalten.[37]

Der Sachsenspiegel selbst erhob zwar den Anspruch das Recht des gesamten Sachsen (etwa heute das Gebiet der Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und den westfälischen Teil Nordrhein-Westfalens) abzubilden, es bestanden aber erhebliche Lücken, die von den Stadtrechten aufgearbeitet werden mussten. So fehlte im Sachsenspiegel der in den Städten wichtige Bürgerstand etwa vollständig. Dies war ein wesentlicher Gesichtspunkt, der bei der Kodifizierung der Stadtrechte aufgegriffen werden musste.[38]

Gegliedert wurde das Stadtrechtsbuch in vier Abschnitte, wobei die Abschnitte IV und ein erheblicher Teil des Abschnittes III Übernahmen aus dem Ordelbook Hamburgs und damit teilweise Rezeptionen des Sachsenspiegels sind. Allerdings wurde bei den Übernahmen erkennbar eine Auswahl getroffen. Der Abschnitt I enthielt Regelungen zum Güter-, Vormundschafts- und Erbrecht, der zweite Abschnitt, der mit „Not-Wehre“ überschrieben ist, strafrechtliche Bestimmungen. Der erste Abschnitt weist viele Bezüge zum Gewohnheitsrecht auf und greift einige ältere Rechtssätze auf. Der dritte Abschnitt („Statuten“) weist eine Mischung von älteren Bestimmungen und solchen auf, die erst im 13. und beginnenden 14. Jahrhundert gebildet sein können. Der vierte (und längste) Abschnitt ist mit „Ordelen“ (Urteile) überschrieben und umfasst aus der gerichtlichen Praxis stammende Bestimmungen zur Gerichtsordnung, zum Beweisrecht sowie einzelne Bestimmungen zum Privat- und zum Vertragsrecht.[39] Der Abschnitt II weist hierbei Ursprünge im Corpus iuris civilis und damit dem römischen Recht auf, die sich mit Gedanken aus dem älteren Gewohnheitsrecht (z. B. der Bestimmung zur Vergewaltigung) vermischten.[40]

Ratsverfassung

Die städtische Gemeinde hatte sich im 12. Jahrhundert als Rechtskörperschaft herausgebildet. Spätestens mit dem Barbarossa-Privileg von 1186 konnten Männer und Frauen, die ein Jahr und einen Tag ein Grundstück besaßen sich auf den Grundsatz „Stadtluft macht frei“ berufen und auf eigene Bürgerrechte verweisen. Zur Organisation dieser Gemeinschaft der Bürger finden sich erstmals in einer Zollbefreiungsurkunde Erzbischof Gebhard II. von 1225 Hinweise, da dort sieben consules der Stadt namentlich als solche aufgeführt werden. Diese consules treten allerdings nicht als Rat auf, können aber wohl aber als Mitglieder einer solchen Institution gedacht werden.[41]

Es hatte sich bereits vor der Kodifikation eine faktische Ratsverfassung entwickelt, auch wenn diese noch nicht schriftlich niedergelegt war. Die soziale Oberschicht der Bürgerschaft bildeten wenige Patriziergeschlechter, die allein ratsfähig waren. Hatte sich der Rat zunächst aus Mitgliedern der gesamten Bürgerschaft gebildet, ergänzte er sich mittlerweile im wesentlichen selbst. Die Fassung des Stadtrechtes von 1303 enthielt aber kaum Regelungen über die Verfassung des Rates. Der Rat bestand zwischen 1289 und 1304 aus vierzehn Personen, was unter anderem aus der Einleitung zum Stadtrecht von 1303 ersichtlich ist. Ferner wurde dem Stadtrecht eine Liste der in der Folge der Unruhen von 1304 vertriebenen Geschlechter beigefügt. Ab 1304 bestand der Rat aus 36 Mitgliedern, wobei jeweils nur ein Drittel im jährlichen Turnus das Amt ausübte. 1330 kam es dann zur ersten schriftlichen Regelung der Ergänzung des Rates und der Ratsfähigkeit. Diese Bestimmungen wurden in das Stadtrecht nachträglich aufgenommen. Hierbei wurde der Rat mit Bestimmungen zum Mindestvermögen und dem Verbot, während der Mitgliedschaft im Rat ein Handwerk auszuüben, nur auf die wohlhabenden Schichten beschränkt. 1398 wurde diese Ratsordnung novelliert. Danach bildeten 4 Bürgermeister und 20 Ratsherren die Wittheit oder den Rat. Der jeweils regierende Rat wurde aus jeweils zweien der Bürgermeister und zehn Ratsherren gebildet.[42]

Mit dem Umsturz 1428 wurde die Ratsverfassung umgestaltet, aber mit der Restauration von 1433 wieder hergestellt und hierbei auch in das Stadtrecht integriert. Von der Verfassung von 1428 blieb lediglich eine Regelung erhalten, nach der eine zu nahe Verwandtschaft zu einem Ratsmitglied der Aufnahme entgegenstehen konnte.[43]

Gerichtsbarkeit, insbesondere Kriminalgerichtsbarkeit

Die Gerichtspraxis in Bremen zeichnete sich durch eine gewisse Zweigleisigkeit bei der Gerichtsbarkeit aus. Neben der Gerichtsbarkeit durch den Rat bestand lange, letztlich sogar über das Bestehen des Bistum Bremen hinaus, eine Gerichtsbarkeit durch den Vogt des Erzbischofs. Die Gerichtsbarkeit des Bischofs war mit der Errichtung des Bistums entstanden. Spätestens seit dem 10. Jahrhundert war sie Hochgerichtsbarkeit und verfügte über den Königsbann. Der Bischof ließ sich, da ihm als Geistlichem keine weltliche Gerichtsbarkeit zukam, als Lehnsherr für die weltliche Gerichtsbarkeit durch seinen Vogt vertreten. Mit dem Barbarossa-Privileg von 1186 bildeten sich dann allmählich die städtischen Institutionen heraus, die in Konkurrenz zur Gerichtsbarkeit des Bischofs treten sollten. Mit der Zunahme der Selbstständigkeit der consules der Stadt im 13. Jahrhundert wird dann verstärkt auf eine Beteiligung der städtischen Organe an der Rechtsprechung hingearbeitet und schließlich für Streitigkeiten zwischen den Bürgern auch erreicht. Dies umfasste nicht nur das Privatrecht im heutigen Sinn, sondern auch innere Angelegenheiten der Verfassung der Bürgerschaft oder des Polizeirechts. Die Gebhardschen Reversalen von 1248 wandten sich dann auch vor allem dagegen, dass die städtischen Institutionen sich zusätzlich einseitig strafrichterliche Funktionen zugelegt hatten. Allerdings ergibt sich aus der Urkunde auch, dass die Vögte bei ihrer Gerichtsbarkeit bereits zuvor auf die Sachkenntnis und die Mitwirkung von Ratsmitgliedern zurückgegriffen hatten. Der Vogt urteilte hiernach in privat- und in strafrechtlichen Angelegenheiten, in zivilrechtlichen Sachen allerdings stets unter Mitwirkung von Vertretern des Rates. In dem Stadtrecht von 1303 wird betont, dass die Gerichtsbarkeit des Erzbischofs durch das Stadtrecht nicht gemindert werden solle. Allerdings wird zugleich die Zuständigkeit des Rates für streitige Rechtsangelegenheiten unterstrichen. Diese Zuständigkeit dehnte sich dann auch wieder in strafrechtliche Bereiche aus und verdrängte mit ihren moderneren Formen die umständlichere Gerichtsbarkeit der Vögte. Für 1330 ist dann ein Fall von Bigamie überliefert, in dem der Vogt das Verfahren vollständig an den Rat verwies. Die parallelen Gerichtswege führten dazu, dass bis in das 16. Jahrhundert Strafprozesse zuweilen vor beiden Gerichtswegen anhängig waren. Das Nebeneinander dieser Gerichtswege wurde erst 1541 durch ein Privileg Karl V. beendet.[44] Es wurde danach ein Niedergericht für Streitfälle unter 200 Gulden und ein Obergericht für Streitfälle über 200 Gulden eingerichtet. Es blieb aber auch nach dem Privileg bei einer Zuständigkeit der bischöflichen Gerichtsbarkeit für Angehörige der Domimmunität und für die Blut- und Halsgerichtbarkeit. Zumindest eine Beteiligung des Vogtes war daher bei Fällen der Blut- und Halsgerichtbarkeit notwendig. Hier hatte der Rat nie auf eine Zuständigkeit gedrängt. Erst im Zusammenhang mit dem Reichsdeputationshauptschluss wurde auf die letzten Reste der Vogtgerichtsbarkeit verzichtet. Das erste mit einer Todesstrafe endende Verfahren, dass der Rat alleine durchführte, fand dann auch erst nach dem Reichsdeputationshauptschluss statt. Es war der Mordprozess gegen Gesche Gottfried von 1828 bis 1831.[45]

Das Gericht der Vögte fand unter freiem Himmel statt, der Rat beriet seine Rechtsfälle unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Ratsgestühl des Bremer Rathauses. Das Vogtgericht tagte zunächst auf dem Markt, der zunächst südlich des Kirchhofes der Liebfrauenkirche stattfand. Grund hierfür war, dass mit der Gerichtsbarkeit auch das Marktgericht verbunden war. In Urkunden des 14. Jahrhunderts wird der Gerichtsort der Vögte als „die vier Bänke“ bezeichnet. Aus Erwähnungen in Quellen aus dem 13. und des 14. Jahrhunderts lässt sich schließen, dass in dieser Zeit der Gerichtsort der Vogtei etwa an der Westseite des heutigen Ratshauses lag. Auch die Bezeichnung „Schoppensteel“ für den Platz zwischen dem heutigen Rathaus und der Liebfrauenkirche weist auf einen Gerichtsort dort hin. Vollstreckungsstätten, wie etwa der Pranger oder der Richtpfahl, befanden sich in unmittelbarer Nähe. Mit dem Neubau des Rathauses 1405 musste der Gerichtsort der Vögte ausweichen. Fortan fanden die Gerichtssitzungen der Vögte im zweiten Bogen der Rathausarkaden statt. Das Vogtsgericht tagte regelmäßig dreimal im Jahr (ungebotenes Ding) oder bei Bedarf durch anstehende Rechtsfälle (gebotenes Ding).[46]

Das Strafverfahren folgte in Bremen den Grundsätzen des Inquisitionsverfahrens, selbst noch im 19. Jahrhundert, als dieses Verfahren durch modernere Formen in anderen Staaten abgelöst worden war. Erst im Zusammenhang mit dem Prozess um die Giftmörderin Gesche Gottfried wurden erstmals die Grundsätze der Freien Beweiswürdigung eingeführt. Andererseits hatte Bremen als erstes deutsches Territorium, bereits im 17. Jahrhundert, die Freiheitsstrafe eingeführt und ein Zucht- und Arbeitshaus nach dem Vorbild von Amsterdam eingeführt, sowie faktisch auf die Folter verzichtet.[47]

Strafrecht

Die strafrechtlichen Bestimmungen des Bremer Stadtrechtes sahen im Vergleich zum früheren Strafrecht des Früh- und Hochmittelalters in Bremen eine deutliche Strafverschärfung vor. Während im früheren Recht der Bußgeldzahlung der Vorzug gegeben wurde, was auch eine Einnahmequelle der Vögte und Bischöfe war, sah das modernere Stadtrecht als Todesstrafen Enthauptung, Erhängen, Rädern, Sieden oder Verbrennen vor. Als Körperstrafen waren vorgesehen: Abhauen der rechten Hand, Einbrennen eines Schlüssels in die Wange, Durchstoßen der Hand mit einem Messer und Stäupen mit Ruten.[46] Grundsätzlich musste Anklage gegen Straftäter geführt werden (Akkusationsprinzip), erst mit der erneuten Kodifikation des Stadtrechtes 1433 wurden zwischen die Abschnitte III und IV einige Bestimmungen zum Bruch des Bürgerfriedens eingefügt. Dies waren Totschlag, tätliche Misshandlung, der Angriff und die Verletzung mit scharfen Waffen. Für diese Delikte wurde mit diesen Vorschriften erstmals bestimmt, dass die Strafverfolgung von Amts wegen zu erfolgen habe.[48]

Eine Anpassung an spätere Rechtsentwicklungen erfolgte auf Veranlassung Heinrich Kreftings 1592. Hierbei wurden das Straf- und das Strafprozessrecht an die 1532 in Kraft getretene Peinliche Halsgerichtsordnung Karl V. angepasst. Die Carolina war an römisch-rechtlichen Vorbildern orientiert. So wurde durch die Reformierung der entsprechenden Abschnitte die Körperverletzung und die Beleidigung, die bisher als gegen die Allgemeinheit gerichtetes Unrecht begriffen wurden, Privatklagedelikte. Das hatte zur Folge, dass an die Stadt eine Buße und gleichzeitig eine Wiedergutmachung an den Geschädigten zu zahlen war. Eine Körperstrafe für das bloße Zücken einer scharfen Waffe unterblieb; nunmehr wurde hierfür eine Geldbuße und eine Verweisung aus der Stadt für Jahr und Tag vorgesehen. Strafprozessual wurde die überkommene Regelung gestrichen sich durch Unschuldseid vom erbrachten Augenscheinsbeweis zu befreien.[24]

Hexerei

Im Sachsenspiegel gab es eine Bestimmung zum Umgang mit Hexen. Diese wurde mit einer beweisrechtlich bedeutenden Einschränkung in das Hamburger Stadtrecht und über dieses in das Bremer Stadtrecht übernommen: Die Hexe musste auf frischer Tat ertappt worden sein. Insgesamt war mit dieser einzigen Bestimmung im Bremer Stadtrecht zur Hexerei aber nur der Schadenszauber unter Strafe gestellt. In Bremen kam es daher während der Zeit der Hexenverfolgung nur zu relativ wenigen Hexenprozessen. Zwar bestand der doppelte Rechtsweg vor dem Rat und dem Vogteigericht, faktisch überwies der Vogt aber derartige Prozesse regelmäßig an den Rat wegen der Schwierigkeit der Rechtsmaterie. Dort galt, wie aus zwei Rechtsbelehrungen an die Stadt Oldenburg ersichtlich ist, das Akkusationsprinzip, das heißt, es war erforderlich, dass vom Geschädigten oder einer anderen Person Anklage erhoben wurde. Die sonst aus der Umgebung Bremens überlieferte Wasserprobe als Gottesbeweis wegen Hexerei unterblieb und wurde teilweise ausdrücklich abgelehnt. Eine Ausweitung der Kriminalgerichtsbarkeit fand nach dem Erlass der Constitutio Criminalis Carolina 1532 statt, da diese als Reichsrecht erhebliche Bestimmungen gegen Hexerei enthielt.[49][50]

Familien- und Erbrecht

Das Bremer Recht zeigt etwa im Ehegüterrecht eine erkennbar geringere Differenziertheit als der Sachsenspiegel, beispielsweise das Nutzungsrecht der (auch geschiedenen) Ehefrau am Eigentum des Ehemannes. Ein Unterschied betrifft das im Hamburger Recht vorgesehene Verbot, die im Kindsbett liegende oder schwangere Witwe aus dem Gut des Mannes zu vertreiben; im Bremer Recht geht es ausschließlich um die Ehefrau, der Hinweis auf die Witwenschaft unterbleibt. Hier ist allerdings unklar, ob der Schutz der Schwangeren auf die Ehefrauen ausgedehnt werden soll. Ein Versehen wird allerdings ausgeschlossen, da dieser Passus unverändert 1428 und 1433 übernommen wurde.[51]

Das ursprüngliche Erbrecht in Bremen sah eine ungeteilte Gesamthandsgemeinschaft von Vätern und Söhnen vor. Dieses Recht wurde jedoch bereits unter Erzbischof Adaldag (937–988) zugunsten einer Kopfteilsgemeinschaft aufgelöst, die schließlich auch die Ehefrau und die Töchter einbezog. Das Stadtrecht sah daher Absonderungsrechte für die Kopfteile der Ehefrau und des Ehemannes vor. Es bestand aber kein Abteilungsanspruch der Kinder gegen den Vater. Töchter und Söhne wurden bei der Kopfteilsberechnung gleichberechtigt behandelt. Vom allgemein üblichen sächsischen Recht wich das bremische insofern ab, als dass die Gerade als Sondererbfolge der Frauen nicht vorgesehen war. Dies ging auf eine bereits 1206 erfolgte Aufhebung zurück.[52]

Dienst- und Gesinderecht

Bleibt das Eherecht und auch das Erbrecht hinter dem Sachsenspiegel und dem Hamburger Stadtrecht zurück, so ist das Gesinde- und Dienstbotenrecht wesentlich weiter ausgearbeitet. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass im städtischen Leben mit der differenzierteren Wirtschaft dem was heute Individualarbeitsrecht genannt wird, eine erheblichere Bedeutung hatte als im allgemeinen sozialen Leben des Mittelalters.

Der Sachsenspiegel verzichtete im Abschnitt über das Lehnsrecht ausdrücklich auf eine ausführliche Darstellung, da es zu unterschiedliche Ausprägungen geben würde. Allerdings finden sich in den Ausführungen zum Landrecht Vorschriften zur Lohnfortzahlung, zu Lohnrückzahlungen, zur Haftung des Herren für von seinen Knechten angerichtete Schäden und für Spielschulden der Knechte. Diese Abschnitte wurden über das Ordeelbook übernommen. Das Bremer Stadtrecht sah aber Ergänzungen und Abweichungen vor: So konnte nach dem Bremer Recht ein Knecht bei Kündigung den vollen Lohn fordern, soweit er die Kündigung nicht selbst verschuldet hatte. Andererseits musste er bei eigener Kündigung Schadensersatz für die entgangenen Dienste ab Beendigung des Dienstverhältnisses leisten, was beim Sachsenspiegel noch das Doppelte dessen war, was der Dienstherr als Entlohnung in Aussicht gestellt hatte. In Bremen und Hamburg wurden die dienstrechtlichen Bestimmungen auch auf Frauen ausgedehnt und diese in Bremen dienst- und gesinderechtlich sogar gleichbehandelt. Es werden Regelungen zu Mindestlöhnen (mênasle) in Höhe von vier Schillingen getroffen. Ferner finden sich Regelungen für den Fall des Todes des Dienstherren oder des Angestellten.[53] Die Regelung im Bremer Stadtrecht, dass Gesellen von ihren Meistern sowohl in ihrer Gesundheit zu unterhalten und auch in der Krankheit zu versorgen waren, stellte eine Vorstufe in der Entwicklung zum heutigen Arbeitsrecht dar.[54]

Schiffs- und Seerecht

Für eine Seehandelsstadt besteht naturgemäß ein gewisses Interesse an der Regelung schiffs- und seerechtlicher Fragen. In den mittelalterlichen Stadtrechten war eine abweichende Regelung vom allgemeinen Recht im Seerecht durchaus üblich. So sah dass allgemeine Recht etwa vor, dass derjenige, der einen Schaden verursacht, diesen Auszugleichen hat. Ein Verschulden spielte hierbei keine Rolle. Im Schiffs- und Seerecht war eine Schadensteilung zwischen Kaufleuten und Reedern beziehungsweise Schiffsführern üblich – und etwa im bremischen Recht auch vorgesehen. In der bremischen Stadtrechtskodifizierung finden sich allerdings nur drei Regelungen mit entsprechendem Bezug. Eine war bereits in der ursprünglichen Fassung vorhanden, bei den beiden anderen handelte es sich um frühe Novellen. Damit ist das bremische Seerecht relativ zum Seerecht in anderen norddeutschen Seehandelsstädten unterentwickelt. Das Stadtrecht von Schleswig (um 1200 entstanden) enthielt neun Bestimmungen, das Stadtrecht Flensburgs von 1284 acht, das Lübecker Stadtrecht dreizehn und auch das hamburgische Stadtrecht wohl dreizehn Regelungen. Die Regelungen im Bremer Recht waren tendenziell günstiger für den Schiffsführer. So sah das bremische Recht vor, dass das Frachtrisiko zwischen Schiffsführer und Kaufmann zu teilen war. Das Frachtgeld war zu Fahrtbeginn zur Hälfte zu errichten und zur anderen Hälfte nach der erfolgreichen Durchführung der Fahrt. Nach späteren hansischen Gepflogenheiten trug der Schiffsführer das Risiko vollständig, da er erst nach erfolgreicher Durchführung entlohnt wurde.

Allerdings ist eine zwischen 1335 und 1349 datierbare Abschrift des Bremer Stadtrechtes überliefert, die unter anderen als Anhang eine größere Anzahl seerechtlicher Rechtssätze umfasst. Diese Sätze stellen insgesamt ein voll entwickeltes Seerecht dar. Dieses Seerecht ist weitestgehend vom Hamburger Seerecht entliehen. Nach Bremen gelangten diese Rechtssätze auf dem Umweg über den Handel mit Flandern, in dem Hamburg führend war. Die bremischen Kaufleute griffen auf die vorhandenen Hamburger Einrichtungen zurück und mussten sich dabei an das hamburgische Recht anpassen. Dabei war dieses Hamburger Recht zunächst nur das Recht und der Handelsgebrauch der Hamburger Flandernfahrer, die es entwickelten. Diese Anpassung an fremdes Rechts wurde dann in die bremische Praxis übernommen. Erleichtert wurde dies auch dadurch, dass das Seerecht insgesamt auch weniger ein örtlich gebundenes Stadtrecht, sondern zum großen Teil eher internationales Verkehrsrecht ist und auch damals entsprechend gesehen wurde. Allerdings wurde das ursprünglich hamburgische Recht erst mit der Übernahme von gesamthansischen Seerecht 1378 auch offiziell Bremer Stadtrecht.

Mit der zunehmenden Bedeutung des gesamthansischen Schiffsrechtes und dem Rückgang der Vorrangstellung Hamburgs im Flandernhandel geriet dieses Seerecht allerdings zunehmend außer Gebrauch. Mit der gesamthansischen Schiffsordnung von 1482 verloren partikulare stadtrechtliche Regelungen schließlich weitgehend ihre Bedeutung. 1575 erließ die Bremer Schiffergesellschaft allerdings eine eigenständige Schiffsordnung. Diese wurde als „Ordonatie“ übernommen. 1614 wurden Teile dieser Regelungen in das gesamthansische Recht übernommen.[55]

Die Stadtrechtsfamilie

Von den Ortschaften, die der Stadtrechtsfamilie zuzuordnen sein könnten, hatten nur vier (Delmenhorst, Oldenburg, Verden und Wildeshausen) im Mittelalter bereits den Status einer Stadt. Bei Nienburg ist im 13. Jahrhundert bereits der Stadtstatus nachweisbar, welcher Stadtrechtsfamilie Nienburg zugerechnet werden kann, ist allerdings unklar. Von der Lage her wäre eine Zugehörigkeit zur Bremer Stadtrechtsfamilie möglich. Auch bei Hoya und Rotenburg (Wümme) wäre eine Zugehörigkeit zu dieser Stadtrechtsfamilie denkbar, ist aber nicht nachweisbar. Für Neustadt am Rübenberge liegt ein nicht näher datiertes Anschreiben an den Bremer Rat vor, in dem der Rat Neustadts um Rechtsbelehrung bat. Damit sind Beziehungen nachweisbar, die auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Zugehörigkeit für sich haben. Sicher ist dies allerdings nicht, da Rechtsrat auch unabhängig von der Zugehörigkeit zu einem Rechtskreis eingeholt werden konnte. Die Ortschaften, für die die Zugehörigkeit nachweisbar ist, liegen in einem relativ kleinen Bereich um die Hansestadt Bremen. Die Größe des Gebietes umfasst von Nord nach Süd etwa 40 km und von West nach Ost etwa 80 km. Angrenzende Stadtrechtsbereiche waren im Norden und Osten das vom Soester Stadtrecht inspirierte Lübische Recht und die Hamburger Stadtrechtsfamilie, ferner die Stadtrechtsfamilien Lüneburgs und Braunschweigs. Im Süden befanden sich die Rechtskreise der westfälischen Stadtrechtsfamilien Dortmunds und Münsters. Im Westen schließlich grenzte das Gebiet Frieslands mit eigener Rechtstradition an dieses Gebiet des Bremer Stadtrechts.[56][57]

Verden (ab 1259)

Verden, als Sitz des Bischofs von Verden, wurde durch ein Privileg des Bischofs vom 12. März 1259 Stadtrecht verliehen. Zuvor hatte sich der Ort zum Ende des 12. Jahrhunderts hin zur Stadt entwickelt. Aus der Urkunde lässt sich allerdings ableiten, dass bereits zuvor ein Stadtrecht in Verden bestanden haben muss. Die Urkunde enthält unter anderem eine Regelung zum Rechtsgrundsatz „Stadtluft macht frei“, in der es um die Anfechtung der Freiheit eines Bürgers nach diesem Grundsatz geht. Bezugspunkt für diese Regelung soll laut der Urkunde eine Forderung des bestehenden Stadtrechtes sein. Die Handhabung und die Formulierung der Verdener Urkunde weisen deutliche Ähnlichkeiten mit der Ausformulierung im bremischen Barbarossa-Privileg von 1186 auf. Haase[58] schließt hieraus, dass die Möglichkeit einer Beeinflussung des Stadtrechtes des nahen Verdens durch die bremische Rechtspraxis möglicherweise schon länger vorhanden war. Am Ende der Urkunde werden die Verdener für Rechtsbelehrungen an den Rat in Bremen verwiesen:[59] Ein typisches Merkmal für die Zugehörigkeit zu einer Stadtrechtsfamilie.[60] Darüber hinausgehende direkte Hinweise auf eine Zuordnung zur Stadtrechtsfamilie gibt es nicht. Es ist lediglich eine Bitte um eine rechtliche Belehrung von 1511 überliefert. Allerdings ist eine Praxis der mündlichen Einholung von Belehrungen aus dem nahen Bremen wahrscheinlich.[61]

Am 1. Mai 1330 wurde vom Rat der Stadt in Zusammenarbeit mit einem Ausschuss der Bürger der Stadt eine Statutensammlung erlassen. Diese Sammlung stellte eine eigene Rechtssetzung der Stadt dar. Die Sammlung zeigt allerdings keinen unmittelbaren Bezug zum bremischen Recht. Lediglich in drei Artikeln finden sich Übereinstimmungen; zwei der Artikel können aber auch gemeinsame landrechtliche Ursprünge haben, der dritte betrifft ein auch sonst verbreitetes Statut. Aus einer Dreiteilung des Rates, wie sie für die Städte der bremischen Rechtsfamilie typisch, sonst in Nordwestdeutschland aber sehr ungewöhnlich ist, lassen sich aber trotzdem Einflüsse des Bremer Rechts erkennen.[62][63] Im Verdener Stadtrechtsbuch von 1433 findet sich nur ein Artikel mit erkennbarem Bezug zum Bremer Stadtrecht.[64] Anders verhält es sich mit den Verdener Statuten von 1582. Diese weisen erhebliche Übereinstimmungen mit dem Bremer Stadtrecht von 1433 auf. So ähnelt die „Statuta Verdensis“ dem bremischen Stadtrecht von 1433 im Aufbau. Von den insgesamt 182 Artikeln entsprechen 113 Artikel den Bestimmungen des Bremer Stadtrechtes oder zeigen nur geringfügige Abweichungen. Bei 69 kann eine Herkunft aus dem bremischen Recht zwar nicht nachgewiesen werden, aber selbst von diesen weisen fünf eine erhebliche Ähnlichkeit zu bremischen Bestimmungen auf.[65]

Wildeshausen (1270–1529)

Die Gegend des heutigen Wildeshausen befand sich im 9. Jahrhundert im Besitz von Nachkommen Widukinds. Einer dieser Nachkommen, Graf Waltbert, errichtete eine Kirche und 851 wurden die Gebeine des Heiligen Alexander von Rom in diese Kirche überführt. Waltbert gründete dann 872 auf Grund dieser Kirche ein Hauskloster und schenkte hierbei auch die „villa“ Wildeshausen dem Kloster. 980 wurde das Kloster mit der Siedlung durch Otto II. an das Bistum Osnabrück übertragen. Der weitere Verbleib des Ortes Wildeshausens ist unklar. Adam von Bremen berichtet allerdings, dass Erzbischof Adalbert von Bremen versuchte, einseitig seine Machtsphäre auszudehnen, indem er beabsichtigte, in Wildeshausen ein Suffraganbistum zu gründen. Nach Auseinandersetzungen zwischen dem Haus der Welfen und dem Bistum Bremen kam es 1219 zu einer Vereinbarung zwischen Erzbischof Gerhard II. und dem Pfalzgraf Heinrich dem Älteren, unter anderem wurde in der Vereinbarung die Propstei Wildeshausen an das Bistum Bremen abgetreten. 1228 verzichtet auch das Haus der Askanier auf Ansprüche auf Wildeshausen. Wildeshausen gehörte allerdings weiterhin kirchenrechtlich zur Diözese Osnabrück, die Vogtei befand sich in den Händen der Grafen von Wildeshausen-Oldenburg. Als 1270 das Grafenhaus ausstarb, zog Erzbischof Hildebold dann die Propstei Wildeshausen endgültig an das Erzbistum Bremen. Allerdings waren die Herrschaftsverhältnisse über die Stadt Wildeshausen ungeklärt. Der Erzbischof gewährte in diesem Zusammenhang Wildeshausen 1270 das Stadtrecht nach Bremer Recht.[66] Die Urkunde von 1270 enthält allerdings keine Hinweise auf einen vorgesehenen Rechtszug nach Bremen. Auch sind keine entsprechenden Gesuche erhalten. Es wird allerdings vermutet, dass Rechtsanfragen auf mündlichen Wege erfolgten und möglicherweise vorhandene Urkunden im Zusammenhang mit den Ereignissen des Jahres 1529 vernichtet worden sein könnten.[67]

Das einzige erhaltene Stadtbuch der Stadt Wildeshausen aus dem 14. Jahrhundert umfasst 30 Statuten, die nur geringe Bezugspunkte zum Bremer Stadtrecht aufweisen. Soweit Ähnlichkeiten (etwa die Dreiteilung des Rates) vorhanden sind, können diese auch auf die verwandten städtischen Lebensverhältnisse, ähnliches überkommenes Recht oder den Zeitgeist zurückgeführt werden. Die Bestimmungen des Wildeshauser Stadtbuches stehen jedoch in keinem Widerspruch zu den Bestimmungen im Bremer Stadtrecht. Allerdings wird zu Beginn einer Regelung, die Schadensersatz- und Schuldfragen bei Feuersbrünsten betrifft, die Gemeinsamkeit mit dem Bremer Recht ausdrücklich betont.[68]

Wildeshausen wurde vom Bistum Bremen häufig verpfändet, es erfreute sich durch diese Verpfändungenund der damit verbundenen Unsicherheiten über die Herrschaftsverhältnisse sowie einer gewissen Randlage zu verschiedenen Machfaktoren einer sehr großen Selbstständigkeit. 1429 war eine Verpfändung an das Bistum Münster erfolgt, dieses hatte Wildeshausen seinerseits weiterverpfändet an den eigenen Vasallen, den Amtmann von Harpstedt Wilhelm von dem Busche. 1509 versuchte das Bistum Bremen Wildeshausen wieder an sich zu ziehen, die Wildeshausener verweigerten Erzbischof Johann III. von Bremen allerdings die Huldigung. Gleichzeitig setzte insgesamt in Wildeshausen vor dem Hintergrund der Reformation eine priester- und kirchenfeindliche Bewegung ein. Schließlich überfielen die Wildeshausener Untertanen des Bistum Münster, wobei ein Priester der Diözese getötet wurde. Über Wildeshausen wurde daraufhin die Reichsacht verhängt. Der Bischof von Münster wurde zur Durchführung der Reichsacht ermächtigt. Im Rahmen dessen wurden der Stadt Wildeshausen alle Hoheitsrechte entzogen, die bisherige Stadt wurde (vorübergehend) zum Flecken abgestuft und alle bisherigen Rechte zumindest vorübergehend auf das Gogericht auf dem Desum (bei Emstek) übertragen. Die Hauptfahrt zur Einholung von Rechtsrat nach Bremen wurde ausdrücklich untersagt. Damit endete die Zugehörigkeit Wideshausens zur bremischen Stadtrechtsfamilie.[69][70]

Oldenburg (1345)

Oldenburg entstand um die wahrscheinlich schon 1108 bestehende Burg der Grafen von Oldenburg. Der Ort war dann durch das Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit Sitz der Grafen und nahm damit den typischen Charakter einer Residenzstadt an. Ein Markt lässt sich in Oldenburg erst 1243 nachweisen, der von den Grafen dann aber gefördert wurde, um vom Handel zwischen Bremen und Friesland beziehungsweise Westfalen zu profitieren. Zunächst macht sich ein Einfluss des westfälischen Stadtrechtes bemerkbar. So werden in einer Urkunde von etwa 1299 Schöffen erwähnt, die für die niedersächsischen Stadtrechte untypisch sind, wohl aber in den westfälischen Stadtrechten vorkommen. In späteren Urkunden wird allerdings von „consules“ gesprochen; Schöffen werden nicht mehr erwähnt. Es lässt sich dann eine allmähliche Übernahme des Bremer Rechts feststellen, so wurde Bremer Stadtrecht für das erste Oldenburger Stadtbuch abgeschrieben, vermutlich war Bremen auch das Vorbild für die oldenburger Ratsverfassung von 1300. 1345 erteilte der Graf von Oldenburg schließlich ein Privileg, in dem er Oldenburg städtische Freiheiten verleiht und die Stadt unter das Bremer Recht stellt. Die Urkunde nennt aber eine Vielzahl von Vorbehalten. So behält sich der Graf die Abhaltung eines Gerichtes durch einen Vogt und andere Regalien vor. Der Stadt wurden selbstständige Bündnisse mit Dritten untersagt. Gleichzeitig teilte der Graf den Räten von Osnabrück und Dortmund mit, dass er Oldenburg zur freien Stadt erhoben habe, sie unter bremisches Recht gestellt und ihr sieben Messen erlaubt habe. Damit wird deutlich, dass es vor allem um eine Förderung des Handels durch einen Abbau der Handelsbeschränkungen und durch Schaffung von Rechtssicherheit für die Kaufleute ging. 1429 und 1463 wird das Bremer Stadtrecht, allerdings zusammen mit den Einschränkungen, bestätigt.[71][70]

1433 betonte der Graf von Oldenburg in Auseinandersetzungen zwischen dem Rat Oldenburgs, dass er keinesfalls alle Rechte des Bremer Stadtrechtes verliehen habe, insbesondere die peinliche (das heißt strafrechtliche) Gerichtsbarkeit behielt er sich ausdrücklich vor. Danach konnte in zivilrechtlichen Streitigkeiten Rechtsrat in Bremen eingeholt werden; Strafsachen gehörten nicht vor ein Gericht der Stadt oder den Rat, sondern ausschließlich vor die gräflichen Gerichte. Wie der Instanzenzug in Zivilsachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit im einzelnen verlief, lässt sich im Einzelnen nur vermuten. Sicher bestand ein Rechtszug vom Oldenburger Rat an den Bremer Rat als Oberhof. Rechtsanfragen von oldenburgischen Untergerichten direkt an den Rat in Bremen konnten allerdings bislang nicht nachgewiesen werden.[72] Einen überlieferten Sonderfall stellt der Rechtsstreit zwischen dem Grafen von Oldenburg und Alf Langwarden dar, einem abgesetzten Bürgermeister Oldenburgs. Auf Ersuchen Langwardens wurde der Bremer Rat vom Kaiser zur Rechtsentscheidung bevollmächtigt.[72][73] Strittig bewertet wird, wie die Tätigkeit des Bremer Rates in diesem, letztlich in einem Vergleich endenden Prozess zu werten sei. Haase interpretierte das Verhalten des Rates als Versuch sich gegenüber dem Grafen die Rolle eines Obergerichtes zu erschleichen[74]; Eckhardt[75] interpretiert den Vorgang lediglich als die Einsetzung des Bremer Rates als Stellvertreter des Kaisers im Einzelfall. Auch 1575 wurde von Seiten der Grafen von Oldenburg nochmals klargestellt, dass die Gerichtshoheit bei ihnen läge und insbesondere die Privilegien der Stadt Bremen nicht für Oldenburg gelten würden, es gelte lediglich das materielle Bremer Privatrecht. Zur Begründung für diese Position bezog sich der Graf unter anderem darauf, dass Bremen mit seinen Stadtbefestigungen für seinen Schutz selbst aufkommen müsse, da der Erzbischof nichts leiste, er aber die Verteidigung Oldenburgs sicherstelle.[76]

Die Bedeutung des Bremer Stadtrechtes für Oldenburg bewirkte, dass der erste Druck des Bremer Stadtrechtes im Auftrag des königlich-dänischen Justiz- und oldenburgischen Regierungsrat Johann Christoph von Oetken erfolgte. Der Druck erschien 1722 unter dem Titel „Corpus Constitutionum Oldenburgicarum“.[77]

Delmenhorst (1371)

Wie Oldenburg war Delmenhorst Residenzstadt. Hier residierte die jüngere Linie des Hauses Oldenburg, die Grafen von Oldenburg-Delmenhorst. Die Residenz war eine bereits 1259 bestehende Burg. Um 1300 wurde eine Ortschaft bei der Burg erwähnt. 1311 verpflichteten sich die Grafen die Straße von Delmenhorst nach Huchting instand zu halten. 1371 war der Ort soweit gediehen, dass die Delmenhorster Grafen das Stadtrecht nach bremischen Recht verliehen; allerdings unter ähnlichen Einschränkungen, wie die Verwandten in Oldenburg. Trotz der Verleihung des Stadtrechtes blühte Delmenhorst nicht auf. Zurückzuführen ist dies vor allem auf die zu große Nähe zu dem großen Handelsplatz Bremen, der Delmenhorst bis in das 19. Jahrhundert kaum wirtschaftlichen Raum für eine eigene Entwicklung ließ. Erst für 1577 lässt sich überhaupt eine Niedergerichtsbarkeit in Delmenhorst nachweisen, die auch erst 1699 an die Stadt übertragen wurde.[78][79]

Harpstedt (1396)

Für Harpstedt ist eine Urkunde des Grafen Otto von Hoya und Bruchhausen vom 5. März 1396 überliefert. In der Urkunde wird die Absicht des Grafen kundgetan ein Weichbild zu begründen und dieses bremischem Recht zu unterstellen. Haase[80] geht davon aus, dass es sich hierbei um einen abgebrochenen Versuch einer Stadtgründung handelte und dass entgegen der Darstellung älterer Autoren kein weiterer Hinweis auf die Ausdehnung des Bremer Stadtrechtes vorliege. Demzufolge sei von einer Geltung dieses Rechtes in Harpstedt nicht auszugehen. Eckhardt[81][82] weist demgegenüber nach, dass eine abschriftlich überlieferte Urkunde des Bürgermeisters und des Rates des Wigbolds und Bleks zu Harpstedt nach Bremer rechte von 1607 bestehe, die auch mit unse wychbolde nach Bremer rechte und Harpstedeschen Siegel beglaubigt wurde. Ferner ist die Existenz dieses Weichbildes nachweisbar. Auch berief sich Harpstedt noch im 19. Jahrhundert auf die Urkunde.

Rechtsanfragen aus Harpstedt sind allerdings nicht nachzuweisen, ein Oberhofverhältnis zu Bremen ist aber nicht auszuschließen.[82]

Andere Orte

Für Neustadt am Rübenberge ist ein nicht näher datiertes Schreiben an den Rat von Bremen überliefert, in dem um Rechtsbelehrung in drei Fällen gebeten wird. Darüber hinaus liegt noch ein etwa aus derselben Zeit stammendes Schreiben vor, das ein Hilfeersuchen des Neustädter Rates in Bezug auf einen Bremer Bürger an den Rat in Bremen umfasst. Haase[83] meint hieraus die Vermutung ableiten zu können, dass in Neustadt am Rübenberge und wahrscheinlich auch in Nienburg das Bremer Stadtrecht gegolten haben könnte. Eine Urkunde über die Verleihung des Bremer Stadtrechtes liegt allerdings nicht vor. Auch sonst setzt eine Anfrage und Bitte um eine Rechtsbelehrung nicht zwingend die Geltung des Bremer Stadtrechtes voraus. Weitere Belege für eine entsprechende Rechtsbeziehung sind nicht bekannt.[84]

Die Urkunden zum Bremer Stadtrecht

Stadtrechtsbücher für das Stadtrecht von 1303/1308

Für das Stadtrechtsbuch von 1303/1308 lassen sich direkt oder indirekt mindestens sechs Abschriften und eine Originalfassung belegen. In den bremischen Archiven erhalten haben sich bis heute hiervon allerdings nur vier Bücher.[85]

Zunächst ist das Originalstadtrechtsbuch zu nennen. Dieses Rechtsbuch umfasst 108 Pergamentblätter im Format von 33,7 mal 22,7 cm.. Verwendet wurde für diese Urkunde braune Tinte. Für das Register, Zählungen, Überschriften und Auszeichnungsstücke wurde rote; für Zierinitialen wurde abwechselnd rote und blaue Tinte verwendet. Vereinzelt finden sich Initialen in Blattgold. Das Buch ist zweizeilig. Dieses Stadtbuch ist gekennzeichnet durch einen relativ breiten Raum, den die drei nachweislichen Schreiber der ursprünglichen Fassung für Ergänzungen und Novellierungen gelassen haben und eine Vielzahl von solchen Nachträgen bis 1424, die den ursprünglichen Text weitgehend überwuchern. Diese Ergänzungen und Änderungen füllten im Laufe der Zeit fast den gesamten vorgesehenen Freiraum. Der ursprüngliche Text war in einer gotischen Buchminuskel des 14. Jahrhunderts gestaltet. Die späteren Ergänzungen von etwa drei Dutzend unterschiedlichen Händen verfassten Ergänzungen wurden weniger in Buch-, sondern in der Regel jeweils in zeittypischen Kanzlei- und Urkundenschriftformen verfasst. Das Buch weist insgesamt starke Gebrauchsspuren auf und wurde wohl in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in einen aus Schweinsleder bestehenden Renaissanceeinband nach einer Restaurierung neu gebunden.[86]

Die älteste überlieferte Abschrift des Bremer Stadtrechts von 1303/1308 wurde wahrscheinlich für den privaten Nutzen durch einen der Ratsherren verfasst, fand sich dann in der Dombibliothek und gelangte dann unter unbekannten Umständen in die Archive der Stadt Bremen. Die Abschrift umfasst 88 Blätter, ist mit brauner Tinte und für Auszeichnungstexte, Überschriften und Zählungen in roter sowie für Zierinitalen in roter und blauer Tinte gestaltet. Datieren lässt sich die Handschrift durch das letzte aufgenommene Urteil des Rates auf etwa das Jahr 1332. Verfasst ist die Abschrift in Mittelniederdeutsch, lediglich die Datierung und die Eingangsformel sind in lateinischer Sprache.mit 20,5 mal 15,5 cm ist diese Abschrift sehr kleinformatig.[87]

Die zweitälteste überlieferte Abschrift umfasst 93 Blätter aus Pergament mit einer Höhe von 34 cm und einer Breite von 23,5 cm. Diese Abschrift wurde lange für das Original gehalten, erst Oelrich wies durch Schriftvergleich wieder nach, dass es sich um eine Abschrift handelte. Datieren lässt sich das Buch in der Haupthand auf eine Zeit um 1335, die Ergänzungen in dieser Abschrift bis etwa 1420. Verfasst ist diese Abschrift im Wesentlichen in mittelniederdeutscher Sprache, lediglich das Kalendarium, die Eingangsformel, die Datierung und sakrale Texte wurden latinisiert. Auch diese Abschrift ist zweizeilig gehalten und ursprünglich in Form der gotischen Buchminuskel geschrieben worden. Die Abschrift wurde einheitlich von einer Hand gestaltet. Besondere Bedeutung hat diese Abschrift durch drei größere Nachträge, die weniger Novellen als Erweiterungen beziehungsweise Durchbrechungen des ursprünglichen Stadtrechts darstellen. Zunächst sind die sakrale Texte (Auszüge aus der Genesis, dem Johannesevangelium und Heiligengeschichten) dem Stadtrecht vorangestellt. Rechtlich nennenswert ist das mit vier Seiten angehängte Hamburger Schiffs- und Seerecht, was das im ursprünglichen Bremer Stadtrecht nur unvollständig entwickelte Schiffs- und Seerecht erheblich ergänzte. Ferner wurde ein Namensregister an- und ein Kalendarium vorgehängt.[88]

Die dritte erhaltene Abschrift lässt sich auf das letzte Viertel des 14. Jahrhunderts datieren und basiert ihrerseits auf ein nicht überlieferte Abschrift zurück, die ihrerseits vor 1330 angelegt wurde. Diese Abschrift ist die am wenigsten sorgfältig verfasste Abschrift und weist zahlreiche Fehler und Auslassungen auf. Das kleine Format von 20,5 mal 15 cm deutet auf einen privaten Auftraggeber hin. Ergänzungen wurden nicht vorgenommen, Notizen auf freien Blättern der Handschrift deuten aber daraufhin, dass dieses Exemplar noch im 16. Jahrhundert herangezogen wurde. In der Neuzeit wurde diese Abschrift mit einer Abschrift des Stadtrechtes von 1433 aus dem 16. Jahrhundert und des ersten gedruckten Proklams, der „Hochzeits-, Kindelbier- und Begräbnisordnung“ von 1587, zusammengefasst.[89]

Drucke des Stadtrechtes

Durch die Vielzahl der Abschriften der Glossen, die auf Krefting, Wichmann und Almers zurückgingen, und divergierende kursierende Abschriften des Stadtrechtes war es im Laufe der 17. Jahrhunderts kaum möglich, an einen verbindlichen Rechtstext zu gelangen. Bis 1828 erfolgte sogar die Vereidigung der Ratsherren nicht auf dem authentischen Original, sondern auf einer Abschrift. Die fehlende Einigung über einen verbindlichen Rechtstext und seine Kommentierung – Kreftings, Almers und Wichmanns Glossen kamen einer solchen Anerkennung als Kommentierung noch am nächsten – bewirkte, dass es von privater Seite erst spät zu einer Drucklegung kam. Von offizieller Seite unterblieb sie zunächst ganz.

Der erste Druck des Bremer Stadtrechtes erfolgte im Auftrag des königlich-dänischen Justiz- und oldenburgischen Regierungsrat Johann Christoph von Oetkene. Der Druck erschien 1722 unter dem Titel „Corpus Constitutionum Oldenburgicarum“. Zugrunde lag dieser Ausgabe allerdings nicht das Stadtrecht von 1303 (das formell in Oldenburg das ausschlaggebende war) und nicht die Fassung von 1433, sondern die von Krefting überarbeitete Version des frühen 17. Jahrhunderts, einschließlich Kreftings Glossen. Diese Verbindung von Gesetzestext und Kommentierungen führte allerdings dazu, dass das Werk in der Praxis zunächst nicht angenommen wurde, da die Abgrenzung zwischen Gesetz und Kommentar aus damaliger Sicht nicht erkennbar war. Es folgte ein Abdruck im Appendix des zweiten 1748 erschienenen Bandes von Friedrich Esaias Pufendorfs Observationes juris universi. Er hatte hierzu mehrere Abschriften herangezogen und auch die Verdener Statuten und das Hamburger und das Stader Stadtrecht als Vergleichsmaterial hinzugezogen. Gleichwohl gilt der Abdruck noch als nicht originalgetreu. Der Abdruck der Kundigen Rolle sollte auch unzutreffenderweise von 1539 stammen. Die mangelnde Genauigkeit wurde schon von Zeitgenossen bemängelt. Auch die 1765 in Christian Nettelblatts Greinir ... oder Nachlese von alten, neuen, fremden und eigenen ... Abhandlungen' von 1765 enthaltene Druckfassung galt als untauglich, da sie zahlreiche Lücken und Unzulänglichkeiten aufwies.[90]

Den ersten Druck, der von der Rechtspraxis als brauchbar angenommen wurde, ging von dem Juristen und Syndikus der bremischen Kaufmannschaft Gerhard Oelrichs aus. Dieser veröffentlichte zunächst 1767 einen Glossar zum Bremer Stadtrecht („Glossarium ad Statuta Bremensium“, erschienen in Frankfurt am Main). Oelrichs wandte sich dann aber an den Senat um Einsichtnahme in das Originalsstadtrecht und andere Originalurkunden zum Bremer Stadtrecht. 1771 erschien dann seine „Volstaendige Sammlung alter und neuer Gesetz-Bücher der kaiserlichen und des heil. römischen Reichs freien Stadt Bremen aus Original-Handschriften“. Oelrich hatte den Druck selbst unter der Aufnahme von Hypotheken und der Ausstellung von Handfesten finanziert. Der Preis für eine Ausgabe lag bei 4 Reichstalern. Enthalten in dem Buch waren auf 934 Seiten: Die Stadtrechtsfassungen von 1303, 1428, 1433, die Kundigen Rollen von 1450 und 1498, das Oldenburger Stadtrecht von 1345, soweit Abweichungen zum Bremer Recht vorlagen, und einige Land- und Deichrechte des Umlandes. Der Absatz des Buches war allerdings ein wirtschaftlicher Fehlschlag, doch wurde sein Werk bereits von den Zeitgenossen anerkannt. Der Rat Bremens schenkte Oelrich für sein Werk vermutlich einen 1997 von einem seiner Nachfahren bei Sotheby’s zur Versteigerung gegebenen silbernen Tafelaufsatz. Die Ausgabe Oelrichs verdrängte die alten Abschriften und blieb in der bremischen Rechtspraxis bis weit in das 19. Jahrhundert hinein das maßgebliche Werk, trotz vorhandener Lese- und Druckfehler.[91]

Geschichte der Urkunden im 20. Jahrhundert

Die Stadtrechtsurkunden lagerten im Bremer Staatsarchiv. Im Laufe des Zweiten Weltkrieges wurden die Stadtrechtsurkunden zum Schutz vor Bombenangriffen ausgelagert. In der Folge fielen sie in die Hände der Roten Armee und wurden als Beutekunst in die Sowjetunion verbracht.Der größte Teil der Urkunden kehrte 1991 aus Moskau und 2001 aus Armenien zurück. [92]

Literatur

  • Konrad Elmshäuser/Adolf E. Hofmeister (Hrsg.), 700 Jahre Bremer Recht, Veröffentlichungen des Staatsarchivs Bremen Bd. 66, Selbstverlag des Staatsarchivs Bremen, 2003, ISBN 3-925729-34-8, ISSN 0172-7877
  • Carl Haase, Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts im Mittelalter, Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen, Heft 21, Carl-Schünemann-Verlag, 1953
  • Ferdinand Donandt, Versuch einer Geschichte des Bremischen Stadtrechts, 1. Teil: Verfassungsgeschichte, Bremen 1830
  • Ferdinand Donandt, Versuch einer Geschichte des Bremischen Stadtrechts, 2. Teil: Rechtsgeschichte, Bremen 1830

Einzelnachweise

  1. ↑ Urkunde Nr. 27 in: Monumenta Germaniae Historica. Paul Kehr (Hrsg.): Diplomata 10: Die Urkunden Arnolfs (Arnolfi Diplomata). Berlin 1940, S. 39–40 (Digitalisat)
  2. ↑ Urkunde Nr. 307 in: Monumenta Germaniae Historica. Theodor Sickel (Hrsg.): Diplomata 12: Die Urkunden Konrad I., Heinrich I. und Otto I. (Conradi I., Heinrici I. et Ottonis I. Diplomata). Hannover 1879, S. 422–423 (Digitalisat)
  3. ↑ Urkunde Nr. 40 in: Monumenta Germaniae Historica. Theodor Sickel (Hrsg.): Diplomata 13: Die Urkunden Otto des II. und Otto des III. (Ottonis II. et Ottonis III. Diplomata). Hannover 1893, S. 439–440 (Digitalisat)
  4. ↑ a b Dieter Hägermann, Recht und Verfassung im mittelalterlichen Bremen in: 700 Jahre Bremer Recht, S. 17–26
  5. ↑ Ulrich Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, 3. Auflage, C.H. Beck München 1999, ISBN 3-406-45308-2, Randnummer 73 ff.
  6. ↑ Ruth Schmidt-Wiegand, Das geschriebene Recht in der mittelalterlichen Stadt, Bremisches Jahrbuch Bd. 83 (2004), S. 18 (22)
  7. ↑ Timo Holzborn, Die Geschichte der Gesetzespublikation- insbesondere von den Anfängen des Buchdrucks um 1450 bis zur Einführung von Gesetzesblättern im 19. Jahrhundert (Diss. 2003) Juristische Reihe Tenea Bd. 39, Berlin 2003, ISBN 3-86504-005-5, S. 9
  8. ↑ Ruth Schmidt-Wiegand, Das geschriebene Recht in der mittelalterlichen Stadt, Bremisches Jahrbuch Bd. 83 (2004), S. 18
  9. ↑ Evamaria Engel, Die deutsche Stadt im Mittelalter, Albatros Verlag, Düsseldorf 2005, ISBN 3-491-96135-1, S. 82.
  10. ↑ a b Walter Barkhausen, Zur Entwicklung des bremischen Rechts bis zur jüngsten Stadtrechtsfassung von 1433, Bremisches Jahrbuch, Bd. 83 (2004), S. 39 (40)
  11. ↑ Herbert Schwarzwälder, Bremen um 1300 und sein Stadtrecht von 1303, in: 700 Jahre Bremer Recht, S. 29 ff.
  12. ↑ Herbert Schwarzwälder, Bremen um 1300 und sein Stadtrecht von 1303, in: 700 Jahre Bremer Recht, S. 29 (S. 40 ff)
  13. ↑ Herbert Schwarzwälder, Bremen um 1300 und sein Stadtrecht von 1303, in: 700 Jahre Bremer Recht, S. 29 (S. 42, 43 ff.)
  14. ↑ Stephan Laux, Rezension zu 700 Jahre Bremer Recht
  15. ↑ Ruth Schmidt-Wiegand, Das geschriebene Recht in der mittelalterlichen Stadt, Bremisches Jahrbuch Bd. 83 (2004), S. 18 (29)
  16. ↑ Konrad Elmshäuser, Die Handschriften der Bremer Stadtrechtskodifikationen 1303, 1428, 1433, in: 700 Jahr Bremer Recht, S. 46–73
  17. ↑ Konrad Elmshäuser, Die Handschriften der Bremer Stadtrechtskodifikationen von 1303, 1428 und 1433, in: 700 Jahre Bremer Recht, S. 62 f.
  18. ↑ Herbert Schwarzwälder, Bremer Geschichte, Döll-Verlag, Bremen 1993, ISBN 3-88808-202-1, S. 40 ff.
  19. ↑ Carl Haase, Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts im Mittelalter S. 65, 66
  20. ↑ http://www.xxx
  21. ↑ Adolf E. Hofmeister, Von der Kundigen Rolle zur Sammlung des bremischen Rechts, in: 700 Jahre Bremer Recht, S. 267 ff.
  22. ↑ Timo Holzborn, Die Geschichte der Gesetzepublikation – insbesondere von den Anfängen des Buchdrucksum 1450 bis zur Einführungvon Gesetzesblätternim 19. Jahrhundert, Diss. 2003, Juristische Reihe Tenea, Berlin 2003, ISBN 3-86504-005-5, insb. S. 49.
  23. ↑ Adolf E. Hofmeister, Von der Kundigen Rolle zur Sammlung des bremischen Rechts, in: Konrad Elmshäuser/Adolf E. Hofmeister (Hrsg.), 700 Jahre Bremer Recht, S. 267–278.
  24. ↑ a b Walter Barkhausen, Der Entwurf eines Verbeterden Stadtbooks und die Glossen zum Stadtrecht von 1433, in: 700 Jahre Bremer Recht, S. 200 ff.
  25. ↑ Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803.
  26. ↑ Bremens Geschichte, Ein Streifzug durch die Jahrhunderte – Neunzehntes Jahrhundert (1789–1914)
  27. ↑ Andreas Schulz, Die Ablösung des mittelalterlichen Stadtrechts im 19. Jahrhundert, in: 700 Jahre Bremer Recht, S. 250–259.
  28. ↑ Andreas Schulz, Die Ablösung des mittelalterlichen Stadtrechts im 19. Jahrhundert, in: 700 Jahre Bremer Recht, S. 257, 258.
  29. ↑ Andreas Schulz, Die Ablösung des mittelalterlichen Stadtrechts im 19. Jahrhundert, in: 700 Jahre Bremer Recht, S. 259–265.
  30. ↑ Alfred Rinken, „Bremer Recht“ – Kontinuitäten und Dikontinuitäten, Bremisches Jahrbuch Bd. 83 (2004), S. 33 (34 ff.).
  31. ↑ Ulrich Eisenhart, Deutsche Rechtsgeschichte, 3. Auflage, München 1999, Rdnr. 585, 588.
  32. ↑ Ulrich Eisenhart, Deutsche Rechtsgeschichte, 3. Auflage, München 1999, Rdnr. 569.
  33. ↑ Richter, Walter, 100 Jahre Gerichtshaus in Bremen, Der Senator für Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen (Hrsg.), WMIT-Druck-u.-Verlag-GmbH, 1998, ISBN 3-929542-11-0
  34. ↑ Ulrich Eisenhart, Deutsche Rechtsgeschichte, 3. Auflage, München 1999, Rdnr. 574–582b.
  35. ↑ Vgl. im Einzelnen hierzu: Ute Siewerts, Die Sprache des Bremer Stadtrechts von 1303, in: 700 Jahre Bremer Recht, S. 97 ff.
  36. ↑ Karl August Eckhardt, Die mittelalterlichen Rechtsquellen der Stadt Bremen, Schriften der Bremer wissenschaftlichen Gesellschaft, Bremen 1931, S. 14–25
  37. ↑ Konrad Elmshäuser, Die Handschriften der Bremer Stadtrechtskodifikationen von 1303, 1428 und 1433 in: 700 Jahr Bremer Recht, S. 48, 60
  38. ↑ Clausdieter Schott, Sachsenspiegel und Magdeburger Stadtrecht: Impuls und Fundament der Rechtsentwicklung in Europa, forum historiae iuris. Dort insb. zum Magdeburger Stadtrecht.
  39. ↑ Konrad Elmshäuser, Die Handschriften der Bremer Stadtrechtskodifikationen von 1303, 1428, 1433, in: 700 Jahre Bremer Recht, S. 46- 60
  40. ↑ Ruth Schmidt-Wiegand, Das geschriebene Recht in der mittelalterlichen Stadt, Bremisches Jahrbuch, Bd. 83 (2004), S. 18 (25 f.).
  41. ↑ Dieter Hägermann, Recht und Verfassung im mittelalterlichen Bremen 800–1300, in: 700 Jahre Bremer Recht, S. 17–27.
  42. ↑ Konrad Elmshäuser, Die Handschriften der Bremer Stadtrechtskodifikationen von 1303, 1428, 1433, in: 700 Jahre Bremer Recht, S. 46–64
  43. ↑ Walter Barkhausen, Zur Entwicklung des bremischen Rechts bis zur jüngsten Stadtrechtsfassung von 1433, Bremisches Jahrbuch Bd. 83 (2004), S. 39 (45).
  44. ↑ Vgl. zu den Hintergründen zum Zustandekommen dieses Privilegs Hartmut Müller, Karl V., Bremen und die Kaiserdiplome von 1541, Bremisches Jahrbuch Bd. 79 (2000), S. 13 (22)
  45. ↑ Konrad Elmshäuser, Die Vogtei- und Kriminalgerichtsbarkeit in Bremen, in: 700 Jahre Bremer Recht, S. 212 ff.
  46. ↑ a b Konrad Elmshäuser, Die Vogtei- und Kriminalgerichtsbarkeit in Bremen, in: 700 Jahre Bremer Recht, S. 215–220
  47. ↑ Johannes Feest/Christian Marzahn, Bremer Strafjustiz im Übergang, in: Wiltrud Ulrike Drechsel/Heide Gerstenberger/Christian Marzahn (Hrsg.), Criminalia – Bremer Strafjustiz 1810–1850 (Beiträge zur Sozialgeschichte Bremens, Heft 11), ISBN 3-88722-173-7, S. 5 (6)
  48. ↑ Walter Backhausen, Zur Entwicklung des bremischen Rechts bis zur jüngeren Stadtrechtsfassung 1433, Bremisches Jahrbuch Bd. 83 (2004), S. 39 (45).
  49. ↑ Herbert Schwarzwälder, Die Geschichte des Zauber- und Hexenglaubens in Bremen. Erster Teil. in: Bremisches Jahrbuch, Band 46 (1959), S. 156-233.
  50. ↑ Ivette Nuckel, 'Hexenprozesse während des 16. und 17. Jahrhunderts. Ein Vergleich zwischen Bremen und Oldenburg oder "Als auf dem Jodutenberge die Feuer schwelten...' Magisterarbeit an der Universität Bremen, Januar 2004
  51. ↑ Dagmar Hüpper, Das Rechtsbuch der Stadt Bremen, das Hamburger Recht und der Sachsenspiegel, in: 700 Jahre Bremer Recht, S. 152 (155, 156)
  52. ↑ Walter Barkhausen, Zur Entwicklung des bremischen Rechts bis zur jüngsten Stadtrechtsfassung von 1433, Bremisches Jahrbuch, Bd. 83 (2004), S. 39 (40)
  53. ↑ Dagmar Hüpper, Das Rechtsbuch der Stadt Bremen, das Hamburger Recht und der Sachsenspiegel, in: 700 Jahre Bremer Recht, S. 152 (157–161)
  54. ↑ [1]
  55. ↑ Ulrich Weidinger, Schiffs- und Seerecht im Bremer Stadtrecht in: 700 Jahre Bremer Recht, S. 112–134
  56. ↑ Carl Haase, Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts im Mittelalter S. 13 f.
  57. ↑ Albrecht Eckhardt, Der Bremer Stadtrechtskreis, in: 700 Jahre Bremer Recht
  58. ↑ Carl Haase, Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts im Mittelalter S.77 ff.
  59. ↑ Carl Haase, Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts im Mittelalter S.79/80
  60. ↑ Ulrich Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte 3. Aufl. Verlag C.H.Beck, München 1999, 75
  61. ↑ Carl Haase, Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts im Mittelalter S.81, 82
  62. ↑ Carl Haase, Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts im Mittelalter S. 82 ff.
  63. ↑ vgl. auch Albrecht Eckhardt, Der Bremer Stadtrechtskreis in: 700 Jahre Bremer Recht, S. 136, 137.
  64. ↑ Carl Haase, Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts im Mittelalter S. 86–91
  65. ↑ Carl Haase, Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts im Mittelalter S. 92–98.
  66. ↑ Carl Haase, Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts im Mittelalter S. 100–115.
  67. ↑ Albrecht Eckhardt, Der Bremer Stadtrechtskreis, in: 700 Jahre Bremer Recht S. 138
  68. ↑ Carl Haase, Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts im Mittelalter S. 115–118.
  69. ↑ Carl Haase, Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts im Mittelalter S. 122–125
  70. ↑ a b Albrecht Eckhardt, Der Bremer Stadtrechtskreis, in: 700 Jahre Bremer Recht S. 138, 139.
  71. ↑ Carl Haase, Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts im Mittelalter S. 127–133
  72. ↑ a b Albrecht Eckhardt, Der Bremer Stadtrechtskreis, in: 700 Jahre Bremer Recht S. 140, 141.
  73. ↑ Carl Haase, Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts im Mittelalter S. 136–140
  74. ↑ Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts im Mittelalter S. 139 f.
  75. ↑ Der Bremer Stadtrechtskreis, in: 700 Jahre Bremer Recht S. 141
  76. ↑ Albrecht Eckhardt, Bremer Stadtrechtsfamilie und Oberhof, in Stadt Oldenburg (Hrsg.), Der sassen speyghel: Sachsenspiegel – Recht – Alltag, Bd. 1, Oldenburg 1995, S. 249, 256
  77. ↑ Adolf E. Hofmeister, Das Bremer Stadtrecht im Druck, in 700 Jahre Bremer Recht, S. 224.
  78. ↑ Albrecht Eckhardt, Der Bremer Stadtrechtskreis, in: 700 Jahre Bremer Recht S. 142
  79. ↑ Carl Haase, Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts im Mittelalter S. 141, 142
  80. ↑ Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts im Mittelalter S. 143, mit Nachweisen zu älteren Autoren.
  81. ↑ Der Bremer Stadtrechtskreis, in: 700 Jahre Bremer Recht S. 143, 144
  82. ↑ a b Albrecht Eckhardt, Bremer Stadtrechtsfamilie und Oberhof in: Oldenburg (Hrsg.), Der sassen speyghel: Sachsenspiegel – Recht – Alltag Bd. 1, Oldenburg 1995, S. 249, 255.
  83. ↑ Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts im Mittelalter, S. 213. Dies nimmt Martin C. Lockert in Die niedersächsischen Stadtrechte zwischen Aller und Weser : Vorkommen u. Verflechtungen, Diss. Hamburg 1978, ISBN 3-261-02699-5, auf.
  84. ↑ Albrecht Eckhardt, Der Bremer Stadtrechtskreis, in: 700 Jahre Bremer Recht S. 144, 145.
  85. ↑ Konrad Elmshäuser, Die Handschriften der Bremer Stadtrechtskodifikationen von 1303, 1428 und 1433 in: 700 Jahre Bremer Recht, S. 46 (61).
  86. ↑ Konrad Elmshäuser, Katalog der mittelalterlichen Bremer Stadtrechts-Handschriften, in: 700 Jahre Bremer Recht S. 74 (75–77).
  87. ↑ Konrad Elmshäuser, Katalog der mittelalterlichen Bremer Stadtrechts-Handschriften, in: 700 Jahre Bremer Recht S. 74 (81–83).
  88. ↑ Konrad Elmshäuser, Katalog der mittelalterlichen Bremer Stadtrechts-Handschriften, in: 700 Jahre Bremer Recht S. 74 (78–81).
  89. ↑ Konrad Elmshäuser, Katalog der mittelalterlichen Bremer Stadtrechts-Handschriften, in: 700 Jahre Bremer Recht S. 74 (83–84).
  90. ↑ Adolf E. Hofmeister, Das Bremer Stadtrecht im Druck, in 700 Jahre Bremer Recht, S. 223 ff.
  91. ↑ Adolf E. Hofmeister, Das Bremer Stadtrecht im Druck, in 700 Jahre Bremer Recht, S. 227–230.
  92. ↑ wwwxxx

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Bremer Kirchengeschichte

Bremen war seit 787 Sitz eines Missionsbistums und Zentrum der Missionstätigkeiten des angelsächsischen Bischofs Willehad. Nach dem letzten Sachsenaufstand zu Beginn des 9. Jahrhunderts wurde Bremen unter Bischof Willerich dann zum regulären Bistum. Nach der Vertreibung Ansgars durch die dänischen Wikinger aus Hamburg wurde Bremen zum Sitz eines Missionserzbistums mit der Aufgabe, Skandinavien zu missionieren. Durch die Reformation wurde die Stadt mehrheitlich protestantisch, jedoch fand seit Ende des Dreißigjährigen Krieges im Schutze des Kaiserlichen Kommissars und späteren Kaiserlichen Residenten wieder römisch-katholischer Gottesdienst statt, zunächst in einer alten Domkurie und später meistens im gemieteten Haus des Kaiserlichen Residenten.

Vor der Reformation

Bremen wurde 787 Sitz eines Bistums, das zunächst dem Erzbistum Köln unterstellt war. Seit 845 war der aus Hamburg vertriebene Missionerzbischof Ansgar auch Bischof von Bremen. Die Bistümer Hamburg und Bremen wurden 893 zu einem Erzbistum vereinigt. Es behielt in der Folge zwei Dome und zwei Domkapitel, jeweils in Bremen und Hamburg. Danach versuchte das Bistum mehrmals, sein Herrschaftsgebiet auf den Norden Europas auszudehnen. 1223 ging der Erzbischofstitel von Hamburg auf Bremen über. Hauptkirche war danach der Bremer Dom. Im 13. Jahrhundert wurde im Schnoor ein Franziskanerkloster errichtet. Erste Pfarrkirche wurde die Veits- beziehungsweise Liebfrauenkirche. Auf Veranlassung von Papst Gregor IX. kam es 1229 durch den Bremer Erzbischof Gerhard II. zur Neufestsetzung der Kirchspielgrenzen, wodurch neben der Liebfrauenkirche die neuen Sprengel St. Ansgarii und St. Martini entstanden. Die erste evangelische Predigt wurde in Bremen 1522 von dem Augustinermönch Heinrich von Zütphen in einer Kapelle der St. Ansgarii Kirche gehalten. Danach zog die Reformation Zug um Zug ein und wurde 1532 auch im Dom erzwungen. Die Klöster in Bremen wurden von 1523 bis 1528 geschlossen und die Komturei ging 1564 an Bremen über.

Evangelische Kirche

1534 erhielt Bremen eine neue Kirchenordnung. Wegen innerkirchlicher Streitigkeiten wurde 1561 der (lutherische) Dom geschlossen. In der Stadt herrschte danach überwiegend das reformierte Bekenntnis vor. 1567 wurde in Bremen ein protestantischer Erzbischof eingesetzt. Anfang des 17. Jahrhunderts öffnete sich die Stadt durch Teilnahme an der Dordrechter Synode mehr dem reformierten Bekenntnis. Doch wurde das lutherische Bekenntnis ab 1639 als gleichberechtigt anerkannt, nachdem 1638 der Dom wieder für (lutherische) Gottesdienste geöffnet worden war. Er blieb aber lange Zeit die einzige lutherische Gemeinde der Stadt und wurde nach dem Reichsdeputationshauptschluss 1803 der Stadt eingegliedert. Danach verlor sich das reformierte Bekenntnis mehr und mehr, als die Gemeinden teilweise auch lutherische Prediger beriefen. Neue Gemeinden entstanden und wurden nicht mehr zwischen „lutherisch“ und „reformiert“ unterschieden.

Als Freie Reichsstadt konnte Bremen seine kirchlichen Angelegenheiten selbst regeln. So wurden zum Beispiel 1860 die Grenzen der Pfarrgemeinden aufgelöst. Die einzelnen Gemeinden erhielten ein weitgehendes Selbstbestimmungsrecht. Nach dem Ersten Weltkrieg erhielt die Bremische Evangelische Kirche eine neue Kirchenverfassung, wonach an der Spitze des vom Kirchentag (Synode) gewählten Kirchenausschusses der Bremischen Evangelischen Kirche ein Präsident steht, der kein Theologe ist. Als Theologe steht ihm der „Schriftführer des Kirchenausschusses“ zur Seite (kein Bischof o.ä.). Während des Kirchenkampfes in der Zeit des Nationalsozialismus stand von 1934 bis zur Suspendierung 1941 ein vom Reichsbischof eingesetzter Landesbischof an der Spitze der Landeskirche. Nach 1945 wurde die Rechtsstellung von 1920 wiederhergestellt.

Zur Bremischen Evangelischen Kirche gehört neben den stadtbremischen Gemeinden auch die Vereinigte Protestantische Gemeinde an der Bürgermeister-Smidt-Gedächtniskirche in Bremerhaven. Das ehemalige Stadtgebiet der vormals hannoverschen Stadt Wesermünde, das heute zu Bremerhaven gehört, verblieb im Bereich der Evangelischen Landeskirche Hannovers.

Katholische Kirche

Ab 1648 gab es in Bremen auch wieder katholisches Leben. Der Jesuit Johannes Zweenbrüggen begann mit katholischen Gottesdiensten. Später konnten Katholiken in Bremen im Hause des Kaiserlichen Residenten an den Gottesdiensten teilnehmen, die die beiden Jesuiten als „Hauskapläne“ des Residenten lasen. Sie kümmerten sich ein wenig außerhalb der Bestimmungen des Westfälischen Friedens um die katholischen Bediensteten in Bremen. Bürgerrecht konnten Katholiken nur erwerben, wenn sie einen Beruf hatten, den es in Bremen nicht gab. Aber erst ab 1807 wurde die katholische Kirche in Bremen als gleichberechtigt neben der lutherischen und der reformierten Kirche anerkannt. Mit der Überlassung der ehemaligen Franziskanerkirche St. Johann erhielt die Gemeinde 1816 wieder ein eigenes Gotteshaus und weihte es 1823 ein, nachdem man zuvor den Fußboden wegen der Weserüberschwemmungen um 3 Meter angehoben hatte. 1819 nahm die angrenzende St.-Johannis-Schule ihren Betrieb auf. 1920 wurde die Pfarrgemeinde eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und 1931 wurde Bremen Sitz eines Dekanats des Bistums Osnabrück. Die Dekanate Bremen-Nord und Bremerhaven gehören zum Bistum Hildesheim. Im Jahr 2002 wurde mit dem Birgittenkloster Bremen das erste Kloster seit dem Mittelalter in der Stadt gegründet. Die Katholiken bilden heute eine 11,5% der bremer Bevölkerung umfassende Minderheit. Sie besteht aus Mitgliedern von 120 Nationen.

Freikirchen

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden auch in Bremen freikirchliche Gemeinden. Bereits seit 1845 existiert in Bremen eine baptistische Gemeinde. Johann Gerhard Oncken taufte damals 10 Personen in der Weser und begründete so die baptistische Gemeindearbeit in der Hansestadt. Die Bremer Baptisten gliedern sich heute in sechs autonome Gemeinden in Bremen und Bremerhaven mit insgesamt ca. 1100 getauften Mitgliedern.

Im Jahr 1849 gründete sich neben den Baptisten auch eine Gemeinde der Methodisten, die von Bremen aus eine starke Missionstätigkeit entfalteten. Im Laufe des 20. Jahrhunderts kamen weitere Freikirchen wie die Elim-Gemeinde, die Freie evangelische Gemeinde, die Gemeinde Gottes, die Mennoniten, eine Gemeinde im Mülheimer Verband, die SELK und die Siebenten-Tags-Adventisten hinzu. Einige der freikirchlichen Gemeinden entstanden erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Bremer Mennonitengemeinde wurde beispielsweise 1947, die Freie evangelische Gemeinde (Christus-Gemeinde) erst 1998 gegründet.

Literatur

  • Wilhelm Tacke: St. Johann in Bremen – Eine über 600jährige Geschichte – von den Bettelbrüdern bis zu den Pröpsten. Bremen 2006, ISBN 3-86108-583-6.

 

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Klöster in Bremen

Die Klöster in Bremen sind nicht erhalten. Historisch gab es in Bremen das Kloster St. Paul, das Dominikanerkloster St. Katharinen, das Franziskanerkloster St. Johannis und die Komturei des Deutschen Ordens. Seit 2002 besteht das Birgittenkloster. 1522 kam der Lutherische Augustiner Heinrich von Zütphen durch Bremen und predigte in der Ansgariikirche. Die dann folgende Reformation in Bremen führte dazu, dass sich in Bremen der lutherische Glauben durchsetzte und die Klöster deshalb aufgelöst wurden.

Kloster St. Paul

Das ehemalige Kloster St. Paul der Benediktiner im westlichen Teil des heutigen Ostertorsteinviertels ist nicht erhalten. Es bestand von 1050 bis 1523.

Dominikanerkloster St. Katharinen

Die Dominikaner ließen sich 1225 in Bremen nieder. Sie gründen das Kloster St. Katharinen.

Um 1253 wurde mit dem Klosterbau in der Altstadt zwischen Sögestraße, Unser-Lieben-Frauen-Kirchhof und Domshof begonnen. Das Kloster bestand aus der dreischiffigen Hallenkirche, dem Klosterhof mit dem Kreuzgang, dem Wirtschaftshof, dem Remter, dem Refektorium und den weiteren Aufenthalts- und Wirtschaftsräumen. Die Reste des gotischen Klosters, die Katharinenstraße, der Katharinenklosterhof und die Katharinenpassage erinnern an das Kloster. 1524 wurden in der Folge der Reformation die ersten Dominikaner – u. a. der Abt und der Lesemeister – ausgewiesen. Das Kloster wurde 1528 geschlossen.

In ihren Räumen wird die Lateinschule (siehe bei Altes Gymnasium) und ab 1898 das Historische Museum (siehe bei Focke-Museum) eingerichtet. Das Kirchengebäude war danach Zeughaus der Stadt. Im 19. Jahrhundert war die Kirche auch Lagerhaus. Nach einem Teilabrisse der Kirche blieben Reste bis zur endgültigen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg bestehen. Die Reste des Klosters – u. a. der Remter – sind heute durch die Katharinen-Hochgarage und die Katharinen-Passage überbaut.

Franziskanerkloster St. Johannis

Die Franziskaner ließen sich wahrscheinlich auch 1225 in Bremen nieder. Das Kloster befand sich in der Altstadt. Die Klosterkirche St. Johann, die Klosterkirchenstraße und die Klosterortstraße erinnern an das Kloster.

Mit dem Bau des Klosters wurde um 1258 begonnen. Es bestand aus der heute erhaltenen dreischiffigen gotischen Kirche St. Johann aus dem 14. Jahrhundert, die im 15. Jahrhundert zur Hallenkirche vergrößert wurde. Hinzu kamen die südseitig liegenden, heute nicht erhaltenen, Klostergebäude und Höfe.

Um die 20 bis 30 Franziskaner lebten im 14. bis 16. Jahrhundert im Kloster. Das Kloster wurde 1528 nach der Reformation geschlossen. Die Klostergebäude wurden danach für die Unterbringung von geistig Schwachen genutzt (Irrenhaus). 1834 erfolgte der Abriss der inzwischen maroden Klostergebäude und Wohnbauten entstanden auf dem Gelände. Die Kirche war u. a. Krankenhauskirche und bis 1801 Kirche reformierter („französischer“) Kirchgemeinden.

1823 wurde die Kirche St. Johann nach einer gründlichen Sanierung als erste römisch-katholische Pfarrkirche Bremens nach der Reformation wieder geweiht.

1856 kommen die ersten katholischen Ordensfrauen zur St.-Johannis-Gemeinde und unterrichten in der St.-Johannis-Schule bis 1803. Sie verlassen Bremen, da sie hier nicht mehr im Ordenshabit unterrichten dürfen. Die Franziskanerinnen von Thuine übernehmen die Schuldienste und die Betreuung eines St.-Johannis-Kindergarten in Walle.

Die Franziskanerinnen von Mauritz übernehmen 1869 die Pflege- und Betreuungsdienste im neu gegründeten St.-Joseph-Stift.

Außerdem besteht in direkter Nachbarschaft zur Propsteikirche St. Johann ein Konvent der Franziskanerinnen.

Komturei des Deutschen Ordens

Der beim Dritten Kreuzzug von Kreuzfahrern aus Bremen und Lübeck bei der Belagerung von Akkon (1189–1191) gegründete Deutsche Orden errichtete schon 1230 eine Komturei in Bremen. Eine kleine einschiffige Kirche mit nur zwei Jochen und ein angefügtes Ordenshaus entstanden beim Spittal. Das vorhandene Heiliggeist-Spital wurde übernommen und bald als „Deutsches Haus“ bezeichnet. 1426 wurde der Hospitalbetrieb eingestellt und 1519 das Haus letztmalig erwähnt. Die Komturei befand sich am Ostertor in der Altstadt. Die Komturstraße erinnert an den Standort.

Auch die Ritter des Deutschen Ordens beteiligten sich 1234 am „Kreuzzug“ gegen die Stedinger im Stedingerkrieg.

Nur wenige Ordensbrüder befanden sich in Bremen und nur ein bis zwei Ordenspriester waren bis 1450 tätig. Der Orden wandelte sich zum wohlhabenden Wirtschaftsbetrieb. Obwohl der Orden sich während der Reformation beginnt zu wandeln wird 1531 der Komtur Rolf von Bardewisch und vier seiner Kriegsknechte von den aufgebrachten Bremer Bürgern beim Beginn des Aufstandes der 104 Männer getötet. 1564 erwarb Bremen die Komturei und die 31 dazugehörenden Bauernhöfe. Der letzte lutherische Komtur wohnt und verwaltet das Anwesen noch bis 1583.

Ab 1674 war die Kirche dann nur noch Lager und Packhaus. Die Gebäudereste wurden im Zweiten Weltkrieg zerbombt und 1956 teilweise abgerissen. Die Unterkirche blieb unter dem Gerichtsgebäude – ab 1976 als Restaurant „Komturei“ – erhalten.

Die Jesuiten

Von 1648 bis 1788 – also kurz nach dem Verbot der Jesuiten im Jahr 1773 – wirken die Jesuiten in Bremen, davon einige Patres als „Hofkapläne“ des kaiserlichen Residenten. Sie wirken aber auch inoffiziell für die Bürger und Arbeiter des katholischen Glaubens, in einer Zeit, da die katholische Kirche nicht in Bremen vertreten ist. Ihr Haus befand sich zunächst in der Altstadt und ab 1651 in der Neustadt. Die Jesuiten wirken erst 1963 wieder in Bremen im „Peter-Faber-Haus“ mit einer Kapelle in Schwachhausen am Schwachhauser-Ring 151. 1990 wurde ihre Niederlassung aufgelöst.

Nonnen und Beginen in Bremen

Im mittelalterlichen Bremen gab es nur wenige Nonnen oder Ordensschwestern.

  • Beginen und Beginenhöfe: Beginen sind seit Beginn des 13. Jahrhunderts in Lilienthal und dann seit 1258 bei St. Katharinen tätig und so dem Dominikanerorden seelsorgerisch verbunden. Ein weiteres Beginenhaus war bei der St. Nikolaikirche, die 1260/70 erbaut und um 1650 teilweise abgerissen wurde. Die Beginnen,unverheiratete Frauen aus bürgerlichen Oberschichten, überstanden – inzwischen lutherisch – die Reformation in Bremen. Sie lebten in Häusern in der Hutfilter Straße und danach am Schüsselkorb. Ab 1828 gab es das Katharinenstift, welches 1912 in die Parkallee umzog. Nach den Beginen wurde die Straße „Auf dem Beginenlande“ benannt.
  • Der Beginenhof in der Neustadt war seit 2001 lediglich eine genossenschaftliche Wohngemeinschaft, ebenso wie das Projekt in Horn an der Nernstraße.
  • Birgittenkloster: 2002 wird für die Nonnen des Birgittenordens das Birgittenkloster geweiht.

Andere katholische Ordenstätigkeiten

  • Das katholische St. Theresienhaus in Vegesack wurde von 1927 bis 1989 von den Missionsschwestern vom Heiligen Namen Mariens, auch nach dem Sitz des Mutterhauses der Ordensgemeinschaft in Osnabrück-Nette als „Netter Schwestern“ bekannt, betreut. Einige Schwestern waren noch bis 1999 im katholischen St.-Elisabeth-Haus in Schwachhausen tätig.
  • Von 1959 bis 2003 wirkten Frauen des Säkular-Instituts St. Bonifatius in Bremen und betreuen das Altenzentrum St. Michael in der Neustadt an der Kornstraße.
  • Holländische Patres betreuen ab 1963 die St.-Pius-Gemeinde in Huchting.
  • Im Stadtteil Gartenstadt Vahr (Rethemer Straße) existiert seit dem Jahr 2000 ein Kloster der Marthaschwestern, die in der Caritas und Seniorenbetreuung tätig sind.

Literatur

  • Wilhelm Tacke: Klöster in Bremen. Edition Temmen, Bremen 2005, ISBN 3-86108-545-3.
  • Herbert Schwarzwälder: Das Große Bremen-Lexikon. Edition Temmen, Bremen 2003, ISBN 3-86108-693-X.

 

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Hoyaer Fehde - Bremen

Die Hoyaer Fehde war ein politischer und kriegerischer Konflikt von 1351 bis 1359 zwischen der Hansestadt Bremen und den Grafen von Hoya aber auch zwischen dem Erzbischof vom Bistum Bremen Gottfried von Arnsberg und Graf Moritz von Oldenburg.

Konflikte vor der Fehde

Streit um den Erzbischof

Erzbischof Otto I. Graf von Oldenburg wurde 1344 Erzbischof vom Bistum Bremen. Da er kränkelte, führte der Domdekan Moritz von Oldenburg die Geschäfte. 1348 verstarb Otto. Zwei Kandidaten standen als Nachfolger zur Wahl an: Moritz von Oldenburg und Gottfried von Arnsberg (1285–1363), bis 1349 Bischof von Osnabrück. Moritz wurde von der Mehrheit der Domherren gewählt. Gottfried wurde, unterstützt von der Familie der Grafen von Hoya und vom Avignon-Papst Clemens VI., zum Erzbischof von Bremen ernannt. Die Bremer Bürgerschaft schwankte zwischen den beiden Lagern verschiedentlich hin und her. Die Ratsmehrheit war einerseits auf der Seite von Moritz und schloss ein Landfriedensbündnis. Gottfried konnte aber andererseits einige Sprecher der Gemeinde für sich gewinnen und der Rat musste nachgeben. Am 6. Januar 1350 zog Gottfried in Bremen ein, bestätigte die Privilegien, während Moritz die Stadt verlassen musste.

Krieg zwischen den Parteien

Gottfried beschloss nun mit Hilfe seiner Anhänger aus dem Domkapitel und der Stadt Bremen eine Burg in Lesum zu bauen. Die Gegner, Moritz, einige erzbischöfliche Ministerialien, dann vor allem die Grafen von Oldenburg, die Bauern von Osterstade und Wursten sowie auch die Herzöge Otto III. und Wilhelm II. von Braunschweig-Lüneburg, waren jedoch weit überlegen. 1350 sammelte Moritz 900 Mann bei Ritterhude und hatte gegen Bremen erste Erfolge an der Landwehr beim Rembertihospital und in den dörflichen Gebieten vor dem Ostertor. Durch eine Pest in Bremen starben bei einer Einwohnerzahl von zirka 15.000 über 7.000 Menschen. Das lähmte die Verteidigungsbereitschaft der Stadt, die aufgeben musste. Am 13. Juli 1350 einigten sich die Gegner auf einen Waffenstillstand, klärten in einem Schiedsgerichtsverfahren die Differenzen und schlossen sogar am 12. September 1350 ein Bündnis. Gottfried blieb nominell Erzbischof aber Moritz übte als Amtmann des Erzstiftes die Macht aus.

Die Fehde von 1351 bis 1359

Gottfried hielt sich nun zumeist in der Hauptburg des Grafen von Hoya auf und war von diesem vollständig abhängig. Das einwohnergeschwächte Bremen ließ mehrer Jahre erheblich mehr Zuwanderungen aus dem Umland zu und frühere Leibeigene erwarben nach einem Jahr in Bremen ihre Bürgerfreiheit. Ein Konflikt zwischen Bremen und Hoya entwickelte sich. 1356 beanspruchte der Graf von Hoya für einige seiner umgezogenen Eigenleute – nunmehr freien Bürger – die Auslieferung, da diese in seinem ebenfalls durch die Pest geschwächten Gebieten in der Landwirtschaft fehlten. Den in ihrer Freiheit bedrohten Neubürgern gelang es, dass Bremen dem Auslieferungsbegehren von Hoya nicht entsprach.

Bei der daraus sich entwickelnden Fehde war Bremen verbündet mit Moritz, dem Amtmann des Erzstiftes; dagegen standen die Grafschaft Hoya, die als Verbündeten den starken, gerade zum Herzog von Jülich erhoben Wilhelm I. gewann. Am 20. Juni 1358 verlor Bremen in einem Gefecht an der Aller. 150 Bürger, darunter acht von zwölf Ratsherren, gerieten in Gefangenschaft. Hohe Auslösesummen musste Bremen an Hoya zahlen.

Die Kosten für den Krieg und für die Gefangenenauslösungen führten zu einer Pleite von Bremen. Hohe Vermögenssteuern (Schoss) waren danach erforderlich. Zu dieser Zeit führte 1358 die Hanse einen Boykott gegen Flandern durch. Bremen war damals zwischenzeitlich nicht Mitglied der Hanse. Bremer Kaufleute witterten gute Geschäfte mit Flandern und durchbrachen den Boykott. Die Hanse protestierte, verlangte eine Rechtfertigung und drohte mit Sanktionen gegen Bremen. Die Bremer Kaufleute forderten nun vom Rat der Stadt Bremen ein Einlenken. Das finanziell geschwächte Bremen musste deshalb durch zwei Vertreter der Wittheit (Vertreter der Kaufmannschaft) in Lübeck sehr demütig um Wiederaufnahme in die Hanse bitten und sodann den Flandern-Boykott und Hamburg bei der Bekämpfung der Seeräuber in der Elbe unterstützen. Erst im Juni 1359 kehrten einige der gefangenen Ratsherren von Hoya nach Bremen zurück.

Literatur

  • Herbert Schwarzwälder: Geschichte der Freien Hansestadt Bremen. Band I. Edition Temmen, Bremen 1995, ISBN 3-86108-283-7.

 

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Dänemark

Das Königreich Dänemark (dänisch Kongeriget Danmark) ist ein Staat in Nordeuropa, dessen Staatsgebiet zwischen der Skandinavischen Halbinsel und Mitteleuropa etwa 43.000 km² Fläche umfasst, von der ungefähr ein Drittel auf die insgesamt 443 namentlich genannten Inseln (davon: 72 bewohnte)[2] entfällt (insgesamt: 1419 Inseln über 100 m² Fläche).[3]

Dänemark gehört seit 1973 zur EU. Neben dem eigentlichen Staatsgebiet gehören die innenpolitisch autonomen Gebiete Grönland und die Färöer zum Königreich Dänemark und zur NATO, jedoch nicht zur EU. Sie führen eigene Flaggen und haben eigene Amtssprachen.

Die einzige Landgrenze hat Dänemark zu Deutschland. Im dortigen, ehemals dänischen Südschleswig lebt eine relativ starke dänische Minderheit. In Dänemark gibt es dagegen im ehemals deutschen Nordschleswig eine deutsche Minderheit.

Geographie

Dänemarks Staatsgebiet umfasst (ohne Färöer und ohne Grönland) eine Fläche von 43.094 km², es ist damit größer als die Schweiz oder die Niederlande, aber kleiner als Estland. Dänemark misst von Nord nach Süd 368 km und von Ost nach West 452 km. Nördlichster Punkt des Landes ist Grenen, der südlichste Punkt liegt bei Gedser im Süden der Insel Falster. Westlichster Punkt ist Blåvandshuk in Jütland, gelegen im ehemaligen Ribe Amt, östlichster Punkt liegt bei den Erbseninseln (dänisch Ertholmene), 18 Kilometer nordöstlich von Bornholm.

Wegen seiner Inseln und der zerklüfteten Buchten verfügt das flächenmäßig kleine Land über eine enorme Küstenlänge von 7314 km. Dänemarks einzige Landgrenze besteht im Süden zu Deutschland (Grenzlänge: 67 km), des Weiteren wird das Land durch die Nordsee, das Skagerrak, das Kattegat und die Ostsee begrenzt.

Landschaftsbild

Mit dem nördlichen Teil der Halbinsel Jütlands und seinen Inseln bildet Dänemark den Übergang von Mitteleuropa nach Skandinavien. Obwohl der Festlandsanteil fast 30.000 km² beträgt, sehen die Einwohner ihr Land als Inselreich. Die größte Insel des Landes ist Seeland mit 7.031 km², gefolgt von Vendsyssel-Thy (Nordjütland) mit 4.685 km² (das aber nicht als Insel wahrgenommen wird) und Fünen mit einer Größe von 2.985 km². Seeland, in dessen östlichen Teil die Hauptstadt Kopenhagen liegt, wird durch den Großen Belt von der Insel Fünen getrennt, die wiederum durch den Kleinen Belt von Jütland getrennt ist. Die dritte Meeresstraße in der Region ist der Öresund zwischen Seeland und der Südspitze Schwedens.

Die Eiszeiten des Pleistozäns prägten die Landschaften Dänemarks maßgeblich. Überfuhren Elster- und Saale-Kaltzeit die dänische Halbinsel noch komplett unter Ablagerung von Grundmoränenmaterial, so reichte die Weichsel-Kaltzeit vor rund 20.000 Jahren nur bis etwa zur Mitte Dänemarks. Heute lässt sich diese teilweise Vergletscherung noch anhand der Hauptstillstandslinie der verschiedenen Stadiale der Weichsel-Eiszeit nachvollziehen. Sie teilt Dänemark in das charakteristische Ost- und Westjütland. In Westjütland dominieren ertragsarme Sanderflächen, in Ostjütland finden sich vorwiegend Grundmoränen- und Geschiebematerial. Die Stillstandslinie verläuft etwa vom Südrand des Limfjords zur Mitte Jütlands und von dort nach Süden bis Schleswig-Holstein. Das Land bildet eine Fortsetzung der Norddeutschen Tiefebene, die ebenfalls aus Ablagerungen aus der Eiszeit besteht. Insbesondere der Westteil Jütlands ist sehr flach, nach Osten wird es hügeliger, Moränen aus der Eiszeit gestalten die Landschaft. Hier liegt auch die höchste natürliche Erhebung Dänemarks, der Møllehøj mit 170,86 m über NN. [4][5] Auch die Inseln sind durch ein Wechselspiel von Hügel- und Flachland geprägt. Einzige Ausnahme ist die weit im Osten liegende Insel Bornholm, die nicht aus Ablagerungen besteht, sondern aus Granit, Schiefer und Sandstein aufgebaut ist.

Der Verlauf der Nordseeküste Jütlands ist relativ ausgeglichen, die Küstenlinie der vorgelagerten Inseln ist sehr viel kürzer als die in der Ostsee. Der Mangel an Buchten und großen Dünenfeldern steht einem Hafenbau entgegen und so wurde erst im 19. Jahrhundert mit Esbjerg der einzige bedeutende Hafen an der Westküste Dänemarks gebaut. Der Limfjord im Norden des Landes ist nicht, wie der Name vermuten ließe, ein Fjord, sondern ein etwa 180 km langer Meeresarm, der Jütland fast komplett von Westen nach Osten durchschneidet.

Die Ostseeküste Jütlands ist hingegen formenreich. Meeresbuchten, die Förden, reichen weit ins Land hinein; an ihnen liegen einige Hafenstädte, die zu den ältesten Siedlungsplätzen Dänemarks gehören.

Klima

Trotz der Lage Dänemarks an zwei Meeren, Nord- und Ostsee, ist die jährliche Niederschlagsmenge mit 700 bis 800 mm im Westen moderat und im Osten mit 500 bis 600 mm für mitteleuropäische Verhältnisse sogar niedrig. Auch die Temperaturen sind ausgeglichen: An der Nordsee werden im Juli durchschnittlich 16 °C gemessen, im Osten von Seeland sind es sogar 18 °C. Am Tage liegen die Temperaturen in der Regel über 20 °C, nachts sind es um 13 °C. Im Winter macht sich der mildernde Einfluss des Golfstroms bzw. seines Ablegers, des Nordatlantikstroms, bemerkbar: Landesweit herrschen dann Temperaturen um den Gefrierpunkt (tagsüber um 2 °C, nachts um −3 °C). Die Wassertemperaturen an den Küsten schwanken zwischen 3 °C im Winter und 17 °C im Sommer.

Wichtige Städte

Die dänische Gesellschaft ist stark urbanisiert, über 86 Prozent der Bevölkerung leben in Städten[6]. In der Stadt (Gemeinde) Kopenhagen leben 509.861 Einwohner (Stand: 1. Januar 2008), im Großraum 1.401.883 Menschen. Damit ist Seeland das dichteste Besiedlungszentrum Dänemarks; rund 40 Prozent der Bevölkerung leben auf der Insel. Weitere wichtige Städte sind der Seehafen Århus mit 228.123 Einwohnern (Stand: 1. Januar 2007) im Osten Jütlands, Odense mit 158.453 Einwohner (Stand: 1. Januar 2007), bis 2007 der Verwaltungssitz des Amtes Fyn (Provinz Fünen), Aalborg mit 121.610 Einwohner (Stand: 1. Januar 2007) im Norden des Landes und Hauptstadt der Region Nordjylland. Esbjerg im Westen Jütlands ist der wichtigste Nordseehafen des Landes und mit 71.129 Einwohnern (Stand: 1. Januar 2007) fünftgrößte Stadt in Dänemark. Zu beachten ist, dass die Städte (dän: byer; sing.: by) seit der Gemeindereform vom 1. April 1970 und der Reduzierung der Anzahl der Gemeinden von 1098 auf 277 und ab 1974 auf 275 Gemeinden keine Verwaltungseinheiten sind, sondern lediglich statistische oder geographische Einheiten. Seit der Kommunalreform 2007 gibt es nun 98 Gemeinden in Dänemark.

 

  • Stadt                         Region           Einwohner      Einwohner
  •                                                        1. Januar 2000                 1. Januar 2007
  •          
  • Hovedstadsområdet      Hovedstaden    1.075.851       1.145.804
  • Århus                         Midtjylland         217.260          228.123
  • Odense                       Syddanmark       145.062          158.453
  • Aalborg                       Nordjylland         119.617          121.610
  • Esbjerg                       Syddanmark         73.341           71.129
  • Randers                      Midtjylland           55.761           59.391
  • Kolding                       Syddanmark         53.447            55.407
  • Horsens                      Midtjylland           48.730            51.112
  • Vejle                           Syddanmark        47.930            49.943
  • Roskilde                     Sjælland               43.100            46.071
  • Herning                      Midtjylland           29.216            44.481
  • Silkeborg                    Midtjylland           37.088            41.619
  • Næstved                     Sjælland               39.408            41.510
  • Fredericia                   Syddanmark         36.573            39.356
  • Køge                          Sjælland               32.996            34.735
  • Viborg                        Midtjylland           32.258            34.522
  • Helsingør                    Hovedstaden         34.494          34.339
  • Holstebro                    Midtjylland           31.200            33.548
  • Hørsholm                    Hovedstaden         35.261            33.528
  • Slagelse                      Sjælland               31.259            31.914
  • Taastrup                     Hovedstaden         30.934            31.461
  • Hillerød                       Hovedstaden         27.675            29.382
  • Sønderborg                 Syddanmark         26.757            27.371
  • Svendborg                  Syddanmark         27.499            27.263
  • Holbæk                       Sjælland               23.426            25.987
  • Hjørring                      Nordjylland          24.829            24.729
  • Frederikshavn             Nordjylland           24.680            23.499
  • Haderslev                    Syddanmark         21.114            21.182
  • Skive                          Midtjylland           20.639            20.556

 

Gewässer

Aufgrund von umfassenden Begradigungen folgt kaum einer von Dänemarks Flüssen und Bächen noch seinem natürlichen Lauf. Längster Fluss des Landes ist die Gudenå mit 160 Kilometern, welche während der letzten Eiszeit durch die Glazialströme entstand. Die Kongeå (deutsch: Königsau) war zwischen 1864 und 1920 Grenzfluss zwischen dem Deutschen Reich und Dänemark. Weitere Flüsse in Dänemark sind die Odense Å, die Vidå und die Skjern Å.

Das Land umfasst zahlreiche kleinere und größere Seen. Der größte See ist der Arresø mit einer Fläche von etwa 40 km² – er liegt östlich von Frederiksværk. Zweitgrößter See des Landes ist Stadil Fjord (19 km²) auf Jütland und drittgrößter der Esromsee mit einer Fläche von 17,36 km² – er liegt, wie auch Arresø, teilweise in der Gemeinde Hillerød in der Region Hovedstaden auf der Insel Seeland.

Umwelt

Die Umwelt des Landes hat nach Jahrhunderten der Abholzung und Zerstörung von Weideflächen schwere Schäden erlitten. Insgesamt befinden sich rund 20 Prozent des Ackerlandes auf Meereshöhe oder knapp darüber und ein Großteil davon in ökologisch anfälligen Feuchtgebieten, die durch Abpumpen von Wasser anbaufähig gemacht wurden.

Flora und Fauna

Etwa 12 Prozent Dänemarks sind von Bäumen bedeckt, doch alte Waldbestände sind eher selten. Es handelt sich größtenteils um Laubwald, in dem Buche und Eiche vorherrschen. Außerdem findet man Ulmen, Haselsträucher, Ahornbäume, Kiefern, Birken, Espen, Linden und Kastanien. Dänemarks größtes zusammenhängendes Waldgebiet ist Rold Skov, ein 77 km² großer Forst, der für die Öffentlichkeit zugänglich ist. In den Niederungen des westlichen Jütland sind vereinzelt Hochmoore erhalten geblieben. Daneben gibt es die für Mitteleuropa typische Vegetation der Dünen und Heiden.

Das größte wild lebende Tier Dänemarks ist der Rothirsch, der über 200 kg schwer werden kann. Man trifft auch auf Reh, Damhirsche, Hasen, Eichhörnchen und Igel. Zu den landbewohnenden Raubtieren gehören Füchse, Dachse, Marder, Waschbären und Marderhund. An den Küsten von Nord- und Ostsee leben Seehunde. In Dänemark gibt es fast 400 Vogelarten, von denen Elstern, Tauben, Blässhühner, Gänse und Enten am weitesten verbreitet sind. Durch die lange Küstenlinie ist auch die wasserbewohnende Vogelwelt mit Möwen, Seetauchern und Seeschwalben äußerst vielfältig. In den Meeren rund um Dänemark leben zahlreiche Meeresfische, vor allem Dorsche, Lachse, Heringe und Schollen bilden die Grundlage der Fischerei.

Bevölkerung

Bevölkerungsstruktur

Die Bevölkerung Dänemarks ist sehr homogen, über 90 Prozent der Bevölkerung sind Dänen. Größere Minderheiten sind Angehörige anderer skandinavischer Völker sowie Türken und die deutsche Minderheit. Letztere hat genau wie die dänische Minderheit im deutschen Bundesland Schleswig-Holstein eine Sonderstellung. Die meisten der etwa 15.000 – 25.000 sich selbst als Deutsche Volksgruppe Bezeichnenden leben dicht an der Grenze zu Deutschland, ihr Bevölkerungsanteil beträgt im Gebiet Nordschleswig (entsprach bis zur Gebietsreform 2007 dem Amt Sønderjylland) ca. 6 – 10 %. 1955 regelten Deutschland und Dänemark die Rechtsfragen in zwei Grundsatzerklärungen, den Bonn-Kopenhagener Erklärungen: Die jeweilige Minderheit erhielt u. a. Förderungen für ihre Schulen, Büchereien, Pfarrämter etc. sowie die Anerkennung der eigenen Schulabschlüsse und auch politische Privilegien.

Sprache

Die Amtssprache Dänemarks ist Dänisch. Als Minderheitensprache ist in Nordschleswig (im dänischen Teil Schleswigs bzw. Südjütlands) auch Deutsch anerkannt. Daneben haben in einigen Landesteilen auch Dialekte wie Sønderjysk und Bornholmsk eine relativ starke Verankerung. Auf den Färöern und in Grönland sind neben dem Dänischen Färöisch bzw. Grönländisch offizielle Amtssprachen.

Die dänische Sprache gehört zusammen mit Isländisch, Färöisch, Norwegisch und Schwedisch zum nordgermanischen Zweig der Indogermanischen Sprachen. Bis zum Ende der Wikingerzeit unterschieden sich die skandinavischen Mundarten nur unwesentlich voneinander. Älteste gemeinsame Zeugnisse sind die Runeninschriften aus dem 3. Jahrhundert, die von Jütland bis Südschweden gefunden wurden. Erst ab dem 12. Jahrhundert wird die Abspaltung des Dänischen deutlich. Als auffälligstes lautliches Merkmal entwickelte sich der Stoßlaut bei betonten Silben: durch kurzzeitigen Stimmlippenverschluss wird der Luftstrom und somit der Laut für einen Augenblick unterbrochen. Geschrieben wird mit dem um drei Buchstaben erweiterten Alphabet. Den deutschen Umlauten ä und ö entsprechen im Dänischen æ bzw. ø; dazu kommt der Buchstabe å, der bis 1948 aa geschrieben wurde.

Der dänische Wortschatz enthält viele mittelniederdeutsche Lehnwörter. Mittelniederdeutsch war die traditionelle lingua franca des Nordens und der Hanse, zeitweise auch die Sprache der dänischen Könige und des Hofes, sowie die Kommandosprache der Armee. Heute ist Englisch die wichtigste Fremdsprache in Dänemark, aber auch das Deutsche und Französische haben noch immer einen nicht unerheblichen Einfluss. Ca. 90 % der Schüler lernen zumindest zeitweise Deutsch als zweite Fremdsprache.

Religion

Die Religionsfreiheit wird durch das Grundgesetz Dänemarks garantiert.

Wie in den anderen skandinavischen Ländern ist auch hier Protestantismus bestimmend: Die große Mehrheit (80,9 %; Stand 1. Januar 2010)[10] der Dänen gehört zur staatlich verankerten evangelisch-lutherischen Volkskirche (Folkekirken) 0,6 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr und 4 Prozentpunkte weniger als 2000, die in der Reformationszeit (siehe Reformation in Dänemark) bruchlos und unter Beibehaltung vieler Traditionen und Zeremonien aus den katholischen Bistümern des Landes entstand. Die dänische Volkskirche ist die einzige Glaubensgemeinschaft, die vom Staat unterstützt wird. Die Leitung liegt in den Händen des Folketings als der gesetzgebenden Instanz. Oberhaupt der Kirche ist die dänische Königin, höchste administrative Instanz ist der Kirchenminister.

Katholiken (Diözese Kopenhagen) (0,6 %) und Muslime (3 %) sowie Angehörige anderer religiöser Minderheiten stammen größtenteils aus Einwandererfamilien. Genauso wie in Norwegen, Island und Liechtenstein findet sich in Dänemark keine institutionelle Trennung zwischen Kirche und Staat.

 

  •            Folkekirken
  •  
  • Jahr Bevölkerung Mitglieder Prozent
  • 1984 5.113.500       4.684.060   91,6%
  • 1990 5.135.409       4.584.450   89,3%
  • 2000 5.330.500       4.536.422   85,1%
  • 2005 5.413.600       4.498.703   83,3%
  • 2007 5.447.100       4.499.343   82,6%
  • 2008 5.475.791       4.494.589   82,1%
  • 2009 5.511.451       4.492.121   81,5%
  • 2010 5.534.738       4.479.214   80,9%
  •  
  • Zahlen und Fakten 1984–2002[7],
  • 1990–2009[8] und 2010[9], Quelle Kirkeministeriet

 

Geschichte

Das Volk der Dänen soll im 6. Jahrhundert aus Schonen nach Jütland und auf die westlichen Ostseeinseln, wo es andere germanische Stämme verdrängte, gekommen sein. Im 10. Jahrhundert vereinigte Gorm der Alte († 950) die einzelnen Kleinkönigreiche unter seiner Herrschaft. Sein Sohn Harald Blauzahn nahm um 960 den christlichen Glauben an. Bis 1035, als Knut der Große starb, gelang den dänischen Königen die Eroberung weiter Teile der britischen Inseln, Norwegens und der von 975 bis 1026 fränkischen Mark Schleswig (zwischen Eider und Schlei). Bis weit in das 11. Jahrhundert wurden u. a. die Dänen, Schweden und Norweger als Wikinger bezeichnet, welche in ganz Europa Kolonien gründeten und Handel trieben, aber auch ganze Länder und Landstriche plünderten und Kriege führten. Nach einer kurzen Phase der Schwäche begann mit Waldemar I. ein erneuter Aufstieg. Große Teile der südlichen Küstenregionen fielen an Dänemark, 1219 sogar Estland. Der Besitz dieser Gebiete war allerdings nicht von langer Dauer, da die Deutschen Dänemark 1227 bei Bornhöved schlugen, Estland 1346 an den Deutschen Orden verkauft wurde und Dänemark 1370 die Vorherrschaft der Hanse in der Ostsee anerkennen musste. Die dänischen Herrscher richteten ihren Blick nun nach Norden: 1397 wurden Dänemark, Norwegen, Island, Schweden und Finnland in der Kalmarer Union vereint, die unter dänischer Vorherrschaft stand. Der Verbund existierte, bis 1523 Schweden seine Unabhängigkeit zurück erlangte.

Bis ins 17. Jahrhundert hinein blieben die Auseinandersetzungen mit Schweden bestimmend, da beide Königreiche um die Oberherrschaft in Skandinavien und im baltischen Raum kämpften. Schonen, Blekinge und Halland (Teile des heutigen Schwedens) waren das eigentliche Herkunftsgebiet der Dänen und fielen erst 1658 an Schweden. Das Geistesleben jener Zeit war von der Reformation bestimmt, die 1536 von Christian III. eingeführt wurde. Frederick III. ersetzte 1660/1661 das bestehende Wahlkönigtum zugunsten einer Erbmonarchie. Die Reformminister Johann Hartwig Ernst von Bernstorff, Johann Friedrich Struensee und Andreas Peter von Bernstorff modernisierten das Land zwischen 1751 und 1797 im Sinne der Aufklärung, wobei vor allen Dingen die Bauernbefreiung von 1788 bedeutsam war. Während der napoleonischen Zeit blieb Dänemark bis zur zweiten Seeschlacht von Kopenhagen neutral, kooperierte danach mit Frankreich und musste nach dessen Niedergang bereits im Frieden von Kiel 1814 Helgoland an Großbritannien und Norwegen an Schweden abtreten. Island, die Färöer, Grönland und Dänisch-Westindien (bis 1917) verblieben jedoch bei Dänemark.

Die Dänische Nationalbewegung und die Liberalen begannen in den 1830er Jahren an Macht zu gewinnen, und nach den europäischen Revolutionen um 1848 (vergleiche Märzrevolution) etablierte sich Dänemark 1849 zu einer konstitutionellen Monarchie unter der Linie Glücksburg des Hauses Oldenburg: Es erhielt seine erste Verfassung. Eine wichtige Rolle spielte in dieser Zeit der bedeutende dänische Theologe, Pädagoge, Dichter und Politiker N.F.S. Grundtvig.

Die Ideen der Französischen Revolution hatten auch in Dänemark den Nationalgedanken gestärkt, und damit den Gegensatz zwischen Dänen und Deutschen, die um den Süden von Jütland in Form des Herzogtums Schleswig (auch Südjütland) konkurrierten. Dänemark unterlag in zwei Dänisch-Deutschen Kriegen 1848–1851 und 1864, Schleswig und Holstein wurden 1871 Teil des deutschen Reiches. Diese Niederlagen bewirkte tiefe Einschnitte in die Entwicklung der nationalen Identität Dänemarks. Hieran erinnert heute noch die nationale Gedenkstätte bei den Düppeler Schanzen, wo jedes Jahr am 18. April der Jahrestag der verlorenen Entscheidungsschlacht begangen wird. Die Außenpolitik der Nation nahm einen strikten Neutralitätskurs an, wobei der große deutsche Nachbar nicht provoziert werden sollte. Diese Politik wurde im Prinzip bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs beibehalten. Das ging sehr weit: Bei einer wichtigen Abstimmung des Völkerbundsrates am 17. April 1935 gegen die deutsche Wiederbewaffnung enthielt Dänemark sich als einziger von 17 Staaten der Stimme. [11]

Im Ersten Weltkrieg blieb das Land neutral. 1920 fiel nach einer Volksabstimmung im nördlichen und mittleren Schleswig (dän. auch Sønderjylland / Südjütland) dessen nördlicher Teil - Nordschleswig - an Dänemark. Der mittlere und südliche Teil - Südschleswig - blieb bei Deutschland. Die so gezogene Grenze bildet noch heute den Grenzverlauf. Obwohl sich Dänemark auch im Zweiten Weltkrieg neutral verhielt, wurde das Land am 9. April 1940 von Deutschland im Rahmen des Unternehmen Weserübung kampflos besetzt und blieb bis Ende des Zweiten Weltkriegs unter deutscher Kontrolle. Der Widerstand vieler Dänen gegen den Holocaust war vorbildlich. Im Oktober 1943 kam es zu einer beispiellosen Tat, der Rettung der dänischen Juden. Allerdings sympathisierten auch viele Dänen mit den Deutschen, etwa 6000 von ihnen traten der Waffen-SS bei und kämpften bis Kriegsende auf deutscher Seite. Etwa 25 % der dänischen Freiwilligen kamen aus den Reihen der deutschen Minderheit in Nordschleswig.

Nach der Befreiung 1945 war Dänemark Mitbegründer der UNO, der NATO, des Europarats 1949 sowie des Nordischen Rates 1952. 1960 trat es der EFTA bei, wechselte 1973 aber zur EG. Die Volksabstimmung über den Vertrag von Maastricht, der die EG zur EU umwandelte, brachte erst im zweiten Anlauf 1993 ein positives Votum, der Beitritt zur Eurozone scheiterte nach einer Abstimmung 2000.

Am 30. September 2005 veröffentlichte die dänische Tageszeitung Jyllands-Posten eine Serie von zwölf Karikaturen, die den islamischen Propheten und Religionsstifter Mohammed zum Thema haben. Die bildliche Darstellung des Gesichts Mohammeds ist im Islam nach verbreiteter Ansicht verboten und stellt in den Augen vieler Muslime eine Herabwürdigung des Propheten dar. Anfang 2006 erstellten die dänischen Imame Ahmad Abu Laban und Ahmed Akkari ein Dossier, in dem neben den originalen zwölf Karikaturen auch solche abgebildet waren, die nicht aus der Jyllands-Posten stammten und beleidigend-obszönen Inhalts waren, und die angeblich Abu Laban zugeschickt wurden. Unter anderem wurde ein betender Muslim dargestellt, der während des Gebetes von einem Hund bestiegen wurde. Daraufhin kam es zu weltweiten Protesten muslimischer Organisationen, die vom Boykott dänischer Produkte bis hin zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, die mehr als 140 Menschenleben kosteten, reichten. Der Vorfall führte weltweit zu einer Diskussion über die Religions, Presse, Kunst und Meinungsfreiheit. Der Begriff „Karikaturenstreit“ erreichte bei der Wahl zum Wort des Jahres 2006 den dritten Rang.

Politik

Staatsaufbau

Nach der Verfassung von 1953 ist Dänemark eine parlamentarisch-demokratische Monarchie. Das Staatsoberhaupt, das jedoch nur repräsentative Funktionen wahrnimmt, ist die Königin oder der König. Derzeitiges Staatsoberhaupt ist Königin Margrethe II. Das dänische Parlament, das Folketing, besteht aus 179 Abgeordneten, die alle vier Jahre gewählt werden. Unter den 179 Volksvertretern befinden sich zwei Abgeordnete aus Grönland und zwei von den Färöer-Inseln.

Exekutive

Formell liegt die ausführende Gewalt bei der dänischen Königin, in der Praxis wird sie jedoch vom Kabinett ausgeübt, das dem Regierungschef unterstellt ist, der den Titel Staatsminister trägt. Dieser wird vom König ernannt, muss jedoch die Unterstützung der Mehrheit des Parlaments haben.

Seit dem 20. November 2001 wird Dänemark von einer Minderheitsregierung (seit 2009 unter der Leitung von Lars Løkke Rasmussen) aus der rechtsliberalen Partei Venstre und der Konservativen Volkspartei mit Duldung durch die Dänische Volkspartei regiert.

Legislative

Die gesetzgebende Gewalt liegt beim Einkammerparlament, dem Folketing. Gesetze können nur durch gemeinsamen Beschluss des Königs und des Folketing erlassen werden. Ebenso erfordern Kriegserklärungen und die Unterzeichnung eines Friedensabkommens die Zustimmung des Königs und des Parlaments. Die Legislaturperiode ist auf vier Jahre beschränkt. Die 179 Abgeordneten des Folketing werden durch allgemeine Wahlen bestimmt. Das Wahlsystem Dänemarks basiert auf der Verhältniswahl. Alle Bürger ab dem 18. Lebensjahr haben sowohl aktives als auch passives Wahlrecht. Ein Drittel der Abgeordneten können vom Parlament verabschiedete Gesetze zur Volksabstimmung bringen. Bei einer Volksabstimmung muss eine Mehrzahl von Nein-Stimmen mindestens 30 Prozent der stimmberechtigten Wähler umfassen, um das Gesetz zu Fall zu bringen (Grundgesetz § 42).

Neben den dänischen Parteien sind auch Parteien aus den autonomen Territorien Grönland und Färöer mit zusammen vier Sitzen im Parlament vertreten.

Judikative

In der Zeit des Absolutismus in Dänemark von 1661 bis 1849 hatte der König formal den Vorsitz am höchsten Gericht des Landes, dem Obersten Gerichtshof, der 1661 eingerichtet worden war. 1849 schließlich wurden dann unabhängige Gerichte eingerichtet. Die Gerichte wurden in ihren Funktionen unabhängig, aber die Richter wurden weiterhin vom König (bis heute) berufen. Die Verfassung stellte die Einführung von Geschworenen in größeren Strafverfahren und politischen Strafverfahren in Aussicht, ein Versprechen, das erst mit dem Rechtspflegegesetz von 1916 eingelöst wurde.

Nach der Verfassung von 1953 ist die Unabhängigkeit der Richter in ihrem Amt durch § 64 gewährleistet, wonach die Richter sich in ihrem Amt ausschließlich nach dem Gesetz zu richten haben. Im Gegensatz zu anderem staatlichen Personal sind Richter gegen administrative Entlassung geschützt und können nur per Gerichtsurteil entlassen werden.

Fälle werden im Allgemeinen in erster Instanz von einem Amtsgericht behandelt, und gegen das Urteil des Amtsgerichts kann bei einem der zwei Landgerichte Berufung eingelegt werden. Einzelne größere Verfahren sowie Fälle, die Fragen der Verwaltung betreffen, werden von einem der beiden Landgerichte in erster Instanz abgewickelt. Die höchste Instanz ist der Oberste Gerichtshof, (Højesteret) der ausschließlich Fälle bearbeitet, die zuvor von einem der beiden Landgerichte behandelt worden sind.

Militär

Nach der Befreiung von der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg im Mai 1945 musste die dänische Verteidigung mit dem Wiederaufbau der Streitkräfte nahezu von Grund auf neu beginnen. 1950 starteten die USA ihr Waffenhilfsprogramm, u. a. für Dänemark, und im selben Jahr kam es zu einer Reorganisation der militärischen und politischen Führung der Verteidigung. Erst hiernach erreichten die Streitkräfte schrittweise die Truppenstärke und das Bereitschaftsniveau, die sich der regelmäßig festgelegten Sollstärke der NATO annäherten. Die Truppenstärke Dänemarks lag in der Zeit des Kalten Krieges jedoch stets an der unteren Grenze der Anforderungen der Allianz. Die Verteidigungsvereinbarungen zwischen Regierung und Opposition, die die finanzielle und politische Grundlage für die Aufgaben der Verteidigung bilden, sind von einer breiten Mehrheit im Folketing traditionell unterstützt worden. Zurzeit sind 550 dänische Soldaten im Irak und 360 Soldaten sind in Afghanistan stationiert. Dänemark stellt auch 380 Soldaten für die KFOR.[12]

Heer

Das Heer (dän.: Hæren) hat eine Stärke von etwa 15.000 Mann. Die Führung von Heeresoperationen liegt beim Heeresführungskommando in Karup sowie im logistischen Bereich beim Heeresunterstützungskommando in Hjørring. Das Heer besteht aus 17 Regimentern der verschiedenen Waffengattungen, die die Soldaten bis zur Einheitsebene (Kompanie u. a.) ausbilden. Die Ausbildung zum Gefecht der verbundenen Waffen erfolgt in dem jeweils übergeordneten Großverband der Brigade oder militärischen Region, in die sie eingegliedert sind. Dies sind u.a. drei Panzergrenadierbrigaden der Dänischen Division. Eine vierte Panzerinfanteriebrigade wurde als Dänische Internationale Brigade (DIB) aufgestellt. Der Brigade gehören 4.500 Mann als aktive Soldaten und Reservisten an. Etwa ein Drittel davon kann im Rahmen der UN oder OSZE außer Landes eingesetzt werden. Die Zahl entspricht in etwa der, die Dänemark Mitte 1995 primär in den Dienst der UN stellte. Die DIB ist Teil der schnellen Eingreiftruppe der NATO.

Marine

Die Marine (dän.: Kongelige Danske Marine) hat eine Mannstärke von etwa 4.500 Mann. Die Leitung ihrer Operationen liegt beim Flottenkommando in Århus, beim Grönland-Kommando und beim Färöer-Kommando sowie im übergeordneten logistischen Bereich beim Marineunterstützungskommando in Kopenhagen. Die Hauptbasen sind die Marinestützpunkte in Korsør und Frederikshavn. Die Hauptfarbe der Marine ist grau (Tarnung).

Die täglichen Operationen finden in den Geschwadern statt, die sich im Prinzip aus Schiffen zusammensetzen, die ein und denselben Auftrag haben. Zu den Geschwadern gehören Patrouillenfregatten, Korvetten, Flugkörperschnellboote, Minenleger sowie verschiedene kleinere Schiffe. Darüber hinaus verfügt die Marine über mobile landgestützte Seezielflugkörper-Batterien. Die meisten der kleineren Schiffe gehören zur STANDARD FLEX 300-Klasse, einem auf Modulbauweise basierenden Schiffstyp. Er kann je nach Ausrüstung und Ausbildung der Besatzung als Überwachungsboot, U-Jagdboot und Minenleger/Minenräumboot eingesetzt werden. Über ihre Unterstützungsfunktionen hinaus gehört zu den Aufgaben der Marinestützpunkte die Überwachung der dänischen Gewässer, verteilt auf drei Marineabschnittskommandos sowie Ausbildungseinrichtungen an Land. Die Marine hat fest stationierte Einheiten zur Fischereiüberwachung und zur Wahrung der Souveränitätsrechte vor Grönland und den Färöern. Zur Teilnahme an friedensfördernden Operationen hat die Marine regelmäßig eine Korvette an die NATO delegiert. Nach Abzug der US-Truppen vom Inselstaat Island übernimmt die dänische Marine die isländische Küstenverteidigung gemeinsam mit der isländischen Küstenwache.

Luftwaffe

Die Luftwaffe (dän.: Flyvevåbnet) hat eine Mannstärke von etwa 6.000 Mann. Die Leitung ihrer Operationen liegt beim Luftwaffenführungskommando in Karup bzw. im übergeordneten logistischen Bereich beim Luftwaffenunterstützungskommando in Brabrand, westlichen Århus und Karup. Die Fliegerverbände verteilen sich auf die Jagd- und Jagdbombergeschwader mit F-16-Jagdflugzeugen auf den Luftwaffenstützpunkten Skrydstrup und Ålborg sowie auf die Transport- und Rettungsgeschwader mit Maschinen vom Typ C-130 Hercules und Gulfstream III auf Aalborg und S-61 Sea King-Helikoptern auf dem Luftwaffenstützpunkt Karup. Die Radarstationen der Kontroll- und Frühwarngruppe überwachen ständig den Luftraum über Dänemark und können zur unmittelbaren Abwehr und Luftverteidigung Jagdflugzeuge einsetzen, im Kriegsfall, auf Befehl des Luftwaffenführungskommandos, zusätzlich Luftabwehrraketen.

Heimwehr

Die Heimwehr (dän.: Hjemmeværnet) besteht aus rund 56.000 Freiwilligen[13] , deren Leitung in Friedenszeiten in den Händen des Heimwehr-Kommandos liegt. Zu der Truppe gehört die Heeresheimwehr, die in territorial abgegrenzten Heimwehrkompanien organisiert ist, welche das gesamte Land ständig überwachen und im Kriegsfall den Truppen der Militärregionen des Heeres zugeordnet sind, die Marineheimwehr, die die Marine unterstützt, und schließlich die Luftwaffenheimwehr, die die Kontroll- und Frühwarngruppe der Luftwaffe durch Überwachung des Luftraums in niedrigen Höhen, bei Bewachungsaufgaben unterstützt.

Außengebiete

Die Färöer und Grönland sind Außengebiete mit weitgehenden Selbstbestimmungsrechten (die Färöer seit 1949, Grönland seit 1979). Beide Territorien gehören nicht zur EU, und in beiden Gebieten gibt es starke Unabhängigkeitsbewegungen.

Außenpolitik

Beziehungen zur EU

Dänemark ist seit 1973 Mitglied in der Europäischen Union. Gemäß der dänischen Verfassung muss jede Übertragung von Souveränitätsrechten durch eine Volksabstimmung entschieden werden. Demnach stimmte das dänische Volk bereits fünfmal in EU-Fragen ab. 1992 wurde der EU-Vertrag von Maastricht im Rahmen eines Referendums abgelehnt. Ein zweiter Anlauf 1993 brachte dann die Zustimmung aufgrund von mehreren „Opt-outs“ in der Wirtschafts- und Währungsunion, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, Justiz- und Innenpolitik und der EU-Bürgerschaft. Die „Opt-outs“ werden seitdem immer wieder in Frage gestellt, weil sie einer weiteren Integration in die EU entgegen stehen. Mit dem Inkrafttreten des EU-Reformvertrages werden sie sogar noch vergrößert. Es ist vorgesehen in den nächsten Jahren erneut Referenden zu den einzelnen Politikbereichen durchzuführen.

Das dänische Parlament hat im April 2008 für den EU-Reformvertrag von Lissabon gestimmt.

Verwaltungsgliederung

Heutige Regionen

Seit dem 1. Januar 2007 ist das Mutterland Dänemark in die folgenden fünf Regionen mit insgesamt 98 Kommunen aufgeteilt:

 

  • Region                     Verwaltungssitz      Bevölkerung     Fläche (in km²)      Bevölkerungsdichte (pro km²)
  • Region  Nordjylland    Aalborg                      578.839            7.927                      73
  • Region  Midtjylland     Viborg                    1.237.041           13.142                      94
  • Region  Syddanmark   Vejle                       1.194.659           12.191,2                   98
  • Region  Hovedstaden   Hillerød                   1.645.825             2.561                    643
  • Region  Sjælland         Sorø                          819.427            7.273                    113

 

Ehemalige Ämter

Bis Ende 2006 bestand eine Einteilung in 16 Ämter (Amtsbezirke) und 270 Kommunen.

Amtsbezirke

  • Århus Amt,
  • Frederiksborg Amt,
  • Fyns Amt (Fünen)
  • Københavns Amt (Kopenhagen),
  • Nordjyllands Amt (Nordjütland),
  • Ribe Amt,
  • Ringkjøbing Amt,
  • Roskilde Amt,
  • Sønderjyllands Amt (Südjütland, Nordschleswig),
  • Storstrøms Amt,
  • Vejle Amt,
  • Viborg Amt und
  • Vestsjællands Amt (Westseeland),

Gemeinden

Die drei folgenden Gemeinden bildeten eigene Ämter:

  • Bornholms Regionskommune,
  • Frederiksberg Kommune,
  • Københavns Kommune.

Medien

In Dänemark beträgt der Anteil der Tageszeitungsleser 347,1 Leser pro 1000 Einwohner.[14] 81% der Bevölkerung verfügte 2007 über einen Internetanschluss; die Breitbandverbreitungsquote lag bei 36%.[15]

Infrastruktur

Straßenverkehr

Dänemark verfügt über ein Straßennetz von 71.347 km inklusive 1010 km Schnellstraßen. 1998 wurde die Storebælt-Brücke eingeweiht, im Sommer 1998 wurde die Brücke für den Straßenverkehr als gebührenpflichtige Autobahn (die Mautstelle befindet sich auf der seeländischen Seite) freigegeben. Der Preis für eine Überfahrt mit einem PKW beträgt 220 DKK (Stand September 2010, ca. 30 EUR). Zwei Jahre später wurde mit der Öresundverbindung die skandinavische Halbinsel angeschlossen, die Europastraße 20 führt über die Brücke.

Schienenverkehr

Das dänische Schienennetz war im Jahr 2000 etwa 2875 Kilometer (wovon 508 km Strecke von Privatbahnen betrieben werden) lang. Neben dem staatlichen Eisenbahnunternehmen Danske Statsbaner werden speziell die Nebenstrecken häufig von Privatbahnen befahren. 2000 wurde die Öresundbrücke eröffnet, sie verbindet Kopenhagen mit der südschwedischen Stadt Malmö. Es gibt eine Bahnverbindung zwischen Hamburg und Kopenhagen über die Lillebæltsbro (über den Kleinen Belt) und über die Storebælt-Brücke (über den Großen Belt), die vom Nachtzug genutzt wird, während am Tag die Eisenbahnfähre von Puttgarden nach Rødby genutzt wird.

Flugverkehr

Das Land verfügt mit dem Kastrup Airport in Kopenhagen, sowie weiteren Flughäfen in Billund, Aalborg, Esbjerg und Århus über fünf internationale Flughäfen.

Wichtige Verkehrsbestimmungen

In Dänemark herrscht Anschnallpflicht und auch bei Tag muss mit Abblendlicht gefahren werden. Telefongespräche sind während der Fahrt nur mit Freisprechanlage gestattet. Es gilt die Vorfahrtsregel „rechts vor links“, jedoch bedeuten kleine weiße Dreiecke auf der Fahrbahn an Kreuzungen „Vorfahrt gewähren!“.

Die Höchstgeschwindigkeit beträgt innerorts 50 km/h, außerorts und auf Schnellstraßen 80 km/h und auf Autobahnen 130 km/h. Für Gespanne und Wohnmobile über 3,5 t gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h, auf Autobahnen 80 km/h. Die Promillegrenze liegt bei 0,5.

Wirtschaft

Allgemein

Dänemark wird von Reformern gerne als Beispiel für einen deregulierten Arbeitsmarkt angeführt, weil das Land über keinen mit der deutschen Regelung vergleichbaren Kündigungsschutz verfügt. Allerdings liegt der Anteil der öffentlich Beschäftigten mit ca. 28 % (800.000) (2006) aller Erwerbstätigen (ca. 2.800.000) etwa doppelt so hoch wie in Deutschland. Umgerechnet nach Vollzeitbeschäftigung steigt diese öffentliche Anteil auf über 38 % von insgesamt über 2,3 Millionen Vollzeitbeschäftigten.[16] Unter dem Motto „Flexicurity“ werden liberale Beschäftigungsregelungen, hohe soziale Absicherung und eine aktive Arbeitsmarktpolitik miteinander kombiniert. Arbeitslose erhalten eine wesentlich höhere Arbeitslosenhilfe als in Deutschland und werden umfassend für neue Stellen qualifiziert.

Der gewerkschaftliche Organisationsgrad ist extrem hoch (über 75 %). Tarifverhandlungen finden zentralisiert zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften statt. Zwar besitzt Dänemark keinen gesetzlich festgelegten Mindestlohn, aber Mindestentgelte werden in der Regel durch Tarifverträge normiert und von den Betrieben eingehalten. Die Gewerkschaften haben das Recht, zum Boykott gegen Arbeitgeber aufzurufen, die sich nicht an die Tarifregelungen halten. Obwohl das dänische System den Arbeitgebern hohe Zugeständnisse abverlangt, wird es im Allgemeinen von allen Beteiligten akzeptiert, weil es sich in den vergangenen 100 Jahren als sehr erfolgreich erwiesen hat.

In internationalen Vergleichen schneidet Dänemark zumeist sehr gut ab. Die Beschäftigungsquote - auch bei älteren Arbeitnehmern - ist die höchste in der EU. Trotz der extrem hohen Steuer- und Abgabenquote (der Mehrwertsteuersatz beträgt 25 %, dies gilt ebenfalls für Bücher und Lebensmittel, der Spitzensteuersatz der Einkommensteuer liegt bei 59 %) gilt das Land als sehr flexibel und wettbewerbsfähig. Der Lebensstandard der Dänen ist einer der höchsten in der Welt, die Staatsverschuldung vergleichsweise niedrig. Im Vergleich mit dem BIP der EU ausgedrückt in Kaufkraftstandards erreicht Dänemark einen Index von 126 (EU-27:100) (2006).[17] Mit Haushaltsüberschüssen von 4,9 % und 4,2 % des Bruttosozialprodukts war Dänemark in den Jahren 2005 und 2006 Spitzenreiter in der EU.

Arbeitslosigkeit

Im Oktober 2008 betrug die Zahl der Arbeitslosen 47.700 (1,7 % Saisonkorrigiert; Vollzeitpersonen) was ein Plus von 1.800 im Vergleich zum Vormonat bedeutete. Es ist dabei zu beachten, dass die neue Arbeitslosenstatistik - mit den neuen Zahlen ab 2000 - etwa arbeitslose Menschen in den Ferien - insbesondere Neuausgebildete - nicht erfasst.[18] Das sind rund 15.000 Vollzeitarbeitslose.[19] Nach der Statistik von Eurostat ist die Arbeitslosenzahl 3,2 % (Oktober 2008). [20] 2007 lag die Arbeitslosigkeit im Durchschnitt bei 94.000 Personen (alte Statistikmethode), was ein Minus von 30.400 Personen im Vergleich zum Vorjahr bedeutete.

In den vergangenen Jahren hat die Arbeitslosenquote stark abgenommen:

  • 1993 = 12,4 % 
  • 1994 = 12,3 % 
  • 1995 = 10,4 % 
  • 1996 = 8,9 %   
  • 1997 = 7,9 %   
  • 1998 = 6,6 %   
  • 1999 = 5,7 %
  • 2000 = 5,4 %
  • 2001 = 5,2 %
  • 2002 = 5,2 %
  • 2003 = 6,2 %
  • 2004 = 6,4 %
  • 2005 = 5,7 %
  • 2006 = 4,5 %[21]
  • 2007 = 3,4 %[22]

Industrie und Dienstleistung

Dänemark ist ein hochindustrialisiertes Land, mehr als drei Viertel seiner Exporte sind Industriegüter oder Maschinen.[23] Die Industrie und auch die meisten Dienstleistungsfirmen konzentrieren sich vor allem im Großraum Kopenhagen, wohingegen Jütland relativ wenig industrialisiert ist. Die Industrie des Landes trägt etwa 24,9 % zum BIP bei und beschäftigt ungefähr 24 % aller Arbeitnehmer, während der Dienstleistungssektor mit 71,5 % den größten Teil zum BIP beiträgt und mit 73 % die meisten Arbeitnehmer beschäftigt.[24]

Die gemessen an ihrem Umsatz wichtigsten Zweige des produzierenden Gewerbes in Dänemark sind die Lebensmittel- und die metallverarbeitende Industrie sowie das Druck- und Verlagswesen, der Maschinenbau und die Produktion von Elektronikartikeln und Transportmaschinen (vor allem Dieselmotoren für Schiffe und Lokomotiven). Schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts sind dänische Möbel in der ganzen Welt gefragt. Von Bedeutung sind weiterhin die Stahlindustrie, der Schiffbau, das Brauwesen, die Textil- und Bekleidungsindustrie, die Produktion von Zement sowie die Herstellung von chemischen Erzeugnissen und Arzneimitteln. Darüber hinaus werden Keramikgegenstände, Porzellan, Öfen, Fahrräder und Papier hergestellt.

Landwirtschaft

Die Landwirtschaft in Dänemark ist eine hochmechanisierte Branche. Sie trägt ungefähr 2,3 % zum BIP bei und beschäftigt ungefähr 3 % aller Arbeitnehmer.[24]

Mehr als die Hälfte der Landesfläche – Grönland und Färöer nicht eingeschlossen – werden landwirtschaftlich genutzt. Von Natur aus sind die Böden relativ nährstoffarm; ihre Qualität wurde jedoch durch intensive Düngung verbessert. Die dänische Regierung fördert kleine landwirtschaftliche Betriebe. Der Zusammenschluss kleiner Betriebe zu großen Gütern wird gesetzlich erschwert. Rund 85 Prozent der dänischen Bauernhöfe sind Familienbetriebe mit weniger als 50 Hektar.

Auf 60 Prozent der Anbaufläche von circa 2,5 Millionen Hektar wird Getreide angebaut; das Spektrum umfasst Gerste, Hafer, Weizen und Roggen. Die restliche Fläche wird mit Futterpflanzen, Flachs, Hanf, Hopfen und Tabak bepflanzt. Über 50 Prozent der Gesamtfläche werden als Ackerland genutzt. Die überwiegend exportorientierte Fleisch- und Milchwirtschaft spielt eine bedeutende Rolle. Dänemark ist weltweit einer der größten Produzenten von Schweinefleischprodukten.[25] Der Viehbestand umfasst vor allem Schweine, Rinder und Pferde.

Eine Besonderheit der dänischen Landwirtschaft ist der große Einfluss der landwirtschaftlichen Genossenschaften. Sie dominieren die Produktion von Molkereierzeugnissen und Schinken. Ein hoher Prozentsatz der Agrarerzeugnisse wird über die Genossenschaften vermarktet. Die meisten Genossenschaften gehören nationalen Verbänden an, die wiederum Mitglieder im Agrarausschuss sind. Dieses Zentralorgan der Genossenschaften verhandelt mit der Regierung, der Industrie oder mit ausländischen Handelspartnern.

1805 erklärte die Regierung alle Wälder (welche heute ungefähr 12 Prozent der Gesamtfläche Dänemarks ausmachen) zu Naturschutzgebieten. Die große Fischereiflotte Dänemarks spielt in der Wirtschaft des Landes eine bedeutende Rolle. Es handelt sich bei den gefangenen Fischen größtenteils um Meeresfische, unter denen Heringe, Lachse und Dorsche die kommerziell bedeutendsten Arten sind. Der überwiegende Teil der Fanggründe befindet sich in der Nordsee. Bei Fisch werden hohe Ausfuhrüberschüsse erzielt.

Seit 1. August 2000 ist Dänemark von der EU auch als Weinbaugebiet anerkannt. Seither darf dänischer Wein zu kommerziellen Zwecken angebaut und verkauft werden. (Mehr darüber beim Wiki Zunft[wissen][26])

Energie

Durch die Erdöl- und Erdgasförderung in der Nordsee sowie durch Energiesparmaßnahmen kann Dänemark mittlerweile über die Hälfte seines Energiebedarfs selbst decken. Ein großer Teil der Brennstoffverbrauchs (ungefähr 82 %[27]) des Landes wird in Wärmekraftwerken durch die Verbrennung von Kohle und Öl erzeugt. Dänemark ist auch eines der führenden Länder bei der Energiegewinnung durch Windenergie, durch die derzeit etwa 20 % des Strombedarfs gedeckt werden.

Im September 1997 kündigte die dänische Regierung den Bau ausgedehnter Windparks auf See an. Vor der dänischen Küste sollen Windparks mit insgesamt rund 500 Windenergieanlagen von je 90 Meter Höhe gebaut werden. Durch diesen Beschluss sollen bis zum Jahr 2008 insgesamt 15 % des dänischen Bedarfs an Elektrizität durch Windenergie gedeckt werden. Nach Angaben des Umweltministeriums ist ein Anstieg auf 50 % für das Jahr 2030 geplant. Mit dem Bau der Windparks, die auf Nord- und Ostsee verteilt werden, wurden dänische Elektrizitätsunternehmen beauftragt. Dieser Plan der Regierung ist allerdings umstritten. Vertreter der Wirtschaft und der Stromversorger befürchten Preiserhöhungen. Nach Meinung von Biologen stellen die Großanlagen eine Gefährdung für den Vogelbestand an den betroffenen Küstenabschnitten dar.

Bodenschätze

Das Land verfügt nur über wenige Bodenschätze. Im begrenzten Umfang werden mineralische Rohstoffe abgebaut, vor allem Kaolin und Granit. Alle Bodenschätze sind im Besitz der öffentlichen Hand. Auf Bornholm gibt es Kaolinvorkommen, die allerdings von minderer Qualität sind und hauptsächlich zur Produktion von Tongeschirr sowie zur Herstellung von Ziegeln verwendet werden. Kommerziell genutzt werden auch die Mineralien Limonit, Kryolith, Kalk, Kreide und Mergel. Auf Jütland wurden große Salzvorkommen entdeckt. Seit den siebziger Jahren werden in der Nordsee Erdöl und Erdgas gefördert. Dänemark ist ein Exportland für Erdöl, trotzdem bleibt es selbst Energieimporteur. Die Steigerung der Erdöl- und Erdgasproduktion soll die Abhängigkeit von den Energieimporten ausgleichen.

Währung und Bankwesen

Die Währung des Landes ist die Dänische Krone zu 100 Øre. Dänemark ist Teil von ERM II, ein seit 1999 zwischen verschiedenen EU-Ländern im Rahmen des Europäischen Währungssystem II bestehendes Wechselkurs-Abkommen. Die dänische Nationalbank (gegründet 1818) ist Notenbank und Finanzzentrum des Landes. Ihre Zentrale befindet sich in Kopenhagen. Einige große Geschäftsbanken haben in ganz Dänemark Zweigstellen. Daneben gibt es noch über 90 Sparkassen. Seit den siebziger Jahren ist die Zahl der Banken aufgrund einer ganzen Reihe von Fusionen rückläufig. Vor allem Anfang der neunziger Jahre fanden mehrere Zusammenschlüsse statt.

Spätestens mit Beginn der dritten Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) im Januar 1999 gab es in Dänemark eine heftige politische Debatte darum, ob das Land der EWWU beitreten und den Euro als Einheitswährung annehmen solle. In einer Volksabstimmung am 28. September 2000 stimmten 53,1 Prozent der dänischen Bevölkerung gegen den Euro – 46,9 Prozent waren für eine Abschaffung der Dänischen Krone. Mit diesem Ergebnis wurde auch der Beitritt zur EWWU abgelehnt. Eine neuerliche Volksabstimmung über die Euro-Einführung wurde im November 2007 angekündigt, fand aber nie statt. [28].

Außenhandel

Mitte der 1960er Jahre verdrängte die Bundesrepublik Deutschland das Vereinigte Königreich als wichtigsten Handelspartner Dänemarks. Dennoch ist Großbritannien immer noch einer der größten Abnehmer dänischer Produkte. Auch Schweden, Norwegen, Frankreich und die Niederlande sind bedeutende Handelspartner. Der Handel mit den Ländern in Osteuropa hat in den letzten Jahren stark zugenommen, insbesondere mit Polen. Außerhalb Europas sind die USA und Japan die wichtigsten Handelspartner. Die Handelsbilanz ist positiv, d.h. die Ausfuhren übersteigen die Importe.

Bis zu Beginn der sechziger Jahre stellten Fleisch- und Milchprodukte den Großteil der Exportgüter dar. Seither stiegen die Exporte von Industriegütern stetig und haben seit 1961 einen größeren Anteil am Gesamtexportvolumen als die landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Im Vordergrund stehen dabei chemische und pharmazeutische Erzeugnisse sowie Fahrzeuge. Die wichtigsten dänischen Importgüter sind Maschinen, Rohmetalle, Metallwaren, Transportausrüstungen, Brenn- und Schmierstoffe sowie verschiedene Konsumgüter.

Tourismus

Der Tourismus boomt in Dänemark seit Jahren: 1999 kamen mehr als zwei Millionen Besucher, die meisten aus skandinavischen Ländern wie Norwegen und Schweden sowie aus Deutschland. Schwedische und norwegische Touristen besuchen aufgrund der Nähe häufig die Hauptstadt Kopenhagen. Außerdem lockt viele der vergleichsweise preiswerte und einfache Zugang zu alkoholischen Getränken in das Land. Neben den Touristen aus Skandinavien ist Dänemark auch bei deutschen Touristen sehr beliebt, rund eine Million Deutsche besuchten das Land 1999. Die Einnahmen aus dem Tourismus betrugen in dem Jahr 3,31 Milliarden US-Dollar.

Staatshaushalt

Der Staatshaushalt umfasste 2009 Ausgaben von umgerechnet 170,7 Mrd. US-Dollar, dem standen Einnahmen von umgerechnet 162,1 Mrd. US-Dollar gegenüber. Daraus ergibt sich ein Haushaltsdefizit in Höhe von 2,8 % des BIP.[24]

Die Staatsverschuldung betrug 2009 117,5 Mrd. US-Dollar oder 38,1 % des BIP.[24]

2006 betrug der Anteil der Staatsausgaben (in % des BIP) folgender Bereiche:

  • Gesundheit:[29] 10,8 %
  • Bildung:[24] 8.3 % (2005)
  • Militär:[24] 1,3 % (2007)

Schulsystem

In Dänemark existieren private und öffentliche Schulen. Private Schulen wurden im Jahr 2006 von 24% der Schüler besucht und haben einen Leistungsvorsprung vor den öffentlichen Schulen. Dieser Leistungsvorsprung ist jedoch durch den familiären und sozioökonomischen Hintergrund der Schülerschaft zu erklären und kein wirklicher Effekt der Privatschule.[30]

Die Schulbildung beginnt in Dänemark mit der neunjährigen Volksschule (Folkeskole), die mit der Abschlussprüfung FSA (Folkeskolens Afgangsprøve) endet. Eine Trennung der Schüler vor der 9. Klasse findet nicht statt, es besteht insofern eine neunjährige Gemeinschaftsschule. Nach der Abschlussprüfung, die einem anspruchsvollen Hauptschulabschluss gleichzusetzen ist, bieten sich den Schülern je nach Eignung mehrere Wege an.

Zunächst gibt es die Möglichkeit, nach der 9. Klasse noch ein Jahr auf die Folkeskole zu gehen und die Erweiterte Abschlussprüfung zu absolvieren (die sogenannte FS10, vormals FSU). Diese entspricht etwa der Mittleren Reife (Realschulabschluss). Da viele Folkeskolen keine 10. Klasse anbieten, wählen viele Schüler ein Jahr auf einer sogenannten Efterskole zu absolvieren. Dies sind Internate, in denen die Jugendlichen neben den Fächern der 10. Klasse vor allem soziale, künstlerische, sportliche oder musikalische Kompetenzen weiter entwickeln sollen, wobei der Schwerpunkt bei jeder Efterskole anders gelegt wird. Aufgrund der relativ niedrigen Kosten ist es für praktisch alle Eltern möglich, ihre Kinder auf eine Efterskole zu schicken. Oftmals wird dies gemacht, wenn Schüler noch nicht als reif für das Gymnasium betrachtet werden.

Weiterführende Schulen nach der Folkeskole sind das Gymnasium, das Handelsgymnasium (HHX) sowie das technische Gymnasium (HTX). Das Gymnasium ist mit dem deutschen Gymnasium vergleichbar und endet mit dem dänischen Abitur (Allgemeine Hochschulreife), dem sogenannten Studentereksamen. Vom Niveau und vom Umfang der Hochschulreife her entspricht das Studentereksamen dem deutschen Abitur, das heißt es ist mit dem Studentereksamen möglich, alle Studiengänge in Dänemark zu studieren, wobei es für bestimmte Studiengänge jedoch erforderlich ist, bestimmte Kurse im Abitur belegt zu haben. Es gibt am Gymnasium zwei Linien, die sprachliche „sproglig linje“ und die mehr mathematisch-naturwissenschaftlich orientierte „matematisk linje“. Da die mathematische Linie jedoch auch viele sprachliche Fächer enthält und neben zwei Jahren Englisch auch eine zweite Fremdsprache über zwei Jahre genommen werden muss, bietet die matematisk linje praktisch deutlich mehr Möglichkeiten, so dass sie von mehr Schülern gewählt wird.

Der Besuch des Gymnasiums dauert drei Jahre, entspricht also der gymnasialen Oberstufe. Je nachdem, ob man nach der 9. oder 10. Klasse auf das Gymnasium geht, dauert es also 12 oder 13 Jahre bis zum Abitur. Da ein Leistungsunterschied zwischen den Schülern, die aus der 9. Klasse kommen im Vergleich zu denen, die nach der 10. Klasse kommen, nicht einwandfrei festgestellt werden kann, ist ein Abitur in Dänemark insofern nach zwölf Jahren problemlos möglich.

Es gibt für die belegten Kurse drei Niveau-Arten: das A-, B- und C-Niveau. Das A-Niveau entspricht deutschem Leistungskursniveau, B-Niveau deutschem Grundkursniveau und C-Niveau einer grundlegenden Einführung. Kurse, die nur ein Jahr belegt werden, entsprechen dem C-Niveau (beispielsweise Musik sowie Kunst, Latein, Sport, Religion, klassische Altertumskunde), zweijährige Kurse B-Niveau (Beispielsweise Englisch bei der matematisk linie, Deutsch) und dreijährige Kurse entsprechen dem A-Niveau (Dänisch, Geschichte, Mathematik, Französisch, Spanisch, Russisch). Jeder Schüler muss drei Jahre Geschichte und Dänisch belegen, so dass diese beiden Kurse automatisch A-Niveau erhalten. Ferner müssen zusätzlich mindestens zwei, maximal drei andere A-Niveau-Fächer hinzugewählt werden, beispielsweise Physik, Chemie, Mathematik oder mehrere Sprachen.

Die A-Niveau-Fächer werden nach drei Jahren schriftlich geprüft, zusätzlich noch drei mündliche Fächer, wobei die Fächer ausgelost werden. Ganz Dänemark hat ein Zentralabitur, die schriftlichen Übungsaufgaben sind insofern in ganz Dänemark identisch. Die mündlichen Prüfungen werden vom jeweiligen Lehrer abgenommen, zusätzlich sitzt ein neutraler „Censor“ im Raum, der von einer anderen Schule kommt und gleichberechtigt mit dem Lehrer über die mündliche Note entscheidet.

Seit dem Schuljahr 2007/2008 besteht das dänische Notensystem aus einer 7-stufigen Skala mit Zensurpunkten zwischen −3 und +12 rsp. 12. Für bestandene Leistungen werden 12, 10, 7, 4 oder 2 Punkte vergeben; nicht bestandene Leistungen erhalten 0 oder −3 Punkte. Die dazwischenliegenden Werte werden für die Zensierung einzelner Leistungen nicht vergeben, finden jedoch bei der Berechnung von Durchschnittszensuren aus mehreren Einzelleistungen Anwendung. Gründe für die Reformierung der Notenskala waren unter anderem der Wunsch nach klaren Abgrenzungen zwischen den einzelnen Zensuren und die Ermöglichung einer einfacheren internationalen Vergleichbarkeit.[31] Die folgende Tabelle bietet einen Überblick über die einzelnen Zensurschritte mit der jeweiligen Definition vom dänischen Bildungsministerium sowie einen Vergleich mit ECTS-Noten und der sechsstufigen deutschen Schulnotenskala.

 

  • dänische Zensur    Definition[32]                            entsprechend(e) ECTS-Note       entspr. deutscher Zensur
  •      
  • 12                         „herausragende Leistung“              A                                               1+ (15 Punkte)
  • 10                         „ausgezeichnete Leistung“             B                                                1 bis 2 (11–14 Punkte)
  • 7                           „gute Leistung“                            C                                               2 bis 3+ (9–11 Punkte)
  • 4                           „mäßige Leistung“                        D                                               3 bis 3- (7–8 Punkte)
  • 2                           „ausreichende Leistung“                E                                               4+ bis 4 (5–6 Punkte)
  • 0                           „unzureichende Leistung“              Fx                                              4- bis 5 ([1/]2–4 Punkte)
  • -3                          „völlig unakzeptable Leistung“       F                                                6 (0 Punkte)

 

Zuvor war das dänische Notensystem auf einer 13-Punkte-Skala aufgeteilt, wobei 00 bzw. 0 die schlechteste und 13 die beste Zensur darstellte. Verglichen mit dem deutschen System stellte es sich so dar (die Noten 1, 2, 4 sowie 12 gab es nicht): (dänische Noten = äquivalente deutsche Noten) (00 = 6; 03 = 5–6, 05 = 5, 06 = 4; 07 = 3–4; 08 = 3; 09 = 2−; 10 = 1–2; 11 = 1; 13 = 1+).

Alle dänischen Studiengänge unterliegen einem Numerus clausus, eine Zentralstelle vergibt die Studienplätze nach dem Notendurchschnitt (sogenanntes Kvote-1-Verfahren). Ferner wird ein gewisser Prozentsatz der Studienplätze nach Sozialkriterien vergeben, wobei man hier seine Chancen durch soziale Arbeit verbessern kann (so genanntes Kvote-2-Verfahren). Ähnlich wie in Deutschland sind einige Fächer sehr überlaufen, so dass es schwer ist, einen Platz zu bekommen (zum Beispiel Medizin, Medienwissenschaften, Psychologie, Jura), während andere Fächer einen sehr niedrigen Schnitt verlangen, so dass dort jeder Bewerber aufgenommen wird.

Neben dem oben genannten Studentereksamen gibt es in Dänemark noch zwei andere Examensarten, das Handelsschulexamen HHX (Højere Handelseksamen) sowie das technische Abitur HTX. Während ersteres vor allem für jene interessant ist, die eine Tätigkeit in der Wirtschaft anstreben, ist das HTX vor allem für Schüler interessant, die später einen Ingenieurberuf anstreben. Jedoch können diese Berufe auch von Absolventen des Studentereksamens ergriffen werden, manchmal wird dann jedoch ein längeres Berufspraktikum verlangt. Das HHX und HTX sind also fachgebundene Hochschulreifen, die nicht an die Flexibilität des Studentereksamens heranreichen, dafür jedoch in Ihrem Fachbereich zu einer intensiveren Vorbildung führen.

Es besteht auch die Möglichkeit, nach der 9. Klasse statt des Besuchs einer weiterführenden Schule eine Lehre zu absolvieren. Hierfür gibt es ebenfalls Berufsschulen, bei denen Theorie und Praxis kombiniert werden. Das dänische Schulsystem differenziert daher bis zum Ende der Folkeskole überhaupt nicht, danach jedoch sehr stark. Oftmals wird der Niveausprung von der Folkeskole zum Gymnasium als sehr drastisch empfunden, was erklärt, wieso sich viele Dänen für die 10. Klasse entscheiden. In der öffentlichen Diskussion wird der Niveauunterschied zwischen der Folkeskole und dem darauffolgenden Gymnasium oftmals diskutiert, jedoch ist grundsätzlicher Konsens, dass an der Politik der späten Differenzierung festgehalten werden soll. Eine frühe Trennung der Schüler, wie sie in Deutschland nach der Grundschule stattfindet, wird abgelehnt.

Kultur

Dänemark hat versucht, sein Kulturerbe im Kulturkanon 2006 zu definieren.

Literatur

Das hässliche Entlein, Des Kaisers neue Kleider oder Die Prinzessin auf der Erbse, alle diese Märchen wurden von Hans Christian Andersen geschrieben, der damit einen der bedeutendsten dänischen Beiträge zur Weltliteratur gemacht hat. Im Hafen von Kopenhagen erinnert eine Skulptur an den Schriftsteller, eine Nixe, die Hauptfigur aus seinen Märchen Die kleine Meerjungfrau. Weltbekannt ist auch der Theologe, Philosoph und Schriftsteller Søren Kierkegaard, einer der Vorläufer des Existentialismus. Zentral für sein Werk, das vom philosophischen Roman bis zur theologischen Streitschrift reicht, sind die Begriffe Existenz und Angst sowie die Frage, wie der Mensch damit umzugehen vermag. Ebenfalls weltweit bekannt ist der Dichter Ludvig Holberg (geboren als Norweger), er schrieb vornehmlich Komödien und einen satirischen Roman, zudem trat er als Geschichtsschreiber hervor.

Im 1937 erschienenen autobiographischen Roman Jenseits von Afrika erzählt die Schriftstellerin Karen Blixen (in Deutschland unter ihrem Pseudonym Tania Blixen verlegt) über ihr Leben als Kaffee-Farmerin in Kenia. 1985 wurde der Roman mit Meryl Streep und Robert Redford in den Hauptrollen verfilmt und gewann bei der Oscar-Verleihung 1985 sieben Academy Awards.

Dänische Literaturnobelpreisträger sind Karl Gjellerup und Henrik Pontoppidan, die sich 1917 den Preis teilten und Johannes Vilhelm Jensen, dessen Roman Kongens Fald (dt: Des Königs Fall) 1999 von bedeutenden dänischen Tageszeitungen zum (dänischen) Buch des Jahrhunderts gewählt wurde. Ein weiterer wichtiger dänischer Schriftsteller ist Herman Bang, der als Schöpfer des dänischen Impressionismus gilt.

Über teilweise zerrissene Existenzen schreibt der zeitgenössische Autor Peter Høeg in seinen Romanen. Sein internationaler Bestseller Fräulein Smillas Gespür für Schnee wurde 1997 vom dänischen Regisseur und Oscar-Preisträger Bille August mit Julia Ormond in der Hauptrolle verfilmt.

Architektur und Design

Die dänische Baukunst entwickelte sich im Mittelalter nach französischen und deutschen Vorbildern, wie die Dombauten in Ribe, Viborg, Århus, Ringsted, Roskilde und Kalundborg belegen. Typische Bauten der Backsteingotik sind die im 13. bzw. 14. Jahrhundert entstandene St. Knud-Kirche in Odense, die Peterskirche in Næstved oder St. Olai-Kirche in Helsingør.

Bedeutende Zeugnisse der dänischen Baukunst zur Zeit der Renaissance entstanden während der Regentschaft von König Friedrich II. und König Christian IV. sind Schloss Kronborg in Helsingør, Schloss Frederiksborg in Hillerød und die Kopenhagener Börse.

Bemerkenswerte Barockbauten sind Schloss Amalienborg (seit 1794 Residenz der dänischen Könige), Schloss Charlottenborg und Schloss Christiansborg. Einer der bedeutendsten Architekten des Klassizismus ist Christian Frederik Hansen, der in Kopenhagen das Gerichtsgebäude und die Liebfrauenkirche erbaute. Historische Bauten stammen von Theophil Edvard Freiherr von Hansen, Martin Nyrop und Michael Gottlieb Bindesbøll. Herausragende Repräsentanten der dänischen Architektur im 20. Jahrhundert sind Arne Jacobsen, der neben mehreren Rathäusern und der Nationalbank auch das SAS Royal Hotel entwarf, Peder Vilhelm Jensen Klint, Jørn Utzon, der die berühmte Oper von Sydney entwarf, sich aber nicht an der Realisation beteiligte, Erik Møller und Johan Otto von Spreckelsen.

Georg Arthur Jensen prägte durch seine Silberschmiedearbeiten im funktionellen Stil das Industriedesign der skandinavischen Länder. Ebenfalls ein gelernter Silberschmied war Kay Bojesen, berühmt wurde er aber für sein Holzspielzeug, sein Besteck und Geschirr. Ein weiterer bekannter Silberschmied war Svend Weihrauch, der mit seinen klaren, ornamentfreien Silberschmiedearbeiten einer der herausragenden Vertreter des Funktionalismus war. Auch die Lampen von Poul Henningsen und die Möbel von Hans Jørgen Wegner, Poul Kjærholm, Kaare Klints und Arne Jacobsens – seine Entwürfe Ei, Schwan und Serie 7 gelten als Designklassiker – fanden Anerkennung.

Film

In der Epoche des Stummfilms war Dänemark der größte Filmproduzent nach den USA, Deutschland und Frankreich.

Bemerkenswerte Beiträge zur Filmkunst boten die dänische Schauspielerin Asta Nielsen, die Anfang des 20. Jahrhunderts unter der Regie von Urban Gad zu einem der ersten Stars des Stummfilms aufstieg mit Filmen wie Afgrunden (1910; auf dt.: Abgründe). Auch der Regisseur Carl Theodor Dreyer, der mit seinen ästhetisch anspruchsvollen Arbeiten wie La passion de Jeanne d’Arc (1928; auf dt.: Die Passion der Jungfrau von Orleans) oder Vampyr – Der Traum des Allan Gray (1932), setzte Maßstäbe. International beliebt war auch das Komikerduo Pat & Patachon, das zwischen 1921 und 1940 etwa 50 gemeinsame Filme drehte. Die dänische Produktionsfirma Nordisk Film gehörte in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zu den größten und produktivsten Filmstudios der Welt. Wenngleich die Position des Landes auf dem internationalen Filmmarkt mit dem Aufkommen des Tonfilms zusammenbrach, fanden anspruchsvolle Produktionen weltweit Beachtung.

In den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts sorgte Lars von Trier international für Diskussionen durch sein gegen den Kommerzfilm gerichtetes filmästhetisches Programm Dogma 95, nachdem er sich bereits vorher durch ambitionierte Filme Ansehen verschafft hatte. Im Rahmen dieses umstrittenen Konzepts entstanden von Triers Idioterne (1998; auf dt.: Idioten) und Thomas Vinterbergs Festen (1998; auf dt.: Das Fest) und Lone Scherfigs Italiensk for begyndere (2000; auf dt.: Italienisch für Anfänger). Weitere bekannte dänische Regisseure sind Erik Balling (Die Olsenbande), Lasse Spang Olsen (In China essen sie Hunde), Anders Thomas Jensen (Adams Äpfel, Dänische Delikatessen), Susanne Bier (Brothers - Zwischen Brüdern) und Lars Hesselholdt.

Ausländische Filme werden in Dänemark nicht synchronisiert, sondern lediglich mit Untertiteln versehen. Einzige Ausnahme bilden Kinderfilme.

Musik

Die Herausbildung dänischer Musik setzte unter dem Einfluss deutscher, italienischer und englischer Musikkultur während der Regentschaft von König Christians IV. in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein. Ausländische Komponisten wie John Dowland, Heinrich Schütz, der längere Zeit königlicher Oberkapellmeister in Kopenhagen war, oder Dietrich Buxtehude, der mehrere Jahre als Organist in Helsingör verbrachte, wirkten am dänischen Hof und traten dort in Kontakt mit dänischen Komponisten.

Erste markante Beiträge zur dänischen Musik stammen allesamt von in Deutschland geborenen Komponisten: Friedrich Ludwig Æmilius Kunzen mit seiner Oper Holger Danske (1787), Christoph Ernst Friedrich Weyse mit seiner Oper Ludams Hule (1816) und Friedrich Kuhlau, der zu dem auch heute noch populären Stück Elverhøy (1828) die Musik schrieb. Dänische Vertreter der Romantik sind Niels Wilhelm Gade, Johann Peter Emilius Hartmann und Peter Arnold Heise.

Im 20. Jahrhundert folgten Carl Nielsen, der als bedeutendster Komponist Dänemarks gilt und dessen Sinfonien und Opern sich auch im Ausland im Repertoire durchsetzten konnten, Poul Schierbeck, Knudåge Riisager, Jørgen Bentzon, Finn Høffding, Herman David Koppel, Vagn Holmboe und Niels Viggo Bentzon. Weitere wichtige dänische Komponisten sind Louis Glass, Paul von Klenau, Ludolf Nielsen, Hakon Børresen und Rued Langgaard.

Im Bereich der populären Musik ist in Deutschland vor allem Gitte Hænning durch ihre Schlager bekannt und die Olsen Brothers, die Gewinner des Eurovision Song Contest 2000. Ebenfalls bekannt ist die Band Aqua, welche im Bereich Eurodance anzusiedeln war und von 1989 bis 2001 bestand. Lars Ulrich, der Schlagzeuger der Band Metallica, stammt ebenfalls aus Dänemark. Weitere bekannte Musiker und Bands aus Dänemark sind Niels-Henning Ørsted Pedersen, Carpark North, Saybia, Kashmir, Nephew, Outlandish, D-A-D, Pretty Maids, Thulla, Poul Krebs, Kim Larsen, TV-2, Sorten Muld, Volbeat, Jakob Sveistrup, Sort Sol, King Diamond, Red Warszawa, Natasha Thomas, Laid Back, Hanne Boel, Anna David, Junior Senior, Under Byen, Raunchy, The Raveonettes und Trentemøller. Bekannte dänische Plattenfirmen sind Cope Records und Kick Music.

Malerei und Bildhauerei

Angeregt durch Vorbilder aus den Nachbarländern, erhielt zu Beginn des 19. Jahrhunderts die dänische Malerei neue Impulse durch Künstler wie Nicolai Abildgaard, Jens Juel oder Christoffer Wilhelm Eckersberg, die sich vor allem der Landschaftsmalerei widmeten. Im 19. Jahrhundert folgten Christen Købke, Peter Severin Krøyer, Anna Ancher und Viggo Johansen, im 20. Jahrhundert die abstrakten Expressionisten Richard Mortensen, Else Alfelt, Ejler Bille, Asger Jorn, der 1948 die Gruppe CoBrA ins Leben rief, und Per Kirkeby, der auch als Bildhauer arbeitet.

Zwei bekannte, in Dänemark tätige Bildhauer, waren Bernt Notke, der den Altar des Doms zu Århus schuf und Claus Berg, der den Altar der St. Knud-Kirche in Odense schuf. Einer der bedeutendsten dänischen Bildhauer war Bertel Thorvaldsen, er gilt neben dem Italiener Antonio Canova als wichtigster Bildhauer des Klassizismus. Zur selben Zeit arbeiteten Hermann Vilhelm Bissen und Jens Adolph Jerichau. Berühmte Bildhauer im 20. Jahrhundert waren Kai Nielsen, Robert Jacobsen und Gunnar Westmann.

Weltkulturerbe

In Dänemark kann man drei Weltkulturerbestätten finden: den Dom zu Roskilde, das Schloss Kronborg in Helsingør und die Runensteine von Jelling.

  • Der Dom zu Roskilde ist die älteste Kirche Dänemarks im Stil der Backsteingotik. Um 1170 begannen die von französischer Architektur geprägten Arbeiten am Dom, der heute die größte Kirche Skandinaviens ist. Das westlich von Kopenhagen gelegene Roskilde war vom 11. bis zum 15. Jahrhundert Königsresidenz und ist bis heute Grablege der Monarchen. In der Kirche liegen die Gräber von 20 dänische Königen und 17 Königinnen, darunter Margarethe I., Christian IV. und Friedrich IX.. Seit 1995 ist die Kirche Weltkulturerbe.
  • Das Schloss Kronborg ist eine Festung in Helsingør auf der dänischen Insel Seeland. Das Schloss ist ein Beispiel des von den Niederlanden und Deutschland aus beeinflussten Renaissancestils. Außerdem ist das Schloss im Stück Hamlet von William Shakespeare Ort des Geschehens. Seit dem 30. November 2000 ist Schloss Kronborg Weltkulturerbe.
  • Die Runensteine von Jelling sind zwei der wenigen Steine, die dänischen Königen gewidmet sind und ihre Taten thematisieren. Sie entstanden Mitte bis Ende des 10. Jahrhunderts. Zusammen mit dem Grabhügel und der Kirche von Jelling werden sie von der UNESCO seit 1994 als Teil des Weltkulturerbes geführt.

Sport

Die beliebteste Sportart in Dänemark ist Fußball. Insgesamt hat die Dänische Fußballnationalmannschaft siebenmal an Fußball-Europameisterschaften teilgenommen: 1964 bei der zweiten Fußball-Europameisterschaft sowie stets von 1984 bis 2004, wo sie auch ihren größten Erfolg feiern konnte, den Gewinn der Fußball-Europameisterschaft 1992 in Schweden durch ein 2:0 über Deutschland.

Für eine Fußball-Weltmeisterschaft konnte sich die Nationalmannschaft viermal qualifizieren, und zwar für die 13. Fußball-Weltmeisterschaft in Mexiko, für die 16. Fußball-Weltmeisterschaft in Frankreich, für die 17. Fußball-Weltmeisterschaft in Südkorea und Japan und für die 19. Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika. Größter Erfolg war hier das Erreichen des Viertelfinales der Fußball-Weltmeisterschaft 1998, wo man gegen Brasilien mit 3:2 ausschied. Bei den beiden anderen WM-Teilnahmen erreichte man jeweils das Achtelfinale. Ein weiterer Erfolg der Dänen war der Gewinn des Konföderationen-Pokal 1995. Bei Olympischen Spielen konnte man bislang vier Medaillen erringen, drei Silbermedaillen (1908, 1912 und 1960) und eine Bronzemedaille (1948).

Die Dänische Fußballnationalmannschaft der Frauen konnte sich bei fünf Frauenfußball-Weltmeisterschaften viermal qualifizieren, wobei das beste Ergebnis die zweimalige Teilnahme am Viertelfinale war (1991 und 1995). Bei neun Frauenfußball-Europameisterschaften konnte man sich achtmal qualifizieren und erreichte zweimal den dritten Platz.

Eine weitere beliebte Sportart ist Handball. Die Dänische Frauen-Handballnationalmannschaft gilt momentan als eine der stärksten Frauennationalmannschaften im Handballsport. Sie konnten bislang eine Weltmeisterschaft (1997), drei olympische Goldmedaillen (1996, 2000 und 2004) und drei Europameisterschaften (1994, 1996, 2002) gewinnen. Die Dänische Männer-Handballnationalmannschaft kann zwar nicht an die Erfolge der Damen anknüpfen, gehört aber dennoch zur Weltspitze im Handball. Die Dänische Herren-Mannschaft konnte ihren größten Erfolg bei einer Weltmeisterschaft im Jahre 1967 verbuchen, wo der Einzug in das Finale gelang. Jedoch unterlag man mit 11:14 dem Nationalteam der ČSSR. Bei der letzten Weltmeisterschaft belegte Dänemark den dritten Rang. 2008 siegte die Dänische Herrenmannschaft bei der Handball-Europameisterschaft und wurde Europameister.

Auch im Badminton können dänische Sportler seit langem Erfolge feiern. Einer der bekanntesten Spieler des Landes ist Peter Gade, der von 1998 bis 2001 die Weltrangliste anführte und jedes große internationale Turnier gewann. Weitere bekannte Badminton-Spieler und -Spielerinnen aus Dänemark sind Jens Eriksen, Morten Frost, Pernille Harder, Poul-Erik Høyer Larsen, Martin Lundgaard Hansen, Camilla Martin und Mette Schjoldager.

Bei Olympischen Spielen konnte Dänemark 165 Medaillen erringen und liegt damit auf dem 24. Platz des Ewigen Medaillenspiegels. Dabei errang das Land 39 Gold-, 63 Silber- und 63 Bronzemedaillen. Mit einer Ausnahme wurde alle diese Medaillen bei Olympischen Sommerspielen gewonnen. Die einzige Medaille bei Winterspielen war eine Silbermedaille 1998 in Nagano im Curling. Aber auch im Tischtennis waren sie sehr erfolgreich, so wurden sie 2006 im eigenen Land Tischtenniseuropameister.

Küche

Der bekannteste dänische Beitrag im kulinarischen Bereich ist wahrscheinlich das Smørrebrød. Übersetzt bedeutet das Wort einfach Butterbrot. Ein Smørrebrød besteht aus einer Scheibe Brot (Vollkorn, Mischbrot oder Weizen), bestrichen mit einer dünnen Schicht Butter und den verschiedensten Zutaten. Häufig wird das Butterbrot reichlich mit Fisch belegt, aber auch alle Arten von Käse, Wurst, Fleisch, Eiern und Soßen werden gerne reichlich verwendet oder miteinander kombiniert. Ebenfalls bekannt ist der Hot Dog, der in Dänemark mit roten Würstchen (pølser) – kogt (gekocht) oder ristet (gebraten) – und ohne Mayonnaise gegessen wird. Außerdem wird der dänische Hot Dog traditionell mit Röstzwiebeln und süß-sauer eingelegten Gewürzgurken-Scheiben garniert. Ein ebenfalls bekanntes Gericht ist der Skipperlabskovs, eine dänische Variante des norddeutschen Labskaus. Remoulade wird oft zusammen mit Pommes frites gegessen, und auch mit Fisch, Salami, Frühlingsrollen u.a.

Als Nationalgericht gilt der klassische, bei niedriger Temperatur stundenlang mit Schwarte im Ofen gegarte Schweinebraten (Flæskesteg).

Zu Weihnachten wird oft zum Dessert ris à l´amande (Mandelreis) gegessen. Er besteht aus zusammengerührtem, kaltem Milchreis und Schlagsahne mit Vanillegeschmack und nur einer versteckten Mandel, die ein kleines Geschenk (mandelgave) auslöst.[34]

Bei den alkoholischen Getränken ist besonders der Aquavit berühmt (Aalborg Jubiläumsakvavit), das dänische Bier (dän. Øl) (bekannteste Marken Carlsberg, Tuborg, Faxe) und Gløgg. Eine Besonderheit in Dänemark sind die Weihnachtsbiere, ein essentieller Bestandteil der juletid, der Vorweihnachtszeit. Angestoßen wird hierbei mit dem Trinkspruch Skål. Im Unterschied zu den anderen skandinavischen Ländern ist in Dänemark der Verkauf von Alkohol nicht einem staatlichen Monopol unterstellt, wie etwa im schwedischen Systembolaget. Dennoch sind die Steuern hoch und alkoholische Getränke im europäischen Vergleich entsprechend teuer.

Feiertage

Die gesetzlichen Feiertage des Landes sind Neujahr (1. Januar), Ostern (Gründonnerstag bis Ostermontag), der Store Bededag, Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag sowie Weihnachten (25. Dezember). Der Tag der dänischen Verfassung am 5. Juni ist dagegen kein gesetzlicher Feiertag, jedoch haben Geschäfte und öffentliche Gebäude in der Regel geschlossen.[35]

Eine dänische Besonderheit ist der Store Bededag. Anstatt im Frühling mit vielen Feiertagen verschiedener Heiliger zu gedenken, begehen die Dänen am vierten Freitag nach Ostern den Store Bededag, mit dem sie alle Heiligen und Geistlichen ehren. Dieser Feiertag wurde im 18. Jahrhundert von Graf Johann Friedrich von Struensee eingeführt.

Homosexualität

Homosexualität ist in Dänemark gesetzlich und gesellschaftlich weitgehend akzeptiert. 1989 hat Dänemark als erstes Land der Welt zivilrechtliche Partnerschaften für Homosexuelle eingeführt.

Quellen

  1. ↑ Human Development Report 2009, abgerufen am 13. November 2009
  2. ↑ Statistikbanken.dk/Tabelle BEF4
  3. ↑ [1]Inseln (dänisch)
  4. ↑ http://www.xxx
  5. ↑ http://www.xxx
  6. ↑ http://dst.dk bef44(PDF)
  7. ↑ 1984–2002 vom Kirkeministeriet
  8. ↑ 1990–2009 Kirkeministeriet
  9. ↑ [http://www.xxx
  10. ↑ 1990–2009 Statistiken des Kirkeministeriet (dänisch)
  11. ↑ Walter Truckenbrodt, Deutschland und der Völkerbund, 1941, Seite 169
  12. ↑ Antal udsendte (number of soldiers in foreign countries)
  13. ↑ [2]
  14. ↑ Hallin & Mancini
  15. ↑ http://www.xxx
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  18. ↑ Arbejdsløsheden (månedlig) Nyt fra Danmarks Statistik [4]. Statistikbanken.dk/Tabellen auf01+02, aup01, aus01+02 Arbeitsmarkt; Arbeitslosigkeit - neue Methode
  19. ↑ Eurostat Harmonisierte Arbeitslosenquote - Insgesamt - Saisonbereinigt
  20. ↑ Arbeitslosigkeit 2006(dänisch) [5]
  21. ↑ Arbeitslosigkeit 2007(dänisch) [6]
  22. ↑ http://www.xxx
  23. ↑ a b c d e f CIA World Factbook: Dänemark (englisch)
  24. ↑ http://www.xxx
  25. ↑ http://www.xxx
  26. ↑ http://www.xxx
  27. ↑ Dänemark setzt zweites Referendum zum Euro an
  28. ↑ Der Fischer Weltalmanach 2010: Zahlen Daten Fakten, Fischer, Frankfurt, 8. September 2009, ISBN 978-3-596-72910-4
  29. ↑ Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: "PISA 2006 - Schulleistungen im internationalen Vergleich - Naturwissenschaftliche Kompetenzen für die Welt von Morgen". 2007. Bertelsmann Verlag, S. 269
  30. ↑ Hinweise zur Notenskala – Welche Anforderungen werden an die neue Notenskala gestellt? Information des dänischen Bildungsministeriums
  31. ↑ Die 7-Schritte-Skala. Information des dänischen Bildungsministeriums
  32. ↑ Weltfilmproduktionsbericht (Auszug), Screen Digest, Juni 2006, S. 205–207 (eingesehen am 15. Juni 2007)
  33. ↑ Lene Andersen:Grantræet.Det Andersenske Forlag.32 Seiten.(www.xxx) ISBN 87-990456-1-3
  34. ↑ Ingeniørforeningen, IDA: Grundlovsdag
  35. • Liane Schuh: Das dänische Sozialsystem. In: RV aktuell, Jg. 52(2006), 7, S. 266–274

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Geschichte Dänemarks

Steinzeit

Die ältesten menschlichen Spuren stammen aus einer Warmzeit vor 70.000 Jahren, während der letzten Eiszeit. Sie wurden in einer Kiesgrube bei Hollerup, nordwestlich von Langå entdeckt. Die nacheiszeitliche Besiedlung Dänemarks, das bei 100 m tieferem Meeresspiegel in der Nordsee eine weitaus größere Fläche als heute bedeckt, beginnt mit der noch paläolithischen Bromme-Kultur (10.000-7.400 v. Chr.), deren Vertreter in der Tundra noch Elch, Moschus, Pferd und Rentier jagten. Sie ist nach einem Fundort bei Sorø auf Seeland benannt. Der Spiegel der Ostsee, die noch ein Süsswasserbecken war, lag 50 m höher als der der Nordsee. Die vermutlich nur saisonalen Aufenthalte der Brommeleute hinterließen Spuren (Werkzeuge). Sie finden sich besonders an den Seen und Flüssen (auf Djursland und bei Langå). Ihr folgt die Maglemose-Kultur (7.400–6000 v. Chr.), die nach dem großen Moor bei Mullerup (Seeland) benannt wurde. Die Kultur ist außer im späteren Nordkreis auch in England (Broxburne, Star Carr) und in ganz Nordrussland (dort als Kunda-Kultur bezeichnet) bis jenseits des Ural verbreitet. Der südlichste Fundplatz ist Haltern (Nordrhein-Westfalen) In der Maglemose-Kultur bildeten sich schon wegen der weiten Verbreitung Gruppen heraus. Die Kongemose-Kultur (6.000-5.200 v. Chr.) wurde ebenfalls nach einen Moor auf Seeland benannt und tritt auch in Gruppen auf (Gudenå und Ahrensburg, das den Ursprung zu bilden scheint). Die Jagd auf Rotwild und Wildschweine wurde wesentlich durch Beeren, Fische, Nüsse, Schalentiere, Vögel und Wurzeln ergänzt. Die letzte mesolithische Kultur die Ertebølle-Kultur wird auch im deutschsprachigen Raum Ertebølle-Ellerbek-Kultur genannt (5.200-4.000 v. Chr.). Sie wurde nach Fundplätzen auf der Kimbrischen Halbinsel benannt. Ihnen folgt die neolithische Trichterbecherkultur, die erste Ackerbauernkultur.

Eisenzeit

113 v. Chr. wurden die in und südlich von Jütland siedelnden Kimbern und Teutonen erstmals erwähnt. Vom 2. bis 6. Jahrhundert finden sich Spuren eines Vorläufers einer Großsiedlung mit zentralem Charakter und weitreichenden Handelsbeziehungen im Osten von Fünen bei Gudme. Während der ersten Hälfte des 6. Jahrhundert tauchen plötzlich in gotischen, fränkischen und byzantinischen Quellen Hinweise auf die Existenz und die kriegerischen Taten von Dänen auf.[1] Dazu gehört auch die Schilderung Prokops über die Wanderungen der Heruler vom Donauraum nach Norden. Als eines der Völker, dessen Gebiet sie berührten, werden die Danoi genannt. Jordanes schreibt in seiner Gotengeschichte von Konflikten zwischen Dänen und Herulern. Dabei meint er, dass die Dänen von den Schweden abstammten. Gregor von Tours bezeichnet den König Chlochilaicus als „Dänenkönig“. Der Dichter Venantius Fortunatus feiert in seinen Preisgedichten auf die Frankenkönige Chlothar I. und Chilperich deren Siege über die Dänen. Ganz überwiegend wird die Urheimat der Dänen in Südschweden, besonders in Schonen und Halland vermutet.

Wikingerzeit

Christianisierung

Um 700 versuchte der zum Missions-Erzbischof geweihte Willibrord vergeblich, den damaligen Dänenkönig Ongendus zu bekehren. Unter Karl dem Großen unterblieben weitere Missionsversuche, da er eine Missionierung nicht unterworfener Gebiete ablehnte. Dies hing mit seiner Idee von der Zusammengehörigkeit von Reich und Kirche zusammen und änderte sich erst unter Ludwig dem Frommen.

Unter Ludwig dem Frommen wurde auf Betreiben der Erzbischöfe Agobard von Lyon und Ebo von Reims die Mission über die Nordgrenze des Reiches wieder aufgenommen. Diesem Plan kam entgegen, dass der dänische Wikingerkönig Gudfred (Göttrik) 810 ermordet worden war. Dessen Söhne vertrieben den Kronprätendenten Harald Klak, worauf dieser Vasall König Ludwigs wurde. Mit dem Missionsauftrag des Kaisers reiste Ebo nach Rom, um den päpstlichen Missionsauftrag zu erhalten. Dieser Auftrag wurde 822 oder 823 mit einer Papstbulle von Papst Paschalis I. erteilt. Das Missionsgebiet wurde dabei nicht näher umschrieben (ubique).[2] Ebo unternahm 823 seine erste Missionsreise nach Dänemark. Der Papst schärfte ihm dabei ein, in allen Zweifelsfragen beim Papst rückzufragen, wie es schon für Bonifatius gegolten hatte. Damit begann sich der Missionsauftrag der Kirche allmählich von der Reichskirche zu emanzipieren. Mit dieser Bulle wurde Ebo Missionsvikar und Missionslegat des Papstes nach dem Vorbild des Bonifatius.

831 wurde auf einer Synode von Kaiser Ludwig das Erzbistum Hamburg errichtet. Der Erzbischof erhielt das Recht, im skandinavischen Bereich Bischöfe einzusetzen und Priester dorthin abzuordnen. Die politische Absicht dahinter war, den Norden der Reichskirche einzugliedern, was nur mit einem Erzbischofssitz im Reiche möglich war. Zum ersten Erzbischof wurde Ansgar vom Erzbischof Drogo von Metz geweiht. 831/832 erhielt Ansgar das Pallium und eine Urkunde, in der ihm die Legation erteilt wurde. Gleichzeitig wurde die Errichtung des Missions-Erzbistums Hamburg bestätigt. Die Mission geriet aber nach der Plünderung Hamburgs durch die Dänen 845 ins Stocken, da alle Ressourcen vernichtet waren. 864 kam es dann zu der Gründung des Erzbistums Hamburg-Bremen durch eine Bulle Papst Nikolaus I.. Ansgar trat 843 und / oder 847 mit Horik I. von Dänemark zusammen mit den Gesandtschaften Ludwig des Deutschen in Verbindung. Dessen Taufe erreichte er zwar nicht, aber die Erlaubnis, in Schleswig eine Kirche zu bauen. Horik geriet 850 in Thronstreitigkeiten mit seinen Neffen und fiel 854 in einem Bürgerkrieg und mit ihm alle Ansgar wohlgesinnten Berater. Von seiner Sippe blieb nur sein Neffe Horik II. übrig. Er stand anfangs unter dem Einfluss des mächtigen und christenfeindlichen Jarls Hovi von Schleswig. Horik II. entledigte sich aber bald seiner Ratgeber und wandte sich Ansgar zu, bat ihn um Priester, schenkte der Kirche in Ripen einen Bauplatz für eine Kirche und erlaubte die Anwesenheit eines Priesters. Auch Horik II. ließ sich nicht taufen, übersandte aber 864 Geschenke an Papst Nikolaus I. Während der Auseinandersetzungen um die Entstehung des Erzbistums Hamburg-Bremen mit dem Erzbischof von Köln gingen die Missionsversuche in Dänemark wieder zurück. Erst Erzbischof Unni von Hamburg nahm sie wieder auf und schickte erneut Priester nach Dänemark. Dabei wurde er von Harald Blauzahn unterstützt. Dessen Vater, Gorm der Alte, hatte Dänemark geeint, war aber betont heidnisch eingestellt und hat wahrscheinlich die Kirche in Schleswig zerstört.

Harald Blauzahn gründete nach seinem Regierungsantritt um 940 drei Bistümer in Dänemark: Schleswig, Ripen und Århus. In den 980er Jahren kam noch Odense auf Fünen hinzu. 965 wurde alle dänischen Bistümer durch kaiserliches Privileg von den Abgaben an den Kaiser und dem Eingriffsrecht kaiserlicher Vögte befreit. Ein Eingriff in die Hoheitsrechte des dänischen Königs sollte damit ausgeschlossen werden. Damit war der Hamburger Erzbischof die einzige Verbindung zwischen Dänemark und dem Reich. Dem dänischen König blieb die Ausstattung der dänischen Bistümer überlassen, die dänischen Bischöfe waren aber Suffragane des Hamburger Erzbischofs und damit Mitglieder der Reichskirche. Bald machten sich in den skandinavischen Kirchen auch unter Einfluss der englischen Kirche Bestrebungen bemerkbar, sich von der Reichskirche zu lösen. Mit Zunahme der Autorität des Papsttums begannen die Landeskirchen über die Reichsinstanzen hinweg unmittelbaren Kontakt mit dem Papst aufzunehmen. Für die Kurie war allerdings für eine auch von ihr gewünschte Verselbständigung der skandinavischen Kirchen unabdingbare Voraussetzung der Abschluss der Missionierung. Als Indikatoren wurde dafür angesehen: Der Übertritt des Herrscherhauses und der führenden Schichten und des überwiegenden Teils des Volkes zum Christentum, außerdem eine wenigstens ansatzweise festzustellende Institutionalisiserung kirchlichen Lebens durch Klöster und eine Diözesan- und Pfarrorganisation und zuletzt die nationale Unabhängigkeit und Fixierbarkeit des Territoriums.

Auf Dänemark angewandt ergab sich folgendes: Harald Blauzahn ließ sich um 965 mitsamt seinem hirð taufen. Entscheidend dafür sei das Poppowunder gewesen. Sven Gabelbart ließ englische Missionare kommen. Er holte Bischof Gotebald aus England und entsandte ihn nach Schonen. Auch der dänische Klerus setzte sich mehr und mehr aus Einheimischen zusammen. Die dänische Kirche begann sogar selbst zu missionieren. Propst Oddar, ein Verwandter Sven Gabelbarts, erlitt bei der Missionierung der Elbslaven 1018 den Märtyrertod. Der Nachfolger Sven Gabelbarts Knut der Große betrieb gegenüber der englischen Kirche eine offene Allianzpolitik.[3] Diese Politik geht auf Erzbischof Lyfing von Canterbury zurück, der wahrscheinlich den ersten Peterspfennig Knuts nach Rom brachte und dessen Anerkennung als König erwirkte. Papst Benedikt VIII. schrieb zum ersten Mal seit Papst Nikolaus I. einen Brief unmittelbar an einen Dänen. Die Bestrebungen, sich vom Hamburger Erzbistum zu lösen, kommen auch darin zum Ausdruck, dass Erzbischof Aethelnod von Canterbury drei Bischöfe für Dänemark weihte: Gerbrand für Roskilde, Bernhard für Schonen und Reginbert für Fünen. Damit wurde Lund von Roskilde abgetrennt. Damit kam Knut in Konflikt mit dem Hamburger Erzbischof Unwan (1013–1029). Er fing um 1022 Gerbrand auf seiner Reise von England nach Dänemark ab und überzeugte ihn von den Vorrechten des Erzbistums Hamburg über Dänemark. Es gelang ihm in der Folgezeit die Weiherechte für Dänemark zur Geltung zu bringen und Erzbischof Libentius (Libizo, Liäwizo) von Hamburg weihte 1029 Avoco zum Nachfolger Gerbrands in Roskilde. Knut führte auch den Peterspfennig in Dänemark ein.

Frühmittelalter

Um 730 errichteten die Dänen zum Schutz gegen die südlich siedelnden Sachsen das Danewerk bei Haithabu in der Nähe von Schleswig. Etwa um 800 entführte ein lokaler dänischer König die internationale Kaufmannschaft aus dem damals slawischen Ort Rerik (bei der Insel Poel) und siedelte sie stattdessen in Haithabu an. Fast alle dänischen Dörfer stammen aus der Wikingerzeit bzw. sind älter als 800 Jahre. Dörfer mit dem Suffix -heim, ing(e), lev, løse und sted gehören zu den ältesten. Sie sind bereits aus der Zeit der Völkerwanderung bekannt. Suffixe mit torp und toft(e) sind vermutlich im 8. und 9. Jahrhundert aus England nach Dänemark gelangt, die auf -by aus Schweden. Die Suffixe -rød, rud, tved, holt, skov, have und løkke stehen für Rodungen, die im 13. Jahrhundert erfolgten.

Um 884 fielen die Dänen in England ein, besetzten einen Teil des Landes, und forderten von den englischen Königen Tribut in Form des Danegelds. Im Jahre 924 hatte der englische König Eduard der Ältere das gesamte Danelag wieder unter englische Kontrolle gebracht.

In den Jahrzehnten nach 900 stand Dänemark nicht unter einer einheitlichen Herrschaft, vielmehr gab es mindestens zwei, wenn nicht drei Machtzentren. Südjütland mit der Handelsstadt Haithabu war in den Händen schwedischer Erobererkönige, die durch Adam von Bremen und zwei der Runensteine von Haithabu bekannt sind. Schweden saßen auf Lolland.[4] In Jelling südlichen Nördlichen Jütland hatte ein anderes Königsgeschlecht seinen Sitz, das nach Adam von Bremen um 900 aus Norwegen gekommen war. Unsicher ist, ob Håkon der Gute Seeland und die schonische Küste unterwarf.[5] Die schwedische Herrschaft in Haithabu wurde 934 von Heinrich dem Vogler besiegt. König Knut I. musste sich taufen lassen. Damit endeten die Wikingerzüge aus der Eidermündung auf friesisches Gebiet bis 980. Die dänischen Wikinger scheinen sich stattdessen nach Osten gewandt zu haben; denn ein Runenstein aus dieser Zeit ehrt einen Krieger, der in Schweden umgekommen war.[6] Nach den Annalen von Corvey zum Jahre 934 hatte sich Heinrich „die Dänen“ unterworfen. Wie weit damit Jütland eingeschlossen ist, ist nicht festzustellen.

Überhaupt ist umstritten, was die Zeitgenossen unter Dänemark verstanden haben. Die Niederschrift Alfreds des Großen über die Fahrten Ottars und Wulfstans, das früheste Zeugnis dazu, bezeichnete als „Dänemark“ das heutige Südschweden einschließlich Schonen, die Inseln Falster, Lolland, Langeland und wahrscheinlich auch Seeland und die übrigen ostdänischen Inseln. Erst der nordjütische Skivum-Stein aus der Zeit des Jelling-Steins rechnete auch Nordjütland zu Dänemark, möglicherweise eine Folge der Einigung unter Harald Blauzahn. Unter diesem Gesichtspunkt würde auf dem Jellingstein berichtet, dass Harald Ostdänemark erobert habe.[7] Auf der anderen Seite bezeichnet Gregor von Tours, dass ein „dänischer“ König Chlochilaich Anfang des 6. Jahrhunderts in Gallien eingefallen sei. [8] Wenn aber die Vermutung richtig ist, dass Chlochilaich der Hygelac des Beowulf-Liedes ist, dann war er danach aus dem Stamm der Geaten, die mit Gauten und Goten in Verbindung gebracht wurden und irgendwo östlich von Jütland lokalisiert werden, was wieder mit Ottars Beobachtungen im Einklang stünde.

Dänemark wurde bereits vor 960 von Gorm (dem Alten) oder seinem Sohn Harald Blauzahn erstmals geeint. Die Königsgewalt war allerdings noch nicht weit entwickelt, von einer „Regierung“ in heutigem Sinne kann noch nicht gesprochen werden. Das zeigen auch die regellosen Wikingerzüge bis in die Regierungszeit Sven Gabelbarts hinein, die teilweise sogar Gebiete unter der Herrschaft des eigenen Königs betrafen. Bis weit in das 11. Jahrhundert wurden die Dänen als Wikinger bezeichnet, welche in ganz Europa Kolonien gründeten und Handel trieben, aber auch ganze Länder und Landstriche plünderten und Kriege führten. Um 1115 setzte der dänische König Niels Knud Lavard als Grenzjarl in Südjütland ein. Aus dem Jarltum entstand später das Herzogtum Schleswig als dänisches Lehen.

Unter der Herrschaft Knuts des Großen erreichte Dänemark eine enorme territoriale Ausdehnung. So gehörten neben Dänemark auch Teile Schwedens, Norwegen und erneut England zum Reich Knuts des Großen. Nach ihm übernahm Magnus der Gute von Norwegen die Herrschaft über Dänemark.

Hochmittelalter

Ab der Zeit Knut des Heiligen nimmt das dänische Königtum erheblich am Reichtum zu, was bei eingehender Betrachtung an enger Verbundenheit mit der Kirche liegt. Beispiel hierfür ist die Schenkungsurkunde, die für die Domkirche in Lund erlassen wird. Das Geld, welches dem Kirchenbau zugedacht ist und größtenteils von Bußen für Landsfriedenbruch und Bruch der Ledingspflicht stammt, ist auch zum Teil dem König versprochen. Knut des Heiligen Versuche, die königliche Gewalt zu vergrößern und den Einfluss des dänischen Königtums zu stählen werden mancherorts vom Volk missbilligt. So wird er in der Sankt Albans-Kirche zu Odense von Aufständischen erschlagen. Später sollte er kanonisiert werden.

Königtum und Kirche betreiben weiter gemeinsame Wachstumspläne, da beide Parteien das Errichten einer zentralen Macht anstreben. 1104 wird ein Bistum ergründet, dem der gesamte Norden unterliegt. Im selben Jahr wird eine Umwandelung der Hofämter unter König Niels eingeführt, die den Inhabern einst kleinerer Rollen des königlichen Hofs mehr Macht und Verantwortung zuräumt. Mundschenke werden beispielsweise zu Drosten befördert und verwalten Reichsangelegenheiten, Marschälle befinden sich zunehmend mit der Verwaltung des Militärs beschäftigt. Die Zunahme der Inhaber königlicher Ämter ist in dieser Zeit beträchtlich groß. Wer Treue zeigt, kann oft auf einen königlichen Titel hoffen. Aufstände gegen die wachsende Macht werden beide von König und Kirche ausgelöscht, die ja gemeinsame Interessen haben. In den späten Jahren von Niels Herrschaft wird eine Bewegung unternommen, den Zölibat mit Gewalt durchzusetzen. Aus dem Konflikt geht eine gesetzliche Besonderheit hervor: der Kirche hat man das privilegium fori gewährt, also Unabhängigkeit von Thinggerichten.

Als Knud Lavard, Herzog Südjütlands die Wendenstämme im Westen als Reichslehen bekommt, wurde er als Anwärter auf den dänischen Thron angesehen, und somit zum Konkurrenten von Prinz Magnus. Bei einer Zusammenkunft der Kontrahenten bei Ringstedt wird Knud Lavard am 7. Januar 1131 ermordet. Infolgedessen nimmt sein Halbbruder Erik II. den Kampf gegen Magnus auf. Dies glückt ihm dank der erhaltenen Hilfe der seeländischen Adeligen der Hvide. 1134 findet die Schlacht von Fotevig in Schonen statt, in welcher Prinz Magnus und fünf Bischöfe fallen. König Niels überlebt das Gefecht, um jedoch kurz danach in Schleswig von Gildebrüdern erschlagen zu werden.

Noch 1134 wird Erik II. zum König gekrönt. Während seiner Herrschaft widmet Erik viel Mühe der Heiligsprechung seines ermordeten Bruders. Der Erzbischof von Lund, Asker, scheint dem Wunsch nachkommen zu wollen, allerdings ist sein Nachfolger Eskil diesem Anliegen nicht so wohlgesinnt. Aufflammende Bürgerkriege lenken ebenfalls von diesem Vorhaben ab. Um 1157 unterliegen Waldemar, dem Sohn Knud Lavards, alle Gegner im Thronfolgestreit. Als Alleinherrscher erhält König Waldemar I. die päpstliche Aufmerksamkeit und Gunst, die nötig ist, um Knud Lavard heiligsprechen zu lassen. In einer Doppelueremonie im Jahr 1170 wird der längst ermordete Herzog kanonisiert und Waldemars siebenjähriger Sohn, Knut VI., von Erzbischof Eskil zum König gekrönt. Hernach wird das Verhältnis zwischen Erzbischof und König oft zwieträchtig. Beide Parteien stehen sich im Laufe folgender Jahreeinander mehrmals gegenüber. König Waldemar leistet dem deutschen Kaiser Friedrich Barbarossa 1162 die Lehnshuldigung und verspricht diesem somit seine Treue. Angesichts heftiger Auseinandersetzungen mit dem dänischen König geht Erzbischof Eskil 1177 ins Exil, worauf Bischof Absalon, ein Mitglied des Hvide-Geschlechts, dessen führende geistliche Position übernimmt. Während dieser Zeit genießt König Waldemar gute Verhältnisse zum Papst Alexander III. In Betracht der päpstlichen Gunst versöhnt sich Erzbischof Eskil mit dem König und kehrt nach einigen Jahren zurück. Zusammen ordnen König und Kirche die Verzierung dänischer Kirchen und die Errichtung vieler Klöster an. Der Zisterzienserorden erhält besondere Zuneigung und genießt bald viele Sitze und Einfluss im Land.

Infolge etlicher dänischer Kreuzzugsunterfangen gegen die Wenden wird 1168 das slawische Kulturzentrum Arkona auf Rügen erobert. Dies wird auch von den Dänen als größter Vergeltungsschlag gegen viele Jahre slawischer Piratenzüge und Plünderungen angesehen. Der Siegesrausch dient als einendes Gemeinsamkeitsgefühl unter dem vom Bürgerkrieg zerrissenen Volk. Als Rügen in das Bistum Roskilde eingeführt wird, entstehen erhebliche Aufstände gegen die dänische Herrschaft vonseiten der Wenden. In den darauffolgenden Kriegen erlangt Dänemark Besitz von Estland. 1219 ereignet sich die Schlacht von Lydanisse, welche die göttliche Zuneigung gegenüber Dänemarks belegen soll. Auf die Gebete des Erzbischofs Andreas Sunesen soll Gott gehört und den Dänen den Sieg geschenkt haben. Durch dieses sagenumwobene Ereignis ist das Vertrauen des Volkes gegenüber König und einer starken Kirche nur noch mehr gewachsen.

Während der frühen Jahre des 12. Jahrhunderts folgen weitere militärische Errungenschaften für Dänemark. Die Grafschaft Holstein, einst unter Herrschaft der Schauenburger, wird von Dänemark 1200/1201 erobert. 1202 wird ebenfalls Lübeck unter dänische Kontrolle gebracht, behält allerdings sehr viel Eigenständigkeit in vielen geschäftlichen und politischen Bereichen. Diese Selbstständigkeit befindet sich später, nach Lübecks Vorbild, in vielen Verfassungen späterer dänischer Städte.

Waldemarzeit

Nach gewaltsamen und erfolgreichen Siegen über das aufständische Volk, welches gegen das zentralistisch veranlagte, großmächtige Königtum und eine ebenfalls zentralisierte, gewaltige Kirche gefochten hatte, gedeiht das Waldemargeschlecht. Eine Waldemar-Dynastie entsteht, deren Macht und Einfluss sich mit der Gunst Gottes Willens gerechtfertigen. Diese Zeit, die "Valdemarernes Storhedstid" (Großmachtzeit der Waldemardynastie) bezieht sich auf die frühen Jahre des 12. Jahrhunderts, in welchen Dänemark eine führende Handelsmacht ist und im eigenen Land viel Wachstum der Landwirtschaft genießt. Eine neue dänische Adelsschicht tritt hierbei auch zutage, die Steuerfreiheit genießt, sich dafür jedoch unausweichlich zum Kriegsdienst verpflichtet und militärisch völlig befasst ist. Holzbauten verschwinden und werden zumeist durch Stein ersetzt, Kirchen nehmen romanische Stile an. Eine Großzahl junger Dänen besucht in dieser Zeit wohl angesehene Universitäten mittelalterlichen Europas. Ein Drang nach Bildung und Gelehrtheit flammt auf, in dem Erzbischof Andreas Sunesen dem Volk Mut zuspricht, Latein ohne klassische Texte zu lernen.

1202 wird Waldemar II., jüngerer Sohn von Waldemar I., zum König gekrönt, was die Waldemar-Dynastie festigt. Dann allerdings wird 1223 Waldemar II. mit seinem Sohn Waldemar während der Jagd durch den Grafen von Schwerin gefangen und erst 1225 nach der Schlacht bei Mölln und Zahlung eines hohen Lösegelds freigelassen. Infolge dessen büßt Dänemark seine norddeutschen Territorien ein und gewinnt sie auch nach der Niederlage in der Schlacht von Bornhöved im Jahr 1227 nicht wieder.

Reichsauflösung, Spätmittelalter

Die Niederlage von Bornhöved schlägt Expansionsgedanken aus dem Kopf Waldemars II. Statt Reichserweiterung betreibt er nun die Sicherung seiner herrschaftlichen Macht. Dies tut er, indem er Abkommen mit politischen Gegnern trifft. Reval wird in das Erzbistum von Lund eingegliedert. 1232 wird Erik IV. Mitkönig, nachdem sein älterer Bruder Waldemar stirbt. Frieden soll in dieser Zeit zwischen Schleswig und Holstein geschmiedet werden, indem sich Herzog Abel mit der schauenburgischen Grafentochter Mechthild von Holstein verehelicht. 1231 erscheint das "Landbuch des Königs Waldemar". Das Werk, welches dienlich bei Steuererhebungen sein soll, dauert Jahrzehnte vollendet zu werden und gewährt heute viel Einblick in das Finanz- und Steuersystem des Mittelalters.

Die Reichseinigkeit, die unter Waldemar I. (Dänemark) entstanden ist, währt aber nicht ewig. Vor seinem Tod hat Waldemar II. Grenzprovinzen seinen Söhnen überlassen. Abel wird Herzog von Südjütland, Christoph wird Herzog von Lolland-Falster und zwei außerhalb der Ehe erzeugte Söhne, Niels und Knut, bekommen Halland und Blekinge. Obwohl jene Lehen gar nicht als erblicher Besitz vorgesehen sind, sorgen sie für Unruhe hinsichtlich der Reichseinheit. Verschiedenheiten führen zu Zwist und Hader. König Erik IV. (Erik Plovpenning) sieht sich in vielen Angelegenheiten seinen Brüdern gegenübergestellt, am öftesten Herzog Abel. Die Kirche bleibt von folgenden Auseinandersetzungen nicht verschont und droht sogar mit Bann. Als Erik IV. Steuerabgaben für jeden im Einsatz befindlichen Pflug Dänemarks fordert, entflammen Unruhen und Aufstände unter dem Volk. Der König ist gezwungen zu fliehen. Nach Angriffen von Seiten Herzog Abels zieht Erik IV. nach Schleswig, um den Herzog im Gefecht zu bezwingen. Obwohl der König obsiegt, wird er hinterhältig an der Schlei gemeuchelt, möglicherweise auf Geheiß des schlesischen Herzogs.

Nach dem Tod Eriks IV. lässt sich Herzog Abel auf einem Thing zu Viborg zum König ernennen und wird daraufhin gekrönt. Während seiner nicht allzu langen Herrschaft gewährt er dänischen Handelsleuten, aber vor allem ausländischen Kaufleuten, viele Privilegien. Diese handelsfreundliche Politik erweist sich als kritisch in der wirtschaftlichen Machtbekämpfung gegen die stets wachsende deutsche Hanse. Um das Land noch mehr zu zentralisieren und somit "verwaltbarer" zu machen, wird die "Abel-Christoffersche Verordnung" erlassen, die Christoph I. die Pflicht der Weiterführung des Reichs zuspricht. Aufgrund von drei Kriegen an drei Fronten fällt ihm diese Aufgabe schwer. Als Abel stirbt und sein ältester Sohn sich in Gefangenschaft des Erzbischofs von Köln befindet, wird Christoph zum König erhoben. Norwegen und Schweden drohen das Reich anzugreifen, während Abels Witwe Mechthild von Holstein sich darum bemüht, ihren Söhnen die Krone zu sichern. Den Norden beschwichtigt Christoph I. mit Schadenersatz. Nur mit Nachkommen adeliger Bestrebungen nach Macht kann der König ermöglichen, dass der königliche Hof das Obergericht des dänischen Reichs wird. Streit entbrannt zwischen Kirche und König, als Erzbischof Jakob Erlandsen versucht, alle dänischen und weltlichen Untergebenen der Kirche unter Kirchenjurisdiktion zu bringen. Als der König dem entgegenschreitet, bleibt der Erzbischof 1252 dem Hof fern. In Vejle wird während einer Kirchenversammlung entschlossen, alle Gottesdienste zu unterlassen, sollten Bischöfe in königliche Haft genommen werden.

Kalmarer Union

1397 wurde die Kalmarer Union unter Federführung der dänischen Königin Margrete I. gegründet. 1460 entstand die Personalunion mit Schleswig und Holstein. 1482 druckt Johann Snell in Odense das erste Buch Dänemarks; 1495 erschien, gedruckt in der Offizin Gottfried von Ghemens in Kopenhagen, das erste Buch in dänischer Sprache. 1500 besiegten die Dithmarscher unter Wulf Isebrand in der Schlacht bei Hemmingstedt das dänisch-schleswig-holsteinische Heer unter König Johann, in Personalunion König von Dänemark, Norwegen und Schweden und Herzog in den königlichen Anteilen Schleswigs und Holsteins, und seinem Bruder Friedrich, Herzog in den gottorfschen Anteilen Schleswigs und Holsteins. Die Bauern konnten das vor allem aus einer im Marschenkrieg spezialisierten Infanterietruppe, der aus Landsknechten zusammengesetzten „Schwarzen Garde“, sowie einigen adligen Reitereinheiten bestehende, aber schlecht geführte Heer überraschend vernichten. Der nächste, gründlich vorbereitete Einmarsch dänisch-schleswig-holsteinischer Truppen unter dem Feldherrn Johann Rantzau, die so genannte Letzte Fehde, konnte dann allerdings 1559 von den Dithmarschern nicht mehr aufgehalten werden. 1523 schied Schweden mit der Wahl eines eigenen Königs (Gustav I. Wasa) endgültig aus der Kalmarer Union aus, wodurch ein langandauernder Konflikt um die politische Führung im Ostseeraum ausgelöst wurde.

Neuzeit bis zum Wiener Kongress

1537 wurde die Reformation durchgeführt. 1620 erwarb Dänemark die Jungferninseln als Kolonie (Dänisch-Westindien). Im Dreißigjährigen Krieg unterlag Christian IV. im Jahr 1626 den kaiserlichen Truppen unter Tilly. Von 1563 bis 1720 führte Dänemark verschiedene Kriege mit Schweden um die Vorherrschaft im Ostseeraum. Im Zuge dieser Kriege verlor Dänemark mit dem Frieden von Roskilde 1658 Schonen, Blekinge und Halland (Skåneland, den südlichsten Teil des heutigen Schwedens). Nur knapp konnte Hans von Schack Kopenhagen, das von den Schweden belagert wurde, vor der Eroberung und Dänemark davor bewahren, zu einer schwedischen Provinz zu werden. Zwischen 1720 und 1807 wurde die Schollengebundenheit der Bauern aufgehoben.

Zu Beginn der Empirezeit blieb Dänemark neutral, sowohl gegenüber Frankreich als auch gegenüber Großbritannien. Trotz (oder wegen) dieser bewaffneten Neutralität verweigerte das Land die Durchfahrt britischer Schiffe in die Ostsee. Darauf reagierte 1801 die britischer Flotte mit dem aggressiven Angriff auf Kopenhagen. Als nach dem Frieden von Tilsit Großbritannien einen Bündnisabschluss forderte und Dänemark zögerte, dieses Ultimatum zu akzeptieren, griff es 1807 erneut Kopenhagen an, nahm die Stadt nach dreitägigem Beschuss am 5. September ein, wobei die Briten prächtige Teile der Altstadt zerstörten und die dänische Flotte raubten. „Es war der härteste Schlag, der Dänemark seit den schwedischen Eroberungen vor hundertfünfzig Jahren traf“ (Kjeersgaard, Geschichte 54). Der darauf folgende Seekrieg mit Großbritannien bis 1810 bewog Dänemark, Napoléon Bonaparte zu unterstützten. Dies hatte jedoch zur Folge, dass auf dem Wiener Kongress und im Frieden von Kiel beschlossen wurde, dass Dänemark Norwegen an Schweden abzutreten habe, dies war das Ende der dänisch-norwegischen Personalunion. Grönland, Island, die Färöer und Dänisch-Westindien verblieben jedoch bei Dänemark. [9]

Nationalismus und Liberalismus

Die Dänische Nationalbewegung und die Liberalen begannen in den 1830er Jahren, an Macht zu gewinnen, und nach den europäischen Revolutionen um 1848 (vgl. Märzrevolution) etablierte sich Dänemark 1840 zu einer konstitutionellen Monarchie unter der Linie Glücksburg des Hauses Oldenburg: Das heute noch geltende Grundgesetz Dänemarks tritt in Kraft. Eine wichtige Rolle spielt in dieser Zeit der bedeutende dänische Theologe, Pädagoge, Dichter und Politiker N.F.S. Grundtvig.

Nach dem Zweiten Schleswigschen Krieg 1864 war Dänemark gezwungen, Schleswig an Preußen und Holstein an Österreich-Ungarn abzutreten. Hieran erinnert heute noch die nationale Gedenkstätte bei den Düppeler Schanzen, wo jedes Jahr am 18. April der Jahrestag der verlorenen Entscheidungsschlacht begangen wird.

Diese Niederlage bewirkte tiefe Einschnitte in der Entwicklung der nationalen Identität Dänemarks, die Innenpolitik erfuhr einen Linksruck, die Außenpolitik der Nation nahm einen strikten Neutralitätskurs an und behielt diesen bis nach dem Ersten Weltkrieg bei.

1871 formierte sich unter Louis Pio die dänische Arbeiterbewegung. Die Gründung der dänischen Sozialdemokraten erfolgte im selben Jahr. 1898 wurde der Gewerkschaftsbund Landsorganisationen i Danmark gegründet.

Erster Weltkrieg

Im Ersten Weltkrieg blieb Dänemark neutral. 1917 verkaufte es Dänisch-Westindien an die USA. 1920 fiel nach einer Volksabstimmung im nördlichen und mittleren Teil Schleswigs (dän. auch Sønderjylland / Südjütland) dessen nördlicher Teil - Nordschleswig - an Dänemark. Der mittlere und südliche Teil - Südschleswig - blieb bei Deutschland. Die so gezogene Grenze bildet noch heute den Grenzverlauf. Im Zusammenhang mit der Vereinigung mit Nordschleswig, das 56 Jahre lang durch preußische bzw. deutsche Verwaltung geprägt war, wurden im südlichen (deutschen) und nördlichen (dänischen) Teil Schleswigs die Rechte der jeweiligen Minoritäten besonders gestärkt. Die Rechte der deutschen Minderheit in Nordschleswig und der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein sind auch politisch von besonderer Bedeutung.

Zweiter Weltkrieg

Unter Missachtung seiner Neutralität und ohne Kriegserklärung wurde Dänemark im Rahmen der Operation Weserübung ab dem 9. April 1940 von der Wehrmacht des Deutschen Reiches besetzt. Es blieb bis Ende des Zweiten Weltkriegs unter deutscher Kontrolle. Deutschland respektierte formell die dänische Souveränitat und Neutralität. Deshalb blieben im Gegensatz zu anderen besetzten Ländern sowohl das Staatsoberhaupt, König Christian X., wie auch die dänische Regierung im Lande. Mit einer Zusammenarbeits- und Verhandlungspolitik versuchte die dänische Regierung von Stauding mit dem Außenminister Scavenius die Privilegien eines souveränen Staates zu erhalten. Nazi-Deutschland verzichtete darauf, anders als etwa gegenüber Belgien und Frankreich, die 1919/20 abgetretenen Reichsgebiete wiederanzugliedern, Nordschleswig blieb dänisch. Ende 1941 trat Dänemark sogar dem faschistischen Antikominternpakt bei.

Nach den von den Deutschen verlorenen Schlachten in Stalingrad und El Alamein Ende 1942/Anfang 1943 stiegen der Widerstand und damit auch Sabotageaktionen in Dänemark stark.

Die Wahlen im März 1943, die Unzufriedenheit über die deutsche Besatzung und auch der Eindruck, dass Deutschland den Krieg nicht gewinnen kann, führten zu großen zivilen Unruhen und Streiks im Lande. Die deutsche Besatzungsmacht verlangte, die Todesstrafe einzuführen und den Ausnahmezustand zu erklären, was von der Regierung abgelehnt wurde. Die Regierung rief stattdessen alle Beamten zur „Nichtzusammenarbeit“ auf. Dies führte am 29. August 1943 zur Absetzung der dänischen Regierung. Die Verwaltung wurde jetzt von den Abteilungsleitern der Ministerien übernommen. Die Verhandlungen mit dem deutschen Reichsbevollmächtigen Werner Best führte nun ab dem Zeitpunkt der Leiter der Verwaltung des Außenministeriums Niels Svenningsen. Das dänische Heer wurde durch die Besatzungsmacht aufgelöst, die Flotte versenkte sich selbst.

Im Oktober 1943 kam es zur Rettung der dänischen Juden: Von 7500 Juden konnten 7300 über den Öresund nach Schweden gebracht werden. Der Preis für die Überfahrt betrug 2000 Kronen pro Kopf. Arme Flüchtlinge wurden kostenlos befördert[10]. Auch waren Werner Best, der Statthalter der Deutschen, und der Schifffahrtssachverständige der deutschen Botschaft, Georg Ferdinand Duckwitz, sehr gut über die Rettung informiert; sie hatten dänische Politiker vor der geplanten deutschen Aktion gegen die dänischen Juden gewarnt; so ermöglichten sie die Rettungsaktion.

Nach einem falschen Luftalarm in den großen Städten am 19. September 1944 wurden die Polizei und Grenztruppen entwaffnet und aufgelöst; Polizisten wurden inhaftiert und einige in Konzentrationslager geschickt. 1960 dänische Polizisten wurden als Repressionsmaßnahme in das KZ Neuengamme deportiert, weil die Regierung nicht die geforderten Maßnahmen durch die Polizei gegen die dänische Widerstandsbewegung sicherstellen wollte. Später kamen sie in das Gefangenenlager Mühlberg[11].

Die große Mehrheit der Dänen sympathisierte im Zweiten Weltkrieg mit der Sache der Alliierten, stützte aber andererseits die eigene Regierung im Bemühen um eine defensive Zusammenarbeit mit den deutschen Besatzern, die von manchen Historikern aber auch als Kollaboration charakterisiert wurde. Die Sympathien für die nationalsozialistische Weltanschauung und die deutschen Kriegsziele der Neuordnung Europas waren in Dänemark ausgesprochen gering, der dänische NSDAP-Ableger DNSAP erreichte bei den von den Nationalsozialisten geduldeten, demokratischen Parlamentswahlen im März 1943 nur einen Stimmanteil von 2,1 %. Insbesondere nach dem Überfall auf die Sowjetunion stellten sich etwa 7.000 Dänen (etwa 1.000 davon Angehörige der deutschen Minderheit) der deutschen Kriegsmaschinerie zur Verfügung. Sie traten als Freiwillige der Waffen-SS bei und kämpften zum Teil bis Kriegsende auf deutscher Seite.

1944 erfolgte die Unabhängigkeitserklärung des seit 1940 von britischen, später us-amerikanischen Truppen besetzten Island, das seit 1918 in Personalunion mit Dänemark verbunden gewesen war. Die Färöer-Inseln, die auch zu Dänemark gehörten, wurden ebenso 1940 von britischen Truppen besetzt und standen während des Zweiten Weltkriegs unter Selbstverwaltung.

Am 4. Mai 1945 kapitulierten die deutschen Truppen in den Niederlanden, in Nordwestdeutschland und Dänemark vor den britischen Truppen, so dass am 5. Mai 1945 Dänemark von der deutschen Besatzung befreit war. Dies galt auch für die Häftlinge des deutschen KZ in Dänemark in Frøslev (offiziell „Polizeigefangenenlager Fröslee“). Bornholm wurde nach heftigen Bombardierungen der Städte Rønne und Neksø am 7. und 8. Mai 1945 einige Tage später von der Sowjetarmee besetzt; die deutsche Inselgarnison kapitulierte erst am 11. Mai 1945. Die Sowjets räumten die Insel erst wieder am 5. April 1946.

Nachkriegszeit

Nach dem Krieg war Dänemark 1949 Gründungsmitglied der NATO und wurde am 1. Januar 1973 nach einer Volksabstimmung Mitglied der Europäischen Gemeinschaft. Seit dem 1. Mai 1979 besitzt Grönland die Selbstverwaltung. 1989 führte Dänemark als erstes Land der Welt zivilrechtliche Partnerschaften für Homosexuelle ein. 1998 wurde die Brücke über den Großen Belt eröffnet, im Jahr 2000 erfolgte die Einweihung der Öresundbrücke, welche die beiden durch den Öresund getrennten Wirtschaftszentren Dänemarks (Kopenhagen) und Schwedens (Malmö) verbindet.

Zeittafel

  • Um 200–500 rücken Skandinavier aus Norwegen und Schweden Richtung Süden und Südwesten nach Jütland vor.
  • Um 400–500 kommen Jüten zusammen mit Sachsen, Angeln und Friesen über die Nordsee nach Britannien in das Gebiet des nördlichen England.
  • Um 600 ist die kimbrische Halbinsel bis zur Eider vorwiegend dänisch besiedelt.
  • Um 800 beginnt die so genannte Wikingerzeit. Einer der bedeutendsten Orte der dänischen Wikinger ist Haithabu, gegründet 808.
  • 865 erobert ein dänisches Wikingerheer Teile von East Anglia.
  • 876 verteilt der dänische Wikingerheerführer Halfdan Land in Northumbria an seine Leute zur Besiedlung.
  • 877 siedeln die Dänen auch im Königreich Mercia.
  • 879 Ostanglien wird dänisch besiedelt. Der Nordosten Englands ist nun stark von dänischer Besiedlung geprägt, es gilt dänisches Recht (Danelag).
  • 936 Jelling in Jütland wird Königssitz.
  • 960 der Dänische König Harald Blauzahn lässt sich laut Legende am Poppostein in Südjütland taufen. Die Dänen werden Christen.
  • 1000 Sven Gabelbart schlägt Olaf I. Trygvasson. Teile Norwegens werden dänisch.
  • 1016 wird der dänische König Knut der Große König von England.
  • 1076 berichtet Adam von Bremen ausführlich über die Dänen.
  • 1168 Eroberung von Rügen und Christianisierung der Ranen unter Absalon von Lund
  • Um 1200 zeichnet Saxo Grammaticus die Geschichte der Dänen auf.
  • 1201 Dänemark besetzt Lübeck.
  • 1227 Schlacht von Bornhöved.
  • Ab 1350 rafft die Pest große Teile der dänischen Bevölkerung dahin.
  • Erster Hanse-Dänemark-Krieg beendet durch den Frieden von Vordingborg (1365).
  • 1367 Kölner Konföderation der Hansestädte gegen Dänemark
  • 1370 Frieden von Stralsund
  • 14. Jahrhundert der Süden Südjütlands (Schleswig) zwischen Eider und Schlei wird zunehmend sächsisch besiedelt.
  • 15. Jahrhundert Kopenhagen und Seeland werden immer bedeutender.
  • 1429 Einführung des Sundzoll
  • 1460 Vertrag von Ripen
  • 1512 Friede von Malmö
  • 1523 Ende der Kalmarer Union
  • 1534 Grafenfehde
  • 1536 Reformation in Dänemark. Die Dänen werden evangelisch-lutherisch.
  • 1570 Frieden von Stettin
  • 16. Jahrhundert Zu Dänemark zählen zu dieser Zeit Schonen, Halland und Blekinge. Südjütland bzw. das Schleswig war als dänisches Lehen ein eigenes Herzogtum und noch größtenteils dänischsprachig. Regiert wurden neben den genannten Regionen weiter Norwegen Gotland, Ösel und Holstein. Dänische Adlige und dänische Verwaltung prägen diese Länder, Dänen siedeln sich an und vermischen sich mit der ortsansässigen Bevölkerung. Die dänische Sprache hinterlässt Spuren in den lokalen Sprachen.
  • 1629 Lübecker Frieden
  • 1645 Frieden von Brömsebro, Halland wird auf 30 Jahre an Schweden verpachtet
  • 1658 Frieden von Roskilde, Dänemark verliert Schonen, Blekinge und Halland an Schweden
  • 1666 Dänemark gründet Kolonien in der Karibik, Saint Thomas, Saint Croix, Saint John. Dänen siedeln sich als Farmer und Kaufleute an. 1917 werden die Kolonien an die USA verkauft.
  • 1683 Ein einheitliches dänisches Rechtsbuch (Danske Lov) löst am 15. April 1683 die alten Landschaftsrechte (Jütisches Recht und Seeländisches Recht) ab. Das Schonische Recht wird im gleichen Jahr vom einheitlichen Schwedischen Recht abgelöst. Das Jütische Recht bleibt noch bis 1900 in Schleswig/Südjütland bestehen.
  • 1722 gründet Hans Egede die erste Kolonie auf Grönland. Später siedeln sich immer mehr Dänen in Grönland an.
  • 1772 wird per Dekret verfügt, dass im multinationalen Dänemark die dänische Sprache Amtssprache ist (vorher von Deutsch dominiert).
  • 1773 Vertrag von Zarskoje Selo mit Russland über Gebietstausch in Holstein.
  • 1788 Agrarreform. Beendigung der Leibeigenschaft der Bauern.
  • März 1848 Revolution. Ende der absoluten Monarchie. Bürgerkrieg zwischen dänischer und deutscher Bevölkerung im Herzogtum Schleswig (Südjütland)
  • 1849 erstes Parlament und Verfassung.
  • 1864 nach der Erstürmung der Düppeler Schanzen im Deutsch-Dänischen Krieg innenpolitische Krise unter dem rechten Ministerpräsidenten Estrup. Linksruck in der Bevölkerung.
  • 1901 Verfassungsreform. Rolle des Parlaments wird aufgewertet.
  • 1920 Nach einer Volkskabstimmung in Südjütland (Schleswig) wird Nordschleswig dänisch, Südschleswig bleibt bei Deutschland.
  • 1930er Jahre Die regierenden Sozialdemokraten entwickeln den modernen dänischen Wohlfahrtsstaat.
  • Oktober 1943 unter Besetzung der Nationalsozialisten: Weitgehende Rettung der dänischen Juden.
  • Nach 1945 Regelung der Minderheitenfrage beiderseits der Grenze mit den Deutschen. Vorbildfunktion in Europa.
  • 1972 Referendum zum Betritt in die Europäische Gemeinschaft. Die Mehrheit der Dänen stimmt mit Ja.
  • 2000 Referendum über Einführung des Euro. Die Mehrheit der Dänen entscheidet sich entgegen der Parlamentsmehrheit der etablierten Parteien für Nej (Nein).

Literatur

  • Norman Berdichevsky: The Danish-German border dispute, 1815–2001: aspects of cultural and demographic politics. Bethesda; Dublin; London. 2002. – ISBN 1-930901-34-8
  • Robert Bohn: Dänische Geschichte. München: Beck, 2001. – (Beck'sche Reihe; 2162). – ISBN 3-406-44762-7
  • Steen Bo Frandsen: Dänemark – der kleine Nachbar im Norden. Aspekte der deutsch-dänischen Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert. Darmstadt 1994. – ISBN 3-534-11712-3
  • Eva Heinzelmann / Stefanie Robl / Thomas Riis (Hrsg.): Der dänische Gesamtstaat, Verlag Ludwig, Kiel 2006, ISBN 978-3-937719-01-6.
  • Lars Hermanson: Släkt, vänner och makt: en studie av elitens politiska kultur i 1100-talets Danmark, Göteborg 2000. (= Avhandlingar från Historiska institutionen i Göteborg; 24), Zusammenfassung in englischer Sprache (Zugl.: Göteborg, Univ., Diss., 2000), ISBN 91-88614-30-1
  • Erich Hoffmann: „Der heutige Stand der Erforschung der Geschichte Skandinaviens in der Völkerwanderungszeit im Rahmen der mittelalterlichen Geschichtsforschung.“ In: Der historische Horizont der Götterbild–Amulette aus der Übergangsepoche von der Spätantike zum Frühmittelalter. Göttingen 1992. S. 143–182.
  • Jørgen Kühl / Robert Bohn: Ein europäisches Modell? Nationale Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland 1945–2005. Bielefeld 2005. – ISBN 3-89534-541-5
  • Arndt Ruprecht: Die ausgehende Wikingerzeit im Lichte der Runeninschriften. Göttingen 1958.
  • Therkel Stræde: Dänemark: Die schwierige Erinnerung an Kollaboration und Widerstand. – In: Mythen der Nationen: 1945 – Arena der Erinnerungen. / hrsg. von Monika Flacke. – Mainz 2004. – ISBN 3-8053-3298-X – S. 123–144
  • Ottmer, Hans-Martin: “Weserübung”. Der deutsche Angriff auf Dänemark und Norwegen im April 1940. München 1994. ISBN 3-486-56092-1
  • Barfod, Jörgen H..: The Holocaust failed in Denmark. Kopenhagen 1985.
  • Buckser, Andrew: After the Rescue. Jewish Identity and Community in Contemporary Denmark. ORT 2003.
  • Findeisen, Jörg-Peter: Dänemark. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Regensburg 1999.

Einzelnachweise

  1. ↑ Hoffmann S. 159.
  2. ↑ Die Erwähnung Norwegens, der Färöer, Islands und Grönlands, dann Helsingjalands und der Skridfinnen an die Hamburger Erzdiözese in der kaiserlichen Stiftungs- und die päpstlichen Bestätigungsurkunde (Hamb. Urk.-Buch Nr. 8 u. 9) sind auf eine durchgreifende spätere Interpolierung ursprünglich echter Texte zurückzuführen.(Maurer S. 22)
  3. ↑ Seegrün S. 47.
  4. ↑ Ruprecht S. 17.
  5. ↑ Davon wird in der Hákonardrápa des Skalden Guthorm sindri berichtet.
  6. ↑ Ruprecht S. 18.
  7. ↑ Herbert Jankuhn und andere: Völker und Stämme Südostschleswigs im frühen Mittelalter. Schleswig 1952. S. 151 ff.
  8. ↑ Gregor von Tours III, 3.
  9. ↑ Eva Heinzelmann / Thomas Riis / Stefanie Robl. (Hrsg.), Der dänische Gesamtstaat – Ein unterschätztes Weltreich? / The Oldenbourg Monarchy – An Underestimated Empire?, dt./engl., Kiel (Ludwig) 2005, ISBN 3-937719-01-6
  10. ↑ „Herbert Pundik: Die Flucht der dänischen Juden 1943 nach Schweden, Seite 22
  11. ↑ „Gads leksikon om dansk besættelsestid 1940-1945.“ Published 2002. Page 367 (dän.)

 

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Öresund

Der Öresund (dänische Schreibweise: Øresund; historische deutsche Bezeichnung: Sund) ist die Meerenge zwischen Seeland (Dänemark) und Schonen (Schweden), die die Ostsee mit dem Kattegat verbindet. Im Öresund liegen die Inseln Ven (zu Schweden) sowie Amager, Saltholm und die künstliche Insel Peberholm (alle zu Dänemark). Von 1429–1857 erhob Dänemark für die Durchfahrt von Schiffen einen Sundzoll. Bis zum Frieden von Roskilde 1658 gehörte auch das schonische Ufer des Öresunds zu Dänemark.

Die beiden größten Städte am Öresund sind Kopenhagen und Malmö, die durch die Öresundverbindung miteinander zur Öresundregion verbunden sind. Die kürzeste Fährverbindung über den Öresund ist zwischen dem dänischen Helsingør und dem schwedischen Helsingborg. Dort, nördlich von Kopenhagen und Malmö, befindet sich mit ca. 4 km die schmalste Stelle der Meerenge.

Vor ca. 8.000 Jahren begann der Skandinavische Schild – von der Last des eiszeitlichen Eises befreit – zu kippen. Er hob sich im Norden und senkte sich im Süden. Das Nordseewasser drang vom Norden her in den Ostseeraum ein, überflutete das ehemalige Festland und schuf in den folgenden Jahrtausenden die dänischen Inseln und Sunde.

Pläne für eine feste Verbindung über den Öresund gab es bereits im 19. Jahrhundert. Ein Eisenbahntunnel zwischen Helsingborg und Helsingør sollte gebaut werden. In den 1960er-Jahren kam der Gründer des Verpackungskonzerns Tetra-Pak, Ruben Rausing, sogar auf die Idee, die Wasserstraße trockenlegen zu lassen und auf dem Gebiet Ørestad zu bauen. Die Ölkrise verhinderte diesen kühnen Plan endgültig.

Mittlerweile ist die neue Öresundverbindung fertiggestellt und befahrbar. Sie verbindet Dänemark und Schweden erstmals direkt und wurde am 1. Juli 2000 durch Königin Margrethe II. von Dänemark und König Carl XVI. Gustaf von Schweden feierlich eröffnet.

 

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Frieden von Kopenhagen (1441)

Mit dem Frieden von Kopenhagen, einem besseren Waffenstillstandsvertrag, endete der Hansisch-niederländische Krieg von 1438 bis 1441.

Der Vertrag wurde im Jahr 1441 in Kopenhagen von den Städten der Hanse unter Führung von Lübecks Bürgermeister Johann Lüneburg und den Holländern unterzeichnet. Der Krieg hatte im Mai 1438 mit der Kaperung von zwölf Salzfrachtern der Hanse auf der Reede von Brest begonnen, was zu einer sofortigen Blockade des Öresunds durch Lübeck und seine Verbündeten führte. Mit dem Friedensschluss wurde das Monopol der Hanse in Schifffahrt und Handel im Ostseeraum aufgeweicht. Durch die Öffnung der Ostsee für die Schiffe der Niederländer, die größer waren als die der Hanseaten, entstand wirksamer Wettbewerb. Im Vertrag verpflichteten sich die niederländischen Städte zum Ersatz beziehungsweise zur Rückgabe von 22 Schiffen der preußischen und livländischen Hansestädte. Die Holländer zahlten weiterhin 5.000 Gulden an König Christoph III. von Dänemark und verpflichteten sich gegenüber den Wendischen Städten der Hanse, allen diesen entstandenen Schaden zu ersetzen.

Literatur

  • Philippe Dollinger: Die Hanse. 5. Auflage, Stuttgart 1998, ISBN 3-520-37105-7.

 

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Burgund

Burgund (französisch Bourgogne) ist eine Region im Zentrum Frankreichs. Es hat eine Fläche von 31.741 km² und ca. 1,61 Mio. Einwohner. Regionalhauptstadt ist Dijon.

Geographie

Im Osten grenzt Burgund an die Region Franche-Comté, im Norden an Champagne-Ardenne und Île-de-France. Westlich liegt die Region Centre, während im Süden die Regionen Auvergne und Rhône-Alpes angrenzen.

Burgund hat mit dem Morvan, einem Ausläufer des Zentralmassivs Anteil an den alten Kristallingebieten. Ansonsten bilden mesozoische Sedimente (zumeist aus dem Jura) den Gesteinsuntergrund. An der Ostflanke leiten Bruchstufen zur Saône-Furche über.

Geschichte

Frühgeschichte

Die heutige Region Burgund war schon im Palaeolithikum von Menschen besiedelt. Funde am Felsen von Solutré weisen schon für die Zeit um 15.000 v. Chr. eine dichte Besiedelung nach.

Vom 6. Jahrhundert v. Chr. bis zur Ankunft der Römer ist die keltische Kultur der Gallier vorherrschend, vor allen Dingen vertreten durch die Haeduer und die Mandubier, die auch in Caesars De bello gallico Erwähnung finden. Bedeutende Ansiedlungen der Stämme waren Bibracte in der Nähe des heutigen Autun und Alesia nahe Dijon.

Römische Zeit

Um 59 v. Chr. besiegten die Römer unter Julius Caesar die Helvetier und andere gallische Stämme bei Bibracte (heute Saint-Léger-sous-Beuvray), auf dem Mont Beuvray, zwischen Autun und Le Creusot. Im Jahr 52 v. Chr. schlugen die Römer, wiederum unter Caesar, bei Alesia, dem heutigen Alise-Sainte-Reine, den gallischen Aufstand unter Vercingetorix nieder. Es folgte die Eingliederung Galliens in das Römische Reich und die langsame sprachliche und kulturelle Romanisierung seiner Einwohner.

Um 43 v. Chr. wurde Augustodunum (Autun) gegründet

Um 280 begann der Weinbau der Region.

Das Reich der Burgunder 443–532

Der im Zuge der Völkerwanderung an den Oberrhein gelangte germanische Stamm der Burgunder, der zwischenzeitlich den Status eines römischen Foederaten erlangt hatte, wurde nach erneuten Konflikten und Niederlage gegen die Römer 443 von diesen im Bereich der heutigen Westschweiz und Savoyens angesiedelt. Da die Burgunder jedoch der ansässigen keltoromanischen Bevölkerung zahlenmäßig stark unterlegen waren, konnten sie zwar eine um ihren König vereinte Herrenschicht bilden, wurden jedoch bald romanisiert.

Im Laufe des 5. Jahrhunderts gingen die noch bestehenden Reste der römischen Verwaltung in der des Königreichs der Burgunder auf, und um 507 ist erstmals der Name Burgundia als Bezeichnung des neuen Reiches belegt. Die Burgunder eroberten nach dem Zusammenbruch des Weströmischen Reiches weitere Gebiete um ihr Kernland, nördlich bis in die Gegend von Troyes, westlich bis an die Loire, südlich bis Orange und im Osten bis an den Alpenkamm bzw. an den Rhein und die Aare.

Das fränkische Teilreich Burgund

Im Jahr 534 unterwarfen die ebenfalls germanischen Franken die Burgunder. Im 6. und 7. Jahrhundert entstand bei Erbteilungen zweimal ein fränkisches Teilreich Burgund, das aber beide Male wieder mit dem Gesamtreich vereint wurde. Innerhalb des Frankenreiches blieb Burgund weiterhin als Reichsteil bestehen. Als 843 das Fränkische Reich im Vertrag von Verdun erneut geteilt wurde, fand die territoriale Einheit der alten Burgundia ein Ende: Die östlich der Saône liegenden Gebiete fielen dem Reich Lothars zu, die westlich liegenden, die etwa der heutigen Region Bourgogne entsprechen, kamen zum westfränkischen Reich. Diese Grenze blieb langfristig bestehen.

Nach weiteren Teilungen und Grenzverschiebungen (Teilung von Prüm, Vertrag von Meersen, Vertrag von Ribemont, Erwerbung Italiens durch Karl den Kahlen von Westfranken nach dem Tod Ludwigs II.) löste sich nach dem Tod Kaisers Karl des Kahlen 877 zunächst Niederburgund unter dem Buviniden Boso von Vienne, der 879 König wurde, vom Frankenreich. Nach der Absetzung 887 des ostfränkischen Königs und Kaisers Karl des Dicken ließ sich 888 der Welfe Rudolf zum König von Hochburgund wählen. Diese beiden von den Karolingern unabhängigen Herrschaften wurden 930/951 unter Rudolf II. und Konrad III. von Hochburgund im Königreich Arelat vereint. Arelat ging 1033 durch Erbfall an das Heilige Römische Reich, wo es trotz formell zunächst einheitlicher Verwaltung durch das Rektorat von Burgund zunehmend in selbständige Grafschaften zerfiel, unter ihnen die Grafschaft Burgund, die später zur Pfalz-, dann Freigrafschaft wurde.

Der Teil Burgunds, der unter der Herrschaft des Westfränkischen Reiches verblieben war, wurde zuerst noch als Regnum Burgundiae bezeichnet. In Vertretung des karolingischen Königtums begründete Richard der Gerichtsherr 918 ein zuerst persönliches Herzogtum in seiner Familie. Erst seit 1075 ist ein gebietsbezogenes Herzogtum Burgund nachweisbar.[1]

Hoch- und Spätmittelalter: Herzogtum und Freigrafschaft Burgund

910 wurde das Benediktinerkloster Cluny gegründet.

1016 besiegte der französische König Robert II. die Erben des Herzogs Heinrich des Großen. 1031 wurde das Herzogtum Burgund Robert, dem zweiten Sohn des französischen Königs Robert II. aus dem Haus der Kapetinger, als Apanage zugewiesen. 1031 bis 1361 regierten die Kapetinger-Herzöge im Herzogtum Burgund.

1131 wurde die große Klosterkirche von Cluny geweiht.

Der Pestepidemie von 1348 fiel etwa die Hälfte der Bewohner Burgunds zum Opfer [2].

Nachdem die Dynastie der Kapetinger-Herzöge mit Philipp I. 1361 erloschen war, verlieh König Johann der Gute das Herzogtum 1363 seinem jüngsten Sohn Philipp dem Kühnen. Dieser verheiratete sich mit der Witwe seines Vorgängers, der Erbtochter des Grafen von Flandern und brachte damit neben Flandern auch die zum Heiligen Römischen Reich gehörende Freigrafschaft Burgund in seinen Besitz. Er wurde so der Begründer des Hauses Burgund, einer Seitenlinie des französischen Königshauses der Valois und einer der mächtigsten Dynastien des Spätmittelalters, die im französisch-deutschen Grenzraum einen großen Länderkomplex aufbaute, aus dessen nördlichem Teil, den Burgundischen Niederlanden, später die heutigen Benelux-Länder hervorgingen. Im Hundertjährigen Krieg zwischen den Herrscherhäusern Englands und Frankreichs trieben Philipp († 1404) und seine drei Nachfolger eine eigenständige Politik, indem sie sich zu ihrem Vorteil mal mit der einen, mal mit der anderen Seite, meist aber mit den Engländern verbündeten.

1404-1419 regierte Herzog Johann Ohnefurcht, 1419-1467 Herzog Philipp der Gute, 1467-1477 Herzog Karl der Kühne.

Die Herzöge Philipp der Kühne und Johann Ohnefurcht verstanden sich selbst vor allem als mächtige französische Fürsten und Mitglieder des französischen Königshauses, als welche sie sich zur Regierungszeit des geistesgestörten Königs Karls VI. wie selbstverständlich in innerfranzösische Angelegenheiten einmischten. Dies änderte sich unter den beiden nächsten und letzten Burgunderherzögen, die sich als faktisch souveräne Herrscher betrachteten und verhielten.

Während Philipp der Gute sein Territorium, vor allem im Bereich der jetzigen Niederlande, mit viel politischem Geschick zu arrondieren und zu konsolidieren verstanden hatte und zuletzt über einen reichen und mächtigen Staat regierte, in dem Brüssel in die Rolle der Hauptstadt hineinwuchs, versuchte sein Nachfolger Karl, die Expansion mit militärischer Gewalt fortzusetzen. 1474-1477 führte er Kriege mit der Schweizer Eidgenossenschaft. 1475 ließ er seine Truppen das Herzogtum Lothringen besetzen, das seine nördlichen und die südlichen Gebiete voneinander trennte. 1477 wurde er in der Schlacht bei Nancy von den verbündeten Eidgenossen und Lothringern geschlagen, er selber fiel in der Schlacht.

1477 heiratete Karls Tochter und Alleinerbin, Maria von Burgund, den späteren römisch-deutschen Kaiser Maximilian von Habsburg. Der französische König Ludwig XI. erklärte daraufhin das Herzogtum Burgund, das Mâconnais, das Auxerrois und das Charolais zu heimgefallenen Lehen und besetzte die Gebiete. Maximilians Versuche, die Gebiete militärisch zurückzugewinnen (1513 z.B. wurde Dijon durch kaiserliche Truppen belagert), blieben letztlich erfolglos.

Neuzeit

Nach der Französischen Revolution von 1789 wurde Frankreich 1790 in Départements aufgeteilt. Damit wurde das Herzogtum Burgund als politische Einheit aufgelöst und durch die heutigen vier Départements ersetzt.

1794 wurde der Canal du Centre zwischen Saône und Loire eröffnet.

Bei der Einteilung Frankreichs in Programmregionen im Jahre 1956 wurde die Region Burgund (Bourgogne) in ihren heutigen Grenzen gebildet, die die vier Départements umfasst. 1972 erhielt die Region den Status eines Établissements public unter Leitung eines Regionalpräfekten. Durch die Dezentralisierungsgesetze von 1982 erhielten die Regionen den Status von Collectivités territoriales (Gebietskörperschaften), wie ihn bis dahin nur die Gemeinden und die Départements besessen hatten. 1986 wurde der Regionalrat der Region Burgund erstmals in Direktwahl gewählt. Seitdem wurden die Befugnisse der Region gegenüber der Zentralregierung in Paris schrittweise erweitert.

Politische Gliederung

Die Region Bourgogne untergliedert sich in 4 Départements.

  • Département   Präfektur  ISO 3166-2 Arrondissements Kantone Gemeinden Einwohner (Jahr)  Fläche (km²)   Dichte (Einw./km²)
  • Côte-d’Or         Dijon         FR-21          3                         43           707             519.143 (2007)       8.763              59,2
  • Nièvre              Nevers       FR-58          4                         32           312             221.488 (2007)       6.817              32,5
  • Saône-et-Loire  Mâcon        FR-71          5                         57           573             551.842 (2007)       8.575              64,4
  • Yonne              Auxerre      FR-89          3                         42           454             341.418 (2007)       7.427              46

Wirtschaft und Infrastruktur

Burgund ist eine landwirtschaftliche Region, die vor allem für ihre Rotweine aus den Regionen an der Côte de Nuits und der Côte de Beaune sowie für die Weißweine von der Côte-d'Or und aus dem Chablis weltbekannt ist, außerdem wird in Burgund auch Viehzucht betrieben, vor allem die Zucht der regionstypischen Charolais-Rinder und Bressehühner. In Südburgund an der Grenze zur Auvergne, trifft man auch noch einige alte Ölmühlen für Nuss- und Pflanzenöle an, darunter die älteste, historische Ölmühle Jean Leblanc, die sich heute noch in Betrieb befindet.

Die Industrie Burgunds ist trotz seiner günstigen Lage nur gering ausgeprägt und konzentriert sich vor allem im Gebiet um Dijon. Die im 19. Jhd. blühende Metallindustrie um le Creusot ist bedeutungslos geworden. Heute finden sich viele mittlere Betriebe der Kunststoffverarbeitung im Gebiet um Dijon aufgrund der Nähe zu einem großen Chemiewerk in Tavaux, welches selbst aber zur Region Franche-Comté gehört. In Chalon-sur-Saone findet sich Elektroindustrie und erstaunlicherweise ein beachtlicher Schiffbau, u.a. sogar U-Bootbau. Die Schiffe finden über die Saone und die Rhone den Weg zum Meer.

Im Vergleich mit dem BIP der Europäischen Union ausgedrückt in Kaufkraftstandards erreichte die Region 2006 einen Index von 94,8 (EU-27 = 100).[3]

Die Hauptverkehrsrouten für den überregionalen Straßenverkehr sind die Autobahnen Paris-Burgund-Provence, Metz-Nancy-Burgund-Lyon und Mülhausen-Burgund-Lyon, die wichtigste überregionale Bahnstrecke ist Paris-Dijon-Lyon. Es gibt über 1000 km schiffbare Wasserwege.

Tourismus

Kulturdenkmäler

In Burgund gibt es eine große Zahl von Kirchen, Klöstern und ehemaligen Klöstern, die eine Besichtigung lohnen. Darunter finden sich:

  • Ancienne Abbaye Les Ursulines, Autun, Département Saône-et-Loire
  • Abtei Saint-Fortunat, Charlieu
  • Kloster Cîteaux, nahe Dijon, Département Côte-d'Or
  • Cluny (Abtei), Cluny, Département Saône-et-Loire
  • Fontenay (Abtei), 60 km nordwestlich von Dijon
  • Kloster Pontigny, etwa 21 km nordöstlich von Auxerre, 15 km nördlich von Chablis, im Département Yonne
  • Vézelay, im Département Yonne

In der Nähe (ca. 10 km nördlich) von Cluny liegt der Ort Taizé, wo sich die Gemeinschaft von Taizé befindet.

Neben den zahlreichen Sakralbauten finden sich in Burgund auch viele Burgen und Schlösser, die im eher ländlich geprägten Herz Frankreichs weit verstreut sind. Ihre genaue Anzahl ist schwer in Erfahrung zu bringen, denn Angaben dazu schwanken zwischen 400 und 700. Besonders bekannte Adelsresidenzen sind:

  • das Schloss Ancy-le-Franc
  • die Ruine der Burg Brancion
  • das Schloss Bussy-Rabutin
  • das Schloss Châteauneuf
  • das Schloss Commarin
  • das Schloss Cormatin
  • der Herzogspalast von Dijon
  • der Herzogspalast von Nevers
  • das Schloss Sully

Rezeption

Burgund wird mit zahlreichen, teils historisch inspirierten Figuren im Nibelungenlied erwähnt. Dort ist jedoch nicht die hier beschriebene Region Burgund gemeint, sondern das Burgundenreich.

Literatur

  • Klaus Bußmann: Burgund. Kunst, Geschichte, Landschaft. Burgen, Klöster und Kathedralen im Herzen Frankreichs... 12. Auflage. DuMont, Köln 1992, ISBN 3-7701-0846-9.
  • Ulrich Erdmann: Römische Spuren in Burgund. Ein archäologischer Reiseführer. Reichert, Wiesbaden 2004, ISBN 3-89500-352-2.
  • Heinz-Joachim Gund: Burgund. Artemis, München, Zürich 1987, ISBN 3-7608-0795-X.
  • Hermann Kamp: Burgund. Geschichte und Kultur. München 2007, ISBN 3-406-53614-X.

Einzelnachweise

  1. ↑ Lexikon des Mittelalters, Bd. 2, Spalte 1066.
  2. ↑ Zivilstandesregister von Givry (Saône-et-Loire) 1334-1357
  3. ↑ Eurostat Pressemitteilung 23/2009: Regionales BIP je Einwohner in der EU27 (PDF-Datei; 360 kB)

 

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Brest (Finistère)

Brest ist eine französische Hafenstadt in der Bretagne mit 142.722 Einwohnern (Stand 1. Januar 2007). Sie gehört zum Département Finistère. Aufgrund ihrer geschützten Lage an der Rade de Brest, einer tief ins Land ragenden Bucht des Atlantiks, sowie des natürlichen Hafens im Bereich der Mündung des Flüsschens Penfeld ist Brest seit Jahrhunderten ein bedeutender Marinehafen Frankreichs. Noch heute ist Brest, auch „Cité du Ponant“ genannt, Stützpunkt der französischen Atlantikflotte und ein wichtiger Handelshafen.

Als größte Stadt der westlichen Bretagne ist Brest ein wichtiger Industrie- und Handelsstandort. Die Stadt ist Sitz der Universität Université de Bretagne Occidentale (kurz UBO), sowie weiterer Hochschulen und Forschungsinstitute.

Geografie

Klima

Das Klima von Brest ist ein gemäßigtes Seeklima, das vom Golfstrom beeinflusst wird. Charakteristisch für dieses Klima sind kühle Sommer und milde Winter. Frost tritt selten auf, Wind dagegen fast ständig. Die Stadt gehört in eine Klimazone des Typs Cfb (nach Köppen und Geiger): Warmgemäßigtes Regenklima (C), vollfeucht (f), wärmster Monat unter 22 °C, mindestens vier Monate über 10 °C (a).

Die jährliche Durchschnittstemperatur liegt bei 10,8 °C; der kälteste Monat ist mit 6,2 °C der Februar, der wärmste mit 16,0 °C der August. Die jährliche Niederschlagsmenge beträgt 1085 mm; am trockensten mit 46 mm ist es im Juli, die höchste Niederschlagsmenge fällt mit 137 mm im Dezember.

Geschichte

An der Stelle des heutigen Brest befand sich zur Zeit der Römer seit Ende des 3. Jahrhunderts ein befestigter Stützpunkt, der dem Küstenschutz diente und Gesocribate genannt wurde. Im 5. Jahrhundert wanderten von England her britische Stämme ein, nach denen das Land Bretagne genannt wurde. Später wurde hier ein Kastell gegen die Angriffe der Normannen errichtet. Mit der Bretagne kam auch Brest im 12. Jahrhundert unter die Oberhoheit der Engländer, 1202 aber wieder zurück unter französische Lehnsherrschaft.

Mit Beginn der Neuzeit erlebte die Stadt durch den Überseehandel einen Aufschwung. 1593 erhielt Brest durch König Heinrich IV. das Stadtrecht. 1631 machte Kardinal Richelieu Brest zum Militärhafen und ließ dort das Marinearsenal für die Flotte du Ponant erbauen. 1683 wurde die Anlage von Vauban zur Festung ausgebaut. Am 18. Juni 1686 traf hier eine Delegation aus Siam ein, die zu König Ludwig XIV. nach Versailles weiterreiste, ein Ereignis, an das bis heute der Name der wichtigsten Hauptstraße der Stadt, die Rue de Siam, erinnert. Um 1750 wurde durch den Baumeister Choquet de Lindu das Zuchthaus von Brest errichtet, das 300 Sträflinge aufnehmen konnte und vor allem wegen seiner mächtigen Kanonen bekannt wurde – von diesen leitet sich auch die französische Redewendung tonnerre de Brest (soviel wie: mächtiges Donnerwetter) ab. 1752 wurde in Brest eine Marineakademie eingerichtet.

1789 war die Brester Bevölkerung zunächst begeistert für die Französische Revolution. Ihre Sympathien galten dann aber vermehrt den Girondisten bzw. einem föderalen Staatsaufbau, was ihr den Unmut der Jakobiner einbrachte, die 70 Bürger unter die Guillotine schickten. Nach dem Sturz Robespierres wurde die Stadt dann wieder von Girondisten verwaltet. Der Hafen verlor allerdings bald durch die Kontinentalblockade an Bedeutung, der Handel lag brach und eine Wirtschaftskrise war die Folge, die die Stadt zurückwarf. Unter Napoleon wurde mit dem Bau des schiffbaren Canal de Nantes à Brest begonnen, mit dem die Seeblockade umgangen werden sollte. Mit der Industrialisierung fand man wieder Anschluss an die wirtschaftliche Entwicklung, etwa durch den Bau der Brücke über den Penfeld 1856 oder den Bau des Brester Bahnhofs 1865; die Stadt lag damals 18 Zugstunden von Paris entfernt. Das Zuchthaus wurde 1858 aufgegeben, stattdessen verfrachtete man die Insassen von Bordeaux aus direkt auf Sträflingsinseln in Übersee.

Während des Ersten Weltkriegs war Brest wichtiger Hafen für den Nachschub der US-Truppen in Europa. Der Hafen wurde unterdessen stetig erweitert, 1930 kamen die Hafenanlagen von Plougastel hinzu. Im Zweiten Weltkrieg marschierten die Deutschen am 19. Juni 1940 ein und machten Brest zu einem der wichtigsten Stützpunkte des Atlantikwalls, wo auch die 1. U-Flottille und mehrere Schlachtschiffe stationiert waren. Zum Schutz der U-Boote wurde unmittelbar vor der ehemaligen Ecole Navale, deren Gebäude jetzt als Hauptquartier der U-Boot-Flottille diente, ein gigantischer U-Boot-Bunker gebaut, der 192 Meter breit, 333 Meter lang und 17 Meter hoch war. Die Deckenstärke betrug 6,20 Meter.

Nach der Landung in der Normandie wurde Brest dann 43 Tage von den Alliierten belagert, ehe es im September 1944 befreit wurde. Allerdings war die Stadt durch die Kämpfe und Bombardierungen der Alliierten stark zerstört und musste von Grund auf, nach den Plänen von Jean-Baptiste Mathon, neu aufgebaut werden. 1961 war der Wiederaufbau im wesentlichen abgeschlossen.

Da von der historischen Bausubstanz wenig übrigblieb, macht Brest heute eher den Eindruck einer weitgehend gesichtslosen Planstadt mit Betonbauten. Wirtschaftlich musste man sich auch umorientieren, da die Bedeutung als Marinehafen zurückging; stattdessen erlebten nunmehr die Dienstleistungsbranche und moderne Industrien sowie die Meeresforschung einen Aufschwung. Zur Bedeutung als Bildungszentrum trug auch die Gründung der Universität der westlichen Bretagne im Jahre 1960 bei.

Politik

Verwaltung

Brest ist Sitz der Unterpräfektur des Arrondissements Brest sowie Chef-lieu von zehn Kantonen, die großteils aus Stadtteilen bestehen, teils auch Nachbarorte einschließen.

  • Brest-Bellevue (Teil der Stadt Brest)
  • Brest-Cavale-Blanche-Bohars-Guilers (Teil der Stadt Brest, Bohars, Guilers)
  • Brest-Centre (Teil der Stadt Brest)
  • Brest-Kerichen (Teil der Stadt Brest)
  • Brest-L'Hermitage-Gouesnou (Teil der Stadt Brest, Gouesnou)
  • Brest-Lambezellec (Teil der Stadt Brest)
  • Brest-Plouzané (Teil der Stadt Brest, Plouzané)
  • Brest-Recouvrance (Teil der Stadt Brest)
  • Brest-Saint-Marc (Teil der Stadt Brest)
  • Brest-Saint-Pierre (Teil der Stadt Brest)

Städtepartnerschaften

Brest unterhält Städtepartnerschaften mit

  • Denver in den Vereinigten Staaten, seit 1956
  • Plymouth in Großbritannien, seit 1963
  • Kiel in Schleswig-Holstein, seit 1964
  • Tarent in Italien, seit 1964
  • Yokosuka in Japan seit 1970
  • Dun Laoghaire in Irland, seit 1984
  • Cádiz in Spanien, seit 1986
  • Saponé in Burkina Faso, seit 1989
  • Constanța in Rumänien, seit 1993

Ein Freundschaftsabkommen besteht mit der Stadt

  • Bejaia in Algerien, seit 1995

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Bauwerke

  • Das Château, eine stattliche Festung über der Mündung der Penfeld, bietet einen guten Überblick über die Reede und den Marinehafen. Einer der Türme beherbergt das Musée de la Marine mit einer Sammlung zur Geschichte des Hafens und der Marine.
  • Océanopolis, ein Erlebnispark zum Thema Ozeane mit 42 Meerwasser-Aquarien unterschiedlicher Größe und einem Schwerpunkt auf Flora und Fauna der bretonischen Küste.
  • Verschiedene Überreste der Festungsbauwerke von Vauban.
  • Im mittelalterlichen Turm Tour Tanguy am rechten Ufer der Penfeld-Mündung befindet sich ein kleines Museum mit Modellen und historischen Dokumenten zum Aussehen der Stadt Brest vor dem Zweiten Weltkrieg.
  • Der 1940 bis 1944 von den deutschen Besatzern errichtete U-Boot-Bunker, der insgesamt Platz für 13 U-Boote bot.

Regelmäßige Veranstaltungen

  • Seit 1992 findet alle vier Jahre im Monat Juli ein internationales Festival des Meeres und der Matrosen statt (Brest 92, Brest 96, Brest 2000, Brest 2004 usw.).
  • Die städtische Bühne Le Quartz ist über die Grenzen des Départements hinaus bekannt.
  • Jedes Jahr im Herbst findet das Kurzfilmfestival Festival européen du film court de Brest statt.
  • Das Musée des Beaux-Arts stellt eine kleine Sammlung europäischer Malerei vom 16.–21. Jahrhundert aus.
  • Seit einigen Jahren lockt das Festival Astropolis französische und internationale Größen elektronischer Musik nach Brest (meist Anfang August).
  • Seit 1891 ist Brest der Wendepunkt des Radrennens Paris-Brest-Paris (Brevet), das alle vier Jahre stattfindet, und des Radrennens Paris-Brest-Paris (Audax), welches alle fünf Jahre stattfindet

Wirtschaft und Infrastruktur

Ansässige Unternehmen

Die 1966 gegründete Firma SMDO Industries, der weltweit drittgrößte Hersteller von Stromgeneratoren, hat ihren Hauptsitz in Brest.

Persönlichkeiten

Söhne und Töchter der Stadt

  • Eric Berthou, Radrennfahrer
  • Pierre Brice, 1929 in Brest geborener Schauspieler
  • Béatrice Dalle, 1964 in Brest geborene Schauspielerin
  • Claire de Duras, Autorin dreier Romane
  • Victor Hémery, französischer Rennfahrer
  • Louis Hémon, französischer Schriftsteller
  • Roparz Hemon, bretonischer Schriftsteller und Nationalist
  • Christophe Miossec, 1964 in Brest geborener Musiker
  • Alain Robbe-Grillet, französischer Agraringenieur, Filmemacher und Schriftsteller
  • Yann Tiersen, 1970 in Brest geborener Musiker
  • Tanguy Viel, 1973 in Brest geborener Schriftsteller
  • Gonzalo Higuaín, 1987 in Brest geborener argentinischer Fußballspieler

Literatur

  • Francois Peron Brest sous l'occupation Rennes: Ouest France, 1981 ISBN 2-85882-457-6
  • Lothar-Günther Buchheim: Die Festung, 1995 ISBN 3-455-00733-3

 

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Polen

Polen (poln. Polska (amtlich Rzeczpospolita Polska, dt. Republik Polen) ist ein Staat in Mitteleuropa. Die Hauptstadt und zugleich größte Stadt ist Warschau. Es ist auf die Fläche bezogen das siebtgrößte Land Europas und steht auf Platz 62 der größten Länder weltweit. Der Staat ist größtenteils ein Flachland, nur im Süden finden sich Gebirge. Die Katholiken bilden die mit Abstand größte Konfession des Landes.

Seit dem 1. Mai 2004 ist das Land Mitgliedstaat der Europäischen Union. Das Land ist ebenfalls Mitglied der UNO, der OECD, der NATO sowie der OSZE.

Landesname

Der vollständige Name des heutigen Polens lautet Rzeczpospolita Polska, auf Deutsch Republik Polen. Der Name Polen leitet sich vom westslawischen Stamm der Polanen (poln. Polanie) ab, die sich im 5. Jahrhundert im Gebiet der heutigen Woiwodschaft Großpolen um Posen (poln. Poznań) und Gniezno, zwischen den Flüssen Oder und Weichsel, niederließen. Die Polanen waren ein zum größtenteil Ackerbauern, die Bezeichnung Polanen entwickelte sich aus dem Wort pole, deutsch Feld.[5] Die Bezeichnung Polanen trat erst um das Jahr 1000 auf.[6]

Geographie

Polens Staatsgebiet bedeckt eine Fläche von 312.679 km².[7] Im Norden grenzt es an die Ostsee und Russland, im Osten an Litauen, Weißrussland und die Ukraine, im Süden an die Slowakei und Tschechien und im Westen an Deutschland. Insgesamt hat Polen 3.583 Kilometer Staatsgrenze, 524 Kilometer davon in der Ostsee und auf 1.221 Kilometer verläuft die Grenze an Flüssen.[8]

Nördlichster Punkt Polens ist das Kap Rozewie, südlichster der Gipfel des Opołonek in den Bieszczady. Die Entfernung zwischen den beiden Punkten beträgt 649 Kilometer. Der westlichste Punkt ist die Stadt Cedynia das östliche Pendant ist das Knie des Bug in der Gemeinde Horodło, 689 Kilometer entfernt. Der Gradnetzmittelpunkt liegt bei Ozorków, der Schwerpunkt weicht geringfügig davon ab.[9]

  • Grenze mit                            Länge[7]
  •  
  • Russland                                   210 km
  • Seegrenze zu Russland                  22 km
  • Litauen                                      104 km
  • Weißrussland                             418 km
  • Ukraine                                     535 km
  • Slowakei                                   541 km
  • Tschechien                                796 km
  • Deutschland                              467 km
  • Seegrenze zu Deutschland             22 km
  • Ostsee[10]                               440 km
  • Summe                                  3.511 km

Das Gebiet Polens kann in sechs geographische Räume eingeteilt werden. Von Nord nach Süd sind dies: die Küstengebiete, die Rückenlandschaften, das Tiefland, die Hochländer, die Vorgebirge und die Gebirge.[11] Die Übergänge zwischen den einzelnen Gebieten sind dabei fließend und werden in der Literatur jeweils leicht abweichend abgegrenzt.

Die Küstenlinie verläuft im Norden Polens an der Ostsee. Die Küstenniederungen sind schmal und um das Stettiner und das Frische Haff zungenförmig ausgeweitet. Die Landschaften bestehen aus flachen, breiten Tälern und ausgedehnten Grundmoränenplatten. Vor allem sandige, lehmhaltige und Moorböden dominieren die Bodenarten.[12]

Die Rückenlandschaft ist während der Eiszeiten entstanden was sich durch die Gestaltung durch End- und Grundmoränen zeigt. Davon setzt sich deutlich die Sanderfläche im südöstlichen Teil ab.

Zu den zusammenhängenden Tieflandgebieten zählen das Warschauer Becken und das Tiefland Podlachiens.[13]

Die polnischen Hochländer können in zwei Hauptteile unterschieden werden, das Kleinpolnische (Wyżyna Małopolska) und das Lubliner Hochland (Wyżyna Lubelska).[14]

Zu den Vorgebirgslandschaften zählen das schlesische Tiefland, die Beckenlandschaft der Vorkarpaten.[15]

Im Süden Polens befinden sich die polnischen Mittelgebirge, des Krakauer-Tschenstochauer Jura, das Heiligkreuzgebirge, die Beskiden, die Waldkarpaten und die Sudeten. Die höchste Erhebung, die Hohe Tatra, ist ein geologisch sehr vielseitiges Hochgebirge.

Geologie

Der tiefere Untergrund Polens wird von einem Mosaik verschiedener Krustensegmente unterschiedlicher Herkunft und Zusammensetzung aufgebaut. Zwar treten die älteren Bestandteile nur in den südlichen Randbereichen des Landes auf, weil große Flächen in Nord- und Zentralpolen von jungen Sedimenten bedeckt sind, durch Tiefbohrungen ist aber auch in diesen Bereichen der Aufbau des Untergrundes bekannt.

Grundgebirge

Nordöstlich einer Linie, die durch die Orte Ustka an der Ostsee und Lublin markiert wird, stehen im Untergrund Gesteine an, welche die südwestliche Fortsetzung des Kontinents Baltica bilden. Es handelt sich um hochmetamorphe Gneise und Granulite, die während der Svekofennidischen Orogenese vor 1,8 Milliarden Jahren letztmalig deformiert wurden. Diese Gesteine wurden vor 1,5 Milliarden Jahren von Anorthositen und Rapakivi-Graniten intrudiert und unterlagen in der Folgezeit einer langsamen Abtragung. Ab dem Kambrium war dieser alte Kraton, der Baltische Schild, von einem Flachmeer bedeckt, dessen geringmächtige Ablagerungen sich bis ins Silur nachweisen lassen.

Südwestlich an den Baltischen Schild schließt sich die 100 bis 200 km breite Zone der Kaledoniden an. Die Grenzzone zwischen den Kaledoniden und dem Baltischen Schild, die Tornquistzone, lässt sich von Dänemark bis in die Dobrudscha verfolgen. Die Gesteine des kaledonischen Gebirgszuges entstanden am Nordrand Gondwanas und wurden von diesem am Ende des Kambriums als langgestreckter, schmaler Mikrokontinent mit dem Namen Avalonia abgespalten. Der als Tornquist-Ozean bezeichnete Meeresraum zwischen Avalonia und Baltica wurde bis zum Oberordovizium subduziert, wodurch es zur Kollision und Gebirgsbildung kam. Im nördlichen Heiligkreuzgebirge (Lysagoriden) findet man kaledonisch deformierte Schelfsedimente des Baltischen Schildes, wohingegen der südliche Teil (Kielciden) präkambrische Gesteine enthält, die ursprünglich Teile Gondwanas waren. Auch das Małopolska-Massiv im Südwesten des Heiligkreuzgebirges ist gondwanidischen Ursprungs, allerdings driftete es unabhängig von Avalonia nach Norden und gelangte erst im Rahmen von Seitenverschiebungen bei der jüngeren, variszischen Orogenese in seine heutige Position.

Die dritte große Baueinheit wird von den variszisch deformierten Sudeten gebildet. Im frühen Ordovizium löste sich eine weitere Gruppe von Mikrokontinenten vom Nordrand Gondwanas und driftete durch die Subduktion des Rheischen Ozeans auf Baltica zu. Diese Kleinkontinente, zu denen die Böhmische Masse und das Saxothuringikum gehören, kollidierten im Mittel- und Oberdevon mit dem Südrand Balticas. Dabei entstanden auf polnischen Gebiet die Westsudeten (auch Lugikum genannt), mit ihren hochgradig metamorphen Paragneis-Folgen, in die die Granite des Iser- und Riesengebirges eindrangen. Schon im Karbon wurden abgesunkene Teile des variszischen Gebirges von ausgedehnten, baumbestandenen Niedermooren eingenommen, die heute in den Flözen des Oberschlesischen Steinkohlereviers dokumentiert sind.

Das jüngste Gebirge ist im südlichen Polen in den Karpaten aufgeschlossen. Im Eozän hatte sich die Tethys geschlossen und die Adriatische Platte, ein Sporn Gondwanas, kollidierte mit dem Südrand Europas. Im polnischen Anteil der Karpaten wurden Sedimentgesteine des Mesozoikums und des Paläogens nach Norden auf das ältere Grundgebirge überschoben.

Deckgebirge

Im Perm begann im heutigen Zentralpolen eine kontinuierliche Absenkung des gefalteten Untergrundes, so dass dort bis zu 10 km mächtige Sedimentgesteinsschichten abgelagert wurden. Im Rotliegenden enthalten die Ablagerungen noch Gesteine vulkanischen Ursprungs, aber ab dem Zechstein herrschten marine Bedingungen vor; in abgeschnürten Lagunen kam es auch zur Bildung von Steinsalz. Im Buntsandstein zog sich das Meer zurück und es wurden bis zu 1.400 m kontinentale Sande abgelagert. Danach wurde das Gebiet bis zum Ende des Mesozoikums vorwiegend von einem Flachmeer bedeckt, in dem Kalksteine und Tone zur Ablagerung kamen. Auch das ältere Grundgebirge (Heiligkreuzgebirge und Sudeten) war bis zum Ende der Kreide von diesen jungen Sedimenten bedeckt. Erst zu Beginn des Paläogens von 55 Millionen Jahren kam es zu einer Heraushebung der alten Gebirgsmassive. In Zentralpolen wurden während des Paläogens und Neogens wurden nur etwa 250 m Sande und Tone abgelagert. Weite Bereiche des polnischen Tieflandes liegen unter einer nahezu geschlossenen Decke von Moränenmaterial, sowie Kiesen und Sanden, die von den Gletschern der letzten Eiszeit aus Skandinavien herantransportiert wurden.

Flüsse

Die längsten Flüsse sind die Weichsel (Wisła) mit 1.022 km, der Grenzfluss Oder (Odra) mit 840 km, die Warthe (Warta) mit 795 km und der Bug mit 774 km.[7] Der Bug verläuft entlang der polnischen Ostgrenze. Die Weichsel und die Oder münden, wie zahlreiche kleinere Flüsse in Pommern, in die Ostsee. Die beiden Flüsse bestimmen das hydrographisch-fluviatile Gefüge Polens.[16] Die Alle (pln. Łyna) und die Angerapp (pln. Węgorapa) fließen über den Pregel und die Hańcza über die Memel in die Ostsee. Daneben entwässern einige kleinere Flüsse, wie die Iser in den Sudeten, über die Elbe in die Nordsee. Die Arwa aus den Beskiden fließt über die Waag und die Donau (pln. Dunaj), genauso wie einige kleinere Flüsse aus den Waldkarpaten, über den Dnister ins Schwarze Meer. Pro Jahr fließen 58,6 km² Wasser ab, davon 24,6 als Oberflächenabfluss.[17]

Die polnischen Flüsse wurden schon sehr früh zur Schifffahrt genutzt. Bereits die Wikinger befuhren während ihrer Raubzüge durch Europa mit ihren Langschiffen die Weichsel und die Oder. Im Mittelalter und der Neuzeit, als Polen-Litauen die Kornkammer Europas war, gewann die Verschiffung von Agrarprodukten auf der Weichsel Richtung Danzig (poln. Gdańsk) und weiter nach Westeuropa eine sehr große Bedeutung, wovon noch viele Renaissance- und Barockspeicher in den Städten entlang des Flusses zeugen.

Seen

Polen gehört mit 9.300 geschlossenen Gewässern, deren Fläche einen Hektar überschreitet,[18] zu den seenreichsten Ländern der Welt. In Europa weist nur Finnland mehr Seen pro km² als Polen auf. Die größten Seen mit über 100 km² Fläche sind Śniardwy (Spirdingsee) und Mamry (Mauersee) in Masuren sowie das Jezioro Łebsko (Lebasee) und das Jezioro Drawsko (Dratzigsee) in Pommern. Neben den Seenplatten im Norden (Masuren, Pommern, Kaschubei, Großpolen) gibt es auch eine hohe Anzahl an Bergseen in der Tatra, von denen das Morskie Oko der flächenmäßig größte ist. Der mit über 100 m tiefste See ist der Hańcza-See in der Seenplatte von Wigry, östlich von Masuren in der Woiwodschaft Podlachien. Gefolgt wird er von dem Bergsee Wielki Staw Polski (dt. Großer Polnischer See) im „Tal der fünf polnischen Seen“. Die tiefsten Seen sind der Hańcza, 108 m und der Drawsko, 83 m.[19] Zu den ersten Seen, deren Ufer besiedelt wurden, gehören die der Großpolnischen Seenplatte. Die Pfahlbausiedlung von Biskupin, die von mehr als 1.000 Menschen bewohnt wurde, gründeten bereits vor dem 7. Jahrhundert v. Chr. Angehörige der Lausitzer Kultur. Die Vorfahren der heutigen Polen, die Polanen, bauten ihre ersten Burgen auf Seeinseln (pln. ostrów). Der legendäre Fürst Popiel soll im 8. Jahrhundert von Kruszwica am Goplosee regiert haben. Der erste historisch belegte Herrscher Polens, Herzog Mieszko I., hatte seinen Palast auf einer Wartheinsel in Posen.

Küste

Die polnische Ostseeküste ist 528 km lang und erstreckt sich von Swinemünde (pln. Świnoujście) auf den Inseln Usedom und Wolin im Westen bis nach Krynica Morska auf der Frischen Nehrung (auch Weichselnehrung genannt) im Osten. Die polnische Küste ist zum großen Teil eine sandige Ausgleichsküste die durch die stetige Bewegung des Sandes aufgrund der Strömung und des Windes von West nach Ost charakterisiert wird. Dadurch bilden sich viele Kliffe, Dünen und Nehrungen, die nach dem Auftreffen auf Land viele Binnengewässer schaffen, wie z. B. das Jezioro Łebsko im Slowinzischen Nationalpark bei Łeba. Die bekanntesten Nehrungen sind die Halbinsel Hel und die Frische Nehrung. Die größte polnische Ostseeinsel ist Wolin. Die größten Hafenstädte sind Gdynia, Danzig (pln. Gdańsk), Stettin (pln. Szczecin) und Swinemünde (pln. Świnoujście). Die bekanntesten Ostseebäder sind Sopot, Międzyzdroje, Kolberg (pln. Kołobrzeg), Łeba, Władysławowo und Jurata.

Gebirge

Die drei wichtigen Gebirgszüge Polens sind von West nach Ost die Sudeten, die Karpaten und das Heiligkreuzgebirge. Alle drei gliedern sich wiederum in kleinere Gebirge. Das Gebirge mit der höchsten Reliefenergie sind die Sudeten, gefolgt vom Heiligkreuzgebirge, beide mit Werten von teilweise über 600 m/km².[20]

Charakteristisch für die Sudeten sind sanfte gleichmäßige Oberflächen in den Höhenlagen und schroffe Ausformungen in den Tallagen. Der höchste Teil der Sudeten ist das Riesengebirge. Der ursprünglich das Gebirge bedeckende Mischwald wurde von Fichtenwäldern verdrängt.[21] Ab 1.250 Metern beginnt die Krummholzzone.[22]

Die polnischen Karpaten haben größtenteils den Charakter eines Mittelgebirges, nur in der Tatra ist das Gebirge als Hochgebirge einzustufen. In den äußeren Bereichen der Karpaten herrschen weiche Formen vor, im inneren Bereich ist ein eher alpiner Bereich mit Karren, Hörnern, Hang- und Trogtälern.[23] Die Tatra gehört größtenteils zur Slowakei in welcher auch die höchsten Erhebungen liegen.[24]

Polen hat 21 Berge mit über 2.000 m Höhe, die sich alle in der Tatra befinden. Mit 2.499 m sind die Rysy mit dem Meerauge (pln. Morskie Oko), einem Bergsee, der höchste Gipfel. Weitere Gipfel sind Mięguszowiecki Szczyt (2.438 m), Świnica (2.301 m) und Wołowiec (2064 m).[7] Die zweithöchste Gebirgskette in Polen sind die Beskiden mit der Babia Góra (1.723 m) als höchstem Gipfel.[7] Gefolgt werden sie vom Riesengebirge, dessen Schneekoppe (pln. Śnieżka) mit 1.602 m die höchste Erhebung der Sudeten darstellt.[7]

Der mit 2 m unter dem Meeresspiegel am tiefsten gelegene Punkt Polens befindet sich bei Raczki Elbląskie in der Nähe von Elbląg (Elbing) im Weichseldelta.

Bodennutzung

27 Prozent des Landes sind von Wald bedeckt.[25] Kiefern- und Buchenwälder dominieren in weiten Teil Polens.[26] Nordwestpolen wird dabei von Buchen dominiert, Richtung Nordosten treten verstärkt Fichten auf. In den Gebirgen Südpolens finden sich vor allem Eichenmisch- und Tonnen-Buchenwälder.[26]

Über die Hälfte der Fläche Polens wird landwirtschaftlich genutzt, wobei allerdings die Gesamtfläche der Äcker zurückgeht und gleichzeitig die verbliebenen intensiver bewirtschaftet werden. Die Viehzucht ist insbesondere in den Bergen weit verbreitet. Über ein Prozent der Fläche (3.145 km²) werden in 23 Nationalparks geschützt. In dieser Hinsicht nimmt Polen den ersten Platz in Europa ein. Drei weitere sollen in Masuren, im Krakauer-Tschenstochauer Jura und in den Waldkarpaten neu geschaffen werden. Die meisten polnischen Nationalparks befinden sich im Süden des Landes. Zudem werden Sumpfgebiete an Flüssen und Seen in Zentralpolen geschützt, sowie Küstengebiete im Norden. Hinzu kommen zahlreiche Reservate und Schutzgebiete.

Flora und Fauna

Die Anzahl der Tier- und Pflanzenarten ist in Polen europaweit am höchsten, ebenso die Anzahl der bedrohten Arten.[27] So leben hier etwa noch Tiere, die in Teilen Europas bereits ausgestorben sind, etwa der Wisent (poln. Żubr) im Urwald von Białowieża und in Podlachien sowie der Braunbär in Białowieża, in der Tatra und in den Waldkarpaten, der Wolf und der Luchs in den verschiedenen Waldgebieten, der Elch in Nordpolen, der Biber in Masuren, Pommern und Podlachien. In den Wäldern trifft man auch auf Nieder- und Hochwild (Rotwild, Rehwild und Schwarzwild). Zudem gibt es im Osten Polens auch Urwälder, die nie von Menschen gerodet wurden, wie der zuvor erwähnte Urwald von Białowieża. Große Waldgebiete gibt es auch in den Bergen, Masuren, Pommern und Niederschlesien.

Polen ist das wichtigste Brutgebiet der europäischen Zugvögel. Ein Viertel aller Zugvögel, die im Sommer nach Europa kommen, brütet in Polen, insbesondere in den Seenplatten und den Sumpfgebieten der Biebrza, des Narew und der Warthe (pln. Warta), die jeweils durch einen Nationalpark geschützt werden.

Klima

Das Klima Polens ist ein gemäßigtes Übergangsklima. Hier trifft die trockene Luft aus dem eurasischem Kontinent mit der feuchten Luft des Atlantiks zusammen. Im Norden und Westen herrscht vor allem ein gemäßigtes Seeklima, im Osten und Südosten Kontinentalklima.[28] Als Trennlinie gilt die Achse zwischen oberer Warthe und unterer Weichsel.[29]

Im Juli bis September wehen die Winde meist aus westlicher Richtung, im Winter, besonders im Dezember und Januar, dominieren Winde aus Osten. Im Frühjahr und Herbst wechseln die Windrichtungen zwischen West und Ost. Die Windgeschwindigkeit liegt an der Ostsee in der Regel zwischen 2 bis 10 m/s, in den Bergen treten auch Winde von über 30 m/s auf. In der Tatra treten Föhnwinde auf.[28]

An 120 bis 160 Tagen beträgt die Bewölkung über 80 Prozent, an 30 bis 50 Tagen ist die Bewölkung unter 20 Prozent.[28] Mit 1.700 mm pro Jahr im mehrjährigen Mittel fallen in der Tatra die höchsten Niederschläge, die geringsten Niederschläge fallen mit unter 500 mm nördlich von Warschau, am Goplosee, westlich von Posen und bei Bydgoszcz. Weiter nördlich steigen die Niederschläge wieder auf 650 bis teilweise 750 mm.[30] Die niederschlagreichsten Monate sind der April und der September.[31] Im unteren Oder-Warthe-Gebiet fällt an etwa 30 Tagen Schnee, im Nordosten, den Karpaten und in den Beskiden sind es 100 bis 110 Tage. In den Gebirgen bleibt der Schnee 200 oder mehr Tage liegen.[32]

Die Jahresmitteltemperatur beträgt 5 bis 7 °C auf den Anhöhen der Pommerschen und Masurischen Seenplatte sowie auf den Hochebenen. In den Tälern des Karpatenvorlands, der Schlesischen und Großpolnischen Tiefebene beträgt sie 8 bis 10 °C. In den höheren Gebieten der Karpaten und Sudeten liegt die Temperatur bei 0 °C .[28] Der wärmste Monat ist der Juli mit Mitteltemperaturen zwischen 16 und 19 °C. Dabei beträgt sie auf den Gipfeln von Tatra und Sudeten 9 °C, an der Küste 16 °C und in Zentralpolen 18 °C. Der kälteste Monat ist der Januar. Frost gibt es von November bis März. An der unteren Oder und der Küste an durchschnittlich 25 Tagen und bis zu 65 Tagen im Nordosten um Suwałki.[28]

Bevölkerung

Einwohner und Ethnien

Polen hat mit etwa 38 Millionen Einwohnern die achtgrößte Bevölkerungszahl in Europa und die sechstgrößte in der Europäischen Union. Die Bevölkerungsdichte beträgt 122 Einwohner pro Quadratkilometer. Die Geburtenrate betrug 2008 1,31 Kinder pro Frau.[33]

Polen ist ethnisch betrachtet ein äußerst homogener Staat, was ein Novum in der polnischen Geschichte darstellt. Nach der Volkszählung von 2002 stellen die Polen mit 96,74 % die Mehrheitsbevölkerung.[34] Nach dem Zweiten Weltkrieg gehört es zu einem Ziel des Staats Homogenität durch Vertreibung und Assimilation zu erreichen. In der Verfassung von 1947 wurde Gleichheit der Bürger ohne Ansehen der Nationalität garantiert, besondere Rechte für Minderheiten wurden aber erst 1960 ermöglicht.[35] Seit 1997 befindet sich in der Verfassung die Erwähnung des Schutzes von Minderheiten.[36]

Nationale Minderheiten sind die Deutschen mit 0,4 %, Weißrussen mit 0,13 %, Ukrainer mit 0,08 %, Roma mit 0,03 %, Russen, Lemken, und Litauer mit je 0,02 %. Zu den Minderheiten ohne formalen Anerkennung gehören die Schlesier, welche 0,45 % und die Kaschuben, die 0,01 % der Bevölkerung Polens repräsentieren.[34] Das Gesetz über die nationalen und ethnischen Minderheiten sowie über die Regionalsprache wurde 2005 erlassen. In diesem wird unter anderem geregelt, dass in Gemeinden, in denen mehr als 20 % der Einwohner einer Minderheit angehören, deren Sprache als Hilfssprache genutzt werden kann. Einzige anerkannte Regionalsprache ist Kaschubisch.[35]

Unter den ausländischen Staatsangehörigen stellen Vietnamesen die größte ethnische Gruppe, gefolgt von Griechen und Armeniern.

Die Zahl der Auslandspolen weltweit wird auf 20 Millionen geschätzt.

Sprache

Polnisch ist die Landessprache Polens. Zu den 38 Millionen Polnischsprechern in Polen kommen noch ca. 15–18 Millionen im Ausland. Es gibt größere Sprecherzahlen in Russland, Litauen, Weißrussland, der Ukraine und den anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion sowie in Tschechien, aber auch in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Irland. Viele Polnischsprachige gibt es nicht nur in Europa, sondern vor allem auch in den Vereinigten Staaten, wo Schätzungen zufolge etwa 6–10 Millionen Polnischsprachige leben, sowie in Kanada, Brasilien, Argentinien und Australien, was auf die vielen Auswanderungswellen in der polnischen Geschichte zurückgeht.[37]

Nach Russisch ist Polnisch die am häufigsten gesprochene slawische Sprache weltweit.

Die polnische Sprache ist eng mit dem Tschechischen, dem Slowakischen dem Kaschubischen und dem Sorbischen verwandt.

Die ältesten heute bekannten polnischen Schriftzeugnisse sind Namen und Glossen in lateinischen Schriftstücken, insbesondere in der Bulle von Gnesen des Papstes Innozenz II. von 1136, in der fast 400 einzelne polnische Namen von Ortschaften und Personen auftauchen. Den ersten geschriebenen vollständigen Satz fand man dagegen in der Chronik des Kloster Heinrichau bei Breslau. Unter den Einträgen des Jahres 1270 findet sich eine Aufforderung eines Mannes zu seiner mahlenden Frau. „Daj, ać ja pobruszę, a ty poczywaj“, was in der Übersetzung lautet: „Lass mich jetzt mahlen, und du ruh dich aus.“

Die moderne polnische Literatursprache entwickelte sich im 16. Jahrhundert auf der Grundlage von Dialekten, die in der Gegend von Posen im Westen Polens gesprochen wurden. Im 16. Jahrhundert erreichte die polnische Sprache einen Stand, der sie wegen ihres Reichtums und ihrer Geschmeidigkeit zu den wichtigsten Sprachen Mitteleuropas aufsteigen ließ. Die Gebildeten der Renaissance kämpften um die weitere Entwicklung des Polnischen und seine Durchsetzung gegenüber dem Latein. „Die Völker außerhalb aber sollen wissen, dass die Polen keine Gänse sind, dass sie ihre eigene Sprache haben!“[38] lautete die berühmte Maxime des als Vater der polnischen Literatur geltenden Mikołaj Rej aus dem Jahre 1562.

Religion

Seit dem Zweiten Weltkrieg und der Westverschiebung Polens ist das Land größtenteils katholisch. Fast 90 % sind römisch-katholisch, davon etwa 70 % praktizierend. 1,3 % der Polen sind polnisch-orthodox, 0,3 % Zeugen Jehovas, 0,2 % griechisch-katholisch, 0,2 % evangelisch-lutherisch. Kleinere Minderheiten bilden unter anderem die Altkatholischen Mariaviten, die Polnisch-Katholischen, Pfingstler, Adventisten, Juden und Muslime (unter anderem die Tataren bei Białystok). Die heute polnischen Regionen Niederschlesien, Lebus (Ost-Brandenburg), Westpreußen, Hinterpommern und das südliche Ostpreußen waren vor der Vertreibung der ansässigen Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg mehrheitlich evangelisch-lutherisch. Die ab 1945 aus Oberschlesien und dem Ermland vertriebenen deutschen Bevölkerungsteile waren demgegenüber ebenso wie die dort bereits ansässige und neuangesiedelte polnische Bevölkerung mehrheitlich katholisch.

Ein besonders hohes Ansehen in Polen besitzt der verstorbene Papst Johannes Paul II. (1920–2005), der vor seiner Papstwahl als Karol Wojtyła Erzbischof von Krakau war und eine bedeutende politische Rolle während des Zusammenbruchs des Ostblocks innehatte.

Die polnischen Stämme waren ursprünglich Heiden und hatten, ähnlich wie andere Westslawen, ein polytheistisches Religionssystem, dessen Hauptgott der vierköpfige Świętowit war, dessen Statuen zwischen Pommern (z. B. bei Kap Arkona auf Rügen) und der Ukraine (z. B. der „Antichrist aus dem Zburz“) gefunden wurden. Diese Religion konnte sich teilweise bis ins 14. Jahrhundert behaupten. Insbesondere im Nordosten wurde auch ein Ahnenkult gepflegt, der teilweise bis ins 19. Jahrhundert überdauerte und in der Romantik unter anderem von Adam Mickiewicz in seinem Drama Totenfeier wieder aufgegriffen wurde.

Die polnischen Stämme kamen wahrscheinlich im 9. Jahrhundert über das Großmährische Reich mit dem christlichen Glauben erstmals in Kontakt. Die Wislanen in Kleinpolen wurden zur Zeit der byzantinischen Slawenapostel Kyrill und Method von den Herrschern des Großmährischen Reiches unterworfen. Mährischen Chronisten zufolge soll bereits zu dieser Zeit das Christentum nach slawischem Ritus in der Region um Krakau eingeführt worden sein. Im Jahre 965 heiratete der Herzog von Polen, Mieszko I., die böhmische Prinzessin christlichen Glaubens Dubrawka und ließ sich im folgenden Jahr nach lateinischem Ritus taufen. Damit hatten auch seine Untertanen den neuen Glauben anzunehmen. Polen war jedoch im Mittelalter nie religiös homogen. Noch bevor sich der christliche Glaube endgültig durchsetzen konnte, wanderten in den nächsten Jahrhunderten, begünstigt durch das Toleranzedikt von Kalisz von 1265 Juden aus Westeuropa und Hussiten aus Böhmen nach Polen ein. Durch die Union mit Litauen 1386 und 1569 kamen viele weißrussisch- und ukrainischsprachige orthodoxe Christen unter die Herrschaft der polnischen Könige. Das Luthertum fand seit dem 16. Jahrhundert besonders bei der deutschen Bevölkerung in den nordpolnischen Städten viele Anhänger, während der Kalvinismus beim Kleinadel, der Szlachta, beliebt war. Es bildete sich auch eine polnische Sekte der arianischen Polnischen Brüder unter der Leitung von Fausto Sozzini, die in Raków sogar eine eigene Universität gründete. Der Sejm von 1555 debattierte über die Einführung einer protestantischen Nationalkirche in Polen. Diese wurde zwar nicht eingeführt, doch die Warschauer Konföderation und die Articuli Henriciani von 1573 sicherten die individuelle Glaubensfreiheit in der polnischen Verfassung, daher kam es in Polen nie zu Religionskriegen. 1596 wurde in der Kirchenunion von Brest die griechisch-katholische Kirche gegründet. Im 17. Jahrhundert vermochte die Gegenreformation jedoch die meisten „Andersgläubigen“ auf die katholische Seite zu ziehen.

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts siedelte der polnische König Jan Sobieski muslimische Tataren in Podlachien an. Eine relativ große muslimische Minderheit lebte auch um Kamieniec Podolski in Podolien, das zwischen 1672 und 1699 zum Osmanischen Reich gehörte.

Die polnischen Juden sind seit dem 18. Jahrhundert in zwei dominierende Glaubensrichtungen getrennt, die aufgeklärten Haskalen und die orthodoxen Chassiden.

Geschichte

Frühgeschichte und Gründung

Die Römer erwähnten bereits um Christi Geburt die Städte Kalisz und Truso. Germanische Stämme siedelten einige Zeit vor 200 v. Chr. in großen Teilen des heutigen Polens. Textquellen berichten über Goten, Vandalen, Lugier und Burgunder. Archäologische Spuren sind die Przeworsker Kultur (ab 250 oder 200 v. Chr.) und die Wielbark-Kultur (ab etwa 100 v. Chr.). Zwischen 200 n. Chr. und 450 n. Chr. zogen die Ostgermanen weiter ins heutige Italien, Deutschland, Frankreich, Spanien und Tunesien und vermischten sich mit den dortigen Bevölkerungen. Gleichzeitig kamen während der Völkerwanderung andere Völker, darunter die Balten und Slawen in das heutige Polen. Dauerhaft siedelten seit dem 5. Jahrhundert die Westslawen im polnischen Gebiet. Vor der Staatsgründung unternahmen die Wikinger, Ungarn und Mährer Raubzüge nach Polen. Mit dieser Zeit verbindet man auch die Sagen um die ersten Urfürsten Polens Popiel, Piast, Lech und Siemowit.

Polen, dessen Name sich vom westslawischen Stamm der Polanen ableitet, ist als Herzogtum im frühen 10. Jahrhundert von Poznań (Posen) und Gniezno (Gnesen) aus gegründet worden. Es wurde von 960 bis 992 von Herzog Mieszko I. aus der Dynastie der Piasten regiert, der nach und nach die anderen westslawischen Stämme zwischen Oder und Bug unterwarf.

966 ließ sich Mieszko I. nach römisch-katholischem Ritus taufen. Das Territorium erreichte durch Eroberungen unter Mieszko I. und seinem Sohn Bolesław dem Tapferen Grenzen, die den heutigen Staatsgrenzen sehr nahe kamen. Um 997 schloss Polen ein enges politisch-militärisches Bündnis mit dem Heiligen Römischen Reich, während des Staatsakts zu Gnesen im Jahr 1000 wurde die Übereinkunft vom polnischen Herrscher Bolesław I. und Kaiser Otto III. bestätigt. Mit der Krönung Bolesławs im Jahr 1025 wurde Polen in den Stand eines Königreiches erhoben.

Mittelalter und Neuzeit

Während der Regentschaft des Piasten Kazimierz I., wurde die Hauptstadt 1040 von Gnesen nach Krakau verlegt. Nach dem Tod von Bolesław III. Schiefmund 1138 wurde die Senioratsverfassung eingeführt, nach welcher die Söhne von Bolesław III. als Juniorherzöge unter dem Seniorat des jeweils Ältesten der Dynastie die ihnen unterstehenden einzelnen Landesteile regierten. Bis 1295 dauerte diese feudale Zersplitterung in Polen an. Dieser sogenannte Partikularismus führte zu einer starken politischen Schwächung Polens im 13. Jahrhundert. Polen zerfiel 1138 in sechs unabhängige Herzogtümer: Kleinpolen, Großpolen, Pommern, Pommerellen, Schlesien und Masowien, das sogenannte „Seniorat Polen“. Die Jahre bis zur Wiedervereinigung waren durch feudalistische Territorialzersplitterung geprägt. Das im Osten gelegene Gebiet Kleinpolens zerfiel in das Adelsterritorium Sandomierz, das östliche Großpolen in die Herzogtümer Łęczyca und Sieradz, das westliche Masowien in das Herzogtum Kujawy. Zwei lehnsabhängige Fürstentümer trennten sich unter einheimischen Herrscherhäusern ganz vom Reichsverband und gingen ihre eigenen Wege, so Pommern 1181 unter den Greifen und Pommerellen 1227 unter den Samboriden. Schlesien wurde 1348 im Vertrag von Namslau endgültig ein Teil Böhmens und damit des Heiligen Römischen Reiches. Hinzu kamen in den folgenden Jahrhunderten Eroberungen verschiedener Staaten (Kgr. Böhmen, Mgf. Brandenburg, Deutscher Orden). Auch der Mongolensturm des Jahres 1241, und die nachfolgenden großen Plünderungszüge der Tataren ließen die Bevölkerungszahl in den polnischen Teilfürstentümern schrumpfen.

Anfang des 14. Jahrhunderts wurde Polen unter der Regentschaft von Władysław I. Ellenlang wiedervereinigt. Sein Sohn, Kasimir der Große, setzte den väterlichen Kampf um die Einheit fort und leitete erfolgreich soziale und wirtschaftliche Reformen ein, die Polen zu einer machtvollen Position in Mitteleuropa verhalfen. 1386 heiratete der litauische Großfürst Jagiełło die polnische Königin Jadwiga. Er, Władysław II. Jagiełło, nunmehr zugleich litauischer Großfürst und polnischer König, schuf den mächtigen Doppelstaat Polen-Litauen, der für die nächsten 400 Jahre die Geschicke Mittel- und Osteuropas entscheidend beeinflusste. Im 15. Jahrhundert, nach der politischen Ausschaltung des Deutschen Ordens in Preußen, stieg das aus Polen und Litauen hervorgegangene Großreich zu einer der führenden Kontinentalmächte und war lange Zeit der größte Staat Europas mit Einflusssphären vom Baltischen- zum Schwarzen Meer und von der Adria bis an die Tore Moskaus. Auf Betreiben des letzten polnischen Königs aus der Jagiellonen-Dynastie, Zygmunt August, wurde die Personalunion zwischen Polen und Litauen in Lublin im Jahr 1569 in eine Realunion umgewandelt. Polen und Litauen bildeten seit 1569 die sogenannte Adelsrepublik und damit den ersten modernen Staat Europas mit einem adelsrepublikanischen System und einer Gewaltenteilung.

Teilungen – Unterdrückung und Unabhängigkeitskampf

Die Adelsrepublik stürzte im 17. und 18. Jahrhundert in eine dauerhafte Krise, die durch zahlreiche Kriege (mit Schweden, dem Osmanischen Reich, Russland, Brandenburg-Preußen und Siebenbürgen), fehlende politische Reformen und innere Unruhen gekennzeichnet war. Es kam zur Bildung von Magnaten (sogenannten Konföderationen gegen die Interessen des Staates und des Königs), Kosakenaufständen und dauerhaften Konfrontationen mit den Krim-Tataren in den südöstlichen Woiwodschaften. Besonders die Wahl ausländischer Dynasten zu polnischen Königen (sie verfügten über keine Hausmacht in Polen und waren vom Wohlwollen des Hochadels abhängig) und die Uneinigkeit innerhalb des polnischen Adels, der Szlachta und Oligarchen, schwächten den Staat beträchtlich. Insbesondere die so genannte Sachsenzeit wird dabei aus polnischer Sicht als negativ für den weiteren Bestand des polnischen Staates eingestuft.

Auch die Ratifizierung einer Verfassung 1791, der ersten modernen Verfassung Europas überhaupt, konnte den Niedergang der Adelsrepublik nicht stoppen. In den drei Teilungen Polens 1772, 1793 und 1795 wurde Polens innere Schwäche von seinen Nachbarn Preußen, Österreich und Russland ausgenutzt, welche Polen gleichzeitig überfielen und am Ende unter sich aufteilten. Polen wurde damit seiner Souveränität beraubt und in drei unterschiedliche Staaten zerrissen.

Auf Drängen des französischen Kaisers Napoleon entstand 1807, im Rahmen des Friedens von Tilsit, aus den preußischen Erwerbungen der Zweiten und Dritten Teilung ein relativ kleines Herzogtum Warschau, als Vasallenstaat Frankreichs, dem es 1809 gelang, Teile Kleinpolens (Westgalizien) von Österreich zurückzuerobern. Aufgrund der Niederlagen der polnisch-französischen Allianz im Russlandfeldzug 1812 und in der Völkerschlacht bei Leipzig im Jahr 1813 kam es zu keiner Wiederherstellung Polens und das Herzogtum wurde auf dem durch die Teilungsmächte dominierten Wiener Kongress aufgeteilt. Große Teile Großpolens fielen als Provinz Posen wieder an Preußen. Krakau wurde zum Stadtstaat, der Republik Krakau. Der Rest, das sogenannte „Kongresspolen“, wurde als „Königreich Polen“ 1815 in Personalunion mit dem Zarenreich verbunden, war also formal bis auf den gemeinsamen Herrscher von Russland unabhängig. Bis 1831 genoss dieses polnische Staatswesen weitgehende Autonomie. Mit dem Aufkommen des Nationalismus beim Übergang von der Feudalgesellschaft zum Kapitalismus wurde durch die zaristische Verwaltung versucht, diese Autonomie Schritt für Schritt abzuschaffen.

Dadurch kam es zum fehlgeschlagenen Novemberaufstand von 1830, in dem die Polen versuchten, die russische Fremdherrschaft und Dominanz abzuschütteln. Mit der Niederlage wurde die polnische Bevölkerung seit 1831 in den preußischen und russischen Besatzungszonen einer verstärkten Germanisierung – den preußischen Volkszählungen zufolge ohne größere Auswirkungen auf die Bevölkerungsverhältnisse – und Russifizierung unterzogen, die nach dem zweiten, gescheiterten Aufstand, dem Januaraufstand von 1863, besonders forciert wurde. Die Bezeichnung Polen wurde verboten und das Land durch die russische Obrigkeit in Weichselland umbenannt. Ähnlich verfuhren auch die Hohenzollern in Pommerellen und Großpolen: In Volkszählungen tauchen Polen als Nationalität auf, aber als zeitgenössischer geografischer Begriff wird Polen in preußischen Schulbüchern und allen deutschsprachigen Kartenwerken auf den russischen Teil beschränkt. Nur im von Österreich besetzten polnischen Galizien konnten die Polen durch die politischen Reformen des Hauses Habsburg-Lothringen in der Donaumonarchie seit 1867 der geistig-nationalen Unterdrückung in den von Preußen und Russland dominierten Teilen Polens entkommen, das von da ab das Fundament der Wiedergeburt Polens nach dem Ersten Weltkrieg bildete.

Unabhängigkeit und die Zweite Republik (1918–1939)

Während des Ersten Weltkrieges beschlossen die Kaiserreiche Deutschland und Österreich-Ungarn die Gründung eines selbständigen polnischen Staates auf dem Territorium Kongresspolens. Dies war aber eher eine gegen Russland gerichtete Maßnahme als eine Anerkennung des Rechts aller Polen auf Eigenstaatlichkeit. Durch die Kriegsereignisse bedingt, hatte der Beschluss keine praktischen Auswirkungen. 1916 wurde dennoch das in Analogie zum Entschluss des Wiener Kongresses benannte Königreich Polen durch das Deutsche Reich ausgerufen.

Aufgrund der Niederlage der Teilungsmächte erlangte Polen nach dem Ersten Weltkrieg seine Souveränität 1918 zurück. Im Friedensvertrag von Versailles wurde die Unabhängigkeit Polens 1919 im internationalen Rahmen bestätigt. Polen war damit Gründungsmitglied des Völkerbundes.

Durch die Siegermächte wurden in Osteuropa Grenzen nach Bevölkerungsmehrheiten vorgesehen. Federführend war dabei der britische Außenminister Lord George Nathaniel Curzon. Die Weimarer Republik war gezwungen, die preußischen Provinzen Westpreußen und Posen aufzugeben, die im Rahmen der Polnischen Teilungen vom Königreich Preußen annektiert worden waren. Unmittelbar danach verließen 200.000 Deutsche die der Republik Polen zugesprochene Gebiete.

Aufgrund der unklaren politischen Verhältnisse nach dem Zusammenbruch der Hohenzollern- und Romanow-Monarchien kam es während der ersten Konsolidierungsphase des neuen Staates zu Konflikten mit den Nachbarstaaten, zum Beispiel mit Deutschland um Oberschlesien in der Schlacht um St. Annaberg oder um die Stadt Vilnius (pln. Wilno) im heutigen Litauen.

Bereits im August 1920 überrannte die Rote Armee während des Polnisch-Sowjetischen-Krieges weite Gebiete des neuen Staates. Nach dem Sieg Marschall Józef Piłsudskis gegen die Bolschewiken an der Weichsel wurde im Friedensvertrag von Riga am 18. März 1921 Polens Ostgrenze etwa 250 km östlich der Curzon-Linie festgelegt.

Die Curzon-Linie markierte die östliche Grenze des geschlossenen polnischen Siedlungsgebietes, während die östlichen Gebiete eine gemischte Bevölkerungsstruktur aus Polen, Ukrainern, Weißrussen, Litauern, Juden und Deutschen aufwiesen, wobei Polen in vielen Städten und die anderen Bevölkerungsgruppen auf dem Land dominierten. Während die Bevölkerungsmehrheit der Städte meist römisch-katholisch oder jüdisch war, war die Landbevölkerung überwiegend orthodox. Gleichwohl verfehlte Piłsudski sein Ziel, die Ukraine als unabhängigen „Pufferstaat“ zwischen Polen und Sowjetrussland zu etablieren. In Riga erkannte Polen die Ukraine als Teil der späteren Sowjetunion unter Mykola Skrypnyk an. In den von Sowjetrussland Polen zugesprochenen Gebieten, östlich des Westlichen Bugs, bildeten die Polen 1919 25 % der Bevölkerung, 1939, nach einer Ansiedlungspolitik mit Bevorzugung von Polen während der Amtszeit Piłsudskis, waren es bereits etwa 38 %. Polnische Sprachinseln im je nach Region mehrheitlich ukrainisch, weißrussischen oder litauischen Umland, waren die Regionen Vilnius (poln. Wilno) und Lemberg (poln. Lwów). Insgesamt waren in dem Gebiet 1939 von 13,5 Millionen Einwohnern etwa 3,5 Millionen Polen.

Die innere Konsolidierung des neuen Staates wurde erschwert durch die Zersplitterung der politischen Parteien, die in der Teilungszeit entstandenen unterschiedlichen Wirtschafts-, Bildungs-, Justiz- und Verwaltungssysteme sowie durch die Existenz starker ethnischer Minderheiten (31 % der Gesamtbevölkerung). Außenpolitisch war Polen zunächst in das französische Allianzsystem einbezogen. Eine restriktive Politik gegenüber der deutschen Minderheit, die zur Emigration etwa einer Million deutschsprachiger Staatsbürger führte, die Weigerung der Regierung Stresemann, die neue deutsche Ostgrenze anzuerkennen, ein „Zollkrieg“ um die oberschlesische Kohle sowie der politisch-weltanschauliche Gegensatz zum Sowjetsystem schlossen eine Kooperation Polens mit seinen beiden größten Nachbarn aus.

Am 12. Mai 1926 gewann Marschall Piłsudski nach einem Staatsstreich die Macht (1926–1928 und 1930 als Ministerpräsident, 1926–1935 als Kriegsminister). Zur außenpolitischen Absicherung wurden Nichtangriffsverträge mit der Sowjetunion (1932) und dem Deutschen Reich (1934) geschlossen. Außenminister Józef Beck strebte den Aufstieg Polens zur ostmitteleuropäischen Hegemonialmacht im Rahmen eines neuen Europa von der Ostsee bis zur Adria an, seine Pläne scheiterten jedoch aufgrund der geopolitischen Lage.

Kurz bevor Polen selbst vom nationalsozialistischen Deutschland angegriffen wurde, stellte es im Zuge des Münchener Abkommens territoriale Forderungen an die Tschechoslowakei. Im Oktober 1938 annektierte Polen, gegen den Willen der tschechischen Regierung, das Olsagebiet, welches 1919 von der Tschechoslowakei besetzt, mehrheitlich aber von Polen bewohnt wurde. Am 1. September 1939 wurde Polen vom Deutschen Reich und dem deutschen Vasallenstaat Slowakei, unter Jozef Tiso, angegriffen. Zunächst besetzten Truppen des Deutschen Reichs und der Slowakei die westlichen Teile des Landes und am 17. September folgte, unter dem Vorwand des „Schutzes“ der weißrussisch-ukrainischen Bevölkerung, die sowjetische Besetzung Ostpolens. Die Annexion und Aufteilung des polnischen Staatsgebietes war zuvor in einem geheimen Zusatzprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt von den Diktatoren beschlossen worden. Damit nahm der Zweite Weltkrieg seinen Anfang, in dem sechs Millionen polnische Staatsbürger, darunter fast die Hälfte jüdischer Abstammung, ihr Leben verlieren sollten.

Zweiter Weltkrieg (1939–1945)

Mit dem Angriff Deutschlands am 1. September auf Polen begann der Zweite Weltkrieg. Am 17. September 1939 marschierte die Roten Armee in Ostpolen ein. Anschließend wurde die polnische Regierung am 17./18. September 1939 über das neutrale Rumänien nach Paris, später nach London evakuiert und organisierte von dort aus die Streitkräfte und den Widerstand neu. Anders als im Westen machte Hitler schon vorher klar, dass er die „Liquidierung des führenden Polentums“ (Reinhard Heydrich) ins Auge fasste. Allein in den ersten vier Monaten der deutschen Besatzungsherrschaft wurden mehrere 10.000 Personen erschossen. Bereits Anfang der 1940er-Jahre errichteten die Nationalsozialisten mehrere Konzentrationslager auf dem Gebiet Polens, unter anderen Auschwitz, Majdanek und Treblinka. Die Besatzungszeit hatte für große Teile der polnischen Zivilbevölkerung katastrophale Folgen. In manchen Fällen beteiligten sich allerdings auch die Polen an der Unterdrückung und Ausrottung der polnischen Juden. Polen wurde gemäß des Hitler-Stalin-Paktes im Westen von der Wehrmacht und im Osten von der Roten Armee besetzt.

Zu den übergreifenden Zielen der Besatzungspolitik im gesamten Gebiet gehörte erstens die Ausschaltung und Vernichtung der polnischen Juden und der polnischen Intelligenz, zweitens die Vorverlegung der deutschen Ostgrenze und die Erweiterung des „Lebensraums im Osten“ und drittens die Stärkung der deutschen Kriegswirtschaft durch Ausbeutung des Arbeitskräftepotenzials der Zwangsarbeiter und der materiellen Ressourcen Polens. Großpolen, die 1919 an Polen abgetretenen Teile Westpreußens sowie Ostoberschlesien wurden direkt von Deutschland annektiert. Kleinpolen, Masowien und Galizien mit etwa 10 Millionen Menschen wurden als sogenanntes „Generalgouvernement“ dem Reichsminister Hans Frank unterstellt, der vom Königssitz der frühen polnischen Könige, dem Wawel in Krakau, die Vernichtungspolitik leitete.

Auch die Polen, die unter sowjetische Herrschaft gerieten, waren von Gewaltmaßnahmen betroffen. Man schätzt, dass ungefähr 1,5 Millionen ehemalige polnische Bürger deportiert wurden. 300.000 polnische Soldaten gingen in sowjetische Kriegsgefangenschaft, nur 82.000 von ihnen überlebten. Ein Großteil der Offiziere, etwa 30.000 Personen, wurde durch sowjetische Truppen 1940 im Massaker von Katyn und in den Kriegsgefangenenlagern von Starobilsk, Koselsk und Ostaschkow ermordet.

1941 entstand im Hinterland der Sowjetunion aus polnischen Soldaten die „Anders-Armee“ in Stärke von sechs Divisionen. Mangels Ausrüstung und Verpflegung wurden diese Einheiten jedoch bereits 1942 über Persien in den Nahen Osten verlegt, wo sie dem britischen Nahostkommando unterstellt wurden. Später kämpften sie als 2. Polnisches Korps in Italien.

Polnische Soldaten kämpften auf Seiten der Alliierten an allen Fronten des Zweiten Weltkrieges von der Luftschlacht um England, in Afrika, der Sowjetunion, bis zur Invasion in der Normandie und in Italien. Die polnischen Soldaten stellten damit noch vor den Franzosen die viertgrößte Armee der Alliierten auf dem europäischen Kontinent. Polnische Partisanengruppen, die die größte Widerstandsbewegung im besetzten Europa darstellten, leisteten auch in Polen selbst Widerstand. Nachdem die Rote Armee im Januar 1944 die polnische Grenze von 1939 überschritten hatte, wurden die Truppen der Heimatarmee vom NKWD entwaffnet, ihre Offiziere erschossen oder in einen Gulag geschickt. Der Kampf einzelner Untergrundeinheiten dauerte jedoch bis Ende der 1940er Jahre an.

Am 1. August 1944 begann auf Befehl der Londoner Exilregierung der Warschauer Aufstand. Die Sowjetunion, deren Truppen bereits am Ostufer der Weichsel standen, hatte kein Interesse, die Einheiten der Heimatarmee zu unterstützen. Die große Entfernung machte eine Hilfe der Westalliierten unmöglich. So konnten deutsche Truppen die größte europäische Erhebung gegen die Okkupanten niederschlagen. Die Zahl der Toten wird auf 180.000 bis 250.000 geschätzt. Dabei wurde die Innenstadt Warschaus unter großem Einsatz an Sprengmaterial nahezu vollständig zerstört.

Volksrepublik – Sozialismus und Solidarność (1945–1989)

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 wurden die Grenzen des ehemaligen polnischen Staatsgebietes gemäß dem Potsdamer Abkommen nach Westen verschoben. Polen verlor das ethnisch gemischte, mehrheitlich von Ukrainern und Weißrussen bevölkerte Drittel seines bisherigen Staatsgebietes an die Sowjetunion. Die dort ansässige polnische Bevölkerung, etwa 1,5 Millionen Menschen, wurde repatriiert. Aus dem heutigen Ostpolen wurden etwa eine Million Ukrainer in die Sowjetunion und in die West- und Nordgebiete Polens zwangsumgesiedelt. Bereits in den Jahren 1943–1944 waren Zehntausende Polen in den Massakern in Wolhynien ermordet worden, viele mussten flüchten.

Im Westen und Norden wurden Polen die deutschen Gebiete östlich der Oder und Lausitzer Neiße („Oder-Neiße-Linie“) zugesprochen. Etwa fünf Millionen Deutsche waren gegen Kriegsende von dort geflohen und wurden durch Einreiseverbot an einer Rückkehr gehindert. Aus den Ostgebieten wurden nach dem Krieg weitere fünf Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben.

Die Gebiete wurden später überwiegend mit Bürgern aus Zentralpolen (drei Millionen), darunter etwa eine halbe Million von Polen zwangsumgesiedelte Ukrainer, und mit Repatrianten aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten (etwa zwei Millionen) besiedelt. Einige Oberschlesier, Masuren und Deutsche blieben als Minderheit zurück.

Die neuen Grenzen wurden auf der Potsdamer Konferenz im August 1945 geregelt. Mit dem Görlitzer Abkommen zwischen der neu entstandenen DDR und Polen vom 6. Juli 1950 wurde diese Grenzziehung von der DDR und durch den in Warschau geschlossenen Vertrag vom 7. Dezember 1970 von der Bundesrepublik Deutschland anerkannt.

Auf die deutsche Besatzung während des Zweiten Weltkrieges folgte die kommunistische Diktatur. Das Land kam in den Einflussbereich der Sowjetunion und wurde als Volksrepublik Polen Teil des Ostblocks. Ab 1956 kam es nach Aufständen zu einer Entstalinisierung unter dem Vorsitzenden der kommunistischen Partei Władysław Gomułka. Polen wurde bis 1989 in den Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe und den Warschauer Pakt eingebunden. Durch mehrere Aufstände äußerte die polnische Bevölkerung immer wieder ihren Unmut gegenüber der kommunistischen Führung (z. B. im Posener Aufstand). 1968 beteiligte sich die VR Polen an der militärischen Niederschlagung des Prager Frühlings. In der Nacht zum 21. August 1968 besetzten polnische Truppen gemeinsam mit Truppen der Sowjetunion, Bulgariens und Ungarns die ČSSR und schlugen die Demokratiebewegung nieder.

Erst die Gründung der Gewerkschaft Solidarność unter Lech Wałęsa führte schließlich zu einem gesellschaftlich-politischen Umschwung im Land und zu den revolutionären Ereignissen von 1980 bis 1989, die zuerst in der Verhängung des Kriegsrechts und schließlich in den ersten freien Wahlen im Ostblock am 4. und 18. Juni 1989 mündeten. An deren Ende wurden der sogenannte Ostblock und anschließend auch die Sowjetunion aufgelöst und das kommunistische Regime durch eine demokratische Regierungsform ersetzt.

Dritte Republik – Marktwirtschaft und parlamentarische Demokratie (seit 1989)

Bei den Parlamentswahlen vom 4. und 18. Juni 1989 gewann das „Bürgerkomitee Solidarność“, die politische Organisation der Gewerkschaft Solidarność, sämtliche 160 (von 460) freigewählten Sitzen im Abgeordnetenhaus und 99 von 100 Sitzen im neugebildeten Senat. Tadeusz Mazowiecki wurde zum ersten nichtkommunistischen Ministerpräsidenten Polens seit 1945 (sowie zum ersten nichtkommunistischen Regierungschef im Warschauer Pakt) gewählt, von den 23 Mitgliedern der Regierung waren nur vier Kommunisten. Seit 1989 wurde die polnische Wirtschaft nach dem Balcerowicz-Plan mit schnellen Schritten in eine funktionierende Marktwirtschaft umgewandelt. Im Dezember 1990 wurde der ehemalige Solidarność-Vorsitzende Lech Wałęsa in einer Volkswahl zum Staatspräsidenten gewählt. 1991 endete die Mitgliedschaft im Warschauer Pakt durch Auflösung des Militärbündnisses.

Im Dezember 1995 wurde Aleksander Kwaśniewski zum Nachfolger Wałęsas als Staatspräsident gewählt. Während Kwaśniewskis Amtszeit trat Polen 1999 der NATO und 2004 der Europäischen Union bei.

Am 1. Mai 2004 wurde Polen, zusammen mit neun weiteren Staaten, Mitglied der Europäischen Union. Polen ist unter den mittlerweile 15 neuen Mitgliedstaaten das bevölkerungsreichste und flächenmäßig größte Land.

Während des Konfliktes um die Präsidentschaftswahlen im Nachbarstaat Ukraine im November und Dezember 2004 engagierte sich der polnische Präsident Aleksander Kwaśniewski als Vermittler zwischen den Konfliktparteien, während die polnische Öffentlichkeit und die Medien in besonders hohem Ausmaß Solidarität mit der Ukraine und ihrem neuen Präsidenten Wiktor Juschtschenko übten.

Im Herbst 2005 konnte die nationalkonservative Partei Prawo i Sprawiedliwość (PiS, dt. Recht und Gerechtigkeit) die sehr schlecht frequentierten Sejm- und Senatswahlen sowie ihr Kandidat Lech Kaczyński die Präsidentschaftswahlen gewinnen. Einer Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Kazimierz Marcinkiewicz wurde am 10. November 2005 das Vertrauen des Sejm ausgesprochen. Am 5. Mai 2006 bildete er mit der klerikal-nationalistischen Liga Polskich Rodzin (LPR, dt. Liga Polnischer Familien) und der linkspopulistischen Bauernpartei Samoobrona (dt. Selbstverteidigung) eine Koalition, die im Sejm über eine Mehrheit verfügte. Am 7. Juli 2006 kündigte Marcinkiewicz jedoch seinen Rücktritt als Ministerpräsident Polens an, welcher am 10. Juli 2006 erfolgte. Das politische Komitee der PiS empfahl den Zwillingsbruder des Staatspräsidenten, Jarosław Kaczyński, für die Nachfolge, der anschließend Ministerpräsident Polens wurde.

Am 10. April 2010 starb der amtierende Staatspräsident Lech Kaczyński bei einem Flugzeugabsturz in Russland.[39] Wie in der polnischen Verfassung vorgesehen, übernahm Bronisław Komorowski in seiner Funktion als Sejmmarschall die Amtsgeschäfte des verstorbenen Präsidenten.

Bei der vorgezogenen Präsidentschaftswahl am 20. Juni 2010 erreichte Bronisław Komorowski den höchsten Stimmenanteil aller Kandidaten, verpasste aber die absolute Mehrheit. Aus der damit nötigen Stichwahl gegen den Zweitplatzierten Jarosław Kaczyński, den Zwillingsbruder des verstorbenen Staatspräsidenten, ging er erfolgreich hervor.

Politik

Politisches System

Die Republik Polen ist eine parlamentarische Demokratie. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, Sejm (460 Abgeordnete) und Senat (100 Senatoren). Der polnische Sejm gehört zu den ältesten Parlamenten der Welt; er existiert in verschiedenen Formen und mit Unterbrechungen seit 1493. Er hat, zusammen mit dem Senat, die Legislative inne. Die im Parlament vertretenen polnischen Parteien gruppieren sich als Fraktionen in eine Regierung und die Opposition. Die Exekutive wird von einem Ministerpräsidenten (pln. Prezes Rady Ministrów, kurz Premier) und einem Ministerrat ausgeführt, die vom Staatspräsidenten ernannt werden und mit diesem gewisse Kompetenzen (Landesverteidigung, Außenpolitik) teilen, aber dem Parlament verantwortlich sind. Der Präsident wird alle fünf Jahre vom Volk direkt gewählt. Einmalige Wiederwahl ist möglich.

Die Innenpolitik war in den 1990er-Jahren von einem sich dynamisch verändernden Parteienwesen geprägt. Mittlerweile haben sich feste Parteistrukturen aus den zerfallenden politischen Kräften der Solidarność-Bewegung und der kommunistischen Partei herausgebildet. Das Augenmerk der Innenpolitik fokussiert häuptsächlich auf den Reformen die das Land im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig machen und erhalten sollen. Enttäuscht von einer dramatisch angestiegenen Arbeitslosigkeit und Verarmung eines großen Teils der Bevölkerung sowie einer übermäßigen Vetternwirtschaft der alten kommunistischen Eliten in Politik und Wirtschaft, demonstrierten viele polnische Bürger ihren Unmut mit einer Wahlenthaltung bei Europaparlament-, Sejm- und Präsidentschaftswahlen bis 2005.

Zu den im Sejm vertretenen Parteien gehören seit der Parlamentswahl am 21. Oktober 2007 die liberalkonservative Platforma Obywatelska (PO, dt. Bürgerplattform), die rechtskonservative Prawo i Sprawiedliwość (PiS, dt. Recht und Gerechtigkeit), das sozialdemokratisch und linksliberal orientierte Mitte-Links-Bündnis Lewica i Demokraci (LiD, dt. Linke und Demokraten) und die älteste durchgängig existierende Partei Polens, die bereits im 19. Jahrhundert und in der „Zweiten Republik“ eine wichtige Rolle spielte, die proeuropäisch gestimmte und sozialkonservative Bauernpartei Polskie Stronnictwo Ludowe (PSL, dt. Polnische Volkspartei). Alle anderen Parteien sind bei der Parlamentswahl im Oktober 2007 an der 5-%-Hürde gescheitert. Die PO wurde hierbei stärkste Kraft und bildet seitdem zusammen mit der PSL eine Koalitionsregierung unter dem PO-Vorsitzenden Donald Tusk als Ministerpräsident.

Verwaltungsgliederung

Seit dem 1. Januar 1999 ist Polen in 16 Woiwodschaften (województwo) eingeteilt.

Da Polen ein Zentralstaat ist, weisen die Woiwodschaften im Gegensatz zu den deutschen Bundesländern keine Staatsqualität auf.

Jede Woiwodschaft besitzt als Selbstverwaltungsorgane eine eigene Volksvertretung – Woiwodschaftssejmik (sejmik województwa) und einen von ihnen gewählten Woiwodschaftsvorstand (zarząd województwa) unter dem Woiwodschaftsmarschall (marszałek województwa) als Vorsitzendem. Der Woiwode (wojewoda) ist hingegen ein Vertreter der Zentralregierung in Warschau und für Kontrolle der Selbstverwaltung der Woiwodschaften, Landkreise (powiat) und Gemeinden (gmina) zuständig.

Nächstkleinere Selbstverwaltungseinheit ist der Powiat (Landkreis) mit 379 Einheiten welche sich wieder in insgesamt 2.497 Gemeinden (gmina) unterteilen (Stand 1. Januar 2010).

  • Deutscher Name        Polnischer Name                       Deutscher Name         Polnischer Name
  •  
  • Ermland-Masuren         Warmińsko-Mazurskie                  Lublin                         Lubelskie
  • Großpolen                   Wielkopolskie                               Masowien                   Mazowieckie
  • Heiligkreuz                   Świętokrzyskie                            Niederschlesien            Dolnośląskie
  • Karpatenvorland           Podkarpackie                              Oppeln                        Opolskie
  • Kleinpolen                    Małopolskie                                Podlachien                   Podlaskie
  • Kujawien-Pommern      Kujawsko-Pomorskie                   Pommern                    Pomorskie
  • Lebus                          Lubuskie                                    Schlesien                     Śląskie
  • Łódź (Lodsch)             Łódzkie                                      Westpommern             Zachodniopomorskie

Die größten Ballungszentren sind das Oberschlesische Industriegebiet, die Ballungsräume um Warschau und Łódź sowie das Weichseldelta um die sogenannte „Dreistadt“ mit Danzig, Sopot und Gdynia. Eine Übersicht über die Städte bietet die Liste der Städte in Polen, für die Gemeinden die Liste der Gemeinden in Polen.

Außenpolitik

Die Außenpolitik der Dritten Polnischen Republik wird von der Geschichte und der geopolitischen Lage des Landes bestimmt. Verantwortlich zeichnet der Außenminister, derzeit Radosław Sikorski, unterstützt vom Staatspräsidenten.

Die polnische Außenpolitik ist bis zu einem gewissen Grad an den eigenen Vorstellungen von internationaler Position und möglichst uneingeschränkter Souveränität ausgerichtet. In der EU sucht man ein hohes Maß an Eigenständigkeit. In Osteuropa sieht sich Polen als Anwalt der Ukraine in Beziehungen zu NATO und EU.

Zu den ehemaligen Ostblock-Bündnispartnern versucht die polnische Regierung stabile, freundschaftliche, für die polnische Wirtschaft günstige Beziehungen aufrechtzuerhalten und auszubauen. Allerdings haben zum Beispiel der Bau der Ostseepipeline oder die Errichtung eines Raktenabwehrprogrammes der USA die Beziehungen Polens zu Russlands belastet.

Landesverteidigung

Der Präsident ist oberster Befehlshaber über die polnischen Streitkräfte (Siły Zbrojne Rzeczypospolitej Polskiej). Unmittelbar untersteht das Militär jedoch dem Verteidigungsminister und besteht aus den Landstreitkräften (Wojska Lądowe), der Marine (Marynarka Wojenna) und der Luftwaffe (Siły Powietrzne).

In den Zeiten der Adelsrepublik bestand die Wehrpflicht nur für die Szlachta zum Verteidigungskrieg (pospolite ruszenie). Bekannt sind in der Geschichte besonders die polnische Hussaria und die Ulanen, die sich in den Schweden- und Türkenkriegen auszeichneten.

Die moderne polnische Armee entstand 1918 in der Zweiten Republik mit anfangs über 800.000 Soldaten. In der Volksrepublik unterstanden die polnischen Streitkräfte im Rahmen des Warschauer Paktes der sowjetischen Führung.

Nach 1989 wurde das Militär reformiert, die Zahl der Soldaten von über 500.000 auf 150.000 Soldaten (plus 450.000 Reservesoldaten) reduziert und die Ausrüstung modernisiert. Die polnischen Streitkräfte verfügen über neuestes Waffenmaterial, wie z. B. die amerikanischen F-16, die israelischen ATGM und die finnischen Patria AMV 8x8. Daneben wurden die polnischen Waffenproduzenten durch Offset-Investitionen der Amerikaner auf den neuesten Stand gebracht und exportieren erfolgreich schweres Kriegsgerät weltweit. Eine neue Eliteeinheit, die GROM, wurde in den 1990er Jahren eingeführt.

Im März 1999 trat Polen der NATO bei, nachdem es seit 1994 in deren Programm „Partnerschaft für den Frieden“ mitgearbeitet hatte.

Am 13. November 2006 wurde gemeinsam mit Deutschland, Lettland, Litauen und der Slowakei ein Abkommen zur Bildung einer gemeinsamen EU-Einsatztruppe unterzeichnet. Polen soll dabei das Oberkommando übernehmen und 750 Soldaten zur Verfügung stellen.

Bis 2008 bestand in Polen Wehrpflicht für Männer. Polnische Militäreinheiten waren 2010 im Ausland im Afghanistan (2.600 Soldaten), im Kosovo (320), in Bosnien und Herzegowina (204) und im Irak (20) im Einsatz.

Wirtschaft

Die Wirtschaft Polens ist gemessen am Bruttoinlandsprodukt – 430.197 Mio. USD[40] die 21. Größte der Welt, bzw. mit 688.761 Mio. USD[41] die 20. Größte der Welt nach Kaufkraftparität.

Die Inflation betrug 2009 3,5 %.

Bruttoinlandsprodukt

  •                                       Veränderung des Bruttoinlandsprodukts (BIP)
  •                                                    in % gegenüber dem Vorjahr
  •  
  • Jahr                                1998   1999   2000   2001   2002   2003   2004   2005   2006   2007   2008   2009
  • Veränderung in % gg. Vj.   4,8      4,1     4,3     1,2      1,4      3,9     5,3     3,6      6,2     6,8      5,0     1,7
  •  
  • Quelle: GUS[42]

Das Bruttoinlandsprodukt ist regional sehr unterschiedlich verteilt. Die reichsten Regionen sind Masowien (133 % des Landesdurchschnitts) und Niederschlesien (114 %). Die ärmsten Regionen sind Lublin (68 % des Landesdurchschnitts), Karpatenvorland (71 %) und Heiligkreuz (74 %).[43]

Arbeitsmarkt

Im Juni 2004 lag die Arbeitslosenquote noch bei 19,5 %,[44] im Juni 2008 bei 9,6 %,[45] was ungefähr 1,5 Mio. Menschen im erwerbsfähigen Alter ausmachte. Die Arbeitslosigkeit in Polen ist regional sehr unterschiedlich verteilt. In den Städten Posen und Warschau liegt die Arbeitslosigkeit unter 3%, in den ländlichen Regionen Masurens liegt sie hingegen bei über 20 %.

Außenwirtschaft

Der Export umfasste im Jahre 2009 134,7 Mrd. USD und der Import 141,7 Mrd. USD.[46] Mit 24,4 % der Exporte und 28 % der Importe stellte Deutschland den größten Handelspartner dar. Weitere wichtige Handelspartner sind die EU-Staaten Italien, Frankreich, Großbritannien, Niederlande und die Tschechische Republik, sowie Russland, Volksrepublik China und die USA.

Staatshaushalt

Der Staatshaushalt umfasste 2009 Ausgaben von umgerechnet 95,9 Mrd. USD, dem standen Einnahmen von umgerechnet 87,9 Mrd. USD gegenüber. Daraus ergibt sich ein Haushaltsdefizit in Höhe von 1,8 % des BIP.[46]

Die Staatsverschuldung betrug 2009 199 Mrd. US-Dollar oder 46,5 % des BIP.[46]

2006 betrug der Anteil der Staatsausgaben (in % des BIP) folgender Bereiche:

  • Gesundheit:[47] 6,2 %
  • Bildung:[46] 5,5 % (2005)
  • Militär:[46] 1,7 % (2005)

Infrastruktur

Verkehrswesen

Polen ist ein wichtiges Transitland von Nordeuropa nach Südeuropa und von Westeuropa nach Osteuropa. Bereits in der Antike und im Mittelalter führten wichtige Handelsstraßen durch das heutige Polen, wie z. B. die Bernsteinstraßen, der europäische Abschnitt der Seidenstraße, die Handelsroute von Westeuropa nach Asien.

Straßenverkehr

Das Straßennetz wird ständig ausgebaut, es fehlen aber zahlreiche Autobahnverbindungen. Das polnische Autobahnverkehrsnetz ist 2,5 Mal kleiner als das der Schweiz (Stand 2007). Bis 2020 soll der Aufbau des Autobahnnetzes vollständig abgeschlossen und über 2.000 km lang sein. Weitere 5.287 km Straßennetz sollen zu autobahnähnlichen Schnellstraßen (droga ekspresowa) ausgebaut werden.

18.368 km Landesstraßen (droga krajowa) dienen – ähnlich wie die deutschen Bundesstraßen – dem nationalen und internationalen Verkehr. Zum 1. Januar 1999 wurden 28.444 km Landesstraßen zu Woiwodschaftsstraßen (droga wojewódzka) herabgestuft. Daneben gibt es noch 128.870 km Kreisstraßen (droga powiatowa) und 203.773 km Gemeindestraßen (droga gminna)[48]

In Polen sind über 12 Mio. Pkw und zwei Mio. Lkw und andere Nutzfahrzeuge registriert. Insgesamt waren Ende 2007 383 Pkw je 1.000 Einwohner registriert, im EU-Durchschnitt sind es 486.[49]

Dem in Polen trotz wachsendem Individualverkehr immer noch sehr bedeutsamen öffentlichen Verkehr dient ein ausgedehntes Überlandbusnetz.

2004 starben in Polen 5.700 Menschen bei Verkehrsunfällen, das bedeutet eine viermal höhere Rate als im Durchschnitt der EU.[50] Dies ist aber bereits eine Verringerung der Zahl, 1999 waren es noch 6.730 Tote und 1998 – 7.080[51]. Stellen mit einer hohen Unfallrate werden häufig durch einen sogenannten Schwarzen Punkt (czarny punkt) gekennzeichnet.

Es besteht seit 14. April 2007 die ganztägige und -jährliche Lichtpflicht für Pkw und Lkw, wobei Abblend- oder Tagfahrlicht vorgeschrieben sind. Seit dem 1. Juni 2007 gilt beim Fahren von Kraftfahrzeugen ein absolutes Alkoholverbot, nachdem bis dahin eine Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille erlaubt war.

Schienenverkehr

Die polnische Eisenbahngesellschaft PKP gehört zu den größten europäischen Eisenbahngesellschaften mit über 23.420 km Schienennetz. An der polnischen Ostgrenze trifft das europäische Normalspurnetz auf das breitere russische Gleissystem, was Polen zum Drehkreuz des Ost-West-Schienenverkehrs macht.

Flugverkehr

Polen hat zehn internationale Flughäfen, den Frédéric-Chopin-Flughafen in Warschau, den Flughafen Johannes Paul II. in Krakau, den Flughafen Kattowitz, den Lech-Wałęsa-Flughafen Danzig, den Flughafen Breslau, den Flughafen Posen-Ławica, den Flughafen Rzeszów-Jasionka, den Władysław-Reymont-Flughafen Łódź, den Flughafen Stettin-Goleniów, den Ignacy-Jan-Paderewski-Flughafen Bydgoszcz, 123 nationale Flugplätze und drei Hubschrauberbasen. Die Anzahl der Fluggäste steigt seit der Öffnung des polnischen Luftverkehrs für die Niedrigpreisfluglinien rasant.

Seeverkehr

Polen besitzt fast 4.000 Kilometer schiffbare Flüsse und Kanäle. Die Überseehandelsflotte besteht aus über 100 Schiffen. Wichtigste Seehäfen sind Szczecin (Stettin), Gdynia (Gdingen), Gdańsk (Danzig), Świnoujście (Swinemünde), Ustka (Stolpmünde), Kołobrzeg (Kolberg) sowie im Binnenland Warszawa (Warschau), Gliwice (Gleiwitz) und Wrocław (Breslau).

Bildung

Schulbildung

Mit sieben Jahren werden Kinder in Polen eingeschult. Nach einem Beschluss des Sejm wird dieses Alter ab 2012 auf sechs gesenkt.[52] Nach der Bildungsreform 1999 besteht in Polen Schulpflicht bis zum 18. Lebensjahr. Das neue Schulsystem hat drei Stufen.

Obligatorisch und für alle Kinder gemeinsam sind:

  • Szkoła podstawowa     Grundschule    sechs Jahre     vergleichbar mit Volksschule
  • Gimnazjum                 Gymnasium     drei Jahre        vergleichbar mit Mittelstufe

Danach werden die Schüler getrennt. Es stehen folgende Möglichkeiten zur Wahl:

  • Szkoła zawodowa                Berufsschule               zwei-drei Jahre Berufsausbildung
  • Liceum ogólnokształcące      Allgemeinbildendes       Lyzeum drei Jahre Abitur
  • Technikum                          Berufliches                  Lyzeum vier Jahre Abitur und Berufsausbildung
  • Liceum profilowane             Profiliertes                   Lyzeum drei Jahre Abitur und beruflich orientierte Grundbildung

Das Bestehen der Abiturprüfung ist Voraussetzung für das Studium an einer Hochschule.

Weit verbreitet ist auch die berufsbegleitende Ausbildung am Wochenende. In Polen gibt es ein Notensystem mit Noten von 6 bis 1. Die 5 ist dabei die beste Note, die 1 die schlechteste. Eine 6 wird äußerst selten an Schüler vergeben, die sich Kenntnisse über den Unterrichtsstoff hinaus aneignen und reproduzieren. Dies soll sie dazu anregen, selbstständig das erlernte Wissen durch Eigenstudium zu vertiefen, um sie so auf die universitäre Ausbildung vorzubereiten. Die polnischen Schüler schnitten beim PISA-Test mittelmäßig ab, wobei allerdings eine deutliche Steigerung nach der Reform 1999 zu verzeichnen war. Dies vermag allerdings nicht über den qualitativen Einbruch der polnischen Schulbildung in den 1990er-Jahren hinwegzutäuschen.

Hochschulbildung

In Polen studieren fast zwei Millionen Studenten. Die staatlichen Hochschulen haben dabei in den letzten 10 Jahren vermehrt Konkurrenz durch private Hochschulen bekommen. Der Zugang zu den Hochschulen wird fast überall durch eine Eingangsprüfung geregelt. Bachelor- und Magisterstudiengänge gibt es in letzter Zeit immer mehr. Die polnischen Hochschulen sind Mitglieder im Sokrates-Programm. Stipendien werden von polnischen und ausländischen Stiftungen vergeben, z. B. Śniadecki-Stiftung, DAAD oder Robert-Bosch-Stiftung.

  • Universität                                                      Stadt             Gründung
  •   
  • Jagiellonen-Universität                                       Krakau           1364
  • Universität Breslau                                            Breslau           1702
  • Universität Warschau                                        Warschau       1816
  • Adam-Mickiewicz-Universität                             Posen            1919
  • Katholische Universität Lublin                             Lublin             1918
  • Maria-Curie-Skłodowska-Universität                   Lublin            1944
  • Universität Łódź                                                Łódź              1945
  • Universität Thorn                                              Toruń             1945
  • Schlesische Universität                                      Kattowitz        1968
  • Universität Danzig                                             Danzig            1970
  • Universität Stettin                                              Stettin             1984
  • Universität Oppeln                                             Oppeln            1994
  • Universität Białystok                                          Białystok         1997
  • Universität Ermland-Masuren                             Olsztyn           1999
  • Kardinal-Stefan-Wyszyński-Universität                Warschau        1999
  • Universität Zielona Góra                                     Zielona Góra 2001
  • Universität Rzeszów                                          Rzeszów         2001
  • Kasimir-der-Große-Universität Bydgoszcz            Bydgoszcz      2005

Wissenschaft

Bereits mit der Gründung der Bistümer im Jahr 1000 wurden nach und nach Kirchenschulen an den Bischofssitzen eröffnet. Mit dem Zisterzienser-Orden kam auch die abendländischeNikolaus Kopernikus Wissenschaft nach Polen. Bereits 1364 gründete Casimir der Große die Krakauer Universität, die die zweitälteste Alma Mater in Mitteleuropa ist. Sie war die erste Universität, die eine eigenständige Professur für Mathematik und Astronomie hatte. Ihr Rektor Paweł Włodkowic – einer der wichtigsten Völkerrechtler jener Zeit – stellte auf dem Konzil von Konstanz 1415 die These auf, dass heidnische Völker ein Recht auf einen eigenen Staat hätten und nicht mit dem Schwert christianisiert werden dürften. Dass er nicht das Schicksal seines Prager Kollegen Jan Hus teilen musste, verdankte er der zahlreichen polnischen Ritterschaft, die beim Konzil anwesend war.

Die Wissenschaft in Polen erreichte in der Zeit des Humanismus ihre Blüte. Einer der Krakauer Studenten war Nikolaus Kopernikus, der das heliozentrische Weltbild erschuf. Wichtige Astronomen und Mathematiker jener Zeit waren auch Marcin Król, Marcin Bylica, Martin Biem, Johann von Glogau und Albert de Brudzewo. In der (Al)Chemie und Medizin waren damals Adam von Bochinia und Maciej Miechowita führend. Neue Universitäten wurden in Zamość, Raków, Wilna, Posen und Lemberg gegründet, zudem kamen die zahlreichen Schulen der Jesuiten. Nach den Kriegen des 17. Jahrhundert verfiel die polnische Wissenschaft jedoch zusehends und erreichte in der sächsischen Zeit ihren Tiefpunkt. Eine Ausnahme bildete das 1740 von den Piaristen in Warschau gegründete Collegium Nobilium.

Mit dem Amtsantritt Stanisław August Poniatowskis begann in der Aufklärung die Neuorganisation der polnischen Universitäten durch Hugo Kołłątaj im Rahmen der Kommission für nationale Erziehung, dem ersten Bildungsministerium der Welt. Als einer der wichtigsten Wissenschaftler und Industrieller dieser Zeit gilt Stanisław Staszic, der um 1800 in Warschau eine Akademie der Wissenschaft ins Leben rief. 1817 wurde die Warschauer Universität gegründet. Auf dieser Grundlage konnte sich die polnische Wissenschaft im 19. Jh. entwickeln. Um 1850 entdeckte Ignacy Łukasiewicz eine Methode zur Destillation von Erdöl und schuf damit die Ölindustrie, die ihren Ausgangspunkt in Galizien nahm, wo heute noch die ältesten Ölfördertürme der Welt stehen. Napoleon Cybulski und Władysław Szymonowicz schufen die moderne Endokrinologie. Zygmunt Wróblewski und Karol Olszewski gelang es erstmals, Sauerstoff und Stickstoff zu verflüssigen. Stefan Banach und Hugo Steinhaus begründeten die Funktionalanalyse in der Mathematik. Der Arzt Kazimierz Funk entdeckte die Vitamine. Marie Curie-Skłodowska entwickelte die Radiologie und entdeckte das Polonium und das Radium. Sie war die erste Frau, die einen Nobelpreis erhielt, und gleichzeitig der erste Mensch dem zwei zuerkannt wurden (Physik undMarie Curie auf dem offiziellen Nobelpreisfoto von 1911 Chemie). Eugeniusz Kwiatkowski entwickelte die polnischen Wirtschaftswissenschaften, die er nach der Unabhängigkeit Polens als Wirtschaftsminister in die Praxis umsetzten konnte.

In der Zweiten Republik wurde die polnische Sprache an den polnischen Universitäten wieder eingeführt und die Lehre und Wissenschaft florierten. Einer der größten polnischen Juristen Roman Longchamps de Berrier vereinheitlichte das polnische Zivilrechtssystem, dass 1918 noch aus fünf Rechtsordnungen bestand. Sein Schuldrechtgesetzbuch gilt als eines der besten der Welt.

Der Zweite Weltkrieg war ein Desaster für die polnische Wissenschaft, denn die Nationalsozialisten wollten die polnischen Kulturschaffenden vernichten. Bereits in den ersten Kriegswochen wurden hunderte polnischer Professoren ermordet oder in Konzentrationslager deportiert. Insoweit erlangte die Sonderaktion Krakau traurige Berühmtheit. Im Krieg wurden auch die polnischen Universitätsbibliotheken ausgeraubt und ihre Bestände zielgerichtet vernichtet, sodass 1945 ein völliger Neuanfang bevorstand. Zudem flohen viele der überlebenden Wissenschaftler vor den Kommunisten ins westliche Ausland und die überlebenden polnischen Juden emigrierten nach Israel. Die polnische Wissenschaft erholte sich nur langsam. Die polnischen Restaurateure konnten schon bald wieder Weltruhm genießen, doch den anderen Wissenschaften fehlte der Austausch mit den bereits führenden US-amerikanischen Universitäten. Dies änderte sich erst nach 1989. Im Jahr 2001 wurden die Erfolge zu Entwicklungen zum Blauen Lasers in der praktischen Medizin vorgestellt. 2004 gab Polen insgesamt 1,1 Millionen US-Dollar, etwa 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Wissenschaft aus. Damit lag das Land unter dem OECD-Durchschnitt von 2,3 Prozent und auch unter dem der EU von 1,99 Prozent.[53]

Kultur

Die polnische Kultur ist sehr vielfältig und resultiert aus der wechselvollen Geschichte des Landes. Im Mittelalter und der Neuzeit war die multikulturelle Adelsrepublik ein Schmelztiegel verschiedener Kulturen und Religionen, die alle ihren Einfluss auf das polnische Kulturerbe hatten und noch immer haben. Nach den Teilungen Polens versuchten polnische Künstler immer wieder den Kampf um die Unabhängigkeit Polens unter dem Schlagwort „Zur Hebung der Herzen“ zu unterstützen. Als Beispiele hierfür können die Gedichte und Epen von Adam Mickiewicz, die Prosawerke eines der ersten Literaturnobelpreisträgers Henryk Sienkiewicz, die Historienmalerei von Jan Matejko oder die Mazurkas, Polkas, Krakowiaks und Polonaisen von Fryderyk Chopin genannt werden.

Heute ist die breit gefächerte Kultur Polens, ähnlich wie aller westlicher Staaten, von Globalisierungstendenzen betroffen, andererseits kann sie, gerade in der Kulturszene größerer Städte und auf dem Land eine eigene Identität erhalten. Besonders bedeutend ist der polnische Symbolismus und die polnische Plakatmalerei. Plakate polnischer Künstler mit ihren sehr spezifischen Eigenschaften sind auf der ganzen Welt bekannt. Auch der polnische Film mit hervorragenden Regisseuren, wie Roman Polanski, Andrzej Wajda, Krzysztof Kieślowski, Krzysztof Zanussi, Agnieszka Holland und Jerzy Hoffman findet weltweit Anerkennung.

Polnische Literatur

Das älteste erhaltene polnische Schriftstück ist das Dagome-Iudex-Regest aus dem Jahr 991. Wie fast alle polnischen Werke des Mittelalters ist es in Latein geschrieben. Zu diesen gehören vor allem die Chroniken von Gallus Anonymus, Wincenty Kadłubek, Janko aus Czarnków, Jan Długosz und Jan Łaski sowie die Heiligkreuz-Jahrbücher als auch die Adelsprivilegien (siehe oben Verfassungsgeschichte) und religiöse Texte der Heilig-Kreuz-Predigten (die ältesten Schriftstücke auf Polnisch), die Königin Zofias Bibel (erste Bibelübersetzung ins Polnische), der Puławy-Psalter, der Davids-Psalter, die erste polnische Nationalhymne Bogurodzica sowie diverse Gebete und Heiligengeschichten. 1488 wurde die welterste Dichterbruderschaft Nadwiślańskie Bractwo Literackie von dem Deutschen Conrad Celtis und dem Italiener Kallimachus an der Universität in Krakau gegründet, wo sich bereits die erste polnische Druckerei befand.

Die polnische Sprache setzte sich in der Renaissance durch, obwohl viele Autoren auch noch in Latein oder beiden Sprachen veröffentlichten. Der erste nur polnischschreibende Dichter war Mikołaj Rej, der als Vater der polnischen Sprache gilt. Der größte polnische Renaissancedichter war jedoch Jan Kochanowski, der mit dem ersten polnischen Drama „Die Abfertigung der griechischen Gesandten“ und zahlreichen Gedichten Weltruhm erlangte. Gleichzeitig galt Klemens Janicki als talentiertester lateinischschreibender Poet der Renaissance in Europa. Andere wichtige Renaissanceschriftsteller waren Andrzej Frycz Modrzewski, Szymon Szymonowic, Łukasz Górnicki, Piotr Skarga, Andrzej Krzycki, Mikołaj Hussowski Hussowczyk, Biernat z Lublina, Mikołaj Sęp-Szarzyński und Johannes Dantiscus. Der polnische Barock ist aufgrund der vielen vernichtenden Kriege dem Motto memento mori treu und bringt im Gegensatz zum Harmoniebestreben der polnischen Renaissance die Unruhe der damaligen Zeit zum Ausdruck. Hervorzuheben sind hier die Liebesbriefe des Dichterkönigs Jan Sobieski sowie die Kriegsmemoiren von Jan Chryzostom Pasek. Weitere wichtige Vertreter dieser Epoche waren Wacław Potocki, Jan Andrzej Morsztyn, Daniel Naborowski, Krzysztof Zawisza und Benedykt Chmielowski.

Die Aufklärung brachte vor allem politische Literaten, die mit den Reformen König Poniatowskis verbunden waren. Viele engagierten sich für die Verfassung vom 3. Mai 1791. Insbesondere Ignacy Krasicki, Adam Naruszewicz, Wojciech Bogusławski, Franciszek Bohomolec, Franciszek Salezy Jezierski, Franciszek Karpiński, Franciszek Dionizy Kniaźnin, Hugo Kołłątaj, Stanisław Konarski, Julian Ursyn Niemcewicz, Stanisław Staszic, Stanisław Trembecki und Franciszek Zabłocki sind hier zu nennen.

Nach der letzten Teilung Polens entstanden zwei gegensätzlich poetische Richtungen, die Klassik und die Romantik. Das Jahr 1822, als Adam Mickiewicz seinen ersten Gedichtband herausbrachte, gilt als endgültiger Sieg von letzterer. Die polnische Romantik, die in der Zeit zwischen dem Novemberaufstand 1830 und Januaraufstand 1863 ihren Zenit erreichte, hat sehr viele hervorragende Poeten hervorgebracht. Neben Mickiewicz allen voran Juliusz Słowacki, Zygmunt Krasiński und Cyprian Kamil Norwid. Nicht unerwähnt bleiben dürfen aber auch Stanisław Bogusławski, Adam Jerzy Czartoryski, Aleksander Fredro, Klementyna Hoffmanowa, Józef Ignacy Kraszewski, Wincenty Pol, Henryk Rzewuski und Kornel Ujejski. Viele Literaturkritiker sehen in der polnischen Romantik die Epoche, die den polnischen Nationalgeist am meisten beeinflusst hat und am meisten auf die anderen Richtungen einwirkte.

Nach der Ernüchterung der Niederlage von 1864 kam die Zeit des Positivismus, die sich von der Dichtung zur Prosa wandte, insbesondere dem realistischen Roman. Ihre wichtigsten Vertreter waren Eliza Orzeszkowa, Bolesław Prus, Maria Konopnicka, Adolf Dygasiński, Wiktor Gomulicki, Maria Rodziewiczówna, Henryk Sienkiewicz, Gabriela Zapolska, Stefan Żeromski und Adam Asnyk.

Als neoromantische Reaktion entwickelte sich ab 1890 das Junge Polen, deren wichtigste Dichter Tadeusz Boy-Żeleński, Jan Kasprowicz, Kazimierz Przerwa-Tetmajer, Mieczysława Przybylska-Łuczyńska, Stanisław Przybyszewski, Władysław Reymont, Leopold Staff und das Allroundgenie Stanisław Wyspiański. Das Junge Polen zeichnete sich durch eine dem Symbolismus folgende Mystifizierung der Wirklichkeit aus. Das wichtigste Werk ist Wyspiańskis „Hochzeit“.

In der Zwischenkriegszeit hatte Polen eine Reihe von hervorragenden Literaten, die in verschiedenen Richtungen experimentierten und verschiedene Dichtervereinigungen (Salamander, Grüner Ballon, etc.) bildeten. Zu diesen gehörten Jan Brzechwa, Zofia Charszewska, Józef Czechowicz, Bruno Jasieński, Jarosław Iwaszkiewicz, Maria Kuncewiczowa, Bolesław Leśmian, Kornel Makuszyński, Czesław Miłosz, Stanisław Młodożeniec, Zofia Nałkowska, Maria Pawlikowska-Jasnorzewska, Bruno Schulz, Andrzej Strug, Julian Tuwim, Stanisław Ignacy Witkiewicz und Aleksander Wat. Während des Zweiten Weltkrieges schuf die junge Generation der sogenannten Kolumbusse Krzysztof Kamil Baczyński, Tadeusz Borowski und Tadeusz Gajcy, die alle sehr jung starben und diese Vorahnung in ihren Gedichten thematisierten.

Die polnische Nachkriegsliteratur ist sehr mannigfaltig. Sie reicht vom Sozrealismus (Jerzy Andrzejewski) bis zur Science Fiction (Stanisław Lems). Zunächst war Hauptthema die Verarbeitung des Zweiten Weltkrieges, später wandten sich die Kulturschaffenden der neuen Wirklichkeit zu.

Wichtige Vertreter der Nachkriegsliteratur sind Witold Gombrowicz, Sławomir Mrożek, Miron Białoszewski, Kazimierz Brandys, Ernest Bryll, Zbigniew Herbert, Marek Hłasko, Paweł Huelle, Ewa Lipska, Jan Parandowski, Jerzy Pilch, Julian Przyboś, Tadeusz Różewicz, Andrzej Szczypiorski, Wisława Szymborska, Władysław Terlecki, Jan Twardowski, Ryszard Kapuściński, Stefan Chwin, Leszek Kołakowski, Andrzej Stasiuk, Olga Tokarczuk, Dorota Masłowska und Jerzy Prokopiuk, sowie auch der als Papst Johannes Paul II. bekannte Karol Wojtyła.

Bisher erhielten polnische Schriftsteller viermal den Literaturnobelpreis: 1905 (Henryk Sienkiewicz), 1924 (Władysław Reymont), 1980 (Czesław Miłosz) und 1996 (Wisława Szymborska).

Musik

Der erste namentlich bekannte Musiker Polens ist der Dominikaner Wincenty aus Kielce, der in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts lebte und die Hymne „Gaude mater Polonia“ schrieb. Dagegen ist der Autor des ältesten bekannten polnischen Liedes Bogurodzica unbekannt. Neben Hymnen zeichnete sich die mittelalterliche polnische Musik durch Tänze aus. Mikołaj aus Radom schrieb diese am Anfang des 15. Jahrhunderts auf. In der Renaissance kamen viele italienische Musiker an den polnischen Königshof. Mikołaj Gomółka war der bekannteste polnische Komponist des 16. Jahrhunderts. Er schrieb Kompositionen unter anderem zu den Gedichten von Jan Kochanowski („Melodie na Psałterz polski“). Andere wichtige Renaissancekomponisten am polnischen Königshof waren Wacław z Szamotuł und Mikołaj Zieleński.

1628 wurde in Warschau die erste Oper außerhalb Italiens aufgeführt: Galatea. Die italienischen Opernkomponisten Luca Marenzio, Giovanni Francesco Anerio, and Marco Scacchi waren zur Barockzeit in Warschau tätig. Während der relativ kurzen Regentschaft von Władysław IV. Wasa von 1634 bis 1648 wurden in Warschau mehr als zehn Opern aufgeführt, womit Warschau zu dieser Zeit zum wichtigsten Opernzentrum außerhalb Italiens wurde. Die erste Opernkomponistin der Welt, Francesca Caccini, schrieb ihre erste Oper La liberazione di Ruggiero dall’isola d’Alcina für den polnischen König, als dieser noch ein Prinz war. Die polnischen Barockkomponisten komponierten vor allem Kirchenmusik, allen voran ihr bekanntester Schöpfer Adam Jarzębski. Zu dieser Zeit entstand auch die Polonaise als Tanz an polnischen Höfen, während die bäuerliche Gesellschaft regional unterschiedliche Tänze wie die Mazurkas, Krakowiaks und Chodzony und die auch in Tschechien bekannten Polkas entwickelte. Die wichtigsten Polonaise-Komponisten im 18. Jahrhundert waren Michał Kleofas Ogiński, Karol Kurpiński, Juliusz Zarębski, Henryk Wieniawski, Mieczysław Karłowicz und Joseph Elsner. Gleichwohl sollte erst Fryderyk Chopin in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert diese Musikart zur Vollendung bringen. Er gilt als einer der größten polnischen Komponisten.

Im 19. Jahrhundert entwickelte Stanisław Moniuszko die moderne polnische Oper, deren berühmtestes Werk Halka ist. Oskar Kolberg begann zu dieser Zeit die polnische Folkloremusik zu sammeln und niederzuschreiben. Seinen Werken verdanken die Folkloreensembles Mazowsze, Słowianki und Śląsk ihr Entstehen. Karol Szymanowski, der sich in Zakopane niederließ, entdeckte die traditionelle Musik der Goralen in Podhale, die er im 19 Jahrhundert weiter entwickelte. Berühmte Komponisten der Zwischenkriegszeit waren Arthur Rubinstein, Ignacy Jan Paderewski, Grażyna Bacewicz, Zygmunt Mycielski, Michał Spisak and Tadeusz Szeligowski. Die zeitgenössische polnische Musik wird von Stanisław Skrowaczewski, Roman Palester, Andrzej Panufnik, Tadeusz Baird, Bogusław Schaeffer, Włodzimierz Kotoński, Witold Szalonek, Krzysztof Penderecki, Witold Lutosławski, Wojciech Kilar, Kazimierz Serocki, Henryk Mikołaj Górecki, Krzysztof Meyer, Paweł Szymański, Krzesimir Dębski, Hanna Kulenty, Eugeniusz Knapik und Jan A. P. Kaczmarek repräsentiert.

Bildende Kunst

Zur heidnischen Zeit schufen die westslawischen Künstler Steinfiguren von Światowit und anderen Gottheiten. Mit dem Übergang zum Christentum behielt die Kunst zunächst ihren rituellen Charakter. Zu den ersten bedeutenden und erhaltenen Kunstwerken gehören die monumentalen Bronzetüren der Kathedralen von Gnesen und Płock im Stil der Romanik. Die erst stellt die Lebensgeschichte des Heiligen Adalbert (Wojciech) dar. Die zweite wurde später an die Stadt Nowgorod in Russland geschenkt. Daneben waren in den romanischen Kirchen Steinfiguren und Reliefs sehr beliebt. In der Gotik entwickelte sich die Holzschnitzerei, die Bronzegießerei, die Bildhauerei und die Malerei. Bedeutende Künstler aus dem deutschen Raum, wie Veit Stoß, Hans Dürer, Peter Vischer kamen an den Hof der polnischen Könige auf dem Wawel in Krakau. Der Krakauer Hochaltar von Veit Stoß ist das größte Schnitzwerk der Gotik. In Krakau selbst entwickelte sich in der Malerei und Schnitzerei um 1400 eine eigene Schule, die von einheimischen Künstlern vertreten wurde, wie z. B. dem Meister der Dominikanerpassion. Zudem kamen orthodoxe Künstler aus Ostpolen und brachten ihre Freskenmalerei mit, die noch heute in der Wawelkathedrale und in der Kapelle im Lubliner Schloss bewundert werden kann.

In der Renaissance kamen viele Künstler aus Florenz, Padua und Mailand (mit Bona Sforza) nach Polen. Sie gründeten ihre eigenen Schulen in Krakau. Auch polnische Renaissancekünstler wie Stanisław Samostrzelnik waren in Krakau aktiv. Hervorzuheben gilt es die Sigismund-Kapelle an der Wawelkathedrale mit den Grabmälern der letzten Jagiellonen, die als formtreustes Beispiel der italienischen Renaissance außerhalb Italiens gilt. In der Zeit des Manierismus waren ebenfalls die italienischen Künstler in Polen führend, allen voran Paolo Romano, der in Lemberg tätig war. Aber auch Danzig war ein Zentrum des wiederum niederländisch geprägten Manierismus. Auch der Barock kam aus Italien nach Polen. Hier ist insbesondere Giovanni Trevano hervorzuheben, der am Wawel und dem Königsschloss in Warschau wirkte. Als bedeutendster Maler des Barock in Polen gilt Karol Dankwart. In der sächsischen Zeit kamen viele Künstler aus Sachsen nach Polen, wie z. B. der Italiener Bernardo Bellotto. In Ostpolen entwickelte sich zu dieser Zeit eine eigene Form des ukrainischen Barock und der Ikonenmalerei. Der wichtigste Vertreter des Klassizismus in Polen war Däne Bertel Thorvaldsen, der viele Denkmäler in Warschau und Krakau schuf.

Die romantische Malerei entwickelte sich in Polen nach den Teilungen und behandelte meist politische oder mystische Themen. Im Zeitalter des Positivismus dominierte die Historienmalerei, deren bekannteste Vertreter Juliusz Kossak, die Brüder Maksymilian und Aleksander Gierymski und Jan Matejko sein dürften. Seine Schüler Józef Mehoffer und Stanisław Wyspiański entwickelten die sezessionistische Richtung Junges Polen. In der Zwischenkriegszeit entwickelten sich verschiedene Kunstrichtungen. Bekannte Vertreter dieser Epoche sind Bruno Schulz und Wojciech Weiss. Während des Zweiten Weltkrieges wurden von Hitlerdeutschland und der Sowjetunion sehr viele Kunstschätze aus den polnischen Museen geraubt. Viele von ihnen wie z. B. der Jüngling von Raffael sind bis heute nicht wieder aufgetaucht. In der Volksrepublik war der Sozrealismus vorherrschend. Gleichwohl entwickelten Künstler wie Tadeusz Kantor, Peter Potworowski, Władysław Hasior oder Nikifor Krynicki eigene Kunstrichtungen. Mittlerweile ist die Kunst wieder entpolitisiert.

Architektur

Die ersten erhaltenen Architekturdenkmäler Polens sind Hügelgräber (poln. kopiec) und kultische Steinzirkel. Die christliche Architektur kam als Vorromanik im 9. Jahrhundert nach Polen. In diesem Stil wurden die Burgen und Kirchen der Polanen gebaut. In der Romanik wurden die ersten Kathedralen in Gnesen, Krakau, Breslau, Kolberg und Posen, Rotunda (z. B. Cieszyn, Krakau), Wehrkirchen (z. B. Strzelno) und Zisterzienser-Klöster errichtet (z. B. Tyniec).

Im Zeitalter der Gotik dominierte in Polen die Backsteingotik im Norden und eine gemischte Backstein-Kalksteingotik im Süden, insbesondere in Krakau. Der größte gotische Backsteinbau der Welt ist die Marienburg am Nogat und die größte Backsteinkirche der Welt ist die Marienkirche in Danzig.

Das goldene Zeitalter Polens begann in der Spätgotik und reichte über die Renaissance und den Manierismus bis in den Frühbarock. Aus dieser Zeit (1350–1650) stammen die bedeutendsten Bauwerke Polens, allen voran das königliche Wawelschloss in Krakau. Dieses wurde von den Adeligen in ganz Polen hundertfach mehr oder weniger originalgetreu nachgebaut. Zu den bedeutendsten Renaissance-Schlössern zählen Baranów Sandomierski, Krasiczyn, Łańcut, Janowiec, Krzyszopór, Pieskowa Skała, Sucha Beskidzka, Brzeg, Nowy Wiśnicz, Ogrodzieniec. Das Zentrum der Renaissance war Südpolen, insbesondere die Region um Kleinpolen und die Gegenden um Lemberg. Gleichzeitig entwickelte sich am Übergang zwischen Spätgotik und Renaissance auch die bürgerliche Architektur in den Städten, die viele schöne Kirchen und Rathäuser sowie Gebäude anderer öffentlichen Einrichtungen, wie z. B. das Collegium Maius der Krakauer Universität, hervorbrachte. Vor allem in Krakau kann man die typisch polnische Renaissancearchitektur an der polnischen Attika erkennen. In dieser Zeit kamen bedeutende italienische Architekten und Künstler aus Italien (insbesondere Florenz) nach Polen, z. B. Bartolomeo Berrecci, Santi Gucci, Francesco Florentino, Bernardo Monti, Giovanni Quadro, Mateo Gucci, die die italienische Renaissance den klimatischen Bedingungen Mitteleuropas anpassten und so einen eigenen polnischen Renaissancestil schufen, der jedoch mit seinen beliebten Arkaden der florentinischen Renaissance am nächsten kam. Viele dieser Bauwerke haben die Zeit der schwedischen Kriege im 17. Jahrhundert nur als Ruinen überdauert.

In der Zeit des reifen Barocks trat die neue Hauptstadt Warschau als Mittelpunkt hervor. Der bedeutendste Architekt dieser Zeit war der aus den Niederlanden stammende Tylman van Gameren, der Hunderte von Schlössern in ganz Polen projektierte. Große Paläste im Versailler Stil entstanden in Warschau (z. B. das Königsschloss, Wilanów-Palast, das Radziwiłł-Palais, das Krasicki-Palais) sowie in und um Masowien (z. B. Białystok, Puławy, Rogalin, Kozłówka, Nieborów) sowie in Ostpolen.

Der Spätbarock und das Rokoko sind von der Zeit der Sachsenkönige und des letzten polnischen Königs Stanisław Poniatowski geprägt. Damals entstanden in Warschau zahlreiche Kirchen (Visitantinnen-Kirche, St.-Anna-Kirche, Heilig-Kreuz-Kirche), Gärten (Łazienki-Park, Sächsischer Garten, Krasiński-Park, Ujazdowski-Park) und Paläste.

In den letzten Jahren der Regentschaft des letzten polnischen Königs Stanisław Poniatowski begann die Epoche des Klassizismus. In diesem Stil wurde das damals größte Theatergebäude der Welt von Antonio Carozzi in Warschau errichtet. Dazu kamen die Gebäude der Warschauer Wertpapierbörse und der Polnischen Nationalbank. Im Łazienki-Park entstanden viele Schlösser und Villen in diesem Stil.

Die Zentren der polnischen Architektur des 19. Jahrhundert waren Warschau und Łódź, wo viele Bürgerhäuser und Schlösser im Stil des Historismus und später der Sezession errichtet wurden. Auch in Südpolen gibt es viele Baudenkmäler aus dieser Zeit, wie z. B. das neogotische Collegium Novum der Jagiellonen-Universität in Krakau. Eine eigene Spielart der Sezession Junges Polen entwickelte sich ebenfalls dort. Der Erste Weltkrieg brachte viele Zerstörungen in Südpolen. Viele öffentliche Gebäude wurden im Art Deco Stil wiederaufgebaut oder neu gebaut. Hierzu zählt z. B. das neue Sejmgebäude oder die Nationalmuseen in Warschau und Krakau.

Die bisher größte Zerstörung der polnischen Bausubstanz brachte der Zweite Weltkrieg. Warschau wurde systematisch zerstört, die Baudenkmäler in Ostpolen kamen an die Sowjetunion und alle größeren Städte Polens bis auf Krakau wurden durch Kriegshandlungen erheblich beschädigt. Der Wiederaufbau in der Nachkriegszeit wurde mustergültig aufgenommen – die polnischen Restauratoren genießen Weltruhm – und ist aber auf absehbare Zeit nicht abzuschließen. Die Altstadt und die Neustadt von Warschau sowie das Weichselviertel Mariensztat wurde in den 1970er-Jahren und das Königsschloss in den 1980er Jahren wiederaufgebaut. Einige Paläste sind in den 1990er Jahren wieder erstanden. Demnächst soll mit dem Wiederaufbau der Sächsischen und Brühlschen Paläste und der Wiedererrichtung der Gärten des Königsschlosses begonnen werden. Die Bausubstanz des 19. Jahrhundert im Zentrum um die Marszałkowska-Straße, die Aleje Jerozolimskie und die Świętokrzyska-Straße scheinen aber für immer verloren. An ihrer Stelle entstanden monumentale Gebäude im Stil des Sozrealismus, allen voran der Kulturpalast, der Platz der Verfassung und das Vorzeigeviertel MDM. In den 1990er Jahren begann ein Bauboom von Wolkenkratzern, die von namhaften Architekten wie z. B. Norman Foster, Daniel Libeskind projektiert wurden. Insbesondere die Johannes-Paul-II.-Allee ist von moderner Architektur umgeben.

Medien

Fernsehen

Neben den zwei öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern von Telewizja Polska (TVP; dt. Polnisches Fernsehen) gibt es zwei weitere ebenfalls landesweit und flächendeckend empfangbare bedeutsame private Fernsehkanäle wie TVN und Polsat.

Bis 1992 besaß nur das öffentlich-rechtliche Fernsehen eine Sendeerlaubnis. 1992 kam Polsat hinzu, zunächst illegal, ab 1993 mit Lizenz, 1997 folgte TVN.[54]

Der polnische Fernsehmarkt hat sich seit den 1990er Jahren bis heute kontinuierlich weiterentwickelt, sodass die früheren wichtigsten Anbieter TVP, TVN und Polsat von einzelnen Kanälen zu Paketen aus mehreren Kanälen ausgebaut wurden. So findet man jeweils in jedem Paket jedes Anbieters zusätzlich auch einen Nachrichten-, Kultur-, Dokumentation-, Spielfilm- und Sportsender. Die Empfangbarkeit dieser Pakete ist jedoch meistens nur in den Großstädten per Fernsehkabel möglich. Zusätzlich sind die Pakete selten miteinander kombinierbar, so dass erst eine Satellitenschüssel bzw. ein PayTV-Anschluss notwendig ist, um eine Auswahl von über 20 Sendern zu erreichen. Dies hängt vor allem mit der historisch begründeten und finanziell bedingten Machtstellung der staatlichen Fernsehanstalt. Die Landschaft an öffentlich-rechtlichen regionalen Kanälen ist der in Deutschland sehr ähnlich: Es gibt 16 selbstständige staatliche Kanäle mit regionaler Ausrichtung (Die Dritten). Fernsehsender mit dem größten Marktanteil war 2004 TVP1 mit 24,89 Prozent. Es folgten TVP2 (20,52 %), Polsat (16,22 %) und TVN (14,71 %).[55]

Rundfunk

Die öffentlich-rechtliche polnische Hörfunkanstalt Polskie Radio betreibt die drei wichtigsten landesweit empfangbaren staatlichen Radioprogramme. Diese sind Jedynka (Das Erste) mit Schwerpunkt auf Politik, Kultur, Reportagen, Dwójka (Das Zweite) als Kultursender sowie Trójka (Das Dritte) vor allem für jüngere Menschen. Es wird auch ein dichtes Netz aus 17 staatlichen regionalen Radiosendern betrieben. Die staatliche Rundfunkanstalt hat in den 1990er Jahren ernstzunehmende Konkurrenz durch die privaten Radiosender Radio Zet (ein landesweiter Sender) und RMF FM (Netz aus ca. 20 regionalen Sendern) bekommen, die sich bei 15- bis 35-Jährigen größter Beliebtheit erfreuen.

Eine Besonderheit der polnischen Medienlandschaft ist die Existenz stark religiös ausgerichteter Sender wie TV Trwam und Radio Maryja, welche unter katholisch-konservativen Rentnern gehört werden. Diese religiösen Sender tragen durch konfrontative politische Agitation sowie intolerante Berichterstattung über abweichende Weltanschauung sowie soziale und sexuelle Minderheiten erheblich zur Spaltung zwischen der jüngeren und älteren Generation im Lande bei.

Den größten Marktanteil konnte 2004 RMF FM mit 23,95 Prozent verbuchen. Es folgten Radio Zet (21,41 %), Polskie Radio 1 (15,51 %), Polskie Radio 3 (5,32 %) und Radio Maryja (2,39 %).[56]

Print- und Internetmedien

Überregionale meinungsbildende Tageszeitungen sind Gazeta Wyborcza, Rzeczpospolita und die Boulevardzeitung Fakt. Wöchentliche Magazine sind Wprost, Polityka und Newsweek Polska. Eine wichtige polnische Presseagentur ist die PAP. Für englischsprachige Ausländer erscheinen die Warsaw Voice und das Warsaw Business Journal. Dagegen ist die deutschsprachige polen-rundschau nicht sehr weit verbreitet.

1990 gab es 3.007 Zeitschriften, die Zahl wuchs bis 1999 auf 5.444. Die Zahl der Tageszeitungen sank von 1990 bis 2000 von 130 auf 66. Auflagenstärkste war 2004 Fakt.[57]

Die bekanntesten Internetportale sind Onet.pl, Wirtualna Polska und Interia.pl.

Bräuche

Nationale und regionale Bräuche werden vor allem auf dem Land aufrecht erhalten. Sie sind mit den verschiedenen Religionen, besonders der römisch-katholischen, verbunden.

Wichtig sind die Feste der verschiedenen religiösen Gemeinschaften: weihnachtliche Sternsinger, Friedhofsfeiern an Allerheiligen, das Fronleichnamsfest in Łowicz, der Palmsonntag, die Mysterienspiele in Kalwaria Zebrzydowska, das kaschubische Bootsfest, der Dominikaner Jahrmarkt in Danzig, aber auch das orthodoxe Jordanfest in Drohiczyn und das muslimisch-tatarische Kurban Bajram in Bohoniki. Pilgerfahrten erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit, etwa die katholischen Wallfahrten nach Tschenstochau, Heiligelinde, Licheń Stary, Kalwaria Zebrzydowska, Łagiewniki und zum St. Annaberg, aber auch die jüdischen Grabbesuche der chassidischen Mystiker Elimelech aus Leżajsk und Moses Remuh aus Krakau und die orthodoxe Wallfahrt nach Grabarka. Viele der lokalen Bräuche und Riten stehen in Zusammenhang mit den Jahreszeiten (z. B. die Zuwasserlassung der Wianki, die Versenkung der Marzanna und der Krakauer Lajkonik).

Kunstwerke, die mit den Bräuchen verbunden sind, umfassen die Ikonenmalerei vor allem in Podlachien, Lublin und dem Karpatenvorland, Schnitzereien mit religiösen (Jezus Frasobliwy) und weltlichen Motiven sowie die Stickereien – Koronki. Bekannt sind auch Trachten, insbesondere die aus Krakau und die der Goralen. Daneben gibt es viele traditionelle Bräuche der Lebensmittelherstellung, wie z. B. der Schafskäse Oscypek, die Krakauer Brezel Obwarzanek und Krakauer Würste. Von den traditionellen Bräuchen in der Architektur sind die Wegkapellen zu nennen, vor allem in den Beskiden und Masowien.

Verbunden mit dem polnischen Brauchtum sind auch die traditionelle Musik (jüdische Klezmer, Kammermusik, Mazurkas, Polonaisen, Krakowiaks und Polkas) sowie der Tanz (u. a. die Tanzensembles Mazowsze, Tanz- und Gesangsensemble Śląsk, Słowianki), das traditionelle Theater sowie die Mundartdichtung der Goralen, Kaschuben und Schlesier.

Freizeit und Sport

Aufgrund der vielen Seen und der langen sandigen Meeresküste sind Wassersportarten wie Segeln (u. a. Große Masurische Seen), Surfen (u. a. Hel), Tauchen (u. a. Danziger Bucht), Kajak (u. a. auf den Flüssen Krutynia, Czarna Hańcza, Drawa), Schwimmen und Angeln in Polen sehr beliebt. Die Polen nutzen die vielen Wälder auch gerne zum Pilze sammeln. In den Bergen wird viel gewandert und Alpin Ski und Snowboard gefahren (u. a. Hohe Tatra, Beskiden, Riesengebirge). Rafting ist auf dem Gebirgsflüssen, vor allem dem Dunajec im Pieniny-Durchbruch, sehr beliebt. Auch Segel- und Ballonfliegen ist in den Beskiden populär. Skispringen (u. a. Zakopane, Wisła) erfreut sich in Polen großer Beliebtheit. Langlauf, Hundeschlittenfahren und Eissegeln werden in den Waldkarpaten und Masuren praktiziert. Gleichwohl stehen beim polnischen Sportfan Fußball, Volleyball und Schwimmen am höchsten im Kurs. An den verschiedenen international bedeutenden Straßenläufe nehmen zunehmend auch Volksläufer teil.[58][59][60] Das Schachspiel hat in Polen eine lange Tradition.

Am 18. April 2007 wurde Polen zusammen mit der Ukraine von der UEFA zum Ausrichter der Fußball-Europameisterschaft 2012 bestimmt.

Feiertage

 

  • 1. Januar                                          Neujahr (Nowy Rok)
  • März, April                                       Ostersonntag (Niedziela Wielkanocna)
  • März, April                                       Ostermontag (Poniedziałek Wielkanocny)
  • 1. Mai                                              Maifeiertag (Święto Państwowe 1 Maja)
  • 3. Mai                                              Tag der Verfassung vom 3. Mai 1791 (Święto Konstytucji Trzeciego Maja)
  • 7. Sonntag nach Ostern                      Pfingsten (Zielone Świątki)
  • 9. Donnerstag nach Ostern                 Fronleichnam (Boże Ciało)
  • 15. August                                        Mariä Aufnahme in den Himmel (Wniebowzięcie Najświętszej Maryi Panny), gleichzeitig Tag der Polnischen Armee
  • 1. November                                    Allerheiligen (Wszystkich Świętych)
  • 11. November                                   Unabhängigkeitstag (Dzień Niepodległości)
  • 25. Dezember 1.                               Weihnachtsfeiertag (pierwszy dzień Bożego Narodzenia)
  • Dezember 2.                                     Weihnachtsfeiertag (drugi dzień Bożego Narodzenia)

Verweise

Literatur

  • Norman Davies: Im Herzen Europas. Geschichte Polens. Warschau 2002. ISBN 3-406-46709-1
  • Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): Polen, Bonn 2001, Nr. 273/2001 ISSN 0046-9408 [61]
  • Brigitte Jäger-Dabek: Polen
  • Ursula A. J. Becher, Wlodzimierz Borodziej, Robert Maier: Deutschland und Polen im 20. Jahrhundert
  • Jahrbuch für Polen – 1929/30. Instytut Wydawniczy Bibljoteka Polska, Warschau; 703 Seiten
  • Peter Hengstenberg, Sylvia A. Niewiem, Clemens Rode: Länderanalyse Polen: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel – Polen auf dem Weg in seine europäische Zukunft. Internationale Politikanalyse, Friedrich-Ebert-Stiftung, Juli 2008.
  • Roland Walter: Geologie von Mitteleuropa. 7. Auflage. Schweizerbart, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-510-65225-9, S. 124–138.

Fußnoten

  1. ↑ Auswärtiges Amt
  2. ↑ LUDNOŚĆ – STAN I STRUKTURA W PRZEKROJU TERYTORIALNYM. Główny Urząd Statystyczny, Stand vom 31. Dez. 2009 (WebCite)
  3. ↑ International Monetary Fund, World Economic Outlook Database, April 2008
  4. ↑ Human Development Index
  5. ↑ Krystyna Długosz-Kurczabowa: Polska – Jaka jest etymologia słowa Polska (nazwa kraju)? Wydawnictwo Naukowe PWN, 21. Februar 2003
  6. ↑ Przemysław Urbańczyk: Początki Polski do poprawki. 29. August 2008 auf focus.pl
  7. ↑ a b c d e f Główny Urząd Statystyczny Mały Rocznik Statystyczny Polski 2010, Juni 2010, abgerufen am 23. Juli 2010
  8. ↑ Friedhelm Pelzer: Polen: eine geographische Landeskunde. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-09160-4, S. 8–9
  9. ↑ Friedhelm Pelzer: Polen: eine geographische Landeskunde. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-09160-4, S. 8
  10. ↑ inklusive der je 22 Kilometer Seegrenze zu Russland und Deutschland
  11. ↑ Friedhelm Pelzer: Polen: eine geographische Landeskunde. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-09160-4, S. 82
  12. ↑ Friedhelm Pelzer: Polen: eine geographische Landeskunde. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-09160-4, S. 83
  13. ↑ Friedhelm Pelzer: Polen: eine geographische Landeskunde. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-09160-4, S. 87–89
  14. ↑ Friedhelm Pelzer: Polen: eine geographische Landeskunde. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-09160-4, S. 90
  15. ↑ Friedhelm Pelzer: Polen: eine geographische Landeskunde. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-09160-4, S. 93–94
  16. ↑ Friedhelm Pelzer: Polen: eine geographische Landeskunde. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-09160-4, S. 53
  17. ↑ Friedhelm Pelzer: Polen: eine geographische Landeskunde. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-09160-4, S. 57, Tabelle 3
  18. ↑ Friedhelm Pelzer: Polen: eine geographische Landeskunde. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-09160-4, S. 57
  19. ↑ Friedhelm Pelzer: Polen: eine geographische Landeskunde. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-09160-4, S. 59
  20. ↑ Friedhelm Pelzer, Polen : eine geographische Landeskunde, Darmstadt 1991, ISBN 3-534-09160-4, S. 94–95
  21. ↑ Friedhelm Pelzer: Polen: eine geographische Landeskunde. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-09160-4, S. 59–96
  22. ↑ Friedhelm Pelzer: Polen: eine geographische Landeskunde. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-09160-4, S. 96
  23. ↑ Friedhelm Pelzer: Polen: eine geographische Landeskunde. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-09160-4, S. 96–97
  24. ↑ Friedhelm Pelzer: Polen: eine geographische Landeskunde. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-09160-4, S. 97
  25. ↑ Friedhelm Pelzer: Polen: eine geographische Landeskunde. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-09160-4, S. 61
  26. ↑ a b Friedhelm Pelzer: Polen: eine geographische Landeskunde. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-09160-4, S. 62–63
  27. ↑ Dieter Bringen, Krzysztof Ruchniewicz (Hrsg.): Länderbericht Polen. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2009, ISBN 978-3-593-38991-2, S. 322
  28. ↑ a b c d e Portal der Republik Polen, Klima, abgerufen am 11. Juli 2010
  29. ↑ Friedhelm Pelzer: Polen: eine geographische Landeskunde. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-09160-4, S. 47–49
  30. ↑ Friedhelm Pelzer: Polen: eine geographische Landeskunde. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-09160-4, S. 43
  31. ↑ Friedhelm Pelzer: Polen: eine geographische Landeskunde. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-09160-4, S. 44
  32. ↑ Friedhelm Pelzer: Polen: eine geographische Landeskunde. Darmstadt 1991, ISBN 3-534-09160-4, S. 44
  33. ↑ Wieder mehr (kleine) Polen. Polskie Radio, 29. Jan. 2009 (WebCite)
  34. ↑ a b Dieter Bringen, Krzysztof Ruchniewicz (Hrsg.): Länderbericht Polen. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2009, ISBN 978-3-593-38991-2, S. 362
  35. ↑ a b Dieter Bringen, Krzysztof Ruchniewicz (Hrsg.): Länderbericht Polen. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2009, ISBN 978-3-593-38991-2, S. 363
  36. ↑ Verfassung der Republik Polen vom 2. April 1997, Artikel 35
  37. ↑ Die Polen im Ausland – Polonia. Botschaft der Republik Polen in der Bundesrepublik Deutschland
  38. ↑ Polnisch: A niechaj narodowie wżdy postronni znają, iż Polacy nie gęsi, iż swój język mają.
  39. ↑ Kaczynskis Präsidentenmaschine stürzt ab. In: Spiegel Online, April 2010
  40. ↑ BIP 2009 nach Ländern in der World Economic Outlook Database, April 2010 des Internationalen Währungsfonds
  41. ↑ BIP (PPP) 2009 nach Ländern in der World Economic Outlook Database, April 2010 des Internationalen Währungsfonds
  42. ↑ Informacja o sytuacji społeczno-gospodarczej kraju 2009. Główny Urząd Statystyczny, Warszawa, 28. Januar 2010 (polnisch)
  43. ↑ Regiony Polski – Regions of Poland. Główny Urząd Statystyczny, Warszawa 2009
  44. ↑ Stopa bezrobocia w latach 1990-2008. Główny Urząd Statystyczny, abgerufen am 9. Juli 2008
  45. ↑ Aktualności – Sytuacja na rynku pracy w czerwcu 2008 r. Ministerstwo Pracy i Polityki Społecznej, vom 4. Juli 2008
  46. ↑ a b c d e CIA World Factbook.
  47. ↑ Der Fischer Weltalmanach 2010: Zahlen Daten Fakten, Fischer, Frankfurt, 8. September 2009, ISBN 978-3-596-72910-4
  48. ↑ Podział dróg publicznych. Generalna Dyrekcja Dróg Krajowych i Autostrad
  49. ↑ Reinhold Vetter: Autobahnbau ist Sisyphusarbeit. – Polen vor der Fußball-Europameisterschaft 2012. laender-analysen.de, 7. Okt. 2008
  50. ↑ Märkische Oderzeitung/Frankfurter Stadtbote, 19. August 2005, S. 20
  51. ↑ Czarne punkty. Krajowa Rada Bezpieczeństwa Ruchu Drogowego
  52. ↑ Polskie Radio, Sechsjährige in die Schule. 20. März 2009
  53. ↑ Andrzej Chwalba: Kurze Geschichte der Dritten Republik Polen 1989 bis 2005. Wiesbaden 2010, S. 119
  54. ↑ Andrzej Chwalba: Kurze Geschichte der Dritten Republik Polen 1989 bis 2005. Wiesbaden 2010, S. 121
  55. ↑ Rzeczpospolita 2005, hier nach Andrzej Chwalba: Kurze Geschichte der Dritten Republik Polen 1989 bis 2005. Wiesbaden 2010, S. 122
  56. ↑ Rzeczpospolita 2005, hier nach Andrzej Chwalba: Kurze Geschichte der Dritten Republik Polen 1989 bis 2005. Wiesbaden 2010, S. 123
  57. ↑ Andrzej Chwalba: Kurze Geschichte der Dritten Republik Polen 1989 bis 2005. Wiesbaden 2010, S. 123–124
  58. ↑ Matthias Thiel: Die Laufszene in Polen – Lauf doch mal beim Nachbarn! In: Laufzeit. Juni 2005
  59. ↑ Polnische Laufveranstalter tagten in Jaroslawiec an der Ostsee – Horst Milde und John Kunkeler als Hauptredner. German Road Races, 24. November 2009
  60. ↑ Marathon in Polen. Marathon.de
  61. ↑ Informationen zur politischen Bildung, Heft 273

 

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Geschichte Polens

Die Geschichte Polens beginnt mit der slawischen Besiedelung nach der Völkerwanderung, der die Staatsgründung und Christianisierung im Jahre 966 folgte. Die frühmittelalterliche Blütezeit unter dem Herrscherhaus der Piasten endete 1138 mit der Zersplitterung in einzelne Herzogtümer und dem Mongolensturm von 1241, der weite Landstriche Südpolens verwüstete.

Nach der Einigung eines Teils polnischer Herzogtümer zum Königreich Polen zu Beginn des 14. Jahrhunderts, bestand seit dem Spätmittelalter bis in die Neuzeit eine enge Verbundenheit mit Litauen. Ab 1385 brachte die Union mit dem Großfürstentum Litauen unter den von dort stammenden Jagiellonen den Aufstieg zu einer europäischen Großmacht. Ab 1569 wurde die Union Polens mit Litauen in einem gemeinsamen Staat gefestigt, der Adelsrepublik, die eine Wahlmonarchie war. Im 16. und 17. Jahrhundert entstand dort eine hohe parlamentarische Kultur mit umfangreichen Adelsrechten, was zu einer starken Identifikation des Adelstandes mit dem Land führte.

Zahlreiche Kriege mit auswärtigen Mächten, Bürgerkriege, Aufstände der ukrainischen Kosaken, der Unwille zur Reform bei den Verantwortungsträgern, führten zur beträchtlichen Schwächung des Staates, der Einmischung von außen ins politische System und schließlich zum Zusammenbruch des Staates und dessen Fall in die Bedeutungslosigkeit nach den Teilungen im späten 18. Jahrhundert. Polen-Litauen verschwand von den Landkarten Europas als souveräner Staat, der übriggebliebene Rumpfstaat wurde nach dem Wiener Kongress 1815 vom Russischen Zarenreich absorbiert. Die staatliche „Wiedergeburt“ als Zweite Republik nach dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918 war in der Zeit der staatlichen Reorganisation von zahlreichen militärischen Konflikten mit den Nachbarn begleitet und endete 1939 mit der Vereinnahmung durch das Großdeutsche Reich und die Sowjetunion nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, der dann ab 1945 bis zur Dritten Republik fast 45 Jahre sowjetischer Bevormundung folgten.

Vor- und Frühgeschichte

Erste Besiedlung

Die erste Besiedlung des heutigen Polen ist bereits im Paläolithikum nachgewiesen. Die ersten Ackerbauern gehörten seit etwa 5500 v. Chr. der Bandkeramischen Kultur an, in der Jungsteinzeit entstand im nördlichen Mitteleuropa die Trichterbecherkultur.

In der frühen Bronzezeit entwickelten sich die Kugelamphoren-Kultur und die Kultur der Schnurkeramiker. In den 1920ern wurden Überreste einer befestigten Siedlung Biskupin aus der Zeit der Lausitzer Kultur ausgegraben, die, sorgfältig rekonstruiert, heute einen Anziehungspunkt für zahlreiche Besucher darstellt.

Germanische Besiedlung

Ab etwa 750 v. Chr. wanderten in den Nordwesten des heutigen Polen germanische Stämme ein, die sich innerhalb von 500 Jahren bis zum Riesengebirge südwärts ausbreiteten. Als Ostgrenze des germanischen Siedlungsgebietes um das Jahr 75 bezeichnete der römische Historiker Publius Cornelius Tacitus die Weichsel. Er lokalisierte die Rugier und Gepiden an der Ostsee, Burgunden und Goten im Zentrum des Landes und Vandalen und Bastarnen im Süden, sowie östlich der Weichsel schon die nichtgermanischen Venedae. Ende des 2. Jahrhunderts begann die Abwanderung der ostgermanischen Stämme Richtung Süden und Osten. Die germanische Besiedlung endete im Verlauf des 4. und 5. Jahrhunderts während der Völkerwanderung

Slawische Besiedlung

Im 6. Jahrhundert, unter dem Ansturm der aus Zentralasien kommenden Awaren, begannen sich slawische Stämme in diesen Gebieten anzusiedeln. Die aus ihrer Heimat zwischen Karpaten und Don verdrängten Slawen bewegten sich nach Westen und Süden. Um 600 überschritten sie die Elbe-Saale-Linie. In den spätantiken/frühmittelalterlichen Quellen sind Namen verschiedener westslawischer Stämme überliefert, wie der Abodriten, Wilzen, Liutizen, Sorben, sowie des Stammes der Polanen, der dem heutigen Staat Polen seinen Namen gab.

Erste Staatsgründung

Die ersten Versuche einer Staatsgründung unter den Westslawen fanden südlich des heutigen Polen auf dem Gebiet der ehemaligen Tschechoslowakei statt. Um 626 wurde im Kampf gegen das Awaren- und Frankenreich das Reich des Samo gegründet (dessen Existenz nur durch die Fredegarchronik bezeugt ist). Der erste historisch belegte Herrscher der Westslawen hieß Derwan, der 632 eine Allianz mit Samo einging. Nach dem Zusammenbruch des Samo-Reiches um 660 fehlen jegliche schriftlichen Überlieferungen über Westslawen. Erst in der Zeit Karls des Großen erwähnen die Quellen diese Völker wieder. Nachdem der Frankenherrscher in den Sachsenkriegen im Bündnis mit östlich benachbarten Slawen die Sachsen seiner Herrschaft unterwarf, wurde auch ein Unterstamm der Elbslawen, die Drewjanen, die ab dem 7. Jahrhundert im heutigen Wendland, das heißt „Slawenland“, siedelten, dem Frankenreich 811 einverleibt. Der Stammesname überdauerte in der Bezeichnung Drawehn bis in die heutige Zeit.

Zum Schutz des Frankenreiches vor den heidnischen Slawen wurden entsprechend der karolingischen Praxis Grenzmarken errichtet. Es entstand der Limes Sorabicus, die sorbische Grenzmark. Nach der Unterwerfung der Awarenkonföderation durch fränkische Heere um 800, entstand an der Ostflanke des fränkischen Reiches die Pannonische Mark, in der slawische Stammesbünde siedelten. Die größte Bedeutung unter ihnen kam dem Mährischen- und dem Nitraer Fürstentum zu, aus denen sich um 830 das spätere Reich der Großmährer herausbildete. Gegen Ende des 9. Jahrhunderts erreichte dieses christliche Reich unter Großfürst Sventopluk seine größte territoriale Ausdehnung und weitete seine Einflusssphäre auf die Gebiete der benachbarten Stämme aus. Diese Nachbarschaft begünstigte eine Vereinigung lechischer Stämme unter der Führung der Polanen.

Im 9. Jahrhundert berichtete ein namentlich nicht näher bekannter „bayerischer Geograph“ über Stammesstrukturen auf dem Gebiet des heutigen Polen. Der Slawenapostel Methodius schrieb über einen mächtigen Staat der Wislanen mit der Hauptstadt Krakau, der bereits nach slawisch-griechischem Ritus christianisiert gewesen sei. Eine Konsolidierung des polanischen Staates unter dem Herrscherhaus der Piasten konnten auch die ungarischen Raubzüge, besonders nach der Schlacht auf dem Lechfeld 955, nicht mehr bedrohen.

960–1138: Staatsgründung und erste Piasten

Staatsgründung und Christianisierung Polens

Polen, dessen Name sich vom westslawischen Stamm der Polanen ableitet, wurde als Herzogtum im späten 10. Jahrhundert in der Region um die Städte Posen und Gnesen gegründet. Mit der Machtübernahme durch Herzog Mieszko I. aus der Dynastie der Piasten 960 trat Polen als gefestigter, organisierter Staat offen in Erscheinung. Im Jahr 963 wurde Mieszko das erste Mal schriftlich erwähnt. Dieses Datum wird oft als Beginn der polnischen Geschichtsschreibung gesehen. Anlass waren die Einfälle der sächsischen Markgrafen Gero aus der Ostmark und Wichmanns des Jüngeren aus der Mark der Billunger, eines abgefallenen sächsischen Vasalls des deutschen Königs Otto I. Im Zuge dieser Kämpfe wurde Mieszko von beiden Markgrafen besiegt und für einen Teil seines Herrschaftsgebiets in der Region um Lebus dem Heiligen Römischen Reich gegenüber tributpflichtig gemacht. Im Jahre 965 verbündete sich Herzog Mieszko mit den christlichen Böhmen, ließ sich 966 nach römisch-katholischem Ritus taufen und heiratete im Anschluss die böhmische Herzogstochter Dobrawa aus dem Geschlecht der Przemysliden. Damit musste auch das polnische Volk dem Beispiel seines Knjas folgen. Die Annahme des Christentums war eine machtpolitische Entscheidung, bedingt durch die Einfälle der deutschen Markgrafen unter dem Vorwand der Heidenbekämpfung und -mission einerseits, sowie der kulturellen und dynastischen Stärkung (Gründung von Kirchen und Klostern, Supremat über konkurrierende Adelsgeschlechter) und der Aufnahme in die christliche Gemeinschaft europäischer Fürsten andererseits. Für die polnische Kirchenprovinz wurde 968 ein dem Papst direkt[1] unterstehendes Missionsbistum in Posen gegründet mit Bischof Jordanes (auch: Jordan) an der Spitze.

Die offizielle Annahme des christlichen Glaubens durch den polnischen Fürsten verminderte dennoch kaum die Einfälle der deutschen Markgrafen. Bereits ein Jahr nach der Christianisierung Polens, 967, begann Graf Wichmann einen Krieg gegen Mieszko. Das böhmisch-polnische Bündnis trug nun die ersten Früchte, als der polnische Fürst mit Hilfe przemyslidischer Reitertruppen Wichmann, der sich zum militärischen Führer des slawischen Wolinerbundes erhob, besiegten. Das Schwert des Markgrafen wurde von Mieszko an Kaiser Otto ausgeliefert. Mieszkos Vorstoß nach Pommern stand nun nichts mehr im Weg. Auf der Grundlage eines im Innern gefestigten Staatswesens unterwarf Mieszko in den Jahren 967–979 ganz Hinterpommern mit Stettin und Pommerellen mit Danzig. Der Zugang zur Ostsee bedeutete unmittelbaren Kontakt mit Skandinavien. Mieszkos Tochter Świętosława aus der Ehe mit Dobrawa heiratete König Sven von Dänemark und wurde die Mutter der dänischen Könige Harald und Knut.

An der Grenze zur sächsischen Ostmark, die nach 965 aus machtpolitischem Kalkül in fünf einzelne Markgrafschaften geteilt wurde, kam es 972 erneut zu Spannungen. Markgraf Hodo I. aus der Mark Lausitz, forderte Mieszko heraus und drang mit seinen Truppen auf polnisches Gebiet. In der Nähe von Zehden an der unteren Oder wurde das Heer des Markgrafen eingekreist und in die Flucht geschlagen. Dabei fand der einzige namentlich bekannte Bruder Mieszkos, Czcibor, den Tod. Durch den Sieg über Hodo und den folgenden Großen Slawenaufstand 983 kam die deutsch-sächsische Ostexpansion für fast zwei Jahrhunderte zum Erliegen. Kaiser Otto – besorgt über die Zustände an seiner Ostgrenze – rief die Kontrahenten während des Quedlinburger Hoftages von 973 zur Ruhe und Ordnung auf. Mieszko schloss mit Graf Hodo Frieden und leistete dem Kaiser den Treueid. Inwieweit Polen damit in ein Lehnsverhältnis zum Heiligen Römischen Reich eintrat, ist historisch umstritten, denn der Kaiser verstarb bereits wenige Wochen nach dem Urteilsspruch.

Nach dem Tod von Mieszkos erster christlichen Frau Dobrawa und seiner Heirat 978 mit der Sächsin Oda von Haldensleben erfolgte ein Bruch zwischen Polen und Böhmen. Es kam zur Entfremdung zwischen beiden Staaten, was schließlich 986–990 in Krieg mündete. In diesem Konflikt wurden Schlesien, Kleinpolen und wahrscheinlich auch Mähren dem polnischen Reich einverleibt, während die Tscherwenischen Burgen an den ruthenischen Großfürsten Wladimir von Kiew 981 verloren gingen. Damit verloren die Piasten die Kontrolle über eine bedeutende Handelspassage mit Osteuropa, deren Erwerb quellenmäßig nicht fassbar ist.

Mieszko huldigte 986 dem minderjährigen Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Otto III., in Quedlinburg und führte in seinem Namen als „Markgraf des Reiches“ einen Heidenfeldzug gegen die Elbslawen an. Im Gegenzug unterstützte ihn Kaiserin Theophanu, die als Regentin für ihren Sohn die Macht im Reich übernahm, militärisch im Kampf gegen Böhmen.

Im Jahr 991, kurz vor seinem Tod, stellte der erste historisch belegte Herrscher Polens sein gesamtes Land unter den Schutz des Papstes, der im Mittelalter ein politischer Gegenspieler des Kaisers war. Polen wurde päpstliches Lehen. Er verstarb im Jahr 992 und wurde im Posener Dom begraben. Sein Nachfolger wurde sein ältester Sohn aus der Ehe mit Dobrawa, Bolesław, genannt Chrobry, der Tapfere.

Der erste zeitgenössische Bericht über das Königreich Polen stammt vom spanischen Reisenden Ibrahim ibn Jaqub gegen Ende des 10. Jahrhunderts.

Königreich Polen

Mieszko I. teilte sein Reich nach altslawischer Tradition unter seinen Söhnen Bolesław I., aus der Ehe mit Dobrawa sowie Świętopełk, Lambert und Mieszko aus der Ehe mit Oda auf. Bolesław entmachtete mit Unterstützung einflussreicher Magnaten seine Stiefmutter und vertrieb sie samt ihrer Söhne aus Polen, wo sie bei Verwandten in Sachsen Aufnahme und Schutz fanden. Die Reichseinheit war somit wiederhergestellt. Bolesław setzte die Bündnispolitik seines Vaters fort, indem er 995 den für volljährig erklärten Kaiser Otto III., bei der Verteidigung des christlichen Glaubens unterstützte. Er beteiligte sich gemäß der Quedlinburger Absprache von 991 an dessen Kampf gegen die heidnischen Elbslawen. Dieser Kampf verlief allerdings weitgehend erfolglos. Der östliche Teil der Nordmark mit dem Zentrum Lebus hingegen blieb bis ins 12. Jahrhundert unter polnischem Einfluss.

Im Rahmen der Christianisierung der baltischen Stämme an der Ostsee kam Bischof Adalbert von Prag nach Polen, von wo er mit polnischer Unterstützung 997 in das Pruzzenland gelangte und dort seinen Märtyrertod fand. Bolesław löste den Leichnam Adalberts aus und setzte diesen in der Kathedrale zu Gnesen bei. Die sterblichen Überreste wurden im Anschluss an den böhmisch-polnischen Krieg von 1038 nach Prag überführt. Adalbert wurde aufgrund seiner Missionsarbeit und seines Märtyrertums 999 von der Kurie heilig gesprochen. Daraufhin erteilten der deutsche Monarch und Papst Silvester II. die Zustimmung zur Errichtung einer unabhängigen polnischen Kirchenprovinz.

Im Jahre 1000 pilgerte der römisch-deutsche Kaiser Otto III., mit dem Bolesław ein freundschaftliches Verhältnis unterhielt, zum Grab des Märtyrers Adalbert in Gnesen. In einem Staatsakt verkündete er sein Reichskonzept von der Renovatio Imperii Romanorum, welches Polen neben Gallia und Germania als gleichrangige Stütze des Imperiums vorsah. Für die slawischen Provinzen wurde das Erzbistum Gnesen mit Adalberts Bruder Gaudentius als erstem Erzbischof errichtet, dem die gegründeten Bistümer Kolberg, Krakau und Breslau unterstanden. Die Errichtung einer unabhängigen Kirchenprovinz spielte in der Folge bei der Emanzipation Polens vom Heiligen Römischen Reich eine wichtige Rolle. Während dieses Besuches erkannte Otto III. offiziell die Souveränität des piastisch-polnischen Herrschers an. Die seit 963 bestehende Tributpflicht entfiel. Der Kaiser versuchte durch die Einbindung der mittlerweile christianisierten Völker des Ostens ein neues christliches Weltreich unter der Führung des Kaisers als weltliches Oberhaupt der Christenheit zu verfestigen. Bei diesen Überlegungen kam Polen eine Schlüsselposition innerhalb der „Sclavinia“ zu. Otto begünstigte die Konsolidierung und Machtausweitung der Piasten gegenüber den tschechischen Przemysliden, deren Interessen nicht mit denen des Heiligen Römischen Reiches in Einklang standen und die sich zudem mit den Slavnikiden im Krieg befanden, einem böhmischen Adelsgeschlecht, dessen bedeutendster Vertreter, der Heilige Adalbert von Prag war. Bolesław soll von Otto in Gnesen zum König erhoben worden sein. Dies ist aufgrund mangelnder Beweise historisch umstritten; es gibt aber deutliche Indizien, die die Königsthese stützen. Als gesichert gilt, dass die Krönungszeremonie de jure nicht vollzogen wurde, da die Erlaubnis des Papstes fehlte. Aufgrund des frühen Todes Ottos III. und des vehementen politischen Widerstands des neuen deutschen Königs und späteren römisch-deutschen Kaisers Heinrichs II. fand die offizielle Krönung als Wiederholungsakt erst 1025 statt.

Der frühe Tod Ottos III. im Jahre 1002 und die darauf folgende Thronbesteigung Heinrichs II., der in Bolesław bloß einen seiner vielen slawischen Vasallen sah, veränderte die Beziehungen Polens zum Heiligen Römischen Reich grundlegend. Bolesław trat in Opposition zum Reich, wobei er, durch Otto beeinflusst, anscheinend eine eigene Idee eines christlichen „Universalreiches“ entwickelte und nunmehr persönliche Ziele der Expansion verfolgte und jedwede Huldigung gegenüber dem neuen König verweigerte. Dies führte zu einem mehrjährigen Krieg Polens mit dem Reich, an dessen Ende sich Polen dank seiner bereits gefestigten Staatlichkeit behaupten konnte und im Frieden von Bautzen einen Ausgleichsfrieden mit dem Kaiser schloss. Dies verdankte Bolesław seiner dynastischen Politik, den sächsischen Verbündeten im Reich sowie seinem Schwager König Sven von Dänemark, der dem Kaiser vom Norden drohte

Die im Jahr 1000 in Gnesen getroffene Absprache zwischen Polen und dem Reich wurde widerwillig von Heinrich bestätigt. Bolesław forderte als Bündnispartner des „Westreichs“ vom römisch-deutschen Kaiser militärische Unterstützung für seinen lange geplanten Zug nach Kiew gegen Jaroslaw, die er letztlich auch bekam. Er konnte dem Kaiser zwar die gesamte Mark Meißen nicht abringen, behielt im Gegenzug aber seine Erwerbungen im Westen, das Milzener Land und die Mark Lausitz, die dann bis 1031 bei Polen verblieben. Insgesamt führte der Krieg mit dem Reich zu einem Substanzverlust im Inneren. Bolesław griff dennoch in die Streitigkeiten der slawischen Stämme in der Nordmark ein und legte in Berlin-Köpenick eine Burg auf der heutigen Schlossinsel an. Für die nächsten 120 Jahre, bis Mitte des 12. Jahrhunderts, war Köpenick der Sitz eines piastischen Vasalls.

Nach dem Friedensschluss mit dem Kaiser wandte er sich nach Kiew, der reichen Hauptstadt der Kiewer Rus, um seinen Schwiegersohn, Großfürst Swjatopolk, gegen dessen Bruder Jaroslaw zu unterstützen. Nach erfolgreicher Wiedereinsetzung des vertriebenen Fürsten erwarb er 1018 die Tscherwenischen Burgen für Polen zurück. Nach dem Frieden von Bautzen und seinem Zug nach Kiew war Bolesław bis zum Erstarken Jaroslaws des Weisen der Kiewer Rus und des Reiches unter Kaiser Konrad II. der einflussreichste Herrscher in Mittel- und Osteuropa. Im Jahr 1024 verstarb Kaiser Heinrich. Das daraus resultierende deutsche Interregnum nutzte Bolesław Chrobry, indem er sich 1025 ein zweites Mal (Wiederholungsakt der Krönungszeremonie aus dem Jahr 1000) zum König krönen ließ. Trotz des Prestigegewinns konnte sich das Königtum zunächst nicht dauerhaft etablieren.

Bolesław förderte den christlichen Glauben in Polen, wissend, dass der Papst im 11. Jahrhundert einer der bedeutendsten machtpolitischen Konkurrenten des deutschen Kaisers war. Durch die erfolgreiche Gründung einer unabhängigen polnischen Kirchenprovinz und des Erzbistums Gnesen sowie durch seine Krönung zum ersten polnischen König trieb er die polnische Emanzipation vom Heiligen Römischen Reich voran. Er war auch der Begründer der polnischen Kastellanverfassungsordnung. Unter seiner Regentschaft wurde das politisch relativ unbedeutende Herzogtum seines Vaters zu einem Machtfaktor in der Region mit Einflusssphären von der Elbe bis zum Dnepr und von der Ostsee bis an die Donau. In Polen gilt Bolesław bis heute als eine wichtige historische Persönlichkeit und liegt neben seinem Vater Mieszko I. in der Kathedrale von Posen begraben.

Machtverfall

Nach dem Tod Bolesławs übernahm sein Sohn Mieszko II. Lambert die Herrschaft. Dieser galt als sehr gebildet. Er erhob sich und seine deutsche Frau Richeza sofort nach dem Tod des Vaters in den Stand der Könige, um seine Souveränität vor der Lehnsherrschaft der römisch-deutschen Kaiser zu sichern. Dennoch gelang es ihm nicht, die von seinem Vater eroberten Gebiete zu halten. Nach nur fünf Jahren der Herrschaft begann sein Reich aufgrund einer Vielzahl von Faktoren zu zerfallen. Die dem Volk auferlegten Kosten, welche durch Kriege, den Aufbau der Monarchie und die wachsenden kirchlichen Strukturen entstanden, führten zu innerer Instabilität. Die ins Ausland geflüchteten Brüder Mieszkos, Otto und Bezprym, desavouierten Mieszkos Herrschaft ebenfalls.

König Mieszko II. unternahm in den Jahren 1028 und 1030 Kriegszüge gegen östliche Teile des Heiligen Römischen Reiches, vor allem gegen Thüringen und dem Stammesherzogtum Sachsen, weil der neue Kaiser im Reich, Konrad II., ihm die Anerkennung als König verweigerte. Mieszko hatte im Reich der Salier und in der Kiewer Rus mächtige Feinde. Mehrere gleichzeitig vorgetragene militärische Aktionen Konrads und des ruthenischen Großfürsten Jaroslaw, der bereits zu den Feinden seines Vaters gehörte, führten zum Verlust der Mark Lausitz und der Tscherwenischen Burgen. Diese Allianz stärkte die innere Opposition, da sich die Verwandtschaft Mieszkos jetzt mit den Gegnern des Herrschers verbündete. Schließlich wurde Mieszko 1031 gestürzt und war gezwungen das Land seinem Halbbruder Bezprym und dem jüngeren Bruder Otto zu überlassen, selbst floh er nach Böhmen.

Bezpryms Herrschaft dauerte nicht lange. Es kam zum Aufstand gegen den neuen Herrscher, der schließlich 1032 ermordet wurde. Sein Tod eröffnete für Mieszko die Möglichkeit einer Rückkehr in die Heimat. Er verständigte sich mit Otto und kehrte nach Polen zurück. Nachdem Kaiser Konrad mit einer weiteren militärischen Intervention in Polen drohte, wurde eine Einigung während des Hoftags von Merseburg 1033 erreicht. Mieszko verzichtete auf die Königswürde und teilte sein Reich zunächst mit seinem Bruder Otto und Dietrich, einem Enkel Mieszkos I. Noch im selben Jahr verstarb Herzog Otto, und Dietrich verlor aus nicht bekannten Gründen seinen ihm zugewiesenen polnischen Machtbereich, so dass Mieszko die Reichseinheit noch kurz vor seinem Tod, am 10. Mai 1034, wieder errang.

Mieszko II. hinterließ nach seinem Ableben ein geschwächtes Reich, das mangels starker königlicher Autorität durch Volksaufstände und heidnischer Reaktion zu erodieren begann. Durch den Verzicht auf königliche Ehren stand Polen ab 1033 erneut für Jahrzehnte in Abhängigkeit zum römisch-deutschen Kaisertum.

Staatskrise, Erneuerung und neue Machtentfaltung

Mieszkos Sohn Kasimir I. übernahm nach dessen Tod die Herrschaft. Er hielt sich jedoch nicht lange an der Macht und musste auf Druck der Opposition 1037 von Polen nach Ungarn flüchten. Nach anderen Quellen kam er erst 1039 das erste Mal nach Polen. In den Jahren 1037 bis 1039 fand ein Auflösungsprozess des polnischen Staates statt. In der Region Großpolen kam es zu Aufständen gegen die Kirche und das Magnatentum. Diese hatten von sozio-politischen Veränderungen wie der Einführung eines dem Zehnten ähnlichen Systems profitiert, während man die bis dato freien Bauern in ein Abhängigkeitsverhältnis zwang; ein Rückfall ins Heidentum folgte. Einzelne Regionen verselbstständigten sich, unter anderem Masowien und Pommern.

Die Schwäche der piastischen Zentralgewalt nutzte der böhmische Herzog, indem er einen Kriegszug nach Polen unternahm und die Gebeine des Heiligen Adalbert erbeutete. Großpolen wurde verwüstet und Schlesien erobert. Hinzu kamen noch Plünderungszüge der heidnischen Pruzzen und Pomoranen. Der neue Kaiser im Reich, Heinrich III., versuchte ein politisches Erstarken Böhmens unter Břetislav I. zu verhindern und unterstütze Kasimir I. 1039 militärisch. Mit dieser Hilfe gelangte Herzog Kasimir I. wieder in den Besitz Großpolens und 1040 Kleinpolens. Krakau wurde neue Hauptstadt Polens, da Großpolen nach vielen Aufständen und dem böhmisch-polnischen Krieg zu verwüstet war. Der Kaiser zwang den böhmischen Herrscher 1041 zum Verzicht auf Ansprüche gegenüber Polen, gab jedoch Schlesien nicht an Polen zurück. Um die Grenze im Osten abzusichern, schloss Kasimir I. im selben Jahr ein Bündnis mit Jaroslaw von Kiew und heiratete wenig später dessen Schwester, Fürstin Dobroniega Maria. Jaroslaw gewährte ihm daraufhin 1047 militärische Hilfe bei der Rückeroberung Masowiens und Pommerellens. Gegen den Willen des Kaisers erlangte Kasimir I. um 1046 Schlesien von Böhmen zurück. Erst nachdem Břetislav I. um 1053 die „bayrische Rebellion“ gegen den Kaiser unterstützte und bei ihm dadurch in Ungnade fiel, musste er auf Drängen des deutschen Herrschers 1054 in Quedlinburg gegen jährliche Tributzahlungen auf Polen endgültig verzichten, was zum Anlass für weitere böhmisch-polnische Auseinandersetzungen wurde. Die beiden gleichstarken slawischen Staaten wurden so für Jahrzehnte politisch-militärisch geschwächt.

Kasimir gilt als derjenige polnische Herrscher, der mit Hilfe seines Onkels, des Erzbischofs zu Köln, Hermann II., den christlichen Staat der Piasten nach der letzten heidnischen Reaktion wiederaufbaute und zudem durch seine Landvergabe an Krieger zu deren Versorgung das Rittertum in Polen begründete. Unter seinen zahlreichen Benediktinergründungen in Polen befindet sich das Kloster auf dem Berge Tyniec bei Krakau, in das er Mönche aus Köln berief.

Nach dem Tod Kasimirs 1058 folgte ihm sein Sohn Bolesław II., genannt der Kühne, nach. Dieser betrieb eine sehr erfolgreiche Außenpolitik. So entledigte er sich der Tributpflicht für Schlesien an Böhmen. Auch gelang es ihm 1076 mit Erlaubnis des Papstes Gregor VII., die Königswürde wiederherzustellen. Er setzte vor allem im Bereich der kirchlichen Strukturen die Wiederaufbauarbeit seines Vaters fort. Einen Schatten auf seine Herrschaft wirft die Verurteilung und Tötung des Bischofs Stanislaus von Krakau unter unklaren Umständen, welche einen Aufstand gegen Bolesław auslösten, der schließlich zu seiner Flucht nach Ungarn führte, wo er 1082 verstarb.

Auf Bolesław II. folgte sein jüngerer Bruder Władysław I. Herman. Bereits wenige Jahre nach seiner Thronbesteigung versöhnte er sich mit dem Sohn seines vertriebenen Bruders, gestattete ihm zurückzukehren und stattete ihn mit einer eigenen Provinz aus. Für einige Jahre zahlte er wieder Tribut an Böhmen für den Besitz Schlesiens. Zum Ende seiner Herrschaft geriet er in Konflikt mit seinen Söhnen, Bolesław (III.) und Zbigniew. Er musste ihnen auf Druck der Adelsopposition 1098 eigene Provinzen zuteilen, behielt aber noch die Oberherrschaft mit Hauptsitz in Płock. Während seiner Herrschaft kamen 1096 die ersten Juden in großer Zahl nach Polen, die dort Schutz gegen die Pogrome, die während des Ersten Kreuzzugs in vielen Städten Westeuropas ausbrachen, suchten. Władysław Herman starb 1102 und hinterließ ein zwischen seinen Söhnen zweigeteiltes Polen.

Erbteilung

Bolesław III. Schiefmund unterwarf 1108 seinen Halbbruder Zbigniew und wehrte 1109 einen Kriegszug Kaiser Heinrichs V., der damit nicht einverstanden war, erfolgreich ab.

Unter seiner Herrschaft dehnte Polen seinen Machtbereich durch die endgültige Unterwerfung der heidnischen Pomoranen und damit der letzten freien heidnischen Slawengebiete, die er von Otto von Bamberg christianisieren ließ, auf Pommern aus. In Ottos Geleit kamen unter anderem die ersten deutschen Siedler als Mönche nach Pommern. Bolesławs Einflussbereich erstreckte sich bis ins heutige Brandenburg hinein. Durch die Gründung des Bistums Lebus blieb Brandenburg bis ins 15. Jahrhundert kirchlich mit dem Erzbistum Gnesen verbunden. Gegen Ende seiner Regierungszeit verwickelte er Polen in Konflikte mit Ungarn und Böhmen. Seine Töchter ließ er in die skandinavischen, sächsischen und ruthenischen Herrscherhäuser einheiraten.

Da Bolesław III. Bruderkämpfe unter seinen vier Söhnen vermeiden wollte, teilte er sein Reich nach slawischem Brauch auf, wobei der Älteste des Piastengeschlechts im Rahmen des Senioratsprinzips die Einheit des Landes nach außen verkörpern sollte.[2]

1138–1295: Partikularismus

Deutsche Ostsiedlung

Landesordnung in Kraft und der Älteste des Piastengeschlechts, Władysław II., wurde Seniorherzog von Polen mit Sitz in Krakau. Die jüngeren Brüder herrschten als Juniorherzöge in den ihnen zugeteilten Regionen. Bereits 1146 kam es zum Bruch und Bolesławs ältester Sohn, Władysław, wurde mit Hilfe des Adels von seinen Brüdern aus Polen vertrieben. Es entbrannten dauerhafte Kämpfe um die Kontrolle Krakaus und das Supremat über das gesamte Land in den nächsten 150 Jahren. Das Königreich zerbrach in mehrere piastische Herzogtümer, die sich um Macht, Territorien und Einfluss gegenseitig befehdeten. Dadurch wurde die politisch-militärische Stellung Polens im Europa des 13. Jahrhunderts geschwächt. Die Idee der polnischen Einheitstaates lebte weiter in der einheitlichen Kirchenorganisation und der Tradition der großen Adelsgeschlechter, sowie in der dynastischen Verbundenheit (Verwandtschaft) aller Herrscher

Bei der Vertreibung Mieszko III. durch lokale Magnatengeschlechter setzten sich 1177 die jüngeren Vertreter der Dynastie in Krakau durch. Zwar blieb eine gewisse Oberhoheit des Herzogs von Krakau erhalten, aber die Versammlung der polnischen Herzöge und Bischöfe zu Łęczyca hob 1180 das Senioratsprinzip, als Herrschaft des Ältesten und verbriefte Vorrechte der Geistlichkeit formell auf. Die Einheit Polens wurde nicht erreicht; die Herzogtümer der Piasten bestanden weiterhin als de facto souveräne Regionen nebeneinander. Die Senioratsprovinz Kleinpolen mit Krakau fiel 1194 an Leszek I. In seiner Titulatur dux totius Poloniae erhob Leszek I. als letzter Herzog Ansprüche auf die Oberhoheit in ganz Polen, und versuchte diese ab 1217 auch in Pommerellen durchzusetzen. Die polnischen Fürsten trafen sich 1227 in Gąsawa, Kujawien, zu einem Wiec, um sich gegen Herzog Swantopolk von Pommerellen und ihren Vetter, den Piasten Władysław Odon, Herzog von Großpolen und Enkel Mieszkos III., zu beraten. Die Versammlung flog auf, während Leszek auf der Flucht vor pommerellischen und großpolnischen Häschern den Tod fand. Sein Ableben bewirkte letztlich das völlige Verschwinden einer Zentralgewalt in Polen. Es gab, bis auf die kirchlichen Strukturen des Erzbistums Gnesen, weder ein überregionales polnisches Landesrecht noch überregionale Landesinstitutionen. Es setzte eine verstärkte Zersplitterung polnischer Länder ein, die den deutschen und böhmischen Fürsten ab Mitte des 13. Jahrhunderts ihre Expansion in Polen erleichterte.

In diese Zeit fiel eine verstärkte Kolonisation polnischer Gebiete durch Auswanderer aus dem Heiligen Römischen Reich. Bis 1250 waren große Teile Pommerns und Schlesiens mit Deutschen und Flamen besiedelt, die durch einheimische Herren, wie die Greifen in Pommern und die schlesischen Piasten ins Land geholt wurden. Die pommerschen Adligen, ebenso die schlesischen Fürsten versprachen sich durch die neuen Siedler in erster Linie eine höhere wirtschaftliche Prosperität, ein besseres Steueraufkommen, vor allem aber einen schnelleren Anschluss an die (land)wirtschaftlich-städtischen Standards Westeuropas. Aufgrund der Anzahl der Neusiedler und durch den persönlichen Einsatz und Förderung der Ostsiedlung durch die polnischen Landesfürsten, wurden weite Teile des mittelalterlichen Polens im Laufe der Jahrhunderte ein Teil des deutschen Sprachraums und verloren dauerhaft ihren slawisch-polnischen Charakter. Auch öffneten sich einige Regenten, wie zum Beispiel die schlesischen Piasten, freiwillig dem Deutschtum durch Besetzung hoher Ämter im Staat und in kirchlichen Strukturen mit Deutschen, Heirat auch mit Prinzessinnen aus deutschen Adelshäusern, damit Verwandtschaft zum deutschen Hochadel. Was die Ostkolonisation und das Deutschtum in Schlesien und über die Grenzen Schlesiens hinaus zusätzlich begünstigte, waren die Greifen und die schlesischen Piasten in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts polnische Seniorherzöge und die mächtigsten Landesfürsten. Die Entslawisierung und die entsprechende Germanisierung vollzog sich friedlich und war keine brutale deutsche Landnahme polnischer Gebiete – jedoch sind Konflikte infolge mangelnder Berücksichtigung von Interessen der lokalen Urbevölkerung durch den „Prozess der Ostsiedlung“ zwischen den autochthonen Polen und den mehrheitlich nicht des Slawischen mächtigen Zuwanderern nicht auszuschließen. Erst Ende des 13. Jahrhunderts, besonders seit Beginn des 14. Jahrhunderts, begann eine gegenläufige Bewegung, die kulturell-wirtschaftliche Dominanz und den Einfluss des Deutschtums in den Kernprovinzen Polens (Klein- und Großpolen) zurückzudrängen und führte zur Repolinisierung weiter Landstriche und zur Polonisierung des deutschen Bürgertums in den Städten, zum Beispiel in Krakau.

Äußere Eingriffe und territoriale Verluste

Mongolensturm von 1241

Der in das Reich geflohene Władysław der Vertriebene gewann die Gunst des Kaisers, welcher für ihn in Polen 1157 militärisch intervenierte. Friedrich Barbarossa zwang den polnischen Seniorherzog Bolesław IV. zur Herausgabe Schlesiens an die Söhne des geschassten Souveräns und machte ihn für einen Teil seines Reiches lehnspflichtig. Jedoch zögerte Bolesław einige Jahre, der staufischen Forderung nachzukommen und erst im Jahre 1163, unter der Drohung einer neuen kaiserlichen Intervention, händigte er Schlesien an die Söhne Władysławs, Bolesław den Langen und Mieszko Kreuzbein aus. Mit der Aushändigung dieser Provinz an die Nachkommen Władysławs entstand die langlebige Linie der Schlesischen Piasten.

Die einsetzende Einigung Polens durch die schlesische Linie der Piasten nahm mit dem Tod Heinrichs des Frommen ein jähes Ende. Der Herzog verlor im Kampf gegen die mongolischen Horden in der Schlacht bei Liegnitz sein Leben, und das Herzogtum Schlesien zerfiel nach 1241 in eine Vielzahl feudalistischer Fürstentümer, die nach dem Mongolensturm in den Einflussbereich Böhmens gelangten. Die Mongoleninvasion verlieh der Deutschen Ostkolonisation in Polen und in anderen von ihr betroffenen Regionen Mitteleuropas, wo ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung den Tod fand oder in die mongolische Knechtschaft getrieben wurde, zusätzlich an Bedeutung. Die Mongolen, die man auch Tataren nannte, zogen sich in die von ihnen eroberten ruthenischen Fürstentümer zurück. Bis zum Ende des 13. Jahrhunderts blieben sie dennoch eine ständige Bedrohung und unternahmen weitere Raubzüge Richtung Westen, die das politisch zersplitterte Polen wirtschaftlich und militärisch schwächten, sodass die Landesfürsten der Nachbarvölker, wie der Litauer, vor allem aber der Böhmen und der Deutschen begannen, ihre eigenen Territorien auf polnischen Territorium zu erweitern.

Pommern unter den Greifen

Das Land, das sich mit Zentrum Stettin über die beiden Seiten der Oder ausbreitet, wurde Anfang des 6. Jahrhunderts von den slawischen Pomoranen besiedelt. Seit dem 10. Jahrhundert gerieten die Pomoranen in den Einflussbereich ihrer christlichen Nachbarn. Aus dem Westen drohten ihnen die deutsch-ostfränkischen Feudalherren. Es waren die sächsischen Markgrafen aus der Mark der Billunger, später aus der Nordmark, aus der sich wiederum die Mark Brandenburg konstituierte, beide Teil des Heiligen Römischen Reiches. Aus dem Südosten kamen die Fürsten der Polanen, die Piasten, die die Pomoranen politisch enger an ihre Exekutive binden konnten.

Die Pomoranen leisteten vehement Widerstand gegen Unterwerfungs- und Christianisierungsbestrebungen ihrer Nachbarn. Nach mehreren erfolgreichen Volksaufständen, in denen sie sich ihre Freiheit kurzzeitig erkämpft hatten, wurden sie schließlich von Bolesław Schiefmund in drei Feldzügen (zwischen 1116 und 1121) endgültig unterworfen. Dieser ließ die Pomoranen durch den Deutschen Otto von Bamberg christianisieren. Der polnische Souverän setzte den Pommernfürsten Wartislaw I. als seinen Vasallen in Stettin ein. Wartislaw gilt als Stammvater der Greifen-Dynastie, die sich bis 1637 in männlicher Linie in Pommern behaupten konnte. Durch die Erfolge des polnischen Fürsten in Mecklenburg und Vorpommern beunruhigt und um seinen Einfluss bei den Elbslawen fürchtend, zwang Kaiser Lothar III. Bolesław, seine kaiserliche Lehnsherrschaft 1135 über Pommern anzuerkennen und gab ihm dieses mit der Insel Rügen zu Lehen.

Während der Wendenkreuzzüge unterwarf Heinrich der Löwe, Herzog der Stammesherzogtümer Sachsen und Bayern, die Fürsten von Stettin und zwang sie ab 1164 in ein Abhängigkeitsverhältnis. Er musste sich schließlich 1181 nach einem verlorenen Reichskrieg Kaiser Friedrich Barbarossa, seinem Vetter, unterwerfen. Damit verlor er seine Macht im Reich und alle seine slawischen Lehnsherrschaften an ihn. Der pommersche Herzog Bogislaw I. war jahrelang vom Dänen Waldemar I. bedrängt worden. Vom polnischen Seniorherzog konnte er keine Hilfe erwarten, da dieser mit seinen Brüdern selbst im Krieg lag (Treffen mit Seniorherzog Mieszko von Polen 1177 in Gnesen). Bogislaw I. stellte sich 1181 unter den Schutz des Kaisers, der die Markgrafen von Brandenburg mit Pommern einschließlich Pommerellens belehnte. Pommern wurde so kaiserliches Lehen, die pommerschen Herzöge wurden in den Rang deutscher Reichsfürsten erhoben.

Um das pommersche Herzogtum nicht ganz den sächsischen und polnischen Feudalherren zu überlassen, versuchten in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts auch die Dänen, unter ihrem König Knuth VI., Pommern unter ihre Lehnsherrschaft zu bringen, was ihnen erst 1185 erfolgreich gelang. Pommern war von 1185 bis zur Schlacht bei Bornhöved 1227 unter dänischer Vorherrschaft.[3]

Pommerellen unter den Samboriden

Das sich im Osten an Hinterpommern anschließende Gebiet an der Weichsel, deutsch Pommerellen genannt, stand seit 1138 nominell unter dem Einfluss des polnischen Senior-Herzogs und bis 1227 auch unter dänischem Einfluss. Am Ende des 12. Jahrhunderts entstand die slawische Samboriden-Dynastie, die bis 1294 über Pommerellen herrschte. Durch den Tod von Herzog Leszek I., Seniorherzog von Polen, wurden die pommerellischen Herzöge 1227 de facto von Krakau, dem Hauptsitz der Senioratsprovinz, unabhängig. Der letzte souveräne Herrscher Pommerellens, Herzog Mestwin II., hatte sich zunächst mit dem von ihm beherrschten Gesamtterritorium unter die Lehenshoheit der Markgrafen von Brandenburg begeben und dieses Gebiet gleichzeitig von ihnen als Lehen zurückerhalten. Später bereute er diesen Schritt, und 1282 schloss er mit dem Herzog von Großpolen, den späteren König von Polen, Przemysław II., einen Vertrag in Kempen, auf dessen Grundlage dieser nach seinem Tod sein Erbe in Pommerellen antreten sollte. Für das hinterpommersche Gebiet zwischen dem Gollenberg (bei Köslin) und dem Fluss Leba hatte Mestwin II. zuvor die Lehenshoheit der Markgrafen von Brandenburg ein zweites Mal vertraglich anerkannt, die dieses Gebiet 1277 Wizlaw II. von Rügen abgekauft hatten. Nach dem Tod Mestwins II. versuchte Przemysław, auch das hinterpommersche Gebiet westlich des Leba-Flusses in Besitz zu nehmen, und es kam zu kriegerischen Auseinandersetzungen. In einem Vertrag des 8. August 1305 wurde dieser östliche Teil Hinterpommerns vom König Wenzel III. als Besitz der Markgrafen von Brandenburg anerkannt.[4] Schließlich wurde Pommerellen 1308 vom Deutschen Orden erobert, und Polen konnte dort erst wieder 1454/66 Fuß fassen. Die Markgrafen von Brandenburg machten gegenüber dem Deutschen Orden geltend, dass ihnen der römisch-deutsche Kaiser Friedrich II. auf einem im Dezember 1231 in Ravenna abgehaltenen Reichstag Pommerellen zu Lehen gegeben hatte und legten auch eine entsprechende Urkunde vor.[5] Im Vertrag von Soldin kaufte der Orden 1309 den brandenburgischen Askaniern ihre aus dieser Urkunde und dem Vertrag von Arnswalde herrührenden Ansprüche an Pommerellen ab. Obwohl der Vertrag von Soldin 1311 von Heinrich VII. bestätigt wurde, bestritt Władysław Ellenlang diese Ansprüche des Ordens auf Pommerellen. Es kam zu juristischen und militärischen Auseinandersetzungen. Erst nachdem der Hochmeister Dietrich von Altenburg 1339 einer päpstlichen Untersuchungskommission die im Jahr 1231 von Friedrich II. ausgestellte Belehnungsurkunde vorgelegt hatte,[6] verzichtete der polnische Monarch Kasimir III., 1343 im vom Papst Clemens VI. vermittelten Frieden von Kalisch offiziell auf Pommerellen einschließlich Danzigs. Trotzdem blieb Pommerellen für fast zwei weitere Jahrhunderte der Zankapfel im deutsch-polnischen Verhältnis, was kriegerische Auseinandersetzungen mit den Deutschordensrittern nach sich zog.

Lebus und Entstehung der Neumark

Die Expansion der Mark Brandenburg nach Osten auf polnisch-piastische Gebiete führte 1250 zum Verlust von Lebus und zur Entstehung der Neumark als Gegenstück zur Altmark. Polen wurde um 1250 für Jahrhunderte von der heutigen Odergrenze abgedrängt, trotz Rückeroberungsversuchen unter König Władysław I. Ellenlang Anfang des 14. Jahrhunderts.

Herzog Konrad von Masowien und der Deutsche Orden

Der polnische Herzog Konrad von Masowien begann seinen Machtbereich auf eigene Hand zu erweitern. Das pruzzische Gebiet um Kulm war sein Kriegsziel. Die Expansion auf Kosten seiner heidnischen Nachbarn wurde jedoch zu einem Fiasko. Er verlor seine Eroberungen wieder und wurde nun seinerseits vom erwachten Nachbarn bedroht. Da er zudem in Konflikte mit den anderen Piastenherrschaften verwickelt war, richtete er den Blick auf den Deutschen Orden, der 1225 aus Ungarn vertrieben wurde, weil dieser in Siebenbürgen im Kampf gegen heidnische Steppenvölker, die Kumanen, einen eigenen Staat gründen wollte. Im Jahre 1226 bat Konrad von Masowien den Deutschen Orden um Hilfe und versprach ihm das Kulmer Land als herzögliches Lehen, als Gegenleistung und Ausgangsbasis für ihren Kampf gegen die Heiden. Ob und inwieweit die zu erobernden Gebiete gemäß der Vereinbarung dem Orden zustanden, ist bis heute unklar und hat in der Vergangenheit zu Streitigkeiten zwischen deutschen und polnischen Historikern geführt. Um sich gegen eine ähnliche Entwicklung wie in Ungarn abzusichern, ließ sich der Hochmeister des Deutschen Ordens, Hermann von Salza, von Kaiser Friedrich II. im März 1226 den Besitz des Kulmer Landes und aller zu erobernden Gebiete mit der Goldenen Bulle von Rimini bestätigen. Zusätzlich schloss der Orden mit dem Herzog am 16. Juni 1230 den Vertrag von Kruschwitz, der ihm das Land zur freien Verfügung stellte. Zwischen dem Deutschen Ritterorden im Pruzzenland und Polen, später auch Litauen, entwickelte sich eine jahrhundertelange Feindschaft.

1295–1386: Wiedervereinigung, letzte Piasten und das Haus Anjou

Vereinigungsversuch unter König Przemysław und die böhmischen Přemysliden

Erneuerte Wiedervereinigungsversuche wurden aus Posen und Gnesen unternommen. Herzog Przemysław II. von Großpolen übernahm Ende des 13. Jahrhunderts den Führungsanspruch bei der Vereinigung piastisch-polnischer Herzogtümer. Er gelangte zwar nie in den dauerhaften Besitz des Herzogtums Kleinpolen-Krakau, regierte dort nur etwa ein Jahr und musste es auf Druck des böhmischen Königs 1291 Richtung Posen verlassen. Im Besitz der Krakauer Königsinsignien und als Regent der Herzogtümer Großpolen und Pommerellen (ab 1294), wurde er 1295 vom polnischen Erzbischof Jakub Świnka in Gnesen zum vierten polnischen König seit Bolesław dem Kühnen gekrönt. Mit diesem symbolischen Akt beendete er den polnischen Partikularismus und fokussierte mit seiner Krönung die Kräfte des polnischen Adels und der Kirche zur Wiedererlangung der staatlichen Einheit im Kampf des bedrängten Polen gegen die deutschen und böhmischen Landesfürsten.

Während einer Reise nach Posen Anfang Februar 1296 wurde er jedoch in Rogózno bei Posen von einer Gruppe adliger Oppositioneller gefangengenommen und bald darauf erschlagen. Polnische Chronisten vermuteten hinter dem Attentat die Markgrafen von Brandenburg (Otto V. der Lange und Johann IV.).[7] Nach einer anderen Version erfolgte seine Ermordung im Auftrag unzufriedener polnischer Adliger aus den in Großpolen einflussreichen Adelssippen derer von Nałęcz und Zaremba.[8] Mit ihm starb die großpolnische Linie der Piasten, die durch Mieszko den Alten begründet worden war, im Mannesstamm aus. Im Rahmen des Bündnisvertrages von 1293, gegen Wenzel II., vermachte Przemysław Großpolen und Pommerellen seinem Vetter, Władysław Ellenlang, Herzog von Kujawien, der diese beiden Provinzen bis 1300 gegen Böhmen behaupten konnte. Nach dem Tod des Königs eigneten sich die Brandenburger im Verbund mit den Herzögen von Glogau, Heinrich III., einige Warthe- und Netzedistrikte Großpolens an.

Nach Przemysławs gewaltsamem Tod, gelangte der böhmische König Wenzel II. mit Hilfe der polnischen Kirche (Jakub Swinka) und des in Polen ansässigen deutschen Bürgertums in den Besitz des Landes. Er war bereits ab 1291 Herr von Kleinpolen einschließlich Krakau, neun Jahre später, 1300, folgte die Erhebung in den Stand eines polnischen Königs. Um seiner Herrschaft in Polen legalen Eindruck zu verleihen, heiratete Wenzel 1303 Przemysławs Tochter Elisabeth Richza. Nach seiner Krönung drängte der Böhme seinen politischen Gegenspieler Władysław ganz aus Polen, der gezwungen war Schutz und Hilfe im ungarischen Exil zu suchen.

Der böhmische Besitz Polens, wie auch der polnischen Krone, wurde jedoch durch Papst Bonifatius VIII. für illegal erklärt. Durch den Tod Wenzels III., eines polnischen Titularkönigs, im Jahr 1306 – er wurde ermordet –, erlosch das alte tschechische Geschlecht der Přemysliden im erbberechtigten Mannesstamm und die erste deutsche Dynastie, nämlich die der Luxemburger, kam in Böhmen an die Macht. Erst nach der Ermordung des böhmischen Herrschers war die Herrschaft der Piasten vorerst gesichert und Władysław Ellenlang wurde als Herrscher allgemein anerkannt. Unter seiner Ägide wurde Polen in einer etwas verkleinerten Form wiedervereinigt.

Kampf um die Einheit

Władysław I. Ellenlang kehrte mit ungarischer Hilfe aus dem Exil zurück und übernahm in den Jahren 1305–1306 die Herrschaft über weite Teile Polens (Kleinpolen, Mittelpolen mit den Hauptburgen Sieradz und Łęczyca, Kujawien und Dobrin). In Pommerellen und Danzig konnte er sich nicht gegen die Brandenburger durchsetzen und rief den Deutschen Ritterorden zu Hilfe. Weil der König die vereinbarten Kriegsschulden nicht bezahlte, behielten die Deutschritter Danzig, ein damals durchaus übliches Vorgehen (siehe Übernahme von Danzig durch den Deutschen Orden, sowie Reinhold Curickes Der Stadt Danzig historische Beschreibung, Amsterdam und Danzig 1687). Der Orden erwarb auch Pommerellen, und verlegte angesichts der gescheiterten Kreuzzüge und der Auflösung des Templerordens den Hochmeistersitz von Venedig in die Marienburg in das Weichseldelta. Damit begann ein Konflikt mit dem christlichen Staat Polen, der zwischen Pommern und Preußen einen Zugang zur Ostsee entlang der Weichsel anstrebte, den er nach der Rebellion der preußischen Städte mit dem Zweiten Thorner Frieden von 1466 erlangte. Damit entstand ein erster Polnischer Korridor.

Im Krakauer Aufstand des Vogtes Albert strebte die Stadt unter Führung deutscher Bürger, im Bündnis mit anderen Städten und Teilen der Kirche, mehr Rechte an. Władysław schlug diesen Aufstand nieder, die folgenden Repressionen haben die politischen Aspirationen der Städte, insbesondere von Krakau, dauerhaft gebrochen.[9] Während einer Rebellion des großpolnischen Adels 1314, gegen die Herrschaft der Herzöge von Glogau, wurde das Herzogtum Großpolen an das Reich Władysławs angeschlossen. Sechs Jahre später, im Jahr 1320, erfolgte seine Krönung zum König von Polen. Fünf Jahre danach, versuchte Władysław die unklare Situation in der Mark Brandenburg, die nach dem Aussterben der brandenburgischen Linie der Askanier 1320 entstand, im Bündnis mit Litauen, dessen Staatspitze noch „heidnisch“ war, auszunutzen und in den Jahren 1325 bis 1329 den Herrschaftsbereich der märkischen Grafen auf das Gebiet westlich der Oder zu begrenzen, was wenige Jahre später seine außenpolitische Situation, zum Beispiel beim Papst, infolge der Allianz schädigte und dem Deutschen Orden nur den Vorwand gab gegen ihn vorzugehen. Unterstützt wurde er dabei offen vom Lebuser Bischof Stephan, der sich auf die Seite des polnischen Königs schlug, zum Verdruss seines neuen Landesherrn, des Markgrafen Ludwig aus dem Haus der Wittelsbacher. Die kriegerische Auseinandersetzung brachte jedoch kaum Landgewinne für Polen und hinterließ in der Neumark ein Gebiet der verbrannten Erde. Es wurde mit den Brandenburgern Frieden 1329 geschlossen, da sich die Luxemburger mit den Ordensrittern gegen ihn verbündet hatten. Bereits im Winter 1327 zog König Johann von Luxemburg gegen Krakau, musste aber auf ungarischen Druck zurückweichen, dennoch huldigten ihm viele Herzöge von Schlesien. Nach dem Jahr 1331 erkannten (fast) alle Piasten-Fürsten Schlesiens die böhmische Lehnshoheit an, nur einige wenige widersetzten sich erfolgreich.

Eine gegen Polen gerichtete Expansionspolitik des Deutschen Ritterordens im Bündnis mit König Johann, führte zum Verlust des Dobriner Ländchens 1329 und von Kujawien 1332, die Region Großpolen mit dem Erzbistum Gnesen wurde verwüstet. Nach der Schlacht bei Płowce, 1331, gegen die vereinigten Heere der Ordensritter und der Böhmen, konnte der polnische Souverän die gewaltsame Annexion beider Gebiete nicht verhindern. In Anbetracht der Lage leistete der Herzog von Masowien in Płock, Wacław (ein Verwandter des polnischen Königs), dem böhmischen König den Lehnseid. Während eines Waffenstillstands, der im Sommer 1332 auf Vermittlung des päpstlichen Legaten Peter von Alvernia für ein Jahr zustande kam, starb der König. Die Macht ging an seinen Sohn Kasimir über, der sich sofort nach dem Tode des Vaters zum polnischen König krönen ließ und ein schwieriges Erbe übernahm.

Władysław ging in die polnische Geschichtsschreibung als Reichseiniger Polens ein. Der Umklammerung durch die deutschen Territorialstaaten (Deutscher Orden, Mark Brandenburg), stellte er Bündnisse mit dem Großfürstentum Litauen und dem Königreich Ungarn entgegen. Er fand im Kampf gegen die deutschen Feudalherren und das selbstbewußte deutsche Patriziat in polnischen Städten ebenso starke Unterstützung in der polnischen Kirche und beim Papst. Auch kann man das mehrheitlich slawische Königreich Böhmen zu dieser Umklammerung und Gefahr für das erneuerte polnische Königtum zählen, wurde es nach dem Ableben der Přemysliden seit 1310 das erste Mal von einer deutschen Dynastie regiert, dem Haus Luxemburg. Als Erben der vorherigen Dynastie, leiteten sie Ansprüche auf die Krone Polens und die schlesischen Fürstentümer ab und selbst die in ihrem Mannesstamm slawischen Přemysliden in persona, waren in ihrem Endstadium mit Wenzel II. und Wenzel III. dem Deutschtum viel näher, als dem Tschechentum ihres Urvaters Přemysl. Die Amtssprache Böhmens wurde Deutsch und besonders unter den Luxemburgern verstärkte sich die kulturelle Dominanz der deutschen Kirche und des Adels, die zu Beginn des 15. Jahrhunderts in einer ersten antideutschen Reaktion der slawischen Tschechen gegen die weltlich-geistliche Obrigkeit der Deutschen gipfelte, den Hussitenkriegen (siehe auch Jan Hus, Jan Žižka und Sudetendeutsche). Trotz dieser und anderer widriger Umstände, konnte er sein Werk mit einer Krönung zum polnischen König festigen. Władysław verfehlte jedoch sein Ziel, die alten piastischen Grenzen zurückzugewinnen. Er vermachte seinem Sohn nur zwei alte Herrschaftsbereiche der Piasten, Großpolen mit dem Zentrum Posen und Kleinpolen mit Krakau.

König Kasimir der Große

Vom politischen Erbe seines Vaters übernahm Kasimir II. das Bündnis mit dem Königreich Ungarn, verstärkt durch die Heirat seiner Schwester Elisabeth mit Karl von Anjou und die Konflikte mit dem Deutschen Orden um das Herzogtum Pommerellen und mit den Luxemburgern Johann und Karl IV. um die Oberherrschaft in Schlesien, sowie mit Johann, der als König von Böhmen auch auf die polnische Königskrone Anspruch erhob. Die Länder die Kasimir erbte, waren relativ klein im Vergleich zu den Grenzen des Staates von 1138. Die westliche Grenze des Reiches war weit nach Osten, fast in die Kerngebiete der alten Polanen, zurückgedrängt worden. Das Herzogtum Pommern verselbständigte sich unter der Greifen-Dynastie im 12. Jahrhundert und geriet nach 1227 unmittelbar in ein Abhängigkeitsverhältnis zur askanischen Mark Brandenburg. Westliche Gebiete des Herzogtums Großpolen, im Oder-Warthe-Land, wurden in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts durch die Markgrafen aus Brandenburg teilweise erobert, teilweise käuflich erworben.[10] Ebenso verhielt es sich im Norden, wo sich zwischen 1309 und 1332 die Ritter des Deutschen Ordens Pommerellen, Kujawien und das Dobriner Ländchen aneigneten. Bereits 1327–1331, unter der Regierungszeit seines Vaters, unterwarfen sich die meisten Schlesischen Piasten dem Haus Luxemburg aus Böhmen. Das aus Großpolen, Kleinpolen und einigen mittelpolnischen Ländern bestehende Königreich, erhielt den Namen Corona Regni Poloniae, als transpersonalen Staatsbegriff, der die Zusammengehörigkeit der polnischen Länder[11] und der lehnsabhängigen Fürsten dokumentierte. Aufgrund seiner militärisch-politischen Unterlegenheit gegenüber den böhmischen und deutschen Landesfürsten, befand sich Polen weiterhin in einer äußerst kritischen Lage. Anders als sein Vater, der durch militärische Entscheidungen Lösungen erzwingen wollte, strebte Kasimir eher nach friedlichen und diplomatischen Auswegen.

König Kasimir bemühte sich um eine Beilegung des Konflikts mit Johann. Im Vertrag von Trentschin und dem Ausgleich von Visegrád 1335,[12] sowie nach einem böhmisch-polnischen Grenzkrieg 1345 und dem Tod seines Verbündeten im Reich gegen Böhmen, Kaiser Ludwig IV., 1347, hatte der polnische Souverän im Vertrag von Namslau endgültig die böhmische Lehnsherrschaft über Schlesien anerkannt. Mit ihm gab Kasimir seine dynastischen Ansprüche auf Schlesien auf und erkannte die böhmische Oberhoheit über diese Provinz an. Die schlesisch-piastischen Vettern des Königs wieder unter die Botmäßigkeit des polnischen Souveräns zu bringen,[13] scheiterte damit. Dies war eine große außenpolitische Niederlage für Kasimir. Das erneuerte Königreich warnicht in der Lage, die alten piastischen Gebiete zurückzugewinnen, was ein Hauptziel der Außenpolitik der letzten Piasten war. Schließlich inkorporierte der böhmische König Karl IV., seit 1346 auch römisch-deutscher (Gegen-)König, Schlesien 1348 in die Länder der böhmischen Krone. Die einzige Verbindung, die zwischen der schlesischen Provinz und Polen über die Jahrhunderte bestand, war ihre bis ins 19. Jahrhundert dauernde kirchliche Zugehörigkeit zum Erzbistum Gnesen.

Da die westlichen Gebiete des früh- und hochmittelalterlichen Polens zu Beginn des 14. Jahrhunderts ein Teil des Heiligen Römischen Reiches wurden, auch ethnisch im Rahmen der deutschen Ostkolonisation, orientierten sich die polnischen Herrscher, mangels Alternativen und des starken Widerstands deutscher Feudalherren im Westen, ostwärts. Durch die Abdrängung Polens in den osteuropäischen Teil des Kontinents, unterwarf er in den Jahren 1340 bis 1366, das von den Ruthenen bewohnte Fürstentum Halytsch-Wolodymyr, auch Rotrussland genannt, mit Podolien seiner Herrschaft.[14] Unter Verzicht auf Pommerellen und des Kulmer Landes, schloss Kasimir 1343 in Kalisch Frieden mit dem Deutschen Orden. Hierfür bekam er Kujawien und das Dobriner Ländchen zurück. Auch suchte König Kasimir im selben Jahr seinen Einfluss in Pommern durch ein Bündnis mit den Greifen der Stettiner– und der Wolgaster–Linie zu festigen, was zur Besetzung einiger Netze- und Neumarkdistrikte führte. Im Jahr 1347 wurde das polnische Recht kodifiziert. Ein Jahr später, 1348, breitete sich rasant die Pest in Europa aus und wütete auf dem Kontinent einige Jahre. Kasimir begegnete dieser Katastrophe durch die Verhängung einer Quarantäne über sein Reich, sodass die Seuche weitgehend abgewehrt werden konnte. Im Norden seines Reiches wurde das Herzogtum Masowien 1351 unterworfen. Die piastisch-masowschen Herzogtümer, mit den Hauptburgen Płock und Warschau, wurden nach dem Aussterben der jeweiligen Herrscher, teils direkt, teils als königliches Lehen dem Königreich einverleibt. Auf Kasimirs Veranlassung, wurde 1364 eine Akademie in Krakau gegründet, die zweite in Mitteleuropa nach Prag, später Jagiellonen-Universität genannt. König Kasimir verstarb 1370 und hinterließ keinen erbberechtigten männlichen Erben.

Kasimir förderte die Städte durch zahlreiche Baumaßnahmen, darunter die Sicherung der Grenzen seines Reiches mit 50 befestigten Burgen, sowie die Aufnahme von Deutschen und Gewährung deutschen Stadtrechts. Er lud nach dem Pogromen in Westeuropa im Zuge der Pest die Juden nach Polen ein (Erlass von Judenprivilegien 1334). Er reformierte das Militärwesen, bekämpfte das Raubrittertum, ließ das polnische Rechts- und Münzwesen vereinheitlichen, sicherte neue Handelswege und begünstigte die Eröffnung von Salinen. Die wirtschaftlichen Reformen erforderten die verfassungsrechtliche Kodifikation des Landrechtes, die Statuten Kasimirs des Großen und die Einführung der Generalstarosteien mit administrativen und gerichtlichen Befugnissen, Staatsrat und Kanzleiführung. Er schuf eigene Appellationsgerichtshöfe für das Magdeburger Stadtrecht und verbot die Appellation nach Magdeburg. Kasimir war der Begründer der ersten polnischen Universität und der einzige polnische König mit dem Beinamen „der Große“. Mit ihm starben die Piasten in königlicher Linie aus.[15] Als seinen Nachfolger bestimmte er seinen Neffen, den ungarische König Ludwig von Anjou, der Polen mit Ungarn bis 1382 in einer Personalunion verband.

König Ludwig von Anjous Nachfolgeproblem

Nach Kasimirs Tod wurde Polen 1370 mit dem ungarischen Königshaus verbunden. Der ungarische König, Ludwig von Anjou, entstammte in männlicher Linie dem Haus Capet-Anjou.

Aufgrund seiner personellen Abwesenheit war er in Polen unbeliebt. Er überließ die Geschäfte Polens seiner polnischen Mutter Elisabeth als Regentin. Auch begann er das polnisch gewordene Galizien für Ungarn zu beanspruchen, was bei der polnischen Aristokratie auf Widerstand stieß. Da er, wie Kasimir, keine „legalen“ Söhne hatte, wurden dem polnischen Adel 1374 im Kaschauer Privileg politische Vorrechte gewährt, der dafür die weibliche Thronfolge bestätigte und durchsetzte. Das Kaschauer Privileg wurde zur Grundlage der späteren „Adelsdemokratie“ in Polen.

Ludwig starb 1382 und die Regierungsgeschäfte in Polen gingen an seine Tochter, Hedwig von Anjou, über. Sie wurde 1384 Kraft polnischen Rechts zum regierenden polnischen „König“ gekrönt. Sie musste jedoch ihre Verlobung mit dem Prinzen Wilhelm von Habsburg lösen, da der mehrheitlich antideutsch eingestellte polnische Adel keine deutschen Aristokraten zu seinen Königen haben wollte, auch aufgrund des vergifteten Verhältnisses zu den Deutschordensrittern und aus Staatsräson musste sie im Rahmen der Union von Krewo den viel älteren Großfürsten von Litauen, Jogaila, heiraten. Beide wurden 1386, Hedwig ein zweites Mal, zu Regenten Polens gekrönt.

Jogaila ließ sich nach römisch-katholischem Ritus taufen und als Władysław II. Jagiełło wurde er der Begründer einer der mächtigsten Dynastien Europas.

1386–1569: Polnisch-Litauische Personalunion

König Władysław II. Jagiełło und Kampf gegen den Deutschen Orden

Durch die Heirat der polnischen Herrscherin Hedwig von Anjou mit dem Großfürsten von Litauen wurde die Personalunion des Königreichs Polen mit dem Großfürstentum Litauen begründet. Polen und Litauen waren zur Zeit des Zusammenschlusses unter den Jagiellonen der größte Flächenstaat in Europa. Der Einflussbereich der neuen Monarchie wurde von Władysław II. Jagiełło, wie Großfürst Jogaila seit seiner Krönung hieß, sukzessiv nach Norden, Osten und Süden ausgeweitet: 1387 erkannten das Fürstentum Moldau, 1389 das Fürstentum Walachei und die Republik Nowgorod die jagiellonische Oberhoheit an.

Diese Großmacht besiegte 1410 den Deutschen Orden in der Schlacht bei Tannenberg, wodurch der Orden den Nimbus der Unbesiegbarkeit verlor. Das neue polnisch-litauische Königtum vermochte sich schnell zu entwickeln. Die kampflose Übergabe der Burgen und die Haltung der Bevölkerung schien das Aufgehen des Ordens in Polen und Litauen anzukündigen. Ritterschaft, Bischöfe und Städte huldigten dem König und ließen sich von ihm ihre Rechte bestätigen. Im Ersten Frieden von Thorn 1411 konnte der Hochmeister seinen Besitzstand gegen „Reparationszahlungen“ wahren. Im Frieden am Melnosee 1422 fielen das Dobriner Land und Niederlitauen vom Deutschordensland ab.

Die Entsendung des Diplomaten Paulus Vladimiri zum Konzil von Konstanz, brachte Jagiełło die Anerkennung seines Anspruchs einer der einflussreichsten christlichen Herrscher zu sein. Das Konzil entzog dem Deutschen Orden überdies das Recht Litauen zu missionieren, das mit Jagiełłos Amtsantritt als König von Polen offiziell zum Christentum bekehrt worden war. Damit war die Existenzberechtigung dieses Ritterordens aus polnischer Sicht nicht mehr gegeben. Der König erfuhr aus dem Reich politische Unterstützung, so versprach Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg 1421 seinen Beistand gegen die Ordensritter. Sein Sohn, der spätere Kurfürst Friedrich II. von Brandenburg, war mit der Erbprinzessin Hedwig Jagiellonica (1408–1431) verlobt. Er galt bis 1424 als Thronfolger bis der plötzliche Tod seiner Braut das Verhältnis löste.[16] Das Hussitentum gewann als eine antideutsche Bewegung auch in Polen viele Anhänger, aber dank päpstlicher Vermittlung versöhnte sich Jagiełło 1423 mit König Sigismund von Luxemburg, mit Blick auf die Verteidigung des katholischen Glaubens gegen das Osmanische Reich.

Aufstieg zur europäischen Großmacht

König Władysław II. Jagiełło verstarb 1434. Der Kardinal Zbigniew Oleśnicki übernahm die Regentschaft für Jagiełłos unmündigen Sohn Władysław [von Warna]. Im Frieden von Brest 1435 schloss Oleśnicki einen Friedensvertrag mit dem Deutschordensstaat. In Litauen konnte er jedwede Opposition gegen die polnisch-litauische Union ausschalten. Damit nahmen auch die Bestrebungen Sigismunds von Luxemburg, einen Keil zwischen Polen und Litauen zu treiben, ein Ende. Der im Krieg und Frieden erfolgreiche Kardinal versuchte den Einfluss der Hussiten zu begrenzen und Schlesien auf diplomatischem Wege für Polen zurückzugewinnen. Seine politische Zielsetzung bestand darin, Polen zum Bollwerk der katholischen Kirche und zu einer europäischen Großmacht zu machen. Dem sollten die Bündnisse mit Litauen und Ungarn dienen.

Für die Ungarn war Polen als Helfer gegen die osmanischen Türken außerordentlich wichtig. König Władysław III. erwarb die ungarische Krone 1440. Er fiel bei Warna bei der Rettung von Konstantinopel gegen Sultan Murad II.. Dies kennzeichnete den Beginn der polnischen Türkenkriege in Europa. Nach drei Jahren Interregnum kam 1447 sein jüngerer Bruder Kasimir an die Macht, der 1471 für seinen Sohn Władysław die böhmische und 1490, nach dem Tod des Matthias Corvinus, die ungarische Krone sicherte. Dadurch dehnten die Jagiellonen ihren Einfluss über weite Teile Mittel-, Ost- und Südosteuropas aus.

Zwecks einer Annäherung an das Königreich Deutschland wurde Kasimir mit Elisabeth von Habsburg, Tochter Königs Albrecht II., verheiratet. Diese ging als „Mutter von Königen“ in die Historie ein. Im Jahr der Hochzeit, 1454, bat der Preußische Bund den polnischen König um Hilfe gegen den Deutschen Orden. Kasimir versprach Hilfe und nahm am Dreizehnjährigen Krieg 1454–1466 aktiv teil, der im Zweiten Thorner Frieden 1466 endete. Der Deutsche Orden wurde entscheidend geschwächt und hatte Gebietsverluste zu verzeichnen. Es entstand das Königliche Preußen, das mit Autonomie versehen der direkten polnischen Herrschaft unterlag. Das Restgebiet des Deutschordensstaates mit dem Zentrum in Königsberg, ohne das Erm- und Kulmerland, wurde zum königlichen Lehen. Der Hochmeister wurde dem polnischen König zur Heeresfolge und zum Treueid verpflichtet.

Dem Machtzuwachs nach außen stand die Schwächung der Krongewalt im Inneren gegenüber. Die Jagiellonen mussten dem Adelsstand Privilegien einräumen. Der polnische Reichstag, der Sejm, der sich aus dem Adel und Klerus zusammensetzte, gewann zunehmend Macht über den König. Die Verfassung Nihil Novi zur Zeit der Herrschaft Königs Alexander legte 1505 weitgehende Mitbestimmungsrechte des Sejms fest. Die zunehmende Privilegierung des Adels und die Übernahme zahlreicher Regierungsfunktionen durch diesen, hatte die sukzessive Entrechtung des Bauern- und Bürgerstandes zur Folge.

Am Ende des 15. Jahrhunderts erhöhte sich der Druck gegen die Herrschaft der Jagiellonen in Europa durch das Osmanische Reich, das Großfürstentum Moskau und das Haus Habsburg.

Der Süden des polnischen Lehnsfürstentum Moldau mit den Häfen Kilija und Białogród, die wichtig für den polnischen Überseehandel mit den im Mittelmeer ansässigen Seerepubliken Genua und Venedig waren, wurde 1484 vom Sultan Bayezid II. erobert. König Johann I. Albrecht unternahm 1497, ohne Teilnahme des Großfürstentums Litauen und Königreichs Ungarn, einen militärischen Vorstoß mit einem Heer aus 50.000 Mann und 200 Kanonen gegen die osmanische Herrschaft im Budschak. Der moldauische Fürst, Ştefan cel Mare, der dem polnischen König die Treue geschworen hatte, brach mit diesem und wechselte die Front. Die königliche Militärexpedition wurde zum militärischen Fiasko. Durch Niederlagen, Hunger und Seuchen geplagt, zog sich der König nach Polen zurück. Die Hohe Pforte stellte ihre Vasallen, die Krimtataren, gegen Polen und Litauen auf. In den nächsten zwei Jahrhunderten überfielen diese regelmäßig die südlichen Provinzen des Reiches. Als Reaktion darauf wurde das südliche Grenzland mit freien Wehrbauern besiedelt, was zur Entstehung des späteren ukrainischen Kosakentums führte. Die „Wilden Felder“, so hießen die Gebiete nördlich der Halbinsel Krim, entwickelten sich in der Folge zu einer „permanenten Kriegszone“ im Spannungsfeld ihrer Anlieger. Letztlich verlor Polen die direkte politische Einflussnahme über die Moldau 1512 an den osmanischen Sultan.

Der Aufstieg des ruthenischen Großfürstentums Moskau an der östlichen Grenze entwickelte sich für Litauen zur Existenzbedrohung. Dieser wurde durch die 1472 vom Papst Paul II. vermittelte Heirat Iwans III. mit der byzantinischen Prinzessin Sophie begünstigt (Übernahme des byzantinischen Hofzeremoniells und Supremattitels über die Länder der ehemaligen Kiewer Rus). Mit Großfürst Iwan und seinem Sohn begann eine großräumige Expansion des Großfürstentums Moskau, die alle Kräfte Polens und Litauens im Osten für Jahrhunderte band. Beide Staaten befanden sich ab 1492 (Kriege der Jahre 1492–1494, 1500–1503, 1507–1508, 1512–1522 etc.) bis zum ersten „dauerhaften“ Friedenstraktat von 1634 mit Russland faktisch im Kriegszustand. Die vorherigen Waffengänge waren nur durch Waffenstillstandsverträge unterbrochen. Nach wechselvollen Kämpfen (Wedroscha 1500 und Orscha 1514) an der Schwelle des 15./16. Jahrhunderts gingen mit dem Vertrag von 1522 für Litauen beträchtliche Gebietsverluste einher. Moskau errang in Osteuropa ein machtpolitisches Übergewicht gegen Vilnius.

Die militärisch-politischen Rückschläge der Jagiellonen bewogen Kaiser Maximilian I. dazu, eine gegen Polen gerichtete Koalition mit den Kurfürstentümern Brandenburg und Sachsen, dem Deutschen Orden in Preußen und Livland, dem Königreich Dänemark und dem Großfürstentum Moskau zu schließen. Mit der Rückendeckung des Kaisers verweigerte zudem der neue Hochmeister des Deutschen Ordens, Friedrich von Sachsen, König Johann Albrecht den Huldigungseid, woraufhin der König im Frühling 1501 sein Heer in der Nähe von Thorn zusammenziehen ließ. Kurz vor dem Einmarsch in das Ordensland verstarb der polnische König. Als Nachfolger auf dem polnischen Thron wurde der jüngere Bruder des Königs, Alexander der Jagiellone, der Großfürst von Litauen, bestimmt. Der Sieg bei Orscha über die russischen Truppen verhinderte eine dauerhafte Einkreisung Polens, da der Kaiser nun überzeugt war, dass Polen-Litauen immer noch eine potente Macht war. Er gab seine feindliche Haltung auf und begann die jagiellonisch dominierten Königreiche Böhmen und Ungarn auf diplomatischem Weg für das Haus Habsburg zu erwerben. Um die Situation mit dem Kaiserhaus zu entspannen, fand im Jahre 1515 der Erste Wiener Kongress statt, der Wiener Fürstentag. Sigismund der Alte, ab 1506 König von Polen, ging ein Heirats- und damit ein Regierungsbündnis mit Maximilian von Habsburg ein. Der Kaiser erkannte die Thorner Friedensbestimmung von 1466 an und ließ endgültig von seinen antijagiellonischen Plänen ab. Der seit 1511 im Ordensland Preußen herrschende Hochmeister, Albrecht von Hohenzollern, weigerte sich jedoch weiterhin, sich Polen zu unterwerfen und setzte von 1519–1521, auf Unterstützung aus dem Reich hoffend, einen gegen seinen polnischen Lehnsherren, der gleichzeitig sein Onkel war, geführten so genannten „Reiterkrieg“ fort. Bedingt durch das Bündnis und den Druck der aus Kleinpolen stammenden Magnaten, die ein gutes Verhältnis zum Kaiserhaus favorisierten, vergab der polnische König die Gelegenheit, den polnischen Machtbereich über fast das gesamte südliche Baltikum von Preußisch-Königsberg bis nach Rügen auszudehnen. Der pommersche Herzog Bogislaw X., dessen Herzogtum Pommern seit dem 13. Jahrhundert durch die brandenburgischen Markgrafen und Kurfürsten bedrängt wurde, suchte die Nähe Polens. Er akzeptierte 1503 die polnische Suzeränität über sein Herzogtum, 1513 schlug er eine vollständige Union mit Polen vor und schließlich, 1518, eine „Ewige Allianz“. König Sigismund I. und sein Vorgänger lehnten alle Vorschläge, die Polen ohne „Krieg ums Land“ bereichert hätten, ab. Der Herzog wandte sich nun an den Kaiser, dessen Lehnsmann er wurde. Auch beim Wiedererwerb Schlesiens war der König nicht erfolgreich. Er ließ seine Rechte am Herzogtum Glogau, dessen Herrscher er als „Herzog von Schlesien“ einmal war, verwirken.

König Sigismund heiratete 1518 die italienische Prinzessin Bona Sforza, die Nichte der verstorbenen Kaiserin Bianca Maria Sforza. Als ambitionierte und machtbewusste Frau, dachte diese an Stärkung der königlichen Macht. Ihre Reformpläne stießen beim Adel auf Widerstand und forcierten eine Adelsrebellion, den so genannten „Hühnerkrieg“. Mit Königin Bona fand die italienische Renaissance in Polen und Litauen breiten Einzug.

Sultan Süleyman I. erklärte dem Königreich Ungarn den Krieg. Nach der Schlacht bei Mohács 1526 überrannte das Osmanische Heer die Pannonische Tiefebene. König Ludwig von Böhmen und Ungarn fiel auf dem Schlachtenfeld. Das folgende machtpolitische „Erdbeben“ in der Region und eine durch „Moskau“ bedrohte Ostgrenze förderten den Abschluss eines polnisch-litauischen Friedens- und Handelsvertrags 1533 mit der Hohen Pforte. Die Kronen Böhmens und Ungarns gingen gemäß der Wiener Akte von 1515 de jure an die österreichische Linie der Habsburger. Damit stiegen diese zum dominierenden Herrschergechlecht in Europa auf. Nach dem Tod von König Johann Zápolya 1540, der den habsburgischen Herrschaftsanspruch in Ungarn bekämpft hatte, gliederten die Osmanen Zentralungarn mit Buda als „Eyâlet Budin“ ihrem Reiche 1541 direkt an. Im Osten entstand ein autonomes der Hohen Pforte tributpflichtiges Fürstentum Siebenbürgen unter König Johanns Sohn. Die Habsburger behaupteten sich nach der „Aufspaltung“ des Königreichs Ungarn dauerhaft im Westen. Albrecht von Hohenzollern, Hochmeister des Deutschen Ordens, unterwarf sich 1525 dem polnischen König und nahm das neue Herzogtum Preußen aus den Händen des polnischen Suzeräns zu Lehen. Das Land wurde säkularisiert und der neue evangelische Glaube garantiert. Eine Ausnahme stellte das Ermland dar, das weiterhin katholisch blieb. Bereits im 15. Jahrhundert begann sich ein Wandel in den wirtschaftlichen Verhältnissen abzuzeichnen. Auf dem Land setzte sich die Leibeigenschaft und Fronwirtschaft durch, während die Städte, vor allem Krakau, Danzig, Thorn, Lublin, später auch Warschau, zu blühenden Handelsstädten von internationalem Rang heranwuchsen.

1569–1795: Republik Polen-Litauen (Rzeczpospolita)

Zeitalter der Glaubensspaltung, Erster Nordischer Krieg und Union von Lublin

König Zygmunt II. August

Der im Kampf gegen den Hochadel geschwächte Kleinadel erwirkte unter Sigismund II. August eine Wirtschafts-, Heeres- und Rechtsreform. Unter dem Eindruck der russischen Offensive im Livländischen Krieg gegen das Baltikum, wurde die Personalunion zwischen Polen und Litauen 1569 in Lublin zu einer Realunion umgewandelt. Litauen stimmte der Union mit Polen mehrheitlich zu – gegen Autonomiegewährleistung in den Bereichen der Wehrhoheit, Staatsfinanzen, Jurisdiktion und Amtssprache. Der Krieg führte zum Ausbruch des Ersten Nordischen Krieges um das „Dominium maris Baltici“.[17] Die Realunion bildete für die Geschichte der Ukraine eine Zäsur. Der ukrainisch-ruthenische Adel unterstellte seine Ländereien direkt dem Königreich Polen und die kulturelle und religiöse Integration des ukrainischen in den polnischen Adel wurde beschleunigt. Es bildete sich eine Kluft zwischen dem privilegierten, katholischen Adel und den orthodox gebliebenen ukrainischen Unterschichten. Dem Kronland Polen wurden in der Lubliner Union das litauische Podlachien, Wolhynien, Bracławer- und Kiewer-Land zugesprochen. Die Union von Wilna stellte 1561 den Machtbereich des in Kurland, Livland und Estland souverän agierenden Zweigs des Deutschen Ordens unter das polnische Supremat. Der König garantierte dem Landmeister Gotthard von Kettler Kraft seines Privilegs: deutsche Sprache, deutsches Recht, deutsche Selbstverwaltung sowie Freiheit des Glaubens, das später auch unter schwedischer und russischer Herrschaft bis ins 19. Jahrhundert bestand hatte. Die Livländische Konföderation sicherte sich so gegen die russische Eroberungspolitik ab.

Reformation

Die Reformation verbreitete sich im konfessionell gemischten Polen und Litauen zunächst relativ rasch. Der Calvinismus wurde 1540 durch Jan Łaski nach Polen gebracht. Unter dem Einfluss des Unitariers, Faustus Sozzini, wurde 1579 die Kirche der Sozinianer gegründet. Das Luthertum hatte zunächst bei der deutschen Bevölkerung in den preußischen Städten und in Krakau Einzug gefunden, auch im Herzogtum Preußen begannen sich die Lehren Luthers und Calvins durchzusetzen. König Sigismund I. bekämpfte sie mit einer Reihe von Edikten und Rechteeinschränkungen politisch, in Danzig auch militärisch. Sein Sohn und Nachfolger Sigismund August, auf den die Protestanten große Hoffnungen setzten, wechselte zwar nicht die Konfession, ging aber auch nicht energisch gegen die Reformation vor. In den Jahren nach 1548 bildeten sich in einer Reihe von Orten reformatorische Gemeinden verschiedener Couleur: im Westen des Landes die vertriebenen Böhmischen Brüder in Leszno und Ostroróg, im Osten Arianer und Wiedertäufer in Raków und anderen Mediatstädten adliger Magnatengeschlechter. Diese Orte waren vorübergehend führende Zentren der Kultur, vor allem der Literatur und des Buchdrucks. Die protestantischen Richtungen der Rzeczpospolita schlossen 1570 die Union von Sandomir, auch Consensus Sandomiriensis genannt. Mit der „Pax Dissidendum“ der Warschauer Konföderation 1573, wurde die uneingeschränkte Religionsfreiheit der Protestanten, einschließlich ihrer politischen Gleichstellung und Zivilrechte, staatsrechtlich sanktioniert.

Gegenreformation

Die Zersplitterung der Bewegung in verschiedene Richtungen war zugleich ihre große Schwäche, an der die Gegenreformation ansetzte, die in Polen mit Stanislaus Hosius, dem Bischof von Ermland, begann. Diese wurde mit Hilfe der Jesuiten auch intellektuell forciert. Die außenpolitische Anlehnung der folgenden drei Wasa-Könige an das katholische Habsburg und der innenpolitische Kampf gegen den Adel drängten die Protestanten immer weiter zurück, vor allem die Sozinianer. Allerdings gab es keine Einrichtung wie die Inquisition in Polen und es wurde auch niemand auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die polnische Toleranz jener Zeit war damit zu erklären, dass sich die Vertreter des dominierenden Adels einen Glaubenskrieg wie im benachbarten Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation oder dem hugenottischen Frankreich ersparen wollten. Vereinzelt wurden allerdings von fanatisierten Volkshaufen evangelische Kirchen angezündet, so etwa 1591 in Krakau, 1611 in Wilna und zwischen 1603 und 1616 mehrfach in Posen. Mit einem Teil der ruthenisch-orthodoxen Kirche wurde, auf Betreiben des Kanzelredners Piotr Skarga, ein Ausgleich in der 1596 geschlossenen Kirchenunion von Brest gefunden. Diese sollte die Ostgrenze sichern, erfüllte aber die Erwartungen der Staatsspitze und der beteiligten lokalen Würdenträger nicht. Freilich setzte seit der Mitte des 17. Jahrhunderts eine immer stärkere Rekatholisierung des Landes ein, die religiöse und nationale Minderheiten zusehends an den Rand drängte. Die katholische Konfessionalisierung verringerte das Verteidigungspotential des multikonfessionellen Staates entscheidend, durch den späteren Abfall der orthodoxen Ukraine unter den Saporoger Kosaken an Russland im Vertrag von Perejaslaw 1654. Sie „förderte“ die Abwanderung großer Teile der protestantischen Bevölkerung, wodurch wirtschaftlich-intellektuelles Potential dem Land zusätzlich auf Dauer verloren ging.

Renaissance

Kunst, Literatur und Wissenschaft erreichten im „goldenen Jahrhundert“ der Renaissance und des Humanismus einen Höhepunkt, insbesondere während der Regierungszeit des Renaissancekönigs Sigismunds des Alten, einen Aufschwung von Literatur und Kunst, wobei das bis dahin im Schrifttum dominierende Latein zugunsten des Polnischen zurücktrat, das sich ab etwa 1500 voll entfaltete. Es kam zur Blüte der „Weichselgotik“, zum Eindringen der italienischen Renaissance in die „Krakauer Malerschule“ und es stieg der Einfluss deutscher und flämischer Künstler, unter anderen Veit Stoß. An der Krakauer Akademie, einem Zentrum des Humanismus, wirkten Conrad Celtis und die Juristen Paweł Włodkowic und Jan Ostroróg. Durch Einwanderung auch deutscher Drucker, Holzschnitzer und Verleger, stieg Krakau zum führenden Zentrum des Buchdrucks in Ostmitteleuropa auf. Die Dichter Mikołaj Rej, Jan Kochanowski und Łukasz Górnicki begründeten die polnische Literatur, der Philosoph Andrzej Frycz Modrzewski die polnische Staatstheorie und Nikolaus Kopernikus das heliozentrische Weltbild. In Architektur und Kunst spiegelten sich italienische und französische Einflüsse. Zahlreiche Adelspaläste, Bürgerhäuser und Kirchen entstanden, das Königsschloss auf dem Wawelhügel wurde zur prunkvollen Residenz ausgebaut, neue Städte gegründet. Der Reichskanzler Jan Zamoyski ließ eine Renaissance-Modellstadt, Zamość, anlegen, die Städte Lemberg, Vilnius und Posen stiegen zu wichtigen Kulturzentren auf, die preußischen Hansestädte Elbing, vor allem Danzig, zu wichtigsten Handelshäfen des Landes.

Konstitutionalisierung der Rzeczpospolita

König Sigismund II. August verstarb 1572 ohne einen männlichen Nachkommen. Der Adelsstand hatte 1569 seine Vormachtstellung im Staat in der Lubliner Union zementiert. Polen und Litauen wurden nach 1569 zur Rzeczpospolita, einer Republik auf Basis einer Föderation unter der „Präsidentschaft“ eines auf Lebenszeit gewählten Königs von Polen und Großfürsts von Litauen in Realunion (amtlich Republik der Polnischen Krone [Königreichs Polen] und des Großfürstentums Litauen). Für Litauen, Weißrussland und Ukraine bedeutete dies langfristig die weitgehende Polonisierung ihrer Führungsschichten. Ende des 16. Jahrhunderts umfasste die Rzeczpospolita das Gebiet Zentral-, Nord- und Ostpolens, Oblasts Kaliningrad, Litauens, Lettlands, Weißrusslands, Ukraine's, Slowakei's, Estlands und Moldaus.

Bei der Königswahl sollten alle adligen Reichsbürger sich auf dem Wahlfeld in Wola bei Warschau versammeln, um den Herrscher in Freier Wahl zu bestimmen. Jeder Adlige hatte eine Stimme, der verarmte Landadlige genauso wie der mächtigste Magnat. Stimmenkauf war üblich. Der gewählte König war gezwungen, dem Adel mit der Pacta conventa Zugeständnisse zu machen. Er hatte auch die Articuli Henriciani zu beschwören. Der König galt als primus inter pares, die reale Macht lag in den Händen des Hochadels, der sie durch den alleinigen Besitz aller Staatsämter und die Grundherrschaft über die Untertanen ausübte. Seit der Verfassung, der Nihil Novi von 1505, konnte das Staatsoberhaupt ohne Zustimmung des Reichstages mit seinen beiden Kammern kein neues Gesetz mehr erlassen. Die Stellung des Königs [in der Rzeczpospolita] war schwächer als die eines Monarchen in einer Konstitutionellen Monarchie des 20. Jahrhunderts.[18]

Das Einstimmigkeitsprinzip aller Reichstagsbeschlüsse galt seit dem 16. Jahrhundert, wurde aber erst seit 1652 so angewandt, dass ein einzelner Abgeordneter mit dem Ruf des Liberum Veto das Parlament blockieren und alle bisher gefassten Beschlüsse ungültig machen konnte. Die Problematik dieser Regelungen wurde von vielen erkannt, doch Macht- und gesellschaftliches Desinteresse der Großgrundbesitzer verhinderten Reformen. Die meisten Städte blieben ohne politischen Einfluss und wurden wie die Verteidigung des Landes vernachlässigt, weil der Adel sich weigerte, entsprechende finanzielle Leistungen zur Aufstellung eines schlagkräftigen Heeres aufzubringen. Als Folge der Verweigerung Steuern zu zahlen, blieb die Staatskasse seit der Gründung des gemeinsamen Staatswesens bis zum dessen Untergang, notorisch klamm. Dadurch musste die polnisch-litauische Republik, obwohl zu den bevölkerungsreichsten und größten Staaten Europas gehörend, mit kleinen Armeen an mehreren Fronten verteidigt werden. Diese Politik war in Friedenszeiten erfolgreich, doch im 18. Jahrhundert wurde sie für das Land zum Verhängnis.

Die Lage des unterdrückten Bauernstandes war aufgrund der Frondienste und persönlicher Unfreiheit katastrophal. Sie verschlechterte sich, da die Erlöse für seine Erzeugnisse im Lauf der nächsten Jahrhunderte immer mehr abnahmen. Die Grundlage für eine günstige Entwicklung der polnischen Wirtschaft war der Großhandel. In Zeiten, in denen sich im Westen der Merkantilismus durchsetzte, spielte protektionistische Wirtschaftspolitik eine wichtige Rolle. In Polen der Neuzeit wurde die Funktion des Staates hingegen auf ein Minimum reduziert.

Kennzeichnend für die politische Entwicklung dieser Zeit ist die Ausbildung einer „Adelsnation“ mit polonisiertem litauischen, ruthenischen und deutsch-preußisch-baltischen Adel, während die Landbevölkerung im Norden und Osten des Landes weiterhin überwiegend deutsch-, litauisch-, weißrussisch- und ukrainisch-sprachig blieb. Der polnische Reichstag der Magnaten engte nach 1572 die Macht des Königtums zunehmend ein und sicherte sich auf Dauer das Privileg der Königswahl.

König Stephan Báthory

Zweiter Souverän der „Rzeczpospolita“ wurde 1573 der französische Prinz Heinrich von Valois. Der König verließ jedoch seinen Thron nach wenigen Monaten der Herrschaft fluchtartig, ohne formal abgedankt zu haben. Er erfuhr vom Tod seines Bruders Karl IX., König von Frankreich, um sich die französische Krone zu sichern, die mit mehr Macht verbunden war. Heinrich hinterließ die Pacta conventa und die Articuli Henriciani, die konstitutionellen Charakter hatten und die königlichen Rechte auf ein Minimum reduzierten. Die von ihm gewährten Rechte und Privilegien, trotz seiner kurzen „Herrschaft der 146 Tage“,[19] wurden zur Grundlage der Goldenen Freiheit und begründeten die herausgehobene Stellung der adelsrepublikanischen Aristokratie. Heinrich ließ den ihm gesetzten Rückkehrtermin verstreichen. Er wurde der Krone verlustig erklärt und mit Stephan Báthory, der starke Unterstützung beim Jan Zamoyski hatte, konnte sich 1576 ein ungarischer Aristokrat aus dem Fürstentum Siebenbürgen in Polen erfolgreich durchsetzen.

Báthory war ein geschickter Taktiker im Machtgefüge der Republik und führte sein Heer siegreich gegen den Moskauer Staat im Livländischen Krieg an. In drei kraftvollen Kampagnen (Polozk 1579, Welikije Luki 1580 und Pleskau 1581) rang er den Zaren militärisch nieder, der, trotz der erfolgreichen Verteidigung von Pleskau, Papst Gregor XIII. um Vermittlung bat. Der Papst sandte daraufhin den Jesuiten Antonio Possevino, unter dessen Leitung Zar Iwan der Schreckliche im Vertrag von Jam Zapolski Waffenstillstand mit dem polnischen König schloss. Der Zar trat das 1563 eroberte Gebiet um die Stadt Polozk und das seit 1558 in Teilen annektierte Livland mit Dorpat an die polnische Krone ab. Stephan Báthory gründete 1579 mit Hilfe der Jesuiten, die er nach Polen holte und förderte, die Universität Vilnius. Den Plan, mit Hilfe Polens seine ungarische Heimat von der Türkenherrschaft zu befreien, konnte wegen seines plötzlichen Todes 1586 nicht verwirklicht werden.

Verwerfungen des 17. Jahrhunderts

Haus Wasa

Das folgende 17. Jahrhundert war nach dem Abfall der Saporoger-Kosaken eine Periode der militärischen Niederlagen und des langsamen Verfalls der polnischen Vormachtstellung in Ostmitteleuropa. 1587 wurde Sigismund III. Wasa, der das Geschlecht der Jagiellonen und der Wasa in seiner Person vereinte, zum König gewählt. Das Land blieb zwar vom Dreißigjährigen Krieg verschont, doch die Wahl eines schwedischen Prinzen begünstigte den Ausbruch folgenschwerer Schwedisch-Polnischer Kriege und anderer mannigfaltiger Konflikte, die mit den katholischen Wasa wie Ägyptische Plagen ins Land kamen und bis ins 21. Jahrhundert blieben.

Neben den Schweden im Norden, hatte Polen nach 1632 auch an dessen gesamter Ostflanke im erstarkten Russischen Reich der Romanow zu kämpfen. Die an den Habsburgern ausgerichtete Außenpolitik der polnischen Wasa und die Überfälle der Kosaken auf türkisches Territorium, zerrütteten das relativ gute Verhältnis zum Osmanischen Reich nachhaltig, auch aufgrund der vielen Razzien der Tatarenvölker, osmanischer Vasallen, gegen die Provinzen des Königreichs. König Sigismund war auch derjenige, der 1596 die Hauptstadt Polens von Krakau nach Warschau verlegte, wegen seiner zentralen Lage in Polen und der größeren Nähe zu seinem Erbkönigreich Schweden.

Zu Beginn des Jahrhunderts versuchte Sigismund Wasa den Thron seiner schwedischen Heimat zurückzuerlangen, den er als Folge der Schlacht bei Stångebro 1598 und seiner Absetzung durch den schwedischen Reichstag als König von Schweden 1599 verloren hatte. Dies hatte das Ende der ab 1592 bestehenden Personalunion Schwedens mit Polen zur Folge und provozierte den Ausbruch der Schwedisch-Polnischen Kriege 1600–1629.

Der König griff auch massiv in die russischen Thronwirren ein, die Smuta, die nach dem Tod des Zaren Boris Godunow um 1605 im Zarenreich ausbrachen. Während des in den Jahren 1609 bis 1618 dauernden Konfliktes, besetzten 1610 polnisch-litauische Unionstruppen unter der Führung des Kronfeldhetmans Stanisław Żółkiewski für zwei Jahre Moskau. Eine angestrebte Personalunion scheiterte aber letztlich am russischen Widerstand gegen die königlichen Pläne und der Inneren Verfassung Polens.[20] Ein Volksaufgebot aus Nischni Nowgorod hatte unter der Führung von Kusma Minin und Knjas Dmitri Poscharski die im Moskauer Kreml verschanzten Polen belagert und sie 1612 zur Kapitulation gezwungen.[21] Nach wechselvollen Kämpfen kam der Krieg mit dem Vertrag von Deulino 1618 zu einem Ende. König Sigismund schloss einen Waffenstillstand, in dem seine Herrschaft über Smolensk und Sewerien anerkannt wurde. Dementsprechend erreichte die Adelsrepublik mit einer Staatsfläche von knapp 1.000.000 Quadratkilometern ihre größte territoriale Ausdehnung. Nach Sigismunds Ableben und unter Bruch des 1618 geschlossenen Vertrages, versuchte Zar Michael seine territorialen Ansprüche auf das verlorene Gebiet im „Smolensker Krieg“ ab 1632 militärisch durchzusetzen, was aufgrund des rechtzeitigen Entsatzes durch den neuen polnischen König, Władysław IV. Wasa, in einer Niederlage des russischen Staates mündete.

Der dritte Gegenspieler im 17. Jahrhundert war das Osmanische Reich an der Südgrenze. Nach diversen gegenseitigen kosakisch-tatarischen Grenzscharmützel, Einmischung lokaler Magnaten aus der Ukraine in die inneren Angelegenheiten der osmanischen Vasallen, der Donaufürstentümer, kam es zu militärischen Handlungen, die schließlich in einem Krieg mündeten, dem Osmanisch-Polnischen Krieg 1620–1621. Der türkische Sultan, Osman II., zog aus seinem sich auf drei Kontinenten erstreckenden Imperium eine Streitmacht mit bis zu 300.000 Mann[22] gegen die Republik zusammen, der der polnische König bei Chocim ein gemischtes polnisch-ukrainisches Heer (bis zu 75.000 Mann an Kampftruppen, darunter 6450 Deutsche[22]) entgegenstellte. Als den Osmanen, trotz zahlenmäßiger Überlegenheit, nach über einem Monat kein Durchbruch der polnisch-ukrainischen Front gelang, willigten beide Seiten in einen „ehrenvollen“ Waffenstillstand ein.

Der Krieg forderte über die Landesgrenzen bekannte Opfer. In Konstantinopel, der Hauptstadt des Osmanischen Reiches, wies der türkische Padischah dem Elitekorps der Janitscharen die alleinige Schuld für das Scheitern der militärischen Kampagne zu. Der gegen die Janitscharen gerichtete Vorwurf der Feigheit, kostete ihn zuerst Amt und Würden und schließlich auch den Kopf. Ebenso kamen Stanisław Żółkiewski bei Cecora 1620, Jan Karol Chodkiewicz bei Chocim 1621 und der für die ukrainische Geschichte bedeutende Kosaken-Ataman Petro Sahajdatschny ums Leben.

Zeitalter der „Blutigen Sintflut“

1648 wurde Johann II. Kasimir zum neuen polnischen König. Kaum an der Macht, verschärften sich im Südosten die Spannungen. Auslöser waren die am Dnepr lebenden Saporoger Kosaken, eine Gruppe freier Grenzlandbewohner, die ursprünglich in polnischem Sold stehend gegen die Tatarenvölker eingesetzt worden war. Sie unternahmen immer wieder Raubzüge, die den Frieden der Region gefährdeten. Als sich abzeichnete, dass der erwartete Kriegszug gegen das Osmanische Reich nicht zustande kam, entschlossen sie sich unter Führung des Bogdan Chmielnicki, Begründer des Kosakenstaats, zu einem Bündnis mit den Krimtataren gegen „Warschau“.

Der nun ausbrechende Aufstand der Kosaken, der bürgerkriegsähnlichen Charakter hatte, war zunächst erfolgreich und führte diese plündernd bis nach Kiew, Lemberg und sogar nach Zamość. Chmielnicki ließ gegen die in der polnischen Ukraine lebenden Juden Pogrome verüben, die fast 1/4 Millionen Menschen das Leben kosteten. Viele Juden verließen daraufhin das Land. Nach wechselvollen Kriegsereignissen, der entscheidenden Schlacht bei Batoh, kam der Konflikt 1654 zu einem Ende; die Kosaken wechselten auf Basis des Vertrags von Perejaslaw fast komplett unter die Oberhoheit des russischen Zaren über und waren für Polen als Verbündete verloren. Der Seitenwechsel war innerhalb der Kosakennation nicht unumstritten, da ein Teil ein erneutes Zusammengehen mit Polen auf Grundlage des Vertrags von Hadjatsch bevorzugte. Es kam zu tiefen Spaltungen, die das Gebiet der Ukraine für Jahrzehnte in kriegsähnliche Zustände und Chaos fallen ließ, in der ukrainischen Historiographie als „die Zeit des Ruins“ bekannt. Im historischen Gedächtnis der Polen ist dieser Konflikt bis heute präsent, die Ukrainer betrachten ihn als den Beginn ihrer nationalen Geschichte: Seine Folgen waren auch in den Auseinandersetzungen vom Ende des Ersten Weltkrieges bis in die 1950er Jahre deutlich spürbar und sind bis heute nicht überwunden. Der Anschluss der östlichen Ukraine an Russland begünstigte den Ausbruch erneuter kriegerischer Handlungen mit Moskau. 1654 erklärte Russland, unter Bruch des „Ewigen Friedens von 1634“, Polen den Krieg. Im Frühjahr 1655 führte dieser zur Besetzung eines Großteils des Großfürstentums Litauen und der Ukraine durch russisch-saporogkosakische Truppen und zur Erklärung des russischen Zaren Alexei I. zum „Großfürsten von Litauen, Wolynien und Podolien“.

1655 wurde Polen, unter Bruch des Vertrages von Stuhmsdorf, vom Königreich Schweden im Westen überfallen. Für das Handeln der Schweden gab es mehrere Gründe: Eroberung der polnischen Festung Dünaburg durch russische Truppen an der Grenze zu Schwedisch-Livland, Unterstützung Polens für Schwedens Erzfeind Dänemark und die Erbansprüche der katholischen Wasa auf die schwedische Krone, die mit der Abdankung der Königin Christina I. 1654 geltend gemacht wurden. Der Dreißigjährige Krieg hatte zudem die schwedische Staatskasse geleert, gleichzeitig musste ein kostspieliges Heer in den eroberten Ländern unterhalten werden, außerdem fühlte sich der protestantische Schwedenkönig durch die militärischen Erfolge der kosakisch-russischen Truppen in der Adelsrepublik zum Eingreifen ermutigt, um seinen Einfluss an der Ostsee zu vergrößern. Sein Plan sah vor, die in ihrer Ostflanke geschwächte Republik vom Westen, durch das seit dem Westfälischen Frieden 1648 brandenburgische Hinterpommern und vom Norden her, über das seit 1625 schwedisch besetzte Livland, zu überfallen.

Mit der Durchmarschgenehmigung durch Hinterpommern konnte König Karl X. Gustav Polen an zwei Flanken gleichzeitig angreifen. Sein Vorstoss wurde durch die unterschiedliche Interessenlage der Magnatenhäuser und die militärische Lage der Republik im Osten gegen Russland und die ukrainischen Kosaken begünstigt. Das großpolnische Adelsaufgebot kapitulierte bei Ujście kampflos vor der Streitmacht des Feldmarschalls Arvid Wittenberg und huldigte im Anschluss dem Schwedenkönig. Einen Zweifrontenkrieg führend, fielen nacheinander die wichtigsten Städte in schwedische Hände, im September Warschau, im Oktober Krakau. Die Russen im Bündnis mit den Kosaken hielten sich auch schadlos, als sie bis nach Lublin, Puławy und zur Weichsel vordrangen und von der unterworfenen Bevölkerung den Untertaneneid auf Zar Alexei einforderten.

König Johann Kasimir, vom größten Teil des Adels im Stich gelassen, floh nach Schlesien, wo er sich die Hilfe der katholischen Habsburger erhoffte. Diese blieb vorerst aus. Polen befand sich zum Ausgang des Jahres 1655 zum größten Teil unter schwedisch-russischer Kontrolle. In Litauen stimmten die Adligen, Fürst Janusz Radziwiłł und sein Vetter Bogusław Radziwiłł, die im Angesicht russischer Erfolge im Großfürstentum Litauen (Besetzung von Vilnius, Grodno, Mohylew, Minsk, Smolensk … durch russisch-kosakische Truppen) eine separatistische Politik gegenüber der Polnischen Krone vertraten, einer Union des Großfürstentums Litauen mit Schweden zu, was faktisch den Bruch der Realunion mit Polen bedeutete.

Die Schweden waren minder an der Zahl, um die eroberten Gebiete über längere Zeit zu halten. Zum Signal für die Befreiung wurde die Verteidigung des Klosters von Tschenstochau, die als ein göttliches Wunder der Jungfrau Maria interpretiert wurde. Die Vertreter des polnischen Adels, erschüttert durch das herrenlose Verhalten der Schweden, wechselten die Fronten und organisierten sich in der Widerstandsbewegung von Tyszowce. Überdies überwarf sich der russische Zar Alexei mit dem Schwedenkönig Karl Gustav über die Aufteilung der „polnischen Beute“ und erklärte ihm Ende Mai 1656 den Krieg, während er mit dem polnischen König einen auf zwei Jahre begrenzten Waffenstillstand schloss. Der Schwedisch-Polnische und der Russisch-Polnische Krieg weiteten sich somit in einen schwedisch-russisch-polnischen Konflikt aus, den „Zweiten Nordischen Krieg“.

Johann Kasimir kehrte Anfang 1656 nach Polen zurück und erhob in Lemberg Maria, die Mutter Jesu, in einem feierlichen Akt zur „Königin Polens“. Das sich wendende Kriegsglück ausnutzend, verwüstete das königliche Heer zahlreiche protestantische Orte, darunter das kulturelle Zentrum Lissa in Großpolen. Die meisten der dort ansässigen Böhmischen Brüder mussten fliehen, darunter der bedeutende Theologe Johann Amos Comenius. Die Vertreibung und Verfolgung der Brüder aus Polen, während der „Schwedischen Flut“, beendete damit die Epoche der polnischen Toleranz gegenüber den Andersgläubigen, waren doch die Aggressoren allesamt Nicht-Katholiken, die Schweden/Brandenburger waren Protestanten und die Russen Orthodoxe.

Durch die Verträge von Königsberg und Marienburg 1656 gewann der Schwedenkönig die Unterstützung des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der bis dahin Lehnsmann des polnischen Königs war. Mit dem begangenen Lehnsbruch und den Sieg der schwedisch-brandenburgischen Streitmacht über die Truppen der Adelsrepublik in der dreitägigen Schlacht bei Warschau, erkannte Karl Gustav die Souveränität des von ihm eroberten Herzogtums Preußen im Vertrag von Labiau 1656 an. Den Seitenwechsel des Kurfürsten beantwortete der polnische König, indem er die Mark Brandenburg der Plünderung durch polnische Truppen und das Gebiet des Herzogtums durch die Krimtataren preisgab (das Khanat der Krim unter Khan İslâm III. Giray war seit der Allianz zu Perejaslaw der Chmielnicki-Kosaken mit Russland 1654 und der im selben Jahr folgenden Invasion der Russen in Polen, ein Verbündeter der Rzeczpospolita).

Karl Gustav, der im Feldhetman der Krone Stefan Czarniecki einen ebenbürtigen Gegner hatte, sah seine einzige Hoffnung auf einen Sieg über Polen in einer Teilung der Republik und versuchte durch Einbindung Siebenbürgens, Brandenburgs und Chmielnicki' Fakten zu schaffen. Anfang 1657 trat das unter dem osmanischen Schutz stehende Fürstentum Siebenbürgen unter der Führung des Protestanten Georg II. Rákóczi auf die Seite der Schweden und verwüstete mit seinem siebenbürgisch-kosakischen Heer (etwa 40.000 Mann) weite Gebiete Polens im Süden und Osten. Um ein Übergewicht Schwedens in Nordeuropa zu verhindern, verbündeten sich das Königreich Dänemark, das Haus Österreich unter Kaiser Ferdinand von Habsburg und die Niederlande mit Polen. Das sich ab Mitte des Jahres 1657 diametral wendende Kriegsglück Karl Gustavs und Rákóczi's, nahm Kurfürst Friedrich-Wilhelm zum Anlass Erzherzog Leopold um Vermittlung beim polnischen König zu bitten (im Reich stand 1658 eine neue Kaiserwahl an und Leopold brauchte die brandenburgische Kurstimme). Polens Staatsspitze ging gegen einen brandenburgischen Seitenwechsel und den offenen Widerstand der preußischen Stände auf einen „Handel“ ein. Sie trat in den Verträgen von Wehlau und Bromberg 1657 die eingeschränkte Souveränität über das Herzogtum Preußen an die Person des Herzogs von Preußen ab.

Reformbewegung, Abdankung des Königs und Aufstieg von Jan Sobieski

Die militärischen Handlungen dauerten bis zum Vertrag von Oliva 1660. Mit ihm wurde der langjährige schwedisch-polnische Disput durch ein Friedenstraktat beigelegt. Im Vertrag mit Schweden verzichtete Johann Kasimir auf seine Ansprüche auf den schwedischen Thron, Schwedisch-Livland und -Estland im Tausch gegen den territorialen Status quo ante bellum. Der Herzog von Preußen, in Personalunion auch Kurfürst von Brandenburg, erlangte die „Souveränität“[23] über das Herzogtum Preußen und erwies sich während des Krieges als militärischer und politischer Machtfaktor. Frankreich übernahm die Garantie der Einhaltung des Friedens. Was blieb war der Mythos von Tschenstochau als einer Arche inmitten der „Schwedischen Sintflut“, der einen wesentlichen Beitrag zum Machtgewinn des polnischen Katholizismus leistete. Für die späteren Geschicke des Landes, sollte sich besonders die Entscheidung, das Herzogtum Preußen, das spätere Königreich Preußen, aus dem polnischen Vasallentum zu entlassen, als verhängnisvoll erweisen.

Im Russisch-Polnischen Krieg 1654–1667 wurden die Truppen des Zaren nach 1660 bis zum Dnjepr verdrängt und Reformen des Staatsapparats eingeleitet (u. a. Vivente Rege). Gegend diese wandte sich Lubomirski. Seine militärischen Siege und der Machtwechsel im Krimkhanat, der die Südgrenze mit Kosakenhetman Doroschenko bedrohte, setzten den Abschluss eines ungünstigen Waffenstillstands 1667 mit Moskau durch. Damit verlor das Land über ein Viertel (insgesamt 261.500 km²) seines Territoriums und betrug ab 1667 noch 733.500 km².

1668, durch innere und äußere Niederlagen geplagt, dankte der letzte Wasakönig Johann Kasimir während des Abdikations-Sejms entnervt ab. Er entzog sich dadurch auch seiner Verantwortung für die ruinöse ökonomische, militärische und sozial-kulturelle Hinterlassenschaft im Lande, durch die Flucht in ein französisches Kloster. Ein Viertel der damaligen Bevölkerung (bis zu vier Millionen Menschen) ging durch Seuchen, Hungersnöte, Plünderungen und Gewalttaten verloren, zusätzliche Bevölkerungsverluste auch durch die Territorialverluste an Russland und Brandenburg-Preußen; die Wirtschaft war inoperabel zerrüttet.[24] Polen verlor im Zeitalter der „Blutigen Sintflut“ in Relation zur Gesamtbevölkerung mehr Menschen als im Zweiten Weltkrieg.

Der Sejm wählte 1669 den Ukrainer Wiśniowiecki zum polnischen König. Vier andere Kandidaten wurden abgelehnt, da die Vertreter des Kleinadels nach schlechten Erfahrungen mit Ausländern ihre Stimme einem „Piasten“, das heißt einem einheimischen Kandidaten geben wollten und zwar im Gegensatz zu den Absichten der adelsrepublikanischen Oligarchen.

Der in der „Rechtsufrigen Ukraine“ bestehende Kriegszustand gegen Khan Selim I. Giray und Hetman Doroschenko, mündete im Osmanisch-Polnischen Krieg 1672–1676. Im Juni 1672 wurde die Festung Kamieniec Podolski von einer bis zu 100.000 Mann (mit Tross bis zu 200.000 Mann[25]) starken Invasionsstreitmacht türkisch-tatarischer Kriegsveteranen unter dem direkten Kommando Sultan Mehmeds IV. angegriffen und belagert. Nach anfänglichen Siegen für die Polen wurde sie im August aufgrund der aussichtslosen Situation und fehlenden Hoffnung auf Entsatz vom Artilleriekommandanten Hekling, einem Deutschbalten aus Kurland im Dienste der polnischen Krone und einer 800 Mann starken Garnison (vor der Schlacht waren es fast 1700 Soldaten) in die Luft gesprengt. Durch die Explosion kam auch Jerzy Wołodyjowski ums Leben, der bis heute eine in Polen bekannte historische Persönlichkeit ist. Der Weg ins Zentrum des Landes wurde frei. Einer bevorstehenden militärischen Niederlage, gar einer türkischen Okkupation der Rzeczpospolita zuvorkommend, schloss das durch vorangegangene Kriege ruinierte Staatswesen mit der Regierung des Sultans den Präliminarfrieden von Buczacz. Die osmanische Türkei dehnte ihre Herrschaft über weite Teile der südlichen Ukraine aus, vor allem Podolien (bis 1699 „Eyâlet Podolya“). Der polnische Reichstag weigerte sich den „schändlichen Vertrag“ zu ratifizieren, sodass unter der Führung des Großkronhetmans Jan Sobieski die Kriegshandlungen erneuert wurden. Sobieski schlug 1673 die Türken bei Chocim vernichtend in die Flucht. Der Sieg brachte Polen keine unmittelbaren Vorteile, das Ansehen des Heerführers wuchs in Europa im Besonderen, auch bei den Türken, die Sobieski den Beinamen eines „Löwen aus Lehistan“ gaben. Nach wechselvollen Kämpfen endete der Krieg im Vertrag von Żurawno 1676.

König Wiśniowiecki entschlief 1673. Sobieski wurde während des Krieges, dank seiner Popularität und militärischen Verdienste für das Vaterland, als sein Nachfolger per Wahl 1674 bestimmt.

König Jan III. Sobieski

Die sich in einer tiefen politisch-ökonomisch-militärischen Krise befindende „Adelsrepublik“ erlebte am Ende des 17. Jahrhunderts noch einmal eine kurze Renaissance der politischen Macht. Nach dem Scheitern Johann Kasimirs und seinem schmählichen Rücktritt, waren die Wasas auf breiter Front diskreditiert. Der zum König bestimmte Michał Korybut Wiśniowiecki, verstarb nach nur fünf Herrschaftsjahren. Mit dem militärisch erfolgreichen Großkronhetman Jan Sobieski, der zudem die Unterstützung Frankreichs besaß, wurde erneut ein Pole zum Herrscher gewählt.

Dem neuen König traute man zu, den Staat vor der fortwährenden Türkengefahr im Südosten des Reiches endgültig zu befreien. Sobieski wandte sich von seinem Bündnispartner Frankreich ab und schloss im April 1683 einen gegenseitigen Beistandspakt mit den Habsburgern. Dieser sollte sich rasch bewähren, tauchten doch die Türken schon im Sommer desselben Jahres vor Wien auf. Der von den Österreichern bestochene polnische Reichstag stimmte der Entsendung eines Entsatzheeres zu, das wesentlich zum Sieg der alliierten Truppen in der Schlacht am Kahlenberg beitrug. Weitere Vorstöße im Südosten gegen das osmanisch besetzte Podolien, die Moldau und die Walachei blieben allerdings ohne Erfolg.

Während im polnisch-nationalen Gedächtnis die „Rettung des Abendlandes“ tief verankert ist, blieb im Westen eher die Erinnerung an die späteren Erfolge des Prinzen Eugen von Savoyen. Die besondere polnische Rolle bei der Schlacht um Wien geriet weitgehend in Vergessenheit, vielleicht auch deswegen, weil der Befehlshaber der deutsch-österreichischen Kontingente, Karl von Lothringen, Jahre zuvor bei der polnischen Königswahl an Sobieski gescheitert war.

Polen trat 1684 der durch die Vermittlung von Papst Innozenz XI. gegründeten Heiligen Liga bei. Zwei Jahre später wurde mit Russland, dessen Regentin Sofia Alexejewna war, ein „Ewiger Friede“ in Moskau geschlossen. Dieser bestätigte die im Vertrag von Andrussowo getroffenen Vereinbarungen, ferner schloss sich Russland der gegen das Osmanische Reich gerichteten Heiligen Liga an.

Innenpolitisch hingegen erreichte der König seine Ziele nicht. Obwohl er der letzte polnische König von Format war, konnte er weder die Herrschaftsansprüche seiner Familie durchsetzen – seine Söhne blieben bei der Wahl nach seinem Ableben chancenlos – noch gelang ihm, mangels königlicher Macht im Innern, die „Disziplinierung“ des Adelsstandes. Dieser opponierte offen gegen ihn, weil er in einem starken Königtum eine Bedrohung seiner Ende des 16. Jahrhunderts von Sobieski' Vorgängern gewährten fast „königlichen Rechte“ sah. Sich der Gefahr bewusst, die von der brandenburgischen Linie des Hauses Hohenzollern für Polen ausging, musste er seine Pläne, Brandenburg-Preußen, das spätere Königreich Preußen mit dem Zentrum in Berlin, im Bündnis mit dem Königreich Schweden zu zerschlagen, aufgrund der dauerhaften Türkenabwehr und litauischer Opposition durch die Magnatenfamilie Pac, ganz aufgeben.[26] Die einst starke Föderation aus Polen und Litauen verfiel nach seinem Tod, 1696, zusehends in eine de facto dezentralisierte Magnaten-Konföderation unter der „Präsidentschaft“ willfähriger, ausländischer Könige, die weniger das Wohl des Landes im Auge hatten, als vielmehr die eigene dynastische Machtpolitik.

Von den Katastrophen des 17. Jahrhunderts, dem Abbruch der Reformen von Johann Kasimir, den Kämpfen mit den Russen, Schweden, Brandenburgern, Kosaken, Ungarn, Türken und Tataren, dann erneut mit Schweden ab 1700 konnte sich das Land nicht mehr erholen. Es sank zum „Spielball“ neuer europäischer Mächte herab, vor allem Russlands und verfiel langsam der Dekadenz und Agonie. Der polnische Führungsanspruch in der Region ging im Verlauf des 18. Jahrhunderts an die durch den Absolutismus geprägte Monarchien über. Die aus Kriegen und Okkupationen fremder Soldateska resultierende Kontributionen, Plünderungen und Zerstörungen des Landes führten zur Verarmung und Verschuldung weiter Gesellschaftsschichten, auch des Adels, was eine Verringerung seines politischen Bewusstseins und Verantwortung zur Folge hatte. Der sukzessive Missbrauch der Goldenen Freiheit durch die nachfolgende Adelsgeneration degenerierte langfristig die „Adelsdemokratie“, die schließlich im Umfeld eines weitgehend entmachteten Königtums in politischer Anarchie ausuferte. Die Zeichen des allgemeinen Verfalls äußerten sich durch die dauerhafte Blockade des polnischen Parlaments mittels des Liberum Veto, der Bildung legaler Widerstandsbewegungen gegen die Gesamtinteressen des Staates, wenn der Adel seine herausgehobene Stellung in Gefahr sah. Im 18. Jahrhundert standen die Konföderationen jedoch vielfach unter fremden Einfluss ausländischer Botschafter, die so das Land häufig an den Rand eines Bürgerkrieges stürzten. Der Magnatenstand zeigte ein allgemeines Desinteresse an einem „Starken Staat“ und war vordergründig mit der Sicherung von privaten Pfründen, sowie der Pflege eines übertriebenen Standesdünkels gepaart mit Vetternwirtschaft und Korruption beschäftigt. Er schwächte den Staatskörper derart, dass er gegen den gleichzeitigen Zugriff dreier absolutistischer Nachbarstaaten, trotz tiefgreifender Reformen, effektiv kaum Widerstand zu leisten vermochte und somit am Ende des 18. Jahrhunderts zu existieren aufhörte.

Untergang der Republik und Zeitalter der Teilungen

Haus Wettin

Unter der Sachsenzeit versteht man in Polen die Herrschaftszeit der beiden Könige aus dem Hause Wettin. Es waren August der Starke 1697–1733 und in der Nachfolge sein Sohn August III. 1733–1763, die Polen in Personalunion mit ihrem heimischen Kurfürstentum Sachsen regierten.

Die Wahlen waren mit finanziellen Mitteln erkauft worden und nicht unangefochten. Um sich die polnische Krone zu sichern, musste der protestantische Kurfürst zum Katholizismus konvertieren. Polen wurde durch die Wettiner in Konflikte und Kriege hineingezogen, an denen es eigentlich gar kein Interesse hatte und die es sich de facto auch nicht mehr leisten konnte, wie den Dritten Nordischen Krieg oder später den Siebenjährigen Krieg. Die innere Schwäche der Republik äußerte sich im religiösen Unfrieden, Intoleranz gegenüber Nicht-Katholiken (besonders Protestanten), einem Verfall der Wirtschaft und militärischer Ohnmacht. Den Neutralitätsstatus des Landes mißachtend, durchquerten fremdländische Armeen straflos sein Territorium und behandelten es wie etwas, was am Wegesrand lag. Die Triumphe der polnischen Heere gehörten ab da der Vergangenheit an. Die Eroberung Schlesiens durch König Friedrich von Brandenburg-Preußen förderte die Entwicklung der Hohenzollernmonarchie zu einer europäischen Großmacht. Letzteres erschien unvereinbar mit Polens potentiellem Wiederaufleben. Das „wettinische Polen“ war eines der ersten europäischen Länder, das durch die Person des Königs August das hohenzollernsche „Königreich in Preußen“ staatsrechtlich anerkannte (die Anerkennung des seit 1701 bestehenden preußischen Königstitels und der Standeserhebung des protestantischen Herzogtums Preußen zum Königreich Preußen durch den polnischen Sejm folgte, unter russischem Druck, allerdings erst 1764.[27][28] die des Kirchenstaates 1787.[29][28][30] da der Papst dem „herätischen“ preußischen König bis dato nur den Titel eines „Markgrafen von Brandenburg“ zugestand).

Der Friedensvertrag zu Karlowitz 1699 mit der Hohen Pforte ermöglichte eine Rückkehr Podoliens in den polnischen Reichsverband. Dieser beendete den antiosmanischen Krieg der Heiligen Liga und im Besonderen die seit 1444 geführten Konflikte Polens mit der Türkei bis auf den heutigen Tag. Er führte gleichzeitig zur politischen Annäherung beider Länder, im Angesicht des politisch-militärischen Aufstiegs Russlands, Österreichs und Preußens zu kontinentalen Hegemonialmächten.

Die Geschicke des Landes wurden immer stärker von den Hochadelsfraktionen bestimmt, namentlich die Potockis, Czartoryskis und Sapiehas, die nicht nur (teilweise) untereinander verfeindet waren, sondern sich gegenseitig bekriegt hatten und immer stärker auch finanziell von fremden Mächten abhängig wurden. Die Versuche des Königs, eine absolutistische Herrschaft zu etablieren, mussten vor diesem Hintergrund und dem Fehlen einer Hausmacht in Polen scheitern.

Durch die Unterstützung Russlands konnte sich sein Sohn, August III., während des Polnischen Thronfolgekrieges gegen seinen Gegenspieler Stanislaus I. Leszczyński durchsetzen, um den Preis zunehmender politischer Einflussnahme Russlands in Polen. Das Land wurde weitgehend durch seinen Günstling Heinrich Graf von Brühl regiert. Gleichzeitig entwickelte sich zunehmender Wohlstand beim Gutsadel, der dazu führte, dass man sich auch Fragen einer inneren Reform des Staates stellte. Der Geist der Aufklärung drang nach Polen vor, Ansätze zu einer Verbesserung des Bildungssystems wurden gemacht. Besonders positiv waren die Folgen in der Architektur. Das Bild der Hauptstadt Warschau veränderte sich entscheidend: das Königsschloss wurde großzügig umgebaut, es entstand die Sächsische Achse nach dem Vorbild von Versailles mit dem Sächsischen Palais und dem Sächsischen Garten.

In Erinnerung blieb aber in erster Linie die dekadente Stimmung jener Zeit. Diese schlug sich in zahlreichen Sprichwörtern nieder: Gdy August pił, cała Polska była pijana – „Wenn August getrunken hatte, war ganz Polen besoffen“ – oder das noch bekanntere Za króla Sasa jedz, pij i popuszczaj pasa – „Unter dem Sachsenkönig iss, trink und löse den Gürtel“ –, ein Symbol für die späte sarmatische Adelskultur mit ihren üppigen Festen und dem Fehlen jeder Art von Verantwortungsbewusstsein. Ein Symbol, der mit der späteren Konföderation von Targowica, einem Paradigma für Landesverrat, eine Bestätigung fand. Die Sarmaten waren ein iranisches Reitervolk, das während der Antike im südrussischen und ukrainischen Steppengebiet lebte und von dem sich die polnischen Adligen irrtümlich ableiteten. Unter Sarmatismus versteht man das Gefühl völliger persönlicher Freiheit, beim politischen Konservatismus und Intoleranz, ständischem Dünkel und Abgrenzung gegenüber Nichtadligen.

Die Chancen für grundlegende Reformen, die sich nach dem Ende des Polnischen Thronfolgekrieges 1738 ergaben, wurden vertan. Das Land und mit ihm das „System der Adelsdemokratie“ trieben damit nach fast zwei Jahrhunderten endloser Kriege an den Rand des Ruins. Mehrere Anläufe zur Reform und Stärkung der Staatsstrukturen, vor allem seiner Finanzen, die unabdingbar zum Aufbau und Unterhalt eines der Staatsgröße und der Zeit gerechten Heeres waren, verliefen während der Reichstage der Jahre 1738, 1744, 1746 und 1748 allesamt „im Sande“. Der Hochadel weigerte sich, neben der natürlichen Angst vor absolutistischen Umtrieben (Verlust der eigenen Macht und Einflusses), sich selbst zu besteuern. Die Institution des Königtums in Polen war zu schwach, die Reformen gegen die Partikularinteressen der Magnatengeschlechter (auch) mit Gewalt durchzusetzen. Faktisch bedeutete die im Stummen Sejm von 1717 fixierte Heeresstärke von 24.000 Mann (effektiv kaum mehr als 10.000 Mann) den militärischen Zusammenbruch Polens. Das viel kleinere Brandenburg-Preußen unterhielt im gleichen Zeitraum eine Stehende Armee mit bis zu 60.000 Mann unter Waffen, der fast 85% der Staatseinnahmen zugeführt wurden. Die Republik sank, durch innere und äußere Faktoren zusätzlich bedingt, nach 1738 für mehr als zwei Jahrhunderte von einem „Subjekt“ der europäischen Gestaltungspolitik auf das Niveau eines „Objekts“ mit beschränkter Souveränität herab, in absoluter politischer Abhängigkeit zu seinen Nachbarn stehend. Vor diesem Hintergrund und durch die militärischen Niederlagen der Adelskonföderationen gegen professionelle Heere ausländischer Berufssoldaten eingeschüchtert, blieb dem Wahlvolk der Adelsrepublik kaum etwas übrig, als einem realitätsfernem Pazifismus anzuhängen, während die absolutistischen Monarchien bar jedweder moralischer Bedenken und Integrität danach trachteten, ihre Grenzen auf Kosten ihrer Nachbarn zu erweitern.

König Stanisław August Poniatowski, Reformbewegung und Teilungen Polens

Der zunehmende innere Verfall der polnischen Adelsrepublik setzte sich auch nach der Wahl Stanislaus August Poniatowskis, eines ehemaligen Liebhabers der Zarin Katharina II., im Jahre 1764 unvermindert fort und weckte immer mehr die Begehrlichkeiten der Nachbarn. Der König unternahm vorsichtige Reformbemühungen, zahlreiche Bildungseinrichtungen und Manufakturen wurden gegründet. Weitergehende Schritte, wie die komplette Abschaffung des Liberum Veto, scheiterten vor allem am Widerstand Russlands.

Im Bereich von Kunst und Kultur bedeutete die Regierungszeit des letzten Königs eine Blütezeit. Besonders galt dies für die Hauptstadt Warschau. Hier entstanden prunkvolle Bauten und Parks. Verewigt ist die Atmosphäre jener Jahrzehnte in den Stadtveduten des Venezianers Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, Hofmaler bei Stanislaus August Poniatowski. Auf Initiative des Königs wurde die Zeitschrift Monitor gegründet. Die Logen der Freimaurer hatten mit Cagliostro und Casanova regen Zulauf. Die Dichter Ignacy Krasicki, Adam Naruszewicz, Stanisław Trembecki konkurrierten mit Dramatikern Franciszek Zabłocki, Wojciech Bogusławski, Julian Ursyn Niemcewicz. Graf Jan Potocki, Völkerkundler und Schriftsteller, erhob sich per Heißluftballon über die Stadt, der Pflanzersohn Lewis Littlepage aus Virginia bereiste als königlicher Sekretär und Diplomat die Höfe Europas.

Pläne zur Teilung Polens gab es auch in den Jahrhunderten zuvor und immer hatten das Haus Brandenburg-Preußen und Russland das größte Interesse daran gehabt. Noch lieber hätte es Russland freilich gesehen, das gesamte Land unter weitgehender politischer Kontrolle zu behalten, wie es seit Jahrzehnten unter dem Vorwand des Schutzes der Orthodoxen und der Protestanten der Fall war. Die Reformansätze des neuen Königs konnten niemandem gefallen, der an der Schwäche Polens interessiert war. Unter massivem russischen Druck mussten König Poniatowski und der Sejm 1768 einen „ewigen polnisch-russischen Vertrag“ unterzeichnen, der alles beim Alten beließ und die Königliche Republik faktisch auf die Höhe eines russischen Protektorats stellte. Zahlreiche konservative Adlige waren gegen den Vertrag und schlossen sich in einer Widerstandsorganisation, der Konföderation von Bar, zusammen. Diese richtete sich gegen den prorussischen König Poniatowski, die Reformen im Lande (u. a. politische Gleichstellung der Dissidenten mit den Katholiken), die Beschneidung der Goldenen Freiheit (u. a. Abschaffung des Liberum Veto), sowie den starken russischen Einfluss in Polen.

Es begann ein vierjähriger Bürgerkrieg, der das Chaos im Lande erneut vertiefte und immer mehr europäische Dimensionen annahm. Der französische König Ludwig XV.[31] und der türkische Sultan Mustafa III. gingen mit der Konföderation eine Allianz ein. Ihr Ziel war die Sicherung der „Republik“ als „barriere de l'est“ gegen die russische Expansion. Der Krieg verlief trotz französischer Militärberater unglücklich. Die Konföderation hatte hohe Opferzahlen unter dem Adel zu beklagen,[32] das Osmanische Reich nicht minder wenige, mit Gebietsverlusten an Russland 1774. Um sich ihren Anteil an der „polnischen Beute“ zu sichern, waren österreichische und brandenburgisch-preußische Truppen schon seit 1769[33] in Teilen Polens einmarschiert und hielten sie besetzt. Die Initiative zu einer wirklichen Aufteilung ging dabei vom preußischen König Friedrich II. aus. In den Verträgen des Jahres 1772 erhielt Russland die Woiwodschaften Połock, Witebsk, Mścisław und Livland. Weite Teile Kleinpolens und Ruthenien fielen an Österreich. Das mit dem Kurfürstentum Brandenburg in Personalunion regierte Königreich Preußen vereinnahmte das Königliche Preußen mit dem Fürstbistum Ermland und Teile der Woiwodschaften Inowrocław und Gnesen. Insgesamt verlor Polen bei der ersten Teilung knapp 200.000 km² mit 4,5 Millionen Einwohnern. Es blieben ihm 527.000 km² mit 7 Millionen Menschen.

Diese Ereignisse brachten führende Köpfe des Staates dazu, noch intensiver über innere Reformen nachzudenken. Man vereinbarte eine grundlegende Reform der Staatsfinanzen, eine Modernisierung der Armee (Aufbau und Finanzierung eines 100.000 Mann starken Stehenden Heeres) und des Bildungswesens durch die Gründung der „Kommission für das nationale Erziehungswesen“. Noch weitergehende Schritte nahm man am Ende der 1780er Jahre in Angriff, als der Vierjährige Sejm mit dem Ziel zusammentrat, eine neue Verfassung zu verabschieden. Diese Konstitution, die eine Erbmonarchie unter dem Haus der Wettiner vorsah, ging als die Verfassung vom 3. Mai 1791 in die Geschichte ein, und war die erste moderne Verfassung Europas, die zweite überhaupt nach den USA, und sah neben einer Teilung und Verschränkung der Gewalten auch das Prinzip der Volkssouveränität vor, wenn auch der Adel der wichtigste Stand bleiben sollte.

Der Widerstand der alten Teilungsmächte gegen diese Veränderungen wuchs allerdings. Das Königreich Preußen suchte, obwohl seit 1790 in einer gegen das Russische Reich gerichteten Defensivallianz sogar mit Polen verbündet war, erneut die Nähe Russlands. Dieses hatte konservative Adlige ermutigt, sich in der Konföderation von Targowica zusammenzuschließen, die vom russischen Militär unterstützt wurde. Der Widerstand der antireformatorischen Kräfte und die russische Intervention zur Unterstützung ihrer Vasallen in Polen, erzwangen 1792 abermals einen Russisch-Polnischen Krieg. Die überstürzte Kapitulation des Königs und dessen Beitritt zur Konföderation von Targowica, trug nun zu einer weiteren Teilung des revolutionären Polen' zwischen Russland und Preußen 1793 bei, in der alle Gebiete östlich der Linie Dünaburg – Chocim an Russland; Großpolen, Westmasowien sowie die Städte Danzig und Thorn an Preußen fielen. Der Annexionen beider Aggressoren hatte sich das Land im letzten adelsrepublikanischen Sejm, dem Sejm von Grodno, durch militärischen Nachdruck zu fügen. Es verblieb ein polnischer Rumpfstaat mit 240 000 km² und 3,5 Millionen Einwohnern.

In ihm brach ein Jahr später ein nationaler Aufstand aus, der von dem Offizier Tadeusz Kościuszko angeführt wurde, der Jahrzehnte zuvor erfolgreich im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und im Russisch-Polnischen Krieg 1792 gekämpft hatte. Zum ersten Mal handelte es sich um einen echten Volksaufstand. Kościuszko proklamierte sich selbst zum „Diktator“ und hoffte auf auswärtige Hilfe. Die Kämpfe, die von wenigen kampferprobten Soldaten und einem Heer mit umgeschmiedeten Kriegssensen bewaffneter Bauern geführt wurden, waren zunächst unerwartet erfolgreich, etwa in der Schlacht bei Racławice nördlich von Krakau. Die militärische Übermacht von Preußen und Russen setzte sich aber doch durch. In der Schlacht bei Maciejowice südlich von Warschau unterlag im Oktober 1794 das Hauptaufgebot mit Kościuszko an der Spitze, der schwer verwundet in die Gefangenschaft geriet. Dass er im Augenblick seiner Verwundung Finis Poloniae! gerufen habe, ist eine spätere Legende, sie trifft jedoch den Kern, da in jenem Augenblick das Schicksal Polens besiegelt war. Der Schlacht bei Maciejowice folgende Kampf um die polnische Hauptstadt, in dem es zu Pogromen gegen die Zivilbevölkerung durch das russische Militär kam, war der Kościuszko-Aufstand endgültig gescheitert.

Mit der folgenden dritten Teilung, in der Russland alle litauischen und ruthenischen Gebiete östlich von Bug und Memel, Österreich das restliche Kleinpolen mit Krakau und Brandenburg-Preußen das restliche Masowien mit Warschau und Teile Litauens erhielt, waren Polen und Litauen, unter Bruch aller bestehender völkerrechtlichen Staatsverträge zwischen der Republik und den Teilungsmächten, für über 100 Jahre von der politischen Landkarte Europas verschwunden. Die endgültige Teilungskonvention, geschlossen in Sankt Petersburg 1797, wurde um ein geheimes Zusatzabkommen ergänzt:

„Im Angesicht der Notwendigkeit alles abzuschaffen, das die Erinnerung an das Bestehen des Königreichs Polen wiederbeleben könnte…, stimmen die den Vertrag abschließenden Parteien überein…, niemals ihre Titel um den Namen oder Würden des Königreichs Polen zu ergänzen, welches von heute und für alle Zeit unterdrückt bleiben soll!“

Der letzte Souverän der Rzeczpospolita, König Stanislaus August Poniatowski, starb, nach erzwungener Abdankung durch die Okkupanten, unerwartet 1798 in Sankt Petersburg. Vom katastrophalen Ausgang der polnischen Staatlichkeit profitierte hingegen auch eine vierte Partei, die Erste Französische Republik, die das innere Staatsgefüge in den Wirren der Französischen Revolution konsolidieren konnte, während Polen zwischen 1792 und 1795 beträchtliche Kräfte und Aufmerksamkeit der absolutistischen Großmächte Mittel- und Osteuropas auf sich zog.

1795–1914: Fremdherrschaft

Polen in den Koalitionskriegen 1795–1815

Die nach dem Ende der polnischen Staatlichkeit verbliebenen Aufständischen und Oppositionellen setzten ihre Hoffnungen auf das revolutionäre Frankreich. Auf dessen Anregung entstand bis 1797 in Oberitalien eine 6000 Mann starke Polnische Legion unter General Jan Henryk Dąbrowski, die auf Seiten Napoleons bis zum Frieden von Lunéville 1801 kämpfte, ohne ihrem eigentlichen Ziel näher zu kommen. Statt dessen wurden die polnischen Soldaten wegen der Jakobinernähe ihrer polnischen Offiziere vom nach absoluter Macht strebenden Napoleon im Kampf gegen Aufständische auf Haiti eingesetzt, wo sie mehrheitlich durch Tropenkrankheiten dezimiert wurden. Was blieb, war der Siegeswille der Legionäre, der sich im Text des Liedes Józef Wybickis von 1797 manifestierte: „Noch ist Polen nicht verloren, solange wir leben“, und weiter „Marsch, marsch, Dąbrowski, von Italien nach Polen“ (seit 1918 die Nationalhymne Polens).

Gleichzeitig versuchten polnische Adlige am Petersburger Hof, wie der beim Zaren zu Einfluss gelangte Fürst Adam Jerzy Czartoryski, die Lage im russischen Teilungsgebiet zu mildern, was durch eine größere Freiheit besonders im Bildungswesen zeitweise auch gelang, außenpolitisch jedoch keine Erfolge zeigte, da Russland nicht zu einem Krieg gegen Preußen bereit war. Die französischen Kriegserfolge des Jahres 1806 bewogen einige Polen erneut auf die Karte Napoleon zu setzen und einen bewaffneten Aufstand im polnischen Südpreußen zu wagen. Durch die Schwäche Preußens und den Vormarsch der Grande Armée hatte die Erhebung Erfolg.

Napoleon, der bei seinem Einmarsch in Warschau am 19. Dezember 1806 nach dem Sieg über Preußen wie ein Befreier gefeiert wurde,[34][35][36][37] dachte allerdings an Stärkung und Auffüllung seines Heeres für den zukünftigen Kampf gegen Russland. Er erklärte sich jedoch dazu bereit, im Rahmen des Tilsiter Friedens, aus dem das Königreich Preußen geschwächt herausging, ein relativ kleines Herzogtum Warschau zu bilden, an dessen Spitze der sächsische Kurfürst Friedrich August gestellt wurde. Statt der erwarteten Bestätigung der Mai-Verfassung, wurde lediglich, dem französischen Vorbild folgend, das „Statut conventionnel“ erlassen, sodass die entscheidende politische Rolle dem französischen Residenten in Warschau zufiel.

Trotz politischer Schwierigkeiten wuchs das Engagement der polnischen Bevölkerung für den neuen Staat. Dies galt besonders für das auf französischer Seite kämpfende Militär, dem es 1809 gelang Teile Kleinpolens von Österreich zurückzuerobern, das im Österreichisch-Polnischen Krieg unter Erzherzog Ferdinand Karl von Österreich-Este als erster der drei alten Teilungsmächte versuchte das neuentstandene polnische Staatswesen zu ersticken. Aus diesen Gründen war auch die polnische Bereitschaft hoch, sich massiv am Russlandfeldzug 1812 Napoleons zu beteiligen. Mit über 100.000 Mann, bei ungefähr 4 Millionen Einwohnern, stellten die Polen aus dem Herzogtum das größte Kontingent nach den Franzosen und kämpften im Winter 1812–1813 an der Seite Frankreichs in Russland. Nur wenige Tausend kehrten anschließend in ihre Heimat zurück. Aufgrund der Niederlage Napoleons und seiner Grande Armée, besetzte Russland rasch große Teile des schutzlosen Herzogtums inklusive der Hauptstadt Warschau und legte dem okkupierten Land Kontributionen auf.

Die endgültige Entscheidung über die Zukunft Polens fiel auf dem Wiener Kongress von 1815, als die Grenzen der Teilungen bestätigt und lediglich die Position Preußens zugunsten der Russlands geschwächt wurde. Preußen musste die in der dritten Teilung erworbenen Gebiete weitgehend aufgeben. Das bis 1809 österreichische Krakau wurde zur Freien Stadt erklärt. Das Herzogtum Warschau wurde um die Provinz Posen verkleinert, die an Preußen zurückfiel. Der Rest wurde als „Königreich Polen“ mit eigener Verfassung und Autonomie ausgestattet und in Personalunion mit dem Russischen Reich vereinigt. Die Existenz einer polnischen Nation wurde von allen europäischen Großmächten anerkannt. In den folgenden Jahren gelang es, die soziale Umstrukturierung der Gesellschaft voranzubringen, die die Grundlagen für die Entstehung einer demokratischen polnischen Nation aller Stände schuf.

Die französische Zeit hinterließ ein ausgezerrtes „Rumpf-Polen“. Zu lange setzte die polnische Führung (besonders Fürst Poniatowski) auf Napoleon. Während sich 1813 fast ganz Europa gegen Napoleon gestellt hatte, waren die Polen das einzige europäische Volk, das dem Despoten noch in der Völkerschlacht bei Leipzig die Treue hielt, während die restlichen französischen Verbündeten vor allem aus dem Rheinbund und die sächsischen Regimenter überliefen. Weil der russische Zar in der Frage eines souveränen Polens zu keinen Konzessionen bereit war, befand sich Fürst Poniatowski und sein Volk in einer schwierigen Situation. Mit dem Sturz Napoleons durch die Teilungsmächte und das Vereinigte Königreich, brach für die Polen etwas mehr als ein Jahrhundert Fremdherrschaft an. Der polnische Nationalstaat war von der europäischen Landkarte verschwunden (endgültig nach der Auflösung der Verfassung „Kongreßpolens“ 1831) und die polnische Kultur und Sprache wurde zum Teil unterdrückt.

Zeit der Aufstände 1815–1864

Auf lange Sicht gesehen war die polnische Nation nach den Wiener Beschlüssen von 1815 nicht bereit, den Status quo zu akzeptieren. Die katholische Kirche wuchs aufgrund ihrer beibehaltenen Strukturen immer stärker in die Rolle einer Bewahrerin der Traditionen hinein.

Die politische Entwicklung seit 1815 war durch eine eher gemäßigte Unterdrückung durch den Zaren und seinen Warschauer Statthalter Novosilcov geprägt. Damit waren aber viele Jüngere, geprägt vom Geist der polnischen Romantik und ihrer Helden wie Adam Mickiewicz und Juliusz Słowacki, nicht zufrieden. Die Nachricht von Revolutionen in Paris und in Belgien im Jahre 1830 ließ auch eine kleine Gruppe von Warschauer Verschwörern zu den Waffen greifen. Am 28. November desselben Jahres brach der Aufstand gegen die russische Bevormundung aus, der jedoch keine konkreten politischen Zielvorstellungen hatte. Aufgrund der zögerlichen russischen Reaktion gelangen zunächst einige Erfolge, die den im Dezember zusammengetretenen Sejm dazu bewogen, die Dynastie der Romanows für abgesetzt zu erklären. Im Laufe des Jahres 1831 behielt Russland in der massiven militärischen Auseinandersetzung aber die Oberhand, auch deswegen, weil die Aufständischen zu keinen weitergehenden Schritten in der Bauernfrage bereit waren.

Der Novemberaufstand war in ganz Europa äußerst populär, besonders in Deutschland, wo die entstehende Polenbegeisterung auch nach dem Scheitern des Aufstandes und dem Einsetzen der „Großen Emigration“ zunächst weiter bestand und zur Entstehung von Solidaritätskomitees und „Polenliedern“ führte, deren Höhepunkt das sog. „Hambacher Fest“ im Jahre 1832 war, wo deutsche und polnische nationale Bestrebungen auf eindrucksvolle Weise miteinander verbunden wurden. Im russischen Teilungsgebiet selbst wurde die Sonderstellung der Polen nun massiv eingeschränkt. Jetzt wurde in Teilen der Verwaltung mit der Russifizierung begonnen und das polnischsprachige Bildungssystem geschwächt. Zu einem neuen Zentrum der polnischen Politik wurde das Hôtel Lambert in Paris, wohin viele bedeutende Politiker geflohen waren und wo mit den „Konservativen“ und den „Demokraten“ die beiden Hauptlager entstanden.

Aufgrund der Unterdrückung im russischen Teilungsgebiet wandte sich das Hauptaugenmerk für einen erneuten Aufstand den anderen beiden Regionen zu. Für Anfang 1846 wurde eine gesamtpolnische Erhebung geplant, die ihren Schwerpunkt aber im preußischen Posen und der Freien Stadt Krakau haben sollte. Der Posener Plan wurde jedoch verraten und die Verschwörer mit ihrem Kopf Ludwik Mierosławski verhaftet. Die Bestrebungen im österreichischen Teilungsgebiet wurden nur halbherzig durchgeführt. Parallel dazu brach aber dort ein Bauernaufstand aus, der sich vor allem gegen die polnischen Landadligen richtete und von den Behörden teilweise unterstützt wurde. Dieser extrem grausame Bürgerkrieg führte in nur zwei Monaten zu über 1000 Toten. Krakau, das vorübergehend in polnischer Hand war, wurde schließlich von österreichischen Truppen besetzt und 1846 in die Donaumonarchie inkorporiert. Aufgrund dieses völligen Scheiterns war es um so überraschender, dass die polnische Frage zwei Jahre später in Preußen wieder zu einem beherrschenden Thema wurde.

Im preußischen Teilungsgebiet waren die Jahre seit 1815 vor allem geprägt durch die 1823 durchgeführte endgültige Bauernbefreiung. Die zunächst relativ gemäßigte Politik gegenüber den Polen wurde nach dem Amtsantritt des neuen Oberpräsidenten Eduard Heinrich von Flottwell Ende 1830 zunehmend antipolnisch, vor allem in der Bildungs- und der Kirchenpolitik. Seit Beginn der 1840er Jahre schien sich unter dem neuen preußischen König Friedrich Wilhelm IV. eine liberalere Polenpolitik anzudeuten, bis die Aufstandspläne von 1846 und der große Berliner Polenprozess eine erneute Wende einleiteten. Die Märzrevolution des Jahres 1848 führte auch zum Wiederentstehen polnischer Organisationen in der preußischen Provinz Posen. Man erwartete das Ausbrechen eines Krieges gegen das reaktionäre Russland. Mitunter arbeiteten deutsche und polnische Demokraten eng zusammen. Der Krieg kam jedoch nicht, der preußische König überwand seine zeitweilige Schwäche und die nationalen Spannungen im Lande nahmen zu. Den Aufständischen gelang es nicht, die preußische militärische Übermacht zu besiegen. Dass die Stimmung des Jahres 1848 nicht mehr der von 1832 entsprach, zeigte schließlich die dreitägige Polendebatte der Frankfurter Nationalversammlung im Juli 1848 sehr deutlich. Nur noch wenige traten für die Rechte der Polen ein, die national-konservativen Kräfte setzten sich endgültig durch. Letztes Aufflackern war die demokratische Revolution in Baden, an deren militärischer Spitze 1849 Mierosławski stand. An den europäischen Revolutionen der Jahre 1848/1849 hatten auch an anderen Stellen Polen mitgekämpft, etwa General Josef Bem in Österreich und Ungarn. Keinen Aufstandsversuch gab es aber im russischen Teilungsgebiet, wo der Statthalter Ivan Paskevič die Zügel fest in der Hand hielt.

Erst die russische Niederlage im Krimkrieg 1855 und der Amtsantritt des neuen Zaren Alexanders II. weckte neue Hoffnungen. Es entwickelten sich nun ernstzunehmende Pläne einer engen polnisch-russischen Zusammenarbeit unter dem gemäßigten Adligen Aleksander Wielopolski, der 1862 zum Chef einer nur aus Polen bestehenden Zivilregierung ernannt wurde. Die Demokraten dagegen sahen sich durch die Einigungsbestrebungen Italiens wieder zu revolutionären Taten veranlasst und begannen im Januar 1863 einen bewaffneten Aufstand, den Januaraufstand, in dem es allerdings nicht gelang, Unterstützung aus anderen europäischen Staaten zu erhalten. Die verschiedenen gesellschaftlichen Absichten der polnischen Emigration, das Fehlen einer schlagkräftigen militärischen Führung im Lande und die vergeblichen Versuche, auch die Bauern zu mobilisieren, brachten auch diesen Aufstand zum Scheitern. Die massiven Vergeltungsmaßnahmen der Russen, Enteignungen und Deportationen nach Sibirien, führten dazu, dass der Adel nun seine beherrschende Kraft innerhalb der polnischen Gesellschaft verlor, die Ideen der Romantik waren endgültig gescheitert.

„Organische Arbeit“ und polnische Nationalbewegung 1864–1914

Das Scheitern der Aufstände führte in allen drei Teilungsgebieten zu neuen Überlegungen bei den Eliten, die immer mehr vom Bürgertum gestellt wurden. Aus dem passiven Widerstand vor allem im russischen Teil erwuchs der Wille, der drohenden Russifizierung und Germanisierung aus eigener Kraft Herr zu werden, ohne immer wieder zu Aufständen greifen zu müssen. Man favorisierte das Konzept einer langsamen, evolutionären Entwicklung der eigenen Fähigkeiten in den Bereichen Wirtschaft, Bildung oder Kultur, das mit dem Schlagwort „organische Arbeit“ bezeichnet wurde. Ausgedacht wurden diese Überlegungen von einer neuen Generation von Publizisten und Schriftstellern, die sich vor allem in Warschau versammelten. Sie gründeten unter anderem die „Fliegenden Universitäten“, bei deren heimlichen Treffen die sozialen, naturwissenschaftlichen und medizinischen Probleme ihrer Zeit diskutiert wurde. In Anlehnung an das Hauptwerk „Positive Philosophie“ des französischen Philosophen Auguste Comte nannten sich diejenigen, die der Bewegung angehörten, Positivisten. Zu ihr gehörte auch die Wissenschaftlerin Marie Curie, geb. Skłodowska.

Im Rahmen dieses kulturellen Nationalkampfes spielte die Rückbesinnung auf die Vergangenheit eine große Rolle, als Polen die drei Teilungsmächte zeitweise dominiert oder – wie vor Wien 1683 – gerettet hatte. Der Krakauer Historienmaler Jan Matejko schuf zahlreiche patriotisch-motivierte Gemälde,[38] die bei der Bewahrung einer kulturellen Identität Polens in den 123 Jahren der Teilung eine wichtige Rolle spielten.[39] Darunter sein berühmtestes Bild, die 1878 entstandene Schlacht bei Grunwald, das den Triumph der Polen über das Ritterheer des Deutschen Ordens im Jahr 1410 feiert.

Auch die patriotische Literatur jener Zeit orientierte sich an der Geschichte. Wichtig waren hier unter anderem die Historienromane von Henryk Sienkiewicz, der in seinem 1900 erschienenen Buch Krzyżacy (dt.: Die Kreuzritter) in Anlehnung an Matejkos Werk von der Schlacht bei Grunwald erzählt. Auch populäre Mythen und Geschichten wie die Erlebnisse des Michał Drzymała oder die Hymne „Rota“ der bedeutenden Schriftstellerin Maria Konopnicka mit ihren antideutschen bzw. antipreussischen Zeilen spielten im Nationalkampf eine wichtige Rolle.

Wie inspirierend und mobilisierend der politische Mythos von Grunwald auf die unterdrückte polnische Bevölkerung wirkt, zeigte sich im Juli 1910, als zur Fünfhundertjahrfeier der Schlacht 150.000 Menschen zusammenkamen – die größte nationale Kundgebung während der gesamten Teilungszeit. Da das Schlachtfeld selbst zum Deutschen Reich gehörte, fand die Veranstaltung im galizischen Krakau statt, wo die österreichisch-ungarische Regierung eine wesentlich liberalere Kulturpolitik betrieb.[40]

„Kulturkampf“ und Folgen: preußisches Teilungsgebiet

In Preußen wurden mit dem Amtsantritt des neuen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck die Bestrebungen einer vollständigen Integration auch der mehrheitlich polnisch bewohnten Landesteile (Teile Westpreußens, der Provinz Posen und Oberschlesiens) verstärkt. Seine Politik begann sich in den 1860er Jahren besonders gegen den dortigen Adel und den katholischen Klerus in allen Teilen Preußens zu richten. Nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 wurden die Germanisierungsbestrebungen noch verstärkt. Dazu zählte die stufenweise Abschaffung des Polnischen als Unterrichtssprache an Oberschulen. Darüber hinaus fanden massive Schritte gegen den katholischen Klerus im Zuge des Kulturkampfs ihren Niederschlag, die zugleich auch im katholischen Westfalen, im Rheinland und in Bayern erfolgten (unter anderem Aufhebung der geistlichen Schulaufsicht). Gerade die letztgenannten Aktionen bewirkten aber genau das Gegenteil des Gewünschten, weil die bisher national eher passiven polnischen Bauern – zum Teil in Kooperation mit Katholiken aus dem Süden und Westen des Kaiserreichs – für ihren katholischen Glauben zu kämpfen begannen.

In Westpreußen und in der Provinz Posen scheiterte der Versuch einer weiteren „Germanisierung des Bodens“ durch Aufkauf polnischen Landes ebenso wie die Bemühungen, neue deutsche Siedler ins Land zu locken. Hauptgrund war die landwirtschaftliche Prägung, die im Zeitalter der Industriellen Revolution nur geringe Aussichten auf Wohlstand versprach. Deutsche und Polen wanderten gleichermaßen aus West-/Ostpreußen und Posen in das Ruhrgebiet und das oberschlesische Industrierevier ab. Organisationen wie der „Ostmarkenverein“ verschärften die Antagonismen noch mehr und führten zu Gegengründungen polnischer Vereine.

Die Ausweisungen mehrerer zehntausend Polen russischer Staatsangehörigkeit in den Jahren 1885–1886 brachten auch die internationale öffentliche Meinung gegen das Deutsche Reich auf. Gegen die deutsche Unterrichtssprache gab es gut organisierte und effektive Schulstreiks, dessen bekanntester in Wreschen im Jahre 1901 auch internationales Aufsehen erregte. Auch eine zwischenzeitlich betriebene liberalere Politik unter Reichskanzler Caprivi konnte an diesen längerfristigen Aktionen nichts ändern. Im Ergebnis ging der Anteil der Deutschen bzw. Deutschsprachigen in der Provinz Posen von 1871 bis 1910 von 44 auf 38 Prozent zurück, der Anteil der Polen stieg vice versa von 56 auf 62 Prozent.

Am wirtschaftlichen Aufschwung des Kaiserreichs partizipierten freilich auch die Polen. Der sich anbahnende bescheidende Wohlstand hatte auch Initiativen zur Volksbildung zur Folge, die wiederum gut als Teil der „organischen Arbeit“ genutzt werden konnten. Durch eine gewisse Rechtssicherheit für den Einzelnen und die Möglichkeit parlamentarischer Mitwirkung, zum Beispiel über die Partei der Polen im Reichstag, wurden Strukturen geschaffen, die nach 1918 im polnischen Staat von Nutzen waren. Das war ein wesentlicher Unterschied zum zaristischen Russland, in dem es diese Rechtssicherheit nicht gab und teilweise nicht einmal Religionsfreiheit herrschte. Eine besondere Rolle innerhalb des preußischen Staates spielte die oberschlesische Industrieregion, die in jenen Jahren ähnlich dem Ruhrgebiet zu einem riesigen Wachstumsgebiet wurde, in dem sich jedoch gleichzeitig die deutsch-polnischen nationalen Spannungen immer heftiger zu entladen begannen. Die beiden Industriezentren zogen auch Hunderttausende von Arbeitskräften an, was zum hohen Anteil von Polen an der Bevölkerung des Ruhrgebiets führte. Im Ruhrgebiet integrierten sich die polnischen Zuwanderer (Ruhrpolen) rasch in die ortsansässige Bevölkerung.

Situation in Galizien

Die Bedingungen für eine Weiterentwicklung polnischer Strukturen waren im österreichischen Teilungsgebiet am günstigsten. Nachdem Österreich in Oberitalien, im Rahmen der italienischen Einigungskriege, Risorgimento, Ende der 1850er Jahre schwere Rückschläge hinnehmen musste und anschließend den Kampf im Deutschen Krieg gegen Preußen um die Vorherrschaft im Deutschen Bund 1866 verloren hatte und zudem im Rahmen der Österreichisch-Ungarischen Verständigung den internen Ausgleich mit dem Königreich Ungarn durchführte, sah man sich auch in Galizien veranlasst, die Zügel zu lockern.

Der Kaiser von Österreich, Franz Joseph I., erlaubte die Polonisierung des Schulwesens und der Verwaltung, in anderen Bereichen gewährte man ebenfalls wachsenden polnischen Einfluss, so dass ab 1867 eine de facto Autonomie Galiziens bestand, was jedoch die Missbilligung der Preußen und Russen heraufbeschwor. Die polnisch dominierte Autonomie berücksichtigte allerdings nicht die Sprache und Kultur der in Ostgalizien beheimateten Ukrainer.

Einen wichtigen Einfluss auf das geistige Leben übten die Universitäten von Krakau und Lemberg aus, an denen eine ganze Reihe polnischer Wissenschaftler ausgebildet wurden. Im Gegenzug sicherte das polnische konservative Lager dem Haus Habsburg-Lothringen seine volle Loyalität zu und vertrat diese auch personell und ideell am Wiener Hof. Problematisch blieb in der strukturschwachen Region die Lage der ländlichen Bevölkerung und der größtenteils nicht assimilierten Juden. Auch deshalb entstanden bald populistische Bewegungen der Bauern, die die Grundlagen für die in der Zwischenkriegszeit mächtigen Bauernparteien legten. Das liberale geistige Klima am Vorabend des Ersten Weltkrieges ermöglichte auch die Aufstellung paramilitärischer Verbände, die für die Wiedererlangung der Unabhängigkeit kämpfen sollten. Es fehlte zunächst aber ein klares und allgemein unterstütztes politisches Konzept für die weitere Entwicklung.

Lage im russischen Kongresspolen („Weichselland“)

Im russischen Teilungsgebiet waren nach dem gescheiterten Januaraufstand die Verwaltungsstrukturen völlig russifiziert worden, als Привислинский Край, Privislinsky Krai bzw. Weichselland. Die Verwendung der polnischen Sprache in Zeitungen, Büchern und Kirchen war untersagt. Seit 1885 durfte in den Schulen außer in den Fächern Polnisch und Religion nur russisch unterrichtet werden. Die Bezeichnung „Polen“ verschwand aus der zaristischen Verwaltung.

Nachdem die alten Wege gescheitert waren und die Entwicklung der „organischen Arbeit“ eine gewisse Zeit brauchte, führten die umfangreichen demographischen und ökonomischen Veränderungen der zweiten Jahrhunderthälfte auch zum Entstehen sozialistischer Bewegungen. Die 1892 in Paris gegründete „Polnische Sozialistische Partei“, die im Jahre darauf auch im Weichselland tätig wurde, geriet unter ihrem faktischen Anführer Józef Piłsudski in gemäßigteres Fahrwasser und vertrat etwa seit der Jahrhundertwende die Parole „Durch Unabhängigkeit zum Sozialismus“.

Parallel dazu gab es terroristische Anschläge, die die russische Polizei nicht zur Ruhe kommen ließen. Demgegenüber schlossen sich die internationalistischeren, klassenkämpferischen Kräfte unter den beiden Anführern Julian Balthasar Marchlewski und Rosa Luxemburg zur „Sozialdemokratie des Königreichs Polen und Litauen“ zusammen und suchten die Zusammenarbeit mit den russischen Sozialisten. Auf der rechten Seite des Parteienspektrums etablierte sich die „Liga Narodowa“ (Nationale Liga), die mit ihrer nationalistischen, antisemitischen und prorussischen Orientierung einen anderen Weg zur nationalen Selbständigkeit suchte und polnische Autonomie „unter dem Zepter des Zaren“ anstrebte. Ihr dem Panslawismus nahestehender Anführer Roman Dmowski war bis in die 1930er Jahre der Hauptwidersacher Piłsudskis. Während Dmowski schon um 1908 in einer Buchpublikation[41] für eine Ausdehnung Polens nach Westen plädiert hatte und sich bereits 1914 mit der russischen Regierung darauf verständigt hatte, die zukünftige Ostgrenze Polens gegenüber Russland durch Anwendung des ethnographischen Prinzips festzulegen,[42] wollte Piłsudski die polnischen Staatsgrenzen unter Berufung auf die Staatsgrenzen des 1772 untergegangenen litauisch-polnischen Staatenbunds weit über das ethnographische Polen hinaus nach Osten vorschieben. Zunehmende politische Bedeutung gewann in den ländlichen Gebieten die Bauernbewegung unter Wincenty Witos.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts spitzte sich die politische Lage in Teilen des russischen Weichsellandes zu. Der Beginn des Russisch-Japanischen Krieges durch den Überfall der Japaner auf die russische Pazifikflotte bei Port Arthur am 8. Februar 1904 verstärkte die Hoffnungen auf einen Zusammenbruch des Russischen Reiches. Gegen Ende des Jahres fanden in Warschau und anderen Städten Demonstrationen gegen die Rekrutierung von Polen für die russische Armee statt, an der sich erstmals kleinere polnische Kampfverbände Piłsudskis beteiligten. Diese Trupps verübten in dieser Zeit auch verschiedene politische Attentate, Raubüberfälle etc. Im Februar 1905 wurden Schulstreiks organisiert, die zu Erfolgen wie der Wiederzulassung der polnischen Sprache im Unterricht führten. Auch im religiösen und wirtschaftlichen Bereich musste die russische Regierung infolge des Krieges Konzessionen machen. Die gewalttätigen Arbeiterproteste in Russland mit ihrem Höhepunkt im Petersburger Blutsonntag vom 9. Januarjul./ 22. Januar 1905greg. griffen allmählich auch auf die Ostseeprovinzen und Kongresspolen über. Im Juni kam es in Łódź, dem industriellen Zentrum des Weichsellandes, zu Barrikadenkämpfen, die viele Opfer forderten.

Die sich abzeichnende russische Niederlage und die inneren Unruhen, während der Russischen Revolution von 1905, verschärften die Krise zunächst weiter, auch wenn Zar Nikolaus II. am 30. Oktober in seinem Oktobermanifest politische Reformen ankündigte. Weitergehende Versuche zur Machterlangung in Warschau gingen jedoch nur noch von der PPS aus, da die Nationaldemokraten nun zunächst die neue russische Regierung von Pjotr Stolypin unterstützten und konservativ-klerikale Kreise von Papst Pius X. zur Zurückhaltung aufgefordert wurden. In den folgenden Jahren ging die russische Führung jedoch erneut auf Konfrontationskurs in allen Nationalitätenfragen, so dass sich auch für die Polen praktisch keine politischen und gesellschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten boten.

1914–1918: Polen im Ersten Weltkrieg

Der 1914 ausgebrochene Erste Weltkrieg brachte die Frage der Revision der polnischen Teilungen wieder auf die europäische Tagesordnung. Allerdings erschien es zunächst als äußerst unwahrscheinlich, dass die Teilungsmächte aus dem 18. Jahrhundert – das Königreich Preußen (1871 aufgegangen im Deutschen Kaiserreich), das Haus Österreich (1867 aufgegangen in Österreich-Ungarn) und das Russische Reich – geschlossen als Verlierer aus dem Krieg hervorgehen würden.

Die Einziehung von Millionen von Polen in die Armeen der kriegführenden Parteien stellt neben dem Teilungstrauma eine weitere, historisch wenig beachtete Nationaltragödie des polnischen Volkes dar, kämpften nun die „deutsch-österreichischen“ Polen gegen ihre Landsleute aus dem von Russland besetzten Teil Polens. Zudem wurde das polnische Territorium bald zum Hauptkriegsschauplatz im Osten. Die Besetzung weiter Teile Galiziens durch die russische Armee führte zu einer großen Fluchtwelle der Bevölkerung nach Westen. Darunter befanden sich besonders viele Juden, die Angst vor erneuten Pogromen unter russischer Herrschaft hatten. Die Gegenoffensive der Mittelmächte im Sommer 1915 veränderte die Lage jedoch erneut, da sie bis zum Winter zum Rückzug der Russen aus ganz Kongresspolen führte. Das eroberte Territorium wurde in ein deutsches Generalgouvernement Warschau und ein österreichisches mit Sitz in Lublin eingeteilt.

Regentschaftskönigreich Polen

Die Politik in Berlin war sich in Bezug auf die Zukunft Polens nicht einig. Während die einen, unterstützt von Generalgouverneur Hans von Beseler ein autonomes polnisches Königreich Polen befürworteten, plädierten die anderen wie etwa Erich Ludendorff für einen Verständigungsfrieden mit Russland und eine Rückkehr zu den Vorkriegsgrenzen. Währenddessen wurde in Posen der polnische Oberste Volksrat gegründet. Erst danach und nach dem endgültigen Scheitern der Blitzkriegstrategie entschloss man sich zu einem Angebot an Polen, auch um mehr polnische Soldaten für die eigenen Reihen zu gewinnen. Mit dem Akt vom 5. November 1916 proklamierten der deutsche Kaiser Wilhelm II. und der österreichische Kaiser Franz Joseph die Errichtung eines Königreichs Polen in den bisher zu Russland gehörenden Gebieten, das sich politisch und militärisch eng an die Mittelmächte anlehnen sollte. In Berlin plante man jedoch weiterhin Gebietsannexionen auf Kosten dieses Staates, dessen Grenzen nie genau festgelegt wurden. Kurz danach sprachen sich auch der russische Zar Nikolaus II. (am 25. Dezember 1916), und der US-Präsident Woodrow Wilson (am 22. Januar 1917) für die Wiederherstellung des unabhängigen polnischen Staates aus, wobei nur die Vorstellungen des letzteren sich den polnischen Interessen und Wünschen bezüglich des Territoriums des künftigen polnischen Staates näherten.

Im österreichischen Teilungsgebiet waren unmittelbar nach Kriegsbeginn polnische Legionen unter k.u.k.-Oberbefehl aufgestellt worden, die aus den paramilitärischen Schützenverbänden Józef Piłsudskis hervorgingen. Diese Einheiten umfassten im Sommer 1916 etwa 25.000 Mann und kämpften vor allem gegen Russland. Nach dem Akt vom 5. November wurden die Legionen dem deutschen Oberbefehl unterstellt, aus ihnen sollte 1917 die Polnische Wehrmacht hervorgehen. Ein Teil der Brigaden weigerte sich jedoch im Juli 1917, den Eid auf einen imaginären polnischen König sowie zur Treue gegenüber den Kaisern von Deutschland und Österreich zu leisten, und wurde infolge dessen entweder entwaffnet und inhaftiert oder direkt in deutsche Truppenteile einbezogen. Piłsudski selber wurde ebenfalls verhaftet und in die Festung Magdeburg gebracht. Am 18. September 1917 wurde die oberste Staatsgewalt formell auf einen neu eingerichteten dreiköpfigen Regentschaftsrat übertragen, der aus dem Warschauer Erzbischof Aleksander Kakowski, dem Magnaten Fürst Zdzisław Lubomirski und dem ebenfalls adligen früheren Vorsitzenden des Polenklubs der russischen Duma Józef Ostrowski bestand.

Die weiteren Planungen wurden in erster Linie durch den Zusammenbruch des Russischen Reiches nach der Februarrevolution und der Oktoberrevolution 1917 bestimmt. Die Reichsführung mit der OHL an der Spitze glaubte nun an einen raschen Sieg und weitere territoriale Gewinne im Osten. Im „Brotfrieden“ mit der neu entstandenen Volksrepublik Ukraine vom 9. Februar 1918 in Brest Litowsk – nicht zu verwechseln mit dem späteren Frieden von Brest-Litowsk mit Sowjetrussland – wurde dieser ein Teil polnischen Staatsgebietes, die Region um Chełm zugesichert. Schon die Unterstützung der deutschen Militärbehörden für einen unabhängigen Staat Litauen mit Vilnius als Hauptstadt hatte im Dezember 1917 Empörung in Polen ausgelöst. Erschwerend hinzu kam die Requirierung von Rohstoffen und Lebensmitteln sowie die Verschleppung polnischer Zwangsarbeiter ins Reich wegen dessen immer schwierigeren ökonomischen Lage.

Als sich der Zusammenbruch der deutschen Westfront abzuzeichnen begann, waren sich alle politischen Lager Polens darin einig, mit Unterstützung von US-Präsident Wilson so schnell wie möglich die eigene Unabhängigkeit zu erreichen. Dazu trugen auch polnische Soldaten bei, die auf Seiten Frankreichs kämpften. Die im Juni 1917 ins Leben gerufene Blaue Armee unter General Józef Haller, etwa 70.000 Mann (Freiwillige, ehemalige Kriegsgefangene etc.), wurde u. a. in der Champagne eingesetzt.

1918–1939: Zweite Republik

Konsolidierung des neuen Staates

Anfang des Jahres 1918 verlangten die Mittelmächte in Brest-Litowsk von Russland die „Unabhängigkeit“ für Polen, dabei wurden Polens Grenzen von Deutschland und Österreich enger als 1772 gezogen. Nachdem das Deutsche- und das Österreichische Kaiserreich den Krieg verloren hatten, und das Russische Reich im Chaos des Russischen Bürgerkriegs versank, erlangten die Polen, auch durch die politische Unterstützung der Westmächte, ihre volle staatliche Souveränität zurück. Am 7. Oktober 1918 proklamierte der Regentschaftsrat in Warschau einen unabhängigen polnischen Staat und übernahm fünf Tage später die Befehlsgewalt über die Armee. Nach den Bestimmungen des Versailler Vertrags wurde Polen 1919 eine international anerkannte und unabhängige Republik.

Bereits im November 1918 hatte der aus der Magdeburger Haft entlassene Józef Piłsudski in Warschau als „Vorläufiges Staatsoberhaupt“ die Macht übernommen. Er berief einen verfassunggebenden Sejm ein, der eine demokratische Verfassung ausarbeiten und verabschieden sollte. Die ersten Jahre der Unabhängigkeit vergingen mit dem inneren Aufbau des Staates. Die bestehenden staatlichen Strukturen, welche die drei verschiedenen Teilungsmächte hinterlassen hatten, mussten vereinheitlicht, teilweise aber auch völlig neu geschaffen werden. Außerdem war das Land weitgehend vom Krieg verwüstet, wie auch seine Grenzen in weiten Teilen nicht festgelegt waren.

Als 1921 die neue Verfassung verabschiedet wurde, in der nur ein schwacher Präsident vorgesehen war, verzichtete Piłsudski auf die Ausübung dieses Amtes und zog sich ins Privatleben zurück. Die Jahre bis 1926 waren innenpolitisch somit von mehreren aufeinanderfolgenden parlamentarischen Regierungen dominiert. Zum ersten offiziellen Präsidenten Polens wurde 1922 Gabriel Narutowicz, ein Vertreter der gemäßigten Linken, gewählt. Narutowicz wurde jedoch wenige Tage nach seiner Amtseinführung von einem nationalistischen Fanatiker ermordet. Zu seinem Nachfolger wählte das Parlament den gemäßigten Sozialisten Stanisław Wojciechowski. Da die Mehrheitsverhältnisse im polnischen Parlament, dem Sejm, sehr instabil waren, wechselten sich die Regierungen häufig ab und waren teilweise sehr schwach.

Polen entwickelte ab 1921 gute Beziehungen zu Großbritannien und Frankreich, die an Polen als strategischem Bündnispartner interessiert waren und den Bau eines neuen Hafens in Gdingen finanzierten. Aus dem Fischerdorf mit 1000 Einwohnern wurde in wenigen Jahren ein Groß- und Militärhafen mit über 100.000 Einwohnern. Weil Gdingen mit dem Danziger Hafen konkurrierte und Polen gegen den Willen der Danziger Regierung ein polnisches Munitionslager auf der Westerplatte durchsetzte, kam es zu Spannungen mit der Freien Stadt Danzig. Der Zugang zu Ostpreußen vom restlichen Deutschen Reich war per verplombtem Korridorzug von Konitz bis Dirschau durch das polnische Gebiet auf der Ostbahn oder per Schiff, durch den Seedienst Ostpreußen möglich.

Konflikte mit den Nachbarn

Aufgrund von unklaren Grenzverläufen des neuen polnischen Staates kam es zu Konflikten mit den Nachbarn.

Deutschland

Mit Deutschland gab es zwischen 1919 und 1921 Kämpfe vor allem um den Besitz Oberschlesiens. Die Abstimmung am 20. März 1921 ergab eine Mehrheit von fast 60 % für den Verbleib bei Deutschland. Allerdings zeigte sich, dass es dabei erhebliche regionale Unterschiede gegeben hatte, so dass in einigen Gebieten das pro-polnische Votum überwog. Polnische Freischärler begannen daraufhin am 3. Mai 1921, unterstützt von französischen Besatzungstruppen – Italiener und Briten stellten sich auf die deutsche Seite –, einen bewaffneten Aufstand, um den Anschluss des östlichen Teils Oberschlesiens an Polen gewaltsam durchzusetzen. Die Alliierten wollten vorher nur den Landkreis Pleß an Polen anschließen. Das Deutsche Reich konnte aufgrund der Beschränkungen durch den Versailler Vertrag und aufgrund der Intervention der anglo-französischen Sieger nicht gegen die Freischärler vorgehen, trotzdem kam es zu einigen blutigen Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und Polen. Mit Billigung der deutschen Regierung versuchten Freikorps gewaltsam den Anschluss an Polen zu verhindern. Am 23. Mai 1921 gelang den deutschen Freikorps des „Selbstschutzes Oberschlesien“ die Erstürmung des St. Annabergs, der stärksten Befestigung der Polen, wodurch eine Stabilisierung der Lage eintrat. Am 20. Oktober 1921 beschloss der Oberste Rat der Alliierten, nach einer Empfehlung des Völkerbundes, das ostoberschlesische Industrierevier an Polen zu übertragen, dem es als Autonome Woiwodschaft Schlesien angeschlossen wurde. Beim Deutschen Reich verblieb der zwar flächen- und bevölkerungsmäßig größere, jedoch eher agrarisch strukturierte Teil des Abstimmungsgebiets – Industriestädte wie Beuthen OS, Gleiwitz oder Hindenburg OS blieben weiter deutsch.

Die Provinzen des Königreichs Preußen, Westpreußen und Posen, die durch die Teilungen Polens an Preußen kamen, wurden aus der Weimarer Republik herausgelöst und ohne Plebiszite der neuen Republik einverleibt. Polen bekam dadurch einen Zugang zur Ostsee bei Gdingen. Einen Teil der Gebiete hatte polnisches Militär im Großpolnischen Aufstand bereits zuvor militärisch besetzt. Die alte Hansestadt Danzig wurde zur Freien Stadt Danzig erklärt und verblieb mit Nutzungsrechten Polens am Danziger Hafen außerhalb der Grenzen des neuen polnischen Staates unter der Aufsicht des Völkerbundes. Für weitere Gebiete sah der Versailler Vertrag Volksabstimmungen über die Staatszugehörigkeit vor. In Masuren (Regierungsbezirk Allenstein) und im Regierungsbezirk Marienwerder (ehemals Westpreußen) fanden unter alliierter Aufsicht Volksabstimmungen statt, in denen sich die große Mehrheit der Bevölkerung (98 % bzw. 92 %) für den Verbleib bei Ostpreußen und Deutschland entschied.

Im Osten

Die polnischen territorialen Bestrebungen stießen auch im Osten auf erheblichen Widerstand. Wegen der nicht eindeutig abgrenzbaren Siedlungsgebiete verschiedener Völker gab es hier sich überschneidende Gebietsansprüche, vor allem mit den Ukrainern und den Litauern. Eine Woche nach der polnischen Unabhängigkeitserklärung, riefen auch die Ukrainer in Lemberg ihre Unabhängigkeit aus, was den Polnisch-Ukrainischen Krieg um das ehemalige habsburgische Königreich Galizien und Lodomerien auslöste. Besonders heftige Kämpfe wurden um Lemberg geführt, das polnische Freiwilligenverbände und reguläre Armeeteile am 21. November einnahmen. Der Krieg dauerte militärisch jedoch bis in den März 1919 an und wurde erst durch ein Abkommen zwischen Polen und der Volksrepublik Ukraine unter Symon Petljura am 21. April 1920 offiziell beendet.

Der mit dem Versailler Vertrag ins Leben gerufene Völkerbund sah die Ziehung einer Grenzlinie aufgrund der im Dezember 1919 vorgelegten Empfehlungen einer Kommission unter Leitung des britischen Außenministers Curzon vor, durch die mehrheitlich polnischsprachige Gebiete um Vilnius in Litauen und Lemberg in Galizien dem polnischen Staat verloren gehen würden. Die weitergehenden Pläne Piłsudskis zielten zudem auf die Wiedererrichtung einer Republik unter polnischer Führung in der Tradition der 1795 untergegangen Adelsrepublik, zu der auch mehrheitlich von Ukrainern und Weißrussen bewohnte Gebiete gehören sollten. Polnische Truppen besetzten daher 1919 den östlichen Teil Litauens um Vilnius, das seine Unabhängigkeit gerade gegen Russland durchgesetzt hatte, ebenso vorübergehend Kiew in der Ukraine, was aufgrund der Überschneidung mit den territorialen Ansprüchen Sowjetrusslands zum Polnisch-Sowjetischen Krieg führte.

Polnisch-Sowjetischer Krieg

Zunächst drangen die polnischen Truppen unter General Rydz-Śmigły mit Unterstützung durch nationalukrainische Kräfte bis nach Kiew vor. Der schnelle Erfolg war durch das Ausweichen der sowjetischen Truppen begünstigt, die nach der Eroberung Kiews durch die Polen eine Gegenoffensive starteten. Die sowjetischen Einheiten unter General Tuchatschewski drangen bis Warschau vor, während General Budjonny Lemberg belagerte. Durch ein waghalsiges Zangenmanöver gelang der polnischen Armee unter Piłsudskis Kommando der Durchbruch und eine nahezu vollständige Vernichtung der sowjetischen Einheiten: Während die polnischen Einheiten versuchten, die Armee von General Tuchatschewski bei Radzymin nordöstlich von Warschau aufzuhalten, startete Piłsudski vom Fluss Wieprz in der Woiwodschaft Lublin eine Großoffensive in Richtung Norden. Der Überraschungseffekt war so groß, dass die letzten sich zurückziehenden Einheiten der Roten Armee über deutsches Gebiet – Ostpreußen – flüchten mussten.

1921 wurde in der lettischen Hauptstadt Riga ein Friedensvertrag zwischen den Kriegsparteien geschlossen und der Aufbau des Landes im Inneren in Angriff genommen. Piłsudski verfehlte zwar sein Ziel, die Staatsgrenze von 1772 wiederherzustellen, es gelang ihm jedoch, die polnische Staatsgrenze etwa 200 km östlich der geschlossenen polnischen Sprachgrenze mit relativer Bevölkerungsmehrheit, der Curzon-Linie, zu ziehen. Im östlichen Teil Polens betrug der polnische Bevölkerungsanteil 1919 etwa 25 %, 1938 nach der Amtszeit Piłsudskis bezeichneten sich 38 % als polnisch. Den übrigen Anteil bildeten jeweils verschiedene Nationalitäten. Die Bevölkerungsmehrheit bezeichnete sich als ukrainisch, weißrussisch oder jüdisch. Mehrheitlich polnisch – mit einem hohen Anteil Juden – waren zum Beispiel Vilnius und Lemberg.

Mai-Umsturz und Sanacja-Regime

Józef Piłsudski war nach einigen Jahren unzufrieden mit der entstandenen innenpolitischen Situation. Im Mai 1926 führte er, obwohl er in Armee und Staat keine offizielle Position bekleidete, mit der Unterstützung seiner zahlreichen Anhänger in der Armee, einen Staatsstreich durch und riss die Macht an sich, die er bis zu seinem Tod 1935 behielt. Allerdings bekleidete Piłsudski hierbei nur selten und nur für kurze Zeit offiziell bedeutende Ämter. Er war z. B. nie Staatspräsident sondern überließ dieses Amt seinem loyalen Gefolgsmann Ignacy Mościcki. Piłsudski war meist nur Verteidigungsminister. Allerdings war er die allgemein anerkannte oberste Autorität im Staat. Auch gab es zumindest bis zum Ende der 1920er Jahre eine mehr oder weniger funktionierende, sogar im Parlament vertretene Opposition, die allerdings konsequent an der Übernahme der Macht gehindert wurde. Nach der Ermordung von Innenminister Bronisław Pieracki im Jahre 1934 ließ die Regierung in der Kleinstadt Bereza Kartuska im heutigen Weißrussland ein Internierungslager für ukrainische Nationalisten, Kommunisten und andere prominente Regimegegner anlegen.

Das Regime, das in der Historiographie manchmal als „Vernunftdiktatur“ bezeichnet wird, nannte sich selbst Sanacja (etwa „Gesundung“). Eine auf die Person Piłsudski zugeschnittene neue Verfassung konnte erst nach dessen Tod 1935 in Kraft treten. Nach Piłsudskis Tod entstanden zwei Machtzentren in Polen – die Gruppe „Schloss“ um Mościcki, benannt nach der Residenz des Präsidenten, dem Königsschloss in Warschau und die Gruppe der „Obristen“ um den neuen Marschall Edward Rydz-Śmigły. Der Trend hin zu einem autoritären Staat verstärkte sich nun weiter, die Rechte vor allem der slawischen Minderheiten (Ukrainer, Weißrussen) wurden massiv eingeschränkt, die Juden diskriminiert. Auch die insgeheim finanziell vom Deutschen Reich unterstützte deutsche Minderheit wurde trotz der seit dem Nichtangriffsvertrag zwischen Hitler und Piłsudski offiziell guten deutsch-polnischen Beziehungen immer stärker in ihren Rechten eingeschränkt, wozu auch die wachsende Begeisterung vieler der Volksdeutschen für den Nationalsozialismus beitrug.

Die außenpolitischen Bemühungen Polens, die vor allem mit der Person von Außenminister Józef Beck verbunden sind, waren im Einklang mit der französischen Politik darauf ausgerichtet, einen Block kleiner und mittlerer Staaten zur Eindämmung sowohl Deutschlands als auch der Sowjetunion zu schaffen. Dem standen jedoch vor allem die durch die Grenzziehung nach dem Ersten Weltkrieg entstandenen gegenseitigen Gebietsansprüche im Wege. So war Polen, kurz bevor es selbst von Deutschland und der Sowjetunion überfallen wurde, aktiv an der Zerschlagung der Tschechoslowakei beteiligt und annektierte nach dem Münchener Abkommen im Oktober 1938 die mehrheitlich von Polen und Deutschen besiedelten Industriegebiete in Mährisch-Schlesien und kleinere Gebiete im Grenzgebiet zur Slowakei.

1939–1945: Zweiter Weltkrieg

Septemberkrieg

Nach Kündigung des deutsch-polnischen Nichtangriffspaktes folgte der Überfall auf Polen am 1. September 1939, an dem sich auch die Slowakei beteiligte. Folge des deutschen Angriffes auf Polen war der Kriegseintritt Großbritanniens und Frankreichs und damit der Zweite Weltkrieg.

Die deutschen Truppen kamen rasch voran. Gegen die militärische Überlegenheit der Deutschen hatten die Polen nur ihren verzweifelten Kampfeswillen entgegenzusetzen. Einzelaktionen polnischer Verbände, etwa in der Schlacht bei Wizna (6. bis 10. September) oder in der Schlacht an der Bzura (9. September bis 15. September), vermochten den mit weiträumigen Umfassungsmanövern einhergehenden Vormarsch nicht aufzuhalten. Nach zwei Wochen wurde die polnische Hauptstadt eingeschlossen. Am 17. September wurde Polen – wie in dem geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Pakts vorgesehen – auch von der Sowjetunion überfallen. Am 28. September kapitulierte Warschau. Eine offizielle Gesamtkapitulation Polens, wie zum Beispiel die von Frankreich im Wald von Compiègne am 22. Juni 1940, fand jedoch nicht statt.

Das Land wurde zwischen Deutschland und der Sowjetunion aufgeteilt. Die polnische Regierung samt hoher polnischer Militärs floh zuerst über die Grenze nach Rumänien und wurde dort auf ausdrückliche Forderungen Hitlers interniert. Die Exil-Regierung ging dann nach Paris, später nach London und organisierte von dort aus die Streitkräfte und den Widerstand neu.

Der Krieg gegen Polen sollte nach dem Willen der NS-Führung Züge eines rassistischen Verdrängungs- und Vernichtungsfeldzugs annehmen. Der polnische Staat sollte zerschlagen und der deutsche „Lebensraum“ erweitert werden. Anders als im Westen machte Hitler schon vorher klar, dass er andere Maßstäbe anlegen wolle. Es gehe nicht um bestimmte geographische Linien, die erreicht werden sollten, sondern darum, dass 80 Millionen Deutsche ihr Recht bekämen. Die „Liquidierung des führenden Polentums“ (Reinhard Heydrich) wurde als eine vorrangige Aufgabe angesehen. Als Vorwand für die Ermordung von zehntausenden Angehörigen der Intelligentsia dienten Verbrechen an Volksdeutschen in den ersten Kriegstagen, etwa im Rahmen des „Bromberger Blutsonntags“.

Unmittelbar hinter der Front rückten Angehörige der Einsatzgruppen in Polen ein. Ihnen gehörten insgesamt etwa 3000 Mann an, die sich aus Angehörigen von SS, Sicherheitsdienst und Polizei zusammensetzten, und in erster Linie die Erschießungen durchführten. Als zusätzliches Terrorinstrument fungierte der „Volksdeutsche Selbstschutz“, der der SS unterstellt war. Allein in den ersten vier Monaten der deutschen Besatzungsherrschaft wurden mehrere 10.000 Personen erschossen. An den Hinrichtungen, deren geographischer Schwerpunkt die Region Westpreußen war, beteiligten sich neben den genannten Gruppen auch Angehörige der Gestapo und der Wehrmacht. Hierbei handelte es sich nicht um einzelne Exzesse, die aus dem Klima des Hasses und den Zufälligkeiten des Krieges heraus entstanden, sondern um organisierten Massenmord.

Deutsche und sowjetische Besatzung: Terror und Genozid

Die Besatzungszeit hatte für große Teile der polnischen Zivilbevölkerung schwerwiegende Folgen. Die industriell und landwirtschaftlich entwickelten Teile wurden direkt annektiert. Restpolen mit etwa zehn Millionen Menschen wurde als „Generalgouvernement“ dem Reichsminister Hans Frank unterstellt. Zu den übergreifenden Zielen der Besatzungspolitik im gesamten Gebiet gehörten:

  • die Ausschaltung und Vernichtung der polnischen Intelligenz,
  • die Vorverlegung der deutschen Ostgrenze und die Erweiterung des „Lebensraums im Osten“,
  • die Stärkung der deutschen Kriegswirtschaft durch rücksichtslose Ausbeutung des Arbeitskräftepotenzials und der materiellen Ressourcen Polens.

Die annektierten Gebiete sollten schnellstmöglich „entpolonisiert“ werden, teils durch direkte physische Vernichtung, teils durch Vertreibung der dort wohnenden etwa 8 Millionen Polen und Juden, oder durch „Germanisierung brauchbarer Volksbestände“ und Neuansiedlung deutscher Minderheiten aus anderen Teilen Osteuropas, etwa der Deutschbalten, die nun ihre Heimat verlassen mussten. Das Generalgouvernement verstand Hitler als Reservoir billiger halbfreier Wanderarbeiter und als „Abladeplatz“ im Reichsgebiet nicht erwünschter Polen und Juden. Als die Deportationen infolge des Krieges mit der Sowjetunion im Juni 1941 beendet wurden, waren etwa 500.000 Polen vertrieben und durch etwa 350.000 volksdeutsche Umsiedler ersetzt worden. Die Deportationen von Polen als Fremdarbeiter ins Reich, wovon während des Krieges allein aus dem Generalgouvernement etwa 1,2 Millionen Menschen betroffen waren, wurden aber aufrechterhalten. In einer Reihe von Anweisungen wurde das Ziel der NS-Führung deutlich, die Polen auf die Stufe eines schlecht ausgebildeten Hilfsvolkes ohne politisches Eigenbewusstsein zu beschränken.

Auch die Polen, die unter sowjetische Herrschaft geraten waren, waren von Gewaltmaßnahmen betroffen. Man schätzt, dass ungefähr 1,5 Millionen ehemalige polnische Bürger deportiert wurden, von denen 50 bis 60 Prozent Polen, 15 Prozent Ukrainer, 5 Prozent Weißrussen und ungefähr 20 Prozent Juden waren. 300.000 polnische Soldaten gerieten in sowjetische Kriegsgefangenschaft, nur 82.000 von ihnen überlebten. Ein Großteil der Offiziere wurde durch sowjetische Truppen 1940 bei Katyn und in den Lagern von Starobielsk, Kozielsk und Ostaszków erschossen.

Holocaust

Ein schweres Schicksal traf die polnischen Juden, von denen 89 Prozent (oder 2,5 bis 3 Millionen) den Völkermord nicht überlebten. Dem Terror, den Schikanen, Plünderungen und Pogromen der ersten Kriegswochen folgte die Übernahme der deutschen Verwaltungsbestimmungen: Kennzeichnungspflicht, Anmeldung des Vermögens, Zwangsarbeit, Reiseeinschränkungen, Sperrung der Konten, Arisierung des Besitzes.

Im Herbst 1940 begann die „Umsiedlung“ in die Ghettos. Die größten wurden Litzmannstadt mit 160.000 Menschen und Warschau mit 450.000 Menschen. Da die Ghettos nicht in der Lage waren, sich selbst zu erhalten und auch eine wirtschaftliche Ausbeutung von entscheidenden Stellen nicht gewünscht wurde, war die Quote an Toten, oft aus Hunger und Krankheit, von Anfang an hoch.

Nachdem die ursprünglichen NS-Pläne der Umsiedlung der Juden nach Madagaskar oder in den „Osten“ sich als undurchführbar erwiesen hatten, entwickelte sich seit Mitte 1941, nach dem Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion, das Planspiel einer systematischen Ausrottung der Juden, die „Endlösung der Judenfrage“. Es ist unwahrscheinlich, dass es eine einzelne Entscheidung in Berlin zu dieser Frage gab, vielmehr radikalisierten sich die Maßnahmen gerade der lokalen Stellen im Laufe weniger Monate immer mehr (Erschießungen von „Kommissaren“, dann jüdischer Männer, später auch Frauen und Kinder). Der Anfang im Reich war mit der planmäßigen Ermordung geistig und körperlich Behinderter in der so genannten Aktion T4 gemacht worden, die dabei angewandten Maßnahmen und Mittel konnten später im Osten teilweise übernommen werden

Bis zur Mitte des Jahres 1942 wurden die Massenmorde zu einem Gesamtprogramm zur systematischen Ermordung der Juden unter deutscher Herrschaft, dem Holocaust, ausgeweitet. Die Einzelheiten der praktischen Durchführung waren auf der Berliner Wannsee-Konferenz im Januar 1942 festgelegt worden. Nun begann auch die SS mit den Deportationen in die Vernichtungslager. Diese entstanden überwiegend auf polnischem Boden: Kulmhof, Bełżec, Sobibór, Treblinka, Auschwitz-Birkenau. Es gab Widerstand der Juden gegen die Deutschen, der mitunter von der polnischen Widerstandsbewegung unterstützt, aber auch von ihr im Stich gelassen wurde. Bekanntestes Beispiel des Widerstands war der Aufstand im Warschauer Ghetto Anfang 1943.

Im Westen: Sikorski, Exil und die Anders-Armee

In Großbritannien kämpfte seit 1940 das Erste Polnische Korps unter britischem Befehl. In der Sowjetunion entstanden nach 1941 zwei separate polnische Armeen.

Die eine, entstanden hauptsächlich aus Deportierten, verließ mit General Władysław Anders an der Spitze das Land, gelangte von Sibirien über den Nahen Osten und Nordafrika schließlich nach Italien als 2. Polnisches Korps der 8. Britischen Armee. Es umfasste anfangs etwa 200.000, später 400.000 Mann. Sie bewährten sich besonders in den Schlachten um Monte Cassino im Mai 1944 und um Arnheim im September desselben Jahres.

Die andere Armee, 1943 als Erste Infanteriedivision Tadeusz Kościuszko gegründet, stand unter Befehl der sowjetischen Führung. Sie tauchte im März 1944 als Erste Polnische Armee unter General Zygmunt Berling an der Ostfront auf.

Je länger der Krieg andauerte, desto schwerer fiel es der zunächst in Paris, nach der deutschen Eroberung der Stadt in London ansässigen polnischen Exilregierung auf die Weltpolitik Einfluss zu nehmen. Nachdem Ministerpräsident Władysław Sikorski unter bis heute ungeklärten Umständen am 4. Juli 1943 bei einem Flugzeugabsturz vor Gibraltar ums Leben gekommen war, traten zunehmend auch innere Meinungsverschiedenheiten auf. Zudem verfolgte Stalin bezüglich Polens immer mehr eigene Interessen, die mit dem Vorrücken der Front immer konkretere Formen annahmen. Er nutzte die Forderung der Exilregierung nach der Entdeckung der Massengräber bei Katyn, das Verbrechen aufzuklären, zum Abbruch aller Kontakte und setzte von da an fast ausschließlich auf die sich in der Sowjetunion befindenden polnischen Kommunisten.

Widerstand

Durch Bildung von Partisanengruppen versuchten Polen auch nach der militärischen Niederlage Widerstand zu leisten. Die meisten von ihnen schlossen sich im Februar 1942 zur „Heimatarmee“ zusammen, die der bürgerlichen Exilregierung in London unterstand, der lediglich die rechtsgerichtete Gruppen (NSZ) und die Kommunisten (AL) fern blieben. Es entstand auch eine Reihe jüdischer Widerstandsorganisationen, die schließlich 1943 den Aufstand im Warschauer Ghetto organisierten. Nachdem die Rote Armee im Januar 1944 die polnische Grenze von 1939 überschritten hatte, wurden die Truppen der Heimatarmee vom NKWD entwaffnet, ihre Offiziere erschossen oder in den Gulag geschickt. Der Kampf einzelner Untergrundeinheiten dauerte jedoch bis Ende der 1940er Jahre an.

Im Jahr 1944 folgte der Warschauer Aufstand, der in Deutschland oft mit dem Ghettoaufstand von 1943 verwechselt wird. Die Sowjetunion, deren Truppen bereits am Ostufer der Weichsel standen, hatte kein Interesse, die Einheiten der Heimatarmee zu unterstützen. So konnten deutsche Truppen den Aufstand brutal niederschlagen, die Zahl der Toten wird auf 180.000 geschätzt, früher wurde sogar die Zahl 250.000 genannt. Dabei wurde die Innenstadt Warschaus unter großem Einsatz an Sprengmaterial akribisch Haus für Haus dem Erdboden gleichgemacht.

Zum Widerstand gehörte zudem ein beinahe flächendeckendes Netz von Untergrundeinrichtungen wie Schulen, Universitäten, Zeitungen und vieles mehr, die dazu beitrugen, das Leid der deutschen Besatzung für die Bevölkerung etwas erträglicher zu machen. Das Ausmaß an Kollaboration war vor diesem Hintergrund im europäischen Kontext vergleichsweise gering und war, angesichts der enormen Leiden der polnischen Bevölkerung während der deutschen Besatzung, auch lange Zeit tabuisiert. Eine breite gesellschaftliche Debatte über polnische Täter wurde erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts anlässlich der durch das Buch „Nachbarn. Der Mord an den Juden von Jedwabne“ des polnisch-amerikanischen Soziologen Jan Tomasz Gross angestoßenen Aufarbeitung des Pogroms von Jedwabne geführt.

1945–1989: Volksrepublik Polen

Lubliner Komitee, Grenzfrage und polnischer Bürgerkrieg

Im Juli 1944 war in Moskau das kommunistische „Polnische Komitee der nationalen Befreiung“ ins Leben gerufen worden, das die Macht ergreifen sollte, sobald die Rote Armee die Curzon-Linie überschreiten würde. Dies geschah in Lublin am 22. Juli 1944 (daher auch der Name Lubliner Komitee). An der Spitze der neuen Führungsmannschaft stand der Altkommunist Bolesław Bierut.

Die auf alliierten Druck stattfindenden Verhandlungen zwischen „Londoner“ und „Lubliner“ Regierung führten zu keinem Ergebnis. International waren zu diesem Zeitpunkt bereits Vorentscheidungen über Polens zukünftige Grenzen gefallen (Konferenz von Teheran 1943). Sie führten zur Westverschiebung des Landes. Gleichzeitig vereinbarte Stalin mit Churchill und Roosevelt die weitgehende Vertreibung der Deutschen aus dem bisherigen Ostdeutschland.

Am 1. Januar 1945 proklamierte sich das Lubliner Komitee zur provisorischen Regierung und zog im selben Monat in die Ruinen des befreiten Warschau um. Nachdem im Frühjahr 1945 die Rote Armee ganz Polen besetzt hielt und die 14 wichtigsten Anführer der Heimatarmee nach Moskau verschleppte, dort zu langjährigen Haftstrafen verurteilte und teilweise ermordete, war der Hauptwiderstand gegen die neue Besatzung und die „Sowjetisierung“ der polnischen Gesellschaft gebrochen.

Bereits Ende 1944 bildete sich eine bewaffnete Widerstandsbewegung aus Teilen der Heimatarmee. In den Wäldern Ostpolens stellte die Widerstandsbewegung anfangs eine ernstzunehmende Streitmacht dar. In den Jahren nach Kriegsende umfassten die Partisanen schätzungsweise bis zu 100.000 Mitglieder. Ihre Aktionen blieben aber ergebnislos und nahmen ab dem Ende der 1940er Jahre ab, da die Rote Armee, der NKWD und die sich bildenden Organe des kommunistisch-polnischen Staates massiv gegen sie vorgingen.

Konsolidierung des sowjetischen Einflusses und Bevölkerungsverschiebungen 1945–1948

Bereits im Juli 1942 forderte das britische Kriegskabinett Zwangsumsiedlungen der deutschen Bevölkerung aus Ostmittel- und Südosteuropa. Im Potsdamer Abkommen von 1945 wurde von Alliierten „die Überführung der deutschen Bevölkerung oder Bestandteile derselben, die in Polen, Tschechoslowakei und Ungarn zurückgeblieben sind, nach Deutschland“ beschlossen, wobei „jede derartige Überführung […] in ordnungsgemäßer und humaner Weise erfolgen soll“.[43] Alle genannten Länder vollzogen die Zwangsumsiedlung der deutschen Bevölkerung. Insbesondere waren in Polen etwa sieben Millionen Flüchtlinge und 1,2 Millionen zwangsausgesiedelte Menschen davon betroffen (→ Heimatvertriebener).[44][45] Die deutschen Ostgebiete selbst sollten bis zur endgültigen Entscheidung durch eine Friedenskonferenz unter polnische Verwaltung gestellt werden. Die Grenzfrage wurde zwar durch bilaterale Grenzabkommen und Verträge zwischen Polen und der DDR (1950) sowie der Bundesrepublik Deutschland (1970) geregelt, aber die endgültige und völkerrechtlich unumstrittene Friedensregelung fand erst mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag im Jahre 1990 statt.[46]

Aus den östlichen Teilen des heutigen Polens wurden 1944 bis 1946 etwa 500.000 Ukrainer in die Ukraine zwangsumgesiedelt, weitere etwa 400.000 wurden nach Niederschlesien und Pommern, also in die „wiedergewonnenen West- und Nordgebiete“ Polens, deportiert. Parallel dazu mussten etwa 1,5 Millionen Polen ihre Heimat im Osten verlassen. Zwischen 1945 und 1947 wurden so etwa 1 Million Polen aus der Ukraine, 300.000 aus Weißrussland und 200.000 aus Litauen nach Polen „repatriiert“. Ein großer Teil von ihnen wurde in den ehemals deutschen Gebieten angesiedelt. Dorthin strömten darüber hinaus etwa 3 Millionen Neusiedler aus Zentralpolen und aus dem Westen zurückkehrende Polen.

Der im Juni 1945 gebildeten „Regierung der nationalen Einheit“ gehörten außer Stanisław Mikołajczyk fast nur Vertreter der Linken an.

Aus den im Januar 1947 abgehaltenen Wahlen gingen Sozialisten und Kommunisten als Sieger hervor. Mit ihren Stimmen wurde im selben Jahr eine erste Übergangsverfassung verabschiedet. Als letzte verbliebene demokratische Partei wurde die Polnischen Bauernpartei unter anderen durch Polizeimaßnahmen immer mehr an den Rand gedrängt und Mikołajczyk selbst floh 1947 ins Exil. Ende 1948 schlossen sich die beiden linken Parteien zur Vereinigten Arbeiterpartei zusammen, während alle anderen Parteien zum Status von Blockparteien heruntergestuft wurden.

Stalinistischer Terror und Ära Bierut 1948–1956

Während unter den polnischen Kommunisten zunächst die Überzeugung vorherrschte, auf die völlige Übernahme des sowjetischen Systems verzichten zu können, wuchs nach 1947 Stalins Druck. Er verlangte vor allem einen forcierten Aufbau einer Schwerindustrie, die Übernahme des zentralen Planungssystems und eine rasche Kollektivierung der Landwirtschaft. Damit befand er sich im Widerspruch mit den eher nationalen Kräften in der polnischen Parteiführung unter ihrem Generalsekretär Władysław Gomułka, der eher Sympathien für das jugoslawische Modell Titos erkennen ließ.

Im Rahmen von Partei und Gesellschaft wurden weitgehende Säuberungen und Umstrukturierungen durchgeführt. Im kulturellen Bereich begann die vorübergehende Herrschaft des Sozialistischen Realismus. Diese Phase endete mit dem Tode Stalins 1953, ohne dass wie in anderen Ländern unter sowjetischer Herrschaft Schauprozesse gegen in Ungnade gefallene kommunistische Politiker durchgeführt wurden.

Im außenpolitischen Bereich wurden die nationalistischen Angriffe auf Deutschland durch die Theorien des dialektischen Materialismus ersetzt, so dass nunmehr die USA und Großbritannien sowie die Bundesrepublik Deutschland und der Vatikan zu Hauptgegnern wurden, während man eine Annäherung zur DDR suchte, die 1950 im Görlitzer Vertrag die Oder-Neiße-Grenze anerkannte.

Polnischer Oktober 1956 und Ära Gomułka 1956–1970

Die Abrechnung des KPdSU-Chefs Nikita Chruschtschow mit den Verbrechen Stalins während des XX. Parteitages im Februar 1956 fiel zusammen mit dem überraschenden Tod des polnischen Parteichefs Bolesław Bierut in Moskau wenige Tage später. Gegen den Willen des neuen Kremlchefs einigte sich die in sich zerstrittene Parteiführung der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei auf den Kompromisskandidaten Edward Ochab als Nachfolger Bieruts.

Wie wenig gefestigt das politische System war, erwies sich schon im Juni 1956 als Tausende von Arbeitern im westpolnischen Posen streikten und es schließlich zum Posener Aufstand kam.

Der Streit über das weitere Vorgehen vertiefte den Konflikt im Politbüro. Verschärft wurde die Lage durch die politische Entwicklung in Ungarn, wo sich tiefgreifende Auseinandersetzungen innerhalb der Gesellschaft abzeichneten. Der Wirtschaftschef Hilary Minc wurde zum Rücktritt gezwungen, der rehabilitierte ehemalige Generalsekretär Władysław Gomułka kehrte an die Macht zurück, obwohl Moskau dem zunächst nicht zustimmen wollte, seine Truppen mobilisierte und die komplette Parteiführung zu einem unangemeldeten Blitzbesuch in Warschau eingetroffen war. Schließlich gab man nach und der bisherige polnische Verteidigungsminister Marschall Konstanty Rokossowski – ein sowjetischer Staatsbürger, über seinen Vater polnischer Herkunft – wurde in seine Heimat zurückgerufen.

Schon in seiner ersten Rede kündigte Gomułka tiefgreifende Reformen an. Im kirchlichen und kulturellen Bereich wurde ein größerer Freiraum zugestanden, die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft wurde beendet, eine Reorganisation des gesamten Wirtschaftssystems zugesagt. Bald zeigte sich jedoch, dass diesen Worten nur wenige Taten folgten: liberale Zeitschriften wurden wieder verboten, der staatliche Religionsunterricht abgeschafft. Gegen Abtrünnige in den eigenen Reihen begann die Parteiführung massiv vorzugehen.

Angesichts der Feiern zum Millennium des christlichen Polens im Jahre 1966 steuerte die Auseinandersetzung zwischen Staat und der katholisch-polnischen Kirche auf einen neuen Höhepunkt zu, die auch das Deutungsmonopol über die polnische Geschichte zum Thema hatte. Hinzu kamen außenpolitische Verwerfungen, vor allem vor dem Hintergrund der nach 1956 wieder verstärkten antiwestdeutschen Agitation.

Im kulturellen Bereich waren die ersten Jahre der Gomułka-Herrschaft durchaus von positiven Entwicklungen geprägt. In den Jahren der „kleinen Stabilisierung“ (benannt nach einem Theaterstück von Tadeusz Różewicz) entstand eine Reihe wichtiger Werke in Literatur, Kunst und im Kinobereich, etwa die ersten Filme von Andrzej Wajda, Andrzej Munk und Roman Polański.

In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre spitzten sich die innerparteilichen Konflikte in der PVAP zu. Eine Gruppe von kommunistischen Kadern, die sich durch ihren Kampf gegen die deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg besonders verbunden fühlte, die „Partisanen“, drängte unter ihrem Anführer, Innenminister General Mieczysław Moczar, an die Macht. Moczar baute Geheimdienst und Bürgermiliz aus und schuf sich eine breite Anhängerschaft innerhalb der Bevölkerung, die mit der wirtschaftlichen Entwicklung äußerst unzufrieden war. Die offizielle Propaganda gegen Israel wegen des Sechstagekriegs im Jahre 1967 und die Ereignisse im März 1968 nahm Moczar zum Anlass, die erste staatlich tolerierte und geförderte antisemitische Kampagne gegen Juden, die in einem europäischen Land nach 1945 ohne Beispiel war, zu starten, um die kritischen und liberalen Intellektuellen, sowie wirkliche und potenzielle Oppositionelle mundtot zu machen und sich die Macht im polnischen Staat zuzuschanzen. Als Folge davon wurden etwa 20.000 polnische Juden in den Jahren 1968/1969 zum Verlassen Polens, unter Verlust der polnischen Staatsbürgerschaft, getrieben. Zusätzlich griffen Proteste im Zusammenhang mit dem „Prager Frühling“ auf das Land über. Die auf die Absetzung der Aufführung des Theaterstücks Totenfeier von Adam Mickiewicz in Warschau folgenden Studentenproteste wurden gewaltsam niedergeschlagen. In der PVAP setzte eine Säuberungswelle ein, der u. a. Außenminister Adam Rapacki zum Opfer fielen.

Parteichef Gomułka war zunächst weder Willens noch in der Lage, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Erst allmählich distanzierte er sich vorsichtig von seinem Innenminister. Gleichzeitig versuchte er, durch außenpolitische Anstrengungen der Krise seiner Herrschaft entgegen zu treten. Zu Beginn der 1960er Jahre begann der gesellschaftliche Dialog mit der Bundesrepublik Deutschland und Polen. Gomułka erklärte sich dabei zu offiziellen Verhandlungen bereit, die in erster Linie der Frage der polnischen Westgrenze zum Thema haben sollten. Nachdem Bonn mit Moskau zu einer Vertragsvereinbarung bezüglich des deutsch-sowjetischen Verhältnisses gelangt war, kamen Ende 1970 auch die Verhandlungen mit Polen zu einem Abschluss.

Der Unterzeichnung des Vertrages in Warschau, der die Oder-Neiße-Grenze aus westdeutscher Rechtsposition bestätigte, wie es die DDR schon im Görlitzer Vertrag von 1950 getan hatte, einen gegenseitigen Gewaltverzicht und die Bereitschaft zu weiterer politischer Zusammenarbeit beinhaltete, folgte als symbolischer Höhepunkt der legendäre Kniefall Willy Brandts vor dem Warschauer Ghetto-Ehrenmal am 7. Dezember 1970, der in der Bundesrepublik teilweise heftig kritisiert wurde, für die Polen aber – obwohl offiziell kaum darüber berichtet wurde – einen entscheidenden Einschnitt in den Nachkriegsbeziehungen darstellte.

Die Herrschaft Gomułkas konnte dieser außenpolitische Erfolg freilich nicht mehr retten. Knapp zwei Wochen nach der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Vertrages führten plötzlich verkündete radikale Preiserhöhungen für Lebensmittel zu Arbeiterprotesten. Ausgehend von den großen Werften in Danzig und Stettin brachen in den Industriezentren Unruhen aus. Erst der Einsatz von Militär konnte den Aufruhr stoppen, dem 45 Menschen zum Opfer fielen, über 1000 wurden verletzt. Das Politbüro zwang daraufhin Parteichef Gomułka zum Rücktritt.

Ära Gierek 1970–1980

Gomułkas Nachfolger, der oberschlesische Parteifunktionär Edward Gierek, genoss in weiten Teilen der Bevölkerung große Sympathien. Ihm gelang es, viele der alten Kader rasch auszuwechseln. Seine neue Wirtschaftspolitik zielte auf die bessere Befriedigung der Konsumbedürfnisse der Bevölkerung. Mit Lohn- und Rentenerhöhungen sollte der allgemeine Lebensstandard angehoben werden. Die eingeleiteten Reformen (größere Unabhängigkeit der Regierung von der kommunistischen Partei, Erweiterung der Arbeitermitbestimmung, Änderung der Verwaltungsstrukturen etc.) bewirkten in der Praxis aber eher einen Machtzuwachs der PVAP auf allen Ebenen.

Die Ansätze einer umfassenden Modernisierung der Wirtschaft lagen vor allem im Bereich der Schaffung neuer Strukturen, deren Verfahren und Produktionsstätten im Westen auf Kredit eingekauft wurden. Die Rückzahlung sollte durch den Verkauf der erzeugten neuen Produkte ins Ausland erfolgen. Diese Bemühungen bewirkten gerade im psychologischen Bereich positive Veränderungen. Die größere Produktpalette und die steigende Kaufkraft erweckten den Anschein einer Annäherung an die Konsumgesellschaften des Westens, weswegen auch im Rückblick viele Polen die Gierek-Zeit positiv in Erinnerung haben. In Wirklichkeit war aber die Zentrale Wirtschaftsplanungskommission nicht in der Lage, die unterschiedliche Entwicklung in verschiedenen Wirtschaftszweigen aufeinander abzustimmen.

In der Außenpolitik verbesserte sich das Verhältnis zur Bundesrepublik weiter, auch wegen der „Männerfreundschaft“ zwischen Gierek und dem neuen Bundeskanzler Helmut Schmidt. Die Öffnung der Grenze zur DDR schuf jedoch aufgrund der ökonomischen Unterschiede zwischen beiden Ländern eine Reihe von Spannungen.

Die innenpolitischen Repressionen wurden Mitte der 1970er Jahre allmählich wieder erhöht, was die Unterdrückung von Gegenstimmen zur neuen, sozialistischen Verfassung zeigte. Als im Juni 1976 die Preise für Grundnahrungsmittel drastisch erhöht wurden, kam es in den industriellen Zentren Radom und Ursus bei Warschau zu Unruhen. Die Preiserhöhungen wurden daraufhin zwar zurückgenommen, gleichzeitig aber eine große Anzahl von Arbeitern entlassen, verhaftet und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt.

Während es bis dahin keine klare Trennungslinien innerhalb der polnischen Gesellschaft gab und die Reformdiskussionen bis weit in die PVAP hinein geführt wurden, entwickelten sich nun erstmals deutlich oppositionelle Gruppierungen in Polen selbst. Führende Intellektuelle gründeten am 23. September 1976 das „Komitee zur Verteidigung der Arbeiter“. Der zunehmende Druck der öffentlichen Meinung verhinderte in der Folgezeit repressive Maßnahmen der Parteiführung. In den nächsten Jahren gründeten sich weitere Bürgerrechtsorganisationen. Gleichzeitig engagierte sich die katholische Kirche unter Stefan Kardinal Wyszyński zunehmend stärker. Ihre besondere Stellung wurde gefestigt durch die mit Begeisterung aufgenommene Wahl des Krakauer Erzbischofs Karol Wojtyła zum Papst am 16. Oktober 1978 und dessen mit Begeisterung aufgenommene erste Polenreise ein halbes Jahr danach.

Zu Beginn des neuen Jahrzehnts zeichnete sich angesichts der immer größeren wirtschaftlichen Probleme ab, dass auch die Zeit des einstmals bejubelten Edward Gierek abgelaufen war.

Opposition, Streikbewegung und Solidarność

Bereits 1977 und 1978 waren in Radom bzw. Kattowitz Zellen unabhängiger Gewerkschaften gegründet worden. Am 29. April 1978 entstand in Danzig das „Gründungskomitee freier Gewerkschaften für das Küstengebiet“, dessen Teilnehmer zumeist schon 1970 mitgestreikt hatten. Zu ihnen stieß bald der junge Elektriker der „Lenin-Werft“ Lech Wałęsa. In der Untergrundzeitschrift „Robotnik“ (Der Arbeiter) wurde im September 1979 die „Charta der Arbeiterrechte“ veröffentlicht. In ihr wurden die bisherigen Erfahrungen mit Streiks berücksichtigt, Forderungen für die Zukunft aufgestellt und allgemeine Positionen festgelegt.

Anfang 1980 hatte sich die gesamtwirtschaftliche Lage dramatisch verschlechtert: die Subventionen für Grundnahrungsmittel verschlangen etwa 40% der Staatseinnahmen, der Kaufkraftüberhang nahm ständig zu, die im Westen aufgenommenen Schulden konnten nicht mehr bedient werden. Die Regierung wählte wiederum den Weg der Preiserhöhungen und begann mit ihnen ohne öffentliche Bekanntmachung am 1. Juli, dem landesweiten Beginn der Sommerferien. Dennoch brachen in vielen Betrieben umgehend Streiks aus, zunächst im Traktorenwerk Ursus in Warschau, dann in Ostpolen und Mitte August auch in Danzig. Obwohl die Parteiführung nun wieder zum Nachgeben bereit war und die Lohnforderungen bewilligte, konnte sie die Bewegung nicht mehr eindämmen. Als die Belegschaft der Danziger „Lenin-Werft“ am 14. August wie schon 1970 komplett in den Ausstand trat und das Werksgelände besetzt hatte, stellte das neue Streikkomitee erstmals auch politische Forderungen, etwa die Wiedereinstellung der entlassenen Streikführer und die Errichtung eines Denkmals für die Opfer von 1970

Die Warschauer Regierung erkannte bald die Gefahr, die von der sich ausbreitenden Streikwelle ausging, und kappte alle Verbindungen nach Danzig und Umgebung. Ein Teil der streikenden Werftarbeiter akzeptierte das Kompromissangebot der Werksleitung, andere plädierten für eine Ausdehnung des Arbeitskampfes, die mit der Gründung eines Überbetrieblichen Streikkomitees (MKS) am 16. August auch erfolgte. Der von seinem Vorsitzenden Lech Wałęsa präsentierte Forderungskatalog enthielt unter anderem den Wunsch nach Zulassung freier Gewerkschaften, Meinungsfreiheit und das Streikrecht.

Innerhalb der PVAP setzten sich nun die Reformkräfte durch und Regierungsvertreter akzeptierten in Verhandlungen in Stettin und Danzig am 30. und 31. August die meisten der Forderungen. Am Nachmittag des 31. Augusts wurde das Danziger Abkommen unterzeichnet, das die Verhandlungsergebnisse politisch festschrieb. Die Gewerkschaftskräfte waren jedoch nicht mehr bereit, ihre Tätigkeit auf den Danziger Raum zu beschränken und beschlossen die Ausdehnung auf das ganze Land. Mit einem Warnstreik erzwang die neue Organisation, die sich den Namen „Solidarność“ (Solidarität) gab, am 3. Oktober ihre gerichtliche Registrierung. In den Wochen darauf setzte ein gewaltiger Ansturm auf sie ein, so dass ihr schon im November etwa 10 Millionen Arbeitnehmer angehörten (von insgesamt 16 Millionen), darunter über 1 Million Mitglieder der PVAP.

Die innenpolitische Lage schien sich nun allmählich zu entspannen, nachdem Parteichef Gierek schon im September durch den gemäßigten Stanisław Kania ersetzt und die meisten Hardliner aus dem Politbüro entfernt worden waren. Der Vorschlag mehrerer Parteichefs, darunter Erich Honecker, mit den Warschauer-Pakt-Truppen einzumarschieren, scheiterte am Veto Moskaus, das nach den Erfahrungen der Besetzung Afghanistans eine weitere Verschlechterung des weltpolitischen Klimas fürchtete.

Der Kreml steigerte jedoch den Druck auf die PVAP, die „Konterrevolution“ zu bekämpfen und veranstaltete wiederholt Manöver in der Nähe der Grenzen Polens. Im Frühjahr 1981 kam es wiederholt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Staatsorganen und Gewerkschaftsaktivisten. Aufgrund der sich weiter verschlechterten wirtschaftlichen Lage häuften sich wilde Streiks, der Eindruck von Chaos verbreitete sich angesichts der „Doppelherrschaft“. In dieser entscheidenden Phase waren zudem die bewährten Vermittlungsmöglichkeiten der Kirche eingeschränkt, weil im Mai sowohl das Attentat auf Papst Johannes Paul II. verübt worden, als auch Primas Stefan Wyszyński gestorben war.

Nachdem der erste Landeskongress der Solidarność im September 1981 ein noch stärkeres politisches Engagement beschlossen und eine Botschaft an alle Arbeiter der anderen sozialistischen Staaten gerichtet hatte, entschloss sich die PVAP-Führung endgültig zum Konfrontationskurs.

Jaruzelski und Kriegszustand

Auf dem 4. ZK-Plenum vom 16. bis 18. Oktober wurde Parteichef Stanisław Kania durch den als Hardliner geltenden Verteidigungsminister General Wojciech Jaruzelski ersetzt. Die Vorbereitungen für einen entscheidenden Schlag gegen die Opposition waren zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen.

Trotz der Bereitschaft der „Solidarność“ zu Kompromissen übernahmen in der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember 1981 Militär und Sicherheitsorgane die Macht in Polen. General Jaruzelski verkündete in einer Fernsehansprache die Verhängung des Kriegszustandes, der bis 1983 in Kraft blieb. Die Führungsspitze der Gewerkschaft wurde in Danzig verhaftet. Regionalführer, Leiter der Betriebskommissionen und oppositionelle Intellektuelle, insgesamt einige Tausend Personen, wurden in Internierungslager gebracht. Jaruzelski rechtfertigt bis zum heutigen Tage diesen Schritt mit einer angeblichen unmittelbaren Gefahr des Einmarsches der Roten Armee, doch gibt es für diese keinerlei Beweise, vielmehr sprach alles gegen eine solche Option des Kreml zum damaligen Zeitpunkt.

Die kommunistische Partei, deren Tätigkeit interessanterweise ebenfalls kurzfristig suspendiert worden war, besaß kein Konzept zur inneren Erneuerung des Landes. Man suchte vielmehr nun Wege der Verständigung mit den gesellschaftlichen Kräften, die nicht zur „Solidarność“ gehörten, vor allem mit der katholischen Kirche. Im wirtschaftlichen Sektor begann man mit zaghaften Reformen, deren Erfolge aber zu wünschen übrig ließen. Sie waren begleitet von internen Machtkämpfen zwischen „Falken“ und „Tauben“ in der PVAP, deren Höhepunkt die Ermordung des oppositionellen Priesters Jerzy Popiełuszko durch Angehörige des Sicherheitsapparates im Oktober 1984 war.

Parallel zur Entwicklung in der Sowjetunion nach dem Machtantritt von Michail Gorbatschow setzten sich seit Mitte der 1980er Jahre auch in Polen die Reformkräfte durch. Im Rahmen einer Amnestie wurden im Juli 1986 alle politischen Gefangenen freigelassen. Um angesichts der sich weiter verschlechternden Versorgungssituation die Unterstützung der Bevölkerung für weitere Wirtschaftsreformen zu gewinnen, führte man im November 1987 die erste Volksabstimmung nach über 40 Jahren durch, die mit einer klaren Niederlage für die Regierung endete. Zwei Streikwellen im April, Mai und im August 1988 brachten die Reformer zu der Erkenntnis, dass ohne weitere Zugeständnisse die Dauerkrise nicht würde überwunden werden können.

Ende der Volksrepublik

Die „Solidarność“ hatte die ganze Zeit über im Untergrund weiter gewirkt. Es erschienen zahlreiche Zeitschriften und Bücher in Anknüpfung an die sowjetische Samizdat-Tradition im „Zweiten Umlauf“. Die systemkonformen Gewerkschaften wurden weitgehend boykottiert.

Die anwachsende Streikbewegung wurde von der PVAP mit Sorge betrachtet, zumal sich herausstellte, dass an ihr vor allem jüngere Arbeiter der Nach-„Solidarność“-Generation beteiligt waren. Die Politik Jaruzelskis, die auf den Prinzipien der Konsultation und Kooptation beruhte, war gescheitert. Unter Vermittlung von führenden Intellektuellen und der katholischen Kirche kam es am 31. August 1988 zu einem ersten Gespräch zwischen Innenminister Czesław Kiszczak und Lech Wałęsa „unter Gleichen“. Die Verhandlungen traten zunächst auf der Stelle, besonders als sich der neue Ministerpräsident Mieczysław Rakowski auf reine Wirtschaftsreformen konzentrieren wollte. Erst nach einer Fernsehdiskussion zwischen Wałęsa und dem Chef der offiziellen Gewerkschaft, Alfred Miodowicz, die nach mehrheitlicher Auffassung der Zuschauer ersterer klar für sich entschied, war der Parteiführung klar, dass ohne eine Beteiligung der „Solidarność“ neue Reformen in der Bevölkerung nicht durchzusetzen sein würden.

Vom 6. Februar bis 5. April 1989 versammelten sich in Warschau Repräsentanten der Partei und der gesellschaftlichen Opposition zu Gesprächen am Runden Tisch. Die eigentliche Arbeit in verschiedenen Verhandlungsgruppen führte zu tiefgreifenden Veränderungen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Im politischen Sektor vereinbarte man die schrittweise Einführung der vollen Volkssouveränität mit dem dazu gehörenden Pluralismus. Als Sofortmaßnahme wurde am 17. April die „Solidarność“ wieder zugelassen. Die Anerkennung eines Mehrparteiensystems, des Prinzips freier Wahlen und unabhängiger Gerichte waren weitere wichtige Etappen dieses Prozesses, der eine Mischung aus Revolution und Reform war.[47]

Die ersten halbwegs freien Wahlen seit über 40 Jahren beschleunigten den Systemwandel. Die Sitze im Sejm wurden nach dem Schlüssel 65 Prozent für die PVAP und ihre Verbündeten, 35 Prozent für die Opposition vergeben, während die Wahlen zum Senat unbeschränkt waren. Von den 262 vorher festgelegten Kandidaten der „Solidarność“ wurde nur ein einziger nicht gewählt, während die PVAP ihre Kandidaten nur mit Hilfe einer kurzfristigen Änderung des Wahlgesetzes durchbrachte. Die Wahl General Jaruzelskis zum Staatspräsidenten am 19. Juli erfolgte nur noch mit einer Stimme Mehrheit, ein von der PVAP geführtes Kabinett unter General Kiszczak kam gar nicht mehr zustande. Statt dessen gelang es der „Solidarność“ in Zusammenarbeit mit zwei bisherigen Blockparteien am 13. September eine Regierung unter dem katholischen Publizisten Tadeusz Mazowiecki zu bilden. Diese Ereignisse in Polen, die vom Kreml unterstützt wurden, trugen zum Fall der Berliner Mauer in Deutschland und zum Niedergang des Kommunismus im östlichen Europa bei.

seit 1989: Dritte Republik

Deutsch-Polnische Nachbarschaftspolitik

1990 wurde die Westgrenze Polens durch das wiedervereinigte Deutschland unter Bundeskanzler Helmut Kohl anerkannt. Kohl vollendete damit, was Willy Brandt zu Beginn der 1970er Jahre begonnen hatte. Die Kontakte Polens mit seinem westlichen Nachbarn entwickeln sich seitdem vertrauensvoll und eng. Auch zwischen ehemaligen deutschen Bewohnern der damaligen Ostgebiete und den heutigen polnischen Einwohnern sind inzwischen viele Freundschaften entstanden: Besondere Katalysatoren in dieser Verständigung sind die Kirchen sowie Teile der Vertriebenenverbände. Ein weiterer Höhepunkt der besseren Beziehungen zwischen Polen und Deutschland war 2004 die Einladung an den deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder zu den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag des Warschauer Aufstandes. Schröder war damit der erste deutsche Kanzler, der an den alljährlichen Feiern teilnehmen durfte. Jedoch folgten diesem Besuch Schröders Diskussionen um Wiedergutmachungsleistungen an die deutschen Vertriebenen, die dazu führten, dass in Polen neue Ängste gegenüber den Deutschen aufkamen.

Euroatlantische Integration

Am 25. Mai 1997 wurde per Volksabstimmung eine neue Polnische Verfassung angenommen. Polen gilt heute als wirtschaftlich aufstrebender, stabiler und demokratischer Staat, was in seiner Aufnahme in die NATO am 12. März 1999 und in die Europäische Union am 1. Mai 2004, nachdem sich eine Mehrheit der polnischen Bürger (73 % Ja-Stimmen bei einer Beteiligung von etwa 59 %) in einer Volksabstimmung im Juni 2003 für den EU-Beitritt ausgesprochen hatte, Ausdruck findet.

Polen entwickelte sich während des Dritten Golfkrieges und in der Nachkriegszeit neben Großbritannien, Italien und Spanien zu einem wichtigen Verbündeten der USA in Europa. Während der Kriegshandlungen entsandte Polen Truppen in den Irak. Auch im Nachkriegs-Irak nahm Polen eine wichtige Rolle ein, durch die Übernahme der Verwaltung einer von drei Besatzungszonen im Irak nach dem Dritten Golfkrieg 2003.

Während des Konfliktes um die Präsidentschaftswahlen im Nachbarstaat Ukraine im November/Dezember 2004 engagierte sich der polnische Präsident Aleksander Kwaśniewski als Vermittler zwischen den Konfliktparteien, während die polnische Öffentlichkeit und die Medien Solidarität mit Wiktor Juschtschenko übten.

Die Parlamentswahlen 2005 führten zu einem Richtungswechsel: Das bis dahin regierende Bündnis der „Demokratischen Linken“ wurde durch ein konservatives Bündnis abgewählt. Gewinner war Jarosław Kaczyński, Führer der national-konservativen Partei PiS (deutsch: Recht und Gerechtigkeit). Die PiS verlor bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am 21. Oktober 2007 ihre Position als stärkste Partei.

Seit November 2007 bilden die PO und ihr Koalitionspartner, die gemäßigte Bauernpartei PSL, die Regierung. Neuer Ministerpräsident ist Donald Tusk.

Nach einem tödlichen Flugzeugabsturz Kaczyńskis am 10. April 2010 übernahm Bronisław Komorowski geschäftsführend die Aufgaben des polnischen Präsidenten, im Juli 2010 wurde Komorowski schließlich zum Nachfolger Kaczyńskis gewählt.

Literatur

  • 6-bändiges Werk Geschichte Polens
    • Erster Teil von Richard Roepell, Hamburg 1840. (online).
    • Zweiter Teil (1300–1386) von Jacob Caro, Gotha 1863. (unveränderter Nachdruck: Elibron Classics, USA, ISBN 9-780-54382-277-2.) (online).
    • Dritter Teil (1386–1430) von Jacob Caro, Gotha 1869.
    • Vierter Teil (1430–1455) von Jacob Caro, Gotha 1875. (unveränderter Nachdruck: Elibron Classics, USA, ISBN 9-780-54382-269-7.)
    • Fünfter Teil (1455–1486) von Jacob Caro, Gotha 1886.
    • Sechster Teil – Die zwei letzten Jagellonen (1506–1572) von Ezechiel Zivier, Gotha 1915.
  • Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Reclam, Stuttgart, aktual. u. erw. Aufl. 2008, ISBN 978-3-15-017060-1.
  • Norman Davies: Im Herzen Europas – Geschichte Polens. München 2000, ISBN 3-406-46709-1. (Aktualisiert um die Geschichte nach 1989)
  • Peter Gatter: Der weiß-rote Traum. Polens Weg zwischen Freiheit und Fremdherrschaft. Düsseldorf, Wien 1983, ISBN 3-426-03724-6.
  • Jürgen Heyde: Geschichte Polens. Beck, München 2006, ISBN 3-406-50885-5.
  • Jörg K. Hoensch: Geschichte Polens. Stuttgart 1983, ISBN 3-825-21251-3.
  • Rudolf Jaworski, Christian Lübke, Michael G. Müller: Eine kleine Geschichte Polens. Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-518-12179-0.
  • Enno Meyer: Grundzüge der Geschichte Polens. 3. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1990, ISBN 3-534-04371-5.
  • Manfred Raether: Polens deutsche Vergangenheit. Schöneck 2004, ISBN 3-00-012451-9. (Neuausgabe 2008 als e-Buch).
  • Gotthold Rhode: Geschichte Polens – Ein Überblick. Darmstadt 1980, ISBN 3-534-00763-8.
  • Hans Roos: Geschichte der polnischen Nation 1918–1985. Stuttgart [u. a.] 1986, ISBN 3-170-07587-X.
  • Jarosław Suchoples (Hrsg.): Skandinavien, Polen und die Länder der östlichen Ostsee: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Wydawnictwo Uniwersytetu Wrocławskiego, Wrocław 2005, ISBN 83-229-2637-5.
  • Stefan Muthesius: Kunst in Polen – Polnische Kunst 966–1990. Eine Einführung. Königstein i. Ts. 1994, ISBN 3-7845-7610-9.

Einzelnachweise

  1. ↑ Manfred Alexander, Kleine Geschichte Polens, Reclam, Stuttgart 2008, S. 25.
  2. ↑ Alexander, S. 35.
  3. ↑ Rudolf Usinger: online Deutsch-Dänische Geschichte 1189–1227. Mittler und Sohn, Berlin 1863.
  4. ↑ T. Hirsch, M. Töppen und E. Strehlke (Hrsg.): Scriptores Rerum Prussicarum – Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft, Band I, Leipzig 1861, S. 705.
  5. ↑ Jacob Caro: Geschichte Polens. Zweiter Theil. Perthes, Gotha 1863, S. 27
  6. ↑ Scriptores Rerum Prussicarum – Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft. (T. Hirsch, M. Töppen und E. Strehlke, Hrsg.). Band I, Leipzig 1861, S. 708, Anmerkung 91
  7. ↑ Scriptores Rerum Prussicarum – Die Geschichtsquellen der preußischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft. (T. Hirsch, M. Töppen und E. Strehlke, Hrsg.). I. Band, Leipzig 1861, Seite 695, S. 695, Anmerkung 62
  8. ↑ Richard Roepell: Geschichte Polens. Perthes, Hamburg 1840, S. 558.
  9. ↑ Slawomir Gawlas: Die Probleme des Lehnswesens und des Feudalismus aus polnischer Sicht, S. 120, in: Michael Borgolte, Ralf Lusiardi: Das europäische Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs, Akademie Verlag, 2001.
  10. ↑ (Verkauf des Lebuser Landes an die Askanier um 1250 durch den Piasten Bolesław von Schlesien, Grundlegung der brandenburgischen Neumark)
  11. ↑ (darunter fielen auch die verlustig gegangenen Provinzen, vor allem Pommern und Schlesien)
  12. ↑ (in Krakau 1339 bestätigt, darauf gab Johann gegen eine Geldzahlung seine Ansprüche auf die polnische Krone auf und schränkte seine Unterstützung für den Deutschen Orden ein)
  13. ↑ (im Kampf gegen Böhmen fand Kasimir beträchtliche Unterstützung bei seinem schlesischen Neffen Bolko von Schweidnitz)
  14. ↑ (das Gebiet ging später unter dem Haus Habsburg-Lothringen, nach der Annexion von 1772, „verballhornt“ als Königreich „Galizien und Lodomerien“ in die Geschichte ein)
  15. ↑ (in Masowien im 16. Jahrhundert und in Schlesien im 18. Jahrhundert im Mannesstamm)
  16. ↑ Brockhaus’ Konversationslexikon, Band 7, S. 322.
  17. ↑ Herrschaft über das Baltische Meer, eine Losung, die laut Wissen Media Verlag auf wissen.spiegel.de 1563 durch König Sigismund II. August geprägt wurde.
  18. ↑ Peter Claus Hartmann: Französische Könige und Kaiser der Neuzeit. C.H.Beck, 2006, S. 129
  19. ↑ Pierre Chevallier: Henri III, S. 209–231.
  20. ↑ Schwedisch-Polnische Kriege der Jahre 1600−1611 und 1617−18, Zebrzydowski-Konföderation 1606−1609, unzählige Tatarenrazzien etc.
  21. ↑ Poland in the Seventeenth Century
  22. ↑ a b Józef Szujski: Dzieje Polski podług ostatnich badań. Bd. 3, Lwów 1866, S. 218. (Inklusive Tross)
  23. ↑ Zur Frage der Übergabe der Souveränität über das Herzogtum Preußen an die brandenburgische Linie der Hohenzollern siehe: Dietmar Willoweit, Hans Lemberg: Reiche und Territorien in Ostmitteleuropa, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2006, S. 78-79
  24. ↑ Norman Davies: Im Herzen Europas – Geschichte Polens. Fünftes Kapitel – Das Ende einer alten Kultur, Eine historische Nation, 4 Die Adelsrepublik, 1569–1795, S. 276
  25. ↑ Wiem, Portalwiedzy: unter Buczacki traktat
  26. ↑ Dietmar Willoweit, Hans Lemberg: Reiche und Territorien in Ostmitteleuropa. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2006, S. 116
  27. ↑ Matthias Weber: Preussen in Ostmitteleuropa. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2006, S. 14–15
  28. ↑ a b Karl Heinrich Ludwig Pölitz: Die Staatswissenschaften im Lichte unsrer Zeit. S. 148
  29. ↑ Ernst Daniel Martin Kirchner, Arnim-Boytzenburg, David Schwartz: Das Schloss Boytzenburg und seine Besitzer. S. 335
  30. ↑ Bernd Sösemann: Kommunikation und Medien in Preussen vom 16. Bis zum 19. Franz Steiner Verlag, 2002, S. 119
  31. ↑ Brigitte Esser: Daten der Weltgeschichte
  32. ↑ laut Wacław Szczygielski: Konfederacja Barska w… Warszawa, 1970, S. 6, bis zu 60.000 Tote, bis zu 6.000 Mann verbannt nach Sibirien laut Zygmunt Gloger: Geografia historyczna ziem dawnej Polski.
  33. ↑ Hans-Jürgen Bömelburg: Zwischen polnischer Ständegesellschaft und preussischem Obrigkeitsstaat. S. 215
  34. ↑ Meyers Konversationslexikon, Vierte Auflage, S. 179
  35. ↑ Małgorzata Danecka, Thorsten Hoppe: Warschau entdecken – Rundgänge durch die polnische Hauptstadt, Trescher-Verlag, 2008, S. 26
  36. ↑ Dieter Schulze: Polen – der Süden mit Warschau und Posen. Dumontreise-Verlag, 2008, S. 331
  37. ↑ Carl Neyfeld: Polens Revolution und Kampf im Jahre 1831. S. 48
  38. ↑ Richard Brettell: Modern Art 1851–1929. Capitalism and Representation, Oxford University Press, 1999, S. 198.
  39. ↑ Feliks Szyszko: The Impact of History on Polish Art in the Twentieth Century
  40. ↑ Christoph Mick: „Den Vorvätern zum Ruhm – den Brüdern zur Ermutigung“, Variationen zum Thema Grunwald/Tannenberg. in: zeitenblicke 3 (2004), Nr. 1
  41. ↑ Roman Dmowski. La question polonaise, Armand Colin, Paris 1909.
  42. ↑ Paul Roth: Die Entstehung des polnischen Staates – Eine völkerrechtlich-politische Untersuchung. Liebmann, Berlin 1926, S. 4, Fußnote 3).
  43. ↑ o.T. Potsdamer Abkommen
  44. ↑ Jochen Oltmer: Migration. Zwangswanderungen nach dem Zweiten Weltkrieg.
  45. ↑ Bernadette Nitschke: Vertreibung und Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus Polen 1945 bis 1949. 2. Auflage 2004.
  46. ↑ Andreas Zimmermann, Max-Planck-Institut für Ausländisches Öffentliches Recht und Völkerrecht (Hrsg.): Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge: Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation. (= State succession with Regard to treaties: A Stocktaking), Springer, 2000, S. 173 f.
  47. ↑ Timothy Garton Ash: We the people. The Revolution of '89 Witnessed in Warsaw, Budapest, Berlin and Prague. London 1999, S. 14

 

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Vorgeschichte Polens

Die Vorgeschichte Polens beginnt mit den paläolithischen Artefakten im Südteil.

Paläolithikum

Das Paläolithikum (die Altsteinzeit), der längste Abschnitt in der der Menschheitsgeschichte, hatte aufgrund der dreifachen Vergletscherung auf dem Gebiete Polens einen anderen Verlauf als südlich der Karpaten. Die ältesten Menschenspuren einzelne altpaläolithische Steinwerkzeuge – findet man nur in Südpolen. Sie stammen aus dem Mindel-Riss-Interglazial und dem Riss-Glazial, das heißt aus der Zeit zwischen 230.000 und 110.000 v. Chr. Aus dem folgenden Riss-Würm-Interglazial und einem Teil des Würm-Glazials (110.000 bis 40.000 v. Chr.) finden sich bereits mehr Spuren der menschlichen Tätigkeit. Sie stammen gleichfalls aus Südpolen, u. a. aus Höhlen. So wurde z. B. der Wawelhügel mitsamt Grotte in Krakau schon vor 20.000 Jahren bewohnt. Die Feuersteinwerkzeuge dieser Zeit, die typologisch zum MitteIpaläolithikum gehören, sind schon differenzierter, was sowohl den technischen Fortschritt wie auch die Entstehung einer neuen Tradition widerspiegelt. Charakteristisch für das Mittelpaläolithikum sind die Feuersteinmesser der Micoquien-Prądnik-Kultur. Am Anfang des Jungpaläolithikums (gegen 40.000 v. Chr.) erscheint der Homo Sapiens. Die ältesten Spuren seines Auftretens wurden am Wawelhügel und seiner Höhle unweit von Krakau gefunden. Die Grenze der durch den Menschen besiedelten Gebiete verschob sich nach Norden und verlief jetzt durch Mittelpolen. Die Menschen bauten schon Hütten aus Mammutknochen. Neben dem Feuerstein begann man, Knochen als Rohstoff für die Herstellung von Werkzeugen, Speerspitzen und Schmuck zu gebrauchen. Aus Zähnen wurden Halsketten gearbeitet.

Im Spätpaläolithikum (13. bis 9. Jahrtausend v. Chr.) war durch eine wesentliche Erwärmung des Klimas ganz Polens besiedelt. Hauptbeschäftigung der Menschen war noch immer die Jagd auf Rentiere, die die Tundra bewohnten. Aus diesem Zeitalter stammen auch die ältesten in Polen gefundenen Menschenreste mit Indizien für Kannibalismus.

Mesolithikum

Mit einer weiteren Verbesserung des Klimas begann das Mesolithikum (die Mittelsteinzeit), das bis zum 5. Jahrtausend v. Chr. dauerte. Damals bedeckten Wälder Polen. In der dem Waldmilieu angepaßten Wirtschaft spielte der Fischfang eine große Rolle. Aus Feuerstein – noch immer der wichtigste Rohstoff zur Herstellung von Werkzeugen – wurden sehr kleine Gegenstände gefertigt (in der Archäologie als Mikrolithen bezeichnet), vor allem jene den neuen Jagdmethoden angepassten Pfeilspitzen; aus Geweihstücken waren Harpunen in Gebrauch, aus Knochen, Horn und Bernstein wurden realistische Tierfigürchen gearbeitet. Wir kennen aus diesem Zeitalter schon Bestattungen, in denen die Leichen mit Hämatitpulver bestreut wurden, was zweifellos symbolische Bedeutung hatte. Das Grab aus Janislawice, ist das am reichsten ausgestattete mesolithische Grab in Europa: in der mit Hämatitpulver bestreuten Grabhöhle hat man die Leiche mit Beigaben von Pfeilspitzen, einer Zahnhalskette und Knochenmessern gefunden.

Neolithikum

Das Neolithikum (die Jungsteinzeit) war eine Wende in der Geschichte der Menschheit. Gegen 4500 v. Chr. kamen Menschen mit der Kenntnis von Ackerbau und Haustierzucht auch nach Polen. Die sehr wichtigen Handwerke der Töpferei und der Weberei haben damals ihren Anfang genommen und man begann auch neue Techniken bei der Herstellung von Werkzeugen anzuwenden. Aus den südlich der Karpaten liegenden Ländern kamen Menschen, die die neue Kultur verbreiteten. Zahlreiche Funde in Polen zeugen davon. Die ersten Ackerbauern kamen aus Mähren und gehörten der Kultur der Bandkeramik an. Sie ist Teil der sehr einheitlichen Gruppe donauländischer Kulturen, die ein sehr großes Gebiet in Europa besiedelte und überall eine identische Wirtschafts- und Gesellschaftsform und Religion bewahrte. Die ersten Träger der Kultur der Bandkeramik kamen zuerst nach Kleinpolen und Schlesien, um an Weichsel und Oder vorzudringen. Sie besiedelten die fruchtbaren Löß- und Schwarzerdeböden.

Im 4. und 3. Jahrtausend breiteten sich neolithische Kulturen und die mit ihnen verbundene Lebensweise immer schneller aus. Damals erschienen die Trichterbecher- und die Kugelamphorenkultur. Die Träger dieser Kulturen, die nicht mehr zum Donauländischen Kreis gehören, besiedelten auch die weniger fruchtbaren Böden. Sie sind von den Niederlanden bis zur Ukraine, und von Skandinavien bis Bayern, Böhmen, Mähren verbreitet. Die damalige Urbanisierung wurde dank 'eines sehr großen technischen Fortschrittes möglich: man entwickelte neue Methoden des Ackerbaues (Pflug) und der Haustierzucht sowie auch Transportmittel. Einzelne. Bestattungen der Trichterbecherkultur sind insofern von Interesse, als sie für die über Europa verbreitete Megalithkultur gehören. Typisch sind monumentale, aus großen Findlingen und Felsen errichtete Gräber. In Polen fasste man damit Grabhügel ein, die eine Länge bis zu 130 Meter, eine Breite bis zu 15 Meter und eine Höhe bis zu 3 Meter erreichen. In den Steinkammern der Grabhügel wurden Bestattungen einer oder mehrerer Personen gefunden.

Die Träger der letztgenannten Kulturen gewannen Feuerstein in großem Ausmaß, u. a. mit Bergbau-Methoden. Ein interessanter Komplex neolithischer Feuersteingruben befindet sich in Krzemionki Opatowskie (Südpolen). Hier hat man auf einem 4 Kilometer langen und 15 bis 120 Meter breiten Feld mehr als 3000 Schächte entdeckt. Von den Schächten, die ein paar Meter breit und bis 9 Meter tief sind, zweigen horizontale Gänge ab. Die Höhe der Gewinnungskammern beträgt 0,55 bis 1,10 Meter. Stehen gelassene Felspfeiler schützten das System vor dem Einsturz, und eine sinnreiche Lüftungsanlage ermöglichte die schwere Arbeit unter Tag.

Bronze- und Eisenzeit

Gegen 1800 v. Chr. veränderten Einflüsse fremder Kulturen auf entscheidende Weise die kulturelle Gestalt des Landes. In der Frühbronzezeit beherrschte weiterhin die Kultur der Schnurkeramik. Ostpolen, In den westlichen Gebieten entwickelte sich eine Gruppe der mitteleuropäischen Aunjetitzer Kultur. Die Träger beider Kulturen gebrauchten schon Bronze, die Träger der Aunjetitzer Kultur befassten sich mit Metallurgie. Neben dem Handwerk entwickelte sich der Handel: Gold, Mittelmeermuscheln, einige Fayenceperlen zeugen von weit reichenden Verbindungen. Spezialisiertes Handwerk und beginnender Handel waren Faktoren, die die Entstehung von Privilegierten verursachten. Ein reiches Körpergrab wurde in Łęlki Małe entdeckt. Unter einem vier Meter hohen und 45 Meter breiten Grabhügel war eine Steinkammer errichtet worden. Neben den Skeletten eines Mannes und einer Frau und üblichen Tongefäßen fand man zahlreiche Bronzegegenstände und Goldschmuck.

Etwa ab dem 15. Jahrhundert v. Chr. erstand aus der Trzciniec- und der Vorlausitzer Kultur, die Lausitzer Kultur, die in der Vorgeschichte Polens eine wichtige Rolle gespielt hat. Interessant sind die Massengräber auf den Gräberfeldern der Trzciniec-Kultur. In Wolica Nowa hat man in einem Grab 23 Skelette, in Kosin 28 Skelette (11 Frauen, 10 Männer und 7 Kinder) gefunden. Es besteht Grund zur Annahme, dass es sich um Familiengräber, Kriegergräber oder Begräbnisse eines "Fürsten" mit seiner Gefolgschaft handelt. Das Vorhandensein fragmentarischer Menschenreste kann auf Kannibalismus weisen. Die Veränderung der Religion, die die Verbreitung der Brandbestattung widerspiegelt, hat zusammen mit der Entstehung der Lausitzer Kultur gegen 1200 v. Chr. stattgefunden. Diese Kultur war eng mit der mitteleuropäischen Urnenfelderkultur verbunden. Die Lausitzer Kultur dauerte bis in die Früheisenzeit, bis zum Ende der Hallstattzeit. In der Bronzezeit umfasste sie fast das ganze Gebiet Polens und einen großen Teil Mitteleuropas. Die Bevölkerung beschäftigte sich mit Ackerbau und Haustierhaltung. Außer Getreide kultivierte man Hülsen- und Ölfrüchte sowie Gemüse und Obst. Die Jagd spielte eine kleinere Rolle.

Die Träger der Lausitzer Kultur wohnten in offenen und in befestigten Siedlungen. Die ersteren wurden während der gesamten Dauer dieser Kultur bewohnt. Die umwallten Burgsiedlungen erschienen am Ende der Bronzezeit und spielten in der Früheisenzeit eine wichtige Rolle. Als bekanntestes Beispiel gilt die Pfahlbausiedlung in Biskupin, nördlich von Gnesen, die um 700 v. Chr. gegründet wurde und um 400 v. Chr. von Skythen zerstört wurde. In den 1930 Jahren zufällig entdeckt, bestand die auf einer Insel angelegte Siedlung aus 106 fast gleichartigen Häusern und war von einer Wehrmauer aus kistenartig aufgerichteten Holzstämmen, die mit Erde und Steinen ausgefüllt war, umgeben. Die Siedlung dürfte insgesamt gegen 1250 Einwohner gezählt haben. Während der Antike unterhielt die Bevölkerung im Gebiet des heutigen Polen über die Bernsteinstraßen Handelsbeziehungen mit Rom und Griechenland.

Literatur

  • Jan Daniel Artymowaki: Altertümer aus Polen. ISBN 3-920557-36-0

 

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Christianisierung Polens

Der Beginn der Christianisierung Polens (polnisch Chrzest Polski) kann mit dem 14. April 966, der Taufe von Herzog Mieszko I. von Polen, in Verbindung gebracht werden.[1] Über die Gründe Mieszkos zum Christentum überzutreten ist keine schriftliche Quelle überliefert. Zum einen war es für Mieszko I. sicherlich ein wichtiges System um den polnischen Staat zu stabilisieren. Die hierarchische Struktur der christlichen Kirche ermöglichte ihm seinen Einfluss in der Gesellschaft zu stärken. Die bisherigen heidnischen Religionen konnten dies nicht leisten.[2] Aber die Abkehr von den alten Göttern konnte auch Legitimationsprobleme mit sich bringen, da eine Verbindung zu den Ahnen damit abgeschnitten wurde[3]. Der Übertritt zum Christentum brachte dem polnischen Herrscher auch die Gleichstellung mit den anderen westlichen Herrschern und ermöglichte damit bessere staatliche Beziehungen.[3] Der Geschichtsschreiber Thietmar von Merseburg hält den Einfluss der Frau Mieszkos Dubrawa, welche selbst Christin war, für maßgeblich für Mieszkos Entschluss, zum Christentum überzutreten.[3]

Der genaue Ort der Taufe von Mieszko I. wird diskutiert, die Historiker haben abwechselnd argumentiert, dass Gniezno, Poznań, Regensburg[4][1][2], Köln oder sogar Rom der Taufort von Mieszko I. gewesen sein könnte. Die Tätigkeit von Mieszko I. war erfolgreich verlaufen, denn bis zum 13. Jahrhundert war der römische Katholizismus überall in Polen verbreitet und wurde zur dominierenden Religion Polens.

Missionsbischof von Polen wurde Jordan der vermutlich schon zuvor am Hof Mieszkos weilte[3] und dem später auch das Bistum Posen übertragen wurde.[2] Die Herkunft Jordans ist nicht gesichert. Vermutungen, er wäre Deutscher[5], treffen vermutlich nicht. Dass er tschechischer Herkunft war ist ebenfalls umstritten.[3] Die älteste Schicht der polnischen christlichen Kirche war böhmischer Herkunft, die Kirche war aber eigenständig, dem Papst direkt unterstellt und nicht von der Reichskirche abhängig.[3]

Der darauffolgende Schritt in der Annahme des Christentums war die Errichtung der verschiedenen kirchlichen Organe in Polen während des 10. und 11. Jahrhunderts. Es wurden wichtige Gebäude wie Kathedralen und Kloster erbaut, außerdem entstand der Klerus.

Die polnische Kirche feiert 1966 „Sacrum Poloniae Millenium“ (1000 Jahre Christentum).[4] Die Volksrepublik Polen feierten dagegen „Tysiąclecie Państwa Polskiego“ (1000 Jahre des Polnischen Staates).[4]

Fußnoten

  1. ↑ a b Jerzy Łojek, Kalendarz Historyczny, Warschau 1994, S. 12. ISBN 83-7001-856-4
  2. ↑ a b c Maria Bugucka, Dawan Polska, Warschau 1998, S. 30–32. ISBN 83-85660-60-7
  3. ↑ a b c d e f Manfred Alexander, Kleine Geschichte Polens, Stuttgart 2008, S. 19–25. ISBN 978-3-15-017060-1
  4. ↑ a b c Andrea Schmidt-Rösler, Polen, München/Regensburg 1996, S. 15. ISBN 3-7917-1512-6
  5. ↑ Karl Völker, Kirchengeschichte Polens, Berlin/Leipzig 1930, S. 8

 

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Konfessionen in Polen

Unter den religiösen Gruppen in Polen überragt die Römisch-Katholische Kirche mit 94,5 % der Bevölkerung alle anderen Gruppen mit hohem Abstand.

Wohl waren auch in der Vergangenheit die polnischen Staatsbürger häufig katholisch, aber bis zum Ausgang des Zweiten Weltkrieges konnte Polen als Vielvölkerstaat angesehen werden.

Die überwiegend östlich der sog. Curzon-Linie ansässigen Weißrussen und Ukrainer gehörten meist der orthodoxen, der Ruthenisch-Katholischen Kirche bzw. der Unierten Kirche an. Etwa 10 % der Bewohner des polnischen Staatsgebietes waren jüdischen Glaubens. Die in den Großräumen Posen, Pommerellen, Lodz und Wolhynien ansässigen Deutschen waren, anders als die meist katholischen deutschsprachigen Ostoberschlesier, meist evangelisch. Auch die im südöstlichen „Vorkriegspolen“ ansässigen Armenier und muslimischen Tataren gehörten in der Regel nicht der römisch-katholischen Kirche an.

Die jetzige Situation eines „ethnisch und konfessionell homogenen“ Staates ist als Ergebnis von Völkermord, Krieg, Vertreibung und vor allem der Westverschiebung Polens 1945 anzusehen, in deren Rahmen das Siedlungsgebiet der meisten orthodoxen bzw. ruthenisch-katholischen Ukrainer und Weißrussen der UdSSR angegliedert wurde.

Nach der katholischen Kirche ist die Polnisch-Orthodoxe Kirche mit 600.000 Gliedern und Sitz des Metropoliten in Warschau als nächstgrößte Glaubensgemeinschaft zu nennen.

Die unierte Griechisch-Katholische Kirche mit 110.380 Gliedern wurde nach einer Zeit der Repression seit 1946 im Jahr 1992 faktisch wieder anerkannt.

Die „Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen“, die seit dem 16. Jahrhundert als lutherische Kirche auf eine polnische Tradition zurückblickt, umfasste vor dem Zweiten Weltkrieg etwa 400.000 Mitglieder, die zu etwa 75 % deutsch- und zu etwa 25 % polnischsprachig waren. Im Zuge der Zwangsaussiedlung der deutschsprachigen Gemeindeglieder nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Zahl der Mitglieder auf etwa 100.000 zurück. In der Nachkriegszeit stand die Evangelisch-Augsburgische Kirche aufgrund der – unzutreffenden – Gleichsetzung von Protestantismus und deutscher Nationalität vielfach in Misskredit. Heute umfasst die Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen 80.000 Gemeindeglieder. Evangelisch sind u.a. der ehemalige polnische Premier Jerzy Buzek und Adam Małysz.

Die bedeutenden Minderheitskirchen in Polen gehören dem Polnischen Ökumenischen Rat an:

  • Polnisch-Orthodoxe Kirche (600.000 Mitglieder)
  • Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen (Lutheraner) (80.000 Mitglieder)
  • Altkatholische Kirche der Mariaviten (23.670 Mitglieder)
  • Polnisch-Katholische Kirche (19.035 Mitglieder)
  • Baptisten in Polen (4.700 Mitglieder) - Siebenten-Tags-Baptisten, freie Baptisten (1.300) Mitglieder)
  • Evangelisch-methodistische Kirche (5.000 Mitglieder)
  • Evangelisch-reformierte Kirche von Polen (Calvinisten)(4.000 Mitglieder)

Nichtmitglieder des Polnischen Ökumenischen Rates sind u.a.:

  • Katholische Kirche der Mariaviten (2.195 Mitglieder)
  • Altkatholische Kirche in Polen (475 Mitglieder)
  • Zeugen Jehovas (126.518 aktive Mitglieder in 2009)

Die Zahl der Juden, 1939 3,3 Millionen, beträgt heute 5.000.

Die Zahl der Muslime beträgt etwa 25.000 – 31.000 Gläubige, davon rund 5.000 polnische Tataren, siehe Islam in Polen.

Die katholische Kirche besitzt in Polen heute noch einen großen Einfluss im Alltag und auf die Politik, der auf die Geschichte Polens nach dem Zweiten Weltkrieg zurückzuführen ist. Während der sozialistischen Zeit empfanden die Polen die katholische Kirche als auf ihrer Seite befindlich und fanden dabei auch Unterstützung durch den damaligen Papst, den Polen Johannes Paul II. Die Geschichte Polens, die vor allem in der neueren Geschichte, seit den Teilungen Polens am Ende des 18. Jahrhunderts, durch Fremdherrschaft und nationale Unterdrückung geprägt war, machte die Polen gegen Fremdeinflüsse sensibel. Deshalb kam es zum Teil auch zu Ablehnung gegen den Beitritt zur EU 2004. Um so höher wird auch von jungen Polen die als neutral empfundene Stellung der katholischen Kirche während dieser Entwicklung anerkannt. Demgegenüber gilt die Evangelische Kirche in Deutschland als früherer Unterstützer des Nationalsozialismus und hat daher ein geringes Ansehen.

 

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Königreich Polen

Das Königreich Polen (polnisch Królestwo Polskie, lateinisch Regnum Poloniae) war die Bezeichnung des polnischen Staates in den Jahren 1000 bis 1795. Es begann entweder im Jahre 1000 mit der Standeserhebung des polnischen Herzogs Bolesław I. zum "Bruder und Helfer des Römischen Reichs" durch Kaiser Otto III. oder durch die Selbstkrönung Bolesławs I. 1025 zum König von Polen kurz vor seinem Tode. Das später erweiterte Polnisch-Litauische Reich endete 1795 mit der Abdankung des letzten Königs Stanisław August Poniatowski und der Dritten Teilung Polens.

Erbmonarchie

Nach der Zersplitterung des Königsreichs in einzelne Herzogtümer seit dem 12. Jahrhundert kam es erst 1295 mit Przemysław II. wieder zur Krönung eines Königs. Allerdings entwickelte sich auf dem Hintergrund des Konzepts einer Corona Regni Poloniae bald schon ein Dualismus von König und Stände insbesondere des Adels.

Wichtig ist die 1386 eingegangene Allianz mit dem Großfürstentum Litauen, in deren Folge der litauische Großfürst Jogaila als Władysław II. Jagiełło den polnischen Thron bestieg und damit die Dynastie der Jagiellonen in Polen begründete.

Das Königreich wurden in den Jahren 1000–1572 durch folgende Dynastien regiert:

  • 1000–1370 die Piasten
  • 1370–1399 die Capet-Anjou
  • 1386–1572 die Jagiellonen

Wahlmonarchie

Nach dem Aussterben der Jagiellonen im Mannesstamm und der Lubliner Union wurde die Personalunion zwischen dem Königreich Polen und dem Großfürstentum Litauen in eine Realunion umgewandelt. Der polnisch-litauische Adel, die Szlachta, setzte das Recht der Freien Wahl des Königs und Großfürsts durch. Seither stand an der Spitze des Staates, der so genannten Rzeczpospolita, ein Wahlkönig bzw. Wahlgroßfürst in Realunion vor. Dieser Doppelstaat, auch genannt Polen-Litauen, existierte bis 1791, dem Jahr der Mai-Verfassung.

Die Rzeczpospolita Polen ging 1795 mit der Dritten Teilung Polens unter.

Die bedeutendsten Dynastien von Polen-Litauen waren:

  • 1587–1668 die Wasa
  • 1697–1763 die Wettiner

Kongresspolen

Nach dem Untergang der Rzeczpospolita fielen die Länder der polnisch-litauischen Krone an das Kaiserreich Russland, Kaiserhaus Österreich sowie das Königreich Preußen. Nach dem Wiener Kongress 1815 wurde das sogenannte Kongresspolen eingerichtet: ein formell unabhängiges „Königreich Polen“ auf Basis einer Konstitutionellen Monarchie, das nur durch eine Personalunion mit dem Russischen Kaiserreich verbunden sein sollte. Die Vereinbarungen wurden durch das autokratische Regime in Sankt Petersburg in den Jahren nach dem Kongress konsequent missachtet und schleichend beschnitten. Die vereinbarten Souveränitätsrechte wurden den Polen nicht vollständig gewährt. Nach dem gescheiterten Novemberaufstand 1830–1831 wurde die bestehende polnische Verwaltung unter Bruch der Wiener Kongressakte nach 1832 durch das „Organische Statut“ liquidiert und das Gebiet faktisch als Provinz Weichselland dem Russischen Reich administrativ direkt einverleibt.

Regentschaftskönigreich Polen

m Verlauf des Ersten Weltkrieges wurde 1916 durch die Mittelmächte ein Regentschaftskönigreich Polen proklamiert. Dies war aber eher eine gegen Russland gerichtete Maßnahme als eine Anerkennung des Rechts der Polen auf Eigenstaatlichkeit. Dieses Königreich existierte formell bis 1918.

 

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Polen-Litauen

Der Staat Polen-Litauen bestand von 1569 bis 1795 in Mittel- und Osteuropa. Die beiden namensgebenden Länder, die schon seit 1386 in einer Personalunion zusammen geführt wurden, waren das Königreich Polen (polnisch meist einfach Korona, „die Krone“, genannt) und das Großfürstentum Litauen. Das Gebiet umfasste in seiner größten territorialen Ausdehnung um 1600 die heutigen Staatsgebiete von Polen, Litauen, Lettland, Weißrussland sowie Teile Russlands, Estlands, Rumäniens und der Ukraine.

Da nach dem Aussterben der Jagiellonen-Dynastie eine Wahlmonarchie eingeführt wurde und das Ständeparlament Sejm, das im Wesentlichen den Adel vertrat, umfangreiche Kompetenzen hatte, wird oft auch von einer Adelsrepublik gesprochen, polnisch (Erste) Rzeczpospolita genannt.

Das Staatswesen war ein Vielvölkerstaat, dessen heterogene Bevölkerungsethnien den unterschiedlichsten Glaubensbekenntnissen folgten: katholische, protestantische und orthodoxe Christen, Juden und Moslems lebten hier mit- und nebeneinander.

Mit der Realunion verschmolzen das Großfürstentum Litauen, das Königreich Polen, das Königliche Preußen und das Herzogtum Livland zu einem Gemeinwesen. Auch die ländlichen Gebiete des Königlichen Preußen wurden von polnischen Starosten verwaltet, jedoch erhielten sich einige Städte (Danzig, Thorn und Elbing) aber auch das Fürstbistum Ermland ein großes Maß an Autonomie. Andere Gebiete unterstanden Polen-Litauen nur als Lehen, so das Herzogtum Preußen, das Herzogtum Kurland und Semgallen, und zeitweilig das Fürstentum Moldau. Polen-Litauen verfügte außerdem bis 1772 über die Zipser Städte, die 1421 vom Königreich Ungarn an das Königreich Polen verpfändet worden waren.

Name

Die offizielle Eigenbezeichnung des Staates war (polnisch) Rzeczpospolita Korony Polskiej i Wielkiego Księstwa Litewskiego bzw. (litauisch) Žečpospolita.

Da auf Polnisch auch die polnischen Republiken seit der Wiederherstellung der polnischen Souveränität als Rzeczpospolita bezeichnet werden, lässt der Name des Gemeinwesens sich mit „Republik der polnischen Krone und des Großfürstentums Litauen“ wiedergeben, trotz des geringen etymologischen Unterschieds von rzeczpospolita und rēs pūblica.[3][4][5][6] Der scheinbare Widerspruch von Monarchie und Republik wird durch das Wahlkönigtum aufgehoben, durch das die Könige bzw. Großfürsten nicht mehr Besitzer sondern nur noch Amtsträger der vereinigten Länder waren.

In historischen Quellen lateinischer Sprache findet sich Respublica sive Status Regni Poloniae, Lituaniae, Prussiae, Livoniae etc. („Republik oder Staat des Königreiches…“, 1627) [7]und Reges et Respublica Poloniae („Könige und Republik Polens“, 1677),[8] aber auch Regnum Poloniae Magnusque Ducatus Lithuaniae („Königreich Polen und Großfürstentum Litauen“, 1729)[9].

Im Teilungstraktat zur zweiten polnischen Teilung von 1793 steht (Franz. S(erenissime). République de Pologne.[10]

Im Englischen wird Rzeczpospolita gerne mit „Commonwealth“ übersetzt, was mit Blick auf die Staatsbezeichnung Commonwealth of Australia verständlich wird.

Eine möglicherweise erst im nachhinein geprägte kürzere Bezeichnung ist Republik beider Nationen oder Völker (polnisch: Rzeczpospolita Obojga Narodów und Republik Polen-Litauen[11][12] litauisch: Abiejų Tautų Respublika; ruthenisch: Рѣчъ посполитая ѡбоига народовъ; ).

Realunion von Lublin

Durch die Lubliner Union vom 12. August 1569 wurde die in der Union von Krewo 1385 entstandene Personalunion mangels Thronfolger von Polen und Litauen in eine Realunion umgewandelt. Der neue Staat wurde „Gemeinwesen beider Nationen“ genannt, es war eine Wahlmonarchie mit gemeinsamer Währung, gemeinsamem Parlament (dem Sejm) und Monarchen. Beteiligt an der Wahl war allerdings lediglich der Adel, der aber ungefähr 10 % der Bevölkerung ausmachte, deutlich mehr als in den meisten übrigen europäischen Staaten. Der niedere polnische Adel wurde Szlachta genannt, der hohe die Magnaten. Aufgrund seiner aristokratischen Elemente (Wahlkönigtum mit starker Stellung des Adelsparlaments Sejm) wird dieser Staat auch als Adelsrepublik bezeichnet. Er existierte bis 1795. Der Sejm hatte schon vor der Reform von 1781 deutlich größere Befugnisse, beispielsweise in Sachen Außenpolitik oder auch Adelsprädikaten, als zu der Zeit das englische Parlament.

Gewählte Könige

Die Könige nach Knüpfung der polnisch-litauischen Personalunion bis zur Union von Lublin waren außer Jagiello alle in Polen geboren, bis auf einen sogar alle in der Königsstadt Krakau.

Bei der ersten Möglichkeit, frei einen König zu wählen, entschied sich der Sejm im Mai 1573 für einen Ausländer, den Kapetinger Heinrich von Valois aus Frankreich. Nur ein Jahr danach verließ dieser jedoch heimlich Polen, um nach dem nahenden Tod seines schwer kranken älteren Bruders Karl IX. König von Frankreich zu werden. Daraufhin wurde die mit 52 Jahren noch unverheiratete Anna Jagiellonica, Tochter des vorletzten Jagiellonen Sigismunds I. des Alten zum König (nicht Königin) gewählt und ein männlicher Königskandidat mit der Bedingung gesucht, sie zu ehelichen. Der Siebenbürger Ungar Stephan Báthory hatte für den Sejm den Vorteil, keiner der großen europäischen Dynastien verbunden zu sein. Zehn Jahre jünger als seine Frau Anna starb er doch zehn Jahre vor ihr.

Anna unterstütze erfolgreich die Wahl ihres schwedischen Neffen Sigismund III. Wasa zum König und Großfürsten im Jahre 1587. Nach dessen Tod wählte der Sejm nacheinander zwei seiner in Krakau geborenen Söhne zum Staatsoberhaupt.

Die nächsten beiden Könige entstammten einheimischen Adelsgeschlechtern, wenn auch aus Orten, die heute nicht mehr zu Polen gehören, 1669 Michael Korybut Wiśniowiecki und 1674 Johann III. Sobieski, der entscheidend in die Geschichte Europas eingriff, indem er 1683 das osmanische Heer vor Wien schlug.

Mit dem sächsischen Kurfürsten August II. dem Starken wurde dann wieder ein Ausländer gewählt. Allerdings war das Kurfürstentum Sachsen schwächer als Polens fünf potente Nachbarn, Schweden, Russland, die Osmanen, das Habsburgerreich und das Königreich Preußen. Trotzdem wurde die polnische Politik nun stark von den Nachbarn und Frankreich beeinflusst, was in der mehrfachen Wahl von Gegenkönigen zum Ausdruck kam: Stanislaus I. Leszczyński gegen August den Starken, dann August II. gegen ihn, dann Stanislaus' zweite Wahl, dann August III., Sohn des ersten Sachsen auf dem polnischen Thron.

Mit Stanislaus II. August Poniatowski wurde 1764 ein einheimischer Adeliger mit guten Beziehungen zum russischen Zarenhof zum, wie sich herausstellte, letzten König und Großfürsten der polnisch-litauischen Rzeczpospolita gewählt.

Politiker

Die schwache Stellung der Könige gegenüber dem Sejm ermöglichte es einigen Politikern aus den Reihen der Sejmabgeordneten, jeweils über Jahre entscheidend auf die Geschicke des Landes einzuwirken. Dazu zählen Jan Zamoyski und mehrere Angehörige der Familie Ossoliński.

Blütezeit

Im frühen 17. Jahrhundert hielt sich Polen-Litauen aus dem Dreißigjährigen Krieg heraus, und expandierte nach Osten, wobei im Polnisch-Russischen Krieg 1609–1618 der Kreml in Moskau besetzt wurde (1610), oder die Küste am Schwarzen Meer. In der Zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts schränkten dann die Folgen des Zweiten Nordischen Krieges, innere Querelen, sowie die erstarkenden Nachbarn Russland und Brandenburg-Preußen die Macht von Polen-Litauen zunehmend ein. Seit 1697 fand sich die Adelsrepublik als Teil der Personalunion Sachsen-Polen wieder, die mit Unterbrechungen bis 1763 währte. Im Jahre 1772 umfasste Polen-Litauen 729.900 km² und hatte rund 12 Millionen Einwohner.[13]

Einheitsstaat

Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde die Rzeczpospolita durch das Liberum Veto zunehmend handlungsunfähig, was den Nachbarn die Erste Teilung Polens ermöglichte. Als Konsequenz daraus und unter dem Eindruck der Unabhängigkeit der USA und der Französischen Revolution entstand die liberale Verfassung vom 3. Mai 1791. Sie hob die Dualität zwischen Polen und Litauen auf. Die verbliebenen Teile der Adelsrepublik wurden in einem Einheitsstaat vereint. Die absolutistisch regierten Nachbarmonarchien nahmen zwei Jahre später die Zweite Teilung Polens vor, und weitere zwei Jahre später die dritte und vollständige Aufteilung – nicht zuletzt wegen Ähnlichkeiten der reformierten polnischen Verfassung mit derjenigen des revolutionären Frankreich. Polen-Litauen verschwand, wie schon andere einst souveräne Staaten, bis 1918 von den politischen Landkarten Europas. An den Teilungen nahmen teil: das Königreich Preußen, das Haus Österreich und das Russische Reich.

Administrative Einteilung

Abgesehen von den königlichen Freistädten (Danzig, Thorn, Elbing und Riga bis 1621) war Polen-Litauen in Woiwodschaften eingeteilt (siehe Karte). Die Einteilung des Gebietes der Krone Polen in die Provinzen Großpolen und Kleinpolen hatte rein traditionelle Bedeutung. Einige Herrschaften waren einer Woiwodschaft gleichgestellt. Die genaue Einteilung siehe Verwaltungsgliederung der Polnischen Adelsrepublik

Rezeption

Die Adelsrepublik Polen-Litauen gemeinhin als Erste Polnische Republik betrachtet,[14] wurde in der Zwischenkriegszeit zur populärsten Epoche der Geschichtsbetrachtung in der polnischen Gesellschaft, obgleich die Erste Polnische Republik doch alles andere als liberal oder demokratisch gewesen ist. Wichtig an der Legende, die sich in der Bevölkerung von dieser Zeit gebildet hat, ist die Tatsache, daß Polen in dieser Zeit wirklich unabhängig war.[15]

Literatur

  • Maria Rhode: Ein Königreich ohne König. Der kleinpolnische Adel in sieben Interregna (= Quellen und Studien; 5). Harrassowitz, Wiesbaden 1997, ISBN 3-447-03912-4 (Volltext).
  • Daniel Stone: The Polish-Lithunian State, 1386–1795 (= A History of East Central Europe; 4). University of Washington Press, Seattle 2001, ISBN 0-295-98093-1, (eingeschränkte Vorschau).

Fußnoten

  1. ↑ Lat.: "Wenn Gott mit uns, wer dann gegen uns?"; seit dem 18. Jahrhundert Pro Fide, Lege et Rege („Für den Glauben, das Recht und den König“).
  2. ↑ a b Hans Roos: Polen von 1668 bis 1795. In: Theodor Schieder, Fritz Wagner (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Geschichte. Band 4: Europa im Zeitalter des Absolutismus und der Aufklärung. Stuttgart 1968, S. 690–752, hier S. 746ff.
  3. ↑ lat.: rēs pūblica bedeutet „öffentliche Sache“; poln.: rzecz pospolita bedeutet „gemeinsame Sache“, pospolity „gemeinsam“ sowie „gemein“ in dessen Bedeutung von „gewöhnlich“, nicht von „niederträchtig“.
  4. ↑ Daute Stefan, Fiedler Adrian: Slavische nationale Minderheiten im Ostseeraum: Beiträge zu einer Exkursion..., S.47, Universitätsverlag Potsdam, 2008 - Zitat auf Polnisch: Rzeczpospolita Korony Polskiej [Królestwa Polskiego] i Wielkiego Księstwa Litewskiego, auf Deutsch: Republik der Polnischen Krone [des Königreichs Polen] und Großfürstentums Litauen.
  5. ↑ Förster Friedrich Christoph: Die Höfe und Cabinette Europa's im achtzehnten Jahrhundert, S. 137, 1839 - Zitat auf Deutsch: Republik des Königreichs Polen und „Großherzogtums“ Litauen.
  6. ↑ Burszta Wojciech J., Serwański Jacek: Migracja, Europa, Polska, S. 175, 2003 - Zitat auf Polnisch: Rzeczpospolita Królestwa Polskiego i Wielkiego Księstwa Litewskiego, auf Deutsch: Republik des Königreichs Polen und Großfürstentums Litauen.
  7. ↑ http://www.xxx
  8. ↑ 1677 V 17 Erneuerungsvertrag von Warschau betr. Wehlau, Bromberg, siehe Google Buchsuche [1])
  9. ↑ http://www.xxx
  10. ↑ Digitalisat
  11. ↑ Davies Norman: Im Herzen Europas: Geschichte Polens, C. H. Beck Verlag, 2002.
  12. ↑ Auf Polnisch: Rzeczpospolita Obojga Narodów. Im Deutschen auch als Republik der Beiden Völker oder Republik Zweier Völker bezeichnet, wobei sich das Prädikat „Völker“ viel mehr auf die Summe seiner Hauptglieder bezieht, namentlich das Königreich Polen und das Großfürstentum Litauen, und weniger auf Völker im Sinne von „Nationen“.
  13. ↑ Hans Roos: Polen von 1668 bis 1795. In: Theodor Schieder, Fritz Wagner (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Geschichte. Band 4: Europa im Zeitalter des Absolutismus und der Aufklärung. Stuttgart 1968, S. 690–752, hier S. 746ff.
  14. ↑ Rusanna Gaber: Politische Gemeinschaft in Deutschland und Polen. Zum Einfluss der Geschichte auf die politische Kultur. Politische Kultur in den neuen Demokratien Europas. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007, ISBN 3-531-15565-2, S. 131.
  15. ↑ Jürgen Hartmann: Politik und Gesellschaft in Osteuropa. Eine Einführung. Campus, Frankfurt am Main 1983, ISBN 3-593-32555-1, S. 242.

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Greifen

Greifen war die Bezeichnung der Dynastie der Herzöge von Pommern. Sie leitet sich von dem Wappentier, einem aufrecht schreitenden Greifen, ab, der erstmals in den 1190er Jahren auf einem Siegel Herzog Kasimirs I. nachweisbar ist. Zunächst nur als Fremdbezeichnung gebraucht, verwendete die Dynastie den Namen Greifen seit dem 15. Jahrhundert auch selbst.

Der erste sicher nachweisbare Vertreter der Dynastie ist Wartislaw I. Er musste sich 1121 als Herzog in Stettin dem polnischen Herzog Bolesław III. Schiefmund unterwerfen, dehnte jedoch in den folgenden Jahren sein Herrschaftsgebiet über die Oder hinweg westwärts bis zur Peene (siehe auch Demmin) aus, wahrscheinlich sogar mit polnischer Hilfe. Während seiner Herrschaft unternahm Bischof Otto von Bamberg zwei Missionsreisen nach Pommern. Die erste, von Boleslaw Schiefmund initiierte Reise führte den Missionar in das ursprüngliche Herrschaftsgebiet Wartislaws I. östlich der Oder. Die zweite Reise unternahm er 1128 mit deutscher Unterstützung und missionierte dieses Mal in den von Wartislaw I. unterworfenen Gebieten westlich der Oder. Wartislaw I. selbst wurde später von einem heidnischen Wenden ermordet.

Sein Bruder Ratibor I., Stammvater der Ratiboriden, einer Nebenlinie der Greifen, der für die noch unmündigen Söhne Wartislaws die Regentschaft führte, stiftete in der Nähe der Mordstätte das erste Kloster Pommerns, Stolpe an der Peene, westlich von Anklam. Die Wartislaws I. Nachfolger standen unter dem Druck Heinrichs des Löwen und Dänemarks. 1164,nach der Niederlage in der Schlacht bei Verchen, wurden die westlichen Greifen Lehnsleute Heinrichs des Löwen. 1181 belehnte Kaiser Friedrich I. zu Lübeck Bogislaw I. als dux slavorum mit Pommern. Bogislaw I. musste sich jedoch wenige Jahre später, da er keine Hilfe von seinem Lehnsherrn, dem Kaiser, erhielt, 1185 als Vasall den Dänen unterwerfen; Lehnseid an König Knuth VI., "König der Dänen und Slawen". Seit 1227, dem Jahr der Schlacht bei Bornhöved, unterstanden die Greifen wieder den römisch-deutschen Kaisern.

Ratibors eigene Nachkommen hingegen regierten als Fürsten in einem kleineren Gebiet in Hinterpommern, das als Land Schlawe oder als Herrschaft Schlawe-Stolp bezeichnet wird. Mit Ratibor II. († vor 1227) starb die Nebenlinie der Ratiboriden aus. Es kam zu Erbstreitigkeiten um die Herrschaft Schlawe-Stolp zwischen der westlich daran angrenzend regierenden Hauptlinie des Greifenhauses einerseits und dem östlich davon in Pommerellen regierenden Herrschergeschlecht der Samboriden andererseits.

Seit Ende des 12. Jahrhunderts, mit kurzer Unterbrechung 1185–1227, war das Territorium der Greifen mit dem Reich verbunden. Die von Brandenburg beanspruchte Lehnshoheit (1231 durch Friedrich II. bestätigt) blieb strittig. Dennoch gingen in dieser Zeit große Gebiete im Westen und Süden verloren, unter anderem Zirzipanien, das Land Stargard und der größte Teil der Uckermark sowie Teile der Neumark. Das ursprünglich wohl mit dem Herrschaftsgebiet der Greifen deckungsgleiche Bistum Cammin ragte nun weit nach Brandenburg und Mecklenburg hinein. Der deutschrechtliche Landesausbau wurde besonders durch Herzog Barnim I. gefördert. Seit ca. 1220/1230 strömten zunehmend deutsche Siedler in das durch die vorangegangenen Kriege, insbesondere die Däneneinfälle im letzten Drittel des 12. Jahrhunderts verwüstete Land. Zwischen 1250 und 1350 werden die meisten Städte nach deutschem Recht, meist entweder nach lübischen oder magdeburgischem Vorbild, gegründet. 1295 erfolgte eine Teilung des Greifen-Hauses in die Linien Stettin und Wolgast. Der Wolgaster Linie gelang Zugewinn der Herrschaft Schlawe-Stolp 1317 und des Fürstentums Rügen 1325.

Unter den Greifen des 14. Jahrhunderts ragt Barnim III. von Pommern-Stettin hervor. Er stand seit 1348 in engen Beziehungen zu Karl IV., der die Greifenherzöge aller Linien zu gesamter Hand mit Pommern und Rügen als reichsunmittelbares Herzogtum belehnte und 1363 in vierter Ehe Elisabeth von Pommern, eine Tochter Bogislaws V. von Pommern-Wolgast-Stolp, heiratete. Aus dieser Ehe ging der spätere Kaiser Sigismund hervor. Sein Enkel Barnim V. nahm auf Seiten des Deutschen Ordens an der Schlacht von Tannenberg 1410 teil und geriet in polnische Gefangenschaft. Aufgrund einer engeren dynastischen Anlehnung der Stettiner Herzöge an Brandenburg kamen bei ihnen im 14. und 15. Jahrhundert häufiger deutsche Vornamen vor als bei den Wolgaster Vettern, z. B. Otto II., Joachim d. Ä., Joachim d. J. und Otto III.

Ab 1372 spaltete sich das Wolgaster Herzogtum in eine vor- und hinterpommersche Linie. Die hinterpommerschen Herzöge (mit Sitz in Stolp und Rügenwalde) waren ganz besonders in den Kampf zwischen Polen und dem Deutscher Orden verstrickt (so unter Bogislaw VIII. und Erich II.). Sie kamen 1455/1466 in den Besitz der Lande Lauenburg und Bütow (siehe auch Landkreis Bütow und Landkreis Lauenburg). Bemerkenswertester unter den hinterpommerschen Greifen war Erich von Pommern, der als Erich VII. von 1397 bis 1439 nordischer Unionskönig war (siehe auch Kalmarer Union). Nach seiner Absetzung in den nordischen Reichen und der Vertreibung von der Insel Gotland kehrte Erich nach Rügenwalde zurück, wo er auch 1459 starb und begraben wurde. Um sein Erbe entbrannte ein Streit zwischen den vorpommerschen Herzögen der Wolgaster Linie und dem letzten Herzog von Pommern-Stettin, Otto III.

Die vorpommerschen Herzöge teilten ihr Gebiet im 15. Jahrhundert noch weiter auf (Barth-Rügen, Wolgast). Von ihnen ist Wartislaw IX., † 1457, als landesherrlicher Förderer der Gründung der Universität Greifswald 1456 zu erwähnen. Heraldisch ist das drohende Auseinanderdriften der Dynastie im 15. Jahrhundert auch daran zu erkennen, dass die Wolgaster Herzöge in dieser Zeit mit dem schwarzen Greifen ein vom roten Stettiner Greifen abweichendes Wappensymbol verwendeten.

Der brandenburgische Versuch, sich nach dem Aussterben der Stettiner Linie (Otto III., † 1464) in den Besitz dieses Landesteils zu setzen, scheiterte. 1529 erkannte Brandenburg im Vertrag zu Grimnitz die Reichsunmittelbarkeit Pommerns an, allerdings unter dem Vorbehalt der Eventualsukzession im Falle des Aussterbens der Greifen in männlicher Linie. Herzog Bogislaw X. (1454-1523), der bedeutendste der Greifen, vereinigte 1478 alle seit 1295 getrennten Landesteile Pommerns, das er zu einem frühneuzeitlichen Territorialstaat umgestaltete. Seine Söhne Georg I. und Barnim IX. regierten noch gemeinsam, bereiteten jedoch schon einen erneute Landesteilung vor. Diese kam erst 1532 nach dem Tod Georgs I. zwischen dessen damals sechszehnjährigen Sohn Philipp I. und Barnim IX. zustande. Sie teilte das Herzogtum in die Teilherrschaften Wolgast – im Wesentlichen Gebiete westlich der Oder – und Stettin – im Wesentlichen Gebiete östlich der Oder – und galt zunächst nur für 9 Jahre. 1541 wurde sie endgültig vollzogen und bei einer erneuten Erbauseinandersetzung der regierungsberechtigten Mitglieder des Herzogshauses 1569 mit leichten Modifikationen bestätigt.

1534 führten die Herzöge auf dem Landtag zu Treptow an der Rega die Reformation ein. Sie schlossen sich dem Schmalkaldischen Bund an, und die 1536 geschlossene Ehe Philipps I. mit Maria von Sachsen, einer Tochter des Kurfürsten Johann des Beständigen von Sachsen, festigte die Beziehungen Pommerns zur protestantischen Führungsmacht im Reich. 1556 übernahmen die Greifen auch die Herrschaft im Stift Cammin, das quasi zur Sekundogenitur des Herzogshauses wurde.

Da Barnim IX. ohne männliche Erben blieb, übernahmen die Söhne Philipps I. ab 1569 die Herrschaft in allen drei Territorien. Der älteste Sohn Johann Friedrich regierte in Stettin, der dritte Sohn Ernst Ludwig nach dem Verzicht seines älteren Bruders Bogislaw XIII. in Wolgast. Die Herrschaft im Stift übernahm nach Erreichen der Volljährigkeit ab 1574 der jüngste Sohn Kasimir VI.. Die beiden anderen Brüder Bogislaw XIII. und Barnim X. erhielten ebenso wie der freiwillig auf die Herrschaft verzichtende Großonkel Barnim IX. eine Apanage in Form mehrerer landesherrlicher Ämter.

Von den Brüdern hatten nur Bogislaw XIII. und Ernst Ludwig Nachkommen. Während Ernst Ludwigs einziger Sohn Philipp Julius nach Erreichen der Volljährigkeit 1601 seinem 1592 verstorbenen Vater in der Wolgaster Herrschaft folgte, übernahmen Bogislaw XIII. 1603 und nach ihm 1606 sein ältester Sohn Philipp II. die Herrschaft in Stettin. Im Stift Cammin war bereits 1602 der zweitälteste Sohn Bogislaws XIII., Franz, seinem Onkel Kasimir VI., der freiwillig verzichtet hatte, gefolgt. Franz übernahm 1618 die Herrschaft in Stettin und übergab das Stift seinem jüngsten Bruder Ulrich. Nachdem Franz bereits 1620 und Ulrich 1622 starben, übernahm der einzig verbliebene Bruder Bogislaw XIV. die Herrschaft in beiden Territorien. 1625 folgte er auch noch seinem Neffen Philipp Julius in Wolgast, so dass er wieder ganz Pommern in seiner Hand vereinigt hatte.

Da Bogislaw XIV. keine eigenen Nachkommen hatte und hinsichtlich anderer Linien und Abkömmlinge aus dem Greifengeschlechts keine Erbfolgeregelung von den Bündnispartnern und Ständen akzeptiert worden war, endete mit seinem Tode 1637 die Herrschaft der Greifen. Damit endete auch die staatliche Selbständigkeit Pommerns, das im Westfälischer Frieden 1648 zwischen Brandenburg und Schweden geteilt wurde.

Literatur

  • Ulrich von Behr-Negendank, Julius von Bohlen-Bohlendorf (Hrsg.): Die Personalien und Leichen-Processionen der Herzoge von Pommern und ihrer Angehörigen aus den Jahren 1560-1663. Halle 1869.
  • Helmuth Bethe: Die Bildnisse des pommerschen Herzogshauses. In: Baltische Studien, NF 39 (1937), S. 71-99.
  • Helmuth Bethe: Die Kunst am Hofe der pommerschen Herzöge. Berlin 1937.
  • Helmuth Bethe: Die Greifen. Pommersche Herzöge 12. bis 17. Jahrhundert. Katalog zur Ausstellung 3. März bis 5. Mai 1996. Kiel 1996.
  • Helmuth Bethe: Kunstpflege in Pommern. Sonderausstellung alter Kunstwerke, Urkunden und Drucke zum Gedächtnis an das 1637 erloschene Greifengeschlecht (Ausstellungskatalog). Stettin 1937.
  • Edward Rymar: Rodowód książąt pomorskich [= Genealogie der Herzöge von Pommern], 2 Bd.e, Szczecin 1995. (2. Auflage in einem Bd. Szczecin 2005).
  • Roderich Schmidt: Greifen. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 7. Duncker & Humblot, Berlin 1966, S. 29–33. Neu abgedruckt in: Roderich Schmidt: Das historische Pommern. Böhlau Verlag, Köln Weimar Wien 2007, ISBN 978-3-412-27805-2, S. 117-123.
  • Martin Wehrmann (Bearb.): Genealogie des pommerschen Herzogshauses. Veröffentlichungen der landesgeschichtlichen Forschungsstelle für Pommern, Reihe 1, Bd. 5. Stettin 1937.
  • Martin Wehrmann: Die Begräbnisstätten der Angehörigen des pommerschen Herzogshauses. In: Baltische Studien, NF 39 (1937), S. 100-118.
  • Martin Wehrmann: Vom pommerschen Herzogshause. Zur Erinnerung an seinen Ausgang vor 300 Jahren. In: Unser Pommerland 22 (1937), Heft 1/2, S. 1-6.
  • Ralf-Gunnar Werlich: Greifen. In: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Ein dynastisch-topographisches Handbuch. Residenzenforschung Bd. 15/1. Ostfildern 2003, S. 74-84.
  • Ralf-Gunnar Werlich: Dynastie und Genealogie – Stammbäume der Greifen. In: Melanie Ehler, Matthias Müller (Hrsg.): Unter fürstlichem Regiment. Barth als Residenz der pommerschen Herzöge. Berlin 2005, S. 149-185.

 

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Pommern

Pommern ist eine Region im Nordosten Deutschlands und im Nordwesten Polens, die von der Ostseeküste und deren vorgelagerten Inseln von knapp 50 km bis zu fast 200 km weit ins Binnenland reicht. Der Name Pommern ist slawischer Herkunft (po more = „am Meer“). Westliche Begrenzung ist die Recknitz. Über die Ausdehnung nach Osten gibt es Unterschiede zwischen dem deutschen und dem polnischen Sprachgebrauch.

Im deutschen Sprachgebrauch wird unter Pommern im allgemeinen das Gebiet der historischen preußischen Provinz Pommern verstanden[1][2]. Die Provinz Pommern lag insgesamt innerhalb der deutschen Staatsgrenzen von 1937[3] und existierte als solche von 1815 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Das Gebiet setzt sich aus dem westlich der Oder gelegenen Vorpommern und dem östlich der Oder gelegenen Hinterpommern zusammen. Die östlich an Hinterpommern anschließende Landschaft bis zur Weichsel wird Pommerellen genannt, was so viel wie „Kleinpommern“ bedeutet.

Im Polnischen hingegen gibt es den Namen Pommerellen nicht. Im polnischen Verständnis bildet Pommerellen, auch Danziger Pommern genannt, den Kern Pommerns. Auch das Ostufer der unteren Weichsel wird mit dazu gerechnet. Hinterpommern (teilweise mit Vorpommern) wird im Polnischen Westpommern oder auch Stettiner Pommern genannt.

Geografie

Politisch verteilt sich Pommern heute auf die deutschen Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sowie die polnischen Woiwodschaften Westpommern mit der Hauptstadt Stettin (Szczecin), Pommern mit der Hauptstadt Danzig (Gdańsk), sowie Kujawien-Pommern mit den Hauptstädten Bromberg (Bydgoszcz) und Thorn (Toruń).

In der Region liegen die Pommersche Bucht und das dahinterliegende Stettiner Haff, auch Oderhaff genannt. Die größten Inseln vor der Pommerschen Küste sind Usedom, Wollin (Wolin) und Rügen. Die Inseln Rügen und Usedom und die vorpommersche Boddenküste weisen durch ein Gemisch aus Landkernen eine enge Verzahnung von Land und Meer auf und sie verbindenden Nehrungen (hier nicht so genannt). Das vorpommersche Binnenland ist durch ein Netz von Urstromtälern geprägt, deren Talboden hier nur wenig über dem Meeresspiegel liegt. Da das Stettiner Haff (Oderhaff) eine Meeresbucht ist, sind die drei Mündungsarme der Oder, also Peenestrom, Swine (Świna) und Dievenow (Dziwna) keine Flüsse, sondern Meeresarme. Zwischen Dievenow und Danziger Bucht (Zatoka Gdańska) erstreckt sich die Pommersche Ausgleichsküste. Dort wurden die Buchten durch Strömungseinwirkung geschlossen und bilden jetzt Strandseen, wie den Lebasee. Am Ende der Ausgleichsküste ragt die Halbinsel Hela (poln. Hel) in die Danziger Bucht. Im Binnenland Hinterpommerns und Pommerellens erstreckt sich die während des Eiszeit geformte Pommersche Seenplatte, deren östlicher Teil auch Kaschubische Seenplatte genannt wird. Der Streifen zwischen Küste und Seenplatte heißt Slowinzisches Küstenland (Pobrzeże Slowińskie).

Vorpommern liegt größtenteils im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern mit den Oberzentren Stralsund und Greifswald. Der südlichste Teil Vorpommerns liegt im Bundesland Brandenburg und geht in seiner Ausdehnung im Süden bis an die Randow und die Welse. Die meisten vorpommerschen Gemeinden sind im Amt Gartz (Oder) zusammengefasst. Die vorpommerschen Orte Schönow und Jamikow gehören zur Gemeinde Passow im Amt Oder-Welse. Die vorpommerschen Orte Kunow und Kummerow sind Teil der Stadt Schwedt/Oder. Ein Teil Vorpommerns, der sogenannte Stettiner Zipfel mit der Stadt Stettin selbst, sowie der östlichste Abschnitt der Insel Usedom (Uznam) mit der ehemaligen Kreisstadt Swinemünde (Świnoujście) und die Insel Wollin (Wolin), gehört zur polnischen Woiwodschaft Westpommern.

Ursprung und Bedeutung des Namens

Der Name leitet sich vom slawischen po more ab und bedeutet „am Meer“.

Als lateinische Übersetzung des Namens Pommern kann schon die Formulierung 'longum mare' (entlang des Meeres) im Dagome-Iudex-Dokument aufgefasst werden, dem Regest der Kurie eines um 990 von Herzog Mieszko I. an den Papst gerichteten Schreibens, das die Grenzen des frühen polnischen Piastenstaates beschreibt. Der spanisch-arabisch-jüdische Reisende Ibrahim ibn Jaqub besuchte – ebenfalls in der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts – die bis heute nicht sicher lokalisierte Handelsstadt Vineta in der Nähe der Odermündung und erwähnte auch Demmin und den vorpommerschen Volksstamm der Ranen. Die nächste Erwähnung Pommerns findet sich für das Jahr 1046 über einen Zemuzil, Herzog der Pommern („Zemuzil [dux] Bomeraniorum“). In den Chroniken des Adam von Bremen um 1070 und des Gallus Anonymus um 1113 wird Pommern häufig erwähnt.

Vorpommern und Hinterpommern in anderen Sprachen

Die polnische Bezeichnung für Vorpommern ist Pomorze Przednie oder Przedpomorze, also die wörtliche Übersetzung des deutschen Namens, obwohl es von Polen aus betrachtet jenseits der Oder liegt. Ins Englische kann Vorpommern sowohl mit Hither Pomerania als auch mit Western Pomerania übersetzt werden, so dass letzteres nicht eindeutig ist. Hinterpommern heißt Farther Pomerania oder Further Pomerania. Im Französischen tragen Vorpommern und Westpommern den gleichen Namen Poméranie occidentale. Im Spanischen steht Pomerania Occidental, Pomerania Anterior oder Antepomerania für Vorpommern, während Hinterpommern Pomerania Central, also „Mittelpommern“, heißt.

Sprache

In Vorpommern wird Deutsch und als lokaler Dialekt Pommersch (Ostniederdeutsche Sprache, Plattdeutsch) gesprochen.

In Hinterpommern wird aufgrund der nahezu vollständigen Vertreibung der Deutschen im Rahmen der Westverschiebung Polens nach dem Zweiten Weltkrieg heute fast ausschließlich polnisch gesprochen. In Pomerellen und den östlichen Gebieten Hinterpommerns, bei Bytów (Bütow) wird von etwa 160.000 Menschen die kaschubische Sprache gesprochen. Das in früheren Zeiten in großen Teilen Hinterpommerns verbreitete Slowinzische wurde schon vor dem Zweiten Weltkrieg nur noch von wenigen Menschen gesprochen. Seit 1945 wurde kein Gebrauch dieser Sprache mehr erwähnt.

Geschichte

Vor der Völkerwanderung war das spätere Pommern von den ostgermanischen Stämmen der Rugier (seit dem 6. Jahrhundert vor Chr.) im Westen und der Goten (seit etwa 100 vor Chr.) im Osten besiedelt. Als große Teile derselben im Zuge der Völkerwanderung neue Sitze im Süden aufsuchten, ließen sich dort ab dem Ende des 5. Jahrhunderts slawische Stämme nieder.

Ab dem 10. Jahrhundert gerieten die Stämme des späteren Pommern in den Einflussbereich ihrer christlichen Nachbarn. Aus dem Westen drohten ihnen die deutschen Landesfürsten (Sachsen ab ca. 918) und die ostmärkischen Markgrafen (Brandenburg ab etwa 1150), beide Teil des Heiligen Römischen Reichs, vom Norden her die Dänen (10.–13. Jahrhundert) und ab 970 aus dem Südosten die polnischen Piasten. Im 11. Jahrhundert gewann Polen immer wieder aber nicht dauerhaft die Oberhoheit über Pommern. So wurde die leicht zu kontrollierende Brahe-Netze-Warthe-Linie am Nordrand des polnischen Kernlandes durch eine Kette von Burgen gesichert, Wyszegrod bei Fordon an der Weichsel, Bydgoszcz (Bromberg) an der Brahe (Brda), sowie entlang der Netze: Nakło (Nakel) und Ujście (Usch), Czarnków (Czarnikau), Wieleń (Filehne) in dessen Nähe und Drezdenko (Driesen). Ende des 11. Jahrhunderts gab es in Santok (Zantoch) an der Mündung der Netze in die Warthe zwei Grenzburgen, eine polnische und ein pommersche. Bolesław III. Schiefmund unterwarf 1113 bis 1122 große Teile Pommerns und gliederte diese dem polnischen Piastenstaat an. 1135 musste er aber seinerseits für einen Großteil dieser Gebiete die Lehnshoheit des Reiches anerkennen. Die (west-)pommerschen Herzöge mit Sitz in Cammin unterstellten sich 1164 der Lehnshoheit Heinrichs des Löwen und 1181 direkt der Lehnshoheit des Kaisers. Jedoch eroberte Dänemark zwischen 1168 und 1186 Vor- und Hinterpommern und hielt sie bis 1227. Danach wurde Pommern, mit Ausnahme des Fürstentums Rügen und des ostpommerschen Herzogtums der Samboriden, Teil des Heiligen Römischen Reiches bis zu dessen Auflösung.

Im 12. und 13. Jahrhundert erfuhr das Reichslehen Pommern im Zuge der Eingliederung in die kirchlichen und weltlichen Strukturen des Reiches und die massive Ansiedlung von Deutschen und Flamen im Zuge der Ostsiedlung eine sowohl demographische als auch eine wirtschaftliche und kulturelle Zäsur. Es wurde Teil des niederdeutschen Sprachraums. Förderer dieser Entwicklung waren die Herzöge aus dem slawischen Haus der Greifen, die Einwohnerzahl und Steuerkraft ihres Lehens steigern wollten. Zahlreiche Klöster, Städte und Dörfer wurden neu gegründet oder erweitert und damit in etwa die heutige Besiedlungsstruktur geschaffen.

Das erste pommersche Kloster war das 1153 gegründete Kloster Stolpe an der Peene. Zwei Jahre später folgte das Kloster Grobe bei Usedom. 1180 gründeten niedersächsische Prämonstratenser das Kloster Belbuck. Dänische Zisterzienser gründeten 1173 das Kloster Kolbatz, 1199 das Kloster Hilda (heute Eldena) und 1186 Mönche aus Kolbatz das Zisterzienserkloster Oliva bei Danzig. Im 13. Jahrhundert gründeten Siedler aus den Gebieten des heutigen Mecklenburg, Niedersachsen und Westfalen neue Städte nach Lübischem Recht (1234 Stralsund, 1250 Greifswald, 1255 Kolberg (Kołobrzeg), 1259 Wolgast, 1262 Greifenberg (Gryfice) und nach Magdeburger Recht (1243 Stettin (Szczecin), 1243/53 Stargard (Stargard Szczeciński), 1260 Pölitz (Police)).

1295 erfolgte eine Teilung des Herrschaftsgebietes der Greifen in die Fürstentümer Stettin (binnenländischer Teil beiderseits der Oder und südlich des Stettiner Haffs) und Wolgast (Küstengebiete, in Vorpommern nördlich der Peene einschließlich Demmin und Anklam). Letzteres wurde bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts noch mehrfach weiter geteilt, übernahm aber nach dem Aussterben der Rügenfürsten 1325 und den Rügischen Erbfolgekriegen das Fürstentum Rügen (Insel Rügen und gegenüber liegendes Festland mit den Städten Stralsund, Barth, Damgarten, Tribsees, Grimmen und Loitz). Anfang des 15. Jahrhunderts erlosch mit dem polabischen Dialekt der Rügenslawen der letzte slawische Dialekt Vorpommerns.

Ab 1534 hielt in Pommern die Reformation Einzug. Durch die Einziehung der umfangreichen kirchlichen Ländereien erweiterten die Herzöge ihre Machtposition. 1536 wurde Herzog Philipp I. von Pommern-Wolgast bei seiner Hochzeit mit Maria von Sachsen, einer Halbschwester Johann Friedrich I. von Sachsen in Torgau von Martin Luther getraut. Der pommersche Pfarrer Johannes Bugenhagen aus Treptow an der Rega wurde als „Doctor Pomeranus“ neben Luther und Melanchthon einer der bekanntesten Reformatoren.

Unter Bogislaw XIV. wurde Pommern 1625 nochmals vereint. Die Neutralität Pommerns im Dreißigjährigen Krieg nützte dem Land nicht viel. Pommern wurde wechselseitig von den kaiserlichen Truppen unter Wallenstein und den Schweden unter Gustav II. Adolf geplündert. Nachdem Wallenstein trotz Zusage des Kaisers Ferdinand II. Pommern besetzte, schloss sich 1628 Stralsund und 1630 (nicht ganz freiwillig) ganz Pommern den Schweden an.

Schwedische und brandenburg-preußische Herrschaft

Durch den Westfälischen Frieden 1648 kam Hinterpommern an Brandenburg, und Vorpommern wurde zu Schwedisch-Pommern. Pommern verlor im Dreißigjährigen Krieg fast zwei Drittel der Bevölkerung. Das Land war geteilt und lag wirtschaftlich darnieder. Während des Schwedisch-Polnischen Krieges (1655–1660) und auch im Schwedisch-Brandenburgischen Krieg (1674–1679) wurde das Gebiet von schwedischen Truppen besetzt, und es wurden die zu Festungen ausgebauten größeren Städte Stettin, Stralsund und Greifswald belagert. Dabei gelang dem brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. 1678 die Eroberung ganz Schwedisch-Pommerns. Obwohl ihm die Landstände bereits gehuldigt hatten, musste er auf Druck Frankreichs im Frieden von Saint-Germain (1679) auf die eroberten Gebiete mit Ausnahme des schmalen Landstreifens östlich der Oder verzichten.

Brandenburg und später das Königreich Preußen verzichteten nie auf die Ansprüche auf das gesamte Pommern. Nach dem Ende des Großen Nordischen Krieges (1700–1721) kam Vorpommern südlich der Peene mit den Inseln Usedom und Wollin zum Königreich Preußen, welches dieses Gebiet bereits seit 1713 unter Sequester verwaltete. Auf dem flachen Land setzte sich im 17. und 18. Jahrhundert die Gutswirtschaft im vollen Umfang durch. Begleiterscheinung waren leibeigenschaftsähnliche Rechtszustände der abhängigen Landbevölkerung und das sogenannte Bauernlegen, das heißt die Einziehung von Bauernstellen zugunsten der Gutsbetriebe.

Dagegen schritten die preußischen Könige aus militärischen Erwägungen seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ein und verboten das weitere Einziehen der Bauernstellen, um die Rekrutierung der Soldaten auf der Grundlage des Kantonswesens nicht zu gefährden. In Schwedisch-Pommern unterblieb ähnliches, und so erreichte am Ende des 18. Jahrhunderts hier die Gutswirtschaft einen ähnlichen Höhepunkt wie im benachbarten Mecklenburg. Ernst Moritz Arndt, selbst Sohn eines freigelassenen Leibeigenen, geißelte die damit im Zusammenhang stehenden Praktiken in mehreren Schriften zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

In der Zeit von 1816 bis 1945 hat sich die territoriale Verwaltungsgliederung in der überwiegend landwirtschaftlich strukturierten Provinz Pommern nur allmählich verändert.

Nach 1945

Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Pommern im Frühjahr 1945 durch die Rote Armee erobert und in der Folgezeit durch Festlegung der deutsch-polnischen Grenze entlang der Oder-Neiße-Linie geteilt.

Bereits kurz nach der Eroberung wurden die Gebiete östlich der Oder und der Swine unter polnische Verwaltung gestellt. Erst am 3. Juli 1945 wurde auch die westlich der Oder gelegene Provinzhauptstadt Stettin von der Sowjetunion an Polen übergeben, nachdem dort zunächst eine polnische und eine deutsche Stadtverwaltung neben- und gegeneinander gearbeitet hatten. Selbst die deutschen Kommunisten waren von diesem Schritt überrascht.

Den genauen Verlauf der Grenze legte eine sowjetisch-polnische Kommission am 21. September 1945 in Schwerin fest. In den folgenden Wochen verschob jedoch das polnische Militär die Grenze im Umland von Stettin eigenmächtig noch weiter nach Westen. Die deutsche Bevölkerung in den an Polen gefallenen Gebieten wurde aus ihrer Heimat vertrieben beziehungsweise später ausgesiedelt. Diese Maßnahmen waren zuvor durch die Beschlüsse der Konferenz von Potsdam im August 1945 zu den Ostgebieten des Deutschen Reiches beschlossen worden.

Gegenwart

Mit dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland wurde 1990 das Land Mecklenburg-Vorpommern neu konstituiert, jedoch mit verändertem Gebietszuschnitt. Mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag erfolgte durch die Bundesrepublik Deutschland die endgültige vertragliche Anerkennung der deutsch-polnischen Oder-Neiße-Grenze und somit auch der Zugehörigkeit Hinterpommerns zu Polen. Durch die Kreisgebietsreform von 1994 wurden unter anderem die Landkreise Nordvorpommern, Ostvorpommern und Uecker-Randow gebildet. Nordvorpommern, Uecker-Randow sowie seit seiner Vergrößerung der Landkreis Demmin vereinigen altes pommersches und altes mecklenburgisches Gebiet.

Um die getrennten Gebiete wieder näher zueinander zu bringen, wurde im Rahmen der europäischen Zusammenarbeit die Euroregion Pomerania gegründet.

Quellennachweis

  1. ↑ Bertelsmann – Das Neue Universallexikon, Wissen Media Verlag, Gütersloh/München 2007, S. 757, ISBN 978-3-577-09099-5.
  2. ↑ Der Brockhaus in einem Band, Brockhaus Verlag, 12. Auflage, Leipzig/Mannheim 2006, S. 698, ISBN 3-7653-1682-2.
  3. ↑ d.h., der Staatsgrenzen, die vor Unterzeichnung des Münchner Abkommens von 1938 völkerrechtlich in Kraft waren.

Literatur

  • Thomas Heinrich Gadebusch: Schwedisch-Pommersche Staatskunde. 2 Bände. Greifswald und Dessau 1783–1786.
  • Thomas Kantzow: Pomerania. Oder Ursprunck, Altheit und Geschichte der Völcker und Lande Pomern, Caßuben, Wenden, Stettin, Rhügen. In vierzehn Büchern. Hrsg. von Johann Gottfried Ludwig Kosegarten, 2 Bände. Mauritius, Greifswald 1816–1817. (Digitalisat)
  • [Friedrich Thiede?:] Pomerania. Geschichte und Beschreibung des Pommernlandes zur Förderung der pommerschen Vaterlandskunde. 2 Bände. Stettin 1844ff. Mit 109 Städtansichten das ikonographische Werk.
  • Martin Wehrmann: Geschichte von Pommern. 2 Bände. Gotha 1919–1921.
  • Martin Spahn: Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte des Herzogtums Pommern von 1476 bis 1625, Leipzig 1896.
  • Bruno Schumacher: Geschichte Ost- und Westpreussens. Würzburg 1959
  • Hans Branig: Geschichte Pommerns. Von 1648 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Köln u. a. 1999, ISBN 3-412-09796-9.
  • Norbert Buske: Pommern. Territorialstaat und Landesteil von Preußen. Schwerin 1997
  • Werner Buchholz (Hrsg.): Pommern. (= Deutsche Geschichte im Osten Europas; Bd. 9). Berlin 1999.
  • Roderich Schmidt: Das historische Pommern', Böhlau Verlag, Köln/Weimar 2006, ISBN 978-3-412-27805-2.
  • Gerhard Kobler: Historisches Lexikon der deutschen Länder – Die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart, C. H. Beck, München 2007, 7. Auflage, ISBN 978-3-406-54986-1.
  • Monika und Stephan Wolting: Dies ist Pommern. Ein literarisch-künstlerischer Reisebegleiter, Neisse Verlag, Dresden 2009, ISBN 978-3-934038-81-3.

 

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Herzogtum Pommern

Herzogtum Pommern ist die heute übliche Bezeichnung für das Herrschaftsgebiet der aus slawischer Wurzel stammenden Fürstendynastie der Greifen, das in wechselnder räumlicher und politischer Aufteilung vom 12. bis zum 17. Jahrhundert in dem Gebiet der historischen Landschaft Pommern bestand. Auf dem Gebiet Pommerns, gelegen an der Südküste der Ostsee auf beiden Seiten des Flusses Oder, bestehen heute der Landesteil Vorpommern des deutschen Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern sowie die Woiwodschaft Westpommern und zu einem kleineren Teil die Woiwodschaft Pommern in der Republik Polen.

Überblick

In Pommern gab es im Laufe der Geschichte mehrere Herzogtümer, deren geographischer und politischer Bestand sich durch Vereinigungen und Aufteilungen mehrfach änderte. Die in diesen Territorien herrschenden Herzöge werden dabei, entsprechend dem Greifen als gemeinsamen pommerschen Wappentier, zusammenfassend als Greifenherzöge bezeichnend. Zu den Teilherzogtümern in Pommern, deren Namenszusatz in der Regel dem jeweiligen Herrschaftssitz entspricht, zählen

  • das Herzogtum Barth (1372–1451)
  • das Herzogtum Pommern-Demmin (etwa 1170–1264)
  • das Herzogtum Pommern-Stettin (etwa 1170/1295–1464, 1532/41–1625/37)
  • das Herzogtum Pommern-Wolgast (1295–1474/8, 1532/41–1625/37)
  • das Herzogtum Pommern-Stolp (1368/72–1459)

Während dieser Zeit bestand in diesem Gebiet seit 1140 das Bistum Cammin. Der Bischofssitz befand sich von 1140 bis etwa 1150/55 zunächst in Wollin, dann vorübergehend in Usedom und schließlich ab 1178 in Cammin. Im Zuge der Reformation verlor es seine kirchenleitenden Funktionen und das weltliche Herrschaftsgebiet der Camminer Bischöfe, das Stift Cammin, kam 1556 durch die Wahl des Prinzen Johann Friedrich ebenfalls in den Besitz des Greifenhauses, bei dem es bis zum Tod des letzten Herzogs verblieb. Allerdings gehörte das Gebiet des 1325 von den Greifen erworbenen Fürstentums Rügen zu den Bistümern Schwerin (festländischer Teil) und Roskilde (Insel Rügen).

Entwicklung

Entstehung des Herzogtums

Um 995 unterwarf der polnische Herzog Boleslaw I. (der Tapfere) das Land östlich der Oder. Im Zuge der Polenkriege zwischen 1005 und 1013 erlangte Pommern seine Unabhängigkeit wieder. Frühe Versuche der Christianisierung dieses Gebietes scheiterten. Der seit 1042 andauernde Konflikt des Pommernfürsten Siemomysl mit dem polnischen Herzog Kasimir I. wurde 1046 vor Kaiser Heinrich III. verhandelt. Um 1100 werden mehrere pommersche Herzöge genannt, die aber aufgrund der spärlichen Überlieferung in keinen genealogischen Zusammenhang zu bringen sind. Die historischen Stammbäume der Greifen aus dem 16. und 17. Jahrhundert nennen zwar als Ahnherrn einen Swantibor, aber seine tatsächlichen verwandtschaftlichen Beziehungen zu den nachfolgenden Generationen sind nicht eindeutig belegbar. Dasselbe gilt für die anderen zu Beginn des 12. Jahrhundert in den Quellen - vornehmlich polnischen Chroniken - genannten Herzöge von Pommern. Deshalb werden die Brüder Wartislaw I. und Ratibor I. heute übereinstimmend als die ersten Fürsten aus dem Greifengeschlecht angesehen.

1121 hatte sich Wartislaw I. dem polnischen Herzog Bolesław III. Schiefmund unterworfen. Boleslaw versuchte seine Herrschaft über die Pommern durch die Einführung des Christentums weiter abzusichern. Der erste Missionsversuch eines spanischen Priesters in Wollin misslang jedoch. Im Mai 1124 brach Otto von Bamberg von Gnesen zu seiner ersten Missionsreise auf, die ihn über Pyritz nach Cammin und Stettin führte. Bereits im Februar 1125 kehrte er nach Gnesen zurück. Auf seiner zweiten Missionsreise erreichte Otto von Bamberg im Jahre 1128 Demmin und Usedom. Nach dem Tod des Pommernfürsten Wartislaw I. entstanden unter seinen Söhnen Kasimir I. und Bogislaw I. gegen Ende des 12. Jahrhunderts die beiden Teilherzogtümer Pommern-Demmin und Pommern-Stettin. Bogislaw I. wurde 1181 in Lübeck als „Herzog von Slavien“ in den Reichsfürstenstand erhoben, aber bereits 1185 musste er die dänische Oberhoheit anerkennen, die Pommern erst nach der Schlacht bei Bornhöved (1227) wieder abschütteln konnte. Der erneuten Aufnahme in den Reichsfürstenstand stellten sich nun die askanischen Markgrafen von Brandenburg entgegen, die von Kaiser Friedrich II. 1231 mit dem Herzogtum Pommern belehnt worden waren. Sie beanspruchten die Lehnshoheit über Pommern und setzten sie in den Verträgen von Kremmen 1236 und Landin 1250 auch weitestgehend durch, wobei ihnen noch der Erwerb umfangreicher Ländereien, u.a. das Land Stargard und die Uckermark, gelang.

Herzogtum Pommern-Demmin

Kasimir I. von Demmin war der erste Herzog ab 1170. Bereits am 17. Mai 1264 erlosch diese Linie mit dem Tod von Wartislaw III., eines Enkels von Bogislaw I., wieder. Wartislaw III. verlor 1236 das Land Zirzipanien westlich von Demmin an die Herren von Mecklenburg und im selben Jahr auch das Land Stargard, das spätere Mecklenburg-Strelitz, an Brandenburg. Zugleich stellt diese Zeit den Beginn der deutschrechtlichen Besiedlung des Landes (siehe deutsche Ostsiedlung) dar.

Herzogtum Pommern-Stettin

Bogislaw I. herrschte über Pommern-Stettin und heiratete Anastasia von Polen, die Tochter Mieszko III. Unter seinem Enkel Barnim I. wurde seit 1230 verstärkt die deutsche Besiedelung des Landes betrieben und zahlreiche Städte nach lübischem Recht gegründet. Mit dem Vertrag von Landin von 1250 ging die bislang pommersche Uckermark an Brandenburg. Nach dem Tod Wartislaws III. kam dessen Herrschaftsgebiet 1264 an Barnim. Seine Söhne Bogislaw IV., aus erster Ehe, und Otto I., aus zweiter Ehe, teilten nach dem frühen Tod ihres Halbbruders bzw. Bruders Barnim II. 1295 das Herzogtum in die Teilherrschaften Pommern-Wolgast unter Bogislaw IV. und Pommern-Stettin unter Otto I., wobei die dynastische Verbindung durch das Rechtsinstitut der gesamten Hand aufrechterhalten wurde.

Herzogtum Pommern-Wolgast

Das Herzogtum Pommern-Wolgast wurde 1295 durch Bogislaw IV. begründet. Seinem Sohn Wartislaw IV. gelang 1317 der Erwerb der Länder Schlawe-Stolp aus der Erbmasse des 1295 erloschenen Herzogshauses der Samboriden. Nach dem Tod des Fürsten von Rügen Wizlaw III. fiel 1325 das Fürstentum Rügen an Pommern-Wolgast. In den Jahren 1368 und 1372 wurde die Teilung von Pommern-Wolgast in Hinterpommern, das an Bogislaw V. fiel, und Vorpommern, das an die Söhne Barnims IV., Bruder Bogislaws V., ging, beschlossen. Der dritte Bruder Wartislaw V. erhielt zunächst eine Abfindung, 1372 dann Neustettin, das nach seinem kinderlosen Tod wieder an Pommern-Wolgast zurück fiel.

Im Jahr 1456 wurde die Universität Greifswald gegründet. Von 1478 bis 1523 kam es nochmals zu einer Vereinigung der beiden pommerschen Herzogtümer unter Bogislaw X. Bereits 1523 wurde Pommern jedoch wiederum in zwei Herzogtümer geteilt. Unter Johannes Bugenhagen kam es 1534 zur Reformation im Herzogtum.

Herzogtum Pommern-Stolp

Nach dem, am 15. Mai 1368 in Anklam geschlossenen, Vergleich, der am 8. Juni 1372 im Stargarder Vertrag bestätigt wurde, entstand östlich der Swine das Herzogtum Pommern-Stolp unter Bogislaw V. Nach seinem Tod im Jahr 1374 folgten ihm seine Söhne Kasimir IV., der 1377 starb, Barnim V. sowie Bogislaw VIII.. Nach dessen Ableben im Jahr 1418 führte sein Witwe Sophia von Holstein bis zur Volljährigkeit ihres Sohnes Bogislaw IX. die Regentschaft bis 1425. Nach dem Tod von Bogislaws IX. im Jahr 1446 kehrte Erich I. 1449 nach Rügenwalde zurück und residierte dort als Herzog von Pommern-Stolp. Nach dessen Tod 1459 übernahm Erich II., Herzog von Pommern-Wolgast, auch die Herrschaft in Rügenwalde-Stolp. Nach Erich II. († 1474) vereinigte sein Sohn Bogislaw X. ganz Pommern unter seiner Hand und das Herzogtum Pommern-Stolp hörte dem Namen nach auf zu existieren.

Ende des Herzogtums in Pommern

Im Zuge des Dreißigjährigen Krieges geriet Pommern 1630 zunächst unter schwedische Herrschaft. Im Jahr 1637 starb Bogislaw XIV. als letzter Herzog Pommerns kinderlos. Bis zum Westfälischen Frieden 1648 wurde das gesamte Gebiet Pommerns von Schweden verwaltet, anschließend wurde es in das zum Kurfürstentum Brandenburg gehörende Hinterpommern und das weiterhin als Schwedisch-Pommern bei Schweden verbleibende Vorpommern geteilt. Nach dem Großen Nordischen Krieg von 1700 bis 1721 kam zunächst der südlich der Peene gelegene Teil Vorpommerns an das Königreich Preußen, nach dem Wiener Kongress im Jahr 1815 dann auch der nördliche Teil. Pommern bestand anschließend bis 1945 als Provinz unter brandenburg-preußischer Herrschaft.

Literatur

  • Johann Jakob Sell: Geschichte des Herzogtums Pommern. 1. Teil, Berlin 1819 (Volltext); 2. Teil, Berlin 1819 (Volltext); 3. Teil, Berlin 1820 (Volltext).
  • Wilhelm v. Sommerfeld: Geschichte der Germanisierung des Herzogtums Pommern oder Slavien bis zum Ende des 13. Jahrhunderts. Duncker & Humblot, Leipzig 1896. (Nachdruck: Elibron Classics 2005, ISBN 1-4212-3832-2 und ISBN 1-4212-3831-4, eingeschränkte Vorschau)
  • Martin Wehrmann: Geschichte von Pommern. Band 1. 2. Auflage. Verlag Friedrich Andreas Perthes, Gotha 1919. (Nachdruck: Augsburg 1992, ISBN 3-89350-112-6)

 

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Pommerellen

Pommerellen, früher auch Pomerellen, ist eine sich über große Teile der Ostseeküste erstreckende Landschaft an der Weichselmündung, die bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges im Westen an die preußische Provinz Pommern grenzte und im Osten bis an die Weichsel reichte. Wie die Stadt Danzig wechselte auch Pommerellen in den letzten 1.000 Jahren mehrfach zwischen slawischen und deutschen Herrschern. Zwischen den Weltkriegen wurde das Gebiet zum Zankapfel der Weltpolitik, nachdem es im Versailler Vertrag aus Westpreußen herausgelöst und in Polnischen Korridor und Freie Stadt Danzig aufgeteilt worden war.

Name

Der deutsche Name „Pommerellen“ ist eine Verkleinerungsform (Suffix „-elle“) von „Pommern“.

Im niederländischen Atlas Theatrum Orbis Terrarum von Abraham Ortelius aus dem späten 16. Jahrhundert wird „Pomerella“ als ehemalige Provinz des Fürsten von Pommern („Pomoraniae principis“) bezeichnet und der Name auch auf das östliche Weichselufer bezogen.

Der Atlas Blaeu von 1645 trennte „Pomerellia“ vom rechts der Weichsel gelegenen „Pomesania“.

Das Polnische kennt die Bezeichnung „Pommerellen“ nicht und fasst die gesamte Danziger Gegend am linken wie am rechten Ufer der unteren Weichsel unter dem Namen „Pomorze Gdańskie“ („Danziger Pommern“) – auch „Pomorze Wschodnie“ („Ostpommern“) oder „Pomorze Nadwiślańskie“ („Weichselpommern“) genannt – zusammen. So spricht beispielsweise der polnische Politiker Julian Ursyn Niemcewicz mit Bezug auf das „Danziger Pommern“ im frühen 19. Jahrhundert von „unserem Pommern“ in Abgrenzung zum weiter westlich gelegenen „Hinterpommern“[1]. Für den nördlichen Teil Pommerellens verwendet das Polnische den Namen Kaszuby (Kaschubei). Der kaschubische Name lautet Kaszëbë (Kaschubei) - („Pòrénkòwô Pòmòrskô“).

Land

Die westliche Abgrenzung zu Hinterpommern hat sich im Laufe der Jahrhunderte mangels natürlicher Hindernisse immer wieder verschoben. Der westlichste Grenzverlauf lag an der Persante, der östlichste an der Grenze der preußischen Provinzen Pommern und Westpreußen nach 1772. Im Süden grenzt Pommerellen an Großpolen und Kujawien. In der Frühzeit lag die Südgrenze Pommerns in der Nähe der Netze, seit der Eroberung Pommerellens durch den Deutschordensstaat lag dessen Südgrenze weiter nördlich. Als östliche Begrenzung Pommerellens gilt die Weichsel und ihr Delta.

Geologisch besteht Pommerellen aus der Grund- und Endmoränenlandschaft des Baltischen Landrückens zwischen Persante und der unteren Weichsel. Hier befindet sich auch der östliche Teil der Pommerschen Seenplatte mit dem Weitsee, die südlich in die Tucheler Heide übergeht.

Die Bevölkerung wurde seit etwa dem Jahre 1000 zu den Pomoranen gerechnet, ein Teil davon seit etwa 1200 Kaschuben genannt. Ihre Sprache gehört wie die polnische zu den lechischen Sprachen.

Geschichte

Frühgeschichte

Etwa um 100 nannte der römische Historiker Publius Cornelius Tacitus[2] neben anderen germanischen Völkern auch die Goten als Bewohner des Weichseldeltas. Die archäologische Hinterlassenschaft der Goten, Wielbark-Kultur genannt, war eine Mischkultur aus skandinavischen und anderen Elementen. Etwa um 200 begannen Goten, das Weichselgebiet zu verlassen und nach Südosten zu wandern. Baltische Aesten gingen wieder weiter westlich, wo sie vor den Goten schon lebten. Westslawische Stämme verbreiteten sich seit 600 und kamen auch nördlich bis an die Ostsee auf das Gebiet des späteren Pommern. Seit Mitte des 10. Jahrhunderts findet man westliche Polanen. Vom 9. Jahrhundert bis zum 12. Jahrhundert haben auch Wikinger und ihnen folgend Dänen Spuren an der Küste Pommerellens hinterlassen. Namen wie Oxhöft, Rixhöft, Heisternest und Hela (englisch „heel“) bezeugen dauerhafte wikingische Handelssiedlungen. Trotz skandinavischer Stützpunkte an der südlichen Ostseeküste und einer unscharfen Siedlungsgrenze zwischen slawischen Pomoranen und baltischen Prußen war das Gebiet westlich der unteren Weichsel im 10. Jahrhundert zum großen Teil slawisch besiedelt.

Die Lage an der Weichselmündung brachte der Gegend schon zu allen Zeiten intensive Kontakte nach Süden. Die Bernsteinstraße führte seit der Jungsteinzeit vom Samland über das Weichseldelta südwärts bis an die Adria. Zahlreiche arabische Silbermünzen des 8. bis 10. Jahrhunderts, vielfach zu „Hacksilber“ zerkleinert, wurden in Pommerellen gefunden. Sie können durch Handels- oder Beutefahrten der Wikinger wie auch durch slawische und sogar arabische Händler aus dem Mittelmeerraum dorthin gelangt sein.

Pommerellen als Teil des frühpiastisch-polnischen Staates

Die Verfasser der ältesten polnischen Chroniken unterschieden nicht zwischen West- und Ostpommern. Der Gallus Anonymus in Gnesen, Wincenty Kadłubek, Bischof von Krakau und Bogufał II., Bischof von Posen, berichten von den Versuchen der polnischen Herrscher, die sprachlich verwandten Pommern zu unterwerfen oder sich gegen pommersche Angriffe zu verteidigen. Gallus Anonymus nennt die Pommern, die erst Anfang des 12. Jahrhunderts unter Druck die christliche Lehre annahmen, ein „heidnisches Volk“, vergleichbar den baltischen Prußen. Bogufal kennt auch schon den slawischen Stamm der „Caszubitae“, also die Kaschuben.

Das Gebiet des heutigen Pommerellens wurde durch Herzog Mieszko I. oder seinen Sohn Bolesław I. zeitweilig erobert. Im Dokument Dagome Iudex, einem durch die Kurie in den Jahren 1086–1087 in Rom erstellten Regest, welches den Inhalt einer aus den Jahren 990–992 stammenden Urkunde wiedergibt, werden die bis zum Meer reichenden Gebiete eines Dagome (auch „Dagone“), seiner Ehefrau Ote und seiner Söhne, der Herrscher des Staates (civitas) Schinesghe (auch „Schignesne“), hinsichtlich ihrer Ausdehnung beschrieben, und es wird eine (formale) Schenkung des Staates mitsamt seiner Gebiete durch die Herrscher an den Apostolischen Stuhl erwähnt (für Details siehe: Dagome Iudex). Anhand etlicher Anhaltspunkte geht man davon aus, dass es sich um eine Schenkung des frühpiastisch-polnischen Staates handelt; die Namen „Polonia“ und „Regnum Poloniae“ wurden erst am Ausgang des 11. Jahrhunderts gebräuchlich.

Durch die Unterstützung des polnischen Piasten-Herzogs und Königs Bolesławs des Tapferen gelangte der Heilige Adalbert von Prag 997 von Prag über Danzig in das Land der Prußen, wo er am 23. April 997 bei Fischhausen an der Ostseeküste den Märtyrertod fand. Johannes Canaparius, ein Benediktinermönch, bezeichnete in seiner Lebensbeschreibung Adalberts Danzig als "urbs", das heißt Stadt, wo St. Adalbert viele Pruzzen bekehrt hat.

Als im Jahre 1000, während des Staatsakts von Gnesen, das Erzbistum Gnesen gegründet wurde, wurde für das kurz davor vom polnischen Herzog eroberte Küstenland an der Ostsee (seit 1046 in kaiserlichen Akten als „Pommern“ benannt), ein Bistum in Kolberg gestiftet, das bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal erwähnt wurde. Es liegt an der Mündung der Persante in die Ostsee. Erster Bischof war der Sachse Reinbern, aber das Bistum Kolberg ging sehr bald unter und wurde erst 1972 als Bistum Koszalin-Kołobrzeg erneuert.

Gallus Anonymus spricht von langen und harten Kämpfen der Polen gegen die Pommern. Da die Oberhoheit Polens über Pommern nur nominell war, wurde die Nordgrenze des polnischen Kernlandes von der Weichsel entlang der Netze durch eine Kette von Grenzburgen gesichert. Ende des 11. Jahrhunderts gab es in Santok an der Mündung der Netze in die Warthe zwei Grenzburgen, eine polnische und ein pommersche.

Im 12. Jahrhundert etablierten im westlichen Pommern um Cammin und Stettin die Greifen ihre Herrschaft, im östlichen Pommern um Danzig die wohl ab 1118 von dem polnischen Piasten Bolesław III. Schiefmund eingesetzten Samboriden. Damit zerfiel Pommern in einen westlichen Teil, der sich schrittweise dem Heiligen Römischen Reich eingliederte und ab 1181 direkt unter dem Kaiser stand und einen östlichen Teil, der unabhängig und mit Unterbrechungen Polen unterstand.

Pommerellen zur Zeit des polnischen Partikularismus und das Herzogtum Pommerellen

Die pommerellischen Fürsten verwalteten ihr Land grundsätzlich von einem festen Sitz aus. Mehrere Persönlichkeiten aus dem heimischen Landadel standen dem Herzog zur Seite. Überliefert sind die Namen Grimislaus, Gnezota und sein Bruder Martin, Zulis und Stropha. Der Kämmerer und Kanzler Heinrich war wahrscheinlich ein deutscher Priester. Die Untertanen waren zu Dienstleistungen und zur Heeresfolge verpflichtet. Sie hatten von ihrem Fischfang und Vieh den Zehnten zu entrichten. Sambor begünstigte, wie sein Vater, die Sesshaftmachung deutscher Siedler und Kaufleute. Für diese stiftete er 1190 die Sankt-Nicolai-Kapelle „vor Danzig im Felde“.

Der heilige Nikolaus war der Patron der Seehandel treibenden deutschen Kaufleute. Daher finden sich auch große Nikolaikirchen in Lübeck, Wismar, Stralsund, Berlin, Elbing, Reval und an anderen Orten. Der Seehandel war bereits entwickelt. Es wurden in erster Linie Tuche (sie waren damals zugleich Zahlungsmittel) und das lebensnotwendige Salz eingeführt, hauptsächlich von dem 1143 gegründeten Lübeck. Ausgeführt wurden Felle, Wachs, Honig und Bernstein. An der Stelle des späteren Langen Marktes waren Buden zum Verkauf der von den Schiffen eingeführten Waren erbaut. Am Koggentor war eine Landebrücke errichtet, deren Unterhalt dem Kloster Oliva oblag. Dafür erhielt das Kloster einen Anteil an den Zolleinnahmen. Ins Landesinnere führten Kaufmannsstraßen, eine davon nach Stargard und weiter südlich, die uralte „Bernsteinstraße“ führte bis zur Adria. Nach Westen führte die Straße über Stolp und Schlawe nach Kolberg. Zu solchen Fahrten taten sich jeweils mehrere Wagenführer zusammen, oft wohl auch mit bewaffneter Begleitung. Bei der Ausfahrt hatte jeder Wagenführer an den Unterkämmerer in Danzig fünf Ellen Tuch und eine halbe Mark Silber zu zahlen. Auf der Weiterfahrt wurde an jeder landesherrlichen Burg ein weiterer Zoll in Naturalien erhoben. Erst seit etwa 1240 waren alle Abgaben in Geld zu entrichten. Die Quellen sagen nichts von pommerellischen Münzstätten. Es sind auch keine pommerellischen Münzen gefunden worden. Im Zuge der wirtschaftlichen Durchdringung des Ostseeraumes durch Dänemark kam dänisches Geld aus Haithabu (Hedeby) in die Küstengebiete, und die sächsischen Münzen aus dem Silber des Rammelsberges bei Goslar strömten in großer Zahl nach Polen und Pommerellen. Auch die polnischen Fürsten prägten Münzen.

Das Ende des Hauses Sambor und der Kampf um dessen Nachfolge

Die Mark Brandenburg und das Königreich Polen

Während Polen nach dem Lehensbrief Kaiser Friedrich Barbarossas von 1181 für das westpommersche Herzogtum der Greifen keinerlei Vorherrschaft mehr über dieses hatte, unterstand das ostpommersche Herzogtum (Pomerellen) bis ins späte 13. Jahrhundert weiterhin polnischer Oberhoheit. Diese stand nach der Regel des polnischen Seniorats ausdrücklich dem Seniorherzog zu. Durch den Tod seiner Onkel wurde Herzog Mestwin II. Herrscher über ganz Pommerellen. Im Kampf gegen seine Verwandten verbündete sich Herzog Mestwin kurzzeitig mit den askanischen Markgrafen aus der Markgrafschaft Brandenburg, dabei entband ihn der Lehensvertrag ausdrücklich von der Heeresfolge gegen Polen, mit dem er sich wenig später gegen die Brandenburger, die in der Zwischenzeit Danzig eroberten, zur Wehr setzte. Mit Herzog Przemysław II. von Großpolen schloss Mestwin am 15. Februar 1282 im Vertrag von Kempen eine „donatio inter vivos“ (Geschenk unter Lebenden) und vermachte ihm sein Herzogtum. Derartige Erbverträge waren zu der Zeit nicht selten. Brandenburg erkannte diesen Vertrag aber nicht an, da es am vorherigen Lehnsvertrag festhielt. Dem Deutschen Orden musste Mestwin II., aufgrund des Schiedsspruchs eines päpstlichen Legaten, am 18. Mai 1282 das Land Gniew, das Große Werder und einen Teil der Frischen Nehrung abtreten. Dieses Land hatte Mestwins Onkel Sambor II. dem Orden bereits 1276 geschenkt. Der Orden erbaute noch im selben Jahr das Komturschloss in Mewe und fasste damit Fuß auf dem linken Weichselufer.

Am 25. Dezember 1294 verstarb Mestwin und Przemysł II. gliederte den größten Teil Pommerellens seinem Machtbereich ein. Am 26. Juni 1295 wurde Herzog Przemysł II. in Gnesen durch Erzbischof Jakub Świnka zum polnischen König gekrönt. Er herrschte über Großpolen und über große Teile Pommerellens. Im Februar 1296 wurde Przemysł II. von oppositionellen Adligen, den Zaremba und den Nałęcz, entführt und in Rogoźno (Rogasen) ermordet, dahinter sollen die Markgrafen von Brandenburg oder Wenzel II. von Böhmen gesteckt haben.

Die böhmischen Přemysliden und Władysław I. Ellenlang

Da König Przemysł II. nur die Tochter Rixa Elisabeth hinterließ, begann um seine Nachfolge als König von Polen ein Kampf zwischen Herzog Władysław I. Ellenlang von Kujawien und den böhmischen Přemysliden, der starke Auswirkungen auf die Geschichte Pommerellens hatte. Zunächst setzte sich König Wenzel II. von Böhmen durch. Er nahm 1300 Großpolen und Pommerellen in Besitz, verlobte sich mit Rixa Elisabeth und ließ sich von Jakub Świnka in Gnesen zum polnischen König krönen. Zur weiteren Sicherheit nahm er noch 1300 seine polnischen Gebiete von König Albrecht I. als Lehen an, während sein polnischer Widersacher Schutz und Aufnahme im Ausland suchen musste. Wenzel kehrte nach Prag zurück und ließ sich in den polnischen und pommerellischen Gebieten durch „Capitanei“, Starosten, vertreten. Die Verwaltung Pommerellens hatte er dem einheimischen Palatin von Danzig, Swenzo, übertragen. Dieses einheimische Geschlecht der Swenzonen hatte, gestützt auf Neuenburg und umfangreiche Ländereien im Flussgebiet der Brahe mit Tuchel, Größe und Macht eines selbständigen Fürstentums erlangt.

Als Wenzel II. im Juni 1305 plötzlich starb, folgte ihm sein 16-jähriger Sohn Wenzel III. nach. Dieser ernannte einen Sohn des alten Swenzo, Peter von Neuenburg, zum Hauptmann von Pommerellen. Herzog Władysław kehrte um 1305 nach Polen zurück und begann Großpolen von Südosten her einzunehmen und so Oberhand im Kampf über die Nachfolge in Polen zu gewinnen. Daraufhin bemühte sich Wenzel um die Hilfe des Deutschen Ordens. Er selbst rüstete sich zu einem Zug gegen Władysław, wurde aber im August 1306 in Olmütz ermordet. Władysław konnte den größten Teil Polens einnehmen und im Winter 1306/1307 Pommerellen besetzen.

Die Swenzonen rufen die Brandenburger, Władysław I. Ellenlang ruft den Deutschen Orden

Dort entmachtete er das mächtige Geschlecht der Swenzonen (Święca). Diese schlossen im Juli 1307 einen Übergabevertrag mit Markgraf Waldemar von Brandenburg. Peter trieb Brandenburg an, seine Lehnsansprüche auf Pommerellen erneut geltend zu machen.

Brandenburgische Truppen unter den Markgrafen Otto und Waldemar besetzten im Sommer 1308 die strategisch wichtigsten Punkte. Die damals noch überwiegend slawische Stadt Danzig öffnete ihnen die Tore; die polnisch-kaschubische Besatzung der etwa 300 Meter entfernt gelegenen Burg mit dem Landrichter Bogussa und anderen kaschubischen Amtsträgern konnte widerstehen. Władysław I. war durch interne Probleme daran gehindert, seinen Statthaltern in Pommerellen Entsatz zu leisten.

Auf den Rat des dem polnischen Herzog treu ergebenen Dominikanerpriors Wilhelm bat Landrichter Bogussa mit Zustimmung Władysławs den Deutschen Orden gegen Ersatz der Kosten um Hilfe. Im August 1308 kam Gunther von Schwarzburg (oder Heinrich von Plötzke), der Komtur von Kulm, mit Truppen nach Danzig, verstärkte die Besatzung der Burg und nötigte die Brandenburger im September zum Abzug. Die Ordensritter bekamen jedoch wegen der Kostenerstattung mit der polnisch-kaschubischen Besatzung Streit, der in Gewalttaten endete.

Eroberung durch den Deutschen Orden und das „Danziger Blutbad“

Inzwischen war unter dem Landmeister Heinrich von Plötzke eine starke Streitmacht aufgestellt worden. Sie belagerte Danzig. Am 13. November 1308 wurde die Stadt vom Orden eingenommen. Dabei wurden 16 kaschubische Ritter und eine unbekannte Zahl von in der Stadt weilenden Polen und deutschen Bürgern getötet. Die Bürger mussten ihre Häuser zerstören und die Stadt verlassen, die Ritter legten die Stadtbefestigung nieder. Erst nach zwei Jahren durften die Bürger zurückkehren und ihre Stadt auf dem Gelände der Rechtstadt wieder aufbauen.

Die Anzahl der bei der Einnahme Danzigs vom Orden getöteten Menschen („Danziger Blutbad“) ist jahrhundertelang ein Streitpunkt zwischen deutschen und polnischen Historikern gewesen. Schon 1310 verklagte der polnische König den Orden beim Papst. Der erste Prozess fand bereits 1310–1312 in Riga statt. In der Bulle Papst Clemens' V. vom 19. Juni 1310 wird von der Beauftragung des Erzbischofs Johann von Bremen und des Domherrn von Ravenna, Magister Albert von Mailand zu einer Untersuchung wegen schwerer Vorwürfe gegen den Deutschen Orden gesprochen. Diese schweren Vorwürfe behinhalten die Anschuldigung des Mordes an über 10.000 Menschen in der Stadt Danzig.[3]

Der Orden besetzte 1309 Pommerellen, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen. Im selben Jahr verlegte der Deutsche Ritterorden seinen Hochmeistersitz von Venedig in die Marienburg. Władysław I. konnte die sehr hohe vom Orden geforderte Kriegsentschädigung nicht zahlen. Die brandenburgischen Ansprüche kaufte der Orden dem Markgrafen Waldemar im Vertrag von Soldin (1309) für die hohe Summe von 10.000 Mark ab.

Pommerellen als Teil des Ordensstaates

Sicherung

Władysław I. Ellenlang hatte einen Teil der polnischen Teilfürstentümer (Großpolen und Kleinpolen) wieder vereinigt und wurde 1320 zum polnischen König gekrönt. Sein erklärtes Ziel war es, Pommerellen für Polen zu gewinnen. Vorstöße bei der Kurie in Avignon blieben ohne Wirkung. Er verbündete sich mit dem größten Feind des Ordens, mit Litauen, und verheiratete seinen Sohn Kasimir 1325 mit Aldona-Anna, der Tochter des Litauerfürsten Gedimin. Der Orden hatte sich dagegen mit dem inzwischen |luxemburgischen Königreich Böhmen, mit der Mark Brandenburg und mit drei masowischen Fürsten verbündet.

1327 begann König Władysław I. einen Krieg gegen den Deutschen Orden. Der Krieg bestand aus gegenseitigen Verwüstungsfeldzügen. Als ein Ordensheer aus dem östlichen Großpolen zurückkehrte, griff Ellenlang es am 27. September 1331 bei Płowce an und vernichtete eine der drei Abteilungen. Die Schlacht blieb im Ergebnis unentschieden, wenn auch die psychologische Wirkung dieses ersten Teilerfolgs in offener Feldschlacht gegen den Orden erheblich war. Schließlich konnte der Orden die polnisch-litauischen Angriffe abschlagen und in einer kraftvollen Offensive Kujawien und das Dobriner Land dem polnischen König entreißen.

Władysław starb 1333. Sein Sohn, König Kasimir III. der Große, musste in dem Streit nachgeben. Im Vertrag von Kalisch (1343) erkannte er die Herrschaft des Ordens über Pommerellen und das Kulmerland „endgültig“ an. Dafür gab der Orden das von ihm besetzte Kujawien und das Dobriner Land an Polen zurück. Der Verzicht wurde von den polnischen Großen ausdrücklich bestätigt. Kasimir nannte sich aber weiterhin „heres Pomeraniae“ (Erbe Pommerns). Der meerferne, an der Netze gelegene Süden des Landes war immerhin polnisch geblieben. Damit herrschte für einige Jahrzehnte äußerlich Frieden zwischen dem Orden und Polen.

Erschließung

Der Orden hatte sich 1309 sofort intensiv dem Ausbau des Landes gewidmet. Im Süden der Komtureien Schlochau und Konitz wurde die Grenze zu Polen durch die planmäßige Anlage von deutschen Dienstgütern und Zinsdörfern gesichert und die Stadt Friedland am Übergang über die Dobrinka an deren Nordufer gegründet. Die pommersche Grenze wurde durch die Städte Baldenburg und Hammerstein und durch deutsche Dienstgüter gesichert.

Im Inneren des Landes gab es zahlreichen geistlichen Streubesitz der Klöster Oliva, Pelplin, Zarnowitz (Żarnowiec), Zuckau (Żukowo), heute zu Czersk, des Bistums Kujawien usw. In den Jahren 1315–1340 wurden die Werder im Weichseldelta eingedeicht und ausschließlich mit deutschen Bauern besetzt. Die kaschubischen Dörfer im Norden Pommerellens wurden durch die Einführung der deutschen Hufenverfassung und durch die Verleihung des kulmischen Rechts wirtschaftlich leistungsfähiger gemacht. Die Dreifelderwirtschaft und die Schulzenverfassung wurden eingeführt. Neu gegründete Städte wurden Mittelpunkte für den Binnenverkehr der umliegenden Dörfer.

Danzig

Einen großen wirtschaftlichen Aufschwung nahmen die großen Städte wie Danzig, das wegen seiner günstigeren Lage das zunächst vom Orden bevorzugte Elbing bald überflügelte. König Przemysław II. von Polen hatte der Stadt Danzig bereits das magdeburgische anstelle des ursprünglichen lübischen Rechts verliehen. Hochmeister Ludolf König erteilte der Stadt 1342 oder 1343 das kulmische Recht, freilich nur der inneren Stadt, der „richtigen“ Stadt, die davon den Namen der „Rechtstadt“ erhielt. Schon um 1380 war die massive Ummauerung dieser Stadt beendet. Der heute noch erhaltene Stockturm ist ein Überbleibsel dieser mittelalterlichen Befestigung. Der Grundstein für den Neubau der Marienkirche, des größten Kirchenbaus im Ostseeraum, soll 1343 gelegt worden sein. Die Stadt ist damals bereits dicht besiedelt gewesen. Der Artushof wird 1350 zum ersten Mal erwähnt. Das rechtstädtische Rathaus wurde als reines Verwaltungsgebäude um 1380 von Hinrich Ungeradin erbaut.

Danzig war Mitglied der Hanse und wurde gegen Ende des 14. Jahrhunderts Führerin der preußischen Städte. Der Fernhandel war trotz aller damit verbundenen Risiken die Grundlage für das Aufblühen der Stadt. Ausgeführt wurden hauptsächlich Getreide, Holz, Asche und Teer, eingeführt wurden flandrische Tuche, englische Wolle und Salz, vorwiegend aus Lübeck. Im 14. Jahrhundert ließen sich englische Kaufleute in Danzig nieder, erwarben Hausgrundstücke und schlossen sich zu einer Genossenschaft unter Leitung eines „governor“ zusammen.

Allianz des Preußischen Bundes und des Königreichs Polen gegen die Herrschaft des Deutschen Ordens

Seine eigenen umfangreichen Staatsgüter, die Domänen, bewirtschaftete der Orden selbst von eigenen Höfen aus. Die Erträge der Eigenwirtschaften, des Mühlenmonopols und des vom Orden selbst betriebenen Handels ermöglichten es, auf Steuern und Abgaben weitgehend zu verzichten.

Der Eigenhandel des Ordens wurde im Laufe der Jahre von den immer selbstbewusster werdenden Städten jedoch zunehmend als bedrohliche Konkurrenz empfunden. Die Regionaltagungen der preußischen Hansestädte dienten zwar der Vorbereitung gemeinsamen Vorgehens auf den Tagfahrten der Hanse, es kamen natürlich aber auch Beschwerden gegen den Orden zur Sprache.

Die landfremden Ritter ohne familiäre Kontinuität konnten kein Vertrauensverhältnis zu den inzwischen seit Generationen eingesessenen Familien der städtischen Patrizier, aber auch nicht zu dem landständischen Adel, herstellen. Sie wurden als arrogant empfunden. Die eingeborenen Familien hatten keine Möglichkeit, in höhere Verwaltungsstellen des Staates aufzusteigen. Institutionelle Gremien, in denen die Angelegenheiten des Landes mit den Landesherren besprochen werden konnten, gab es nicht. So kam zunehmend Unzufriedenheit im Lande auf.

Auch die außenpolitische Lage hatte sich gegen Ende des 14. Jahrhunderts verändert. Das Kaisertum war durch die Zugeständnisse geschwächt, die Karl IV. den Kurfürsten 1376 machen musste, um die Wahl seines Sohnes Wenzel zum römisch-deutschen König durchzusetzen. Das Papsttum war durch das Schisma (1378–1415) handlungsunfähig geworden. Der litauische Großfürst Jogaila ließ sich taufen und heiratete die polnische Prinzessin Hedwig von Anjou, die 1384 zum „König von Polen“ gekrönt worden war. Nachdem er versprochen hatte, seine gesamten litauischen und russischen Lande für ewige Zeiten mit der Krone Polens zu verbinden und die „dem polnischen Reiche verlorenen Länder“ – hierbei war in erster Linie an Pommerellen und an das Kulmerland gedacht – wiederzugewinnen, wählte ihn der polnische Adel 1386 zum König von Polen. Jogaila nahm den Namen Władysław II. Jagiełło an.

Der Orden war dadurch von einem übermächtigen Feind umgeben, ohne auf die Hilfe von Kaiser oder Papst rechnen zu können. Durch die Christianisierung Litauens war der Orden zudem in seiner Existenzberechtigung gefährdet. Mit der Unterstützung durch Kreuzfahrer aus ganz Europa war nicht mehr zu rechnen. Auch die Kriegstechnik hatte sich verändert. Erste Feuerwaffen kamen auf. Ritterheere waren auf die Unterstützung von Söldnern angewiesen und die kosteten Geld.

Krieg und Erster Friede von Thorn

1409 begann der Orden einen Präventivkrieg gegen Polen und Litauen, der zunächst ohne größere Kämpfe erfolgreich für den Orden verlief. Während eines Waffenstillstandes gab der als Schiedsrichter angerufene König Wenzel von Böhmen am 15. Februar 1410 einen dem Orden günstigen Schiedsspruch ab, den Polen aber ablehnte. Nach Ablauf des Waffenstillstandes begann der Krieg wieder am 24. Juni. Er führte zu der für den Orden vernichtenden Schlacht am 15. Juli 1410, die in der deutschen Geschichtsschreibung als Schlacht bei Tannenberg, bei den Polen als Schlacht bei Grunwald bekannt geworden ist. Das siegreiche polnisch-litauische Heer rückte auch in Pommerellen ein. Viele der kleinen Städte und der Landadel huldigten dem polnischen König. Nur Rheden, Schwetz, Konitz und Schlochau hielten zum Orden.

Die siegreichen Polen, Litauer und Tataren hatten die Marienburg belagert. Der König musste die Belagerung aber abbrechen, weil dem Orden von Deutschland her Hilfe nahte, im Belagerungsheer Seuchen ausgebrochen waren und der Litauerfürst Witold abgezogen war, um sein Land gegen eine Bedrohung von Livland her zu schützen. Schnell ging die Initiative wieder auf den Orden über. Innerhalb von 14 Tagen nach Aufhebung der Belagerung war fast das ganze Land wieder in den Händen des Ordens.

Am 9. November 1410 wurde der erfolgreiche Verteidiger der Marienburg, Heinrich von Plauen vom Generalkapitel des Ordens einstimmig zum Hochmeister gewählt. Er konnte am 1. Februar 1411 auf einer Weichsel-Insel bei Thorn Frieden schließen, den Ersten Frieden von Thorn. Der Orden behielt sein ganzes altes Gebiet einschließlich der Neumark und verzichtete nur auf das Dobriner Land „für immer“. Der Orden musste aber zur Auslösung der zahlreichen vornehmen Gefangenen die bedeutende Summe von 100.000 Schock böhmische Groschen zu bestimmten Terminen an den König von Polen zahlen.

Der neue Hochmeister griff mit brutaler Härte durch, um die Untertanen zu bestrafen, die dem polnischen König nach der Schlacht von Tannenberg so schnell gehuldigt oder Verhandlungen aufgenommen hatten. Am schlimmsten war es in Danzig, dessen Komtur ein gleichnamiger Bruder des Hochmeisters war. Er lud die beiden Bürgermeister Conrad Letzkau und Arnold Hecht sowie den Ratsmann Bartel Groß, einen Schwiegersohn Letzkaus, auf das Schloss und ließ sie dort in der folgenden Nacht ohne Recht und Urteil ermorden. Die Leichen wurden nach Intervention beim Hochmeister erst acht Tage danach vor das Burgtor geworfen. Die Bürgerschaft war ungeheuer erregt. Der Vorfall stand noch in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts in Danziger Volksschul-Lesebüchern.

Dreizehnjähriger Krieg und Zweiter Friede von Thorn

Heinrich von Plauen wollte sich nicht mit dem Frieden abfinden. Er begann aufzurüsten. Dafür und für die Zahlungsverpflichtungen aus dem Friedensvertrag benötigte er Geld. Das sollten die Städte und die Landstände zahlen. Die Situation wurde für das Land nicht besser, als Heinrich von Plauen 1413 abgesetzt wurde. Die Spannungen nahmen sogar wieder zu.

Am 4. Februar 1454 kündigte der Bund dem Orden den Gehorsam auf und begann den wohlvorbereiteten Krieg. In wenigen Tagen war der größere Teil des Landes in den Händen der Aufständischen. Alle Burgen des westlichen Preußen mit Ausnahme von Marienburg und Marienwerder waren von Bundestruppen besetzt.

Schließlich waren auch die Finanzkräfte des Ordens, Polens und des Bundes erschöpft. Vermittlungsversuche Bürgermeister Castorps aus Lübeck in den Jahren 1463/64 scheiterten. Jedoch führten intensive Verhandlungen des päpstlichen Legaten Rudolf von Rüdesheim, Bischof von Lavant, im Jahre 1466 zum Erfolg. Der Zweite Frieden von Thorn wurde am 19. Oktober 1466 geschlossen. Der Orden musste das Ende seiner Herrschaft über den westlichen Teil seines Staatsgebietes einschließlich der Marienburg anerkennen. Das Landgebiet und Städte des Preußischen Bundes und mit Sonderstellung das Fürstbistum Ermland wurden als „Preußen königlichen Anteils“ ein Ständestaat unter der Hoheit des polnischen Königs.

Unter der polnischen Krone

Dieses seit dem 18. Jahrhundert sogenannte „Preußen königlichen Anteils“ war zunächst nur in Personalunion mit der polnischen Krone verbunden. Die autonome Sonderstellung des „Königlichen Preußen“ unter den Ländern der polnischen Krone beinhaltete eigene Landtage mit Deutsch als Verhandlungssprache, eine eigene Landesregierung (Landesrat), eigene Münze, eigene Wehrhoheit der großen Städte, das Recht der großen Städte, eigene diplomatische Verbindungen mit dem Ausland zu unterhalten, eine Jus Indigenatus. Eingeteilt war es, abgesehen vom nur lose eingebundenen Ermland, in drei Woiwodschaften, von denen die Woiwodschaft Pommern die größte war.

Mangels eines Thronfolgers wurde 1569 mit der Union von Lublin eine Wahlmonarchie eingeführte, und Polen annektierte mehr oder weniger das Großfürstentum Litauen und Königlich-Preußen zur Realunion Rzeczpospolita. Dabei wurden der Widerstand auch mit Gewalt gebrochen, etwa durch Inhaftierung der Danziger Gesandtschaft, u. a. mit Albrecht Giese. Vor und nach der Union von Lublin war das Ausmaß der Eigenständigkeit Gegenstand ständiger Auseinandersetzungen, wie etwa dem Thorner Blutgericht von 1724.

Bestandteil des Königreichs Preußen und der zweiten polnischen Republik

Im Verlauf der Teilungen Polens am Ende des 18. Jahrhunderts kam Pommerellen als Teil von Westpreußen an das Königreich Preußen, als neue Provinz Westpreußen. Nach 1919 wurde es durch den Vertrag von Versailles ohne Volksabstimmung aus dem Deutsches Reich herausgelöst und aufgeteilt in den Polnischen Korridor bzw. die Freie Stadt Danzig. In der zweiten polnischen Republik wurde erneut eine Woiwodschaft Pommern oder Pommerellen mit der Hauptstadt Thorn eingerichtet. Neben historischen, wirtschaftlichen, und nicht zuletzt machtpolitischen Erwägungen wurde dies begründet mit dem hohen Anteil polnischer bzw. kaschubischer Einwohner in Pomerellen bzw. dem neuen Korridor. 1919 lebten in Pommerellen 412.000 Deutsch-, 433.000 Polnisch- und 120.000 Kaschubischsprachige. Die Polnische Regierung, deren Kurs bis 1926 von den National- und Christlichen Demokraten bestimmt wurde, verfolgte nach der Angliederung Pommerellens das erklärte Ziel, den deutschen Bevölkerungsanteil zu reduzieren.[4] Maßnahmen waren die Nichtanerkennung der Staatsbürgerschaft, die Ausweisung nach erfolgter Option gemäß Artikel 297b des Versailler Vertrags sowie die Liquidation von Haus- und Grundbesitz. Die Abwanderung der Deutschen vollzog sich aus den Städten rascher als aus den ländlichen Gebieten. Infolgedessen war ab 1921 ihr Anteil umgekehrt zur Situation bis 1918 in den Landkreisen höher als in den Stadtkreisen. Ihre Zahl ging bis 1931 auf 105.000 Personen zurück.[5]

Pommerellen zwischen Deutschland und Polen

Nach preußisch-deutscher Lesart wird Pomerellen und Danzig als Teil der auf dem Deutschordensland basierenden 700 Jahre alten Einheit Preußen betrachtet, die nach der 300-jährigen Episode als autonomes Königlich Preußen ab 1772 mit dem übrigen Preußen politisch wiedervereinigt wurde, während man immer durch die gemeinsame deutsche Sprache kulturell verbunden war, und die fremdsprachigen Minderheiten in Preußen nur eine unwichtige bzw. im Arbeitsleben untergeordnete Rolle spielten; durch die Germanisierung zahlreicher Ortsnamen wurde das historische polnische Erbe teils auch symbolisch zerstört. Vom polnischen Standpunkt aus wird Pomerellen als der traditionell polnische Teil Pommerns betrachtet, der 1466, 1918 und 1945 politisch mit Polen wiedervereinigt wurde, wobei der deutschsprachige Aspekt gegenüber dem 1454 geäußerten pro-polnischen politischen Willen als minder bedeutend dargestellt wird, oder durch Polonisierung zahlreicher Ortsnamen verschleiert wurde.

Literatur

  • Hartmut Boockmann: Deutsche Geschichte im Osten Europas, Ostpreußen und Westpreußen. Siedler Verlag, Berlin 1992, ISBN 3-88680-212-4.
  • Wilhelm Brauer: Prußische Siedlungen westlich der Weichsel. J. G. Herder-Bibliothek Siegerland, Siegen 1983.
  • Philippe Dollinger: Die Hanse. 3. Auflage. Kröner, Stuttgart 1976, ISBN 3-520-37103-0.
  • Waldemar Epp: Danzig, Schicksal einer Stadt. Esslingen 1983, ISBN 3-7628-0428-1.
  • Ernst Gall: Danzig und das Land an der Weichsel, Deutscher Kunstverlag, 1953.
  • Erich Keyser: Danzigs Geschichte, Danzig 1928. Neudruck Hamburg.
  • Gerard Labuda (Hg.): Historia Pomorza. 3 Bde. Poznań 1972-2003.
  • Heinz Lingenberg: Die Anfänge des Klosters Oliva und die Entstehung der deutschen Stadt Danzig. Klett-Cotta, Stuttgart 1982, ISBN 3-12-914900-7.
  • Gotthilf Löschin: Geschichte Danzigs. 2. Auflage, Danzig 1822. Neudruck: Danziger Verlagsgesellschaft Paul Rosenberg, Klausdorf/Schwentine.
  • Gotthold Rhode: Geschichte Polens. 3. Auflage. Darmstadt 1980, ISBN 3-534-00763-8.
  • Stanisław Salmonowicz (Hg.): Historia Pomorza. Bd. 4 [1850-1918]. Toruń 2000-2003.
  • Bruno Schumacher: Geschichte Ost- und Westpreußens. 7. Auflage. Verlag Weidlich, Würzburg 1987. Neudruck der 7. Auflage: Weltbild Verlag, Augsburg 1993, ISBN 978-3-89350-111-3.

Fußnoten

  1. ↑ siehe: Julian Ursyn Niemcewicz, Podróże historyczne po ziemiach polskich między rokiem 1811 a 1828 odbyte, Paris 1828, S. 247-258. Vgl. auch hier
  2. ↑ in Kap. 45 seiner Germania
  3. ↑ Hein, Max und Maschke, Erich: Preußisches Urkundenbuch, 2. Bd., S. 9 (Urkunde Nr. 13).
  4. ↑ Ernst Opgenoorth, Handbuch der Geschichte Ost- und Westpreußens, Teil III: Von der Reformationszeit bis zum Vertrag von Versailles 1807-1918, Lüneburg 1998, 132.
  5. ↑ Ernst Opgenoorth, Handbuch der Geschichte Ost- und Westpreußens, Teil III: Von der Reformationszeit bis zum Vertrag von Versailles 1807-1918, Lüneburg 1998, 133.

 

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Hinterpommern

Hinterpommern ist der zwischen der Oder und Pomerellen gelegene östliche Teil Pommerns. Die Region mit der Stadt Stettin war bis 1945 überwiegend von Deutschen besiedelt und gehörte als Teil der preußischen Provinz Pommern zum Deutschen Reich. Heute ist die Region überwiegend von Polen besiedelt und gehört größtenteils als Woiwodschaft Westpommern mit der Hauptstadt Stettin (poln.: Sczecin) zu Polen; die östlichen Teile gehören zur Woiwodschaft Pommern.

Geographie

Die dünn besiedelte Landschaft ist geprägt von eiszeitlich geformten Moränen, Seen, Flüssen, sanften Hügeln und dichten Nadelwäldern.[1] Der südwestliche Teil beinhaltet mit dem Pyritzer Weizacker ein ausgesprochen fruchtbares Landwirtschaftsgebiet.

Im Hinterland der Ostseeküste verlaufen die Verkehrsströme von Stettin nach Danzig.

Geschichte

Hinterpommern war Teil des Siedlungsgebietes der Pomoranen (Pomerani). Letzterer Name tauchte erstmals zur Zeit Karls des Großen auf. Nach Kriegszügen zur Unterwerfung und Christianisierung war ganz Pommern seit 995 unter die Herrschaft des polnischen Herzogs Bolesław III. Schiefmund geraten. Die polnische Oberhoheit entglitt seinen Nachfolgern jedoch wieder und endete um etwa 1135. Die ursprünglich slawischen Greifen (seit Wartislaw I.) waren Herzöge von Pommern bis 1637. Sie warben zur Kolonisierung ihrer Ländereien deutsche Siedler an, so dass im 13. Jahrhundert zunächst die westlich der Oder gelegenen Landesteile, später aber auch die östlichen zu einem Teil des deutschen Siedlungsgebietes wurden. Die verbliebene slawische Bevölkerung wurde dabei im Laufe der Zeit größtenteils eingedeutscht.

Die Bewohner Ostpommerns waren deshalb ethnisch gesehen ein Mischvolk. Viele hinterpommersche Adelsfamilien, die dort bis zu ihrer Vertreibung nach 1945 ansässig waren, haben slawische Wurzeln, z. B. die von Zitzewitz oder die von Borcke. Lediglich im östlichen Hinterpommern hielt sich mit den Kaschuben bis in die Neuzeit eine slawische Bevölkerungsgruppe. Ihre Assimilation seit dem 18. Jahrhundert führte je nach der Glaubensrichtung der Kirche, der sie sich angeschlossen hatten, entweder zur Germanisierung (evangelische Kirche) oder zur Polonisierung (katholische Kirche).

Von 1295 bis 1464 gehörte das südwestliche Hinterpommern (die gesamte Region südwestlich des Flusses Ihna) zum Herzogtum Pommern-Stettin. Die anderen Gebiete gehörten in dieser Zeit zum Herzogtum Pommern-Wolgast, von dem sich seit Ende des 14. Jahrhunderts ein gesondertes Herzogtum Pommern-Wolgast-Stolp abteilte. Die Gebiete beiderseits des Unterlaufes der Persante mit den Städten Kolberg und Köslin bildeten seit dem Ende des 13. Jahrhunderts im Wesentlichen das Stift Cammin, also das weltliche Herrschaftsgebiet des Bischofs von Cammin.

Nach einer zeitweiligen Vereinigung der verschiedenen Landesteile unter Herzog Bogislaw X., reg. 1474–1523, teilten bereits seine Nachfolger das Land 1532 vorläufig und 1541 endgültig in ein Herzogtum Wolgast und ein Herzogtum Stettin, die erst unter dem letzten Herzog, Bogislaw XIV., ab 1625 wieder vereint werden konnten. Dabei umfasste das Stettiner Teilherzogtum diesmal in erster Linie die östlich der Oder gelegenen Gebiete, die seit 1466 noch um die Lande Lauenburg und Bütow im Osten erweitert worden waren. Letztere lagen aber außerhalb der Grenzen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und waren zunächst Pfandbesitz, seit Anfang des 16. Jahrhunderts ein Lehen der polnischen Krone. Das Stift Cammin wurde nach der Reformation ab 1556 eine Sekundogenitur der pommerschen Herzöge. 1648 kam Hinterpommern an die Mark Brandenburg, das spätere Königreich Preußen und verblieb dort bis 1945 als Teil der Provinz Pommern. Aufgrund der Beschlüsse der Alliierten im Potsdamer Abkommen wurde Hinterpommern 1945 unter polnische Verwaltung gestellt und die deutsche Bevölkerung vertrieben bzw. später zwangsausgesiedelt. Im Rahmen der Aktion Weichsel wurden in Hinterpommern nach 1945 hauptsächlich Polen aus Zentralpolen und Gebieten östlich der Curzon-Linie angesiedelt, aber auch Ukrainer aus Galizien.

Die Zugehörigkeit Hinterpommerns zu Polen wurde von der DDR im Görlitzer Abkommen vom 6. Juli 1950, von der Bundesrepublik Deutschland unter Vorbehalt im Warschauer Vertrag vom 7. Dezember 1970 und vom vereinten Deutschland 1990 im Zwei-plus-Vier-Vertrag sowie im deutsch-polnischen Grenzvertrag endgültig anerkannt.

Sprache

Bis 1945 wurde in Hinterpommern überwiegend Deutsch gesprochen, insbesondere in den ländlichen Gebieten auch pommersches Niederdeutsch. Östlich von Stolp war auch die Kaschubische Sprache vertreten und seit dem 17. Jahrhundert infolge der Rekatholisierung in der Gegend um Leba und Lauenburg die Polnische Sprache.

Aufgrund der Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Bevölkerung Hinterpommerns nunmehr ganz überwiegend polnischsprachig.

Begrifflichkeit

Der Begriff Hinterpommern in seiner heutigen Bedeutung ist erst in der Neuzeit entstanden. Im Mittelalter verstand unter Pommern im engeren Sinne das Gebiet des Herzogtums Pommern-Wolgast zwischen Oder und Gollenberg (bei Köslin). Nur die östlich davon gelegenen Gebiete bezeichnete man manchmal als Hinterpommern, weil sie eben hinter Pommern lagen. Erst im 16. Jahrhundert bürgerte sich im Sprachgebrauch die Bezeichnung Hinterpommern auch für Gebiete östlich der Oder ein. Dies übertrug sich dann nach 1648 auf die von Kurbrandenburg übernommenen Gebiete, ohne dass je eine scharfe Abgrenzung nach Westen vorgenommen wurde. Deshalb ist es Auslegungssache, ob die eigentlich (historischer Stadtkern) westlich der Oder gelegene Stadt Stettin nun zu Vor- oder zu Hinterpommern zu rechnen ist.

Größere Städte

  • Stargard i. Pom./Stargard Szczeciński
  • Pölitz/Police
  • Belgard/Białogard
  • Cammin/Kamień Pomorski
  • Kolberg/Kołobrzeg
  • Köslin/Koszalin
  • Stolp/Słupsk

Bis 1945 gehörten zu Vorpommern

  • Stettin/Szczecin
  • Swinemünde/Świnoujście
  • Misdroy/Miedzyzdroje

Literatur

  • Erdbeschreibung der Preußischen Monarchie (F. Leonardi, Hrsg.), Band 3, Halle 1784, S.706-23.
  • Vollstämdige und neueste Erdbeschreibung der Preußischen Monarchie und des Freistaates Krakau, bearbeitet von G. Hussel, Geographisches Institut, Weimar 1819, S. 174-210.
  • Gerhard Renn: Die Bedeutung des Namens „Pommern“ und die Bezeichnungen für das heutige Pommern in der Geschichte. In: Greifswalder Abhandlungen zur Geschichte des Mittelalters 8, Universitätsverlag, Greifswald 1937.

Einzelnachweise

  1. ↑ Vgl. zum Beispiel C. Wolff: Charakteristik der Oberfächengestalt von Hinterpommern, vom Gollenberg östlich. In: Annalen der Erd-, Völker- und Staatenkunde (Heinrich Berghaus, Hrsg.), 3. Reihe, 8. Band, 1. April - 30. September 1839, Berlin 1839, S. 213-220.

 

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Samboriden

Die Samboriden (auch Sobiesławiden) waren im 12. und 13. Jahrhundert ein Herrschergeschlecht, das die pommerellischen Herzöge stellte.

Die Samboriden

Für die ersten pommerellischen Fürsten ist die Quellenlage sehr dürftig. Ihre Namen sind fast nur aus Schenkungsurkunden bekannt, die sie angeblich ausgestellt haben. Viele der auf uns gekommenen Dokumente sind aus unterschiedlichen Gründen gefälscht, sowohl was den Inhalt, als auch was das Ausstellungsdatum angeht. Und fast nichts ist über das Wirken nach außen bekannt. So herrscht viel Spekulation, die zu unterschiedlichen Auslegungen geführt hat und noch führt. In diesen Zusammenhängen übersetzen einige Forscher das lateinische Wort „Princeps“ als „Statthalter“, andere übersetzen es als „Fürst“. Auch die Herkunft des pommerellischen Herrschergeschlechts wird diskutiert. Während die Herrscher aller polnischen Teilfürstentümer zur Großfamilie der Piasten gehörten, waren die Samboriden im Mannesstamm unstreitig keine Piasten. Einige Forscher nehmen an, dass der polnische König Bolesław III. Schiefmund, als er 1116 Pommern unterworfen hatte, eine Familie aus dem polnischen Hinterland als Statthalter in Pommerellen eingesetzt hat. Dabei wird darauf verwiesen, dass bei einer Familie aus dem Gebiet von Sieradz dieselben Namen vorkommen, wie bei den Samboriden: Świętopełk, Warcisław, Mściwój. Deren Nachkommen hätten sich dann zeitweise der piastisch-polnischen Oberherrschaft entzogen. Andere meinen, dass es sich um ein einheimisches Adelsgeschlecht gehandelt hat. Sie stützen sich darauf, dass Sambor I. und Mestwin I. in ihren Urkunden unumschränkt über ihre „von ihren Vätern und Vorvätern ererbten Besitzungen“ verfügen, ohne eine Abhängigkeit zu den piastischen Herzögen erkennen zu lassen.

Stammliste

  1. Sobiesław I., Herzog von Pommerellen (regierte 1155–1187);
    1. Sambor I., Herzog von Pommerellen (regierte 1187–1207);
      1. Sobiesław II. (ca. 1207–1217/1223), Sambors Sohn unter der Vormundschaft seines Onkels Mestwin I., starb bereits in jungen Jahren;
      2. Swantopolk I. (ca. 1207–1227), Sambors Sohn unter der Vormundschaft seines Onkels Mestwin I., starb bereits in jungen Jahren;
    2. Mestwin I., Bruder von Sambor I. und Herzog von Pommerellen (regierte 1207–1220);
      1. Swantopolk II., Herzog von Pommerellen (regierte 1220–1266);
        1. Mestwin II., Herzog von Pommerellen (regierte 1266–1294);
          1. Katharina (ca. 1250–1312), heiratete Herzog Pribisław von Mecklenburg-Parchim durch Heirat Titularherzogin von Mecklenburg-Parchim und Herzogin von Pommern in Belgard;
          2. Eufemia (ca. 1260–1317), als Gattin von Graf Adolf V. († 1308) durch Heirat Gräfin von Holstein in Segeberg;
        2. Wartisław II., Herzog von Pommerellen in Danzig (regierte 1266–1271);
        3. Eufemia (ca. 1225–1270), als Gattin von Fürst Jaromar II. durch Heirat Fürstin von Rügen;
        4. Jan (ca. 1230–1248), starb in jungen Jahren;
      2. Wartisław I., Herzog von Pommerellen in Schwetz und Mewe (regierte 1220–1233);
      3. Sambor II., Herzog von Pommerellen in Liebschau und Dirschau (regierte 1220–1270);
        1. Sobiesław (ca. 1235–1254), überlebte seinen Vater nicht;
        2. Margarete Sambiria, heiratete Christoph I. von Dänemark durch Heirat Königin von Dänemark;
        3. Zwinisława (ca. 1240–1280), Gattin von Dobiesław Sądowic aus dem Adelsgeschlecht der Odrowąż;
        4. Gertruda (ca. 1250–1314), blieb unvermählt;
        5. Eufemia (ca. 1254–1296/1309), als Gattin von Herzog Bolesław II. durch Heirat Herzogin von Schlesien in Liegnitz;
        6. Salomea (Salome, ca. 1254/1257–1312/1314), als Gattin von Herzog Siemomysław durch Heirat Herzogin von Kujawien in Inowrocław;
      4. Ratibor, Herzog von Pommerellen in Belgard (regierte 1233–1262);
      5. Witosława (ca. 1205–1290), Priorin im Kloster Zuckau;
      6. Mirosława (ca. 1190–1233/1240), heiratete Herzog Bogislaw II. von Pommern durch Heirat Herzogin von Pommern;
      7. Hedwig (Jadwiga, ca. 1200–1249), heiratete Herzog Władysław Odon von Großpolen durch Heirat Herzogin von Großpolen;

Aussterben

Durch das Ableben von Herzog Mestwin II. im Jahre 1294 starb das pommerellische Herrscherhaus der Samboriden im Mannesstamm aus. Nachfolger in der Herrschaft in Pommerellen wurde zunächst Przemysław II., Herzog von Großpolen, der am 16. Juni 1295 vom Erzbischof von Gnesen zum König von Polen gekrönt, aber schon im Februar 1296 ermordet wurde. Anschließend kam es zu dem langen pommerellischen Erbfolgestreit, als dessen Ergebnis 1308 der Deutsche Orden den größten Teil des Herzogtums in Besitz nahm.

Literatur

  • Ernst Bahr: Aus der Geschichte des Kreises Karthaus, S. 23 ff., in Der Kreis Karthaus, ein westpreußisches Heimatbuch, hg. Wilhelm Brauer u. a., ohne Ort, 1978
  • Peter von Dusburg: Chronik des Preußenlandes. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe, Darmstadt 1984
  • Erich Keyser: Danzigs Geschichte. Danzig 1928, Nd. Hamburg o. J.
  • Erich Keyser: Die Baugeschichte der Stadt Danzig. Köln 1972, ISBN 3-412-95972-3
  • Otto Korthals: Herzog Sambor II. von Pommerellen in Westpreußen Jahrbuch Bd. 18, 1968, S. 8 ff.
  • Heinz Lingenberg: Die Anfänge des Klosters Oliva und die Gründung der deutschen Stadt Danzig. Klett, Stuttgart 1982
  • F. Lorentz: Geschichte der Kaschuben. Berlin 1926
  • Ostrowska, R. u. Trojanowska, I., Bedeker kaszubski, Gdansk 1978
  • Max Perlbach (Hrsg.): Pommerellisches Urkundenbuch. Bertling, Danzig 1881–1916. Neudruck: Scientia, Aalen 1969.
  • Gotthold Rhode: Geschichte Polens. Darmstadt 1980, ISBN 3-534-00763-8.
  • Bruno Schumacher: Geschichte Ost- und Westpreußens. 7. Auflage. Verlag Weidlich, Würzburg 1987. Neudruck der 7. Auflage: Weltbild Verlag, Augsburg 1993, ISBN 3-89350-111-8.

 

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Wendischer Städtebund

Der Wendische Städtebund entstand 1259 zwischen Lübeck, Kiel, Wismar, Rostock und Stralsund. Er diente der Sicherung der Handelswege auf dem Land und zur See und gilt als Keimzelle sowohl des späteren wendischen Quartiers als auch der Deutschen Hanse insgesamt. Seine Wurzeln lagen im Bündnis zwischen Hamburg und Lübeck von 1230, vertraglich festgelegt 1241. Verstärkt wurde er durch das traditionell mit Hamburg verbündete Lüneburg sowie später durch die pommerschen Städte Greifswald, Stettin und Anklam. Zum Teil waren diese Städte auch im Wendischen Münzverein zusammen geschlossen.

Literatur

  • Philippe Dollinger: Die Hanse. 5. Auflage, Stuttgart 1998, ISBN 3520371057.

 

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Hansisch-niederländischer Krieg -  1438 bis 1441

Der Hansisch-niederländische Krieg von 1438 bis 1441 war ein Krieg zwischen dem Städtebund Hanse und der Grafschaft Holland.

Vorgeschichte

Die holländischen Kaufleute umgingen im Ostseeraum nach Möglichkeit die Stapelgebote der Hanse und suchten als Umlandfahrer den unmittelbaren Weg zu den Konsumenten und Produzenten. Dieses Vorgehen untergrub das hansische Zwischenhandelsmonopol und bewirkte entsprechende finanzielle Einbußen.

Einen ersten Zwischenfall gab es 1422, als ein Geschwader der wendischen Städte in den Sund eindrang und dort holländische Heringsfänger manövrierunfähig machte. Als Begründung wurde angegeben, der dänische König könnte die Fahrzeuge für den Kampf gegen die Hanse chartern.

In den folgenden Jahren konnten die Holländer ihre Stellung im Ostseeraum ausbauen. Die Hanse reagierte mit restriktiven Maßnahmen. 1436 untersagten die wendischen Städte ihren Schiffen die Fahrt nach Holland und Flandern. Es kam zu diplomatischen Aktivitäten mit einem lebhaften Schriftverkehr, jedoch ohne Ergebnis.

Am 7. April 1438 gestattete Herzog Philipp der Gute den Holländern die Kaperei gegen die sechs wendischen Städte (Hamburg, Lübeck, Lüneburg, Greifswald, Stettin und Anklam) sowie den Herzog von Holstein.

Am 23. April 1438 informierte die Hanse ihre Städte über einen bevorstehenden Krieg mit Holland und forderte zur Einstellung der Schifffahrt nach Flandern, Holland und Seeland auf.

Kriegsverlauf

Holland war zur See noch nicht stark genug, um sich einen offenen Kampf mit Hanseverbänden zu liefern und musste sich auf die Kaperei beschränken. Auf der anderen Seite blieben die wendischen Städte auf sich gestellt, denn trotz wiederholter Aufforderung Lübecks beteiligten sich die übrigen Hansestädte nicht an den Kampfhandlungen.

Die Anstrengungen von Herzog, Rat und Ritterschaft von Holland und Seeland ermöglichten es, dass schon am 22. Juni 1438 eine aus 54 großen und 50 kleinen Schiffen bestehende Kaperflotte unter Hendrik van Borsselen aus Rotterdam auslaufen konnte. Obwohl er auf der Hinfahrt den neutral gebliebenen Hansestädten freies Geleit zugesagt hatte, überfiel er überraschend bei Brest eine preußische Baiensalzflotte und brachte 23 preußische und livländische Schiffe auf. Die dort befindlichen elf Schiffe der wendischen Städte hatten sich beim Erscheinen der Kaperflotte rechtzeitig in den Hafen zurückgezogen.

Die neutralen Hansestädte erhoben Schadenersatzansprüche, doch trotz ihrer Empörung schlossen sie sich auch jetzt nicht dem Krieg der von Lübeck angeführten wendischen Städte an. Vielmehr arretierten sie aus Unmut über die Sperrmaßnahmen der wendischen Städte im Sund deren Güter in Preußen.

Nach der Eisperiode nahmen im Frühjahr 1439 beide Seiten den Kaperkrieg auf. Im Mittelpunkt stand die Sundpassage, wo sowohl das Geleit der eigenen Handelsschiffe gewährleistet als auch das Aufbringen gegnerischer Schiffe angestrebt wurde.

Zu dieser Zeit traf Christoph, der künftige Herrscher der drei nordischen Reiche, in Lübeck ein. Er erlangte die Unterstützung der wendischen Städte, indem er sich unter anderem verpflichtete, gegen Holland vorzugehen, den Sundzoll aufzuheben und den Ständen ihre Privilegien zu bestätigen. Im Gegenzug bot Christophs Rivale Erich von Pommern den Holländern und Philipp dem Guten ein Bündnis an, um auf den dänischen Thron zurückzukehren.

Als im Frühjahr 1440 die Kampfhandlungen wieder aufgenommen wurden, erschien eine holländische Flotte, doch es gelang Christoph zuvor mit Hilfe einer hansischen Flotte, seinen Gegner zu besiegen. Die holländische Flotte lag bei Marstrand vor Anker, wurde aber rechtzeitig gewarnt und konnte sich durch Rückzug retten.

Nachdem Christoph seinen Thron gesichert hatte, rückte er mehr und mehr von der Hanse ab und begünstigte zunehmend die Holländer. Der Kaperkrieg wurde bis Kriegsende von beiden Seiten fortgesetzt.

Friedensschluss

Mit dem Frieden von Kopenhagen endete der Hansisch-niederländische Krieg. Der auf zehn Jahre befristete Vertrag wurde im Jahr 1441 in Kopenhagen von den Städten der Hanse unter Führung von Lübecks Bürgermeister Johann Lüneburg und den Holländern unterzeichnet.

Im Vertrag verpflichteten sich die niederländischen Städte zum Ersatz beziehungsweise zur Rückgabe von 22 Schiffen der preußischen und livländischen Hansestädte. Die Holländer zahlten weiterhin 5.000 Gulden an König Christoph III. von Dänemark und verpflichteten sich gegenüber den wendischen Städten der Hanse, allen diesen entstandenen Schaden zu ersetzen. Andererseits mussten die wendischen Städte den Holländern gegenseitige Verkehrsfreiheit zugestehen und alle einschränkenden Maßnahmen aufheben. Damit war die hansische Monopolstellung im Ostseeraum untergraben.

Literatur

  • Konrad Fritze/Günter Krause: Seekriege der Hanse. Militärverlag der DDR, Berlin 1989, ISBN 3-926642-02-5

 

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Kampen (Niederlande)

Kampen ist eine Gemeinde und ehemalige Hansestadt in der niederländischen Provinz Overijssel mit einer Fläche von 161,84 km² und 49.345 Einwohnern.

Orte

In Klammern die Einwohnerzahl (Januar 2007):

  • Kampen; Sitz der Gemeindeverwaltung (33.750)
  • IJsselmuiden, am rechten IJsselufer gegenüber von Kampen (11.500)
  • Grafhorst (1.000)
  • 's-Heerenbroek (600)
  • Kamperveen (etwas über 800)
  • Wilsum (etwas über 800)
  • Zalk (etwas über 800)

Lage und Wirtschaft

Die Stadt liegt an der Mündung der IJssel in das IJsselmeer. Sie hat drei Verkehrsbrücken über diesen Fluss. Kampen ist der Endpunkt einer Kleinbahn nach Zwolle; der Bahnhof liegt gegenüber der Stadt, jenseits der IJssel.

Kampen hat zwei theologische Fakultäten verschiedener protestantischer Kirchen und eine Kunstakademie. Die Landwirtschaft, vor allem Molkereien (in der Umgebung Polder mit nährstoffreichen Wiesen), und verschiedene kleinere Industriebetriebe und Werften, sowie der Tourismus (Wassersport; historische Altstadt) sind die Haupterwerbsquellen. Ende 2007 wurde eine erhebliche Ausbreitung des Flusshafens und der dortigen Schiffswerften untersucht, um zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen.

Geschichte

Die Stadt Kampen entstand um das Jahr 1000 aus einem Dorf entlang einem Deich. 1236 erhielt Kampen Stadtrecht. Schon früh war Kampen oder Campen eine wichtige Hafen- und Handelsstadt wegen seiner Lage an der Flussmündung. Die Stadt trat 1441 der deutschen Hanse bei. Kampen war einige Zeit die wichtigste niederländische Stadt in diesem Städteverbund. Seit dem 15. Jahrhundert verlor es an Bedeutung, da sich Probleme mit dem Wasserstand ergeben hatten, aber auch als Folge von Kriegen und der Handelskonkurrenz Hollands. Im 15. Jahrhundert hatte die Stadt eine gemeinschaftliche Münze mit Zwolle und Deventer, die in der Hansezeit mehr oder weniger Partnerstädte waren. Vom 19. Jahrhundert bis etwa 1970 war Kampen ein Zentrum der Zigarrenherstellung.

Die Orte Grafhorst und Wilsum erhielten ebenfalls im Mittelalter Stadtrechte, wuchsen aber nie zu richtigen Städten aus. Grafhorst wurde 1849 durch eine Brandkatastrophe nahezu völlig zerstört.

Sehenswürdigkeiten

Gebäude

Aus der Blütezeit der Stadt sind mehrere historische Gebäude erhalten geblieben:

  • das Rathaus, mit einer schönen Innenausstattung, zum Teil aus dem 16. Jahrhundert
  • drei Stadttore, u. a. die Cellebroederspoort und die weiße Koornmarktspoort, die von der IJssel sichtbar ist
  • der Neue Turm (Nieuwe Toren), erbaut im 17. Jahrhundert, mit vier Glocken aus den 1480er Jahren, die aus einem anderen Gebäude kamen, und einem Glockenspiel vom berühmten Glockengießer Hemony.
  • drei alte Kirchen, von denen vor allem die Nikolaus- oder Obere Kirche (Bovenkerk) sehenswert ist. Internationale Bekanntheit hat die Hinsz-Orgel erlangt.

Von den alten Häusern sind nur wenige erhalten:

  • Das bekannteste ist das „Gotische Haus“, das bis 2006 das Stadtmuseum beherbergte. Es wurde im 19. Jahrhundert durch Pierre Cuypers stark restauriert.
  • Die „IJsselfront“, die Häuserzeile entlang des Flusses, datiert, wie jene in Zutphen, aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Museen

  • Das Tabakmuseum mit einer 2,5 Meter langen Zigarre behandelt die Geschichte der Tabakherstellung der Stadt.
  • Das Städtische Museum hat den Charakter eines größeren Heimatmuseums. Es wird im Dezember 2008 im alten Rathaus eine neue Unterkunft haben.
  • In der Koornmarktspoort werden Wechselausstellungen gegeben.
  • Im Nieuwe Toren werden wechselnde Ausstellungen gezeigt.

Sehenswürdigkeiten außerhalb der Stadt

  • Die Dorfkirche von Wilsum aus dem 11. Jahrhundert
  • Die Windmühle von Zalk (1860)
  • Die Dorfkirche von IJsselmuiden (Anfang des 13. Jahrhunderts)
  • Die Fluss- und Wiesenlandschaft ist reich an Vögeln.

Städtepartnerschaften

Die Stadt Kampen pflegt Städtepartnerschaften mit folgenden Städten:

  • Eilat (Israel)
  • Meinerzhagen (Deutschland)
  • Pápa (Ungarn)
  • Soest (Deutschland)
  • Strzelce Opolskie (Polen)

Persönlichkeiten

Ehrenbürger

  • Willem Kolff (1911–2009), Mediziner und Arzt; 1945 Stadtkrankenhaus Kampen Erfinder der künstlichen Niere.

Söhne und Töchter der Stadt

  • Hinrik van Kampen, Glockengießer des 16. Jahrhunderts
  • Jan Willem de Winter (1761-1812), Admiral, Marschall, Oberbefehlshaber der niederländischen Streitkräfte während der Koalitionskriege.
  • Jaap Stam (* 1972), Fußballspieler. Er begann seine Karriere beim DOS Kampen und spielte dort bis 1992. Jaap Stam absolvierte für die niederländische Fußball-Nationalmannschaft 67 Länderspiele (1996–2004).

Persönlichkeiten, die vor Ort gewirkt haben

  • Hendrick Avercamp (1585–1634), Maler, der Stumme von Kampen (de Stomme van Kampen); nach ihm sind die Avercampstraat und ein Café benannt.
  • Gerhard van Wou (1440–1527), Glockengießer. Er schuf die Gloriosa für den Erfurter Dom, die im Allgemeinen als sein Meisterwerk betrachtet wird.

Einzelnachweise

  1. ↑ Bevölkerungsstatistik, 1. März 2010 – Centraal Bureau voor de Statistiek, Niederlande

 

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Land Lebus

Das Land Lebus (auch Lebuser Land) ist sowohl eine eiszeitliche Hochfläche als auch eine historische Kulturlandschaft beiderseits der Oder. Der westlich der Oder gelegene Teil gehört heute zu Brandenburg und der östlich davon gelegene Teil zur polnischen Woiwodschaft Lebus.

Geschichte

Bolesław Chrobry (der Tapfere) beteiligte sich, gemäß der Quedlinburger Absprache von 991, am Kampf Kaiser Otto III. gegen die heidnischen Elbslawen. Dieser Kampf verlief allerdings weitgehend erfolglos. Der östliche Teil der Nordmark mit dem Zentrum Lebus hingegen, blieb bis ins 12. Jahrhundert unter polnischem Einfluss. (vgl. Geschichte Polens)

Der Name kommt von der Stadt Lebus und taucht im 13. Jahrhundert zum ersten Mal auf. Das Land Lebus war im Besitz des gleichnamigen Bistums mit Sitz in Lebus und war zunächst vor allem von westslawischen Stämmen bewohnt. Später kamen deutschstämmige Kolonisten hinzu. Um 1600 war die Region dann fast ausschließlich deutschsprachig.

Heute

Die heutige polnische Woiwodschaft Lebus (Wojwództwo Lubuskie) sieht sich - ausgedrückt in der Namensgebung - in einer historischen Tradition mit dem mittelalterlichen Land Lebus. Für die Umgebung der deutschen Stadt Lebus bzw. das Amt Lebus im Landkreis Märkisch-Oderland in Brandenburg hat sich der Begriff Land Lebus bzw. Lebuser Land bis heute erhalten.

Das Land Lebus wurde für 2003/2004 zur grenzüberschreitenden Landschaft des Jahres gewählt.

Literatur

  • Matthias Antkowiak & Michaela Aufleger: Frankfurt (Oder) und das Land Lebus. In: Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland. Bd. 45. Stuttgart 2005, ISBN 3-8062-1952-4
  • Cornelia Willich: Die Ortsnamen des Landes Lebus. Mit einem siedlungsgeschichtlichen Beitrag von Rolf Barthel. (= Brandenburgisches Namenbuch. Bd. 8 gleichzeitig Berliner Beiträge zur Namenforschung Bd. 9) Weimar 1994. ISBN 3-7400-0918-7
  • Otto Breitenbach: Das Land Lebus unter den Piasten. Fürstenwalde/Spree 1890
  • Lutz Partenheimer: Die Entstehung der Mark Brandenburg. Mit einem lateinisch-deutschen Quellenanhang. 1. und 2. Auflage Köln/Weimar/Wien 2007.
  • Siegismund Wilhelm Wohlbrück: Geschichte des ehemaligen Bistums Lebus und des Landes dieses Namens. Berlin 1829, 648 Seiten (Volltext).

 

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Neumark (Landschaft)

Die Neumark (poln. Nowa Marchia) ist eine östlich der Oder in Polen gelegene historische Landschaft. Sie gehörte bis 1945 zur preußischen Provinz Brandenburg.

Geografische Lage

Die Neumark war im Westen und Süden von der Oder begrenzt, im Norden grenzte sie an die Provinz Pommern und im Osten an Polen bzw. von 1815 bis 1920 an die preußische Provinz Posen. Neben der Oder beherrschten die Flüsse Warthe und Netze mit ihren weiten Sumpfgebieten die Landschaft. Zur Zeit ihrer größten Ausdehnung (Ende des 17. Jahrhunderts) umfasste die Neumark die Kreise Königsberg/Nm., Soldin, Landsberg/W., Friedeberg, Arnswalde, Dramburg, Schivelbein, Sternberg, das vormals schlesische Crossen und das historisch-geographisch zur Niederlausitz gehörende Cottbus.

Geschichte bis 1320

Bis zum Anfang des 13. Jahrhunderts war das Gebiet der späteren Neumark dünn von slawischen Stämmen besiedelt und stand seit Ende des 10. Jahrhunderts unter der Herrschaft Polens. Vom dritten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts an begann die Einwanderung niederdeutscher Siedler nördlich und südlich von Warthe und Netze zunächst auf Initiative der pommerschen und polnischen Herrscher. Sie bedienten sich dabei der Orden der Templer, Johanniter und Zisterzienser, die zunächst Klöster gründeten und dann in deren Bereich Siedlungen errichteten. Im Norden bauten Pommern und Polen zum Schutz der Grenze Burgen, zu deren Füßen ebenfalls neue Siedlungen entstanden.

Auch die Brandenburger Markgrafen aus dem Haus der Askanier, waren bestrebt, östlich der Oder Fuß zu fassen. Zu einem wichtigen Stützpunkt wurde die Kastellanei Zantoch mit dem einzigen Wartheübergang. Sie war in polnischer Hand, wegen ihrer strategischen Bedeutung aber über lange Zeiten ein Streitobjekt mit den Pommern gewesen. Des Streites müde überließ Großpolenherzog Przemysl I. 1254 die Kastellanei dem brandenburgischen Markgrafen Konrad als Mitgift für seine Tochter Konstanza. Zur Sicherung des Gebietes gründete Markgraf Johannes I. 1257 die Stadt Landsberg. Durch weiteren Landerwerb konnten die Askanier ihren Herrschaftsbereich weiter nach Osten bis zum Fluss Drage und nach Norden bis zum Fluss Persante ausdehnen. Bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts war die Besiedelung der „Terra trans Oderam“ im Wesentlichen abgeschlossen (der Name "Neumark" wird erstmals 1383 gebraucht:"die nuwe Mareke uff dissit oder obir der Oder"). Die neuen Siedler waren in der Hauptsache aus den Magdeburger und altmärkischen Landen gekommen. Zum Machtzentrum der Neumark, wie das Gebiet etwa vom 15. Jahrhundert an genannt wurde, entwickelte sich die Stadt Soldin, die 1261 in den Besitz der Askanier gekommen war.

Vom Aussterben der Askanier bis zur Reformation

Mit dem Aussterben der Askanier 1320 ließ das Interesse Brandenburgs an der Neumark spürbar nach. Weder die Wittelsbacher (1323–1373) noch die Luxemburger Herrschaftshäuser kümmerten sich um die Weiterentwicklung ihrer östlich der Oder gelegenen Gebiete. Das politische Vakuum nutzten die Polen mit mehrfachen zerstörerischen Einfällen, und Raubritter terrorisierten die Bevölkerung. 1402 wurde die Neumark an den Deutschen Ritterorden verpfändet, 1429 ging sie in dessen Besitz über, doch ließ auch der Orden das Land weiter verfallen. Im Jahre 1433 wurden Teile der Neumark von Hussiten schwer zerstört. Anfang Juni begann der Einmarsch von Hussiten und Polen, am 4. Juni wurde Zantoch erobert, vom 9. bis 15. Juni Landsberg belagert. Währenddessen wurde in weitem Umkreis alles verwüstet, zahlreiche Dörfer wurden niedergebrannt. Am 15. Dezember 1433 schlossen der Deutsche Orden und der König von Polen einen Frieden auf zwölf Jahre, er sah unter anderem vor, dass der Orden den Bischöfen von Polen alle Güter, Dörfer und Besitzungen, die ihnen von alters her gehört hatten, wieder einräumen sollte.

Die eigene Misswirtschaft zwang den Orden, die Neumark bereits 1454 wieder an den brandenburgischen Kurfürsten Friedrich II. aus dem Hause Hohenzollern zu verpfänden. Nachdem Friedrich II. die Neumark 1463 für 40.000 Gulden endgültig erworben hatte, gehörte die Neumark mit Ausnahme der Zeit zwischen 1535 und 1571 auf Dauer zu Brandenburg. 1535 machte Markgraf Hans von Küstrin die Neumark zeitweise zu einem selbständigen Staatsgebilde und leitete die Konsolidierung des Landes ein. Dabei wirkten sich die Folgen der 1537 eingeführten Reformation günstig aus, denn aller Stifts- und Klosterbesitz mit seinen reichen Einnahmen wurde in landesherrliches Eigentum überführt.

Die Neumark von der Reformation bis zum Wiener Kongress 1815

1548 wurde der Regierungssitz von Soldin nach Küstrin verlegt. Der Dreißigjährige Krieg machte der Neumark schwer zu schaffen. Schwedische wie kaiserliche Truppen zogen plündernd und brandschatzend durch das Land, die Pestepidemien der Jahre 1626 und 1631 rafften die Bevölkerung dahin. Während der schwedischen Besetzung musste die Neumark 60.000 Taler und 10.000 Wispel Roggen an Stationierungskosten aufbringen.

Mit der Gründung des preußischen Staates 1701 begann sich die Situation der Neumark wieder zu verbessern. Bereits unter König Friedrich I. setzte eine neue Kolonisationswelle ein, und zu den neuen Einwanderern zählten auch zahlreiche reformierte Franzosen, die ihres Glaubens wegen ihre Heimat verlassen mussten. Zielgerichtet wurde in der Neumark das Tuchmacherhandwerk angesiedelt. Einen erneuten Rückschlag für das wirtschaftliche Leben brachte der Siebenjährige Krieg mit sich, als erneut hohe Kontributionen aufgebracht werden mussten. Erheblicher Landgewinn und wirtschaftliche Konsolidierung kam durch das Trockenlegungsprogramm von Friedrich dem Großen für das Warthe- und Netzebruch ab 1770 für die Neumark zum Tragen.

Die Neumark von 1815 bis 1945

Die Neugliederung Preußens auf Grund der territorialen Veränderungen durch den Wiener Kongress 1815 veränderte auch die politische Gliederung der Neumark. Die Kreise Dramburg und Schivelbein sowie die nördlichen Teile des Kreises Arnswalde mit der Stadt Nörenberg wurden der Provinz Pommern zugeschlagen. Das verbliebene Gebiet der Neumark mit den Kreisen Königsberg/Nm., Soldin, Arnswalde, Friedeberg, Landsberg/W., Sternberg (1873 geteilt in Weststernberg (Reppen) und Oststernberg (Zielenzig)), Züllichau-Schwiebus und Crossen wurde in den neu geschaffenen Regierungsbezirk Frankfurt der Provinz Brandenburg eingegliedert. Zum 1. Januar 1836 wurde der Kreis Küstrin aufgelöst und auf die Kreise Königsberg/Nm., Landsberg/W. und Lebus aufgeteilt. Als 1938 die Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen aufgelöst wurde, wurde die Neumark um die Kreise Schwerin/W. sowie Teile der Kreise Meseritz und Bomst erweitert, im Gegenzug gingen aber die Kreise Arnswalde und Friedeberg an die Provinz Pommern.

Die Rote Armee erreichte die Neumark Ende Januar 1945. Von den 645.000 Einwohnern (Volkszählung 1939) waren noch rund 400.000 im Lande [1]. Von ihnen kamen in den darauffolgenden Wochen bis Kriegsende viele ums Leben. Das ostbrandenburgische Gebiet war damit die Region Deutschlands mit den höchsten Verlusten unter der Zivilbevölkerung.

Die Neumark in Polen

Im Frühjahr 1945 unterstellte die UdSSR das Gebiet der polnischen Zivilverwaltung. Durch die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz (Potsdamer Abkommen) vom Juli/August 1945 kam das Gebiet vorbehaltlich einer friedensvertraglichen Regelung zur Volksrepublik Polen. Die noch ansässige deutsche Bevölkerung wurde bis 1947 fast vollständig vertrieben und per Dekret vom 6. März 1946 enteignet. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung, zumeist Spezialisten wie Techniker für Wasserwerke, wurde zurückgehalten und musste Zwangsarbeit leisten. Diese Personengruppe durfte Ostbrandenburg Anfang der 1950er-Jahre verlassen. An Stelle der deutschen Bevölkerung traten zu etwa zwei Dritteln Zuwanderer aus Zentralpolen sowie zu ca. einem Drittel ebenfalls aus ihrer Heimat vertriebene Ostpolen und Ukrainer. 1975–1998 gehörte die Neumark zu den Woiwodschaften Gorzów Wielkopolski (Landsberg/Warthe) und Zielona Góra (Grünberg); nur ein kleiner Teil um Chojna (Königsberg Nm.) gehörte zur Woiwodschaft Szczecin (Stettin). Die völkerrechtliche Zugehörigkeit zu Polen wurde 1990 mit Abschluss des deutsch-polnischen Grenzvertrags erneut bestätigt.

Mit der Neugliederung Polens nach der Demokratisierung kam der größte Teil der Neumark zur Woiwodschaft Lebus, deren Kernland sie nun bildet. Ein kleiner Teil gehört zur Woiwodschaft Westpommern. Seit dem 1. Januar 1999 gehört fast die ganze Neumark der Woiwodschaft Lebus an.

Infrastruktur der Neumark

Das Gebiet der Neumark war von jeher von der Land- und Forstwirtschaft geprägt. Auch die mittelgroßen Siedlungen waren zumeist Ackerbürgerstädte. Vom 19. Jahrhundert an gewann das Tuchmachergewerbe an Bedeutung. Mit dem Bau der modernen Verkehrswege, die Reichsstraße 1 Berlin–Königsberg und die Ostbahn durchquerten die Neumark, wurde auch die Voraussetzung für industrielle Ansiedelungen geschaffen. Sie waren hauptsächlich auf die Bedürfnisse der Landwirtschaft ausgerichtet und konzentrierten sich auf die beiden großen Städte Landsberg und Küstrin.

Literatur

  • Erich Blunck (Hg.): Die Kunstdenkmäler des Kreises Königsberg (Neumark). Geographisch geologische Übersicht / Die Stadt Königsberg / Die nördlichen Orte / Die Stadt Cüstrin / Sie südlichen Orte (Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg, 7 T. 1). Vossische Buchhandlung, Berlin 1927–1929.
  • Gerd Heinrich: Berlin und Brandenburg. Mit Neumark und Grenzmark Posen-Westpreußen (Kröners Taschenausgabe, 311). Alfred Kröner Verlag, Stuttgart ³1995, ISBN 3-520-31103-8. – Mit einigen Beiträgen von Johannes Schultze zu Orten der Neumark.
  • Jörg Lüderitz: Die Neumark entdecken. 3. Auflage. Berlin 2003, ISBN 3-89794-019-1.
  • Jörg Lüderitz (Hrsg): Neumärkisches Lesebuch. Landschaften und Menschen im östlichen Brandenburg. Berlin 2004, ISBN 3-89794-043-4.
  • Bernd Vogenbeck, Juliane Tomann, Ziemia Lubuska: Almanach Terra Transoderana. Zwischen Neumark und Ziemia Lubuska. Berlin 2008, ISBN 978-3-937233-50-5.
  • Veröffentlichungen des Vereins für Geschichte der Neumark.

Nachweise

  1. ↑ Jörg Lüderitz:Die Neumark: Durch die alte Kulturlandschaft östlich der Oder, Berlin 2008, ISBN 978-3-89794-122-9

 

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Länder der Böhmischen Krone

Als Länder der Böhmischen Krone (auch: Krone Böhmen; Böhmische Krone, Böhmische Kronländer, tschech. Česká koruna, země Koruny české, lat. Corona Bohemiae, Corona Regni Bohemiae) bezeichnet man die Gesamtheit der Länder, die mit dem Königreich Böhmen durch den gemeinsamen Herrscher sowie über Lehensbeziehungen miteinander verbunden waren. Der Begriff bezeichnet also nicht die materielle Krone, die dem König aufs Haupt gesetzt wurde (siehe dazu Wenzelskrone), vielmehr wird damit das entpersonalisierte, aus mehreren Gliedern entstandene böhmische Staatswesen benannt.

Übersicht

Im 12. und 13. Jahrhundert waren nur Böhmen, die Markgrafschaft Mähren und die Grafschaft Glatz auf Dauer miteinander verbunden. Unter den Luxemburger Königen Johann und Karl IV. kamen Schlesien, die Ober- und die Niederlausitz sowie eine Vielzahl von kleineren Reichslehen hinzu. Karl IV. verfügte, dass die Länderverbindung unabhängig von den dynastischen Entwicklungen Bestand haben sollte, auch dann, wenn die Luxemburger einmal aussterben sollten. Die förmliche Verbindung einzelner Territorien mit der Krone Böhmen bezeichnete man als Inkorporationen Das wurde auch unter den Habsburgern ab Ferdinand I. beibehalten, seitdem sie eine der drei Hauptgruppen der Habsburgermonarchie bildeten.

Die Böhmische Krone war weder eine bloße Personalunion noch eine Föderation gleichberechtigter Mitglieder. Stattdessen galten das Königreich Böhmen und seine Stände als Haupt, die anderen Länder als die Glieder. Während die Böhmen den Unterschied zwischen Hauptland und Nebenländern hervorhoben und neben der Führungsrolle im Inneren nach außen die Alleinvertretung des Staates beanspruchten, betonten Mährer, Schlesier und Lausitzer die politische Autonomie ihrer Länder, die sich schließlich freiwillig mit Böhmen vereinigt hätten. Die Führungsrolle Böhmens wurde von den Ständen der Nebenländer nicht grundsätzlich in Frage gestellt, wenngleich sie seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts beharrlich mehr Rechte, zum Beispiel die Beteiligung an der Königswahl, forderten.

Außer dem König verfügte die Böhmische Krone über keine gemeinsamen Staatsorgane, was in Krisenzeiten ein großer Nachteil war. Nur selten trafen sich die Stände aller Länder zu Generallandtagen. Lediglich die böhmische Hofkanzlei unter der Führung des Oberstkanzlers war für alle Länder der Krone zuständig. Obwohl kaum Institutionen vorhandenen waren, kam es vor allem im 16. Jahrhundert zu immer engeren politischen Verbindungen zwischen den Kronländern und zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges schien es, als könnte mit der Confoederatio Bohemica das politische System der Böhmischen Krone entscheidend modernisiert werden. Mit der Schlacht am Weißen Berg war dieses Verfassungsexperiment allerdings schnell beendet. In der Folgezeit verlor die Krone Böhmen als Staatskonstrukt innerhalb der frühneuzeitlichen Habsburgermonarchie immer stärker an Bedeutung. Schon 1635 waren im Prager Frieden die Lausitzen herausgelöst und an Sachsen gegeben worden. Im Frieden von Berlin (1742) musste Österreich den größten Teil Schlesiens und die Grafschaft Glatz an Preußen abtreten.

Literatur

  • Marie Bláhová, Jan Frolík, Naďa Profantová u.a. (Hrsg.): Velké dějiny zemí koruny české. Prag 1999 ff.
    • Bd. 1: Do roku 1197 (M. Bláhová)
    • Bd. 2: 1197-1250 (V. Vaníček)
    • Bd. 3: 1250-1310 (V. Vaníček)
    • Bde. 4A u. 4B: 1310-1402 (L. Bobková & M. Bartlová)
    • Bd. 5: 1402-1437 (P. Cornej)
    • Bd. 7: 1526-1618 (P. Vorel)
    • Bd. 10: 1740-1792 (P. Belina)
    • Fehlende Bände noch nicht erschienen
  • Joachim Bahlcke: Regionalismus und Staatsintegration im Widerstreit. Die Länder der böhmischen Krone im ersten Jahrhundert der Habsburgerherrschaft (1526-1619). (= Schriften des Bundesinstituts für Ostdeutsche Kultur und Geschichte 3), München 1994.

 

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Livländischer Krieg

Der Livländische Krieg von 1558 bis 1583, auch als Erster Nordischer Krieg bezeichnet, war der erste einer Reihe kriegerischer Konflikte zwischen Schweden, Polen, Dänemark und Russland um die Vorherrschaft im Ostseeraum.

Kriegsverlauf

Der Livländische Krieg begann 1558 mit dem Einmarsch russischer Truppen Iwans IV. in Livland. Russland kämpfte gegen Polen-Litauen, Dänemark und Schweden um die Herrschaft über das Baltikum. Die livländischen Städte an der Ostseeküste waren für Russland wegen des Handels mit Westeuropa von strategischer Bedeutung.

Der Krieg endete trotz anfänglicher russischer Siege gegen den Deutschen Orden für Russland erfolglos. Gotthard Kettler, der letzte Landmeister des Deutschen Ordens in Livland, schloss 1561 mit Sigismund II. Augustus ein Abkommen, durch das aus dem Ordensland das Herzogtum Kurland und Semgallen unter polnischer Lehnshoheit entstand.

1576/77 stieß Iwan IV. erneut ins Ostbaltikum vor und eroberte das von Schweden besetzte Estland und das von Polen besetzte Livland. Die Allianz zwischen Polen-Litauen und Schweden konnte die russischen Truppen jedoch zurückdrängen. Im Waffenstillstand von Jam Zapolski mit Polen-Litauen von 1582 verzichtete Iwan IV. auf Livland und Polozk, erhielt aber die von König Stephan Báthory zwischen 1579 und 1581 eroberten russischen Gebiete zurück, nachdem dieser die mehrmonatige erfolglose Belagerung von Pskow aufgegeben hatte. Estland wurde 1583 im Friedensvertrag von Pljussa der schwedischen Krone zugeschlagen.

Literatur

  • Norbert Angermann, Studien zur Livlandpolitik Ivan Groznyjs, Wiesbaden 1972.
  • Erich Donnert, Der livländische Ordensstaat und Rußland, Berlin 1963.
  • Werner Näf: Die Epochen der Deutschen Geschichte I. Staat und Staatsgemeinschaft vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart, München 1970.
  • Knud Rasmussen, Die livländische Krise 1554-1561, Kopenhagen 1973.

 

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Union von Lublin

Die Lubliner Union begründete 1569 die polnisch-litauische Adelsrepublik (auch Polen-Litauen oder Rzeczpospolita genannt), um durch Einführung der Wahlmonarchie die Nachfolge für den kinderlosen polnischen König Sigismund II. August, den letzten der Jagiellonen, zu regeln.

Vom 10. Januar bis zum 12. August 1569 tagte der von ihm einberufene Sejm in Lublin. Nach zahlreichen recht stürmischen Sitzungen wurde vom polnischen und litauischen Adel, in Anbetracht des absehbaren Erlöschens der Herrscherdynastie der Jagiellonen und der außenpolitischen Lage, die Umwandlung der bis dahin in Personalunion miteinander verbundenen Staaten, Königreich Polen, Großfürstentum Litauen und Königliches Preußen (nicht zu verwechseln mit dem Herzogtum Preußen, ab 1701 Königreich Preußen), in einen einheitlichen Staat (Realunion) beschlossen: in die Adelsrepublik – mit einheitlicher Gesetzgebung, Amtssprache (Polnisch und Latein) und Währung sowie einem Parlament (Sejm) und Monarchen. Gewisse Privilegien sicherten sich jedoch sowohl Litauen als auch das königliche Preußen.

Eingeführt wurde die Wahlmonarchie, fortan lag die Macht im Staat zum überwiegenden Teil in den Händen des polnischen Adels und Hochadels sowie einiger litauischer Magnaten, die sich jedoch mit der Zeit polonisierten. Zu den im Sejm vertretenen freien Städten gehörten auch Danzig, das seine Machtposition als mit Abstand wichtigster Hafen des Landes auskostete, sowie Thorn und Elbing.

In der Adelsrepublik wurde der größere polnische Landesteil im Allgemeinen die Krone (Korona) genannt, während der kleinere, litauische Teil Litauen (Litwa) hieß. Die bis dahin in Litauen geltende Amtssprache, das Ruthenische, wurde in manchen Domänen immer mehr vom Polnischen verdrängt.

 

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Union von Wilna

Die Union von Wilna war ein Vertrag vom 28. November 1561 zwischen dem Landmeister des Deutschen Ordens in Livland, Gotthard Kettler und Sigismund II. August, dem König von Polen, Großfürst von Litauen, der die Liquidation des Deutschen Ordens in Livland und dessen Aufgehen im polnisch-litauischen Staat zur Folge hatte.

Vorgeschichte

1558 hatte das Zarentum Russland unter Iwan dem Schrecklichen den Livländischen Krieg begonnen. Die Livländische Konföderation konnte dem Ansturm der Russen wenig entgegensetzen, Teile Livlands wurden erobert und langfristig besetzt gehalten. Zum Schutz vor weiteren Angriffen unterstellte sich in der Folge die Konföderation der Lehenshoheit verschiedener Mächte im Ostseeraum. Deren Ambitionen hingegen bezogen sich auf Verbesserungen ihrer strategischen Positionen gegenüber Russland sowie einen Ausbau ihrer Stützpunkte im Ostseeraum. Auch die materiellen Ressourcen Livlands stellten einen Anreiz dar.

Das Königreich Dänemark kaufte 1560 das Gebiet der Bistümer Kurland in Pilten und Ösel-Wiek in Arensburg vom Bischof Johann von Münchhausen, der der Lehre Luthers anhing. Das Königreich Schweden übernahm 1561 das heutige nördliche Estland mit Reval. Der größte Teil aber fiel mit dem livländischen Kernland und dem südlichen Wiek an Polen-Litauen. Ebenso schlossen sich die Ordensgebiete westlich und südlich der Düna als Herzogtum Kurland und Semgallen der Krone Polen-Litauens als Vasallenstaat an.

Die Union

Der Vertrag setzte sich aus dem Privilegium Sigismundi Augusti und der Pacta Subiectionis zusammen. Das „Privilegium Sigismundi Augusti“ bezog sich auf die Stände, vor allem den Adel, in Livland. Für das Herzogtum Kurland und Semgallen gab es die „Pacta Subiectionis“, die diese Privilegien garantierte und zudem das Verhältnis des Adels zum Herzog und beider Verhältnis zum König von Polen und zum polnisch-litauischen Reichstag regelte.

Kraft dieses Vertrages wurde der Deutsche Orden und mit ihm die gesamte Livländische Konföderation aufgelöst und säkularisiert, während Kurland mit Semgallen zum „Herzogtum Kurland und Semgallen“ verschmolzen, das Kettler als protestantischer Erbherzog vom polnischen König zu Lehen nahm. Die Hansestadt Riga mit dem Rest Livlands wurden als „Herzogtum jenseits der Düna“ (lat. Ducatus Ultradunensis) dem Staat Polen-Litauen direkt einverleibt und alsbald in From von drei Wojewodschaften mit Hauptsitzen in Pernau, Wenden und Dorpat administrativ verwaltet.

Die Union von Wilna begünstigte den Ausbruch des Dreikronenkrieges 1563.

 

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Polnisch - Schwedischer Krieg (1600 – 1629)

(Weitergeleitet von Schwedisch-Polnische Kriege 1600–1629)

Die Schwedisch-Polnischen Kriege von 1600 bis 1629[1] waren ein militärischer Konflikt zwischen dem Königreich Schweden und dem Königreich Polen, bei dem es um Erbfolgeansprüche und die Vorherrschaft im Ostseeraum ging. Sie gehören zu einer ganzen Reihe Nordischer Kriege. Mit mehreren Unterbrechungen zog sich der Krieg über fast 30 Jahre hin. Die Auseinandersetzungen fanden zum Teil parallel, jedoch weitgehend unabhängig vom Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) statt.

Ursprünge des Konflikts: die Thronansprüche Sigismund Wasas

Im Jahr 1587 wurde Sigismund Wasa nach dem Tod des bisherigen polnischen Königs Stephan Báthory durch die polnisch-litauische Adelsversammlung zum König von Polen gewählt. Er bestieg unter dem Namen Sigismund III. Wasa (poln. Zygmunt III Waza, litauisch Zigmantas Vaza) den polnischen Thron. Gegenkandidat bei der Wahl war der Habsburger Erzherzog Maximilian, der allerdings militärisch mit seinen Anhängern in der Schlacht von Byczyna 1588 den von Jan Zamoyski geführten Truppen unterlag, in Gefangenschaft geriet und daraufhin auf seine Thronansprüche verzichtete. Sigismund war der Sohn des schwedischen Königs Johann III. und dessen Frau Katharina Jagiellonica, die eine polnisch-litauische Prinzessin aus dem Adelsgeschlecht der Jagiellonen und die Tochter König Sigismund I. von Polen (* 1467; † 1548) war. Vor allem unter dem Einfluss der Mutter wurde Sigismund katholisch erzogen. Schon bei seiner Thronbesteigung in Polen war klar, dass er nach dem Tod seines Vaters auch den schwedischen Thron besteigen würde. Die Perspektive eines katholischen Königs im mittlerweile rein evangelisch-lutherischen Schweden löste in führenden politischen Kreisen Schwedens Unruhe aus. Sigismund unterzeichnete daher nach seiner Thronbesteigung in Polen die Artikel von Kalmar, die das zukünftige Verhältnis zwischen Polen und Schweden regeln sollten.

Darin wurde die Unabhängigkeit beider Königreiche voneinander festgeschrieben. Dem protestantischen Schweden wurde Religionsfreiheit garantiert. Nach dem Tod seines Vaters wurde Sigismund Wasa 1594 auch zum König von Schweden gekrönt, so dass beide Königreiche in Personalunion vereinigt wurden. Sigismund residierte jedoch weiter in der polnischen Hauptstadt Krakau und versuchte Schweden von dort aus zu regieren. Vier Jahre später kam es zu einer Rebellion seiner Gegner in Schweden unter Führung seines protestantischen Onkels Karl, des Herzogs von Södermanland. Sigismund wurde vorgeworfen, sich nicht an seine früheren Versprechen zu halten, insgeheim die Gegenreformation in Schweden zu fördern und die Selbständigkeit Schwedens einzuschränken. Sigismund landete daraufhin mit einer mehrere 1000 Mann starken Söldnertruppe an der schwedischen Küste in Kalmar, um seine Thronrechte zu verteidigen.

Nach anfänglichen Erfolgen erlitt er jedoch in der Schlacht von Stångebro am 25. September 1598 eine Niederlage und sah sich gezwungen, Schweden wieder zu verlassen. Er wurde danach durch den schwedischen Reichstag seiner Thronrechte verlustig erklärt. Sein protestantischer Onkel Karl, der Anführer der Rebellion, wurde zunächst Reichsverweser und bestieg als Karl IX. im Jahr 1604 den schwedischen Thron. Offiziell gab Sigismund Wasa den Anspruch auf die schwedische Krone jedoch nie auf und nannte sich weiterhin „König von Polen und Schweden“.

Kriegsausbruch und Kriegsverlauf 1600–1609

Während Sigismund seine schwedischen Thronansprüche im wesentlichen auf angeworbene ausländische Söldnerheere stützen musste und so gut wie keine polnischen Truppen in die schwedischen Thronstreitigkeiten involviert waren, kam es in der Folge zum offenen Kriegsausbruch zwischen beiden Ländern. Anlass war der Anspruch König Sigismunds auf das unter schwedischer Herrschaft stehende Estland. Schon in den Verhandlungen vor der Thronbesteigung Sigismunds in Polen war im Gespräch gewesen, ob das schwedische Estland gewissermaßen als Preis für die Erlangung der polnischen Königskrone an Polen-Litauen übergeben werden sollte. Dies wurde jedoch von allen politischen Kreisen Schwedens, insbesondere von König Johann III. entschieden abgelehnt, so dass dies auch nicht vertraglich fixiert wurde.

Nach dem Verlust der schwedischen Krone gelang es König Sigismund, die führenden Adelskreise Polen-Litauens für einen Feldzug nach Estland zu gewinnen. Die Schweden kamen jedoch dem polnisch-litauischen Angriff zuvor und gingen selbst in die Offensive. Im Verlauf des Jahres 1600 drangen von Estland aus schwedische Truppen unter der Führung Herzog Karls nach Livland ein und besetzten die Städte Dorpat und Pernau. Die Schweden drangen bis zur Düna vor und begannen mit der Belagerung der Burg Kokenhusen etwa 100 km östlich von Riga. Den direkten Angriff auf das stark befestigte Riga wagte Herzog Karl jedoch nicht. Angesichts der schwedischen Erfolge bewilligte der Sejm die Geldmittel für die Aufstellung einer Armee von etwa 20.000 Mann. Unter der Führung des Großhetmans von Litauen Krzysztof Radziwiłł rückte diese Streitmacht nach Livland vor.

Am 23. Juni 1601 kam es zur Schlacht bei Kokenhusen, die für die polnisch-litauische Armee siegreich verlief. Die Schweden mussten sich wieder weitgehend aus Livland zurückziehen und den größten Teil ihrer Eroberungen aufgeben. Auch in der Schlacht bei Weissenstein am 15. September 1604 blieb das polnisch-litauische Heer unter Hetman Jan Karol Chodkiewicz siegreich. Der schwedische Reichstag bewilligte daraufhin Gelder für militärische Verstärkungen. Im Jahr 1605 landete eine etwa 5000 Mann starke schwedische Armee unter Anders Lennartsson in Estland und marschierte auf Riga mit dem Ziel, diesen bedeutenden Ostseehafen einzunehmen. In der Schlacht bei Kirchholm am 27. September 1605 wurde die vereinigte schwedische Streitmacht unter dem Oberkommando König Karls IX. jedoch von der zahlenmäßig unterlegenen polnisch-litauischen Armee unter dem Kommando von Chodkiewicz geschlagen. In der Folgezeit gelang es jedoch den Polen nicht, ihre militärischen Erfolge dauerhaft zu nutzen. Aufgrund ausstehender Soldzahlungen löste sich das Heer Chodkiewiczs wieder weitgehend auf und Polen wurde durch innere Unruhen geschwächt (u.a. durch den Zebrzydowski-Aufstand 1605–09 gegen König Sigismund). Außerdem brach 1609 der Krieg zwischen Polen und Russland aus. Im Jahr 1611 wurde schließlich ein Waffenstillstand zwischen Schweden und Polen abgeschlossen, der im wesentlichen den Besitzstand vor dem Krieg festschrieb.

Erneute Kriegshandlungen 1617–1618

Im Jahr 1611 bestieg Gustav II. Adolf nach dem Tod seines Vaters König Karls IX. den schwedischen Thron. Schon unter seinem Vater hatte Schweden militärisch in die russischen Wirren im Ingermanländischen Krieg eingegriffen und unter anderem vorübergehend die Städte Nowgorod und Pskow (Pleskau) besetzt. Im Frieden von Stolbowo 1617 trat Russland die Stadt Schlüsselburg sowie den größten Teil der historischen Provinz Ingermanland an Schweden ab.

In den Jahren 1617 und 1618 kam es erneut zum Ausbruch der Kampfhandlungen zwischen Schweden und Polen-Litauen in Livland, die mit geringen Landgewinnen der Schweden in Livland endeten.

Der Konflikt 1621–1625

Der vorangegangene Waffenstillstand zwischen Schweden und Polen lief im November 1620 aus, woraufhin die Schweden unter Gustav II. Adolf erneut in die Offensive gingen. Im Jahr 1621 gelang es den Schweden, Riga einzunehmen. Polen konnte nicht seine ganzen Kräfte zum Einsatz bringen, da es sich im Krieg mit dem Osmanischen Reich befand. Im Vertrag von Mitau vom 1. März 1625 wurde erneut ein Waffenstillstand für drei Jahre abgeschlossen.

Der Krieg von 1626–1629

Nach dem Auslaufen des Waffenstillstandes ergriffen die Schweden unter Gustav II. Adolf erneut die militärische Initiative und eine schwedische Invasionsflotte landete an der Küste des unter polnischer Lehnshoheit stehenden Herzogtums Preußen, wo sie auf wenig wesentlichen Widerstand traf, da Kurfürst Georg Wilhelm von Brandenburg, der seit 1620 auch Herzog in Preußen war, der Schwager Gustav II. Adolfs war. Die Einnahme der unter polnischer Oberhoheit stehenden, aber weitgehend autonomen großen Hanse- und Hafenstadt Danzig gelang allerdings nicht. Im Dezember 1626 erlitten die polnisch-litauischen Truppen in Livland bei Kokenhusen eine empfindliche Niederlage. Im Seegefecht bei Oliva vor Danzig am 28. November 1627 konnte eine Danziger Flottille einen Sieg über die schwedische Flotte erringen. In der Schlacht bei Górzno am 2. Februar 1629 erlitten die polnischen Truppen jedoch eine Niederlage.

Am 26. Oktober 1629 wurde schließlich der Waffenstillstand von Altmark für sechs Jahre abgeschlossen. Der Vertrag garantierte Schweden den Besitz des größten Teils von Livland einschließlich der Stadt Riga. Außerdem erhielt Schweden die Kontrolle über die preußischen Städte Elbing, Memel, Fischhausen, Braunsberg und Frauenburg zugesprochen. Die Waffenruhe mit Polen und die erheblichen Einkünfte aus den Seezöllen der Städte Riga, Memel, Elbing und Fischhausen erlaubten es König Gustav II. Adolf im folgenden Jahr mit einem schwedischen Heer an der Küste Pommerns zu landen und auf Seiten der bedrängten Protestanten in den Dreißigjährigen Krieg in Deutschland einzugreifen.

Literatur

  • Robert I. Frost: The Northern Wars − War, State and Society in Northeastern Europe, 1558–1721, Longman Publishings, London/ New York 2000, ISBN 0-582-06429-5
  • Gert von Pistohlkors: Deutsche Geschichte im Osten Europas: Baltische Länder, Siedler Verlag, 2002. ISBN 3-88680-774-6
  • Klaus Zernack: Das Zeitalter der Nordischen Kriege als frühneuzeitliche Geschichtsepoche, in: Zeitschrift für historische Forschung, Nr. 1 (1974), S. 54–79.

Einzelnachweise

  1. ↑ Ralph Tuchtenhagen: Geschichte der baltischen Länder, München 2005, ISBN 3-406-50855-3, S. 36.

 

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Osmanisch-Polnischer Krieg 1620-1621

Der Osmanisch-Polnische Krieg 1620–1621 wurde zwischen dem Osmanischen Reich und Polen-Litauen um die Herrschaft über die Donaufürstentümer, vor allem das Fürstentum Moldau geführt. Beide Seiten erhoben den Anspruch der „Schutzherrschaft“ über die Donaufürstentümer. Der Krieg begann 1620[3] und endete 1621 im Vertrag von Chocim, in dem die Polen und Litauer ihre Ansprüche auf die Donaufürstentümer aufgaben. Er war die einzige direkte bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Polen-Litauen und dem Osmanischen Reich zwischen 1498 und 1672.[4]

Hintergrund

Zwischen Polen-Litauen und dem Osmanischen Reich, die das 16. Jahrhundert hindurch in zumeist friedlichem, wenn nicht sogar recht freundlichem Verkehr gestanden hatten, kam es ab etwa 1600 aus drei Gründen zu Zerwürfnissen:

Zum einen hatten sich polnische Magnaten mit Billigung des polnischen Königs vermehrt in die inneren Angelegenheiten der osmanischen Vasallenstaaten und namentlich des Fürstentums Moldau eingemischt, um dem ihnen genehmen Bojarengeschlecht Mohyła (rum. Movilă) den dortigen Gospodarenthron zu sichern. So hatte der Großhetman der polnischen Krone Stanisław Żółkiewski seit 1615 einen regelrechten Privatkrieg auf dem Gebiet des Fürstentums geführt, der am 22. November 1617 mit dem Vertrag von Busza am Dnister beendet wurde.

Hinzu kamen wechselseitige Überfälle der Krimtataren und der Nogaier-Horde, die den osmanischen Sultan als ihren Suzerän anerkannten, auf der einen Seite und der formell der polnischen Krone unterstehenden Saporoscher Kosaken auf der anderen. Diese waren bei ihren Raubzügen wiederholt bis weit in die Gebiete des Osmanenreiches vorgedrungen und hatten unter anderem 1614 Sinop und 1615 das Ufer des Bosporus gebrandschatzt.

Drittens ging es um die Feldzüge, die der protestantische Fürst Gábor Bethlen von Siebenbürgen mit einer Streitmacht aus 30.000 Mann[5] seit 1619 gegen die Herrschaft der Habsburger im Königlichen Ungarn und ihre dortige Rekatholisierungspolitik führte. Dabei hatte er geschickt die Schwierigkeiten genutzt, die der Kaiser Ferdinand II. mit dem beginnenden Dreißigjähriger Krieg hatte, und drang bis nach Wien vor. Sein Schwager König Sigismund III. Wasa, der ebenfalls katholisch war, hatte zur Unterstützung der katholischen Sache 8.000[5] bis 10.000[6] Söldner gegen die Protestanten geschickt. Diese so genannten „Lisowczycy“ (ihren Rufnamen erhielten sie nach dem Familiennamen ihres ersten Kommandeurs, der Lisowski hieß) wurden von Walenty Rogowski[5] bzw. Hieronim Kleczkowski[6] kommandiert und besiegten das siebenbürgische Aufgebot unter Rákóczi György am 21. November 1619 in der Schlacht von Humenné[7] (bei Humenné, einer slowakischen Stadt, damals Oberungarn) und zwang Bethlen so, seine Belagerung Wiens abzubrechen. Am 16. Januar 1620 schloss dieser in Bratislava einen Waffenstillstand mit den Habsburgern, der indes nur von kurzer Dauer war. Das Eingreifen der polnischen Söldner veranlasste Bethlen bei seinem Suzerän, dem osmanischen Sultan, um militärischen Beistand gegen den polnischen König zu bitten.

Währenddessen wechselte der Gospodar der Moldau, Gaspar Gratiani, die Seiten, verbündete sich mit Polen und stellte sich offen gegen seinen ehemaligen Lehnsherren. Der erst siebzehnjährige Sultan Osman II. sandte daraufhin eine Armee aus bis zu 22.000 türkischen und tatarischen Soldaten unter dem Kommando von Iskander Paşa und Khan Temir in die Donaufürstentümer. Der polnische Hof machte sich nun große Sorgen über die sich abzeichnende protestantisch-türkische Zusammenarbeit. Dennoch konnte der Sejm nicht dazu bewogen werden, eine vergleichbar große Streitmacht aufzustellen, da die Szlachta ihm in dieser Frage die Unterstützung verweigerten, auch weil ein Großteil des Adels den Protestantismus unterstützte. Daher wurde unter Führung des über siebzigjährigen Żółkiewski ein eher kleines Heer von bis zu 8.000 Mann [8] aufgestellt, das zum Teil von den interessierten Magnaten privat finanziert worden war.

Der Feldzug von 1620

Am 10. September stieß die polnische Armee bei Cecora (heute Ţuţora im Kreis Iaşi in Rumänien) in der Nähe des Flusses Pruth auf osmanische und tartarische Streitkräfte, die Gábor Bethlen im Kampf gegen die Habsburger unterstützen sollten. Angesichts ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit wagten die Polen keinen Angriff und begaben sich in Verteidigungsstellung. Mit einem überraschenden Angriff der Tartaren am 17. September, bei dem zahlreiche Gefangene gemacht wurden, begann eine mehrtägige Schlacht, die sich bis zum 7. Oktober hinziehen sollte. Angesichts der deutlichen zahlenmäßigen Überlegenheit des osmanischen Heeres wechselten die meisten moldauischen Soldaten (ohnehin waren statt der von Gratiani versprochenen 25.000 Mann nicht einmal 1000 im Lager der Polen erschienen[8][9]) die Seite und attackierten nun die polnische Streitmacht. Obwohl sich bereits zum 19. September eine Niederlage der Polen abzeichnete, war Koniecpolski bemüht, die Schlachtordnung aufrecht zu erhalten und so den Zusammenbruch seines Heeres zu verhindern.

Nachdem Żółkiewski den Rückzug befohlen hatte, gelang am 29. September der Durchbruch durch die türkischen Reihen. Zahlreiche Attacken der Nogaier-Tataren unter ihrem Khan Temir und der Janitscharen, denen das polnische Heer in den Tagen danach ausgesetzt war, konnten zwar abgewehrt werden, doch es zeigten sich zunehmend Auflösungserscheinungen. Ein gewaltiger türkischer Angriff am 6. Oktober hatte schließlich zur Folge, dass die meisten Magnaten und Adligen gemeinsam mit der Kavallerie flohen und Infanterie und Tross im Stich ließen. Ihre Desertion führte dazu, dass das polnische Heer fast vollständig aufgerieben wurde. Die Mehrheit der polnischen Soldaten wurde getötet oder geriet in Gefangenschaft. Zu den Gefangenen zählten auch Stanisław Koniecpolski, der Schwiegersohn des kommandierenden Großhetmans, und Bohdan Chmelnyzkyj, der spätere Anführer des Großen Kosakenaufstands 1648–1654. Żółkiewski selbst fiel, seinen Kopf sandten die Türken im Triumph nach Istanbul. Nur wenigen gelang die Flucht über den Dnister, darunter auch Gratiani, der aber kurz darauf von moldauischen Bojaren aus Furcht vor Repressalien der Türken ermordet wurde. Der Wintereinbruch verhinderte eine unmittelbare Fortsetzung des erfolgreichen osmanischen Feldzugs.

Der Feldzug von 1621

Die Katastrophe von Cecora motivierte den Sejm, seinen Widerstand gegen die Militärpläne des Königs und der Magnaten aufzugeben. Im Dezember 1620 bewilligte das Adelsparlament die Mittel für eine Armee von bis zu 40.000 Mann[8] für den nötigen Abwehrkampf, ohne den die Ukraine einem militärischen Zugriff der Türken schutzlos offengestanden hätte. Es kamen je nach Quelle zwischen 32.510[1] und 35.105 Mann [10] zusammen, die dem Kommando des Kronprinzen Władysław Wasa und des litauischen Großhetmans Jan Karol Chodkiewicz unterstanden. Anders als im Jahr zuvor beteiligten sich auch die Saporoger Kosaken unter ihrem Ataman Petro Konaschewitsch-Sahajdatschny mit bis zu 40.000 Kämpfern[11][9][1] am Krieg. Der britische Historiker Norman Davies schätzt, dass auf polnisch-litauischer Seite insgesamt 65.000 Mann standen.[4] Am 20. August 1621 überquerte diese Streitmacht den Dnister und errichtete bei Chocim (heute Khotyn im Oblast Tscherniwzi in der Ukraine) ein befestigtes Lager. Die Stadt und die Festung selbst waren erst 1620 von den Türken zurückerobert worden. Kurz darauf traf dort eine osmanische Streitmacht ein, die aus bis zu 150.000 Janitscharen, Tataren, Moldauern und Walachen bestand und die Sultan Osman II. persönlich kommandierte, gefolgt von einem Tross von bis zu 100.000 Mann. Die Armee des Osmanischen Reiches überstieg das polnisch-kosakische Heer zahlenmäßig um den Faktor Drei.[9] Die Türken unternahmen mehrere Sturmangriffe auf das Lager, dessen Befestigungsarbeiten noch nicht abgeschlossen waren. Da diese abgeschlagen wurden, belagerten sie das Lager fünf Wochen lang und drangen über eine rasch gebaute Brücke nach Podolien vor, um den polnisch-litauischen Nachschub aus der Festung Kamieniec Podolski abzuschneiden. Der Legende nach soll es am Ende im Lager von Chocim nur noch ein einziges Fass Schießpulver gegeben haben. Zwei der polnisch-litauischen Kommandeure fielen: Ataman Konaschewitsch-Sahajdatschny wurde so schwer verletzt, dass er ein halbes Jahr später seinen Wunden erlag, Hetman Chodkiewicz starb am 24. September im Lager von Chocim. Ihm folgte Stanisław Lubomirski als Regimentarz nach, dem es gelang, die Moral der Eingeschlossenen gegen die Übermacht der türkischen Belagerer aufrechtzuerhalten. Weil die Janitscharen schließlich bei einem weiteren Sturm auf das Lager den Gehorsam verweigerten, brach Sultan Osman II. am 28. September die Belagerung ab.

Waffenstillstand und Frieden

Am 9. Oktober 1621 schlossen Sultan Osman II. und Kronprinz Władysław in Chocim einen Friedensvertrag,[12] der den Status quo ante bellum wiederherstellte, und im Wesentlichen die Bestimmungen 1617 geschlossenen Vertrags von Busza wiederholte: Der Dnister wurde als Grenze zwischen beiden Reichen bekräftigt, Polen-Litauen verzichtete auf weitere Einmischungen in die inneren Angelegenheiten der Donaufürstentümer und verpflichtete sich, Khan Temir jährlich ein „Geschenk“ zu zahlen. Dafür versprachen die Tataren, auf ihre regelmäßigen Überfälle zu verzichten, und Polen-Litauen erhielt das Recht, einen ständigen Gesandten bei der Hohen Pforte zu unterhalten.

Folgen

Der Vertrag brachte keinen Frieden. Zwar war Polen-Litauen versprochen worden, dass die Tatarenüberfälle aufhören würden, doch wurden allein in den Jahren 1622 bis 1629 neunzehn weitere Raubzüge der Nogaier-Horde gezählt. Die kriegerischen Auseinandersetzungen Polens mit den türkischen Sultanen setzten sich auch in den nächsten Jahrzehnten fort, so im Osmanisch-Polnischen Krieg 1672–1676 und im Osmanisch-Polnischen Krieg 1683–1699. Erst mit dem Frieden von Karlowitz 1699 beendete Polen endgültig seine Auseinandersetzungen mit dem südlichen Nachbarn.

Für Osman II. leitete der Feldzug das Ende seiner Herrschaft ein. Als er nach der Meuterei der Janitscharen vor Chocim darüber nachdachte, gegen diese notorisch eigensinnige Eliteeinheit eine Truppe aus ihm loyalen Arabern aufzustellen, kam dies den Janitscharen zu Ohren, die ihn daraufhin ermordeten und seinen geistig behinderten Onkel Mustafa I. zum zweiten Mal als zwar offenkundig unfähigen, aber lenkbaren Sultan installierten.

Rezeption

Der Sieg von Chocim wurde in ganz Europa bejubelt: Seit der Seeschlacht von Lepanto 1571 war erstmals auch zu Lande dem Osmanischen Reich Einhalt geboten worden. Papst Gregor XV. beschloss ein mehrtägiges Dankfest, und in Heldenliedern und Gemälden wurde der polnisch-litauische Sieg noch lange verherrlicht.

Jakub Sobieski (1590–1646), der Vater des späteren polnischen Königs Johann III. Sobieski, verfasste einen ausführlichen Bericht über seine Erlebnisse während der Schlacht bei Chocim auf Latein. Diese „Commentariorum chotinensis belli libri tres“ wurden 1646 in Danzig veröffentlicht und fanden weite Verbreitung auch über Polen hinaus. Der Barockdichter Wacław Potocki (1621–1696) verwendete sie als eine Hauptquelle für sein zehnteiliges Heldengedicht Wojna chocimska (Der Krieg von Chocim), das um 1670 entstand. Darin bietet Potocki eine historisch einigermaßen zuverlässige, gereimte Chronik der Belagerung, vermischt diese aber mit einer Idolisierung des Großhetmans Chodkiewicz, in dem er „ein letztes Mal das Ideal des christlichen Ritters aufleuchten“ sah. Diese wird unterbrochen durch zahlreiche Sottisen, Pasquills und Satiren auf die Magnaten-Oligarchie seiner Gegenwart, die nach Potockis Meinung am Verfall der Rzeczpospolita Schuld hatte, was die Komposition des Werks chaotisch-amorph erscheinen lässt.[13] Dennoch gilt die Wojna chocimska als „das wohl gefeiertste epische Gedicht in der polnischen Literatur“.[4]

Auch in der Malerei wurde die Schlacht von Chocim wiederholt dargestellt. Der niederländische Maler Jan van Huchtenburgh († 1733), der im frühen 18. Jahrhundert die Balkanfeldzüge des Prinzen Eugen begleitet und in großformatigen Tableaus verherrlicht hatte, malte auch eine Schlacht bei Chocim, die er in derselben Tradition einer Verteidigung des christlichen Abendlandes gegen die Türkengefahr sah. In ganz anderer Absicht setzte sich der polnische Historienmaler Józef Brandt († 1915) mit dem ersten Osmanisch-Polnischen Krieg auseinander: Für ihn war dieser Krieg ein Beweis dafür, dass sein Vaterland, auch wenn es in der Zeit der Teilung 1795-1918 keinen souveränen Staat bilden durfte, den Teilungsmächten seiner Zeit Preußen, Österreich und Russland mindestens gleichwertig, wenn nicht überlegen war, da es sie vor dem weiteren Vordringen der Türken gerettet hatte.

Einzelnachweise

  1. ↑ a b c Józef Szujski: Dzieje Polski podług ostatnich badań, Bd. 3, Lwów 1866, S. 218
  2. ↑ Léonard Chodźko: Histoire populaire de la Pologne, Collection Georges Barba, Paris 1864, S. 152
  3. ↑ Serhii Plokhy: The Cossacks and Religion in Early Modern Ukraine, Oxford University Press, 2002, S. 34
  4. ↑ a b c Norman Davies: God's Playground. A History of Poland in Two Volumes, Bd. 1: The Origins to 1795, Oxford University Press, 2005, S. 347
  5. ↑ a b c Tomasz Święcki, Kazimierz Józef Turowski: Opis starożytnej Polski, Bd. 1, Krakau 1861, S. 193
  6. ↑ a b Paweł Jasienica: Rzeczpospolita Obojga Narodów, Srebrny wiek, Bd. 1, S. 331
  7. ↑ Henryk Wisner: Die Adelsrepublik und der Dreißigjährige Krieg, in: Heinz Duchhardt und Eva Ortlieb (Hrsg.), Der Westfälische Friede. Diplomatie, politische Zäsur, kulturelles Umfeld, Ideengeschichte, Oldenbourg Verlag, München 1998, S. 410
  8. ↑ a b c Simon Millar und Peter Dennis: Vienna 1683. Christian Europe Repels the Ottomans, Osprey Publishing, Oxford 2008, S. 8
  9. ↑ a b c Stephen R. Turnbull: The Ottoman Empire 1326-1699, Osprey Publishing, Oxford 2003, S. 84
  10. ↑ Leszek Podhorodecki: Chocim 1621, 1988, S. 16
  11. ↑ Serhii Plokhy: The Cossacks and religion in early modern Ukraine, S. 35
  12. ↑ Léonard Chodźko: Histoire populaire de la Pologne, S. 152
  13. ↑ Ernst J. Krywon: Wojna chocimska, in: „Kindlers Literatur Lexikon“, Kindler Verlag, Zürich 1964, Bd. 12, S. 10263

Literatur

  • Carl Brockelmann: Geschichte der islamischen Völker und Staaten, Georg Olms Verlag, Hildesheim, Zürich, New York 1977 (=Reprint der ersten Ausgabe von 1939)
  • Norman Davies, God's Playground. A History of Poland, Bd. 1: The Origins to 1795, Oxford University Press, Oxford 1981
  • Josef Engel (Hrsg.): Die Entstehung des neuzeitlichen Europa (=Handbuch der europäischen Geschichte, hrsg. v. Theodor Schieder, Bd. 3),Union Verlag, Stuttgart 1971
  • Simon Millar und Peter Dennis: Vienna 1683. Christian Europe Repels the Ottomans, Osprey Publishing, Oxford 2008
  • Stanford Jay Shaw und Ezel Kural Shaw: History of the Ottoman Empire and Modern Turkey. The Rise and Decline of the Ottoman Empire 1280-1808, Cambridge University Press 1976

 

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Osmanisch-Polnischer Krieg 1633-1634

Der Osmanisch-Polnische Krieg 1633–1634 war ein kleinerer militärischer Konflikt zwischen Truppen des türkischen Pascha von Widin, Abaza Mehmed Paşa, auf der einen Seite und polnisch-litauischen Einheiten, die unter dem persönlichen Kommando von Hetman Stanisław Koniecpolski standen. Eine förmliche Verletzung des Friedenszustands zwischen der polnisch-litauischen Adelsrepublik und dem Osmanischen Reich war damit nicht verbunden.[1]

Der Hintergrund

Der türkische Pascha von Widin, Abaza Mehmed Paşa, ein ehemaliger ruthenischer Sklave, war Beylerbey der osmanischen Provinz Silistrien im heutigen Bulgarien. Nach dem Tod des polnischen Königs Sigismund III. Wasa, brach der russische Zar Michael I. den Waffenstillstand von Deulino und begann einen Krieg gegen Polen-Litauen, den Russisch–Polnischen Krieg 1632–1634. Abaza mobilisierte auf Bitten des Zaren[2] hin türkische Truppen aus Silistrien, die er durch weitere Vasallen der Hohen Pforte, die Moldauer, Walachen und die Horde der Nogaier-Tataren aus dem Jedisan und Budschak verstärkte.

Der Feldzug von 1633

Um den 29. Juni 1633 verheerte ein ungefähr 1000 Mann starker Kampfverband der Nogaier-Tataren aus dem Budschak die Gegend um Kamieniec Podolski, einer wichtigen Stadt und starken Festung in der Region Podolien. Ob sie dies aus eigener Initiative taten oder ob sie auf Anweisung von Abaza als Späher geschickt wurden, ist unbekannt. Nach zwei Tagen kehrten die Tataren auf das Gebiet des Fürstentums Moldau, eines Vasallenfürstentums des Osmanischen Reiches, mit ihrer Beute und den Gefangenen (Jasyr) zurück.

Koniecpolski, der sich gerade in Bar aufhielt, nahm sofort mit 2.000 Mann Kavallerie die Verfolgung auf, als die Nachrichten über den Tatarenangriff ihn erreichten. Koniecpolski überquerte den polnisch-osmanischen Grenzfluss Dnister, und gelangte, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, in das moldauische Gebiet des Osmanischen Reiches, das wenige Jahrzehnte zuvor das Aufmarschgebiet eines vorhergehenden Krieges zwischen dem Osmanischen Reich und Polen-Litauen gewesen war. Indem die Tataren sich auf dem Gebiet Moldaus in Sicherheit wähnten und ihr Tempo verlangsamten, konnten sie Koniecpolski und seine Reitern am 4. Juli 1633 nahe Sasowy Róg am Fluss Prut stellen. Die Polen töteten viele Gegner, andere nahmen sie gefangen, der Rest zerstreute sich. Unter den Gefangenen waren einige hohe Vertreter der nogaischen Obrigkeit, so der Schwiegersohn von Khan Temir (Kantymir), der ein Anführer der Nogaier-Horde im Budschak war. Die meiste Beute der Tataren gewann der polnische Feldherr zurück.

Koniecpolski, der ein umfangreiches Spionagenetz in der Region hatte und im Süden Polens für die Außenpolitik die Verantwortung trug, kannte vermutlich die gegen Polen zielende Kriegspläne von Abaza Paşa. Er kehrte auf das linke Ufer des Dnister zurück und baute ein Kriegslager nahe Kamieniec Podolski. Anschließend rief er nach Verstärkung seiner Truppe, die bis zu 3.000 Mann stark war. Es kamen ungefähr 8.000 Mann zusammen, bestehend aus Kosaken und privaten Verbänden regionaler Magnaten. Abaza begann seinen Marsch in der zweiten Hälfte des September mit 30.000 Mann türkisch-osmanischer Truppen und 10.000 Mann aus der Walachei und der Moldau. Zu ihm stieß ein 15.000 Mann starker Kampfverband der Nogaier-Tataren aus dem Jedisan und Budschak, der durch Kantymir angeführt wurde. Mitte Oktober war er nahe Chotyn und kannte die Vorbereitungen Koniecpolskis. Abaza spielte die diplomatische Karte, um Koniecpolski auszumanöverieren. Er entschied sich seine Pläne zu beschleunigen, indem er den Dnister überquerte. Kantymir begann seine Angriffe am 20. Oktober auf das Kriegslager Koniecpolskis. Am 22. Oktober griff dann Abaza mit all seiner Streitmacht persönlich in das Kriegsgeschehen ein. Seiner Armee gelang, trotz starker Verluste, kein Durchbruch. Daraufhin beorderte Abaza Paşa den Rückzug.

Die Folgen

Im Jahr 1634 standen das Osmanische Reich und Polen-Litauen am Rand eines Krieges. Gerüchten zufolge hatte Sultan Murad IV. den polnischen Gesandten bei einem öffentlich Empfang beleidigt und bereits eine gewaltige Streitmacht gegen die Rzeczpospolita in Marsch gesetzt.[3] Doch statt die Kriegsvorbereitungen des ?? zu unterstützen, entschied sich sein Vasall, der Khan der Krim Canibek Giray, in den polnisch-russischen Krieg einzugreifen. Gegen polnische Subsidienzahlungen verheerten die Krimtataren wiederholt Moskowiter Gebiete, was Zar Michael I. veranlasste, bei König Władysław IV. um Frieden nachzusuchen. Beide schlossen daraufhin im Juni 1634 den Vertrag von Polanów.

Nach dem Friedensschluss rückte der polnische König Władysław IV. Wasa mit bis zu 30.000 Soldaten nach Süden bis an die Grenze zum Osmanischen Reich vor. Murad IV. schickte nun seinen Emissär Çavuş Şahin Ağa nach Warschau. In den offiziellen Gesprächen tadelte er Abaza Mehmed Paşa wegen seines eigenmächtigen Vorgehens gegen Polen und versprach, ihn zu bestrafen. Der silistrische Pascha versuchte daraufhin seinen Souverän mit reichen Geschenken zu umgarnen, jedoch berief man ihn nach Istanbul und übergab ihm einen Seidenstrick, was als Aufforderung zum Selbstmord zu verstehen war, zusätzlich wurde er seines Kommandos entbunden. Am 19. September 1634 wurde der Vertrag von Chocim aus dem Jahr 1621 erneuert, verlängert und von beiden Seiten bestätigt. Eine Umsiedlung der Nogaier-Horde im Budschak, die der Sultan bei dieser Gelegenheit zugesagt hatte, erfolgte nicht.

Fußnoten

  1. ↑ Josef Engel (Hrsg.), Die Entstehung des neuzeitlichen Europa (=Handbuch der europäischen Geschichte, hrsg. v. Theodor Schieder, Bd. 3),Union Verlag, Stuttgart 1971, S. 1047
  2. ↑ Stanford Jay Shaw, Ezel Kural Shaw, History of the Ottoman Empire and Modern Turkey. The Rise and Decline of the Ottoman Empire 1280-1808, Cambridge University Press, 1976, S. 199
  3. ↑ R. Nisbet Bain, Slavonic Europe. A Political History of Poland from 1447 to 1796, Read Books, 2006, S. 198

Literatur

  • R. Nisbet Bain: Slavonic Europe - a Political History of Poland from 1447 to 1796 (Englisch);

 

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Polnisch-Russischer Krieg 1609-1618

Der Polnisch-Russische Krieg 1609–1618 war ein Krieg zwischen dem Königreich Polen-Litauen und dem Zarentum Russland. Der Krieg begann mit einer Offensive Polens unter der Führung des polnischen Königs Sigismund III. Wasa mit dem Ziel, die Krone Russlands für sich zu sichern und endete 1618 mit dem Vertrag von Deulino, in dem Polen-Litauen territoriale Zugeständnisse gemacht wurden, das damit seine größte territoriale Ausbreitung erreichte. Das Russische Zarenreich konnte hingegen seine Unabhängigkeit sichern.

Vorgeschichte

Russland befand sich zu dieser Zeit in der so genannten Zeit der Wirren, die von 1598 bis 1613 andauerte. Ursache dafür war das Aussterben der Moskauer Rjurikiden, wodurch die Zarenherrschaft in die Schwebe geriet. Diese Periode war durch eine allgemeine Anarchie, zerrüttete Herrschaftsverhältnisse und eine zeitweilige Interregnums-Phase gekennzeichnet. Vor 1610 gelang es den russischen Schwindlern Pseudodimitri I. und Pseudodimitri II., mit Unterstützung polnischer Magnaten die Macht in Russland an sich zu reißen, ohne den Thron jedoch dauerhaft halten zu können, da sie keine Koalition mit dem Hochadel eingingen und fremde, vor allem nach polnischen Vorbild entlehnte Vorstellungen verwirklichen suchten. Als sich der falsche Dmitrij mit der Katholikin Marina wider Tradition und Glauben trauen ließ, fegte ihn ein Moskauer Aufstand hinweg. Zu offenkundig waren die guten Beziehungen zum aus ihrer Sicht ungläubigen polnischen Erzfeind, zu abrupt die Vorboten der Europäisierung gewesen.[1]

Von 1610 bis 1617 befand sich das zu der Zeit in Europa als „Moskowiter Reich“ bezeichnete Russische Zarentum zudem in einem Parallelkrieg mit dem Königreich Schweden (Ingermanländischer Krieg), das versuchte, den Moskauer Thron für sich zu sichern.

Der polnische König Sigismund III. Wasa, der bis 1599 auch König von Schweden gewesen war, wollte seinen schwedischen Feinden den Moskauer Thron nicht überlassen (Polen befand sich 1600–1611, 1617–1618, 1621–1626 und 1626–1629 ebenfalls im Krieg gegen Schweden) und beschloss eine Intervention. Grundlage für diese Einmischung bildete der Vertrag von Tuschino vom 4. Februar 1610 zwischen dem polnischen König und den gegen den russischen Zaren Wassili IV. Schuiski eingestellten Bojaren. In diesem Vertrag wurde zwischen beiden Parteien vereinbart, den Sohn des polnischen Königs Władysław zum Zaren zu krönen und die Macht des Zaren zu beschränken, allerdings wurde der Vertrag nie umgesetzt.

Kriegsverlauf

Polnische Besetzung Moskaus und russisches Interregnum

Die kriegerischen Auseinandersetzungen begannen im Herbst 1609, als ein polnisches Heer unter Führung des polnischen Königs eine langandauernde Belagerung der russischen Stadt Smolensk begann. Nachdem ein zweites polnisches Heer eine zahlenmäßig überlegene russische Armee in der Schlacht von Kluschino am 24. Junijul./ 4. Juli 1610greg.[2] besiegen konnte, wurde Zar Wassili IV. am 17. Juli 1610 durch innenpolitische Gegner gestürzt und zu einem einfachen Mönch geschoren. Neben der allgemeinen Anarchie im Moskauer Reich kam somit noch eine Interregnumsphase hinzu, die den Höhepunkt der russischen Smuta bildete.

Dem polnischen Heer unter Führung von Stanisław Żółkiewski hatte Moskau nach dieser Niederlage nichts mehr entgegenzusetzen, woraufhin dieses Moschaisk, Volokolamsk und Dmitrow einnahm. Ende Juli 1610 erreichte das polnische Heer Moskau.

In der Zwischenzeit nach dem Sturz des Zaren wurde ein Sieben-Bojaren-Rat (als Duma) in Moskau eingerichtet, die die neue Moskauer Führung darstellte. Der Rat wählte alsbald wie vertraglich vereinbart den Prinzen Władysław, den polnischen Königssohn, zum neuen Moskauer Zaren. Als dieser Rat sich daraufhin ins polnische Lager bei Smolensk begab, um die Krönung des neuen Zaren zu vollziehen, ließ der anwesende polnische König den Rat nach langen Verhandlungen schließlich im April 1611 verhaften und nach Polen deportieren – was als Repressionsmaßnahme zu dem inzwischen ausgebrochenen Moskauer Aufstand gedacht war.

Der polnische König wollte selber über das Moskauer Reich herrschen, um eine gute Ausgangssituation für eine von ihm angestrebte erneute polnisch-schwedische Personalunion erhalten zu können. Ein, angesichts der russischen Notlage, möglicher historischer Kompromiss zwischen Russen und Polen scheiterte damit. Die Pläne zielten auf die Abhängigkeit Russlands von Polen. Die Krönung eines katholischen Königs von Polen zum russischen Zaren war zudem ebenso ausgeschlossen wie der Übertritt eines Polenkönigs zum russisch-orthodoxen Glauben. Die vom König geforderte Zarenkrone war etwas ganz anderes als die Wahl seines Sohne zum Zaren, in der Erwartung, dass dieser als orthodoxer Zar später ohnehin nicht als Nachfolger seines Vaters, zum polnischen König gewählt werden könne.[3]

Russische Volksaufstände

Die pro-polnische russische Fraktion unter den Bojaren fiel angesichts dessen nun von dem polnischen König ab. So bildeten sich zeitlich nacheinander mehrere provisorische russische Gegenbewegungen zu der isolierten polnischen Regierung in Moskau. Unterstützt wurde der Volksaufstand durch den Patriarch Hermogenes, der als Reichsverweser und Interrex die antikatholischen Emotionen schürte und den Hass gegen die Besatzer offen zu Tage kommen ließ.[4] Von Januar 1611 an stellten bedeutende Städte (u.a. Nischni Nowgorod, Wologda) des Moskauer Reiches Verbände zur Rückeroberung Moskaus auf. Der am 13. Februar 1611 in Moskau ausbrechende Aufstand [5] der Moskauer Bürger markierte den Beginn des Untergangs der polnischen Herrschaft im Moskauer Reich, die mit religiöser Unterdrückung einherging.

Um ihre Kräfte nicht über ein allzugroßes Gebiet zu verzetteln, entschloss sich die Polnische Garnison, nur den Kern der Stadt zu behaupten, nämlich den Kreml und das anschließende Viertel Kitai-Gorod.[6] Der polnische König konnte der isolierten Moskauer Garnison nicht zu Hilfe kommen, da er bis Anfang 1611 bei der Belagerung von Smolensk mit seinem Heer gebunden war

Die erste Aufstandswelle wurde erfolgreich von der 3000 Mann starken polnischen Garnison [5] niedergeschlagen. Bei dem ersten Aufstand wurde ein Teil Moskaus durch Brände zerstört.

Am 19. März brach der Aufstand erneut aus, der wiederum in Straßenkämpfen von der polnischen Garnison unterdrückt werden konnte. Das seit Januar 1611 aufgestellte Aufgebot der Städte griff nun am 24. März 1611 das besetzte Moskau an, wurde aber wiederum durch einen polnischen Gegenangriff zurückgeworfen.[7] Nachdem die Erstürmung aufgrund des Fehlens an Belagerungsartillerie scheiterte, belagerte nun diese Landwehr (opolčenie) den Moskauer Kreml. Das Aufgebot dieses Haufens war heterogen durchmischt. Es bestand aus Stadtbewohnern, Kosaken und diversen anderen Gruppen. Diese Durchmischung stellte ein Problem für die Disziplin im Belagerungslager dar. So brach das 1. Aufgebot am 27. Juni 1611 wieder auseinander, da sich die anwesenden Kosaken weigerten, eine einheitliche Befehlsgewalt anzuerkennen. Am 13. Juni 1611 fiel zudem die seit 20 Monaten belagerte russische Stadt Smolensk in polnische Hände.

Der russische Staat schien in diesem Moment vor dem endgültigen Zerfall zu stehen. Jedoch setzte im Spätsommer 1611 eine entscheidende patriotische Gegenbewegung in den nicht besetzten Gebieten ein, die zur Bildung eines zweiten Landwehraufgebotes in Nischni Nowgorod führte. Diese Bewegung brachte den Willen des gesamten russischen Volkes zum Ausdruck, die öffentliche Ordnung und eine legitimierte Zentralgewalt wiederherstellen zu wollen, um das andauernde Chaos im Moskauer Staat zu überwinden. Im Kern bestand dieses Aufgebot aus bewaffneten Stadtbewohnern, jedoch wurde diesmal von Anfang an Wert auf Disziplin in der Truppe gelegt. Die polnische Besatzung konnte bis zu diesem Zeitpunkt durch einen einmaligen Entsatz auf 4000 Mann verstärkt werden.

Russische Belagerung Moskaus

Landwehraufgebot umfasste zwischen 25–30.000 Mann mit unterschiedlichster Bewaffnung und etwa 1.000 Schützen.[8] Zwischen dem 22. August und dem 24. August 1612 kämpfte das russische Landwehraufgebot gegen ein eingetroffenes polnisches Entsatzheer. Nach anfänglichen Erfolgen der Polen gelang es den Russen die polnischen Angriffe abzuwehren und einen polnischen Entsatz der Festung zu verhindern.

Die polnische Garnison widerstand der russischen Belagerung insgesamt 19 Monate lang, musste jedoch aufgrund von Hunger und des gescheiterten polnischen Entsatzes am 25. Oktober 1612 vor dem von Kusma Minin und Dmitri Poscharski angeführten Landwehraufgebot kapitulieren und abziehen. Dennoch hielten polnische Truppen 1612 weite Gebiete im Westen des Moskauer Reiches besetzt.

Ende des russischen Interregnums

Trotz des Sieges in Moskau standen noch immer die Schweden im Nordwesten Russlands mit Nowgorod als ihrer Hauptgarnison. Der Schwedenkönig verlangte wiederum die Zarenkrone für den Prinzen Karl Phillip als Austausch für Novgorod. Allerdings stand eine ausländische Thronfolge nicht mehr zur Debatte. Russland suchte einen nationalen, orthodoxen Zaren. So beschlossen die neu formierten russischen Landstände 1613 in Moskau, den 16 jährigen Michael Romanow, ein Kandidat des Dienstadels, zum russischen Zaren zu wählen, der sich zu dieser Zeit in einem Kloster in der Nähe von Kostroma aufhielt. Der junge Mann schien als hinreichend schwacher Zar, von dem man keine tyrannische Autokratie befürchten musste.[9] Die durchführende Wahlversammlung, die sich als ganzes Land konstituierte, wurde durch fast alle sozialen Schichten und Gruppen mit Ausnahme der Unfreien und der herrschaftlichen Bauern vertreten.[10] Zwar hatten gerade diese Gruppen[11] in den zweieinhalb Jahren des Interregnums von 1610 bis 1613 den Widerstand gegen die ausländische Intervention getragen und eine Verwaltung mühsam aufrechterhalten, aber Bedingungen wurden dem designierten Zaren Michail vor der Wahl nicht gestellt. Damit endete die Interregnumsphase im Russischen Zarenreich und die verbliebenen polnischen Truppen zogen sich an die polnische Grenze zurück.

Ausgang des Krieges

Bis 1617 unterblieben, mit Ausnahme eines 1615 unternommenen erfolglosen russischen Versuches Smolensk zurückzuerobern, größere Kampfhandlungen, da die beidseitigen beschränkten Mittel größere Kriegshandlungen nicht zuließen und somit ein militärisches Patt entstand. Neben Moskaus allgemeiner Erschöpfung lag das auch daran, dass der finanzschwache polnische König kostspielige Söldner unterhalten musste, weil das ordentliche Aufgebot der Republik nicht einmal für die Erfüllung der Pacta conventa zur Verfügung stand.

In der polnischen Republik selbst drohten nach dem Abzug der Moskauer Garnison 1613 ebenfalls chaotische Verhältnisse im Innern einzukehren. Ebenso waren die Grenzen im Norden, Osten und Süden ungesichert. Ein Wandel trat plötzlich ein, als im Frühjahr 1616 die Szlachta in seltener Einmütigkeit beschloss, den Frieden auch mit militärischen Druck erzwingen zu wollen.

Somit scheiterte auch der seit 1612 vorbereitete großangelegte habsburgische Vermittlungsversuch. Die Habsburgermonarchie fürchtete vor allem das im Falle eines polnischen Sieges, mit der Übernahme des Moskauer Zarenthrons das polnische Vasahaus ein Übergewicht bekommen hätte, mit der es auch die ehemals schwedische Krone zurückgewinnen konnte und im Ergebnis eine Nor-Osteuropäische Supermonarchie entstanden wäre.[12]

Nach langen Vorbereitungen stieß der polnische Kronprinz Władysław, der seine Ansprüche auf den russischen Thron nicht aufgeben wollte, im Herbst 1617 in einem erneuten Feldzug nach Moskau vor. Die polnischen Truppen stießen über Wjasma und die kleineren russischen Grenzfestungen Richtung Moskau vor. Das polnische Heer vereinigte sich dann mit einem ukrainischen Kosakenheer unter Führung von Ataman Sahajdatschny, welches einen erfolglosen Sturm auf Moskau unternahm. Danach marschierte das vereinigte Heer zum Dreifaltigkeitskloster in Sergijew Possad, um dieses wichtige religiöse Zentrum einzunehmen. Die Belagerung des befestigten Klosters scheiterte jedoch am Widerstand der Mönche und den stationierten Strelitzen-Truppen. Jedoch war das Moskauer Reich zu dem Zeitpunkt zu schwach um das polnische Heer in einer offenen Feldschlacht stellen und besiegen zu können.

Auch für die polnische Republik war ein Abschluss der Kämpfe dringend geworden, da die Republik wegen der Kosaken- und Moldau-Politik in Schwierigkeiten mit den Osmanen geraten waren und erneute Einfälle der Schweden befürchten musste.[13]

Waffenstillstand und die Folgen

Während des polnischen Feldzuges wurde im Jahre 1618 der Vertrag von Deulino (Deulino ist eine Ortschaft in der Nähe Moskaus) unterzeichnet, in dem Polen-Litauen das Gebiet um Smolensk und Sewerien zugesprochen bekam, die das Großfürstentum Litauen im Vertrag von 1522 an Russland verloren hatte, außerdem wurde ein 14 1/2-jähriger Waffenstillstand beschlossen. Polen-Litauen nahm nach dem Vertrag wieder eine machtvolle Stellung in den ruthenischen Ländern ein.[13] Außerdem wurde im Vertrag ein gegenseitiger Kriegsgefangenenaustausch beschlossen. Der polnische Königssohn musste auch nicht de jure auf den russischen Thron verzichten.

Moskau erlangte durch diesen Vertrag die dringend benötigte Waffenruhe, die es benötigte, um sich im Innern regenerieren zu können. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts benötigte das Russische Zarentum um die Depression von 1560 bis 1620 zu überwinden. Die machtpolitische Zurückhaltung, die das erschöpfte Moskau sich Polen-Litauen gegenüber auferlegte,[14] wurde nur 1632 bis 1634 unterbrochen als man infolge eines polnischen Interregnums nach dem Tod des polnischen Königs Sigismund III. Wasa im Bund mit den Schweden Gustav Adolf die 1618 verlorenen Gebiete erfolglos zurückerobern wollte.

Das während der Zeit der Smuta entwickelte Ständische Bewusstsein ging sang- und klanglos 1622 nach dem Abflauen der Notstandssituation zugunsten der Anknüpfung an der alten Autokratie unter. Unterstützt wurde dieser Prozess durch die Kirche, für die die zaristische Macht traditionell eine notwendige Ergänzung der eigenen geistlichen Autorität war. Der kleine und mittlere Dienstadel benötigte den Zaren wiederum als Schutz vor der mächtigen Hocharistokratie. Das russische Volk, das stark im Bewusstsein der Autokratie verwurzelt war, konzentrierte sich nach der chaotischen Zeit der Smuta auf Sicherheit und Wohlstand und hieß einen starken Helden, in der Person des Zaren, willkommen.

Sonstiges

Tod des Patriarchen Hermogenes

Der Führer der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Hermogenes, wurde während der Belagerung Moskaus 1611 von der polnischen Seite inhaftiert, nachdem er Aufrufe gegen die Polen und gegen die Kosaken erließ. Obwohl er im Kreml von der polnischen Garnison scharf bewacht wurde, führte er diese weiter. Da er seine geheimen Aktivitäten nicht einstellen wollte, warfen ihn die Polen in einen Kerker und ließen ihn dort im Februar 1612 des Hungers sterben[15] 1913 wurde er dafür von der russisch-orthodoxen Kirche als Märtyrer heiliggesprochen.

Die Legende von Iwan Sussanin

Der Legende nach reiste Michail Romanow nach der Befreiung Moskaus nach Kostroma um sich dort zum Zaren krönen zu lassen. So wird erzählt, dass plündernde Kosaken beabsichtigt hatten, sich seiner dort zu bemächtigen. Ein Bauer namens Iwan Sussanin habe sie absichtlich, um seinen Herren zu retten, einen falschen Weg in tiefe Wälder geführt, wofür er ermordet worden sei.[16] Dieser Legende widmete der Komponist Michail Glinka die Oper „Ein Leben für den Zaren“.

Russischer Feiertag

Zum Gedenken an die Befreiung Moskaus wurde im Russischen Reich der 4. November jedes Jahr als ein Nationaler Feiertag begangen. Der Tag galt als Tag der vom Volk initiierten Neugründung des russischen Staates, der zuvor aufgehört hatte, zu existieren. Nach der Machtergreifung der Bolschewiki wurde der Feiertag abgeschafft, weil er zu nah an den Feierlichkeiten zum Jahrestag der Oktoberrevolution lag und an die Herrschaft der Romanows erinnerte. 2005 führte der russische Präsident Wladimir Putin den alten Feiertag unter dem Namen "Tag der nationalen Einheit" wieder ein.

Einzelnachweise

  1. ↑ Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte - Russland, Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 143
  2. ↑ http://www.xxx
  3. ↑ Lothar Rühl:Aufstieg und Niedergang des Russischen Reiches, Stuttgart 1992, ISBN 3-421-06534-9, S. 136
  4. ↑ Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte - Russland, Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 144
  5. ↑ a b Manfred Hellmann: Handbuch der Geschichte Russlands, Band I Bis 1613, Hiersemann Verlag, Stuttgart 1986, S.1055
  6. ↑ Valentin Gitermann: Geschichte Russlands 1. Band, Frankfurt am Main 1987, Athenäum Verlag, S.250
  7. ↑ Manfred Hellmann: Handbuch der Geschichte Russlands, Band I Bis 1613, Hiersemann Verlag, Stuttgart 1986, S.1056
  8. ↑ Manfred Hellmann: Handbuch der Geschichte Russlands, Band I Bis 1613, Hiersemann Verlag, Stuttgart 1986, S.1063
  9. ↑ Lothar Rühl:Aufstieg und Niedergang des Russischen Reiches, S. 138
  10. ↑ Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte - Russland, Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 146
  11. ↑ Vertreter von 50 Städten, des Adels, von hohen Beamten, der Kirche und zum ersten Mal der russischen Kosaken: Lothar Rühl:Aufstieg und Niedergang des Russischen Reiches, S. 137
  12. ↑ Klaus Zernack: Handbuch der Geschichte Russlands, Band 2: 1613-1856, vom Randtstaat zur Hegemonialmacht,Stuttgart 1986, ISBN 3-7772-8618-4, S.45
  13. ↑ a b Klaus Zernack: Handbuch der Geschichte Russlands, Band 2: 1613-1856, vom Randtstaat zur Hegemonialmacht,Stuttgart 1986, ISBN 3-7772-8618-4, S.46
  14. ↑ Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte - Russland, Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 160
  15. ↑ Valentin Gitermann: Geschichte Russlands 1. Band, Frankfurt am Main 1987, Athenäum Verlag, S.250
  16. ↑ Valentin Gitermann: Geschichte Russlands 1. Band, Frankfurt am Main 1987, Athenäum Verlag, S.257

Literatur

  • Hans-Joachim Torke:Lexikon der Geschichte Russlands, Verlag C.H. Beck, München 1985, ISBN 3-406-30-447-8
  • Günther Stökl: Russische Geschichte - Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 1990, ISBN 3-520-24405-5
  • Klaus Zernack: Handbuch der Geschichte Russlands, Band II 1613–1856 – Vom Randstaat zur Hegemonialmacht, Hiersemann Verlag, Stuttgart 1986, ISBN 3-7772-8618-4
  • Manfred Hellmann: Handbuch der Geschichte Russlands, Band I Bis 1613, Hiersemann Verlag, Stuttgart 1986, ISBN 3-7772-8618-4
  • Valentin Gitermann: Geschichte Russlands 1. Band, Frankfurt am Main 1987, Athenäum Verlag, ISBN 3-610-08461-8,

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Russisch-Polnischer Krieg 1632-1634

Der Russisch-Polnische Krieg 1632–1634, auch Smolensker Krieg genannt, war ein Konflikt zwischen Polen-Litauen und dem Zarentum Russland. Nach dem sich Russland zu einem gewissen Grad von der Zeit der Wirren erholt hatte, nutzte der russische Zar Michael I. das in Polen durch den Tod von König Sigismund III. Wasa entstandene Machtvakuum zu dem Versuch, unter Bruch des Waffenstillstands von Deulino die an Polen-Litauen gefallenen Gebiete, vorrangig die Festung Smolensk, zurückzuerobern. Smolensk war nach dem Polnisch–Russischen Krieg 1609–1618 an den Nachbarstaat gefallen und blieb im Verlauf des 15. bis 17. Jahrhunderts stets ein Zankapfel zwischen Polen-Litauen und dem Russischen Reich

Der Verlauf

Eine gut vorbereitete russische Armee von bis zu 35.000 Mann, mit dem Wojewoden Michael Schein an der Spitze, erreichte Smolensk im Oktober 1632 und begann sofort mit der Belagerung der Grenzfestung. Die Stadt hielt sich, unter der Führung des Wojewoden Aleksander Korwin Gosiewski und der Unterstützung von Fürst Krzysztof Radziwiłł, des Feldhetmans von Litauen, dem es sogar gelang den russischen Belagerungsring zweimal zu überwinden und die polnische Garnison, bis zum Eintreffen des Entsatzeheeres unter König Władysław IV. Wasa, mit dringend benötigten Mitteln zu versorgen, bis ins nächste Jahr hinein. Die polnische Streitmacht, angeführt persönlich durch den König, kam in der Nähe von Smolensk am 4. September 1633 an und unternahm unmittelbar darauf Schritte gegen die Belagerer.

In einer Serie von heftigen Kämpfen zwangen die Polen die Russen zuerst ihre Belagerung von Smolensk bis zum 3. Oktober vollständig aufzugeben, um sie dann schließlich bis zum Ende des Monats einzukreisen und selbst zu belagern. Die belagerten Russen warteten nun ihrerseits auf ein Entsatzheer, das aber nie ankam. Hinzu kamen die Plünderungszüge der Krimtataren unter ihrem Khan Canibek Giray, die die südlichen Teile Moskowiens in den Jahren 1632–1634 verwüsteten und sie sogar bis fast in die Vororte Moskaus brachten. Das Jahr 1633 war für die russische Landbevölkerung besonders verheerend. Dies führte zusätzlich zur militärischen Schwächung der russischen Seite, da Scheins Soldaten, die aus den von den Tataren verwüsteten Gebieten kamen, aus Sorge um ihre Vermögen und Familien, Fahnenflucht begingen. Die russischen Kommandeure stritten sich um die richtige Strategie und fanden keinen gemeinsamen Nenner gegen die Polen. Schließlich streckten die Russen am 25. Februar 1634 ihre Waffen.

Die Folgen

Der Krieg endete im Vertrag von Polanów („Ewiger Friede“). Der Friedensvertrag bestätigte den Vorkriegsstatus, außer kleinen Grenzkorrekturen im Osten zu Gunsten der russischen Seite, unter anderem fielen die Städte Serpejsk und Trubtschewsk an den Zaren (Trubtschewsk allerdings erst 10 Jahre später. Der polnische König plante 1644 einen Krieg gegen das Osmanische Reich, und wollte im Osten den Zaren mit einem Geschenk „ruhigstellen“, auch dann als die lokalen Würdenträger Widerstand gegen dieses königliche Vorhaben leisteten, allerdings zwecklos). Daneben verpflichtete sich Russland eine Kriegsentschädigung in Höhe von 20.000 Rubeln in Gold an Polen zu zahlen, während König Władysław IV. formell seinen Anspruch auf den russischen Thron fallen ließ.

Literatur

  • Mirosław Nagielski: Diariusz kampanii smoleńskiej Władysława IV 1633–1634, DiG, 2006, ISBN 83-7181-410-0.
  • Dariusz Kupisz: Smoleńsk 1632–1634, Bellona, 2001, ISBN 83-11-09282-6.

Einzelnachweise

  1. ↑ «Перечневая роспись ратных людей под Смоленском 141-го года» Меньшиков Д.Н. Затишье перед бурей. Боевые действия под Смоленском в июле-августе 1633 года // Война и оружие: Новые исследования и материалы. Научно-практическая конференция 12-14 мая 2010 г. СПб., 2010. Ч. II. С. 107

 

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Russisch-Polnischer Krieg 1654-1667

Der Russisch-Polnische Krieg 1654–1667 begann, nachdem das Zarentum Russland infolge des Bündnisschlusses von Perejaslaw den ukrainischen Kosaken zu Hilfe kam, die im Zuge des Chmelnyzkyj-Aufstands seit sechs Jahren gegen die polnische Oberherrschaft kämpften. Er war ein weiterer Ausbruch der jahrhundertealten Rivalität um die ruthenischen Gebiete, die Russland aufgrund geschichtlicher, religiöser und kultureller Verbindungen als sein Teil betrachtete.

Kriegsverlauf

Der Krieg verlief äußerst wechselhaft, wenngleich er fast völlig auf dem zu Polen-Litauen gehörenden Gebiet stattfand. Zunächst konnte Russland im Jahr 1654 endgültig Smolensk von den Polen erobern, das seit der Zeit der Wirren in polnischen Händen war und im Krieg von 1632 bis 1634 erfolglos belagert worden war. Danach konnte die russisch-ukrainische Armee mehrere weitere Schlachten gewinnen und bis nach Lublin im eigentlichen Polen vorstoßen. Als jedoch Schweden gleichzeitig in Polen einfiel, schlossen beide Seiten im Vertrag von Niemież einen Waffenstillstand ab, um gegen die drohende schwedische Vorherrschaft anzukämpfen. Nach der Vertreibung der Schweden aus Polen begannen 1659 neue Feindseligkeiten, die für die vom Sieg über Schweden motivierten Polen nun erfolgreicher verliefen. Nach dem Seitenwechsel eines Teils der Kosaken unter Hetman Iwan Wyhowski wurde das russische Heer von Polen, Kosaken und den Krimtataren am 8. Juli 1659 bei Konotop geschlagen.[1], was jedoch die Spannungen innerhalb der Kosakenreihen verschärfte und zum baldigen Sturz von Wyhowski führte. Polen konnte Russland aus Weißrussland und Litauen zurückdrängen, letztlich aber wegen inneren Konflikten und der schweren Niederlage bei Hluchiw nicht mehr weiter vordringen.[2]

Ergebnis

Die Pattsituation mündete im Vertrag von Andrussowo und letztlich im „Ewigen Frieden“ von 1686. Die „linksufrige“ Ukraine, östlich des Dnjepr sowie Kiew gingen in russischen Besitz über. Dies war der Beginn des Niedergangs des polnisch-litauischen Staates, der im Verlauf des 18. Jahrhunderts immer mehr Gebiete verlor, bis er zwischen den Großmächten aufgeteilt wurde. Für Russland markierte die Angliederung der Ostukraine dagegen den Beginn des Aufstieges zur europäischen Großmacht.

Einzelnachweise

  1. ↑ Paul R. Magocsi: A history of Ukraine. University of Washington Press 1997, ISBN 0-295-97580-6, S. 225.
  2. ↑ Christoph Schmidt: Russische Geschichte 1547–1917. Verlag Oldenbourg, München 2003, ISBN 3-486-56705-5, S. 26f.

Literatur

  • Малов А. В. Русско-польская война 1654–1667 гг. М.: Цейхгауз, 2006 г. ISBN 5-94038-111-1.

 

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Chmelnyzkyj-Aufstand

Chmelnyzkyj–Aufstand war ein großer Aufstand der ukrainischen Saporoger Kosaken und Bevölkerung unter der Führung von Bohdan Chmelnyzkyj in der Ukraine in den Jahren 1648−1657, der gegen die Adelsrepublik Polen-Litauen gerichtet war, zu der die damalige Ukraine gehörte. Der Grund war eine zunehmende Willkür polnischer Landbesitzer gegenüber der ukrainischen Landbevölkerung, wirtschaftliche Ausbeutung und der religiöse Druck auf die orthodoxe Bevölkerung im Rahmen der Union von Brest.

Bohdan Chmelnyzkyj, ein enteigneter ruthenischer Adliger, begab sich zur Saporoger Sitsch, dem Hort der Kosaken, und wurde dort zum Hetman gewählt. Eine Kosakenarmee begann einen erfolgreichen Feldzug gegen die Armee der polnischen Krone und schlug sie mehrmals empfindlich. Bereits 1648, zu Beginn des Aufstandes, schickte Bohdan Chemlnyzkyj eine Gesandtschaft nach Moskau mit der Bitte um Beistand. Da Moskau jedoch zögerte, einen neuen Krieg gegen Polen-Litauen zu beginnen, mussten sich die Kosaken mit den Krimtataren verbünden. Als Bezahlung durften die Krimtataren einen Löwenanteil der erbeuteten polnischen Güter behalten. Die Kosaken begannen einen unaufhaltsamen Vormarsch Richtung Westen, wobei viele Polen, Jesuiten und Juden gnadenlos erschlagen wurden.

Das Kriegsglück verließ Chmelnyzkyj, als der Krimkhan in den Schlachten bei Sboriw, Berestetschko und Schwanez die Kosaken verriet, damit Polen nicht allzu sehr geschwächt würde. Daraufhin wandte sich Chmelnyzkyj erneut an Zar Alexei Michailowitsch. Bei der Rada von Perejaslaw im Januar 1654 schwor ein Großteil der Kosakenelite einen Treueeid auf den Zaren. Das Zarentum Russland erklärte Polen-Litauen den Krieg. Der sehr wechselhafte Russisch-Polnische Krieg 1654–1667 war eine Fortsetzung des Chmelnyzkyj-Aufstands. Am Ende wurde die Ukraine zwischen Russland und Polen entlang des Dnepr aufgeteilt.

 

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Dreizehnjähriger Krieg

Der Dreizehnjährige Krieg 1454 bis 1466 (polnisch: Wojna trzynastoletnia), auch Preußischer Städtekrieg genannt, begann als Konflikt zwischen dem von mehreren preußischen Hansestädten gegründeten Preußischen Bund und dem Deutschordensland des Deutschen Ritterorden. Er führte zur Teilung Preußens und hatte dadurch noch Folgen bis ins 20. Jahrhundert.

Vorgeschichte

Nach der Schlacht bei Tannenberg (1410) und dem Friedensvertrag von Thorn musste der Deutsche Orden Reparationen an Polen-Litauen zahlen, worauf Hochmeister Heinrich der Ältere massive Steuererhöhungen in Deutschordensland durchsetzte. Mit dieser Wirtschaftspolitik waren viele Bürger in den Hansestädten nicht einverstanden und versuchten, mehr Unabhängigkeit und Autonomie zu erreichen, vergleichbar mit dem Status der reichsunmittelbaren Städte im Heiligen Römischen Reich. Zu diesem Zweck wurde der Preußische Bund unter Führung des Deutschritters Johann von Baysen gegründet und bei Kasimir IV. Jagiello um Hilfe ersucht.

Heinrich von Plauen wollte sich nicht mit dem Ersten Thorner Frieden abfinden. Er begann aufzurüsten. Dafür und für die Zahlungsverpflichtungen aus dem Friedensvertrag benötigte er Geld. Das sollten die Städte und die Landstände zahlen. Die Situation wurde für das Land nicht besser, als Heinrich von Plauen 1413 abgesetzt wurde.

Die Ritterdienste der Inhaber von Dienstgütern waren für den Orden wegen des Aufkommens der Söldnerheere uninteressant geworden. Deshalb versuchte er, die Rechte der Besitzer von Dienstgütern mit allen – auch widerrechtlichen – Mitteln zu verschlechtern. Er war am möglichst schnellen Heimfall der Güter interessiert, die er mit Bauerndörfern aufsiedeln wollte. Die Zinszahlungen der Bauern waren ihm mehr wert als die Ritterdienste der Gutsbesitzer.

Desgleichen begann der Orden massiv in die Verfassungen der Städte einzugreifen, um die führenden Positionen der Stadtherrschaft mit ihm genehmen Leuten zu besetzen.

Politisch gestärkt wurde die preußischen Stände durch den polnischen König: Er machte sie zu den Garanten der Friedensverträge von 1422 und 1435. De jure wurde dem Adel und den Städten die Macht gegeben, Einfluss auf die Außenpolitik des Ordens auszuüben. De facto ignorierte der Deutsche Orden jede Einmischung in seine Belange.

Das alles, zusammen mit der Arroganz der landfremden Ritter baute sich zu einer bedrohlichen Stimmung gegen den Orden auf. Am 14. März 1440 schlossen sich die preußischen Stände, also die Ritterschaft, der Adel und die Städte, in Marienwerder zu einem "Bund vor Gewalt" zusammen. Man wollte sich zunächst nicht vom Orden lösen, sondern sich gegen die Unterdrückung wehren und mit einer Stimme sprechen. Die Meuchelmorde von Danzig waren nicht vergessen, auch in anderen Städten waren ähnliche, wenn auch nicht so schlimme Dinge passiert.

Es wurde ein aus 20 Mitgliedern bestehender „Enger Rat“ gegründet. Als Sitz dieses Rates wurde Thorn bestimmt, weil es an der Grenze zu Polen lag. Der Hochmeister Ludwig von Erlichshausen verlangte die Auflösung des Bundes. Der Bund lehnte ab. Schließlich wurde die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Bundes dem Kaiser anvertraut. Der Kaiser setzte den Gerichtstag auf den 24. Juni 1453 in Wien fest. Am 1. Dezember 1453 wurde der Bund für rechtswidrig erklärt und seine Auflösung befohlen.

Kriegsverlauf

Die Anhänger des Preußischen Bundes ersuchten mehrere europäische Herrscher ohne Erfolg um Unterstützung, nur der König von Polen war gewillt, die Schutzherrschaft zu übernehmen. Somit kündigte der Bund am 4. Februar 1454 dem Orden den Gehorsam auf und begann den wohlvorbereiteten Krieg. In wenigen Tagen war der größere Teil des Landes in den Händen der Aufständischen. Alle Burgen des westlichen Preußen, mit Ausnahme von Marienburg und Marienwerder, waren von Bundestruppen besetzt.

Der Bruch mit dem Orden war vollzogen worden, ohne dass eine feste Vereinbarung mit dem König von Polen getroffen worden war. Aber seit Herbst 1452 gab es zwischen der Kulmer Ritterschaft sowie den Städten Kulm und Thorn lose Verhandlungen mit dem König von Polen. Der „Enge Rat“ erhielt eine Einladung, nach dem 2. Februar 1454 Bevollmächtigte zum Sejm nach Krakau zu schicken. Dort hielt König Kasimir IV. gerade seine Hochzeit mit Elisabeth von Habsburg, als eine Bundesgesandtschaft unter Hans von Baysen ihm die Oberherrschaft über Preußen antrug. In einem auf den 6. März (wahrscheinlich zurück-) datierten Dokument erklärte Kasimir die Inkorporation des gesamten Ordensgebiets in den polnischen Staat, erteilte dem Adel Rechte, die denen des polnischen Adels entsprachen, und bestätigte die der Städte.

Am 22. Februar erklärte auch der polnische König dem Orden den Krieg und schon am 6. März nahm er die Ergebung der preußischen Stände an und inkorporierte den gesamten Ordensstaat dem polnischen Reich. Am 23. Mai nahm er die Huldigung der Stände in Thorn entgegen. Das Land wurde pro forma in vier Wojewodschaften (Kulm, Pommerellen, Elbing, Königsberg) geteilt, und Hans von Baysen zum Statthalter ernannte.

Die meisten Ordensburgen waren nur mit sehr wenigen Ordensrittern besetzt und wurden von den Aufständischen ohne Schwierigkeiten genommen. Der Orden hielt sich im Westen nur in wenigen Burgen: Marienburg, Stuhm und Konitz.

Während der Herbstarbeit auf den Gütern hatte der König Schwierigkeiten, Truppen des großpolnischen und kujawischen Adels aufzubieten. Der König sah sich gezwungen, dem Adel große Zugeständnisse zu machen. Erst danach konnte er mit dem Aufgebot von Großpolen und Kujawien nach Konitz ziehen, um die aus dem Reich heranziehende Verstärkung des Ordens abzufangen.

Es kam am 18. September 1454 zur Schlacht bei Konitz, der einzigen großen Feldschlacht des Krieges. Sie endete trotz zahlenmäßig doppelter Überlegenheit der Polen mit ihrer vernichtenden Niederlage gegen die Ordenstruppen aus dem Reich unter Herzog Rudolf von Sagan. Daraufhin kehrten zahlreiche Städte, insbesondere auch Königsberg, zum Orden zurück.

Im weiteren Verlauf gab es keine großen offenen Schlachten mehr, der weitere Krieg wurde größtenteils ohne Truppen des polnischen Adels geführt. Es war nur noch ein Verwüstungskrieg mit Söldnern um feste Plätze. Es waren besonders die Städte des Bundes, voran Danzig, die das Geld für die Söldner aufbrachten.

Zur See führte Danzig einen erfolgreichen Kaperkrieg gegen Lübeck und die anderen Städte des Wendischen Quartiers um deren Handel mit den Häfen des Ordens, Königsberg und Memel, zu unterbinden und den Orden dadurch zu schwächen.

Durch den Verlust weiter Landesteile verlor der Orden wichtige Einnahmequellen. Aus Geldmangel musste er schon 1454 die Neumark an Brandenburg verkaufen. Unterstützung aus Livland oder von den deutschen Balleien erhielt er nicht. Mit Vertrag vom 9. Oktober 1454 musste er eine Reihe von Burgen an seine Söldner verpfänden.

Als er die vereinbarten Zahlungstermine nicht einhalten konnte, verkauften Söldnerhauptleute nach langen Verhandlungen am 16. August 1456 die Marienburg und fünf andere Burgen an den König und den Bund. Der Bund zahlte den böhmischen Söldnern 304.000 Mark, wovon Danzig allein 144.400 übernahm. Der Verkauf der Burgen an den Feind wurde von einigen Söldnerführern als ehrenrührig angesehen.

Der Hochmeister räumte die Marienburg 1457 kampflos und zog nach Königsberg. Am 7. Juni 1457 zog König Kasimir in die Burg ein. Die Stadt Marienburg hingegen verteidigte sich unter ihrem Bürgermeister Bartholomäus Blume weitere drei Jahre. Erst 1460 ergab sich die Stadt Marienburg an Danzig; Bürgermeister Blume wurde anschließend hingerichtet.[1]

Entscheidende militärische Erfolge verbuchten die Gegner des Ordens in den 1460er Jahren: Am 15. September 1463 kam es zu einem Seegefecht auf dem Frischen Haff, als der Orden versuchte, über die Weichsel die Stadt Mewe zu entsetzen. Es war der entscheidende Sieg des Bundes und seines Verbündeten Polen. Mewe und andere Städte an der Weichsel, die sich noch in der Hand des Ordens befanden, wurden erobert. Nun kontrollierte der Bund und Polen die Weichsel.

Vermittlungsversuche von Bürgermeister Hinrich Castorp aus Lübeck in den Jahren 1463/64 scheiterten. Schließlich waren auch die Finanzkräfte des Bundes und des Ordens erschöpft, Kampfhandlungen erlahmten. 1466 verlor der Deutsche Orden auch noch Pommerellen.

Zweiter Frieden von Thorn

Intensive Verhandlungen des päpstlichen Legaten Rudolf von Rüdesheim, Bischof von Lavant, führten im Jahre 1466 zum Erfolg: Der Zweite Frieden von Thorn wurde am 19. Oktober 1466 geschlossen.

Der östliche Rest des Deutschordenslandes blieb unter Kontrolle des Ordens, jedoch sollten die Hochmeister der Krone Polens persönliche Treueide abgeben[2]. Im Jahre 1525 verlor der Orden auch dort den Einfluss, das Gebiet wurde zum Herzogtum Preußen säkularisiert, bis es im Vertrag von Wehlau 1657 die Unabhängigkeit zurückerlangte.

Der Westteil Preußens, Pommerellen, zusammen mit dem Kulmer und Michelauer Land und dem ostpreußischen Ermland, wurde als weitgehend autonomes „Preußen königlichen Anteils“ in einer rechtlich nicht klar definierten Union mit der „Krone“ Polen verbunden, d. h. dem König direkt unterstellt. Die Sonderstellung des „Königlichen Preußen“ gegenüber der Krone, eigene Landtage mit Deutsch als Verhandlungssprache, eigene Landesregierung (Landesrat), eigener Münze, eigene Wehrhoheit der großen Städte, das Recht der großen Städte, eigene diplomatische Verbindungen mit dem Ausland zu unterhalten usw. wurden für drei Jahrhunderte Gegenstand ständiger Auseinandersetzungen.

Schon 1467 kam es wegen Konflikten um die Investitur von Bischöfen mit dem Fürstbistum Ermland, welches eine Halbenklave im östlichen Ordensstaat war, zum sogenannten Pfaffenkrieg (Wojna popia) (1467–1479).

Literatur

  • Biskup, Marian: Wojna trzynastoletnia z Zakonem Krzyzackim 1454-1466, Warszawa 1969 (mit deutscher Zusammenfassung). (Der Dreizehnjährige Krieg mit dem Deutschen Orden)
  • Biskup Marian: Der preußische Bund 1440-1454 - Geschichte, Struktur, Tätigkeit und Bedeutung in der Geschichte Preußens und Polens, in: Konrad Fritze, Eckhard Müller-Mertens, Johannes Schildhauer (Hgg.): Hansische Studien III, Bürgertum-Handelskapital-Städtebünde (Abhandlungen zur Handels- und Sozialgeschichte XV), Weimar 1975, S.210-229.
  • Biskup, Marian, Wojna trzynastoletnia i powrót Polski na Baltyk w XV wieku (Dzieje narodu i panstwa polskiego tom I i II), Kraków 1990. (Der Dreizehnjährige Krieg und die Rückkehr Polens an die Ostsee im 15. Jahrhundert)
  • Karin Friedrich: The Other Prussia: Royal Prussia, Poland and Liberty, 1569-1772, [1]

Fußnoten

  1. ↑ Bruno Schumacher: Geschichte Ost- und Westpreußens. 7. Auflage. Verlag Weidlich, Würzburg 1987, S. 137.
  2. ↑ Seite 43, 44 Keine Lehnshoheit, Treueide in Person

 

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Zweiter Nordischer Krieg

Der Zweite Nordische Krieg, auch Kleiner Nordischer Krieg oder Zweiter Schwedisch-Polnischer Krieg genannt, war eine von 1655 bis 1660/61 dauernde kriegerische Auseinandersetzung zwischen Polen-Litauen und Schweden sowie deren Verbündeten um die Vorherrschaft im Baltikum. In den Krieg wurden nahezu alle Anrainerstaaten Polen-Litauens verstrickt, darunter auch Russland, das seine Auseinandersetzungen mit Polen-Litauen, die in enger Verbindung zum Zweiten Nordischen Krieg standen, im Rahmen des Russisch-Polnischen Krieges von 1654–1667 austrug. In Polen wird die Zeit des Krieges mit Schweden, häufig aber auch die Gesamtheit der militärischen Auseinandersetzungen der 1650er und 1660er Jahre auch als die „(Blutige) Sintflut“ bzw. als „Schwedische Sintflut“ (pln. Potop Szwedzki) bezeichnet, weil das Königreich damals geradezu eine Sintflut von Invasionen fremder Heere erlebte.

Vorgeschichte

Schweden und Polen waren schon seit der Absetzung Sigismund III. als schwedischer König im Jahr 1599 in schwere kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt. Es ging um den Besitz der baltischen Küstenregionen Estland und Livland. Riga, Dorpat, große Teile von Kurland, Königsberg und wichtige preußische Küstengebiete fielen in schwedische Hand.

Zum anderen hatte Polen die Zeit der Wirren in Russland genutzt, um große Gebiete im Westen des Russischen Reiches zu annektieren. 1648 begann in der von Polen besetzten Ukraine ein Kosakenaufstand unter der Führung ihres Atamans Bohdan Chmelnyzkyj, durch den Polen einen Großteil seiner Gebiete verlor. Als die schwedische Königin Christina I. am 16. Juni 1654 abdankte, machte der polnische König Johann II. Kasimir, ein Urenkel des Königs Gustav I. und letzter lebender Wasa, Ansprüche auf den schwedischen Thron geltend. Zeitgleich begann durch Chmelnyzkyjs Bündnisschluss mit Russland der für Polen-Litauen anfangs verheerende Russisch-Polnische Krieg. Die Russen und die Kosaken eroberten ganz Litauen und drangen bis nach Lublin vor.

Kriegsbeginn

Im Juni 1655 fiel Karl X. Gustav daraufhin von Pommern und Litauen aus in das politisch völlig zerrüttete Polen ein und besetzte Warschau und Krakau. Ohne weiteren Widerstand kapitulierten die polnischen Festungen. Auch gingen viele adlige Reiter zu den Schweden über. Am 25. Juli kapitulierte Polen, am 18. August stimmte Janusz Radziwill einer Union des Großfürstentums Litauen mit Schweden zu. König Johann II. Kasimir floh nach Schlesien.

Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg war in den Krieg einbezogen, da seine östliche Besitzung, das zwischen Pommern und Litauen gelegene Herzogtum Preußen, seit dem Zweiten Frieden von Thorn ein polnisches Lehen war und jetzt ohne Schutzherr war. Er hatte das geplante Bündnis mit Schweden aufgegeben, weil ihm dessen Forderungen auf den Stettiner Verhandlungen zu hoch erschienen. Dort ließ er Milizen, die so genannten „Wybranzen“, aufbieten und schloss im November mit den Ständen des nunmehr unbeschützten westlichen Preußens einen gegenseitigen Verteidigungspakt[1], den Vertrag von Rinsk, ab. Der Schwedenkönig wollte jedoch Preußen und Ermland für sich gewinnen und Friedrich Wilhelm sah sich gezwungen zur Selbstverteidigung, beteuerte auch dieses stets. Die brandenburgischen Truppen aus Cleve und Brandenburg wurden ins Herzogtum Preußen verlegt. In seinem Vorhaben bedroht wandte sich Karl X. Gustav nach Preußen, drängte die Brandenburger bis unter die Mauern von Königsberg und erzwang am 17. Januar 1656 den Vertrag von Königsberg.

In diesem Vertrag nahm der Kurfürst das Herzogtum Preußen nun als schwedisches Lehen an und kappte die Verbindung mit den westpreußischen Ständen. Er musste sein Land den durchziehenden schwedischen Truppen und die Häfen den schwedischen Schiffen öffnen. Auch trat Brandenburg dem König die Hälfte der einträglichen Seezölle ab. Dafür erhielt Brandenburg das Bistum Ermland als schwedisches Lehen.

Der erbitterte Widerstand der polnischen Adligen, die ihre Eide gegen die Schweden brachen, die Rückkehr des Königs Johann II. Kasimir sowie der nationale Fanatismus der Polen führte zu einer prekären Lage für den schwedischen König, der daraufhin die Hilfe der Brandenburger benötigte. Nachdem sich Friedrich Wilhelm in Königsberg zwar zur Neutralität, nicht aber zur Mitwirkung am Krieg gegen Polen verpflichtet hatte, wurde am 23. Juni 1656 in Marienburg ein neuer Vertrag geschlossen. In diesem Vertrag verpflichtete sich der Kurfürst für die Überlassung des Bistums Ermland und vier großer polnischer Wojwodschaften mit seiner ganzen Macht als freier Bundesgenosse dem König zu Hilfe zu ziehen.

Trotz der bedeutenden Überzahl der Polen und den verbündeten Tataren erreichten die Schweden und Brandenburger zwischen dem 28. und 30. Juli einen großen Sieg in der Schlacht von Warschau. Im Anschluss daran zeigte sich die schwedische Schwäche: der fehlende Nachschub an Truppen und Material. Den Polen zogen bald neue große Scharen zu. Russland schloss mit Polen einen Waffenstillstand ab, erklärte Schweden den Krieg und eroberte Gebiete im Baltikum. Der brandenburgische General Graf Waldeck erlitt im Oktober am Lyck eine Niederlage, König Johann II. Kasimir eroberte Danzig. In dieser Not entschloss sich Karl X. Gustav sogar dazu, dem Kurfürsten im Vertrag von Labiau (20. November 1656) die Souveränität über ganz Preußen zuzugestehen. Im Vertrag von Wehlau (19. September 1657) erlangte der Kurfürst auch die Unabhängigkeit Preußens von Polen.

Noch einmal unternahm der schwedische König einen Zug durch ganz Polen, um mit seinem neuen Bundesgenossen, dem Fürsten von Siebenbürgen Georg II. Rákóczi zusammenzutreffen. Vor den Toren der Stadt Tschenstochau wurde er aber gestoppt.

Bündnispartner

Königstreue Truppen leisteten den Schweden erbitterten Widerstand. Währenddessen versuchte Johann II. Kasimir, Bündnispartner zu finden. Um ein Übergewicht Schwedens in Nordeuropa zu verhindern, traten Dänemark, Österreich (Haus Habsburg) und die Niederlande auf die Seite Polens. Der türkische Sultan erlaubt ein Bündnis seines Vasallen, des Krim-Khans mit dem König. Auch Brandenburg wechselte nach einem Einfall der Krimtataren schließlich die Fronten, nachdem Polen im Vertrag von Wehlau am 19. September 1657 dem Kurfürsten die Souveränität im Herzogtum Preußen zuerkannte. Gegen Dänemark erzielte Karl X. Gustav zunächst militärische Erfolge.

Nach einer erfolgreichen Offensive der antischwedischen Koalition schlugen England und Frankreich Friedensverhandlungen vor.

Kriegsende

Der Krieg wurde dann am 3. Mai 1660 durch den Vertrag von Oliva beendet. Der polnische König verzichtete darin auf alle Ansprüche auf den schwedischen Thron. Schweden behielt Livland und Estland gemäß den Bestimmungen des Westfälischen Friedensvertrages vom 24. Oktober 1648.

Brandenburg musste sich aus den besetzten schwedischen Gebieten in Pommern, Holstein und Schleswig zurückziehen, erlangte aber gleichzeitig die endgültige Souveränität über das Herzogtum Preußen und erwies sich während des Krieges als militärischer und politischer Machtfaktor. Frankreich übernahm die Garantie der Einhaltung des Friedens.

Literatur

  • Robert I. Frost: After the Deluge. Poland-Lithuania and the Second Northern War, 1655-1660 (= Cambridge Studies in Early Modern History). Cambridge University Press, 2004, ISBN 0521544025.
  • Robert I. Frost: The Northern Wars. War, State and Society in Northeastern Europe 1558-1721. Longman, London 2000, ISBN 978-0-582-06429-4.

Einzelnachweise

  1. ↑ Defensiv-Vertrag von Rinsk zwischen dem westlichen Preußen und dem Herzog von Preußen

 

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Großfürstentum Litauen

Das Großfürstentum Litauen (teilweise auch des lateinischen Titels Magnus Dux Lithuaniae wegen als Großherzogtum Litauen bezeichnet) war ein Großherzogtum, das sich über das heutige Territorium der Staaten Litauen und Weißrussland, und teilweise Ukraine, Russische Föderation und Polen erstreckte. Am Höhepunkt seiner Macht kurz vor 1400 reichte es bis zu den Steppengebieten am Schwarzen Meer. 1386 ging es eine Union mit Polen ein und vor allem nach der Lubliner Union 1569, wo ein gemeinsamer Staat Polen-Litauen gegründet wurde, verschmolz es mehr und mehr in den polnisch dominierten Gesamtstaat. Als politische Einheit verschwand es jedoch erst im Zuge der Polnischen Teilungen.

Geschichte

Erste Impulse zur Staatsbildung gab es im 13. Jahrhundert unter dem Eindruck der Bedrohung durch den Deutschen Orden, das Königreich Litauen unter Mindaugas blieb jedoch eine Episode. Eine staatliche Konsolidierung erfolgte um 1300. Gediminas gründete 1323 die Hauptstadt Wilna (lit. Vilnius), das die Burg Trakai als Fürstensitz ablöste.

Der Einfall der Mongolen in Osteuropa und die schon vorher erfolgte Zersplitterung der Kiewer Rus hinterließen ein politisches Vakuum, zumal Litauen aufgrund seiner nordwestlichen Lage von den Kriegszügen der Mongolen unberührt blieb. So erfolgte im 14. Jahrhundert, insbesondere unter Großfürst Gediminas und seinen Söhnen Algirdas und Kęstutis, der Aufstieg Litauens zu einer osteuropäischen Großmacht.

Einige Teilfürstentümer der Rus wurden unterworfen, vor allem nach der Schlacht am Irpen, einige schlossen sich in einer Schwächephase der Goldenen Horde auch freiwillig an. 1362 wurde diese in der Schlacht am Blauen Wasser besiegt, der litauische Großfürst zog in Kiew ein und Weißrussland, die Ukraine und Westrussland standen damit unter dem Supremat litauischer Großfürsten. Die politischen Strukturen der ostslawischen Fürstentümer wurden beibehalten, besonders im Süden wurden auch Vasallenfürstentümer für die Söhne Algirdas' eingerichtet. Die Großfürsten von Litauen sahen sich von nun an als rechtmäßige Erben des untergegangenen Reiches der Kiewer Rus. Von Algirdas ist die Absichtserklärung überliefert: „Omnis Russia ad Litwinos deberet simpliciter pertinere“ (deutsch: „Die ganze Rus soll einfach den Litauern gehören[1]“). Die späteren polnisch-litauischen Herrscher trugen den Titel: magnus dux Littwanie, Samathie et Rusie.

Der Mehrheit der Bevölkerung und des Adels entsprechend, wurden im Laufe der Zeit die ostslawische Kultur im Großfürstentum dominant. Zur Kanzleisprache (also etwa Amtssprache) bildete sich das Ruthenische aus, das bis ca. 1700 in Litauen üblich blieb.

Die nach wie vor heidnischen Großfürsten betrieben in dieser Phase eine Politik religiöser Toleranz, was Litauen auch für die europäischen Juden sowie für zahlreiche kleinere Gruppen wie die Karäer attraktiv machte.

Im Westen sahen sich die litauischen Herrscher einer ständigen Bedrohung durch den Deutschen Orden gegenüber, diese Auseinandersetzung konnte erst nach dem Bündnis mit Polen und der Schlacht von Tannenberg 1410 entschieden werden.

Nachdem das Großfürstentum Moskau die mongolische Fremdherrschaft um 1480 abstreifte, wurde es, da es sich gleichfalls als legitimer Nachfolger der Kiewer Rus ansah, seit dem Ende des 15., besonders aber seit Beginn des 16. Jahrhunderts, zum größten Konkurrenten Polen-Litauens bei der „Sammlung der russischen Erde“.

Union mit Polen

1386 bestieg der litauische Großfürst Jogaila nach seiner Taufe als Władysław II. Jagiełło den polnischen Thron, was zur Union von Krewo führte, in der ein Bündnis und eine Personalunion installiert wurde. Regent von Litauen wurde Jogailas Vetter Vytautas, der aber weiterhin eine eigenständige Großmachtpolitik betrieb und unter dem Litauen seine größte Ausdehnung erreichte. Es folgten weitere Reformulierungen der Union in der Union von Horodło und der Union von Vilnius und Radom. Ab ungefähr 1450 begann der Druck Moskaus sowie des Osmanischen Reichs zuzunehmen, welches das aus dem Zerfall der Goldenen Horde entstandene Krimkhanat unter seine Oberhoheit bringen konnte. Das erforderte ein immer engeres Zusammengehen der Bündnispartner. Die in den vorigen Verträgen formulierte Personalunion wurde 1569 in der Lubliner Union zu einer Realunion erweitert, deren Ergebnis der Polnisch-Litauische Doppelstaat (modern lit. Žečpospolita („Gemeinwesen“) oder Abiejų tautų respublika, („Republik beider Völker“)) war. Dabei trat Litauen allerdings seine Territorien in der heutigen Ukraine an die polnische Krone ab. Die Verteidigung der südlichen Peripherie gegen das Osmanische Reich und ihre Vasallen, die Krimtataren, betraf nun den polnischen Reichsteil.

Mit der im Zug der Union erfolgten Vereinigung des polnischen und litauischen Adels in einem gemeinsamen Sejm, der im Lauf des 16. Jahrhunderts immer mehr zum Schwerpunkt der Politik wurde, begann die Eigenständigkeit des Großfürstentums Litauen zur bloßen Formalität zu werden. Es gab jedoch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts eigene Institutionen. Insbesondere war das polnische Krontribunal für Litauen nicht zuständig, es gab in Hrodna ein eigenes Litauisches Tribunal. Erst mit der Verfassung vom 3. Mai 1791 wurde der Dualismus zwischen Polen und Litauen und damit indirekt das Großfürstentum abgeschafft; sie konnte in der kurzen Zeit bis zum Untergang des Gesamtstaates insgesamt aber keine Wirkung mehr entfalten.

Einzelnachweise

  1. ↑ A. Kappeler: Kleine Geschichte der Ukraine, München, C. H. Beck 1994, S. 43

Literatur

  • Mathias Niendorf: Das Großfürstentum Litauen. Studien zur Nationsbildung in der Frühen Neuzeit (1569-1795). Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2006, ISBN 3-447-05369-0, (Veröffentlichungen des Nordost-Instituts 3), (Zugleich: Kiel, Univ., Habil.-Schr., 2003).
  • Grigorijus Potašenko (Hrsg.): The Peoples of the Grand Duchy of Lithuania. Aidai, Vilnius 2002, ISBN 9955-445-52-1.
  • S. C. Rowell: Lithuania Ascending. A Pagan Empire within East-Central Europe 1295-1345. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1994, ISBN 0-521-45011-X, (Cambridge studies in medieval life and thought 4th Series, 25).

 

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Schlacht bei Orscha (1514)

Die Schlacht bei Orscha ereignete sich am 8. September 1514 nahe der Stadt Orscha im heutigen Weißrussland im Zuge des Russisch-Litauischen Krieges 1512–1522. Die Streitkräfte des Großfürstentums Litauen, durch die Polnisch-Litauische Union mit dem Königreich Polen verbündet, besiegten unter dem Kommando des Großhetmans von Litauen, Fürst Konstanty Ostrogski das Heer des Großfürstentums Moskau unter der Führung des Stallmeisters Iwan Tscheljadnin.

Den Litauern[7] und Polen[8] gelang die Einnahme des russischen Lagers sowie die Gefangennahme vieler russischen Würdenträger und Kommandanten. Trotz des taktischen Sieges blieb die strategische Bedeutung der Schlacht äußerst gering, da das Ziel des polnisch-litauischen Feldzugs, die Rückeroberung von einen Monat zuvor an Moskau verlorengegangenem Smolensk, nicht erreicht werden konnte.

Hintergrund

Zwischen dem Großfürstentum Litauen und dem Großfürstentum Moskau gab es bereits seit langer Zeit eine ausgeprägte Rivalität, die in zahlreichen Konflikten mündete, die als Russisch-Litauische Kriege bekannt sind. Beide Staaten beanspruchten für sich das Erbe der Kiewer Rus und waren mit dem „Sammeln der russischen Erde“ beschäftigt[9]. Litauen hatte zuvor aus der Verwüstung der Rus durch die Mongolen einen Vorteil gezogen und nach und nach den Westen der ehemaligen Rus unter seine Herrschaft gebracht (siehe Schlacht am Irpen). In der Folge bestand der Großteil seiner Einwohner aus orthodoxen Slawen, die jedoch von einer zunächst heidnischen baltischen Elite beherrscht wurden, welche bald zum polnischen Katholizismus übertrat. Im freien Teil der Rus erfolgte hingegen eine Konsolidierung rund um das Großfürstentum Moskau, dessen rurikidischen Herrscher bald auch russische (ostslawische) Gebiete im Großfürstentum Litauen zurück beanspruchten.[10]

In den vorausgegangenen drei Kriegen zeichnete sich ein Übergewicht Moskaus ab, das sich von der Oberherrschaft der Goldenen Horde befreit hatte. Durch die Niederlage in der Schlacht von Wedroscha verlor Litauen auch de jure ein Drittel seines Staatsgebiets an den Moskauer Großfürsten Iwan III.. Die orthodoxen Feudalherren begannen bereits zuvor wegen ihrer Benachteiligung gegenüber den Katholiken massenhaft dem Moskauer Großfürst Treueeid zu leisten und mit ihren Ländereien überzulaufen.[11]

Auseinandersetzungen im Vorfeld der Schlacht

Gegen Ende des Jahres 1512 begann ein neuer Krieg zwischen Moskau und Litauen. Unmittelbarer Anlaß war die Verhaftung der russischstämmigen litaischen Großfürstin Helena von Moskau in Wilno, die als Schutzherrin der Orthodoxen in Litauen auftrat und eine Schwester von Wassili III. war. Ein zweiter Grund war der neue Vertrag zwischen Litauen und dem Krimkhanat, nach dem Litauen die Krimtataren für Überfälle auf den Moskauer Staat bezahlte.[12]

Die Festung Smolensk bildete nach ihrer Eroberung vor rund 100 Jahren den wichtigsten östlichen Vorposten der Jagiellonen. Sie wehrte erste russische Belagerungen zu Beginn der Auseinandersetzungen 1512[13] und 1513[14] erfolgreich ab. 1514 ließ Großfürst Wassili III. ein 42.000 Mann starkes Invasionsheer[15] mit bis zu 300 Kanonen[16] unter der Führung der Fürsten Glinski und Schtschenja gegen Smolensk in Marsch setzen. Die Russen begannen am 17. März[17]mit der Belagerung der Stadt, während das Smolensker Umland durch Streifzüge der Nowgoroder Statthalter Schujski und Morosow gebrandschatzt wurde. Großfürst Wassili erschien persönlich im Juli vor Smolensk und ließ die Festung am 29. Juli[18] durch seine Artillerie beschießen.

Am 30. Juli 1514 fiel Smolensk schließlich durch den Verrat[19] des Garnisonskommandeurs Juri Solohub[20][21]. Knjas Glinski, ein abgefallener Vasall des polnisch-litauischen Königs mit guten Kontakten nach Litauen, überzeugte Solohub von der Notwendigkeit der Kapitulation. Für den Fall eines militärischen oder diplomatischen Erfolgs bei Smolensk aufgrund Glinskis Initiative versprach ihm der Moskauer Großfürst, sein Handeln mit der Herrschaft über Stadt und Umland in Form eines russischen Erblehens zu entgelten[22][23]. Einen Tag später hielt der russische Großfürst feierlich Einzug in die eingenommene Stadt[24] und ließ umgehend den einheimischen Adel ins Innere des Moskauer Staates umsiedeln, während auf ihren Ländereien Moskauer Edelleute angesiedelt wurden.[25]

Das Großfürstentum Moskau errang durch die Einnahme der Stadt eine Schlüsselposition am Oberlauf des Dnepr[26]. Die Nachricht über die Niederlage der Polen und Litauer verbreitete sich über ganz Europa[27]. Durch diesen Sieg ermutigt, sandte Großfürst Wassili III. Anfang August mehrere getrennt voneinander operierenden Truppenverbände ins Grenzgebiet des Großfürstentums Litauen und zur Einnahme der Städte Krytschau, Mstsislaw und Dubrouna. Ihre Gesamtstärke wird von modernen Forschern auf maximal 12.000 geschätzt.[28][29][30] Ältere Quellen, die sich auf glorifizierende Siegesschriften des polnischen Königs an den Papst berufen, sprechen von einem Invasionsheer von 80.000 Mann.[31]

Währenddessen sammelte der polnische König und litauische Großfürst Sigismund seine Truppen für die Rückeroberung von Smolensk unter dem Kommando von Fürst Konstanty Ostrogski. Die litauische Armee wird von den Historikern auf 7.000 geschätzt.[32] Auf der polnischen Seite ignorierte ein Großteil der Szlachta zunächst die Mobilmachung, nur mit Mühe und Not konnten bis August 9.000 Mann[33][5] in Minsk zusammengestellt werden. Die beiden Armeen beinhaltete auch Sölnder aus Westeuropa. Sigismund besaß eine gut ausgebildete und schwer gerüstete Kavallerie nebst einer Militäringenieureinheit[34] und Artillerie.[35] König Sigismund stieß mit seinem Heer bis Baryssau vor. Er blieb in der Stadt und ergänzte die Garnison mit bis zu 4.000 Mann[36]. Das restliche Heer zog unter dem Kommando des Fürsten Ostrogski Richtung Orscha, wo am 27. August[37] bereits erste Scharmützel an den Übergängen der Flüsse Bjaresina und Drut stattfanden. Die Gesamtstärke des polnisch-litauischen Heeres bei Orscha kam somit ebenfalls auf etwa 12.000 Mann.[5]

Die Truppen des Moskauer Großfürsten rückten nach der vorherigen Sicherung der eroberten Städte (Smolensk, Mstsislaw, Krytschau, Dubrouna etc.) unter der Führung des Konjuschis Iwan Tscheljadnin mit bis zu 12.000 Mann in die Gegend um Wizebsk zwischen Orscha und Dubrouna am Fluss Kropiwna vor[38], wo sie ihr Lager aufschlugen. Laut Weisung des Großfürsten sollten sie vorerst nur die Bewegungen der feindlichen Truppen observieren, was allerdings aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Kommandeuren Tscheljadnin und Knjas Bulgakow-Goliza völlig missachtet wurde. Tscheljadnin vertrat die Ansicht, die polnisch-litauischen Truppen müssten zumindest eine der zwei Brücken über den Dnepr überqueren, um ihn zu stellen. Folglich teilte er seine Streitkräfte, um jene Übergänge zu sichern. Jedoch setzte die Armee des Großhetmans einige Kilometer nördlich der erwähnten Brücken in der Nacht vom 7. zum 8. September, ca. fünf Kilometer östlich von Orscha, mit zwei Pontonbrücken sowie einer Furt gegenüber dem Dorf Paschino auf das südliche Ufer über, was von sporadischen Verhandlungen mit der russischen Seite getarnt wurde.

Der polnische Teil der verbündeten Streitmacht sich aus Infanterie, leichter und schwerer Kavallerie sowie Artillerie zusammen und wurde von den Hetmanen Świerczowski und Sampoliński befehligt. Das Kommando über die 12.000 Mann der litauisch-ruthenischen Reiter unterstanden teils dem Kiewer Wojewoden Radziwiłł, teils direkt dem Oberkommandeur Ostrogski.

Aufstellung zur Schlacht

Um neun Uhr morgens stand das gesamte Heer in einer Flussschlinge und war somit von drei Seiten vom Wasser umgeben. Seine Aufstellung folgte der sogenannten altpolnischen Tradition, die zum Ziel hatte, die gegnerische Hauptstreitmacht im Zentrum ihrer Linien zu binden, um sie anschließend mit Hilfe der an den Flanken stationierten schweren polnischen Kavallerie zu zerschlagen.

Das Zentrum der polnisch-litauischen Formation bildete in vorderster Linie das Fußvolk inklusive eines Teils der Artillerie[39]. Die Infanterieformation mit der Artillerie stand mittig zwischen Reiterkontingenten polnischer Kavallerie unter Sampoliński an ihrer linken Flanke, während an ihrer rechten in gleicher Mannstärke die Litauer und Ruthenen unter Ostrogski standen. Am linken Flügel, etwas hinter Sampoliński, stand Świerczowski mit seiner schweren polnischen Kavallerie, während sich hinter Ostrogski das Heer des Radziwiłł befand. Beide Flügel wurden jeweils durch eine Kavalleriereserve aus leichter polnischer und litauischer Kavallerie zusätzlich gestärkt. Die übrige Infanterie verbarg sich mit dem größten Teil der Artillerie im Bereich eines Hohlwegs in waldiger Gegend. Es hat den Anschein, dass Ostrogski mit einem massiven Vorstoß der russischen Truppen in diesen Bereich rechnete und frühzeitig Gegenmaßnahmen traf.

Die Moskowitische Armee, bestehend aus fünf Regimentern (Polks)[40], wurde in einer traditionellen Schlachtformation aufgestellt. In der Mitte das Große Polk unter der Führung Tscheljadnins. Vor ihm stellte sich in einer breiten Formation das Regiment des Wojewoden Rostowski auf. Auf der rechten Seite stand ein Polk des Knjas Bulgakow-Galitzin, auf der linken das Regiment unter Knjas Obolenski. Die Reserve stand in den hinteren Reihen unter der Führung des Wojewoden Tscheljadin-Dawydow.

Die Schlacht

Am 8. September 1514, um die Mittagszeit, erteilte Tscheljadnin den Befehl zum Angriff[41]. Bulgakow-Goliza griff mit seinem Regiment vom rechten Flügel als erster an und versuchte den Feind an seiner polnischen linken Flanke zu umfassen[42]. Ihm stellte sich, ohne Ostrogskis Angriffsbefehl abzuwarten, Sampoliński mit seinen Reitern entgegen. Er wurde durch die überlegene Angriffswucht des Gegners überrascht, sodass er sich auf seine Ausgangsposition zurückzog. Unter den Verluste der Polen befanden sich Vertreter alter Adelsgeschlechter wie Zborowski und Slupecki. Unterstützt von der leichten Kavallerie von Jan Tarnowski versuchte Sampoliński zwei Mal erfolglos einen Gegenangriff. Erst die schwere Kavallerie von Świerczowski zerstreute das gegnerische Regiment völlig. Die Kernstreitmacht des Polks warf sie zurück, den Rest drängte sie Richtung des Dnepr ab[42]. Derart in die Zange genommen, erhielt Bulgakow-Goliza keinerlei Entlastung durch die anderen russischen Truppenteile. Laut dem Chronisten Herberstein lag die Ursache für das Ausbleiben von Unterstützung in einer persönlichen Fehde zwischen Bulgakow-Goliza und dem Oberbefehlshaber Tscheljadnin.[43] Derartige Fehden, die sich um die Rangordnung und Ehre des Geschlechter handelten, behinderten die russische Kriegsführung lange Zeit bis ins 17. Jahrhundert hinein.

Gleichzeitig griff das das „Regiment zur linken Hand“ des Fürsten Pronski die rechte litauisch-ruthenische Flanke unter Ostrogski an. Tscheljadnin entschied, seine Offensive durch einen Teil seines Polks und das „vorderen Regiment“ von Temka-Rostowski zu verstärken. Ostrogski befahl seinen Truppen den Geordneten Rückzug in Richtung des Hohlwegs, wo ein Teil der polnisch-litauischen Infanterie und fast die gesamte Artillerie aufgestellt waren[44]. Die Kriegslist gelang dem ruthenischen Fürsten. Die russische Kavallerie verkannte die Lage und folgte Ostrogskis Truppen in den engen Hohlweg in Richtung des Dnepr. Die nachstoßenden Russen gerieten hier unter schweren Beschuss aus Handbüchsen und Falkonetten. Eine Artilleriekugel tötete den Wojewoden Temka-Rostowski, ebenso kam Knjas Obolenski ums Leben und das russische Heer, bestehend aus zwei Polks mitsamt der Reserven, wurde im dichten Schlachtengedränge stark dezimiert[42].

Die Vernichtung der Regimenter Rostowski und Obolenski leitete den Untergang der russischen Armee ein. Ostrogski ging zum Generalangriff über und stellte seine Truppen mit der Reserve dem Großen Polk Tscheljadnins entgegen. Im Zentrum erlitten die Russen in der Folge schwere Verluste. Tscheljadnin konnte nur mit Mühe die hintere Reserve Dawydows erreichen, wohin alsbald auch die schwere polnische Kavallerie Świerczowskis und die Einheiten Radziwiłłs vordrangen und die russischen Streitkräfte zerschlugen[42].

Polnische und litauische Kavallerie verfolgte die sich ungeordnet zurückziehenden Russen bis zum Fluss Krapiuna (Kropiwna), vier Kilometer vom Schlachtort entfernt, wo viele der Flüchtenden ertranken[45]. Gegen Abend (ca. 18 Uhr) waren die Kampfhandlungen weitgehend beendet, allerdings dauerte die Verfolgung zersprengter russischer Einheiten noch bis in die Mitternacht[42][46].

Falsifizierte Daten

Der polnisch-litauische Monarch Sigismund suchte politischen Nutzen mit Mitteln einer europaweiten Propaganda aus dem Sieg seines Heerführers Ostrogski zu ziehen. In seinen Briefen an den Hochmeister des Deutschen Ordens schrieb er, dass sich die Verluste der Russen auf ca. 30.000 Mann beliefen, während ihre Gesamtstärke ca. 80.000 Mann betragen haben soll.[47] In seiner Siegesschrift an den römischen Papst behauptete er, dass unter der russischen Verlusten 16.000 Mann tot waren und 14.000 in Gefangenschaft.[48] Sigismund legte nach, indem er die Russen als Nicht-Christen und Asiaten bezeichnete, die im Bund mit Türken und Tataren danach trachteten, das Christentum zu zerstören.[49]

Auf diese Schriften berufen sich unkritisch auch zahlreiche polnische Quellen des 19. und teilweise 20. Jahrhunderts. Moderne Quellen, die sich mit der Mobilisationsfähigkeit des Moskauer Staates zu dieser Zeit beschäftigen, reduzieren die mögliche Armeestärke der Russen und dementsprechend auch die möglichen Verluste deutlich. Auch der polnische Historiker Tomasz Bohun bezeichnet die Zahlen von König Sigismund als nicht vertrauenswürdig.[50] Laut polnisch-litauischen Dokumenten werden nur 611 Gefangene der russischen Aristokratie namentlich erwähnt.

Nichtsdestotrotz war diese Niederlage für die Russen sehr empfindlich. Zahlreiche oberste Heerführer gerieten in Gefangenschaft, darunter Iwan Tscheljadnin, Michail Bulgakow-Goliza, Iwan Pronski. Die Woiwoden Temka-Rostowski und Andrei Obolenski wurden getötet.

Folgen

Die Armee des Ostrogskis setzte die Verfolgung der Russen fort und nahm die meisten durch die Russen eroberten Festungen (Krytschau, Dubrouna, Mstsislaw) ein, jedoch waren die polnisch-litauischen Kräfte zu erschöpft, um Smolensk noch vor dem Winter zu belagern. Ostrogski erreichte die Tore von Smolensk erst gegen Ende September mit etwa 6.000 Mann. Das späte Eintreffen der Alliierten verhinderte eine Rückeroberung von Smolensk, da Großfürst Wassili die Verteidigung der Festung direkt nach der Schlacht vorbereiten ließ. Eine noch 1514 erfolgte, allerdings erfolglose, Erhebung mit dem Ziel eines Abfalls der Smolensker Bevölkerung vom Moskauer Staat Richtung Polen-Litauen, wurde durch den russischen Statthalter, Fürst Wassili Schuiski, bereits im Keimstadium erstickt. Die Konspiranten hängte man an der Stadtmauer auf, den Anführer des Aufstands, den orthodoxen Bischof Varsonophius[51], inhaftierte man in Moskau. Eine erfolgte Stürmung der Festung durch die Truppen des Ostrogskis wehrte Schuiski siegreich ab. Da die Schar der Belagerer zu einer dauerhaften Belagerung zu schwach war, musste sie sich nach Litauen in die Winterquartiere zurückziehen[52]. Somit wurde das ursprüngliche Ziel des litauisch-polnischen Feldzugs, die Wiedereinnahme Smolensk, verfehlt. Die strategische Bedeutung der Schlacht bei Orscha erwies sich als gering.

Dennoch marschierte Ostrogski, den man nach der Schlacht auch „Scipio Ruthenus“[53]rief, im Dezember 1514 triumphierend in Wilno ein und wurde von Polen und Litauern als Held gefeiert[54]. Um des Sieges zu gedenken, wurde ihm das Privileg erteilt in Wilno, der katholischen Hauptstadt des Großfürstentums, zwei orthodoxe Kirchen zu bauen[55]: die Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit und die Kirche von Heiligem Nicholas, die zu den eindrucksvollsten Beispielen der orthodoxen Kirchenarchitektur in Litauen gehören.

Die Schlacht hatte für den Verlierer keine territorialen Konsequenzen[56], sie minderte allerdings das Ansehen des Moskauer Großfürsten als potenziellen Verbündeten und steigerte das Prestige des polnisch-litauischen Königtums [57]. Im Anschluss an die Schlacht verließ der römisch-deutsche Kaiser Maximilian I. einseitig das deutsch-russische Bündnis, allerdings griff er bereits vor der Schlacht nicht wie abgesprochen das polnische Königreich an. Er hatte Angst, der polnische König würde mit seinem Schwager, dem ungarischen Magnaten Johann Zápolya, der im gleichen Jahr über den Bauernaufstand des György Dózsa obsiegte, ihre beiden siegreichen Heere gegen ihn, als Anstifter dieser Kriege, vereinen. Er bat den böhmisch-ungarischen König Vladislav II., den älteren Bruder des polnischen Königs Sigismund, eine Aussöhnung und Allianz mit Krakau zu vermitteln[58]. Die militärische Niederlage der russischen Seite wird von Historikern Iwan Tscheljadnin und Fürst Bulgakow-Goliza zugeschrieben, da sie in ihrer Uneinigkeit nicht in der Lage waren, ihre Streitmacht gemeinsam erfolgreich zu koordinieren[54]. Sie kam für den Moskauer Staat einer „Elitenkatastrophe“ gleich[59], zudem wurde durch Schwächung der Offensivkraft der russischen Westexpanison gegen Litauen bis etwa 1563[60] Grenzen gesetzt. Die Schlacht bei Orscha konnte allerdings die entscheidenden strategisch-territorialen Resultate der vorhergehenden Schlacht an der Wedroscha des Jahres 1500 (Moskowitisch-Litauischer Krieg 1500–1503) nicht revidieren.

Der Krieg zwischen dem Großfürstentum Litauen und dem Großfürstentum Moskau setzte sich in einem Grenzkrieg aus gegenseitigen Raubzügen ohne eine Entscheidungsschlacht bis 1522 fort. Er endete im Vertrag von Moskau, der einen zunächst auf fünf Jahre begrenzten Waffenstillstand[61]beiden Seiten auferlegte, zudem hatte Litauen auf Basis Uti possidetis auf bis zu ein Drittel seiner ruthenischen Gebiete einschließlich Smolensk zu verzichten.

Literatur

Quellen

  • Die Schlacht wurde von Siegmund von Herberstein in seinem Rerum Moscoviticarum Commentarii beschrieben („Kommentare über die Russen Angelegenheiten“, 1549).
  • Piso, Jacob: Epistola Pisonis ad Ioannem Coritium, de conflictu Polonorum et Lituanorum cum Moscovites. In Ianus Damianus, Iani Damiani Senensis ad Leonem X. Pont. Max. de expeditione in Turcas Egegia (Basel, bei Ioannes Frobenius, 1515).
  • Piso, Jacob: Die Schlacht von dem Kunig von Poln und mit dem Moscowiter, S.l., 1514.
  • Bielski, Marcin: Kronika polska (Polnische Chronik des Marcin Bielski).

Sekundärliteratur

  • Schlözer, August Ludwig: Allgemeine Welthistorie, Ausg. 50, Johann Jacob Gebauer Verlag, Halle 1785, S. 232−237.
  • Schulz, A.: Über ein Gemälde wahrscheinlich von Georg Preu (polnische Schlacht aus dem Anfänge des 16. Jh.) in Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift, Bd. 3, 1877, S.180.
  • Caro, Jakob: Die Schlacht bei Orsza 1514 (nach dem grossen Bilde im Museum Schlesischer Altertümer), in Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift, Bd. 3, 1879, S. 345−353.
  • Müller, Heinrich, Kunter, Fritz: Europäische Helme aus der Sammlung des Museums für Deutsche Geschichte, Militärverlag der DDR, Berlin 1971, S. 92−93.
  • Sach, Maike: Hochmeister und Großfürst - Die Beziehungen zwischen dem Deutschen Orden in Preußen und dem Moskauer Staat um die Wende zur Neuzeit, Quellen und Studien zur Geschichte des Östlichen Europa (SGO),Franz Steiner Verlag Wiesbaden GmbH, Band 62, 1. Auflage 2002, ISBN 3515080473.
  • Stryjkowski, Maciej: Kronika polska, litewska, żmódzka i wszystkiéj Rusi, Bd. 2, Stanisław Strąbski Verlag, Warszawa 1846, S. 381−388.
  • Dróżdż, Piotr: Orsza 1514, Dom Wydawniczy Bellona, Warszawa 2000, ISBN 9788311091344.

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. ↑ In Westeuropa durch polnische Vermittlung Moskowiter genannt
  2. ↑ Лобин А.Н. Мифы Оршанской битвы // Родина. 2010. № 9. С. 111-112>
  3. ↑ Brian Davies: Studia Slavica et Balcanica Petropolitana 2009 № 1-2. С.120-121.
  4. ↑ Курбатов О. А. Отклик на статью А. Н. Лобина//Studia Slavica et Balcanica Petropolitana 2009 № 1-2. С.104-119
  5. ↑ a b c d Лобин А. Н. К вопросу о численности вооружённых сил Российского государства в XVI в.//Studia Slavica et Balcanica Petropolitana 2009 № 1-2. С.45-78
  6. ↑ Icon Group International, Inc.: Attackers, San Diego/USA 2008, S. 204; Tadeusz Korzon, Bronisław Gembarzewski: Dzieje wojen i wojskowości w Polsce, Ausg. 2, Krakau-Lemberg-Warschau 1923; Laut Alexander von Bronikowski: Die Geschichte Polens, Bd. 2, Dresden 1827, S. 50: bis zu 500 Kanonen, die er als „Stücke“ beschreibt
  7. ↑ Den litauischen Truppen, die sich aus ethnischen Litauern und Ruthenen [Weißrussen, Ukrainer etc.] zusammensetzten
  8. ↑ Unter den Polen waren auch tschechische und deutsche Kontingente
  9. ↑ Peter Nitsche, Eckhard Hübner: Zwischen Christianisierung und Europäisierung, Stuttgart 1998, S. 91
  10. ↑ Hermann Wiesflecker: Kaiser Maximilian I., Bd. 1, Köln 1971, S. 311-312
  11. ↑ В.В. Каргалов: Конец ордынского ига. М.: Наука, 1980
  12. ↑ Nikolai Karamsin: Geschichte des russischen Staates. Band 7, Kapitel 11
  13. ↑ Laut Philipp Strahl und Ernst Herrmann in Geschichte des russischen Staates, S.18 …war der Casus belli unter anderem eine geheime Allianz zwischen König Sigismund und Meñli I. Giray, dem Khan der Krim. Laut [Paweł Jasienica: Polska Jagiellonów, 6 Auflage, Warschau 1992, S. 315-316] ließ der Khan nach der Schlacht bei Wiśniowiec 1512, in der eine große Tatarenrazzia durch Ostrogski und Kamieniecki vernichtet wurde [laut Chambers's encyclopaedia, unter Sigismund, S. 715, fanden in der Schlacht bis zu 27.000 Krimtataren und ihre Verbündeten den Tod], gegen polnische Tribute mit dem Titel eines „Upominek“ (wörtlich Andenken, hier als „Geschenk“ gemeint) in Höhe von 15.000 Złoty, das Moskauer Gebiet [Rjasan mit Umland] mit Razzien verheeren [die polnisch-krimtatarische Allianz hielt bis etwa 1519, dann wechselte der Khan erneut die Seiten]. Die erste Belagerung begann etwa im November 1512 [die Autoren erwähnen nicht das genaue Datum, nur dass der Großfürst im Dezember erschien]. Der Großfürst erschien am 19. Dezember persönlich vor Smolensk, sah sich jedoch aufgrund von Überschwemmungen des Dneprs, der die Kommunikation und Zufuhr erschwerte, zum Abzug im März 1513 genötigt
  14. ↑ Philipp Carl Strahl, Ernst Herrmann: Geschichte des russischen Staates, Ausg. 3, 1832, S. 18, begann die zweite Belagerung im September des Jahres 1513 und wurde aufgrund des schlechten Herbstwetters bereits nach sechs Wochen abgebrochen
  15. ↑ Кром М. М. О численности русского войска в первой половине XVIв. // Российское государство в XIV – XVII вв.: Сборник статей, посвященный 75-летию со дня рождения Ю.Г. Алексеева. — СПб.: 2002. — С. 77.
  16. ↑ Laut Stryjkowski, Maciej: Kronika polska, litewska, żmódzka i wszystkiéj Rusi, Bd. 2, S. 377; Jerzy Samuel Bandtkie: Dzieje narodu polskiego, S. 91
  17. ↑ Allgemeine Welthistorie von August Ludwig Schlözer, Bd. 50, 1785, S. 232: 17. März 1514
  18. ↑ Philipp Strahl, Ernst Herrmann: Geschichte des russischen Staates, S.19
  19. ↑ Jerzy Samuel Bandtkie: Dzieje narodu polskiego, S. 91; Meyers Konversationslexikon: Glinski, Michael, S. 435; Norman Davies: God's Playground: The origins to 1795, Oxford 2005, S. 114
  20. ↑ Allgemeine Welthistorie von August Ludwig Schlözer, Bd. 50, 1785, S. 233: Solohub
  21. ↑ Jerzy Hrycyk, Józef Buszko, Walter Leitsch, Stanisław Dzida: Österreich Polen, S. 35, 1996; Sigmund von Herberstein, Wolfram von den Steinen, Paul König, Walter Leitsch: Das alte Russland, S. 185, 1984; Paweł Jasienica: Polska Jagiellonów, 6 Auflage, Warschau 1992, S. 317: nur Juli
  22. ↑ Allgemeine Welthistorie von August Ludwig Schlözer, Bd. 50, 1785, S. 233; Nach dem Fall von Smolensk, sah sich der Großfürst Wassili hingegen nicht mehr an sein Versprechen gebunden; Maciej Stryjkowski fasst das Verhalten des russischen Oberhaupts indirekt als verräterische Versprechen zusammen
  23. ↑ Solohub, der anfangs Widerstand gegen die voreilige Übergabe leistete und der Stadtbevölkerung Entsatz durch den polnischen König versprach [Allgemeine Welthistorie von August Ludwig Schlözer, Bd. 50, 1785, S. 233], aber nach Morddrohungen durch die lokalen Würdenträger gegen seine Person den Forderungen der prorussischen Konspiranten nachgegeben hatte, wurde laut [Paweł Jasienica: Polska Jagiellonów, 6 Auflage, Warschau 1992, S. 317] für seine Entscheidung später angeklagt und hingerichtet
  24. ↑ Hermann Aubin: Geschichtliche Landeskunde und Universalgeschichte, S. 170, 1950
  25. ↑ Laut Stryjkowski, Maciej: Kronika polska, litewska, żmódzka i wszystkiéj Rusi, Bd. 2, S. 387…gab Großfürst Wassili den (verschleppten) Smolenskern russische Namen, den angesiedelten Russen smolenskische
  26. ↑ Paweł Jasienica: Polska Jagiellonów, 6 Auflage, Warschau 1992, S. 317
  27. ↑ In Rom vermutete man, das Ende des Königreichs Polen wäre angekommen, des Weiteren erwartete man einen Angriff seitens deutscher Staaten (Kaiser Maximilian von Habsburg im Bund mit Hochmeister Albrecht von Hohenzollern) [Paweł Jasienica: Polska Jagiellonów, 6 Auflage, Warschau 1992, S. 317] zur Stützung der moskowitischen Offensive. Am 4. August 1514 ratifizierte Kaiser Maximilian die im Januar 1514 bei Großfürst Wassili von Russland vorgelegte Allianzurkunde, die sich gegen König Sigismund von Polen-Litauen richtete [Maike Sach: Hochmeister und Grossfürst, S. 210, 1. Auflage 2002].
  28. ↑ Лобин А.Н. Мифы Оршанской битвы // Родина. 2010. № 9. С. 111-112>
  29. ↑ Форум//Studia Slavica et Balcanica Petropolitana 2009 № 1-2. С.120-121.
  30. ↑ Курбатов О. А. Отклик на статью А. Н. Лобина//Studia Slavica et Balcanica Petropolitana 2009 № 1-2. С.104-119
  31. ↑ Allgemeine Welthistorie von August Ludwig Schlözer, Bd. 50, 1785, S. 233 und Jerzy Samuel Bandtkie, Dzieje narodu polskiego, S. 91 unter anderem: 80.000 Mann gegen Wilno
  32. ↑ Лобин А. Н. К вопросу о численности вооружённых сил Российского государства в XVI в.//Studia Slavica et Balcanica Petropolitana 2009 № 1-2. С.45-78
  33. ↑ Лобин А.Н. Мифы Оршанской битвы // Родина. 2010. № 9. С. 112.
  34. ↑ Unter der Leitung von Jan Baszta aus Żywiec
  35. ↑ Unter der Leitung der Nürnberger Hans Weiß und Jan Behem
  36. ↑ Allgemeine Welthistorie von August Ludwig Schlözer, Bd. 50, 1785, S. 235; Jerzy Samuel Bandtkie: Dzieje narodu polskiego, S. 91
  37. ↑ Stryjkowski, Maciej: Kronika polska, litewska, żmódzka i wszystkiéj Rusi, Bd. 2, S. 382
  38. ↑ Allgemeine Welthistorie von August Ludwig Schlözer, Bd. 50, 1785, S. 235
  39. ↑ Rzeczpospolita vom 25. März 2006, Nr. 72, ORSZA ROK 1514, Bitwa pod Orszą
  40. ↑ auf russisch Polk, Polk=Regiment; Regimenter, die in den „Vorderen Polk“ und Polks „zur linker“ und „rechter Hand“ eingeteilt wurden u. a.; fast ausschließlich leichte Kavallerie
  41. ↑ Laut Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste, S. 241, …Angriff der Russen gegen die feindlichen Linien; Gazeta Wyborcza vom 9. September 2008, Włodzimierz Kalicki: 8 września 1514 r. Ja to wam namaluję!
  42. ↑ a b c d e Rzeczpospolita vom 25. März 2006, Nr. 72, ORSZA ROK 1514, Przez Orszę do Europy; Gazeta Wyborcza vom 9. September 2008, Włodzimierz Kalicki: 8 września 1514 r. Ja to wam namaluję!
  43. ↑ Лобин А.Н. Мифы Оршанской битвы // Родина. 2010. № 9. С. 113-114
  44. ↑ Laut Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste, S. 241, …verstellter Rückzug in den Bereich der Kanonen
  45. ↑ Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste, S. 241; Stryjkowski, Maciej: Kronika polska, litewska, żmódzka i wszystkiéj Rusi, Bd. 2, S. 386
  46. ↑ Allgemeine Welthistorie von August Ludwig Schlözer, Bd. 50, 1785, S. 236
  47. ↑ Acta Tomiciana III, № 232, 288, 289, 293, 295, 298, 301
  48. ↑ Acta Tomiciana III, № 234.
  49. ↑ Poe, Marshall T. (2001). A People Born to Slavery: Russia in Early Modern European Ethnography, 1478-1748. Cornell University Press. p. 21. ISBN 0-8014-3798-9.
  50. ↑ Bohun T. Bitwa pod Orsza 08.09.1514 // Rzeczpospolita. 2006. ¹ 4/20. S. 13.
  51. ↑ auf Russisch Warsonofi genannt
  52. ↑ Philipp Strahl, Ernst Herrmann: Geschichte des russischen Staates, S. 22; Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste, S. 241; Allgemeine Welthistorie von August Ludwig Schlözer, Bd. 50, 1785, S. 237
  53. ↑ Richard Roepell, Jakob Caro: Geschichte Polens, S. 793, 1886; Zeitschrift für osteuropäische Geschichte, S. 308, 1966; ruthenischer [weißrussisch-ukrainischer] Scipio
  54. ↑ a b Philipp Strahl, Ernst Herrmann: Geschichte des russischen Staates, S. 22
  55. ↑ Philipp Strahl, Ernst Herrmann: Geschichte des russischen Staates, S. 22; Allgemeine Welthistorie von August Ludwig Schlözer, Bd. 50, 1785, S. 237
  56. ↑ Smolensk mit Umland blieb ab 1514 bis 1611 unter russisch-moskowitischer Herrschaft
  57. ↑ Maike Sach: Hochmeister und Grossfürst, S. 212, 1. Auflage 2002
  58. ↑ Allgemeine Welthistorie von August Ludwig Schlözer, Bd. 50, 1785, S. 237; Die sich unter der Führung des Hauses Habsburg herausbildende antijagiellonische Liga aus deutschen Staaten im Heiligen Römischen Reich, Dänemark, Russland, dem Deutschen Orden in Preußen und Livland, brach als Ergebnis der Schlacht wie ein Kartenhaus in sich zusammen
  59. ↑ Laut Rzeczpospolita vom 25. März 2006, Nr. 72, ORSZA ROK 1514, Przez Orszę do Europy; in die Gefangenschaft geriet fast die gesamte militärische Führung der Russen, namentlich Tscheljadnin und Bulgakow-Goliza, Vertreter etlicher Fürsten- und Bojarenhäuser, so die Rurikiden-Fürsten der Linien Rjasan, Jaroslawl, Smolensk und Starodub
  60. ↑ Verlust von Polazk mit Umland nördlich der Düna 1563 an das Zarentum Russland im Russisch-Litauischen Krieg 1562–1570
  61. ↑ Laut Feliks Koneczny, Dzieje Rosji: gab sich Polen-Litauen mit dem Verlust von Smolensk nicht ab, folglich wurde nur ein Waffenstillstand geschlossen, der 1527 um weitere sechs Jahre verlängert wurde; Carol Belkin Stevens: Russia's wars of emergence, 1460-1730, S. 59, 2007; Eduard Pelz: Geschichte Peters des Grossen, S. 47

 

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Reiterkrieg

Der Reiterkrieg von 1519 bis 1521 war der letzte militärische Versuch des Deutschen Ordens unter seinem letzten Hochmeister Albrecht von Brandenburg-Preußen, den Deutschordensstaat in Ostpreußen von der Vormundschaft Polens zu befreien. Im Waffenstillstand nach ergebnislosen Kämpfen wurde Albrecht Protestant, säkularisierte 1525 das Land und nahm es als erster Herzog von Preußen als Lehen von König Sigismund I. von Polen.

Vorgeschichte

Der Zweite Thorner Frieden von 1466, der die Niederlage des Deutschen Ordens im Dreizehnjährigen Krieg gegen die Allianz aus Preußischer Bund und Polen besiegelte, hatte dem Orden nicht nur empfindliche Gebietsverluste eingebracht, sondern ihn durch die Verpflichtung zur Heeresfolge und zur Ableistung eines Treueeides gegenüber dem polnischen König in ein unerträgliches Abhängigkeitsverhältnis zu Polen gebracht. Nachdem der Orden 1497 von Polen gezwungen wurde, am Türkenfeldzug teilzunehmen, der sich jedoch weniger gegen die Türken richtete, sondern eher der Erweiterung des polnischen Herrschaftsgebietes diente, suchten die Hochmeister des Ordens sich aus der Abhängigkeit von Polen zu befreien.

Zunächst wurde der Plan des Hochmeisters Hans von Tiefen in die Tat umgesetzt, als seine Nachfolger deutsche Reichsfürsten zu wählen, die sich der Pflicht zum Treueeides leichter widersetzen konnten. Nach dem Tode von Tiefens wurde 1498 Herzog Friedrich von Sachsen zum Hochmeister gewählt. Er leistete den Treueeid nicht mehr, ebenso sein Nachfolger Markgraf Albrecht von Brandenburg-Ansbach. Dieser versuchte dann, mit militärischen Mitteln die Regelungen des Zweiten Thorner Friedens rückgängig zu machen.

Der Krieg

Den Kampf gegen seinen Onkel, den polnischen König Sigismund I., begann Albrecht mit dem Überfall auf die ermländische Stadt Braunsberg am 31. Dezember 1519. Sigismund fiel daraufhin in das zum Orden gehörende Pomesanien ein. Während der vierzehnmonatigen Kampfhandlungen kam es nie zu einer offenen Feldschlacht beider Heere, vielmehr zogen die hauptsächlich aus Söldnern zusammengestellten Truppen zerstörend einerseits durch das Ermland und andererseits durch den Südwesten des Ordenlandes. Zunächst hatte es den Anschein, als würden die polnischen Truppen die Überhand gewinnen, denn es gelang ihnen, weit in den Nordosten fast bis nach Königsberg vorzustoßen. Die preußischen Stände setzten sich für einen Waffenstillstand ein. Der Hochmeister reiste im Juni 1520 zu Verhandlungen mit Sigismund nach Thorn, brach die Gespräche nach kurzer Zeit aber wieder ab, als er erfuhr, dass eine dänische Hilfstruppe zu seiner Unterstützung aufgebrochen war. So flammten die Kämpfe wieder auf, immer wieder durch neue Verhandlungen unterbrochen.

1520 gelang es Albrecht, mit Hilfe deutscher Fürsten ein neues 10.000 Mann starkes Söldnerheer anzuwerben. Mit diesem drängte er die polnischen Streitmacht bis an die Weichsel zurück, die sie wegen Hochwassers nicht überschreiten konnte. Er konzentrierte die ihm zur Verfügung stehenden Kräfte nun jedoch nicht zu einer Entscheidungsschlacht, sondern führte Kämpfe im Ermland, wo er vergeblich versuchte, die Stadt Heilsberg einzunehmen.

Ebenso erfolglos versuchte das Söldnerheer, Danzig zu erobern. Dann löste es sich angesichts ausbleibender Erfolge auf.

Kriegsende und Friedensschluss

Als damit der Orden wieder ernsthaft in Gefahr geriet und zudem eine erneute Türkeninvasion befürchtet wurde, griffen der römisch-deutsche Kaiser Karl V. (seit 1519 im Amt) und der böhmisch-ungarische König Ludwig II. zur Befriedung der Region in das Geschehen ein und vermittelten einen vierjährigen Waffenstillstand, der am 21. März 1521 in Kraft trat. Den Waffenstillstand nutzte Albrecht zu einer Reise nach Deutschland, die ihn zu einer grundlegenden Änderung seiner Politik bewog. Auf Anraten Luthers führte er 1525 in seinem Land die Reformation ein und ließ sich im Frieden von Krakau am 8. April 1525 von König Sigismund die weltliche Herzogswürde in Preußen verleihen. Die Schritte Albrechts schmälerten Macht und Einkünfte des Deutschen Ordens empfindlich und wurden weder durch das Papsttum noch das Heilige Römische Reich anerkannt.

 

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Wiener Fürstentag

Der Wiener Fürstentag war ein politisch richtungsweisendes Treffen europäischer Herrscher im Jahre 1515.

Wichtige Teilnehmer waren Maximilian I. (Kaiser des Heiligen römischen Reiches) aus der Dynastie der Habsburger, sowie die Brüder Wladislaw II. (König von Böhmen und Ungarn) und Sigismund I. (König von Polen-Litauen) aus der Dynastie der Jagiellonen.

Die politische Situation Europas war von folgenden Ereignissen geprägt:

Das Osmanische Reich (die "Türken") bedrohte durch erfolgreiche Feldzüge im Balkan und in Südeuropa Ungarn und Österreich.

Spanien, Italien, Frankreich, England und Deutschland (in Form des HRR) stritten in wechselnden Bündnissen um die Vorherrschaft in Europa; die Auseinandersetzung betraf neben weltlichen Mächten auch die katholische Kirche.

Durch Verhandlungen sollte eine einheitliche Politik der osteuropäischen Mächte gegen die Bedrohung durch das Osmanische Reich erreicht werden. Die Verhandlungen wurden am 22. Juli 1515 abgeschlossen, und die Friedensvereinbarungen wurden durch Heiratsverträge besiegelt.

Folgen für Ungarn

Wichtige Vereinbarungen Ungarn betreffend waren

  • ein Heiratsvertrag zwischen Ludwig II. von Ungarn, dem Sohn Wladislaws, und Maria von Habsburg, einer Enkelin Maximilian I.; und
  • ein Heiratsvertrag zwischen Ferdinand I., dem Enkel Maximilian I., und Anna von Ungarn.

Ungarn wurde 1526 vom Osmanischen Reich erobert, wobei Ludwig II. sein Leben verlor. In Österreich konnte Ferdinand, der Anna geheiratet hatte, der Belagerung standhalten; nach dem Tod Ludwigs II. war er formal auch Herrscher über das osmanisch eroberte Ungarn, wo von den Osmanen jedoch Ludwigs Onkel Johann Zápolya zum König ausgerufen wurde. Insofern wurde durch diese Hochzeiten der Grundstein der "Donaumonarchie" gelegt, die sich später als Österreich-Ungarn zur europäischen Großmacht entwickelte.

 

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Preußische Huldigung

Preußische Huldigung (poln. Hołd pruski) ist der Titel eines Historiengemäldes des polnischen Malers Jan Matejko aus dem Jahre 1882.

Gemälde

Das Bild zeigt Matejkos Vorstellung davon, wie Albrecht I. von Brandenburg-Ansbach am 10. April 1525 in Krakau gegenüber dem polnischen König Sigismund I. den Lehnseid leistet, um damit als Abschluss des Reiterkrieges erster Herzog in Preußen zu werden. Zum Zeitpunkt der Entstehung des Gemäldes war Polen zwischen Russland, Österreich und Preußen-Deutschland aufgeteilt, insbesondere letzteres betrieb eine deutliche Germanisierungspolitik. Der nationalistische Maler Matejko, der seine Kunst als „eine Art Waffe“ betrachtete,[1] imaginiert in diesem Gemälde, dass die Machtverhältnisse einmal umgekehrt waren: Der Vorfahr des deutschen Kaisers Wilhelm I. (Deutsches Reich), der Hohenzollernfürst Albrecht, kniet vor dem polnischen König und gelobt ihm die Treue. Dass sich das Verhältnis zwischen beiden Ländern bald umkehren sollte, deutete Matejko in der Gestalt des Hofnarren Stańczyk an, der vor König Sigismund sitzt und mit sorgenvoller Miene, den Kopf in die Hand gestützt, aus dem Bild herausblickt. Das Bild hängt heute in der Galerie polnischer Kunst des 19. Jahrhunderts in Krakau.

Historischer Hintergrund

Albrecht von Brandenburg-Ansbach war ein Neffe der polnischen Jagiellonen-Könige und auch deswegen 1511 zum Hochmeister des Deutschen Ordens ernannt worden. Die Spannungen zwischen dem Ordensstaat und Polen im seit dem Zweiten Frieden von Thorn 1466 zweigeteilten Preußen mündeten 1519 in den Reiterkrieg, der 1521 mit einem Waffenstillstand unterbrochen wurde. Zur Lösung des Konfliktes beendete er mit Unterstützung der preußischen Stände die Herrschaft der Ordensritter auch im östlichen Teil Preußens, säkularisierte den Ordensbesitz, und führte die Reformation ein.

Die herzoglich-preußische Lehnsabhängigkeit von Polen endete 1657 mit dem Vertrag von Wehlau. In den Teilungen Polens wurde das Königreich Polen von 1772 bis 1795 auch mit Hilfe Preußens von den Landkarten getilgt. Im 19. Jahrhundert erinnerten sich Polen an frühere Glanzzeiten, der Historienmaler Matejko verfasste entsprechende Gemälde zur patriotischen Erbauung.

Einzelnachweise

  1. ↑ Feliks Szyszko: The Impact of History on Polish Art in the Twentieth Century

 

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Hühnerkrieg

Der Hühnerkrieg (polnisch Wojna kokosza) ist der Name für eine anti-royalistische und anti-absolutistische Rebellion (polnisch rokosz) der polnischen Szlachta, des mittleren und niederen Adels mit Zentrum im heutigen Galizien. Die abwertende Bezeichnung für den Krieg wurde den Magnaten zugeschrieben, dem höheren Adel, der größtenteils den König unterstützte und behauptete, die einzige Wirkung des „Krieges“ sei die Beinahe-Ausrottung der örtlich durch die Adligen requirierten Hühner während des „rokosz“ in Lemberg gewesen. Die Bezeichnung der Rebellion durch die Magnaten mit „kokosz“ – es bedeutet Legehenne – mag von einem Wortspiel inspiriert sein zwischen „rokosz“ und dem ähnlich klingenden „kokosz“.

Zu Beginn seiner Herrschaft erbte König Sigismund I., der Ältere ein Königreich Polen mit einer jahrhundertelangen Tradition von Freiheiten des Adels, in zahllosen Privilegien bestätigt. Sigismund sah sich der Herausforderung gegenüber, die innere Macht zu konsolidieren gegenüber äußeren Bedrohungen des Landes. Während der Herrschaft seines Vorgängers, Alexander I., war das Statut des „Nihil Novi“ (Nichts Neues) eingerichtet worden, das den Königen Polens verbot, Gesetze ohne Zustimmung des Sejms zu erlassen. Dies erwies sich als lähmend in Sigismunds Verhandlungen mit der Szlachta und den Magnaten wie auch als ernste Bedrohung der Stabilität des Landes. In der Absicht seine Macht zu stärken, erließ Sigismund eine Reihe von Reformen, richtete 1527 eine Wehrpflichtarmee ein und dehnte den bürokratischen Apparat aus, der nötig war, um den Staat zu regieren und die Armee zu finanzieren. Unterstützt von seiner italienischen Gemahlin, der Königin Bona Sforza, begann er Land zur Ausweitung des königlichen Besitzes zu kaufen. Er begann auch einen Prozess der Restitution königlicher Güter, die zuvor verpfändet oder Angehörigen des Adels als Lehen gegeben worden waren.

Im Jahre 1537 führte die Politik des Königs zu einem größeren Konflikt. Die Szlachta versammelte sich nahe Lemberg zu einer levée en masse und verlangte ein militärisches Einschreiten gegen Moldawien. Der kleine und mittlere Adel jedenfalls rief einen rokosz aus, eine halblegale Rebellion, in der Absicht, den König zur Aufgabe seiner Reformen zu veranlassen. Die Adligen präsentierten ihm 36 Forderungen, darunter die bedeutendsten:

  1. Ein Ende weiteren Landerwerbs durch Bona Sforza
  2. Befreiung der Szlachta vom Zehnten
  3. Eher Bereinigung als Ausweitung des Staatsschatzes
  4. Bestätigung und Ausweitung der Privilegien des Adels
  5. Aufhebung des Zolls oder Befreiung des Adels davon
  6. Annahme eines Gesetzes zur incompabilitas – der Unvereinbarkeit bestimmter Ämter in einer Hand (z. B. dem des Starost mit dem des Woiwoden)
  7. Die Verabschiedung eines Gesetzes, das nur die Angehörigen der örtlichen Szlachta für die Übernahme lokaler Ämter vorsah
  8. Die Schaffung eines permanenten Beratergremiums für den König.

Die Protestierer kritisierten schließlich die Rolle der Königin Bona Sforza, die sie einer „schlechten Erziehung“ des jungen Prinzen Sigismund August beschuldigten (des zukünftigen Königs Sigismund II. August) wie auch des Versuchs, ihre Macht und ihren Einfluss im Staat auszuweiten.

Es sickerte jedoch bald durch, dass die Führer der Szlachta unter sich zerstritten waren und dass es beinahe unmöglich war, eine Übereinkunft zu erreichen. Zu schwach einen Bürgerkrieg gegen den König zu beginnen, willigte man schließlich in etwas Ähnliches wie einen Kompromiss ein. Der König wies die meisten Forderungen zurück, akzeptierte allerdings das Prinzip der incompabilitas im folgenden Jahr und stimmte zu, die Wahl des zukünftigen Königs nicht Vivente Rege, also zu Lebzeiten des regierenden Königs, zuzulassen.

Daraufhin kehrte die Szlachta heim und hatte wenig erreicht.

 

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Lubomirski-Konföderation

Die Lubomirski-Konföderation war eine von 1665 bis 1666 dauernde Rebellion des polnischen Magnaten und Feldherrn, Jerzy Sebastian Lubomirski, gegen den polnischen König Johann II. Kasimir und seine Reformpläne.

Von seinem Verbannungsort Schlesien suchte Fürst Lubomirski um Unterstützung für seine Sache beim Kaiser Leopold I., Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg und König Karl von Schweden nach, während die Beschlüsse des polnischen Parlaments durch seine Gefolgsleute in Polen mittels des Liberum Vetos lahmgelegt wurden. Lubomirski höchstpersönlich schlug, dank der Unterstützung durch einen Teil des polnischen Adelsaufgebots und rebellierender Königstruppen, das königliche Heer mehrmals beinahe vernichtend in die Flucht, so 1665 bei Tschenstochau und 1666 bei Mątwy, während sich Polen im Osten mit Russland ab 1654 formell noch im Kriegszustand befand.

Die Konföderation endete schließlich im Vertrag von Łęgonice, der den polnischen König dazu verpflichtete seine Reformpläne aufzugeben und mit Russland 1667, unter Aufgabe weiter Gebiete im Osten, den ungünstigen Waffenstillstand von Andrussowo abzuschließen.

 

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Osmanisch-Polnischer Krieg 1672-1676

Der Osmanisch-Polnische Krieg 1672–1676 war ein Krieg zwischen dem Osmanischen Reich im Bund mit dem Khanat der Krim und Doroschenko-Kosaken auf der einen Seite und der Republik Polen-Litauen im Bund mit der Walachei und Chanenko-Kosaken auf der anderen. Der Krieg begann im Januar 1672 mit einer Kriegserklärung des türkischen Sultans und endete 1676 mit dem Vertrag von Żurawno, in dem Polen gezwungen wurde, seine Souveränität über Podolien mit der Hauptstadt Kamieniec Podolski an das Osmanische Reich abzutreten.

Hintergrund

Der Osmanisch-Polnische Krieg 1672–1676 hatte seinen Ursprung im Jahr 1666, als Petro Doroschenko, Kosaken-Hetman in der „rechtsufrigen Ukraine“, sich mit den Krimtataren gegen Polen verbündet hatte. Im Vertrag von Andrussowo, 1667, wurde der aus Teilen der polnischen Ukraine 1649 entstandene Staat der Saporoger Kosaken, das Hetmanat, in eine polnisch dominierte Ukraine westlich des Dnjepr (rechtsufrige Ukraine) und eine russisch dominierte Ukraine östlich des Dnjepr (linksufrige Ukraine) geteilt. Die Ukraine versank daraufhin für Jahrzehnte im Chaos eines Bürgerkriegs verschiedener kosakischer Parteiungen, die entweder propolnisch, prorussisch oder prokrimtatarisch-osmanisch waren. Es war eine Zeit, die in der ukrainischen Historiographie als „die Zeit des Ruins“ bekannt ist. Im Kampf gegen Polen versuchte Petro Doroschenko die Kontrolle über die gesamte rechtsufrige Ukraine zu erlangen. Er scheiterte bei dem Versuch und sah sich im Angesicht der militärisch-politischen Niederlagen gezwungen, mit dem osmanischen Kaiser ab 1667 in Verhandlungen zu treten. Er schloss mit ihm einen Vertrag, der das rechtsufrige kosakisch-ukrainische Hetmanat mit der Hauptstadt Tschyhyryn formell zu einem Vasallenstaat (Protektorat) des Osmanischen Reiches machte.

Die polnisch-litauische Republik war durch den Chmielnicki-Aufstand 1648–1654, den Russisch-Polnischen Krieg 1654–1667, den Schwedisch-Polnischen Krieg 1655–1660 und eine gegen den polnischen König gerichtete interne Rebellion des Fürsten Lubomirski 1665–1666 zu geschwächt, um etwaige Kosakenaufstände zu bekämpfen oder nur die volle Kontrolle über das ukrainische Gebiet zurückzugewinnen, das ab 1648 ein ständiger Unruheherd blieb.

Um aus der Schwäche Polens Kapital zu schlagen, wechselte 1666 das ab 1654 mit Polen gegen das Zarentum Russland und Ataman Chmielnicki zuvor verbündete Khanat der Krim unter der Führung des neuen Khans, Adil Giray, erneut die Seiten („krimtatarisches Wechselfieber“) und ging mit Hetman Doroschenko eine gegen Polen gerichtete Allianz ein. Beide Bündnispartner waren zunächst erfolgreich und schlugen durch einen Überraschungsangriff ein 6000 Mann starkes polnisches Heer unter Sebastian Machowski in der Schlacht bei Ściana bzw. Brajłów in Podolien am 19. Dezember 1666, die kosakisch-krimtatarische Offensive wurden jedoch im folgenden Jahr durch die Streitkräfte des Feldhetmans der polnischen Krone, Jan Sobieski, gestoppt und die Doroschenko-Kosaken im Bund mit den Krimtataren selbst mehrmals in die Flucht geschlagen. Nach der für die Polen siegreichen Schlacht bei Podhajce, 1667, schloss Polen mit dem Khanat der Krim am 16. Oktober 1667 und mit Doroschenko am 19. Oktober desselben Jahres Waffenstillstandsverträge.

Als 1669 Doroschenko für die Ukraine weitgehende Autonomie verlangte, wurde er auf Befehl des polnischen Königs seines Amtes enthoben und durch Hetman Michael Chanenko ersetzt. Als der seit 1667 den Polen freundlich gesinnte Khan der Krim, Adil Giray, ein Bündnis mit den neuen Hetman der rechtsufrigen Ukraine schloss, ohne vorher dafür bei seinem Suzerän um die Erlaubnis nachzufragen, wurde dieser im Mai 1671 durch den osmanischen Sultan gestürzt und durch einen loyaleren Vasallen, Selim I. Giray, ersetzt. Doroschenko erneuerte daraufhin mit dem neuen Krimkhan die Allianz von 1666–67. Im August 1671 brach der Krieg erneut aus, doch auch diesmal wurden die ungleichen Allianzpartner durch die Truppen von Jan Sobieski militärisch bezwungen. Daraufhin bat Selim seinen Suzerän, den türkischen Kaiser, um militärischen Beistand, der die „Bitte“ seines Vasalls als Vorwand nutzte, Polen-Litauen den Krieg zu erklären, um die zwischen Polen, Russland und dem Krimkhanat strittige Ukraine für das Osmanische Reich zu erobern.

So entwickelte sich aus einem Grenzkonflikt, ein Krieg zwischen dem republikanischen Königreich Polen-Litauen und dem Osmanischen Reich um die Herrschaft über die Ukraine.

Die Kampagne von 1672

Die osmanischen Streitmacht (bis zu 100.000 Mann) unter der Führung von Sultan Mehmed IV. und Großwesirs Köprülü Fazil Ahmed betrat das Gebiet der polnischen Ukraine im August 1672, nahmen die Festung Kamieniec Podolski am 26. August desselben Jahres ein, dem schließlich am 20. September die Belagerung von Lemberg folgte. Die Krimtataren, die an der Belagerung nicht teilnahmen, begannen mit ihren Razzien zwischen den Flüssen Wieprz, San, Bug und Wislok. Die Razzien umfassten ein Gebiet, das die Städte Zamość, Lemberg, Biecz und Drohobytsch umschloss. Sobieski stellte ihnen mit einer bis zu 4.000 Mann starken Kavallerie (Sobieskis Kriegszug gegen die Tataren-Razzien, poln. Wyprawa Sobieskiego na czambuly tatarskie) vom 5. Oktober bis zum 14. Oktober nach. Auf das Endergebnis der 1672er Kampagne hatte Sobieskis Kriegszug jedoch kaum Einfluss, es konnten allerdings bis zu 44.000 Menschen aus der Gefangenschaft (Jasyr) der Krimtataren befreit werden, die man in die Sklaverei auf der Halbinsel Krim trieb. Die polnischen Truppen waren zu schwach und dem osmanischen Heer im freien Feld nicht gewachsen. Auf den Krieg völlig unvorbereitet und durch innere Zerwürfnisse zwischen dem König Michael Wisniowiecki, der durch die Masse des Kleinadels an die Macht kam und den Magnaten (die den untätigen König zur Abdankung zwingen wollten) geschwächte Polen, konnte der durch das Liberum Veto in der ersten Hälfte des Jahres 1672 zweimal blockierte polnische Reichstag (durch die Anhänger des Königs) keine höheren Steuern anordnen, um das Truppenkontingent im Angesicht der osmanischen Kriegserklärung zu erhöhen. Nach mehreren Niederlagen waren die Vertreter des Königs gezwungen, mit den Vertreter des Osmanischen Reiches, Kaplan, Paşa, Wesir und Beylerbey von Aleppo (Eyalet Aleppo, arab. aleb, türk. Halep), den Vorfriedensvertrag von Buczacz am 18. Oktober 1672 zu unterzeichnen, der dem Osmanischen Reich Podolien mit der Festung Kamieniec Podolski und fast die gesamte rechtsufrige Ukraine den Doroschenko-Kosaken als Vasallen der Hohen Pforte zusprach, zudem verpflichtete sich die polnische Krone dem türkischen Sultan einen Tribut von 22.000 in „Czerwony Złoty“ jährlich zu leisten.

Ein Bericht über diesen Feldzug ist in der Chronik von Hacı Ali festgehalten.

Die Kampagne von 1673

Da der Vertrag von Buczacz aufgrund seines „schändlichen Charakters“ (beträchtliche Gebietsverluste, Tributleistungen, die Polen faktisch auf die gleiche Höhe stellten, wie die Krim oder die Moldau) durch den polnischen Reichstag nicht ratifiziert wurde, setzte er sich im nächsten Jahr fort. Das polnische Parlament ordnete die Erhöhung von Steuern an, um eine Streitmacht von 43.000 Mann (die Krone Polens 31.000 Mann, der litauische Reichsteil 12.000 Mann) auszuheben. Großhetman Sobieski übernahm die Führung der neuen Armee, der es gelang die Osmanen im Felde mehrmals zu schlagen, große Teile Moldawiens und der strittigen ukrainischen Gebiete (bis auf das von polnischen Truppen belagerte türkische Kamieniec Podolski) konnten von osmanischen Truppen geräumt werden. In der Schlacht bei Chocim, am 11. November 1673, nahm Sobieski das osmanische Kriegslager und die Festung Chocim ein, während die dort stationierte bis zu 35.000 Mann starke Garnison unter der Führung von Hüseyin (Hussein), Paşa von Silistrien, im Sturmangriff der Husaren fast völlig aufgerieben wurde. Nach der Einnahme von Chocim verlagerte der polnische König das Kriegsgeschehen auf das Gebiet Moldawiens und nahm sogar dessen Hauptstadt Jassy kurzfristig ein, jedoch aufgrund von Fahnenflucht und des eigenmächtigen Rückzugs von Großhetman Michael Kasimir Pac, der den litauischen Truppenteil kommandierte und ihn zurück nach Litauen nahm, musste er sich von dort rasch zurückziehen. Als König Michael Korybut Wisniowiecki am 10. November 1674 verstarb, wurde Großhetman Sobieski für seine militärischen Erfolge und Verdienste für das Vaterland zum König von Polen-Litauen erwählt. Die Sieg bei Chocim änderte weder etwas am weiteren Kriegsverlauf, noch konnte er politisch gegenüber der Hohen Pforte „ausgeschlachtet“ werden. Der Krieg setzte sich auch in den nächsten Jahren mit unverminderter Härte fort.

Die Kampagnen von 1674 bis 1675

In den Jahren nach 1674 schmolz das polnische Heer zahlenmäßig ab, da der von den Magnaten beherrschte polnische Reichstag sich im Angesicht osmanischer Niederlagen weigerte, erneut Steuern zu erheben, um die Armee zu bezahlen, was zu hoher Desertion innerhalb der unbesoldeten polnisch-litauischen Armee führte. Zusätzlich setzte der Großhetman Litauens, Michael Kasimir Pac, seinem Intimfeind Sobieski zu, was Intrigen innerhalb des polnisch-litauischen Heeres begünstigte, während die Osmanen ihre Streitkräfte reorganisierten und verstärkten. Trotzdem blieben die Polen ab 1674 in der Offensive, auch durch ein sich ab 1674 abzeichnendes russisch-kosakisch-osmanisches Zerwürfnis (Krieg der Kosaken aus der linksufrigen Ukraine im Bund mit Russland gegen den osmanischen Vasallen Doroschenko und dessen Kosaken in Tschyhyryn) begünstigt. Die Polen gewannen die gesamte rechtsufrige Ukraine zurück (bis auf Kamieniec Podolski) und beherrschten sie vom Herbst 1674 bis zum Frühling 1675; jedoch stellten die Osmanen erneut ein Heer gegen Polen in Marsch und antworteten im Juni 1675 mit einer Gegenoffensive. Die bis zu 30.000 Mann starke osmanische Armee unter der Führung des Serdar Şişman Ibrahim, Paşa von Buda und ein Schwiegersohn des Sultans, setzte über den Dnister bei Tighina über, wo bei Manaczyn eine krimtatarische Streitmacht in fast gleicher Mannstärke zu ihr stieß. Şişman nahm Bar ein, dem am 27. Juni Zbaraż und am 11. September Podhajce folgten, und begann am 20. September mit der Belagerung von Trembowla. Nach der für die Polen siegreichen Schlacht bei Lesienice vom 24. August in der Nähe von Lemberg gegen die Krimtataren (bis zu 20.000 Mann) des Nuradin Safa Giray, organisierte Sobieski ein Entsatzheer für die belagerte Stadt. Berichte über das kommende Entsatzheer hörend, unterbrach Şişman die Belagerung der Stadt am 11. Oktober und zog sich hinter den Dnister zurück.

Die Kampagne von 1676

Im August 1676 begannen die Osmanen erneut im Bunde mit den Krimtataren (bis zu 60.000 Mann unter der Führung von Şajtan Ibrahim, Paşa von Damaskus und Selim I. Giray) mit einer neuen Offensive gegen Polen. Sie betraten das Gebiet Polens über Pokutien und marschierten Richtung des heutigen Iwano-Frankiwsk. Nach der Schlacht bei Wojniłów vom 24. September zog sich Sobieski etwas ins Landesinnere zurück, wo er mit ca. 20.000 Mann im Kriegslager von Żurawno, südlich von Lemberg bei Halytsch, einer osmanisch-tatarischen Belagerung drei Wochen lang standhielt (vom 25. September bis 14. Oktober 1676), bis beide Parteien entkräftet schließlich in einen Waffenstillstand einwilligten.

Abschluss

Nach der Schlacht bei Żurawno schlossen beide Kriegsparteien am 17. Oktober 1676 den Waffenstillstandsvertrag von Żurawno. In ihm behielt das Osmanische Reich die direkte Kontrolle über Podolien mit Kamieniec Podolski (osmanisches Eyalet Podolya 1672/76–1699). Polen erhielt einen Teil der verlorenen Gebiete (Biała Cerkiew) in der „Rechtsufrigen Ukraine“ zurück, der Rest ging an Hetman Doroschenko als Vasall der Hohen Pforte (nach dessen Entmachtung 1676 durch den russischen Zaren an Juri Chmelnyzkyj, der ein Sohn von Bohdan Chmelnyzkyj war), als Hetman 1677–81, außerdem wurden Kriegsgefangene ausgetauscht. Der Inhalt des Vertrages von Żurawno fand seine völkerrechtliche Anerkennung im Vertrag von Konstantinopel 1678, in dem der türkische Sultan auf „Bitten“ des Krimkhans zusätzlich auf den von den Polen zu entrichtenden, jedoch nie gezahlten Tribut verzichtete.

Literatur

  • Viorel Panaite: Ottoman-Polish Diplomatic Relations, Asian Studies. International Journal for Asian Studies (II/2001) (Englisch)
  • Geoffrey Treasure: The Making of Modern Europe, 1648-1780, S. 536, S. 612, ISBN 978-0-415-30155-8 (Englisch)
  • Stanford Jay Shaw: History of the Ottoman Empire and Modern Turkey, Cambridge University Press, 1977, S. 213, ISBN 0-521-29163-1 (Englisch)
  • John Stoye: The Siege of Vienna: The Last Great Trial Between Cross & Crescent, S. 18, ISBN 978-1-933648-63-7 (Englisch)
  • Paul Robert Magocsi: A History of Ukraine, S.227, ISBN 0-8020-7820-6 (Englisch)

 

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Großer Türkenkrieg

Der Große Türkenkrieg, auch als Großer Türkenkrieg Leopolds I. oder 5. Österreichischer Türkenkrieg bezeichnet, dauerte von 1683 bis 1699. Unter seinem neuen Großwesir und Oberbefehlshaber Kara Mustafa versuchte das Osmanische Reich 1683 zum zweiten Mal (nach der Ersten Wiener Türkenbelagerung 1529), Wien zu erobern und das Tor nach Zentral- bzw. Westeuropa aufzustoßen. Das Scheitern der Belagerung führte zur kaiserlichen Gegenoffensive, in deren Verlauf die Osmanen aus dem Gebiet des Königreichs Ungarn vertrieben wurden und die Dreiteilung Ungarns zu Gunsten der Habsburger ein Ende fand.

Vorgeschichte

1529 mussten die Osmanen vor Wien ihren ersten Versuch zur Einnahme der Stadt wegen schlechten Wetters und des daraus resultierenden fehlenden Nachschubs abbrechen. Im Türkenkrieg von 1663/1664 stießen die Osmanen erneut auf Wien vor, konnten aber am 1. August 1664 vom kaiserlichen Oberbefehlshaber Raimondo di Montecuccoli in der Schlacht bei Mogersdorf/St. Gotthard an der Raab aufgehalten werden. Neun Tage nach diesem Sieg wurde der Friede von Eisenburg (Vasvár) mit einer Gültigkeitsdauer von 20 Jahren unterzeichnet. Ein Jahr vor Ablauf setzte sich Großwesir Kara Mustafa mit einem 150.000 Mann[1] starken Heer Richtung Wien in Marsch. Die Gelegenheit schien günstig, da die unter osmanischer Herrschaft operierenden Kuruzen unter Emmerich Thököly weite Gebiete des Königreichs Ungarn unter ihre Herrschaft gebracht hatten.

Kriegsverlauf

Der Entsatz von Wien 1683

Als am 7. September 1683 sich ein vom Papst Innozenz XI. mitfinanziertes Entsatzheer des Heiligen Römischen Reiches unter Karl von Lothringen mit Truppen des Polenkönigs Jan Sobieski III. in Tulln an der Donau ungefähr 30 Kilometer vor Wien vereinigte, dauerte die Belagerung schon seit dem 15. Juli an. Unter der Führung des polnischen Königs überraschte man die osmanische Streitmacht und schlug sie fünf Tage später am 12. September 1683 in der Schlacht am Kahlenberg vernichtend. In dieser Schlacht erhielt jener junge Leutnant seine Feuertaufe, der diesen Türkenkrieg schließlich beenden sollte: Prinz Eugen von Savoyen. Der türkische Chronist Mehmed, der Silâhdar, berichtete über den Anblick der Entsatzarmee:

„Die Giauren [Ungläubige, christliche Truppen] tauchten mit ihren Abteilungen auf den Hängen auf wie Gewitterwolken, starrend vor dunkelblauem Erz. Mit dem einen Flügel gegenüber den Walachen und Moldauern an das Donauufer angelehnt und mit dem anderen Flügel bis zu den äußersten Abteilungen der Tataren hinüberreichend, bedeckten sie Berg und Feld und formierten sich in sichelförmiger Schlachtordnung. Es war als wälze sich eine Flut von schwarzem Pech bergab, die alles, was sich ihr entgegenstellt, erdrückt und verbrennt.“[2]

Die Eroberung von Ofen

Durch die türkische Niederlage von 1683 sah Leopold I. nun endlich die Chance zum Gegenschlag. Unter Mithilfe von Papst Innozenz XI. wurde am 5. März 1684 die Allianz der Heiligen Liga gegen die Osmanen geschlossen. König Sobieski der Polen, Kaiser Leopold I. und die Republik Venedig schlossen ein Bündnis, das sich ausschließlich gegen die Osmanen richten sollte.[3] Das erste Ziel war die Befreiung von Ofen. Im Oktober 1684 musste die Belagerung aufgegeben werden, da die Moral schlecht war und das türkische Entsatzheer die kaiserlichen Belagerungstruppen bedrängte.

Zwei Jahre nach der erfolglosen Belagerung von Ofen wurde 1686 ein erneuter Feldzug zur Einnahme der ungarischen Hauptstadt gestartet. Mitte Juni 1686 wurde mit der Belagerung begonnen. Ein türkisches Entsatzheer traf Mitte August vor Ofen ein, der Kommandant scheute aber anzugreifen. Am 2. September 1686 eroberten die kaiserlichen Truppen die Festung.[4]

Zweite Schlacht von Mohács

161 Jahre nachdem das unabhängige Ungarn in der ersten Schlacht bei Mohács (1526) aufgehört hatte zu existieren, kam es am 12. August 1687 auf der gleichen Ebene erneut zur Schlacht um Ungarn. Die 50.000 Mann starke kaiserliche Streitmacht unter Karl von Lothringen traf auf ein ca. 60.000 Mann starkes osmanisches Heer. Einem türkischen Großangriff wurde standgehalten, und der von Prinz Eugen geführte Gegenangriff brach durch sämtliche türkischen Linien bis zum Zelt des geflohenen Großwesirs durch. Während auf kaiserlicher Seite nicht mehr als 600 Mann an Verlusten zu beklagen waren, mussten die Türken bis zu 10.000 Tote hinnehmen.[5] Die Folgen dieses, wenn man den Zahlen glauben schenkt, überwältigenden Sieges waren umfassend: In der Folge konnte Karl von Lothringen Esseg und Slawonien befreien, während Siebenbürgen wieder an Ungarn angegliedert wurde. Unter dem Eindruck dieser Ereignisse sprach der ungarische Reichstag den Habsburgern das Erbrecht auf die Stephanskrone zu, und der erst neunjährige Sohn Kaiser Leopolds, Joseph, wurde König von Ungarn. Prinz Eugen, der den Gegenstoß bei Mohács persönlich geführt hatte, wurde reichlich dafür entlohnt: Im Januar 1688 erfolgte die Ernennung zum Feldmarschalleutnant und er wurde in den Orden des goldenen Vlies aufgenommen.

Belgrads Eroberung und deren Folgen

Nach der erfolgreichen Zweiten Schlacht bei Mohács 1687 hieß das Ziel im darauf folgenden Jahr Belgrad – die Stadt zwischen Donau und Save, welche seit 1521 in osmanischen Besitz war. Unter dem Kommando von Max Emanuel, des Kurfürsten von Bayern, begann die Belagerung Anfang August 1688. Nur einen Monat später, am 6. September 1688, wurde die Stadt unter enormen Verlusten auf beiden Seiten eingenommen. Die kaiserlichen Truppen eroberten Niš am 24. September 1688, Widin am 16. Oktober 1689 und rückten bis Bankja (jetzt eine Vorstadt Sofias) und Pernik im Osten und Skopie und Priština (befreit im Oktober 1689) im Süden vor[6]. Die Bevölkerung „stieg aus den Gebirgen ein und hieß die Deutschen als Befreier von ihrer sklavischen Lage willkommen.“[7]

Bereits 20 Tage nach der Einnahme Belgrads marschierten Truppen König Ludwigs XIV. in das Rheinland ein und eröffneten den Pfälzischen Erbfolgekrieg. Trotz dieser ungünstigen strategischen Entwicklung entschloss man sich am Kaiserhof im Juni 1689 die Waffenstillstandsverhandlungen mit der Hohen Pforte einzustellen und gleichzeitig den größten Teil des kaiserlichen Heeres nach Westen zu verlagern. Durch diese Ereignisse wendete sich das Kriegsglück im Osten wieder zugunsten der Osmanen, die im Jahre 1690 Belgrad zurückerobern konnten.

Die Schlacht bei Zenta

Nachdem 1697 der Pfälzische Erbfolgekrieg beendet worden war, kehrte Prinz Eugen, in der Zwischenzeit zum Feldmarschall befördert (1693), auf den osmanischen Kriegsschauplatz als Oberbefehlshaber der Armee in Ungarn zurück. Er sammelte die Truppen aus Oberungarn und Siebenbürgen bei Peterwardein, um den osmanischen Vorstoß aufzuhalten. Nach der Vereinigung mit den Truppen umfasste die kaiserliche Armee zwischen 50.000 und 55.000 Mann.[8] Den ganzen August hindurch spielten sich jedoch nur taktische Manöver zwischen den Streitmächten im Großraum Peterwardein ab. Anfang September brachen die Osmanen die taktischen Geplänkel ab und zogen der Theiß entlang nach Norden um sich der Festung Szegedin zu bemächtigen. Der kaiserliche Feldmarschall folgte nun, fast auf gleicher Höhe, der osmanischen Streitmacht. Der Sultan gab den Plan zur Erstürmung Szegedins deswegen auf; er beabsichtigte nun die Theiß bei Zenta zu überqueren und sich nach Temesvár ins Winterlager zurückzuziehen. Als Prinz Eugen die Absicht des Feindes erkannte, entschloss er sich sofort zum Angriff, überraschte die Osmanen am 11. September 1697 während der Flussüberquerung und fügte ihnen eine vernichtende Niederlage zu.

Es war ein vollständiger und umfassender Sieg, und von nun an war der Name Prinz Eugen in ganz Europa zu einem Begriff geworden. Der nach Temesvár fliehende Sultan verlor an die 25.000 Mann, wohingegen die Verluste der Truppen des Kaisers 28 Offiziere und 401 Mann an Toten betrugen.[9] Eine vernichtendere Niederlage hatte das Osmanische Reich auf dem europäischen Kontinent noch nicht erlebt.

Der Überfall auf Sarajevo

Der Sieg bei Zenta wurde von den Kaiserlichen jedoch nicht entscheidend strategisch genutzt, denn für eine Belagerung der Festung Temesvár war das Jahr schon zu weit fortgeschritten. Bevor man jedoch ins Winterlager zog, sollte den bereits angeschlagenen Türken noch ein weiterer Schlag versetzt werden. Prinz Eugen beschloss mit einem Teil seiner Armee einen Überfall auf Bosnien durchzuführen. Sein Ziel: Sarajevo. Der Einfall begann am 13. Oktober 1697 von Esseg (heute: Osijek, Kroatien) aus. Bereits zehn Tage später wurde, trotz der unwegsamen Route mitten durch bosnisches Bergland, das 250 km entfernte Sarajevo erreicht. Kaiserliche Parlamentäre, die die Übergabeaufforderung Eugens überbringen sollten, wurden beschossen, noch ehe sie die Stadt erreichten, und so wurde der Befehl zum Angriff auf die unbefestigte Stadt erteilt. Am nächsten Tag notierte Eugen in sein Kriegstagebuch:

„Man hat die Stadt völlig niedergebrannt und auch die ganze Umgebung. Unsere Trupps, die den Feind verfolgten, haben Beute eingebracht, und auch Frauen und Kinder [...]“[10]

Friede zu Karlowitz

Das Kriegsjahr 1698 verlief ohne größere Gefechte, da es in der kaiserlichen Kriegskasse wieder einmal an Geld mangelte: Im Sommer 1698 blieb der Sold für die Armee aus, wodurch zwei Dragonerregimenter meuterten und ihre Offiziere als Geiseln nahmen. Prinz Eugen zeigte kein Pardon für die Meuterer: 12 wurden erschossen, 20 gehängt und die Übrigen mussten Spießruten laufen.[11] (Über die genauen Opferzahlen bei den „Spießrutenläufern“ ist nichts bekannt). Aufgrund der Meuterei, der schlechten Finanzlage und der Tatsache, dass sowohl der Kaiser als auch die Hohe Pforte den Frieden suchten, kam es unter der Vermittlung Englands zu den Friedensgesprächen bei Karlowitz. Karlowitz lag zwischen der von kaiserlichen Truppen gehaltenen Festung Peterwardein und der osmanischen Festung Belgrad. Auf einer Anhöhe bei Karlowitz wurde ein hölzerner Rundbau mit vier verschiedenen Eingängen errichtet. Damit sollte sichergestellt sein, dass alle vier Delegationen gleichzeitig an den Verhandlungstisch treten konnten. Am 26. Jänner 1699[12] kam es schließlich zwischen dem Kaiser, Polen und Venedig einerseits sowie dem osmanischen Reich andererseits zum Friedensschluss: Siebenbürgen wurde mit Ungarn wiedervereint, Ungarn wurde Österreich bzw. den Habsburgern zuerkannt. Venedig erhielt den Peloponnes. Bis auf das Banat waren nun alle osmanischen Eroberungen des 16. Jahrhunderts wieder verloren und das Haus Österreich wurde eine europäische Großmacht.[13]

Folgen

Im Frieden von Karlowitz musste sich das Osmanische Reich erstmals von einer christlichen Macht Friedensbedingungen diktieren lassen, die weitreichende Folgen für die ganze Region hatten: Die Dreiteilung Ungarns, eine direkte Folge der 1. Schlacht von Mohács 1526, war nun zugunsten der Habsburger beendet. Lediglich das Banat von Temesvár blieb als letztes Stück des alten Königreichs Ungarn noch osmanisches Gebiet, musste aber nach einem weiteren Türkenkrieg (1.Türkenkrieg Karl VI. 1716 - 1718) ebenfalls an das Habsburgerreich abgetreten werden.

Museale Rezeption

In der Dauerausstellung des Wiener Heeresgeschichtlichen Museums nimmt der Große Türkenkrieg einen breiten Raum ein. Zahlreiche Objekte sind der Öffentlichkeit zugänglich, darunter mehrere Rossschweife und die Reflexbögen der berüchtigten Sipahi. Besondere Stücke sind auch ein türkisches Kettenhemd aus dem Besitz des bei Mogersdorf siegreichen kaiserlichen Feldherren Raimondo Montecuccoli, eine silberne türkische Kalenderuhr, eine 1683 vor Wien erbeutete türkische Standarte (Sancak-i Şerif) sowie das Siegel des türkischen Sultans Mustafa II., welches durch Prinz Eugen von Savoyen in der Schlacht bei Zenta 1697 erbeutet wurde.[14]

Belege

  1. ↑ Thomas Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter. Teil 1. In: Herwig Wolfram(Hg.), Österreichische Geschichte 1522 - 1699.(Wien 2003) S. 164
  2. ↑ Richard F. Kreutel, Karamustapha vor Wien. Das türkische Tagebuch der Belagerung. (Graz 1955)
  3. ↑ Ernst Trost, Prinz Eugen von Savoyen. (Wien - München ²1985) S. 47
  4. ↑ Trost (²1985), S. 56
  5. ↑ Trost (²1985), S. 60
  6. ↑ История на България, С., 1983, т. 4, S. 234, изд. на БАН
  7. ↑ ibidem, S. 234, zitiert nach La Sacra Lega contro la potenza ottomana. Raconti veridici brievemente descritti da Don Simpliciano Bizozeri, Milano, 1690, S. 401
  8. ↑ Trost (²1985), S. 10
  9. ↑ Walter Hummelberger, Die Türkenkriege und Prinz Eugen. In: Herbert St. Fürlinger(Hg.), Unser Heer. 300 Jahre Österreichisches Soldatentum in Krieg und Frieden. (Wien-München-Zürich 1963)S. 88
  10. ↑ Trost (²1985), S.84
  11. ↑ Richard Schmitt, Peter Strasser, Rot-weiß-rote Schicksalstage. Entscheidungsschlachten um Österreich. (St. Pölten-Wien-Linz 2004). S. 68
  12. ↑ Trost (²1985), S. 86
  13. ↑ „War die Habsburger Monarchie eine Großmacht?“, Siehe dazu: Karl Vocelka, Glanz und Untergang der höfischen Welt. Representation, Reform und Reaktion im Habsburgischen Vielvölkerstaat. In: Herwig Wolfram(Hg.), Österreichische Geschichte 1699-1815. (Wien 2004) S. 79 - 84
  14. ↑ Manfried Rauchensteiner, Manfred Litscher (Hg.): Das Heeresgeschichtliche Museum in Wien. Graz, Wien 2000 S. 10-15.

Literatur

  • Walter Hummelberger, Die Türkenkriege und Prinz Eugen.In: Herbert St. Fürlinger (Hg.), Unser Heer. 300 Jahre Österreichisches Soldatentum in Krieg und Frieden. (Wien-München-Zürich 1963).
  • Ernst Trost, Prinz Eugen von Savoyen. (Wien – München ²1985).
  • Richard Schmitt, Peter Strasser, Rot-weiß-rote Schicksalstage. Entscheidungsschlachten um Österreich. (St.Pölten-Wien-Linz 2004).
  • Viscount Montgomery of Alamein, Kriegsgeschichte. Weltgeschichte der Schlachten und Kriegszüge. (London 1968).
  • Renate Barsch-Ritter, Österreich auf allen Meeren. Geschichte der K.(u.)K. Marine 1382 bis 1918. (Graz-Wien-Köln 2000).

 

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Zweite Wiener Türkenbelagerung

Die Zweite Wiener Türkenbelagerung war eine Belagerung der Stadt Wien vom 14. Juli bis 12. September 1683 durch Truppen des Osmanischen Reiches. Verteidigt wurde Wien durch Truppen des Heiligen Römischen Reiches, Polen-Litauens, der Republik Venedig und des Kirchenstaates. Nach zahlreichen fehlgeschlagenen Eroberungsversuchen, dem Eintreffen eines Entsatzheeres und der anschließenden Schlacht am Kahlenberg zogen sich die Truppen des Osmanischen Reiches zurück.

Der Begriff ,Zweite Wiener Türkenbelagerung‘ schließt an einen Eroberungsversuch Wiens durch Truppen des Osmanischen Reiches im Jahr 1529, genannt Erste Wiener Türkenbelagerung, an.

Ausgangssituation

Die Expansionspolitik der Osmanen hatte ihren Höhepunkt erreicht. Der größte Teil des Königreichs Ungarn unterstand ab 1541 der osmanischen Kontrolle, teils direkt (Zentralungarn), teils als Vasall (Fürstentum Siebenbürgen); die unterworfenen ungarischen Gebiete lieferten – da vertraglich dazu verpflichtet – Geld und teilweise auch Truppen. Der Goldene Apfel, wie die Osmanen zu dieser Zeit Wien nannten, war zum Greifen nahe.

1672 überfielen die Osmanen die damals polnisch-beherrschte Ukraine und das Königreich Polen-Litauen, eroberten die Festung Kamieniec Podolski und stießen bis Lemberg in Galizien vor. Das durch innere Konflikte zerrissene, besonders durch die Kriege der „Blutigen Sintflut“ zerrüttete und militärisch beträchtlich geschwächte Königreich schloss im Vertrag von Buczacz einen Vorfriedensvertrag. In diesem Abkommen verpflichteten sich die Polen Podolien mit Kamieniec Podolski, sowie die rechtsufrige Ukraine (Gebiet westlich des Dnepr) an die Kosaken unter Hetman Doroschenko als osmanische Vasallen abzutreten. Zusätzlich verpflichtete sich das Land, einen jährlichen Tribut an die Hohe Pforte zu leisten. Die Verweigerung der Ratifikation des Buczaczer Vertrages durch den polnischen Reichstag, den Sejm, führte zu erneuten Kriegshandlungen. Ein Jahr später, 1673, führten die Polen unter ihrem Feldmarschall Johann (Jan) III. Sobieski wieder ein Heer gegen die Osmanen und schlugen sie bei Chotyn vernichtend. Doch wenige Wochen später standen tatarische und osmanische Truppen unter Großwesir Kara Mustafa erneut im Land. Nach wechselvollen Kämpfen wurde der Osmanisch-Polnische Krieg schließlich 1676 im Vertrag von Żurawno beendet. Die Osmanen blieben dennoch weiter eine Bedrohung für Polen.[4]

Das Heilige Römische Reich, durch seine Religionskriege und den Dreißigjährigen Krieg zerrüttet sowie durch die Pestepidemie von 1679 geschwächt[5], stand gegen Frankreich unter Ludwig XIV. und die Osmanen unter Sultan Mehmet IV. in einem Zweifrontenkrieg.

In Ungarn und der Slowakei unterdrückten die Habsburger den protestantischen Adel, der sich im Kuruzen-Aufstand unter der Führung von Emmerich Thököly gegen Kaiser Leopold I. 1678–1682 erhob.[6]

Strategische Bedeutung Wiens

Wiens wirtschaftliche Bedeutung lag in seiner Lage am Schnittpunkt zweier wichtiger Handelswege, der Donau und der Bernsteinstraße, begründet. Aus militärischer Sicht war Wien zum angrenzenden, durch ausgedehnte Ebenen geprägten Ungarn hin nur schwer zu verteidigen und vom Heiligen Römischen Reich im Norden, bedingt durch die schwer passierbare Donau, militärisch nur schwer zu unterstützen. Wien verfügte aber über eine eigene große Donauflotte, die den eigenen Nachschub und den Transport der schweren Artillerie ermöglichte. Strategisch gesehen galt die Stadt als christlicher Vorposten durch seine Lage zwischen den Alpen und den Karpaten. Damit hatte Wien eine große Bedeutung für die Osmanen, die Wien als ein ‚Tor nach Westeuropa‘ ansahen.

Festung Wien

Nach der ersten Wiener Türkenbelagerung wurden im Jahre 1548 die Stadtmauern, die 1194 aus den Lösegeldern des Richard Löwenherz gebaut worden waren, dem aktuellen militärtechnischen Stand angepasst. Italienische Festungsbauer errichteten eine Festung, die damals den modernsten Standards entsprach. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde die Festung aus der altitalienischen Manier in die neuitalienische Manier erweitert. An der besonders kritischen Stelle zwischen Schottenbastei und Augustinerbastei, in der der Graben nicht mit Wasser gefüllt war, errichtete man vier Ravelins, die bis 1672 fertig gebaut waren. Die Kontereskarpe als vorderer Rand des Grabens wurde mit einem Gedeckten Weg ausgebaut.

Die Burgbastei (der linke Flügel der Verteidiger, der rechte Flügel der Angreifer) war ein regelmäßiges Viereck mit je neun Kanonen, aber sie verfügte über keine Minenanlage. Hinter der Burgbastei befand sich der Kavalier, die Spanierbastei, eine überhöhte Artilleriefestung. Die Löwelbastei (der rechte Flügel der Verteidiger, der linke Flügel der Angreifer) war kleiner als die Burgbastei, und dahinter der Kavalier, genannt die „Katze“, nahm nochmals Platz weg.[7]

Die über 200 Meter lange Stadtmauer zwischen den Basteien war zu lang für einen wirksamen Kartätscheneinsatz. Dazu kam, dass der Ravelin etwas zu weit in den Graben vorgeschoben und etwas zu hoch gebaut war, so dass der Artilleriebeschuss im Graben hinter dem Ravelin von den Basteien nur eingeschränkt möglich war. Die ersten Häuser der Vorstadt waren nur 200 Meter von der Stadtmauer entfernt, außerdem konnte das Glacis in den letzten Tagen vor der Belagerung nicht mehr eingeebnet werden.[7]

Im Minenkrieg um Wien waren die Osmanen mit 5.000 Mineuren eindeutig im Vorteil. Sie hatten nicht nur mehr Material und Personal, sondern auch mehr Erfahrung im Minenkrieg. 1682, nach Scheitern der Friedensverhandlungen zwischen Kaiser Leopold I. und den Osmanen, warb der Kaiser den Festungsbaumeister Georg Rimpler an und stellte ihn als Ingenieur und Oberstleutnant in den Dienst.[8] Georg Rimpler verstärkte die Kontereskarpe, baute zwischen dem Ravelin und den Basteien Kaponniere, und hinter ihnen an der Kehle zwischen Kurtine und Bastei wurde der Niederwall angelegt. Er ließ Palisaden vor dem Gedeckten Weg aufstellen und empfahl das Ausheben einer Künette im Graben. Er erkannte richtig, dass zwischen Burg- und Löwelbastei der Hauptangriff der Osmanen stattfinden sollte.[9] Er stellte Bergleute aus Tirol, Niederländer und Lothringer zu diesem schwierigen Dienst ein, und auch Frauen wurden anfangs eingesetzt.[10]

Vorgeschichte

Politische und Militärische Bündnisse

Am 10. August 1664 hatten Kaiser Leopold I. und der Großwesir Ahmed Köprülü in Eisenburg/Vasvár einen 20 Jahre währenden Friedensvertrag abgeschlossen. Eine Verlängerung dieses Friedensvertrages kam 1682 nicht zustande. Am 26. Jänner 1683 schloss Leopold I. ein Defensivbündnis mit Bayern gegen Frankreich und das Osmanische Reich.[11] Am 31. März sammelte sich die Osmanische Armee bei Adrianopel (heute Edirne) mit 168.000 Mann und 300 Geschützen. An diesem Tag gelang es Papst Innozenz XI., den polnischen König Jan Sobieski und Kaiser Leopold I. zu einem Defensivbündnis zu überreden. Innozenz XI. unterstützte das Bündnis und den Kampf gegen die Osmanen mit 1,5 Millionen Gulden. Es wurde folgender Vertrag unterzeichnet:[12]

  1. Der Heilige Römische Kaiser soll jährlich während des Türkenkrieges 60.000 Mann und die Krone Polens 40.000 Mann stellen.
  2. Wenn der König von Polen selbst am Krieg teilnimmt, übernimmt er die Führung der Truppen.
  3. Gegenseitiger Beistand bei der Belagerung von Krakau oder Wien.
  4. Beide Seiten sollen christliche Verbündete suchen und diese in die Allianz einladen.
  5. Der Kaiser zahlt an die polnische Krone 200.000 Reichstaler.
  6. Alle Steuern (300.000 Reichstaler) der venetianischen Kirchen in der Lombardei werden für ein Jahr als Sold der polnischen Soldaten für den Türkenkrieg verwendet.
  7. Der Kaiser übernimmt alle Schulden der Polen gegenüber Schweden aus dem letzten schwedischen Krieg und verzichtet auf alle Schulden gegenüber Österreich.
  8. Kein Allianzpartner macht ohne Einverständnis des anderen Waffenstillstand oder Frieden mit den Türken.
  9. Seine kaiserliche Majestät, die Krone Polens und die Kardinäle Pio und Barberini schwören einen heiligen Eid auf diesen Vertrag.
  10. Von beiden Seiten sollen kriegskundige Ratgeber abgestellt werden, die der anderen Seite die Notwendigkeit zur Aufstellung eines Heeres übermittelt.
  11. Eroberte Gebiete in Ungarn gehören seiner kaiserlichen Majestät, eroberte Gebiete in der Walachei und der Ukraine gehören Polen.
  12. Diese Allianz geht auch an die Erben und Nachfolger des Römischen Kaisers über.

Osmanischer Vormarsch

Am 3. Mai erreichte die osmanische Armee Belgrad. Sultan Mehmed IV. übertrug den Oberbefehl seinem Großwesir Kara Mustafa Pascha. Später wurde in Stuhlweißenburg als Ziel des Feldzuges Wien, die Reichshauptstadt des Heiligen Römischen Reiches, bekanntgegeben. Herzog Karl V. von Lothringen versuchte durch die Belagerung bei Neuhäusel die osmanischen Truppen abzulenken, gab aber die Belagerung am 9. Juni auf und zog die österreichischen Truppen nach Raab zurück. Die Osmanen überschritten die strategisch wichtige Brücke bei Esseg am 13. Juni, aber die Brücke war für das schwere Belagerungsgerät zu schwach. Die osmanischen Pioniere bauten eine neue Brücke auf.

Gefecht bei Petronell

Am 1. Juli trafen die Osmanen bei Raab ein. Tata, Neutra, Veszprém und Pápa ergaben sich den Osmanen. In Wien ergriff Graf Ernst Rüdiger von Starhemberg die ersten Maßnahmen für die Verteidigung und ließ die Stadtmauern instand setzen. Raab sollte die osmanischen Truppen aufhalten und zermürben, aber Herzog Karl V. ließ nur eine verstärkte Besatzung in Raab und setzte sich mit seinen Truppen Richtung Wien ab. Die Osmanen folgten ihm. Schon am 4. Juli standen die Osmanen an der österreichischen Grenze. Drei Tage darauf ritten 40.000 Krimtataren, sämtlichen Verteidigern im Land um Wien zahlenmäßig um das Doppelte überlegen, in das 40 Kilometer östlich gelegene Petronell. Bei Regelsbrunn stießen sie auf zurückgehende österreichische Savoyendragoner. Nach anfänglicher Verwirrung konnte Karl V. von Lothringen die Truppen zum Kampf aufstellen. An der Spitze seiner Truppen griff er die Tataren an. Unterstützt wurde er von den Generalen Sachsen-Lauenburg Taaffe und Rabatta auf dem rechten Flügel und von dem Markgrafen Ludwig von Baden, dann Mercy und Palffy auf dem linken Flügel. Die Tataren wurde mit einem Verlust von 200 Mann in die Flucht getrieben. Die Kaiserlichen verloren etwa sechzig Mann, darunter einen jungen Prinzen von Aremberg und einen Bruder des Prinzen Eugen von Savoyen, den Oberst Prinz Ludwig Julius von Savoyen, der eine tödliche Quetschung durch sein verwundetes Pferd erlitt und einige Tage später in Wien starb.[13] Nach diesen Gefechten verließen Kaiser Leopold I. und die Kaiserfamilie Wien über Korneuburg, Melk und Linz nach Passau. Politisch war die Flucht notwendig, um das Entsatzheer zu organisieren. Mit dem Kaiser verließen auch etwa 80.000 Einwohner die Stadt.

Vorbereitung auf die Belagerung

Der Feldzeugmeister Graf Ernst Rüdiger von Starhemberg übernahm die militärische Führung in der Hauptstadt. Alle Truppen von Kaiser Leopold I. wurden alarmiert und nach Wien zu Herzog Karl V. an das linke Donauufer bei Wien beordert. Feldzeugmeister Graf Leslie wurde mit der Infanterie von der Insel Schütt auf dem linken Donauufer in Eilmärschen nach Wien beordert, um die Besatzung von Wien zu verstärken. Tags darauf zog Herzog Karl V. mit seinen Truppen von Schwechat kommend über die Donaubrücken in die Leopoldstadt und Tabor. Dort lagerte er mit seinen Truppen. Die Bewohner der Vorstädte wurden aufgefordert, alles in die Stadt zu schaffen (vor allem Lebensmittel). Am 12. Juli wurden die Vorstädte Wiens (heute 3. bis 9. Wiener Gemeindebezirk) auf Befehl von Graf Starhemberg in Brand gesetzt. Die übrig gebliebenen Ruinen boten den Osmanen aber immer noch genug Schutz. Die Bürger und Studenten Wiens wurden für die Verteidigung eingezogen. Munition (1.000 24-pfündige Kugeln) aus Steyr traf über den Wasserweg in Wien ein.

Verwüstungen in Burgenland und Niederösterreich

Die Verbindung von Wien nach Wiener Neustadt war bereits durch die Tataren unterbrochen. Am 11. Juli eroberten die Osmanen nach drei Tagen Belagerung Hainburg und brannten es nieder. 90 Prozent der Bevölkerung wurden ermordet oder verschleppt. Nicht viel anders erging es den Orten Baden, Schwechat, Inzersdorf und der Favorita bei Wien. Sie wurden in den folgenden Tagen eingenommen und zerstört. Die Bevölkerung von Perchtoldsdorf wurde ebenso getötet und der Ort niedergebrannt, wie in Mödling, wo die Bewohner, die in die St.Othmarkirche flüchteten, in der Kirche umgebracht wurden. In Bruck wurde die Vorstadt von den Bewohnern selbst in Brand gesteckt. Nach vorheriger Weigerung einer Übergabe der Stadt, kapitulierten sie ebenso, wie bereits vorher Eisenstadt und Ödenburg. Die Stadt musste Kontributionen leisten, unter anderem 50 Wagen Gerste und Mehl für das Lager vor Wien. Am 14. Juli plünderten und verbrannten die Osmanen das Stift Heiligenkreuz.[11]

Verlauf der Belagerung

Geschütze der Wiener Festung, der Entsatzarmee und der Osmanen

Die Wiener Festung verfügte über 130 Kartaunen und Doppelkartaunen mit einem Kaliber zu 40 Kilogramm. Weiterhin gehörten 11 Kolumbrinegeschütze mit einem Kaliber zu 5 Kilogramm zu dem Arsenal der Festung.

Die am 7. und 8. September 1683 anrückende Entsatzarmee der Kaiserlichen, der Polen, Bayern und Sachsen sowie der südwestdeutschen Fürstentümer führte insgesamt 152 Kartaunen mit sich.

Das osmanische Heer verfügte über 50 Balyemezgeschütze mit einem Kaliber von 13 bis 40 Kilogramm (10 bis 30 Okka), 15 bis 20 Kolumbrinegeschütze (türk. Kolomborna) mit einem Kaliber von 4 bis 11 Kilogramm, 5 Mörser und 120 Sahigeschütze. Größere Geschütze wurden von Großwesir Kara Mustafa nicht mitgenommen, obwohl genügend Geschütze in ungarischen Festungen für die Osmanen vorhanden waren[14][15].

Einteilung der osmanischen Truppen

  • Abschnitt:                                         Links                                                    Mitte                            Rechts
  • Festungsbauwerk darin:                     Löwelbastei (eigentlich „Löblbastei“)          Ravelin                          Burgbastei
  • Truppen/Befehlshaber                        Janitscharenkorps                                    rumelinische Truppen     Kara Mehmed Pascha,
  •                                                        Ahmed Pascha                                                                            Wesirs Abaza Sari Hüseyin Pascha

Juli

Belagerungsbeginn

Am 14. Juli erreichten die Osmanen Wien und schlossen es von Süden, Westen und Norden ein. Der Großwesir Kara Mustafa errichtete seine Zeltburg auf der Schmelz. Französische Ingenieure im osmanischen Heere traten für den Angriff auf die Kärntner Bastei ein, nahe am Wienfluss, an deren Abschnitt die Osmanen schon 1529 scheiterten. Achmed Bey war osmanischer Ingenieur und entlaufener Kapuziner im Heer von Kara Mustafa. Er hatte bereits 1682 als Mitglied einer Gesandtschaft des ungarischen Rebellen Tökölys die Festung Wien ausgekundschaftet. Er riet Kara Mustafa zu einem Angriff gegen die von Georg Rimpler inzwischen vorbereiteten Befestigungen im Südwesten zwischen Burgbastei und Löwelbastei.[10] Der Großwesir bestimmte die Position der Geschützstellungen und den Beginn der Schanzgräben. Er setzte ein Schreiben zur Kapitulation und Übergabe der Stadt auf und ließ es nach Wien bringen. Graf Starhemberg lehnte die Kapitulation ab. Er hoffte mit etwa 11.000 Soldaten und 5.000 Bürgern und Freiwilligen bis zum Entsatz durchzuhalten.

Die Umschließung der Stadt war beim Donaukanal noch nicht vollständig, so dass die Stadt über Inseln in der Donau (heute 2., 20. und Teile des 21. und 22. Bezirks) weiter mit Truppen, Material und Nachrichten hätte versorgt werden können. Daher entsandte am 15. Juli Großwesir Kara Mustafa Truppen unter Hüseyin Pascha, dem Beylerbeyi von Damaskus, mit dem Auftrag, die Stadtbewohner von dieser Insel zu vertreiben. Da der Donauarm an mehreren Stellen passierbar war und die Insel niedriger lag als die Stadt (Problem für die Artillerie) zog sich Herzog Karl V. am 16. Juli mit der Kavallerie über die Donau nach Jedlesee zurück, räumte alle Inseln auf der Donau und bezog am linken Donauufer Stellung.[16] Nun umschlossen die Osmanen die Stadt vollständig. Die Leopoldstadt wurde in Brand gesteckt, die Brücken abgerissen. Nach der Eroberung der Leopoldstadt bestimmte Großwesir Kara Mustafa den Beylerbeyi von Bosnien, Hizir Pascha, mit seinen Truppen die Leopoldstadt zu sichern und von dort die Beschießung der Stadt aufzunehmen. Am nächsten Tag brachen die Osmanen die letzte Brücke und damit die letzte Verbindung Wiens über die Donau ab.

Schon am Tag des Eintreffens der Osmanen schlugen in Wien die ersten Geschützkugeln ein. Erste ausgebrochene Brände in der Stadt konnten bald wieder gelöscht werden. Die Bevölkerung lynchte daraufhin zwei mutmaßliche Brandstifter. Graf Starhemberg gab den Befehl, zusätzliche Brandschutzmaßnahmen vorzunehmen und setzte eine Kompanie zur Brandbekämpfung ein. Das Komödienhaus zwischen Burg und Augustinerkloster wurde aufgrund seiner vielen Holzaufbauten sofort vollständig abgetragen. Wenige Tage später, am 19. Juli, verursachte eine Bombe ein großes Feuer und drohte sich auszubreiten. Die dafür aufgestellte Kompanie löschte den Brand sehr schnell.

Ein erster Angriff auf Klosterneuburg wurde am 17. Juli abgewehrt. Klosterneuburg hatte eine Schlüsselstellung für die Sicherung des osmanischen Belagerungsheeres vor Wien. Die untere Stadt wurde geplündert und angezündet, doch konnte Klosterneuburg den Angriffen standhalten. Zwei Tage später wurde ein weiterer Angriff der Osmanen auf Klosterneuburg zurückgeschlagen.[11]

Am 19. Juli kam der Hofschatzmeister des Sultans Mehmed IV., Ali Aga, ins osmanische Lager nach Wien. Er berichtete, dass Sultan Mehmed IV. bestürzt war über die Entscheidung, Wien anzugreifen. Sein Befehl war, die ungarischen Rebellen und die Feste Neuhäusl zu unterstützen und weitere Festungen in Ungarn zu nehmen und nicht auf Wien zu marschieren. Der Großwesir versuchte, durch militärische Erfolge den Hofschatzmeister zu beschwichtigen, und machte verstärkt Druck auf seine Truppen. Doch bis zur Abreise des Hofschatzmeisters Ali Aga nach Edirne am 30. Juli zur Berichterstattung beim Sultan konnte er diese nicht vorlegen.

Am 27. Juli wurde die völlige Mobilisierung aller wehrhaften Männer angeordnet. Auch erste Maßnahmen gegen Krankheiten wurden getroffen.

Nachrichtenkrieg

Einen Boten, der sich am 18. Juli aus Wien zu den kaiserlichen Truppen in Jedlesee durchschlagen wollte, griffen die Osmanen auf. Im Verhör nannte er die Truppenstärke Wiens. In der Nacht zum 20. Juli erreichte ein Kürassier die Festung und brachte Graf Starhemberg einen Brief von Herzog Karl V. Noch in derselben Nacht machte sich der Soldat auf den Rückweg, wurde aber mit den verschlüsselten Briefen von den Osmanen abgefangen.

Minenkrieg (Laufgräben durchs Glacis und erste Minen)

Mit dem Eintreffen osmanischer Truppen begann ein Wettlauf bei den Schützengräben auf den Glacis. Beide Parteien gruben Laufgräben aufeinander zu. Schon am nächsten Tag führten die Wiener erste Ausfälle durch, um die Grabungsarbeiten zu stören. Innerhalb von drei Tagen kamen die Osmanen bis auf Angriffsweite an die Wiener Schanzen heran.

Inzwischen wurden im Graben die letzten Vorbereitungen getroffen. Eine Künette wurde ausgehoben, die bis zum Grundwasser heranreichte, und drei Kaponniere, ein Niederwall wurden vor der Kurtine errichtet und eine dritte Verteidigungslinie rechts und links von der Löwelbastei gebaut. Zusätzlich wurden Querwälle und Palisaden gezogen, die verhinderten, dass die Osmanen bei der Eroberung eines Teils der Verteidigungsanlage einer Linie sofort die ganze Linie erobern konnten. Als am 18. Juli der Großwesir Kara Mustafa die Schanzarbeiten besichtigte, entdeckten die Osmanen eine Wasserleitung aus den Vorstädten, gruben den Wienern die Leitung ab und verwendeten sie nun selbst. Die Stimmung im osmanischen Lager war sehr gut. Die Osmanen waren nun mit ihren Schanzen nur noch zwanzig Meter von der Kontereskarpe entfernt. Vor den Spitzen der Burg- und Löwelbastei, wo auch die Kontereskarpe in das Glacis vorsprang, waren die Osmanen nur noch sechs Meter entfernt. Hier wurde bereits mit Flinten und Handgranaten gekämpft. Ein Bombenwurf brannte Teile der vordersten Palisaden der Belagerten nieder.

Ab dem 20. Juli begannen sich die Osmanen tiefer in die Erde einzugraben. In jedem Abschnitt wurde eine Mine gegen die Palisaden gegraben. Am 23. Juli kam es zur ersten Minensprengung der Osmanen vor dem Abschnitt des Ravelin und der Burgbastei. Ein Angriff der Osmanen auf die Palisaden wurde unter großen Verlusten beiderseits großteils abgewehrt. In der Stadt wurde jeder Hausbesitzer dazu verpflichtet, einen Mann abzustellen, der im Keller horchte, ob gegraben oder geklopft wird. Das Schlechtwetter tags darauf gab den Belagerten einen Tag Pause. Aber am folgenden 25. Juli ging der Minenkampf weiter. Die Osmanen ließen eine Mine vor der Löwelbastei hochgehen und sprengten einen Teil der Palisaden weg. Am folgenden Tag sprengten mit geringer Wirkung die Belagerten Wiener die erste Mine unter den Schanzen der Osmanen.

Am 28. Juli wurden vor dem Ravelin die nächsten Minen der Osmanen gesprengt. Die Palisaden, der gedeckte Weg und die Kontereskarpe wurden in einer Breite von sieben Metern gesprengt und in den Graben geworfen. Ein Ausfall der Wiener ermöglichte die Befestigung des eingestürzten Teiles der Kontereskarpe. Es gab hohe Verluste für die Wiener.

Vor der Burgbastei sprengten die Osmanen und die Wiener am 30. Juli je eine Mine, die die Laufgräben und den gedeckten Weg auf der Kontereskarpe beschädigten. Nach einem Angriff der Osmanen und Gegenangriff der Wiener zogen sich letztere von den eigenen Laufgräben auf den instandgesetzten gedeckten Weg zurück. Vor dem Ravelin stürmen die Osmanen bis vor die Palisaden der Wiener. Vor der Löwelbastei wurden 30 Geschütze durch die Laufgräben in Stellung gebracht. Diese zerschossen am 31. Juli den Kavalier der Löwelbastei, die „Katze“. Die Geschütze darin wurden zerstört oder aus der Katze herausgeholt. In den Resten der Katze wurden Schießscharten gebrochen. Die Brustwehr der Bastei wurde etwas abgetragen, um ein besseres Schussfeld gegen die eingegrabenen Osmanen zu haben. Die Laufgräben waren an manchen Stellen so nah, dass es zu Nahkämpfen kam.

Ablauf der osmanischen Belagerung in der Umgebung von Wien

Ein erster Angriff auf Klosterneuburg wurde am 17. Juli abgewehrt. Klosterneuburg hatte eine Schlüsselstellung für die Sicherung des osmanischen Belagerungsheeres vor Wien. Die Verteidigung leitete der 50-jährige Kammerschreiber Marcelinus Ortner, ein Laienbruder des Stifts, der von Beruf Tischler war. Die untere Stadt wurde geplündert und angezündet, doch konnte Klosterneuburg dank der Maßnahmen Ortners den Angriffen standhalten. Zwei Tage später schlug er einen weiteren Angriff der Osmanen auf Klosterneuburg zurück.[11]

Chronik in Europa

Graf Philipp von Thurn traf am 14. Juli in Warschau ein und überbrachte die Nachricht von der Belagerung Wiens. König Jan Sobieski gab Anweisungen, das Heer zu sammeln, und wollte noch vor Monatsende aufbrechen.

Kaiser Leopold I. reiste weiter und erreichte am 17. Juli Passau. Dort trafen am 23. Juli die ersten bayerischen Hilfstruppen (10.000 Mann) ein. Am 27. Juli überbrachte Graf Philipp von Thurn in Passau die Botschaft, dass König Jan Sobieski und sein älterer Sohn Prinz Jakob Ludwig Heinrich mit 50.000 Mann bis Ende August nach Wien komme. Der Jesuit Pater Wolff meldete Kaiser Leopold I., dass 10.000 Mann aus Sachsen noch diesen Monat aufbrechen werden. Wenige Tage später kam die Nachricht aus Polen, dass Sobieski bis zum 20. August vor Wien sein werde. Er marschiere über Schlesien und Mähren.

August

Versorgungslage

Am 1. August wurden in Wien die Lebensmittelpreise fixiert. Erfolgreich war man mit dieser Verordnung nicht, sie musste in den nächsten 7 Wochen fast täglich wiederholt und auf Medikamente und andere Gegenstände des täglichen Bedarfs ausgedehnt werden. Zusätzlich wurde die Unterbringung der vielen Leichen geregelt. Auch diese Regelungen mussten alle paar Tage unter Androhung schwerer Strafen wiederholt werden. Je länger die Belagerung dauerte, desto härter musste die Stadtregierung gegen Preiswucherer durchgreifen, da der Schwarzhandel blühte.

Das osmanische Belagerungsheer hatte ebenfalls mit Versorgungsproblemen zu kämpfen. Nachschub musste aus Ofen bezogen werden, weil in der näheren Umgebung von den Tataren sehr viel zerstört worden war. Hinzu kam, das die Belagerung sich länger zog als geplant. So gingen die Vorräte aus. Bis Ende August waren alle Lebensmittel im osmanischen Lager verbraucht.

Wiener Chronik

Am 1. August beschossen die Osmanen während der Heiligen Messe den Stephansdom und begingen damit, ohne es zu merken, einen Wortbruch (siehe Eintrag am 15. September). Tags darauf wurde die Kapuzinerkirche bombardiert, sodass das Dach einstürzte.

Am 8. August wurde ein 15-jähriger Junge als Spion aufgegriffen. Die Stadtbevölkerung war aber extrem nervös, und obwohl er alles abstritt, wurde er am 27. August geköpft. Die „Rote Ruhr“ brach aus und dezimierte die Stadtbevölkerung stark. Am 11. August erkrankte Graf Starhemberg daran und konnte sich erst am 20. August wieder erholen.

Ein Einberufungsbefehl erging am 26. August an alle Männer von Wien, die sich bisher von der Stadtverteidigung drücken konnten, weil sie nicht tauglich waren oder nicht wollten, und zwei Tage später musste Graf Starhemberg die Todesstrafe für jene, die sich noch immer vor der Einberufung drückten, erlassen.

Am 27. August wurden in der Nacht 30 Raketen vom Stephansdom abgeschossen. In der nächsten Nacht waren es bereits 100 Raketen.

Die Wiener erkannten am 31. August erste Vorbereitungen der Osmanen gegen den bevorstehenden Entsatz und begannen Hoffnung zu schöpfen. Graf Starhemberg setzte alle Mittel für die Kämpfe ein, ließ die Straßen und Häuser rund um den Bereich Burgbastei und Löwelbastei in Verteidigungszustand setzen und richtete dort eine weitere Verteidigungslinie ein.

Chronik der Osmanen

Großwesir Kara Mustafa ließ am 3. August den Alaybeyi vom rechten Flügel (Burgbastei) wegen mangelnder Erfolge absetzen. Auch der Posten des Arsenaloberst wurde nach Kritik neubesetzt.

Am 22. August traf der osmanische verbündete Fürst von Siebenbürgen mit seinen Truppen im osmanischen Lager vor Wien ein. Er kritisierte die Pläne zur Eroberung Wiens stark, weshalb der verärgerte Großwesir Kara Mustafa ihn zur Überwachung der Brücken bei Raab in Ungarn zurücksandte.

Nachrichtenkrieg

Ein berittener Bote Herzog Karls V. drang am 4. August bis zur Stadt durch und brachte Nachrichten. Die Belohnungen und Bezahlungen für Kuriere wurden immer teurer. Als Leutnant Michael Gregorowitz am 8. August von Wien zu Herzog Karl V. nach Jedlesee drei Briefe überbrachte, wurde er zum Kompaniechef befördert. Er schaffte es durch das osmanische Lager und den Wienerwald bis zum 16. August Herzog Karl V. zu erreichen. Der Orientwarenhändler Georg Franz Kolschitzky wurde am 13. August als Kurier aus der Stadt zu Herzog Karl V. entsandt und kam am 15. August dort an. Am 17. August kehrte Kolschitzky als Held zurück. Er war durch die osmanischen Truppen nach Wien mit Nachrichten von Herzog Karl V. gelangt. Er brachte die Nachricht, dass ein Entsatzheer mit insgesamt 70.000 Mann sich bei Wien sammle und die ungarischen Rebellen geschlagen habe. Kolschitzky erhielt die versprochene Belohnung von 200 Dukaten. Der Kurier Seradly, der Diener von Kolschitzky, wurde am 19. August aus Wien ins kaiserliche Feldlager nach Jedlesee entsandt. Die Hälfte des Lohnes von 200 Dukaten erhielt er vor seinem Abmarsch. Am 21. August kehrte er mit einigen Briefen von Herzog Karl V. von Lothringen aus Jedlesee zurück. Der Kurier Georg Michaelowitz (wird von manchen Zeitzeugen mit Kolschitzky oder Leutnant Gregorowitz verwechselt) brach am 27. August mit einigen Briefen zu Herzog Karl V. auf. Er erhielt dafür die Belohnung von 100 Dukaten. Bei seiner Rückkehr am 1. September erhielt er weitere 100 Dukaten.

Minenkrieg (durch die Palisaden und die Kontereskarpe in den Graben)

Weitere Minen der Osmanen beschädigten am 1. August die Kontereskarpe. Tags darauf nahmen die Osmanen die Palisaden vor der Löwelbastei ein. Am Abend ließen die Wiener unter den osmanischen Laufgräben vor der Löwelbastei eine Mine hochgehen. Eine weitere Mine der Wiener explodierte vor dem Ravelin am 3. August. Aber die Wirkung der Wiener Minen war um einiges schlechter als die der osmanischen. Am Abend erfolgte beim Ravelin ein Angriff der Osmanen und warf die Wiener aus den Palisaden und dem gedeckten Weg die Kontereskarpe hinunter in den Graben. Die Wiener räumten am folgenden Tag die Stellungen an der Palisade vollständig. Eine Mine der Wiener am 5. August bei der Burgbastei schlug nach hinten aus und zerstörte einen großen Teil des gedeckten Weges. Der folgende Angriff der Janitscharen wurde abgewehrt. Die Stimmung der Osmanen war noch gut.[17]

Grabenkämpfe

Die Osmanen legten vor der Löwelbastei und dem Ravelin einen Tunnel an, der bis in den Graben führte. Gegen Abend des 6. August drangen die ersten Osmanen vor dem Ravelin in den Graben ein. Graf Starhemberg kam mit den besten hundert Mann und vertrieb die Osmanen wieder. Alle Wollsäcke, die die Osmanen zum Schanzen mitgebracht hatten, wurden in die Stadt gebracht. Es gab viele Tote auf beiden Seiten. Doch schon am nächsten Morgen drangen die Osmanen über die Tunnel in den Graben vor den Bastionen ein, setzten sich fest und begannen sich in Richtung Ravelin vorzuarbeiten. Es wurde eine erste Mine im Graben zwischen Löwelbastei und Ravelin gesprengt, deren Erdaufwurf für weitere Schanzen verwendet wurde. Durch heftigen Beschuss stürzte der Tunnel vor der Burgbastei ein und begrub dreißig Osmanen unter sich. Am 8. August erreichte bei einem Sturmangriff erstmals ein Soldat der Osmanen die Stadtmauer. Tags darauf sprengten die Osmanen eine Mine vor der Löwelbastei, wodurch sie den Weg für den Tunnel in den Stadtgraben öffneten und sich endgültig festsetzen konnten.

Minenkrieg (Angriff auf die zweite Verteidigungslinie)

Die Osmanen sprengten am 9. August die erste Mine unter dem Ravelin und rissen sieben Meter Mauer mit. Die Bresche in der Mauer wurde von den Wienern sofort abgeriegelt. In den folgenden Tagen wurden auch die Löwelbastei und die Burgbastei angegriffen. Die Kaponniere wurden vollständig verschüttet und mit der nächsten Mine zerstört. Ausfälle der Wiener, um die Tunnel in den Graben zu zerstören und damit den Zugang in den Graben zu blockieren, scheiterten mit hohen Verlusten. Der Druck der Osmanen ließ nicht nach.

Am 12. August gab es weiter heftige Gefechte um das Ravelin, und zwei Minen unter der Burgbastei wurden gesprengt. Die Wirkung war schwach und schlug teilweise nach hinten aus, der anschließende Sturmangriff scheiterte unter hohen Verlusten der Osmanen. Eine weitere Mine unter der Spitze des Ravelins zeigte gute Wirkung. Das Ravelin wurde in zwei Teile geteilt. Außerdem wurde auf dem Ravelin und auf den Basteien Vorkehrungen getroffen, damit, wenn Teile in osmanische Hand fallen, der Festungsabschnitt trotzdem verteidigungsfähig bleibt. Die Stimmung der Osmanen schwankte.

Mitte August wurde eine Mine der Osmanen durch Palisaden unbrauchbar gemacht, eine zweite Mine durch Kanonen zerstört und eine dritte Mine durch Gegensprengung vernichtet. Am 15. August setzten sich die Osmanen im Festungsgraben vor der Löwelbastei fest und gruben sich bis zur Künette in der Grabenmitte vor. Bei einem Ausfall der Wiener wurden alle dort verschanzten Osmanen getötet, ihre Rampen, Stützbalken und alles Holz angezündet, und ihre Minen zerstört, danach kehrten die Wiener auf die Löwelbastei zurück. Es dauerte zwölf Tage, bis die Osmanen diese Stellung wieder voll unter ihrer Kontrolle hatten. Die Stimmung der Osmanen verschlechterte sich weiter.

In den nächsten Tagen kam es im gesamten Graben zu schweren Gefechten ohne merklichen Fortschritt einer Seite. Die Wiener unternahmen am 18. August einen erfolglosen Ausfall bei der Burgbastei. Es handelte sich dabei um eine aus den Stadtbürgern gebildete Freiwilligenkompanie, die auf eigene Faust handelte. In Wien erging drei Tage später die Verordnung, dass niemand mehr ohne Befehl Ausfälle wagen darf. Die Osmanen sprengten unter der Burgbastei am 20. August zwei Minen und unter dem Ravelin eine Mine. Den gesamten Tag wurden die Basteien erfolglos von den Osmanen gestürmt. Ein Angriff der Wiener gegen die Tunnel vor der Burgbastei am 22. August zeigt wenig Wirkung. Die Osmanen flüchteten aus dem Graben, besetzen ihn aber einige Stunden später wieder. In den nächsten Tagen gab es jede Menge kleinerer Minen, Stürme, Ausfälle und vor allem Tote auf beiden Seiten.

Trotz starken Regens der die Gräben volllaufen ließ, wurde weiter gekämpft. Nach einer gesprengten Mine unter dem Ravelin griffen die Osmanen wieder erfolglos an und hatten hohe Verluste. Am osmanischen Feiertag der Köpfung von Johannes dem Täufer (29. August) zündeten sie eine besonders große Mine unter dem Ravelin und sprengten das meiste in die Luft. Der letzte Rest des Ravelins wurde auf Befehl der Wiener Offiziere geräumt. Von der Stadtregierung ging die Aufforderung, Wasserbottiche in der Stadt verteilt aufzustellen, um Grabungstätigkeiten schneller zu erkennen. Auf dem Wasserspiegel der Bottiche sah man bei der kleinsten Erschütterung durch das unterirdische Graben ein verzerrtes Spiegelbild.

Bei einem Zufallstreffer der Osmanen am 31. August hinter der Löwelbastei wurde ein Munitionslager getroffen, das auch die nebenliegenden Schwarzpulverlager entzündete. Die Schwarzpulvervorräte wurden dadurch empfindlich reduziert.

Ablauf der osmanischen Belagerung in der Umgebung von Wien

Die Osmanen eroberten am 3. August Pottendorf, Ebreichsdorf und Götzendorf unter Tötung und Verschleppung der ansässigen Bevölkerung. Am 24. August griffen die Janitscharen erneut Klosterneuburg an, das sie als Stützpunkt gegen das Entsatzheer verwenden wollten. Der Angriff dauerte bis zum 26. August und konnte erfolgreich abgewehrt werden.[11]

Chronik in Europa

Um den 3. August gab es viele kleinere und größere Scharmützel zwischen polnischen Hilfstruppen und kaiserlichen Truppen gegen Tataren, ungarischen Rebellen und Osmanen. Der August war durch langes Warten des Kaisers Leopold I. in Passau auf Truppen für das Entsatzheer gekennzeichnet. Vom 9. bis 11.  August erkrankte Kaiser Leopold I. und lag mit Fieber, Durchfall und Erbrechen im Bett.

Am 8. August traf Prinz Eugen von Savoyen in Passau ein. Er berichtete, dass alle anderen französischen Offiziere, die sich den Österreichern anschließen wollten, eingesperrt wurden. Am 12. August stießen 1.000 Mann von dem Regiment des Prinzen Ludwig von Neuburg zum Heer und am 21. August 8.000 Franken.

Erst am 14. August und nicht wie versprochen Ende Juli marschierte König Jan Sobieski mit seiner Armee von Krakau aus Richtung Wien. Er war am 22. August bei Gleiwitz und erreichte am folgenden Tag Troppau.

Am 24. August brach Herzog Karl V. mit seinen Truppen donauaufwärts auf, um zum Treffpunkt in Tulln zu kommen. Bei Bisamberg traf er auf Osmanen und ungarische Hilfstruppen und besiegte sie mit seiner Kavallerie.

Am 25. August zog das Entsatzheer unter Kaiser Leopold I. Richtung Wien. Leopold I. fuhr mit dem Schiff von Passau nach Linz, erreichte es 3 Tage später und setzte seinen Marsch auf Wien unverzüglich fort. Am 31.  August traf Sobieski mit Herzog Karl V. in Hollabrunn zusammen.

September

Anfang September ging in der Stadt wie auch im osmanischen Lager die Nahrung aus. Die Nahrungsmittelknappheit in der Stadt konnte etwas gemildert werden, als am 3. September bei zwei weiteren Ausfällen beim Schottentor 22 Ochsen, zwei Pferde und ein Wagen eingebracht wurden.

Wiener Chronik

Am 3. September wurden vom Stephansdom in der Nacht 30 Raketen abgeschossen, am 6., 7. und 8. September waren es bereits so viele, dass sie nicht gezählt werden konnten. Drakonische Maßnahmen gegen Deserteure und Wehrdienstverweigerer wurden am 6. September in Wien beschlossen. Wer krank oder zu alt für die Arbeit war, musste ein ärztliches Attest vorweisen. Am 9. September starb der Wiener Bürgermeister Johann Andreas von Liebenberg nach einer mehrwöchigen Krankheit. In den Straßen hinter der Burg- und Löwelbastei wurde am 10. September heftig gegraben, Palisaden wurden gebaut und Laufgänge für eine weitere Verteidigungslinie angelegt.

Chronik der Osmanen

Am 7. September hielt Großwesir Kara Mustafa eine Musterung ab. Er wollte die Stadt noch vor Eintreffen des Entsatzheeres erobern. In einer großen Umgruppierung stellten sich die Osmanen in den nächsten Tagen für die Entsatzschlacht neu auf. Kara Mustafa hielt Kriegsrat über die bevorstehende Schlacht gegen das Entsatzheer. Er nahm seine Anführer zu einem Erkundungsritt nah den Aufmarschwegen mit, auf denen das Entsatzheer anrücken könnte.

Nachrichtenkrieg

Am 1. September brachte Georg Michaelowitz unter Lebensgefahr Nachrichten von Herzog Karl V. in die Stadt: der Entsatz sei unterwegs und werde in einigen Tagen eintreffen. Bereits am nächsten Tag brach er wieder mit neuen Botschaften aus der Stadt auf. Er erhielt dafür gegen den ausdrücklichen Willen des Rechnungsbeamten, 200 Dukaten im voraus. In der Botschaft an den Kaiser wurde darauf gedrängt, den Entsatz zu beschleunigen. Die Verteidiger wären nahe am Ende ihrer Kräfte angelangt.

Stefan Seradly erhielt am 4. September 120 Dukaten für die Überbringung von Briefen an das Entsatzheer. Er verriet aber die Wiener und lief zu Großwesir Kara Mustafa über. Dieser erfuhr dadurch von der geplanten Entsetzung Wiens und zog Verstärkung heran.

Am 8. September wurden zwei deutsche Kuriere auf dem Weg nach Wien abgefangen.

Minenkrieg (Angriff auf die Stadtmauer)

Am 1. September hatten die Osmanen mehrere Minen bei der Löwelbastei unter die Kurtine getrieben. Die Wiener machten einen Ausfall, um die Minen zuzuschütten, scheitern aber am starken Widerstand der Osmanen. Am nächsten Tag ließen die Osmanen bei der Burgbastei eine Mine hochgehen. Die Wirkung war minimal. Durch die Mine war es aber den Osmanen jetzt leichter, in die Burgbastei zu kommen. An der Löwelbastei unterwühlten die Osmanen die Stadtmauer. Bei einem Ausfall der Wiener gegen die Minen der Osmanen wurden alle Angreifer getötet. Am 3. September ging die nächste Mine an der Burgbasteispitze hoch. Es fielen etliche Quaderstücke heraus. Die Wiener machten wieder einen Ausfall, um weitere Minen zu zerstören, ohne greifbare Ergebnisse. An diesem Tag war die Anzahl der Toten auf beiden Seiten sehr hoch. Graf Starhemberg gab die letzten Reste vom Ravelin, Kontereskarpe und Kaponniere auf. Die Minen der Osmanen kamen jetzt zwei bis drei Meter unter die Stadtmauer. Beim Minieren und Kontraminieren gerieten die Osmanen und Wiener aufeinander, wodurch sich ein Gemetzel entwickelte.

Am 4. September kam es zur ersten Minensprengung unter der Kurtine. Die Wirkung war sehr stark, die Mauerteile fielen aber nach außen, wodurch der Angriff erschwert und verzögert wurde und scheiterte am Verteidigungswillen der Bevölkerung, die in kürzester Zeit durch Einschlagen von Palisaden den Durchgang sperrten. Bei einer weiteren Minensprengung und Sturm der Osmanen an der Burgbastei wurde eine acht Meter breite Bresche in die Burgbastei geschlagen. Von allen Seiten kamen Osmanen für den Angriff. Erste Janitscharen wurden auf der Bastei gesichtet. Aber die Steigung im Geröll auf die Burgbastei war zu stark. Durch gestaffelten Beschuss konnte der Angriff nach zwei Stunden abgewehrt werden. Mit spanischen Reitern und Sandsäcken schlossen die Wiener die Bresche. Allein dieser Sturm kostete die Wiener 200 Mann, darunter mehrere Offiziere. In der Nacht wurde die Bresche vollständig geschlossen. Holz von Dächern und anderen Bauteilen in Wien wurde abgerissen, um es als Palisaden bei Burg- und Löwelbastei zu verwenden. Die Stimmung der Osmanen erreichte nach diesem Tag einen Tiefpunkt. Am nächsten Tag versuchten es die Osmanen erneut. Sie wollten die Stadt über die Löwelbastei nehmen. Die Stadtverteidiger hatten sich neu in 64 Kampfgruppen gruppiert. Nach der Sprengung von zwei weiteren Minen an der äußersten Spitze der Löwelbastei gelang es, unter hohen Verlusten für beide Seiten, den Sturm auf die Löwelbastei abzuwehren. Als die Sperren immer dichter wurden, nahmen die Osmanen wieder den Minenkampf auf. In Wien standen zu diesem Zeitpunkt nur noch zirka 5000 verteidigungsfähige Männer zur Verfügung.[18]

Die Osmanen eroberten am 8. September den Niederwall. Die Wiener versuchten ihn in einem Gegenangriff wieder zurückzuerobern, die Osmanen schlugen dies aber zurück. Gleichzeitig bereiteten sie an dieser Stelle weitere Minen an der Kurtine vor und sprengten nachmittags zwei Minen unter der Löwelbastei. Jede Menge Mauerwerk landete im Graben. Trotzdem war die Mauer nachher eher steiler als flacher und so konnte der folgende Angriff leicht zurückgeschlagen werden. Es kam zu ersten Meutereien im osmanischen Lager.

Am 12. September stellten sich die Osmanen für die Entsatzschlacht beim Kahlengebirge bis Hütteldorf auf und trieben gleichzeitig fünf Minen bis unter die Stadtmauern. Sie waren bis zu zwei Meter tief unter der Kurtine eingedrungen und standen kurz davor, die Ladungen zu setzen und zu sprengen.

Chronik in Europa

Am 4. September war Kriegsrat zu Stetteldorf am Wagram auf Schloss Juliusburg bei Tulln unter dem Vorsitz von König Jan Sobieski. Zusammen mit Herzog Karl V. wurde die weitere Marschroute und Taktik zum Entsatz von Wien festgelegt. Hierbei kam es zu einem diplomatischen Disput zwischen Karl V. und Sobieski um die Frage der Führung des Entsatzheeres. Kaiser Leopold I. hatte das Kommando im Vorfeld vertraglich an Sobieski abgetreten, um diesen zu einer Teilnahme am gemeinsamen Krieg gegen die Osmanen zu bewegen. Die Differenzen zwischen Herzog Karl V. und König Sobieski wurden schließlich durch diplomatische Intervention von Marco d'Aviano, päpstlicher Legat und Beichtvater von Leopold I., beseitigt.

Am 6. September kam der Kurfürst von Bayern nach Linz. Fränkische, sächsische, bayrische und schwäbische Kontingente überquerten die Donau bei Krems und rückten weiter Richtung Tulln vor. Am Tag darauf überquerte die Polnische Armee die Donau bei Tulln und vereinigte sich mit den Truppen Sachsens, den Kaiserlichen, den Bayern und den fränkisch-schwäbischen Reichstruppen in dieser Stadt, 30 Kilometer stromaufwärts von Wien. Die Tataren, die für die Bewachung der Brücke abgestellt waren, verhinderten den Brückenkopf nicht. Kaiser Leopold I. fuhr von Linz Richtung Wien mit dem Schiff ab. In Dürnstein machte er am 9. September Station. Da er König Sobieski die Leitung der Schlacht abgetreten hatte, konnte er nicht zu den Truppen weiterreisen. Er setzte Herzog Karl V. an seine Stelle zur Leitung der kaiserlichen Truppen ein.

Beim letzten großen Kriegsrat der christlichen Allianz wurde auf Anraten Herzog Karls V. beschlossen, durch den Wienerwald unter Zurücklassung des Trosses in 3 Kolonnen auf Wien vorzurücken. Der Weg für das Entsatzheer durch den Wienerwald war beschwerlich, da es nur wenige schlecht befestigte Wege gab und die Artillerie nicht oder nur begrenzt mitgenommen werden konnte. Es mangelte während des Anmarsches auch an Verpflegung. Da der Tross zurückgelassen wurde, gab es keinen Lebensmittelnachschub. Die Truppen mussten ohne Verpflegung zwei Tage marschieren. Dafür gab es aber keine weiteren Schwierigkeiten beim Vormarsch. Großwesir Kara Mustafa hatte es versäumt, die Donaubrücken zu sichern und Klosterneuburg zu erobern, das nun zu einem wichtigen Brückenkopf der Alliierten wurde. Weiterhin gab es keine Befestigung des Kahlengebirges. Am Morgen des 12. September stiegen die Alliierten vom Kahlengebirge herunter für die Schlacht am Kahlenberg.

Schlacht am Kahlenberg

Am 11. September besetzten die alliierten christlichen Truppen das Kahlengebirge. In den Morgenstunden des 12. Septembers griff das Entsatzheer mit Truppen aus Venedig, Bayern, Sachsen, Franken, Schwaben, Baden, Oberhessen und Polen an, zirka 54.000 bis 60.000 Mann. Die osmanischen Kommandanten konnten sich über die Taktik für den Zweifrontenkrieg nicht einigen. Nach zwölfstündigen Kampf griff die Kavallerie unter dem Oberkommando von König Sobieski von den Höhen des Wienerwaldes her ein. Die gesamte christliche Streitmacht ging zum Generalangriff über, denn auch die Wiener begannen mit einem Ausfall, als sie sahen, dass die Schlacht am Kahlenberg zugunsten der Christen ausging, und stürmten die Laufgräben der Osmanen. Das osmanische Heer flüchtete überstürzt und sammelte sich bei Győr/Raab.

Folgen der Belagerung

Am 13. September betrat König Sobieski die Stadt. Die kaiserlichen Truppen drängten auf eine sofortige Verfolgung der Truppen, aber Sobieski wollte sein Pferd nicht weiter belasten. So begann die allgemeine Plünderung der von den Osmanen zurückgelassenen Tiere, Lebensmittel, Güter, Materialien, Waffen, Geschütze und Munition. Das meiste, insbesondere die Zeltburg von Großwesir Kara Mustafa, wurde von Sobieski einbehalten, während die kaiserlichen Truppen fast leer ausgingen.[19]

Die Wiener Bevölkerung verschoss im Freudentaumel wahllos Munition. Nach der Belagerung wurde an der Stadtmauer hinter dem zerschossenen und aufgegebenen Ravelin mehrere mit Schwarzpulver gefüllte Minen gefunden. Diese sechs Meter tief unter der Kurtine gelegenen Minen waren fertig zur Sprengung, wurden aber infolge der Niederlage nicht mehr gezündet. Als Kaiser Leopold I. vom Sieg der Entsatztruppen erfuhr, begab er sich mit dem Schiff von Dürnstein nach Klosterneuburg. Am nächsten Tag fuhr er weiter nach Wien und zog in die befreite Stadt ein.

Großwesir Kara Mustafa suchte nach der Schlacht einen Schuldigen. Er ließ Ibrahim Pascha, den Beylerbeyi von Ofen, hinrichten, weil er angeblich der Erste war, der sich vom Schlachtfeld zurückgezogen hatte. Wahrscheinlich wollte er sich aber nur eines Zeugens entledigen, der hätte aussagen können, dass Ibrahim Pascha die Zweifronten-Taktik gegen Wien und das Entsatzheer für falsch hielt.

1683 wurden der Stern und der Halbmond am Stephansdom, der seit 1519 dort die Spitze zierte (damals allerdings nicht als osmanisches Symbol angebracht), heruntergenommen und durch ein Kreuz ersetzt.[20] Kaiser Leopold I. und König Jan Sobieski trafen sich zu Pferde in der Nähe von Schwechat. Das Verhältnis beider Herrscher zueinander war etwas gestört. Der Ruhm der gewonnenen Entsatzschlacht ging an König Sobieski, da der Kaiser die Führung vertraglich hatte abtreten müssen, um die Unterstützung der Polen zu erhalten. An der Stelle, an der sich die beiden Herrscher trafen, wurde später das sogenannte Kugelkreuz aufgestellt. Es ist ein auf vier Türkenkugeln ruhender Obelisk.[11][21] In Schwechat wurde von den alliierten Truppen eine Parade abgehalten. Die Kurfürsten von Bayern und Sachsen zogen anschließend mit ihren Truppen wieder ab. Erst am 18. September begannen König Sobieski und Herzog Karl V. mit der Verfolgung der geschlagenen osmanischen Streitkräfte. Da aber die Fliehenden nicht sofort verfolgt worden waren, konnten sie sich bei Párkány wieder sammeln. Entgegen den Empfehlungen von Herzog Karl V. und ohne auf weitere kaiserliche Truppen zu warten, die einen Tagesmarsch hinter den polnisch-österreichischen Truppen zurücklagen, zog König Sobieski am 7. Oktober Richtung Párkány. Der König, alle Warnungen ignorierend, vertraute den Berichten osmanischer Gefangenen, dass die Garnison in Párkány nur sehr klein sei. Er wusste aber nicht, dass sich dort bereits ein 40.000 Mann starkes osmanisches Kontingent versammelt hatte, das zu großen Teilen aus Truppen bestand, die nicht an der Schlacht um Wien teilgenommen hatten.

Die Vorhut, unter dem Kommando von Stefan Bidzieński, wurde sofort in ein Gefecht verwickelt und fast vollständig aufgerieben (circa 2.000 Mann). Die fliehenden Reste der Vorhut sehend, ließ der König seine Infanterie und Artillerie hinter sich und stellte sich mit nur 4.000 Mann Hussaria dem zahlenmäßig überlegenen Feind entgegen. Trotz kleinerer Erfolge war die polnische Front, aufgrund der fehlenden Infanterie und Artillerie, nicht zu halten und brach schließlich zusammen. König Sobieski wollte dennoch weiterkämpfen, woraufhin ihn die Offiziere, besonders der österreichische Feldmarschall von Dünewald, der dem polnischen König während der Schlacht zur Seite stand, baten, an sein Leben zu denken. Als er von einer Welle in Panik verfallener Soldateska ergriffen wurde, zog er sich zurück. Aus einem Bericht des polnischen Adligen und Schriftstellers, Jan Chryzostom Pasek, ist zu entnehmen:

    „Der König kam also mit dem Heer auf gleiche Höhe mit jenen Leichen der Vorhut, gleich verließ die unseren den Mut, und da sprangen uns die Türken wie die Rasenden an. Man begann zuerst, ihnen schwachen Widerstand zu leisten. Als sie aber der Eskadron der ruthenischen Wojewoden des Kronhetmanns in den Rücken gekommen waren, da begann die Husareneskradon davonzulaufen, eine zweite nach, eine dritte, schließlich gab das ganze Heer Fersengeld, mit dem König und allen Hetmannen, alle zu ihrer großen Schande und zum Gelächter für die Deutschen. Schimpflich flohen sie eine gute Meile, bis sie sich auf die Kaiserlichen stützen konnten.[22]“

Nach Auflösung der polnischen Kavallerie zogen sich die Polen fluchtartig zurück. König Sobieski entkam nur mit großer Mühe dank der Hilfe seiner tatarischen Hilfstruppen unter Kommando des Lipka-Tataren, Oberst Samuel Mirza Krzeczowski.[23] Zwei Tage später, am 9. Oktober, nach erfolgter Verstärkung der polnischen Kavallerie durch Infanterie, Artillerie und kaiserliche Truppen, wurden die Osmanen in der zweiten Schlacht von Párkány geschlagen.

Am 21. Oktober eroberten die kaiserlichen Truppen und die Polen Gran. Am 25. Dezember wurde Großwesir Kara Mustafa, auf dem Rückzug in Belgrad angekommen, auf Befehl des Sultans erdrosselt. Er hatte die Schlacht um Wien trotz dreifacher Übermacht verloren. Als Dank für die Befreiung Wiens wurde in der Katholischen Kirche am 12. September das Fest Mariä Namen eingeführt.

Durch die sich anschließenden Eroberungen im Zuge des Großen Türkenkrieges in Süd-Osteuropa stieg das Haus Österreich auf Kosten des Osmanischen Reiches zur europäischen Großmacht auf.

Spuren der osmanischen Belagerung

Wien

  • Im Türkenschanzpark im 18. Bezirk haben sich osmanische Einheiten (unter anderem Janitscharen) besonders heftig gegen die Angriffe des Entsatzheeres zur Wehr gesetzt. Der Türkenschanzpark erinnert mit seinem Namen noch heute an dieses Gefecht, ebenso die Türkenschanzstraße in der Nähe.
  • Nahe dem Türkenschanzplatz erinnert die Rimplergasse an den obersten Festungsbauer und Mineur Oberstleutnant Georg Rimpler[10].
  • Der Türkenritthof an der Hernalser Hauptstraße im 17. Bezirk erinnert an einen alten Brauch aus der Belagerungszeit, bei dem ein verkleideter ‚Türke‘ auf einem Esel durch die Straßen paradierte.[24] Der Gemeindebau aus den 1920er-Jahren ist mit einer entsprechenden Statue über dem Eingang geschmückt.[25]
  • Im 9. Bezirk befindet sich die Türkenstraße.
  • Die Heidenschussgasse im 1. Bezirk beherbergt die Statue eines osmanischen Janitscharen am Palais Montenuovo. Sie erinnert an eine Legende, nach der die Osmanen versuchten, an dieser Stelle die Stadtmauern unterirdisch zu sprengen und fast Erfolg hatten. Der Legende nach wurden sie von einem Bäckergesellen aus Münster entdeckt, der die Wache alarmierte
  • Aus der Bronze der zurückgelassenen Kanonen der Osmanen wurde die Pummerin, die größte Glocke des Stephansdoms, gegossen.[26]
  • Weitere Gassen, Straßen, Plätze und Gebäude wurden nach markanten Personen der Belagerung benannt, wie die Graf-Starhemberg-Gasse im 4. Bezirk, die Starhemberg-Kaserne im 10. Bezirk, die Sobieskigasse und der Sobieskiplatz im 9. Bezirk. Denkmäler sind das Liebenberg-Denkmal gegenüber der Universität an der Ringstraße, das Denkmal im Stephansdom, die Gedenktafel an der Kirche am Kahlenberg usw.

andere Orte

  • Das Türkenkreuz in Perchtoldsdorf.
  • Die Blutgasse zum Fischertor in Hainburg erinnert an die Verschleppung und Ermordung von 90 % der Hainburger Bevölkerung nach der Eroberung der Stadt am 12. Juli 1683.

Museale Rezeption

Im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien ist die Zweite Wiener Türkenbelagerung sowie die Entsatzschlacht vom 12. September 1683 ausführlich dokumentiert. Unter den Ausstellungsobjekten befinden sich u. a. mehrere zeitgenössische Ölgemälde von monumentalter Größe, welche die Geschehnisse nachvollziehbar machen. Eine Planskizze ermöglicht es, sich sowohl die Belagerungssituation als auch den Schlachtenverlauf zu vergegenwärtigen.[27] Besondere Stücke sind der Degen des Verteidigers von Wien, Graf Ernst Rüdiger von Starhemberg, nebst einem ihm zugeschriebenen Kürass. Ausgestellt ist auch eine große Anzahl an Beutestücken des türkischen Heeres, wie mehrere Rossschweife, Reflexbögen der berüchtigten Sipahi sowie eine türkische Standarte (Sancak-i Şerif). Eine besonders kuriose Waffe ist eine Sturmsense, eine aus drei Sensenblättern zusammengeschmiedete Verteidigungswaffe der Belagerten.[28]

Literatur

  • Isabella Ackerl: Von Türken belagert – von Christen entsetzt. Das belagerte Wien 1683. Österreichischer Bundesverlag, Wien 1983, ISBN 3-215-04445-5.
  • Thomas M. Barker: Doppeladler und Halbmond. Entscheidungsjahr 1683. Styria, Wien 1982, ISBN 3-222-11407-2.
  • Peter Broucek: Der Sieg bei Wien 1683. Österreichischer Bundesverlag, Wien 1983, ISBN 3-215-04573-7.
  • Gertrud Gerhartl: Belagerung und Entsatz von Wien 1683. In: Militärhistorische Schriftenreihe. Band 46, Österreichischer Bundesverlag, Wien 1983, ISBN 3-215-04967-8.
  • Balthasar Kleinschroth: Flucht und Zuflucht. Das Tagebuch des Priesters Balthasar Kleinschroth aus dem Türkenjahr 1683. In: Hermann Watzl (Hrsg.): Forschungen zur Landeskunde von Niederösterreich. Band 8, Böhlau, Graz / Köln 1983, ISBN 3-205-07205-7.
  • Kara Mustafa vor Wien. Das türkische Tagebuch der Belagerung Wiens 1683, verfasst vom Zeremonienmeister der Hohen Pforte. In: Osmanische Geschichtsschreiber. Erste Auflage. Band 1, Styria, Graz / Wien / Köln 1955 (übersetzt von Richard Franz Kreutel, sowie eingeleitet und erklärt) (als 2. Auflage bei dtv, München 1976, ISBN 3-423-00450-9).
  • Karl Teply (Redaktion): Kara Mustafa vor Wien. 1683 aus der Sicht türkischer Quellen. Styria, Wien 1982 (übersetzt von Richard Franz Kreutel), ISBN 3-222-11435-8.
  • Klaus-Peter Matschke: Das Kreuz und der Halbmond. Die Geschichte der Türkenkriege. Artemis & Winkler, Düsseldorf 2004, ISBN 3-538-07178-0.
  • Johannes Sachslehner: Wien anno 1683. Pichler, Wien 2004, ISBN 3-85431-344-6.
  • Walter Sturminger (Hrsg.): Die Türken vor Wien in Augenzeugenberichten. Rauch, Düsseldorf 1968 (als Taschenbuch bei dtv, München 1983, in der Reihe dtv-Augenzeugenberichte, ISBN 3-423-02717-7).

Einzelnachweise

  1. ↑ a b c Bernd Rill, Ferenc Majoros: Das Osmanische Reich 1300–1922. Marix, Wiesbaden 2004, ISBN 3-937715-25-8, S. 280–285.
  2. ↑ Georg Graffe, Daniel Gerlach: Sturm über dem Bosporus. Komplett-Media, 2007, ISBN 978-3-8312-9362-9, S. 173–175. (Imperium, 2. Staffel, 3. Teil)
  3. ↑ Thomas Winkelbauer: Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter, Teil 1. In: Herwig Wolfram (Hrsg.): Österreichische Geschichte 1522–1699. Wien 2004, ISBN 3-8000-3528-6, S. 164.
  4. ↑ Klaus-Peter Matschke: Das Kreuz und der Halbmond. Die Geschichte der Türkenkriege. Artemis und Winkler, Düsseldorf 2004, S. 360 f. (Sekundärliteratur)
  5. ↑ wien-vienna.at: Türkenbelagerung – Die Heere
  6. ↑ Slowakei in der frühen Neuzeit
  7. ↑ a b Oberstleutnant Johann Georg von Hoffmann aus dem Jahresbericht des Realgymnasiums der Theresianischen Akademie in Wien 1937, S. 3–17, zitiert nach: Walter Sturminger: Die Türken vor Wien. Karl Rauch, Düsseldorf 1968, S. 32.
  8. ↑ Klaus-Peter Matschke, Das Kreuz und der Halbmond. Die Geschichte der Türkenkriege, S358f. (Sekundärliteratur)
  9. ↑ Klaus-Jürgen Bremm: Im Schatten des Desasters. Zwölf Entscheidungsschlachten in der Geschichte Europas. Books on Demand, Norderstedt 2003, ISBN 3-833-40458-2, S. 160
  10. ↑ a b c Lebensgeschichte Georg Rimpler S. 178ff.
  11. ↑ a b c d e f http://xxx
  12. ↑ Matthaeus Merian: Theatri Europaei continuati Zwölffter Theil. Merian, Frankfurt am Main 1691, S. 524f. (Sekundärquelle)
  13. ↑ Wien's Belagerungen durch die Türken und ihre Einfälle in Ungarn und Österreich. Von Karl August Schimmer, 1812
  14. ↑ Richard Franz Kreutel (Übersetzer): Die Geschichte des Silihdar. aus: Kara Mustafa vor Wien. Das türkische Tagebuch der Belagerung Wiens 1683, verfasst vom Zeremonienmeister der Hohen Pforte. Band 1 der Reihe: Osmanische Geschichtsschreiber. Verlag Styria, Graz/Wien/Köln 1955, Erste Auflage, S. 141-143.
  15. ↑ Topçu
  16. ↑ Sturminger 1968, zitiert Oberstleutnant Johann Georg von Hoffmann, S. 116
  17. ↑ Sturminger 1968, zitiert Oberstleutnant Johann Georg von Hoffmann, S. 185
  18. ↑ Sturminger 1968, zitiert Oberstleutnant Johann Georg von Hoffmann, S. 300
  19. ↑ Klaus-Jürgen Bremm: Im Schatten des Desasters. Zwölf Entscheidungsschlachten in der Geschichte Europas. Books on Demand, Norderstedt 2003, ISBN 3-833-40458-2, S. 166.
  20. ↑ Toni Faber in: Der Dom. Mitteilungsblatt des Wiener Domerhaltungsvereines2/2006, S. 11 ([1])
  21. ↑ Foto des Kugelkreuzes
  22. ↑ Maximilian Lorenz von Starhemberg S8
  23. ↑ Izabella Gawin, Dieter Schulze: KulturSchock Polen. Reise-Know-How-Verlag, Bielefeld 2004, ISBN 3-831-71295-6, S. 126
  24. ↑ %BCrken_1683 Der Abzug der Türken 1683 Stich aus einem Flugblatt von 1684
  25. ↑ Magistrat der Stadt Wien: Türkenritthof
  26. ↑ www.xxx
  27. ↑ Johann Christoph Allmayer-Beck: Das Heeresgeschichtliche Museum Wien. Saal I - Von den Anfängen des stehenden Heeres bis zum Ende des 17. Jahrhunderts, Salzburg 1982 S. 30.
  28. ↑ Manfried Rauchensteiner, Manfred Litscher (Hg.): Das Heeresgeschichtliche Museum in Wien. Graz, Wien 2000 S. 16.

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Belagerung von Ofen (1684/1686)

Nach der erfolglosen Zweiten Wiener Türkenbelagerung 1683 durch die Osmanen, welche den Großen Türkenkrieg auslöste, startete eine kaiserliche Gegenoffensive zur Rückeroberung Ungarn, in deren Folge die ungarische Hauptstadt Ofen von den Osmanen befreit werden konnte.

Ausgangssituation

Schon 1541 wurde Buda (deutsch: Ofen) von den Türken erobert und sollte 145 Jahre unter osmanischer Herrschaft liegen. Durch die türkische Niederlage von 1683 sah Leopold I. nun endlich die Chance gekommen zum Gegenschlag auszuholen. Unter Mithilfe von Papst Innozenz XI. wurde am 5. März 1684 die Allianz der Heiligen Liga gegen die Osmanen geschlossen. König Sobieski von Polen, Kaiser Leopold I. und die Republik Venedig schlossen ein Bündnis, welches sich ausschließlich gegen die Osmanen richten sollte.[1]

Erste Belagerung 1684

Ein etwa 38.000 Mann starkes Heer[2] machte sich im Frühjahr 1684 unter Karl V. von Lothringen auf, um Ofen von den Osmanen zu befreien.

Nachdem die Hauptarmee am 13. Juni bei Gran/Esztergom die Donau übersetzte, erschien die Vorhut des kaiserlichen Heeres unter dem Befehl von Maximilian Lorenz von Starhemberg und des Generals der Kavallerie Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden am 15. Juni vor Vicegrad/Visegrád. Am 16. Juni wurde die Stadt Gran von den kaiserlichen Truppen ungeachtet ihrer starken Mauern im Sturm erobert, nachdem ein Tor mit dem Geschütz zerstört wurde. Der größte Teil der osmanischen Besatzungstruppen wurde getötet und die Stadt geplündert. Nur wenige Osmanen konnten sich in das Schloss auf dem Felsen oberhalb der Stadt zurückziehen. Nach nur eineinhalbtägiger Belagerung kapitulierte am 18. Juni die restliche osmanische Besatzung.

Am 27. Juni traf das kaiserliche Heer bei Waitzen/Vác auf ein 17.000 Mann starkes osmanisches Heer. Obwohl sich die Osmanen an einer günstigen Position verschanzt hatten, ließ Karl V. mit Artilleriefeuer den Kampf eröffnen. Das Zentrum der kaiserlichen Truppen wurde dabei von Maximilian Lorenz von Starhemberg angeführt und nach einem kurzen Kampf konnten die osmanischen Truppen geschlagen werden. Sogar Waitzen fiel noch am selben Tag in die Hände der Kaiserlichen. Am 30. Juni rückte die kaiserliche Hauptarmee in die Stadt Pest, welche kurz zuvor von den Osmanen in Brand gesteckt wurde, ein. Nachdem die Armee bei Waitzen wieder das Donauufer wechselte, begann am 14. Juli 1684, dem Jahrestag des Beginns der Wienbelagerung, mit 34.000 Mann die Belagerung Budas, welche von etwa 10.000 Osmanen mit über 200 Geschützen verteidigt wurde, der Beschuss der Festung. Feldmarschall Graf Ernst Rüdiger von Starhemberg wurde mit der Leitung der Belagerung beauftragt. Am 19. Juli schafften es die kaiserlichen Truppen die Unterstadt Budas einzunehmen. Da aber zu wenig Truppen zu dessen Besetzung vorhanden waren, ließ Ernst Rüdiger die Häuser in Brand setzen. Die im Juli und August durchgeführten Angriffe unter dem Kommando von Ernst Rüdiger und Maximilian wurden alle von den Verteidigern zurückgeschlagen. Am 10.August fiel der osmanische Kommandant Kara Mehmed Pascha bei der Abwehr eines Angriffes. Anfang September, so berichtet ein General, sei die Zahl der diensttauglichen kaiserlichen Soldaten von 34.000 auf 12.500 gesunken. Zudem war die Moral der Belagerer niedrig. Erst als am 11. September ein kaiserliches Hilfskorps Buda erreichte, wurden die Belagerungsaktivitäten verstärkt.

Doch am 22. September traf ein Entsatzheer der Osmanen ein, die sogleich in den Angriff übergingen. Dieser Angriff konnte zwar von den Kaiserlichen abgewehrt werden, doch das osmanische Entsatzheer konnte nicht entscheidend geschlagen werden. Die ständigen Störangriffe des Entsatzheeres und Ausfälle der türkischen Stadtbesatzung zermürbten die Belagerer endgültig, zudem musste noch Ernst Rüdiger, der unter starken Gichtbeschwerden litt, in der Leitung der Belagerung abgelöst werden. Da die Witterung im Oktober ungünstig ausfiel, wurde entschieden, die Belagerung abzubrechen. Am 30. Oktober zog sich die kaiserliche Armee nach 109 Tagen Belagerung zurück. Durch osmanische Ausfälle, Ruhr und Fieberepidemien, schlecht angelegte Laufgräben sowie durch taktische Fehler bei der Belagerung selbst schrumpfte die alliierte Streitmacht um mehr als die Hälfte. Bei den christlichen Alliierten waren nach diesem gescheiterten Unternehmen 23.000 Mann an Verlusten zu beklagen darunter auch Hauptmann Paul Joseph Jakob von Starhemberg.[3] Ernst Rüdiger von Starhemberg wurde die Schuld am Misslingen der Belagerung Budas aufgebürdet, obwohl er am Anfang als Einziger gegen diese Belagerung war.

Zweite Belagerung 1686

Zwei Jahre nach der erfolglosen Belagerung von Ofen wurde 1686 ein erneuter Feldzug zur Einnahme der ungarischen Hauptstadt gestartet, an der diesmal mit 74.000 Mann eine fast doppelt so starke christliche Streitmacht teilnahm. Mitte Juni 1686 wurde mit der Belagerung begonnen. Ein türkisches Entsatzheer traf Mitte August vor Ofen ein, doch Abdurrahman Abdi Pascha scheute einen Großangriff gegen die Belagerungsarmee und so kam es am 2. September 1686 zum erfolgreichen Generalsturm auf die Festung. Prinz Eugen und seine Dragoner waren nicht direkt an der Einnahme beteiligt, sondern sicherten den Rücken ihres Heeres vor der türkischen Entsatzarmee, welche die Einnahme der Stadt, seit 143 Jahren in osmanischem Besitz, nicht verhindern konnte. Nach der Erstürmung entlud sich nun der ganze Zorn der siegreichen Soldaten gegen die „Heiden“. Die osmanische Bedrohung, welche im Bewusstsein des damaligen Europas über Jahrhunderte fest verankert war, die in ganz Europa verbreitete Wut über die Gräueltaten der Osmanen gegen die Zivilbevölkerung und der von Kirche und Glauben angefachte religiöse Hass entluden sich nun an Besatzung und Bevölkerung von Ofen:

„Ofen wurde eingenommen und der Plünderung preisgegeben. Die Soldaten begingen dabei tausenderlei Exzesse. Gegen die Türken, wegen ihres langen und hartnäckigen Widerstandes, der eine erstaunliche Menge ihrer Kameraden das Leben gekostet hatte, aufgebracht, sehen sie weder auf Alter noch Geschlecht. Der Kurfürst von Bayern und der Herzog von Lothringen, durch das Seufzen der Männer die man umbrachte, und der Weiber, die vergewaltigt wurden, gerührt, erteilten so gute Ordres, daß dem Niedermetzeln Einhalt geschah und noch über 2000 Türken das Leben gerettet wurde...“[4]

Bei dem Massaker der kaiserlichen Truppen wurden 3000 Türken getötet. Die Gewalt richtete sich nicht nur gegen die Muslime, sondern ebenfalls gegen die jüdische Bevölkerung von Ofen. In den ersten drei Tagen nach Eroberung der Stadt wurde die jüdische Gemeinde Ofens nahezu vernichtet.[5]

Folgen

Als Folge der Einnahme Ofens sowie der gewonnenen Schlacht bei Mohács (1687), erkannte der ungarische Reichstag im November 1687 in Pressburg die Erblichkeit der ungarischen Krone im Haus Habsburg an und verzichtete gleichzeitig auf das Widerstands- sowie Widerspruchsrecht.[6] Außerdem verpflichtete sich der ungarische Reichstag den habsburgischen Thronfolger noch zu Lebzeiten seines Vaters zum König von Ungarn zu krönen. So wurde am 9. Dezember 1687 Joseph, der neunjährige Sohn Kaiser Leopolds, als erster erblicher König mit der Stephanskrone gekrönt. Ungarn war nun endgültig Erbland der Habsburger und bereits im Juni 1688 wurde die "Kommission zur Einrichtung des Königreichs Ungarn" geschaffen, um im Land der Stephanskrone eine starke monarchistische Regierung, unter Berücksichtigung des Wiener Absolutismus und des Merkantilismus, zu schaffen. [7]

Quellen

  1. ↑ Ernst Trost, Prinz Eugen von Savoyen. (Wien - München ²1985) S. 47
  2. ↑ Trost (²1985)
  3. ↑ Trost (²1985), S. 48
  4. ↑ Trost (²1985), S. 56
  5. ↑ Thomas Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter Teil 1. In: Herwig Wolfram(Hg.), Österreichische Geschichte 1522 - 1699. (Wien 2004), S. 166
  6. ↑ Winkelbauer (2004), S. 168
  7. ↑ Winkelbauer (2004), S. 166

 

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Schlacht bei Mohács (1687)

Die Schlacht bei Mohács (auch bekannt als Schlacht am Berg Harsány) im Jahre 1687 war eine Schlacht, zwischen dem kaiserlichen österreichischen Heer einerseits und dem Heer des Osmanischen Reiches andererseits, während des Großen Türkenkrieges (1683-1699). Sie endete mit einem kaiserlichen Sieg, unter dessen Eindruck die ungarischen Stände auf dem Pressburger Reichstag die Erblichkeit der ungarischen Krone im Haus Habsburg anerkannten.

Vorgeschichte

Der Große Türkenkrieg begann mit der Belagerung Wiens im Jahr 1683 durch das osmanische Heer. Nach dem Entsatz der Stadt in der Schlacht am Kahlenberg am 12. September 1683 ging die Initiative an die kaiserlichen Truppen über. In den folgenden Jahren drängten sie unter Herzog Karl V. von Lothringen die Osmanen zurück und eroberten zahlreiche Festungen. Im Jahre 1686 gelang ihnen mit der Einnahme der ehemaligen ungarischen Hauptstadt Buda (→ siehe: Belagerung von Ofen (1684/1686)) der bis dahin größte Erfolg. Friedensangebote des Osmanischen Reiches wurden am Ende des Jahres noch zurückgewiesen, da nunmehr die Abtretung ganz Ungarns greifbar schien.[1]

Im April 1687 wurde in Wien die Entscheidung zum weiteren Vorgehen getroffen. Die Hauptarmee (ca. 40.000 Mann) unter Herzog Karl von Lothringen sollte entlang der Donau auf Esseg vorgehen, während eine zweite Armee (ca. 20.000 Mann) unter Kurfürst Max Emanuel von Bayern gleichzeitig von Szolnok an der Theiß gegen Peterwardein ziehen sollte. Mitte Juli vereinigten sich die beiden Heere an der Donau. Die osmanischen Truppen (ca. 60.000 Mann) unter dem Großwesir Süleyman Paşa bezogen dagegen ein befestigtes Lager vor Esseg zum Schutz dieser Stadt. Zwischen den Heeren lag nur der Fluss Drau. Ende Juli eroberten die Kaiserlichen einen Brückenkopf am jenseitigen Ufer des Flusses und stellten sich in Schlachtordnung auf, um die Osmanen herauszufordern. Diese blieben jedoch passiv und beschränkten sich auf die Beschießung der Drau-Brücken und Uferdämme. Da sich Herzog Karl von Lothringen nicht in der Lage sah, das befestigte osmanische Lager zu stürmen, entschied er sich nach einigen Tagen zur Räumung des Brückenkopfes, obwohl er dafür sowohl von seinen Unterführern als auch von Kaiser Leopold I. kritisiert wurde. Der Großwesir vermutete, dass die Moral der kaiserlichen Truppen nun angeschlagen sei und folgte ihnen. Durch geschickte Manöver drängte er die Kaiserlichen bis in den Raum Mohács zurück, wo diese Anfang August eine befestigte Stellung bezogen. Die Osmanen errichteten bei Dárda ebenfalls eine befestigte Stellung, die jedoch von dichtem Gebüsch verborgen für die Kaiserlichen nicht sichtbar war. Herzog Karl von Lothringen ahnte dementsprechend noch nichts von der Nähe des osmanischen Heeres.

Verlauf

Am Morgen des 12. August plante der Herzog von Lothringen nach Siklos zu ziehen, weil ihm das Gelände dort für eine Schlacht geeignet schien. Der rechte Flügel setzte sich in Bewegung und marschierte nach Westen in ein dichtes Waldgebiet. Süleyman Paşa sah daraufhin seine Chance für gekommen und griff mit seinem gesamten Heer den linken Flügel des kaiserlichen Heeres unter dem Kurfürsten von Bayern an, der noch immer in den befestigen Stellungen stand und ebenfalls im Begriff war nach Westen zu marschieren. Allein 8.000 Sipahis versuchten dabei, die linke Flanke der kaiserlichen Truppen zu umfassen. Der Kurfürst von Bayern ließ umgehend den Herzog von Lothringen, der sich bei dem abmarschierten rechten Flügel befand, benachrichtigen und traf Anstalten, um den Angriff der doppelt überlegenen Osmanen abzuweisen. Die Infanterie behauptete ihre Stellung und General Piccolomini gelang es mit einigen Kavallerieregimentern, den Umfassungsangriff der Sipahis zurückzuwerfen.

Der Großwesir war von dem unerwartet heftigen Widerstand überrascht und befahl die Einstellung der Angriffe. Zwar beschoss die osmanische Artillerie die kaiserlichen Stellungen weiter, doch den Truppen selbst wurde befohlen, Stellungen aufzuwerfen und sich dahinter zu verschanzen. Dadurch gewann der alarmierte rechte Flügel des kaiserlichen Heeres die notwendige Zeit, um in seine ursprüngliche Stellung zurückzukehren. Auch der Herzog von Lothringen gedachte zunächst die eingenommene Stellung lediglich zu verteidigen, doch schließlich ließ er sich vom Kurfürst von Bayern sowie vom Markgrafen Ludwig von Baden zu einem großangelegten Gegenangriff überreden. Der Aufmarsch des kaiserlichen Heeres war um 15:00 Uhr beendet. Zur gleichen Zeit nahm auch Süleyman Paşa den Angriff wieder auf. Wieder versuchten Sipahis unterstützt durch Janitscharen die linke Flanke der kaiserlichen Stellung zu umgehen. Markgraf Ludwig von Baden wehrte diesen Angriff mit 23 Eskadronen ab und ging anschließend selbst zum Sturm auf die noch unvollendete osmanische Stellung über. An der Spitze des Angriffs drangen die Truppen der Generäle Rabutin und Eugen von Savoyen in die osmanischen Verschanzungen ein, wobei die Reiter aufgrund des schwierigen Geländes von ihren Pferden hatten absteigen müssen.[2] Der osmanische Widerstand brach zusammen und schon bald verwandelte sich der eingeleitete Rückzug des osmanischen Heeres in eine wilde Flucht.

Während der ganzen Schlacht war lediglich der linke Flügel des kaiserlichen Heeres im Kampf gewesen. Vor der Front des rechten Flügels lag ein dichter Wald, der einen Angriff dieser Truppen nicht zuließ. Man hatte allerdings versucht, ein Umgehungsmanöver über den rechten Flügel zu unternehmen, um den Osmanen den Rückzug zu verlegen, doch in den Wäldern hatte sich die Kolonne verirrt. Die Verluste der kaiserlichen Truppen hielten sich mit etwa 600 Mann sehr in Grenzen. Die Osmanen verloren hingegen ihren gesamten Tross, den größten Teil der Artillerie (66 Geschütze) und nach einigen Schätzung bis zu 10.000 Tote.[3] Allein die Beute des Kurfürsten von Bayern soll zwei Millionen Dukaten umfasst haben. Das Prachtzelt des Großwesirs und 160 Fahnen fielen in die Hände der Sieger.[4]

Folgen

Die Niederlage stürzte das Osmanische Reich in eine innenpolitische Krise. Bereits vor der Schlacht bei Mohács war die Moral der osmanischen Truppen durch die Rückschläge signifikant gesunken. Nach der Schlacht kam es zu einem Aufstand der Janitscharen und Sipahis im Lager des Großwesirs. Dieser flüchtete nach Istanbul, doch eine Gesandtschaft der Aufrührer folgte ihm und erreichte bei Sultan Mehmed IV. dessen Hinrichtung. Kurze Zeit später setzten die meuternden Truppen den Sultan selbst ab und setzten dessen Bruder Süleyman II. auf den Thron. Nach weiteren Ausschreitungen gegen Würdenträger und hohe Beamte setzte ein Volksaufstand dem Chaos ein Ende.[5]

Den kaiserlichen Truppen ermöglichte diese Schwäche der Osmanen die Eroberung großer Gebiete. Sie nahmen Esseg, Klausenburg, Valpó, Peterwardein, Karlowitz, Jllok, Pozega, Palota und Erlau ein. Damit gerieten Slawonien und Siebenbürgen unter kaiserliche Kontrolle. Das Prestige, welches die Habsburger damit erlangten, veranlasste die ungarischen Stände auf dem Reichstag zu Pressburg den erst neunjährigen Erzherzog Joseph, am 9. Dezember 1687, zum ersten erblichen König von Ungarn zu krönen. Überdies verpflichteten sich die Ungarn, von nun an den Thronfolger noch zu Lebzeiten seines Vaters zu krönen und verzichteten gleichzeitig auf ihr Widerstands- und Widerspruchsrecht (jus resistendi/jus contradicendi) gegenüber dem König.[6] Die seit dem Tod König Ludwigs II. 1526 anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen den Habsburgern, den Osmanen, dem ungarischen Adel und den Fürsten von Siebenbürgen um die Stephanskrone, waren nun zu Gunsten Habsburgs beendet. Nach der formalen Bestätigung am 25. Januar 1688 war das Königreich Ungarn Erbreich der Habsburger. Die muslimische Bevölkerung floh aus Ungarn, Slawonien und Siebenbürgen, teils wegen der Grausamkeiten, die sie von den christlichen Eroberern erlitten, teils, weil das muslimische Religionsgesetz eine Emigration im Falle der Einnahme durch Nicht-Muslime vorsah.[7]

Um die Erinnerung an die Niederlage der böhmischen und ungarischen Christen gegen die Osmanen im Jahre 1526 zu verwischen, entschied man sich, das Treffen offiziell ebenfalls als Schlacht bei Mohács zu bezeichnen, obwohl der Ort der früheren Schlacht mehrere Kilometer entfernt lag.[8]

Fußnoten

  1. ↑ Paul Wentzcke: Feldherr des Kaisers - Leben und Taten Herzog Karl V. von Lothringen, Leipzig 1943, S.278
  2. ↑ Franz Herre: Prinz Eugen - Europas heimlicher Herrscher, Stuttgart 1997, S.39f
  3. ↑ Ernst Trost: Prinz Eugen von Savoyen, Wien/ München 1985, S. 60
  4. ↑ Wentzcke (1943), S.286
  5. ↑ Ernst Werner/ Walter Markow: Geschichte der Türken - Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Berlin (Ost) 1979, S.156f
  6. ↑ Thomas Winkelbauer: Ständefreiheit und Fürstenmacht - Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter, Bd.1, Wien 2004 (= Herwig Wolfram (Hrsg.): Österreichische Geschichte 1522 - 1699)
  7. ↑ Josef Matuz, Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte, 5. Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008, S. 186
  8. ↑ Max von Turek: s.v. Mohács, in: Bernhard von Poten: Handbuch der gesamten Militärwissenschaften, Leipzig 1879, S.37

Literatur

  • Bernhard von Poten (Hrsg.): Handwörterbuch der gesamten Militärwissenschaften. Band 7, Velhagen & Klasing, Bielefeld, Leipzig 1879.
  • Karl Staudinger: Geschichte des kurbayerischen Heeres unter Kurfürst Max II Emanuel 1680-1726. Band 2, Lindauer, München 1904.
  • Paul Wentzcke: Feldherr des Kaisers. Leben und Taten Herzog Karl V. von Lothringen. Koehler & Amelang, Leipzig 1943.

 

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Schlacht bei Zenta

In der Schlacht bei Zenta errangen die kaiserlichen Truppen unter dem Oberbefehl von Prinz Eugen von Savoyen bei Zenta an der Theiß am 11. September 1697 einen bedeutenden Sieg über die Osmanen. Dieser Sieg führte schließlich zum Frieden von Karlowitz, der den Großen Türkenkrieg (1683–1699) beendete.

Ausgangslage

Kaiser Leopold I. ging nach der Niederlage der Osmanen bei der Zweiten Wiener Türkenbelagerung in die Offensive. Seine Truppen eroberten Ofen (Stadt) (heutiges Budapest) 1684/1686, besiegten die Osmanen in der Schlacht bei Mohács (1687) und eroberten 1688 Belgrad, welches 1690 infolge des Pfälzischen Erbfolgekrieges aber wieder an die Osmanen zurückfiel.

Vorgeschichte

1697, als der Pfälzische Erbfolgekrieg beendet war, kehrte Prinz Eugen (seit 1693 Feldmarschall) auf den osmanischen Kriegsschauplatz zurück. Der bisherige Oberbefehlshaber, Kurfürst Friedrich August von Sachsen, legte sein Kommando nieder, da er nach dem Tode Johanns III. Sobieski zum König der Polen gewählt worden war. Rüdiger Graf Starhemberg, der berühmte Verteidiger Wiens während der Zweiten Wiener Türkenbelagerung und damalige Präsident des Hofkriegsrates, empfahl in einem Gutachten vom 15. März 1697:

„Ich weiß Keinen, der mehr Verstand, Experienz, Application [Hinwendung, Fleiß] und Eifer zu Euer Kaiserlichen Majestät Dienst hätte, ein generoses und uninteressiertes Gemüt, auch die Liebe und Respect bei der Miliz, als der Prinz von Savoyen [...] Er hat in Italien commandiert [...] die Armata jederzeit in großer Einigkeit, Respect und Gehorsam erhalten, welcher dagegen bei der Armata in Ungarn ganz zerfallen, weswegen wohl nötig, derselben einen solchen vorzustellen, der ihn wieder Einzuführen weiß, von allen Offizieren beliebt und hierzu secundiert wird, die alle und sonderlich die Vornehmeren dem Prinzen von Savoyen so viel geneigt, als sie dem anderen [Kurfürst von Sachsen] abgeneigt sind [...][2]“

Vorbereitung zur Schlacht

Aufgrund dieser Empfehlung wurde Prinz Eugen am 5. Juli 1697 zum Oberbefehlshaber der Armee in Ungarn ernannt. Wie aus derselben Empfehlung zu entnehmen ist, befand sich die Armee in einem denkbar schlechten Zustand: Von der Sollstärke von 70.000 Mann waren nur 35.000 kampffähig, die Kriegskasse war leer und die Verpflegung miserabel. Eugen musste sich Geld leihen, um wenigstens Verpflegung und Sold für seine Armee im ausreichenden Maße zur Verfügung zu haben.

Eugens erste taktische Maßnahme war das rasche Zusammenziehen der in Oberungarn und Siebenbürgen operierenden Truppen, um eine möglichst große Streitmacht gegen die Türken aufbieten zu können. Da aus Peterwardein die Meldung kam, dass sich der Sultan mit seiner Armee und der gesamten Donauflottille bereits in Belgrad befinde, blieb ihm nicht viel Zeit. Nur fünf Tage nach seiner Kommandoübernahme (17. Juli) begann er einen Gewaltmarsch Richtung Peterwardein. Nach der Vereinigung mit den Truppen aus Oberungarn und Siebenbürgen an diesem Orte umfasste die kaiserliche Armee zwischen 50.000 und 55.000 Mann.[3]

Als man vor der Festung eintraf, war die türkische Streitmacht ebenfalls schon vor Ort. Den ganzen August hindurch spielten sich jedoch nur taktische Manöver zwischen den Streitmächten im Großraum Peterwardein ab. Die Osmanen versuchten weder die Erstürmung der Burg noch eine offene Feldschlacht, da Eugen die Schlacht immer nur in Reichweite der Festungsgeschütze anbot. Anfang September brachen die Osmanen die taktischen Geplänkel ab und zogen der Theiß entlang nach Norden, um sich der Festung Szegedin zu bemächtigen. Der kaiserliche Feldmarschall folgte nun, fast auf gleicher Höhe, der osmanischen Streitmacht.

Da gelang der kaiserlichen Kavallerie, die ständig Feindberührung hielt, die Gefangennahme eines türkischen Offiziers. Seiner Aussage zufolge wurde der Plan zur Erstürmung Szegedins wegen des verfolgenden christlichen Heeres aufgegeben und der Sultan beabsichtige, die Theiß bei Zenta zu überqueren und sich nach Temesvár ins Winterlager zurückzuziehen. Als Eugen von dieser Nachricht erfuhr, entschloss er sich, sofort die Schlacht zu eröffnen.

Auf osmanischer Seite hatte der erfahrene Haudegen Ca'fer Pascha vergeblich gegen die Überquerung der Theiß gestimmt und zeigte sich, nach der Chronik seines Siegelbewahrers Alî aus Temeschwar, unglücklich über diese Entscheidung:

“Als er unserem Herrn Pascha Bericht erstattete, raufte sich dieser verzweifelt den Bart und sagte: ‘O weh, o weh, jetzt ist es soweit, dass der Ehre des Erhabenen Reiches Abbruch geschehen muss!’ Er lud die Paschas und Ağas zu sich und als er ihnen mitteilte, dass man auf das jenseitige Ufer übersetze, wurden alle niedergeschlagen und bekümmert, weil sie diese Maßnahme als völlig verfehlt erachteten; sie wunderten sich, auf wessen Betreiben es wohl dazu gekommen war, und waren ganz verstört.” [4]

Ca'fer Pascha fiel noch im Verlaufe der Schlacht bei der Verteidigung des Brückenkopfes, um den Rückzug zu decken.

Schlachtverlauf

Am Nachmittag des 11. September 1697 bot sich an der Theiß bei Zenta folgendes Bild: Am diesseitigen, westlichen Ufer befand sich ein aus Schanzen und Erdwällen errichteter türkischer Brückenkopf, der die Flussüberquerung sicherte. Auf der Pontonbrücke, die über die Theiß führte, wurden gerade die Artillerie und der Tross auf die andere Seite transportiert, auf der sich bereits der Sultan und die osmanische Kavallerie befanden. Die Türken wiegten sich in falscher Sicherheit und dachten nicht, dass die kaiserliche Armee so schnell vor Ort sein würde, wie aus einem türkischen Bericht zu entnehmen ist:

„Daß der Feind kommen werde, hatte ja niemand bezweifelt, jedoch war nicht anzunehmen gewesen, daß er nach nur einem Tag da sein würde; aber die Giaurenreiter [kaiserliche Kavallerie] hatten die Infanteristen hinter sich aufs Pferd genommen, und so waren sie in höchster Schnelligkeit herangerückt.[5]“

Eugens Truppen eröffneten direkt aus der Bewegung heraus den Angriff und gingen halbmondförmig gegen die Verteidigungsstellung der Osmanen vor. Als etwas nördlicher der Pontonbrücke Sandbänke im Fluss erkennbar wurden, nutzte Eugen diese Gelegenheit sofort aus und ließ diese besetzen, um die türkische Abwehrstellung auch in ihrem Rücken unter Beschuss zu nehmen. Nach intensivem Artilleriefeuer folgte der Sturmangriff, an dem sich nicht nur die Infanterie, sondern auch die abgesessenen Kavalleristen sowie an der Spitze eines Dragonerregiments Prinz Eugen selbst beteiligten. Die Schanzen wurden schließlich überwunden, die Türken in den Fluss getrieben und die Brücke unter Feuer genommen:

„Der Soldat ist so ergrimmt gewesen, daß er fast keinem Quartier (Pardon, Gnade) gegeben, obschon Paschas und Offiziere sich gefunden, welche viel Geld versprochen haben, und befinden sich daher gar wenig Gefangene in unserer hand[sic!].[6]“

Beute

Nach dem Sieg bei Zenta überreichte Prinz Eugen dem Kaiser persönlich die Stücke, die in der Schlacht bei Zenta erbeutet wurden. Es waren dies: 6.000 Wagen und Unmengen von Proviant (3000 Wagen versanken in der Theiß), 80 große und 58 kleine Geschütze, 423 Fahnen, 7 Rossschweife der Regimentsinhaber, Kamele, Ochsen, Pferde, Zelte, die Kriegskasse (angeblich mit drei Millionen Gulden und weiteren 40.000 aus dem Besitz des Sultans), das Archiv, eine große Zahl türkischer Pauken, einen Prunksäbel sowie die Kutsche des Sultans mit acht Pferden und zehn „Kebs-Weibern“.

Das wichtigste Beutestück war aber das Siegel des Sultans Mustafa II., welches heute im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien aufbewahrt wird. Es handelt sich dabei um eine Messingpetschaft mit spitzovaler Siegelfläche (19×26 mm) mit dem Wortlaut „Mustafa, Sohn des Mehmed Han, immer siegreich“, darunter das Jahr der Thronbesteigung „1106 der Hedschra“ (nach der christlichen Zeitrechnung das Jahr 1695). Das Siegel des Sultans ist zusammen mit einem zweiten Siegel eines gewissen Ismail und einem rotseidenen, goldbestickten Säckchen zu sehen.[7] Das Siegel war im Feldzug von 1697 (Großer Türkenkrieg) - wie in der türkischen Armee üblich - dem Oberbefehlshaber Großwesir Elmas Mehmed Pasa übergeben worden, der es ständig bei sich zu tragen hatte. Der Großwesir wurde in der Schlacht getötet, das Siegel von Prinz Eugen erbeutet, dieser übergab es als Trophäe dem Kaiser, in weiterer Folge wurde es von der kaiserlich-königlichen Schatzkammer dem Heeresmuseum übergeben.[8] Über das Siegel schrieb Prinz Eugen in seinem Bericht an den Kaiser: „Ich habe auch [...] des Gross-Sultan Petschaft erhalten, welches das Allerrarste, und diesen ganzen Krieg über bei allen Victorien noch niemals bekommen worden ist [...] und ich werde mir auch die Ehre geben, wenn ich wiederum das Glück habe, vor Eurer Kaiserlichen Majestät Thron zu erscheinen, in aller Untertänigkeit es persönlich zu überreichen.“[9]

Ergebnis

Es war ein vollständiger und umfassender Sieg und von nun an war der Name Prinz Eugens in ganz Europa zu einem Begriff geworden. Der nach Temeschburg fliehende Sultan verlor an die 25.000 Mann, seine gesamte Artillerie und den ganzen Verpflegungsvorrat, wohingegen die Verluste der Truppen des Kaisers 28 Offiziere und 401 Mann an Toten betrugen.[10] Die Schlacht bei Zenta war die Grundlage für den Frieden von Karlowitz (1699), mit dem sich das Kräfteverhältnis in Südosteuropa zu Ungunsten des Osmanischen Reiches veränderte. Trotzdem wurde der Sieg bei Zenta militärisch nicht vollständig genutzt, weil auf eine Verfolgung der Türken angesichts der Witterungsbedingungen verzichtet wurde.

Einzelnachweise

  1. ↑ K. K. Kriegsarchiv (Hrsg.): Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen. Verlag des K. K. Generalstabes, Wien 1876, Band 2, S. 156.
  2. ↑ Walter Hummelberger: Die Türkenkriege und Prinz Eugen. In: Herbert St. Fürlinger(Hrsg.): Unser Heer. 300 Jahre österreichisches Soldatentum in Krieg und Frieden. Wien 1963, S. 86f.
  3. ↑ Ernst Trost: Prinz Eugen von Savoyen. Wien ²1985, S. 10.
  4. ↑ Stefan Schreiner (Herausgeber): Die Osmanen in Europa. Erinnerungen und Berichte türkischer Geschichtsschreiber. Verlag Styria, Graz/Wien/Köln 1985, ISBN 3-222-11589-3, S. 337.
  5. ↑ Trost ²1985, S. 11
  6. ↑ Trost ²1985, S. 12
  7. ↑ Manfried Rauchensteiner, Manfred Litscher (Hg.): Das Heeresgeschichtliche Museum in Wien. Graz, Wien 2000 S. 17.
  8. ↑ Johann Christoph Allmayer-Beck: Das Heeresgeschichtliche Museum Wien. Saal I - Von den Anfängen des stehenden Heeres bis zum Ende des 17. Jahrhunderts, Salzburg 1982 S. 64.
  9. ↑ zitiert bei Agnes Husslein-Arco, Marie-Louise von Plessen (Hrsg.): Prinz Eugen. Feldherr, Philosoph und Kunstfreund, Wien 2010, S. 61.
  10. ↑ Hummelberger 1963, S. 88

 

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Friede von Karlowitz

Der Frieden von Karlowitz wurde am 26. Januar 1699 geschlossen. Mit ihm endete der Große Türkenkrieg zwischen dem Osmanischen Reich auf der einen und Österreich, Polen, der Republik Venedig sowie Russland auf der anderen Seite.

Vorgeschichte

Der Große Türkenkrieg begann mit der zweiten Türkenbelagerung Wiens 1683. Nach dem Sieg über das Osmanenheer des Großwesirs Kara Mustafa durch Herzog Karl V. von Lothringen und den polnischen König Johann III.Sobieski am 12. September 1683 in der Schlacht am Kahlenberg, beteiligten sich auch Venedig (ab 1684) und Russland (ab 1686) am Kampf gegen die Osmanen. Das Kriegsziel war, die Expansion der Osmanen, die seit etwa drei Jahrhunderten vom Südosten her immer weiter in europäische Kerngebiete vorgedrungen waren, nachhaltig zu stoppen und sie möglichst weit in Richtung auf ihr eigenes Kernland zurückzudrängen. Hauptkriegsschauplatz war Ungarn, das die Osmanen schließlich verloren. Nach dem Sieg des Prinzen Eugen von Savoyen am 11. September 1697 in der Schlacht bei Zenta über Sultan Mustafa II. war der osmanische Wille zur erneuten West-Expansion gebrochen. Es zeigten sich nun alle Seiten friedensbereit.

Friedensschluss

Als Verhandlungsort wurde Karlowitz, das heutige Sremski Karlovci in der Vojvodina gewählt, da es zwischen dem habsburgischen Peterwardein und dem osmanischen Belgrad auf neutralem Terrain lag. Die Verhandlungen gingen von Mitte November 1698 bis Januar 1699. Das Osmanische Reich wurde durch den Reis Effendi („Außenminister“) Rami Mohammed und den Dragoman (Pfortendolmetscher) Alexander Maurokordatos, Kaiser und Reich durch die Grafen Kinsky, Öttingen und Schlick sowie Marsigli (nur als Berater) vertreten. Für Venedig verhandelte Carlo Ruzzi, für Polen Malachowski und Prokopij Wosnitzin vertrat Russland.

Nach dem Frieden von Karlowitz musste das Osmanische Reich ganz Ungarn einschließlich Siebenbürgens (aber ohne dem Banat von Temesvar), sowie den Großteil Kroatiens (in etwa das heutige Slawonien) an Österreich abtreten. Der Republik Venedig wurde der seit 1686 bestehende Besitz der Halbinsel Morea bestätigt, während Polen das seit 1672 durch die Hohe Pforte okkupierte Podolien mit Kamieniec Podolski und weitere Teile der Ukraine zurückerhielt.

Folgen und Bedeutung

Der Friedensschluss markiert einen Wendepunkt in der europäischen Geschichte: Nie zuvor hatte ein Sultan von Konstantinopel vor einer nichtmuslimischen Macht die Waffen gestreckt. Der Friede zu Karlowitz legte den Grundstein für die neue Großmacht Österreich und war der Beginn der Epoche des Niedergangs des Osmanischen Reiches.[1]

Russland schloss auf zwei Jahre einen Waffenstillstand, der aber direkt in den Frieden von Konstantinopel (1700) mündete, in dem der russische Besitz von Azow bestätigt wurde.

Die kartographische Erfassung der ausgehandelten Grenzfestlegungen oblag Johann Christoph von Naumann, der zur kaiserlichen Gesandtschaft gehörte. Naumann war anschließend einige Jahre als kaiserlicher Grenzingenieur mit dem Auftrag tätig, die von den Türken befestigten Plätze entlang des Flusses Maros zu schleifen und auf österreichischer Seite neue Festungswerke anzulegen.

Literatur

  • Michajlo R. Popović: Der Friede von Karlowitz: 1699. Schmidt, Leipzig 1893, (Leipzig, Univ., Diss., 1893).
  • Oswald Redlich: Weltmacht des Barock. Österreich in der Zeit Kaiser Leopolds I. 4. durchgesehene Auflage. Rohrer, Wien 1961.

Einzelnachweise

  1. ↑ Mathias Bernath (Hrsg.): Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Verlag Oldenbourg, München 1979, Band 3, ISBN 3-486-48991-7, S. 349.

 

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Sachsen-Polen

Der Begriff Sachsen-Polen bezeichnet die von 1697 bis 1706 und von 1709 bis 1763 bestehende Personalunion zwischen dem Kurfürstentum Sachsen und der Adelsrepublik Polen-Litauen in Person Friedrich August I. Kurfürst von Sachsen, beziehungsweise August II., König von Polen und seines Thronfolgers, König August III. von Polen. Die Personalunion erlosch nach dem Tod Augusts III. 1763. Eine weitere wettinische Thronfolge kam aufgrund der geänderten Interessenlage des Russischen Reiches nicht mehr zu Stande.

Herrschaftsgebiete

Polen-Litauen

Bedingt durch den auszehrenden zweiten Nordischen Krieg, war die Adelsrepublik ein Land ohne staatliche Verwaltungsorgane, mit einer unterentwickelten Wirtschaft, unzureichenden Steuereinnahmen und einer Armee, die den Erfordernissen der Zeit weder qualitativ noch zahlenmäßig gewachsen war.[1] Dafür verfügte die Adelsrepublik über Rohstoffreichtum und war daher für das gewerblich geprägte Sachsen interessant. Die polnischen Beamten, die Kronarmee und die Staatskasse unterstanden in Polen dem Sejm, dessen Politik von den mächtigen Magnatenfamilien und der Szlachta bestimmt wurde. Ihre Neigung zur Bildung von Konföderationen verwandelte das Königreich in ein Pulverfass. Der Reichstag Polens war durch diese Privatinteressen relativ handlungsunfähig (Liberum Veto); die Krone selbst hatte nur beschränkte Einkünfte, die dem Kronschatzmeister Przebendowski unterstanden. Dies bedeutete, dass Polen ein extremes Übergewicht der ständischen gegenüber der monarchischen Komponente besaß.

Kurfürstentum Sachsen

Das Kurfürstentum Sachsen verfügte über ein hoch entwickeltes Manufaktur- und Handwerkswesen. Durch sein geschlossenes Herrschaftsgebiet galt es auch im europäischen Maßstab als ein mächtigeres Staatsgebilde, das noch Ende des 17. Jahrhunderts von der inneren Entwicklung her Brandenburg-Preußen überlegen war, jedoch in den folgenden Jahrzehnten die protestantische Führungsrolle im Heiligen Römischen Reich an Brandenburg abtreteten musste.

Königskrönung von Kurfürst Friedrich-August

Ein Antrieb für die Erlangung der polnischen Königswürde war der Wunsch nach politischer Souveränität, die Kurfürst Friedrich-August außenpolitisch weiteres Gewicht zu geben versprach. Die langanhaltende und gefestigte Dominanz der Habsburger Dynastie im Reich bestärkte den Kurfürsten, sich einem drohenden Rang- und Machtverlust durch eine Rangerhöhung auf einem nicht zum Reich gehörenden Gebiet zu entziehen. Ein weiteres wichtiges Motiv bildeten die Rang- und Zeremonialfragen, die zu jener Zeit die Machtstellung anzeigten und daher unmittelbare politische Bedeutung hatten. Alle Fürsten dieser Zeit folgten dem französischem Vorbild Ludwigs XIV. in der Prachtentfaltung, wie ausgefeiltes höfisches Zeremoniell, aufwändig inszenierte Einzüge und fantasievolle Feuerwerke, üppige Bankette mit Opernaufführungen und Balletten. Der Erwerb der polnischen Königskrone stellte daher eine Prestigefrage Ersten Ranges für Kurfürst Friedrich-August dar. Denn nur mit einer Königskrone konnte ein deutscher Fürst seine quasi souveräne Stellung ausdrücken und damit von den europäischen Mächten als gleichrangig akzeptiert werden.

Dem sächsischen Gesandten in Warschau, Graf Flemming, war es zuvor gelungen, die Konkurrenz durch das Aufstellen immer neuer Bewerber völlig zu zersplittern. Die Bemühungen des Neffen von Papst Innozenz XI., des Fürsten Livio Odescalchi, Herzogs von Bracciano und Ceri, des Sohnes des vormaligen Königs Johann III. Sobieski, Prinz Jakob Ludwig Heinrich, des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz, des Herzogs Leopold von Lothringen, des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden-Baden, des Kurfürsten Max II. von Bayern und zwölf weiterer Kandidaten waren daher hoffnungslos. Der aus Frankreich zur Königswahl angereiste Fürst Franz Ludwig von Bourbon-Conti konnte sogar eine größere Stimmenzahl als August auf sich vereinigen, musste jedoch, von sächsischen Truppen genötigt, ohne Erfolg in seine Heimat zurückkehren.

Nach den üblichen Bestechungsgeldern, konnte Kurfürst Auguste der Starke am 26./27. Juni auf dem Wahlfeld entgegen aller Anfangserwartungen in Warschau-Wola gewählt werden. Am 15. September 1697 folgte in Krakau die Krönung als August II. Mocny.

Ausgangsbedingungen

Nach der Königskrönung ergaben sich für beide Seiten vorteilhafte Möglichkeiten. Beide Partner fühlten sich von Preußen und dessen territorialen Ambitionen bedroht. Durch das Zusammengehen beider Länder konnte diese Gefahr vorerst gebannt werden. Beide Mächte benötigten gegenseitige Unterstützung im unsicheren Nordeuropa, wo die preußische, schwedische und russische Armee den sächsischen und polnischen Heeren weit überlegen waren. Da Polen-Litauen der größere der beiden Partner war, hatte der heimische Adel Grund genug zur Annahme, dass es ihnen gelingen würde, ihre separatistischen Interessen zu wahren. Als Konstitutionalisten konnte es ihnen zudem eher gelingen, einen ausländischen Herrscher zu kontrollieren als einen Einheimischen.[2]

Trotz der Vorteile, wie zum Beispiel zusätzliche dynastische Erbansprüche und ein höheres Gewicht in Friedensverhandlungen, gab sich der sächsische Hof nicht mit dem Gewinn der polnischen Königskrone zufrieden. Stattdessen sollte das Potenzial Polens für den Dresdener Hof finanziell und militärisch nutzbar gemacht werden.[3] Dem stand die Beschränktheit der Befugnisse entgegen, die ein polnischer Wahlkönig besaß. Das Kurfürstentum Sachsen konnte nur dann hoffen aus der Verbindung mit Polen zu profitieren, wenn es gelang, eine Landbrücke zwischen beiden Ländern zu erwerben. Diese Hoffnung zerschlug sich mit der preußischen Annexion Schlesiens nach 1740. Solange Kommunikation, Warenverkehr und Truppenbewegungen vom guten Willen Habsburgs oder Brandenburg-Preußens abhingen, konnte nicht an eine Großmacht Sachsen-Polen gedacht werden.[4] Die Idee einer Realunion zwischen diesen gegensätzlichen Territorien als solche war sicher utopisch, dennoch erschien den Akteuren ein gewisser Zusammenschluss beider Länder in den Bereichen Verwaltung, Militär, Wirtschaft und Finanzen, ähnlich wie in den Kernländern im Habsburgerreich möglich. Anknüpfungspunkte stellten zum Beispiel der Rohstoffreichtum Polens und die entwickelte Manufakturwirtschaft Sachsens dar.

Zeitlicher Verlauf

Nach der Besetzung Sachsens durch die Schweden im Großen Nordischen Krieg musste König August II. im (Friede zu Altranstädt 1706 den polnischen Königstitel abgeben, und den von Schweden gestützten Stanislaus I. Leszczyński auf dem Thron anerkennen. Nach der schwedischen Niederlage in der Schlacht bei Poltawa 1709 konnte der sächsische Kurfürste den Thron aber wiedergewinnen. Nach der Wiedererlangung der Königskrone strebte König August II. die Entmachtung des Sejm in einem Staatsstreich an. Seine Vertreter forderten dort die Verschmelzung der sächsischen Armee mit der polnischen Kronarmee, nachdem man schon 1713 sämtliche polnische Festungen besetzt, Lager anlegen und Verhaftungen hatte vornehmen lassen. Da dies ein erster Schritt zur Errichtung einer absolutistisch orientierten Erbmonarchie in Polen bedeutet hätte, provozierte es 1715/16 den Aufstand der Konföderation von Tarnogrod, angeführt von Marschall Ledóchowski und Graf Branicki, wodurch August seinen Thron riskierte. Es war hauptsächlich ein Aufstand des Kleinadels gegen den König; bedeutende Magnaten wie zum Beispiel Litauens Hetman Ludwik Pociej (ein Freund Peters des Großen) versuchten eher zu vermitteln. Die sächsischen Truppen blieben zwar in allen größeren Gefechten siegreich, konnten den Aufstand aber nicht beenden, so dass die Kassen knapp wurden. König August II. akzeptierte die von den Konföderierten ins Spiel gebrachte Vermittlung des Zaren und erreichte im Frieden von Warschau 1716 beziehungsweise im Stummen Sejm 1717 nur Teilerfolge. Die sächsische Armee musste im Gegenzug das Land verlassen.

Nach 1716 zeichnete sich jedoch eine gewisse Stabilisierung der Regierung August II. in Polen ab, wodurch zwar einige Reformen möglich wurden – aber für solche im Sinne des Absolutismus bestand keine Aussicht. Mehrere Reichstage platzten, und König August II. bemühte sich ergebnislos, dem Kurprinzen die Nachfolge zu sichern. Wenigstens erholte sich Polen in den 20er Jahren wirtschaftlich von den Auswirkungen des großen Nordischen Krieges. Der Gutsadel produzierte intensiv, der Warenaustausch zwischen Polen und Sachsen, durch die Leipziger Messe gefördert und durch Zollabkommen erleichtert, stieg. Vorzugsweise kamen dabei die Rohstoffe aus Polen und Fertigprodukte aus Sachsen. Paläste, Parks und zahlreiche neue Kirchen zeugten davon, dass Polen nach wie vor über Ressourcen verfügte. Nur fehlte es in der, sich ständig in innerer Blockade und Ohnmacht befindlichen, Adelsrepublik am Willen, etwas daraus zu machen. Eine zentrale Wirtschafts- und Finanzpolitik war in Polen nicht durchsetzbar, ein großer Teil der Steuern (bis zu 20%) blieben auf dem Einzugswege hängen und merkantilistisches Denken beschränkte sich auf das Eigeninteresse der Magnatenfamilien.

Neben der langwierigen und frustrierenden Reformarbeit in Polen spielte die dauerhafte Sicherung der wettinischen Herrschaft in Polen eine wichtige Rolle in der Politik August II. Ein erster Schritt in diese Richtung gelang 1733 als Kurfürst Friedrich August II., der Sohn August des Starken, mit Unterstützung Österreichs und Russlands und den üblichen Bestechungen gegen den Kandidaten Schwedens und Frankreichs, Stanisław Leszczyński, zum König von Polen gewählt wurde. Dies löste den Polnischen Thronfolgekrieg aus. August III. wurde am 17. Januar 1734 zum polnischen König gekrönt und behauptete die Krone im Frieden von Wien (1738). Angesichts dieser Sachlage hofften sich der König und sein Premierminister Heinrich von Brühl in Polen mit dem „Ministerialsystem” sachsentreuer Magnaten (die in Schlüsselpositionen gesetzt wurden) über Wasser zu halten und beide Länder politisch verbinden zu können. Sie erlangten im Siebenjährigen Krieg sogar die Zustimmung ihrer drei Verbündeten für eine erneute Thronkandidatur Sachsens, aber die Erfolge waren nur scheinbar und nicht von Dauer.

In Sachsen führte Heinrich von Brühl nach dem Sturz Graf Sulkowskis von 1738 bis 1756 die alleinige Regierung, 1746 wurde er formell Premierminister. Er war ein erfolgreicher Diplomat und festigte die Verwaltung, wurde aber wegen falscher Finanzpolitik im Landtag 1749 scharf angegriffen. Trotz rücksichtsloser finanzieller Maßnahmen Brühls steuerte das Kurfürstentum Sachsen in eine Staatskrise. Der Zwangsumtausch von Vermögenswerten in staatliche Schuldverschreibungen erschütterte die Wirtschaft, die ohnehin zu kleine sächsische Armee musste abgerüstet und ein bedeutender Anteil der Steuern verpfändet werden. Dazu kam der Druck von außen, denn der sächsische Export wurde durch die preußische (Zoll-)Politik jener Zeit stark behindert.

Aber erst der Siebenjährige Krieg brachte für Sachsen 1756 den Absturz. Die zu kleine sächsische Armee kapitulierte unter Graf Rutowski kampflos am Lilienstein, König August III. und sein Hof zogen nach Warschau um, wo sie bis zum Ende des Krieges in relativer politischer Ohnmacht verblieben. Das Kurfürstentum Sachsen, nun behelfsweise vom Königreich Preußen und von einigen Kabinettsministern verwaltet, wurde zum Kriegsschauplatz und litt unter den hohen Kontributionen beider Seiten. Als der Siebenjährige Krieg im Hubertusburger Frieden 1763 zu Ende ging, war das bis dahin recht wohlhabende Kurfürstentum Sachsen ruiniert, was der Hof nur ungern zur Kenntnis nahm. Auf die Vergabe der polnischen Krone hatte Sachsen zudem keinerlei Einfluss: Polen-Litauen war mehr denn je unter die Vorherrschaft Russlands geraten; den Nachfolger August III., Stanisław August Poniatowski, bestimmte die Zarin Katharina II. Damit endete die Personalunion zwischen Sachsen und Polen.

Ergebnis

Die sächsische Herrschaft über Polen blieb eine lose, so dass die Trennung Polens von Sachsen 1706 und 1763 keine zusammengewachsenen Strukturen zerriss. Es gab zwar Versuche die Personalunion Sachsen-Polen in eine echte Staatsunion hin auszubauen. So existierten Pläne in Polen eine sächsische Erbfolge zu errichten. Jedoch führten diese Bestrebungen nicht zu konkreten Entwicklungen. Allerdings hatte sich das Kurfürstentum Sachsen trotz des zusätzlichen Reputation die die polnische Krone brachte in seinen Möglichkeiten deutlich übernommen. Wirtschaft, Verwaltung und Armee stagnierten aufgrund der zusätzlichen Belastungen durch die enormen Zusatzausgaben für Kunst und Repräsentation. Es fehlte in Sachsen an einer konsequenten Wirtschaftspolitik gegenüber Manufakturen. Peuplierung und Verbesserung der Landwirtschaft wurden in Sachsen ebenso vernachlässigt. Sachsen blieb auch in der Fortentwicklung seines Heeerwesens gegenüber den Nachbarmächten zurück.

Mit dem Übertritt Augusts zum Katholizismus verlor Sachsen die Führungsrolle unter den evangelischen Reichsständen an Brandenburg-Preußen. August verzichtete jedoch auf die Anwendung des Instrumentariums cuius regio, eius religio, das ihm eine Rekatholisierung Sachsens oder zumindest eine Emanzipation der römischen Religion ermöglicht hätte und versicherte stattdessen seinen sächsischen Untertanen im Religionsversicherungsdekret von 1697 (1734 von seinem Sohn erneuert), dass sein Übertritt zum Katholizismus keine Folgen für sie habe. Dennoch entfremdete der Glaubenswechsel, der nur aus machtpolitischem Kalkül heraus geschehen war, den Landesherren von seinen protestantischen Untertanen.

Das „polnische Abenteuer“ ihres Landesherren kam die Sachsen teuer zu stehen. Aus der sächsischen Staatskasse flossen Unsummen an Bestechungsgeldern an den polnischen Adel und an kirchliche Würdenträger Polens (in der Regierungszeit Augusts etwa 39 Mio. Reichstaler), um sich diese geneigt zu machen. König August II. veräußerte hierfür sogar einige nicht unbedeutende sächsische Ländereien und Rechte.

In Polen wird diese Periode in der für die Dauer von 66 Jahre das wettinische Herrschergeschlecht herrschte, auch als die Sachsenzeit bezeichnet. Mehrheitlich wir diese Zeit in Polen für Polen als negativ eingeschätzt. In Erinnerung blieb die dekadente Stimmung jener Zeit, die sich in Sprichwörtern niedergeschlagen hat, etwa: Gdy August pił, cała Polska była pijana – Wenn August getrunken hatte, war ganz Polen besoffen – oder: Za króla Sasa jedz, pij i popuszczaj pasa – Unter dem Sachsenkönig iss, trink und löse den Gürtel –, das ein Symbol für die späte sarmatische Adelskultur mit ihren üppigen Festen und dem Fehlen von Verantwortungsbewusstsein bei der Mehrheit der Magnaten gegenüber dem eigenen Staat geworden ist und mit der späteren Konföderation von Targowica seinen Höhepunkt fand. Durch die Schwächung der Adelsrepublik ereigneten sich wenige Jahre später die Teilungen Polens.

Literatur

  • Norman Davies: God's Playground: The Origins to 1795 - A History of Poland, Oxford University Press, New York 2005, ISBN 0-19-925339-0
  • René Hanke: Brühl und das Renversement des alliances: Die antipreussische Aussenpolitik des Dresdener Hofes 1744–1756, 2006

Einzelnachweise

  1. ↑ René Hanke: Brühl und das Renversement des alliances: Die antipreussische Aussenpolitik des Dresdener Hofes 1744–1756, 2006, S. 18
  2. ↑ Norman Davies: God's Playground: The Origins to 1795 - A History of Poland, Oxford University Press, New York 2005, ISBN 0-19-925339-0, S.372
  3. ↑ René Hanke: Brühl und das Renversement des alliances: Die antipreussische Aussenpolitik des Dresdener Hofes 1744–1756, 2006, S. 15
  4. ↑ René Hanke: Brühl und das Renversement des alliances: Die antipreussische Aussenpolitik des Dresdener Hofes 1744–1756, 2006, S. 20

 

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Großer Nordischer Krieg

Der Große Nordische Krieg war ein in Nord-, Mittel- und Osteuropa geführter Krieg um die Vorherrschaft im Ostseeraum in den Jahren 1700 bis 1721.

Eine Dreier-Allianz, bestehend aus dem Russischen Zarenreich, den Personalunionen Sachsen-Polen und Dänemark-Norwegen, griff im März 1700 das Schwedische Reich an, das von dem 18-jährigen, als jung und unerfahren geltenden König Karl XII. regiert wurde. Trotz der ungünstigen Ausgangslage blieb der schwedische König zunächst siegreich und bewirkte, dass Dänemark-Norwegen (1700) und Sachsen-Polen (1706) aus dem Krieg ausschieden. Als er sich 1708 anschickte, Russland in einem letzten Feldzug zu besiegen, erlitten die Schweden in der Schlacht bei Poltawa im Juli 1709 eine verheerende Niederlage, die die Kriegswende bedeutete.

Von dieser Niederlage ermutigt, traten die ehemaligen schwedischen Gegner Dänemark und Sachsen wieder in den Krieg gegen Schweden ein. Von nun an bis zum Kriegsende hatten die Alliierten die Initiative in der Hand und drängten die Schweden in die Defensive. Erst nachdem der als uneinsichtig und stur geltende schwedische König im Herbst 1718 während einer Belagerung von Frederikshald unter ungeklärten Umständen fiel, konnte der für Schweden aussichtslos gewordene Krieg beendet werden. Die Friedensbedingungen im Frieden von Nystad, dem Frieden von Frederiksborg und dem Frieden von Stockholm bedeuteten das Ende des schwedischen Status als europäische Großmacht und den gleichzeitigen Aufstieg Russlands als neue Großmacht.

Vorgeschichte

Die Ursache des Großen Nordischen Krieges war von verschiedenen Faktoren bestimmt und hatte ihre Ursprünge zu Beginn des 17. Jahrhunderts. In zahlreichen Kriegen gegen das Königreich Dänemark, das Königreich Polen-Litauen und das Russische Zarenreich hatte Schweden bis 1660 die Vormachtstellung im Ostseeraum errungen. Dabei hatte es das Zarenreich im Frieden von Stolbowo (1617) vom Zugang zur Ostsee abgedrängt und Dänemark mit dem Frieden von Oliva (1660) die uneingeschränkte Herrschaft über den Sund entrissen. In den folgenden Jahren war Schweden außenpolitisch von Frankreich unterstützt worden und konnte seinen Besitzstand wahren.

Als Folge dieser Entwicklungen zeichneten sich am Ende des 17. Jahrhunderts folgende Konfliktlinien in Nordosteuropa ab[1]:

Einen Streitpunkt zwischen Dänemark und Schweden stellte die Frage um die gottorfschen Anteile in den Herzogtümern Holstein und vor allem Schleswig dar. Die Herzogtümer waren seit 1544 in königliche, gottorfsche und gemeinsam regierte Anteile aufgeteilt [2]. Trotzdem verblieb Holstein formell als deutsches und Schleswig als dänisches Lehen. Nach dem Torstenssonkrieg 1658 wurden die Anteile der mit den Schweden alliierten Gottorfer im Herzogtum Schleswig vom dänischen Lehen entbunden. Die dänische Außenpolitik, die sich durch die Allianz der Gottorfer mit den Schweden von zwei Seiten bedroht sah, versuchte die Gottorfer Anteile wieder einzuverleiben. Die Unabhängigkeit des Teil-Herzogtums Schleswig-Holstein-Gottorf garantierte lediglich die schwedische Regierung, welche davon ausging, dass sie mit dem verbündeten Territorium im Falle eines Krieges gegen Dänemark über eine strategische Basis für Truppenaufmärsche und Angriffe auf das dänische Festland verfügte.

Ein weiterer Streitpunkt zwischen Dänemark und Schweden bildeten die früher dänischen und seit 1658 zu Schweden gehörenden Provinzen Schonen (Skåne), Blekinge und Halland. Die Frage nach der staatlichen Zugehörigkeit Schonens führte bereits 1675 zum Kriegseintritt Dänemarks in den Nordischen Krieg von 1674 bis 1679.

Unter König Karl XI. von Schweden (1655–1697) war es zu den so genannten Reduktionen gekommen, durch welche der Landbesitz des Adels größtenteils an die Krone überging. Diese Praxis stieß unter anderem in Livland auf den Widerstand des betroffenen Adels, der sich nun um ausländische Hilfe bemühte.

In Russland hatte Zar Peter I. (1672–1725) erkannt, dass das Fehlen eines Zugangs zur Ostsee den russischen Handel beeinträchtigte. Seine Anstrengungen richteten sich vor allem deshalb gegen Schweden.

Kurfürst August I. von Sachsen (1670–1733) war im Jahre 1697 als August II. zum König von Polen gewählt worden. Er strebte danach, sich in Polen Anerkennung zu verschaffen und das Königtum dadurch in eine Erbmonarchie umwandeln zu können. Dabei beriet ihn der aus Livland geflohene Johann Reinhold von Patkul (1660–1707). Dieser meinte, dass die Rückeroberung des einst polnischen Livlands August zu einigem Prestige verhelfen würde. Der lokale Adel würde diesen Schritt willkommen heißen und sich gegen die schwedische Herrschaft erheben.

Zwischen den drei potentiellen Gegnern Schwedens zeichnete sich bald nach der Thronbesteigung des erst 15-jährigen Karls XII. von Schweden (1682–1718) der Zusammenschluss zu einer Allianz ab. Bereits im ersten Regierungsjahr hatte der junge König seinen Schwager Friedrich IV. (1671–1702), den Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorf zum „Oberbefehlshaber aller schwedischen Truppen in Deutschland“ gemacht und ihn beauftragt, die Landesverteidigung des Gottorfer Teil-Herzogtums zu verbessern. Diese offensichtlich militärischen Vorbereitungen gaben im Juni 1698 den Anstoß zu ersten Bündnisverhandlungen zwischen Dänemark und Russland.[3] Im August 1698 trafen sich Zar Peter I. und König August II.schließlich in Rawa, wo sie erste Absprachen für ein gemeinsamen Angriff auf Schweden trafen.[4] Den formalen Abschluss der Allianz stellte der am 11. Novemberjul./ 21. November 1699greg. abgeschlossene Vertrag von Preobraženskoe dar. Erst am 23. Novemberjul./ 3. Dezembergreg. erfolgte der Abschluss einer Allianz zwischen Zar Peter I. und König Friedrich IV. von Dänemark (1671–1730). Dänemark war seit März 1698 auch mit Sachsen in einer Defensivallianz verbündet. In beiden Verträgen wurde Schweden nicht erwähnt. Sie verpflichteten die Vertragspartner lediglich dazu, sich im Falle eines Angriffs, oder wenn der Handel eines der Länder durch andere Staaten beeinträchtigt würde, Beistand zu leisten. Weiterhin ließ Zar Peter I. Klauseln einfügen, laut denen er erst nach einem Friedensschluss zwischen Russland und dem Osmanischen Reich an die Bestimmungen der Verträge gebunden war.[5]

Kriegsverlauf

Kriegseröffnung: Einfall der Sachsen in Livland

Am 12. Februar 1700 fiel die sächsische Armee ohne Kriegserklärung in Livland ein. Doch der livländische Adel stellte sich nicht auf die Seite der Sachsen. Die Einnahme der Festung Riga scheiterte. Die militärischen Erfolge waren bescheiden. Die polnische Adelsrepublik, die Rzeczpospolita fühlte sich von August betrogen und erklärte, dass Polen sich nicht im Krieg mit Schweden befände. Nur einige polnische Magnaten wie Fürst Hieronim Augustyn Lubomirski schlugen sich anfangs auf seine Seite. Am 11. März erklärte Dänemark Schweden den Krieg und marschierte in das schleswig-holsteinische Teilherzogtum Schleswig-Holstein-Gottorf ein.

Feldzug Karls XII. gegen Dänemark

Der erst 18 Jahre alte schwedische König Karl XII. ordnete die Mobilmachung an. Die schwedische Armee war kein Söldnerheer wie in anderen Ländern üblich. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts betrug die Truppenstärke der Karoliner, wie die schwedischen Soldaten seit ihrem Gründer Karl XI. hießen, 76.000 Soldaten[6]. Die Soldaten der einzelnen Einheiten lebten in Friedenszeiten als Bauern in ihren Dörfern (so genannte Indelningsverket). Da sie einander kannten, hielten sie im Kampf eng zusammen. Fahnenflucht war in der schwedischen Armee so gut wie unbekannt. Frankreich unter Ludwig XIV. unterstützte Schweden finanziell, welches damals mit Schwedisch-Pommern, Holstein-Gottorp, Finnland, Karelien, Ingermanland und Livland nur circa 3 Millionen Einwohner hatte. Jedes Jahr zahlte der Sonnenkönig über 1.000.000 Livres.

Wilhelm III., damals zugleich König von England, Schottland und Irland sowie Statthalter der Niederlande, wünschte die Erhaltung des Friedens in Nordeuropa und garantierte den Status Quo. Da Dänemark der Angreifer war und Großbritannien sowie die Niederlande Garantiemächte des Altonaer Vertrages waren, stellte er sich auf die Seite Schwedens und schickte unter Admiral George Rooke ein englisch-holländisches Geschwader mit 25 Linienschiffen zur Unterstützung Schwedens nach Göteborg. Schweden verfügte über eine Flotte von 38 Linienschiffen und 12 Fregatten, Dänemark hatte 33 Linienschiffe und 7 Fregatten. In einem kühnen Manöver gelang der schwedischen Flotte die Durchfahrt durch die kleinere der beiden Fahrrinnen im Öresund, außerhalb der Reichweite der Kanonen der dänischen Sundfestungen. Die schwedische Flotte vereinigte sich mit dem englisch-holländischen Geschwader, und der dänischen Flotte von 33 Schiffen stand jetzt ein mächtiges Geschwader von mehr als 60 Schiffen gegenüber, so dass der dänische Admiral keine Seeschlacht wagte. Unter dem Schutz dieser Flotte konnte Karl XII. am 23. Juli 1700 auf der dänischen Hauptinsel Seeland landen, Kopenhagen einschließen und im August mit der Belagerung der dänischen Hauptstadt beginnen.

Der dänische König Friedrich IV. sah sich jetzt in einer katastrophalen Lage: Seine Flotte stand einer viel stärkeren feindlichen gegenüber, seine Hauptstadt stand unter Belagerung, während sein Heer gegen Herzog Friedrich IV. von Holstein-Gottorf weit weg im Herzogtum Holstein operierte. Friedrich IV. musste seine Niederlage eingestehen und schloss am 18. August 1700 mit Schweden den Frieden von Traventhal. Der erste Feldzug im Großen Nordischen Krieg endete somit schnell und fast unblutig. Der Status Quo Ante wurde wieder hergestellt, und Dänemark schied aus der Koalition gegen Schweden aus.

Feldzug Karls XII. gegen Russland

In den letzten Monaten vor der Kriegserklärung hatte der Zar in der Gegend um Nowgorod und Pleskau ein Heer von 60.000 Mann zusammengezogen. Um zu verhindern, dass die Schweden davon Nachricht bekämen, ließ er fast alle Postverbindungen mit Schweden abbrechen. Gleich nach erfolgter Kriegserklärung am 19. August rückten das versammelte Heer und andere Truppenabteilungen in Estland und Ingermanland ein. Am 19. September erschien das Heer vor Narva und die Belagerungsarbeiten wurden am 1. und 2. Oktober eröffnet. Narva stand unter Kommando von Rudolph Henning Horn mit 1000 Mann besetzt. Zusätzlich beteiligten sich weitere 1000 bewaffnete Bürger an der Verteidigung der Festung. Das russische Belagerungsheer, der Größe um eine vielfaches überlegen, bestand zu einem erheblichen Teil aus frisch eingezogenen und ungeübten Mannschaften. Ein Sturmangriff folgte dem anderen, ohne dass die russischen Belagerer Fortschritte erzielen konnten.[7] Karl XII. entschloss sich, das russische Heer anzugreifen, und so die Festung Narva zu entsetzen. Am 1. Oktober ging die aus 200 Schiffen und mit 8000 Mann besetzte Flotte in Segel. Karl XII. ging mit dem Entschluss zur Überfahrt zu dieser fortgeschrittenen Jahreszeit ein hohes Risiko ein. Nachdem die Flotte vor Kurland in einen schweren Seesturm geriet, erreichten die Schiffe, zum Teil in verschiedenen Häfen, mit unterschiedlichen Verlusten die Ziel-Küste in Livland und Estland. Die gesamte Flotte kehrte nach Karlshamn zurück um weitere 4000 Mann und den Rest der Artillerieparks überzusetzen. Auch diese Fahrt verlief im Großen und Ganzen glücklich. Der ursprüngliche Plan gegen Riga zu marschieren wurde fallengelassen, da König August bereits den Rückmarsch angetreten hatte. Aus diesem Grund marschierte das schwedische Heer gegen Narva, um die bedrängte Stadt zu entsetzen. Zum Schutz Livlands hinterließ Karl XII. 5000 Mann, sodass für den Marsch gegen Narva nur 8000 Mann verblieben. Am 20. November erreichte das schwedische Heer Narva und griff das viel größere russische Heer, das sich in seinen Verschanzungen hielt, an. In der Schlacht von Narva besiegte er die zahlenmäßig deutlich überlegene Armee der Russen. Bei einem Angriff auf die russischen Linien im Schutz eines Schneesturms wurden diese von der routinierten schwedischen Armee durchbrochen und das feindliche Heer in zwei Teile gespalten. Viele von Peters Truppen, zumeist Rekruten, flohen vom Schlachtfeld und ertranken in der Narva. Der Rest der geschlagen Truppen zog sich undiszipliniert und führungslos nach Nowgorod zurück, wo allerdings nur ein kleiner Teil ankam; die meisten desertierten, erfroren oder verhungerten auf dem Weg dorthin.

Die Schlacht von Narwa ist einer der größten Siege der schwedischen Militärgeschichte. Ende 1700 hatte Karl XII. Schweden erfolgreich verteidigt und alle feindlichen Truppen von schwedischem Territorium vertrieben. Anstatt das geschlagene russische Heer zu verfolgen, um es vollständig zu vernichten und seinen Gegner Zar Peter auch zum Frieden zu zwingen, wandte sich der König nun seinem dritten Gegner, dem sächsischen Kurfürsten und König von Polen, zu.

Kriegsverlauf nach Narva bis zum Altranstädter Frieden (1701–1706)

Feldzüge in Polen und Sachsen

Der polnische König August hatte mit ansehen müssen, wie seine Verbündeten Dänemark und Russland von Karl XII. geschlagen worden waren. Im Februar 1701 trafen sich August und Peter erneut, um ihr Bündnis zu erneuern. Peter brauchte Zeit um die russische Zarenarmee zu reorganisieren und aufzurüsten, August selbst brauchte einen starken Verbündeten im Rücken der Schweden. Als nachteilig erwies sich für August die Weigerung seiner polnischen Untertanen, sich an dem Krieg militärisch zu beteiligen. Ungeachtet der Zusammenkünfte beider Partner, die mit großen beideseitigen Versprechungen gepaart waren, versuchten beide Partner, von den schweren Niederlagen gegen die Schweden nachhaltig beeindruckt, ihrerseits aus dem Krieg auszukehren. Ohne Mitwissen ihres Bündnispartners boten sie dem Schwedenkönig Karl XII. Seperatfrieden an. Dieser wollte davon nichts wissen und rüstete verstärkt für einen neuen Feldzug gegen Sachsen. Dazu ließ er für 1701 insgesamt 80.492 Mann aufstellen. 17.000 Mann wurden zur Deckung des Landesinneren abgestellt, 18.000 Mann schützten Schwedisch-Pommern, 45.000 Mann waren auf Livland, Estland und Ingermanland verteilt. [8] Der größte Teil der schwedischen Truppen in Livalnd wurde um Dorpat konzentriert. Nach den üblichen Heerschauen begann am 17. Juni 1701 der schwedische Vormarsch über Wolmar und Wenden nach Riga. Die Schweden planten die Düna zwischen Kokenhusen und Riga zu passieren. Die Sachsen hatten dieses Vorgehen ihrerseits vermutet und an mehreren Übergangsstellungen entlang der Düna Feldbefestigungen errichtet. Am 19. Juli 1701 standen sich 25.000 Mann starke sächsisch-russische Truppen und 20.000 schwedische Soldaten[9] bei Riga an der Düna gegenüber. Der sächsische Oberbefehlshaber Adam Heinrich von Steinau ließ sich durch schwedische Ablenkungsmanöver täuschen und zersplitterte seine Einheiten entlang der Düna. So gelang es der schwedischen Infanterie, den reißenden Fluss zu überqueren und einen Brückenkopf zu bilden. Die sächsische Armee erlitt eine Niederlage, konnte sich aber sammeln und ohne Rast bis auf preußisches Territorium geordnet zurückziehen. Die russischen Truppen zogen sich ebenso, von der erneuten Niederlage geschockt, nach Russland zurück. Ganz Kurland stand den Schweden damit offen. Karl besetzte mit seinen Truppen Mitau, die Hauptstadt des Herzogtums Kurland, das unter polnischer Lehnshoheit stand.

Die Rzeczpospolita, die polnisch-litauische Republik, protestierte gegen die Verletzung des polnischen Hoheitsgebietes, denn nicht diese (vertreten durch den polnischen Reichstag) befand sich im Krieg mit Schweden, sondern nur der König von Polen. August der Starke bot Karl XII. erneut Verhandlungen an. Karls Ratgeber rieten ihm, mit dem König von Polen Frieden zu schließen. Doch Karl blieb starrsinnig und verlangte vom Sejm die Wahl eines neuen Königs. Dies lehnte die Mehrheit des polnischen Adels ab.[10] Im Januar 1702 verlegte Karl das schwedische Heer von Kurland nach Litauen. Am 23. März 1702 verließ Karl XII. das Winterquartier in Litauen und marschierte in Polen ein. Am 14. Mai 1702 ergab Warschau sich kampflos. Es wurde zur Zahlung einer hohen Kontribution gezwungen, bevor Karl seinen Marsch nach Krakau fortsetzte. Auf dem Weg dorthin stellte sich das 24.000 Mann starke polnisch-sächsische Heer den nur 12.000 Mann zählenden Schweden entgegen, und am 19. Juli 1702 kam es zur Schlacht bei Klissow südlich von Kielce. Die Polen und Sachsen unterlagen erneut gegen die Schweden. 2.000 Sachsen wurden getötet oder verletzt, und mehr als 1.000 gerieten in schwedische Gefangenschaft. Auf schwedischer Seite wurden nur 900 Soldaten getötet oder verletzt. Die Schweden erbeuteten die gesamte sächsische Artillerie und den gesamten Tross mit Augusts Feldkasse mit 150.000 Reichstalern und seinem Silbergeschirr. August sammelte die verbliebenen Einheiten seines Heeres und zog sich in die östlichen Landesteile von Polen zurück. Karl XII. besetzte Krakau drei Wochen später.

August bot den Schweden nach dieser Niederlage abermals Friedensverhandlungen an. Er wollte den schwedischen Forderungen so weit als irgend möglich entgegenkommen, nur König von Polen wünsche er zu bleiben. Auch der Kardinal-Primas unterbreitete im Namen der Republik Polen Vorschläge für einen Frieden. Er bot Schweden Polnisch Livland, Kurland und eine hohe Kriegsentschädigung. Karl XII. müsse lediglich auf die Absetzung des Königs verzichten. Ein weiteres Mal zeigte Karl sich starrsinnig (König Eisenkopf) und beharrte auf der Absetzung Augusts. Am 21. April 1703 schlugen die Schweden die Sachsen in der Schlacht bei Pultusk und nahm nach einer monatelangen Belagerung von Thorn die Stadt im September 1703 ein. In vielen dieser Begegnungen waren die schwedischen Kräfte dem Gegner um das zwei- bis dreifache unterlegen.

August zog sich mit seinem Hof nach Sandomierz zurück. Dort bildete der polnische Adel eine Konföderation zur Unterstützung von August II. Sie kämpften gegen die schwedische Besetzung Polens und gegen den von Schweden geforderten neuen König. Mit Partisanenaktionen verwickelten sie die schwedischen Truppen in Gefechte und schwächten ihre Kampfkraft. Am 12. Juli 1704 wurde gegen den Willen der Mehrheit des polnischen Adels unter dem Schutz der schwedischen Armee Stanislaus I. Leszczyński zum König gewählt.

Aber auch in Sachsen gab es Widerstand gegen die Polenpolitik des Kurfürsten. August führte eine Akzisesteuer ein, um seine Kriegskasse zu füllen und die Armee aufrüsten zu können. Das brachte die sächsischen Stände gegen ihn auf. Außerdem erregte er den Unmut der Bevölkerung durch aggressive Methoden der Rekrutenwerbung.

Die erste Hälfte des Jahres 1705 verlief in Polen ohne militärische Ereignisse. Die Stadt Rawitsch bildete das Hauptquartier für die schwedische Armee unter Oberkommando des Königs Karl XII. Zu der Zeit wurde entschieden, dass der Kandidat Karls XII., Stanislaus Leszczyński, zum neuen polnischen König gekrönt werden solle. Diese Krönung sollte im Juli 1705 vonstatten gehen. Seine Gegner sammelten daraufhin eine Streitmacht von 10.000 Mann in Warschau, um diese Krönung zu verhindern. Um die Sicherheit des Thronfolgers zu gewährleisten, sendete Karl XII. seinen Generalleutnant Carl Nieroth mit einer 2000 Mann starken Streitmacht nach Warschau.

Für die Schweden war die Sicherung der Thronfolge deshalb so wichtig, da nur mit ihrem Wunschkandidaten die zu dem Zeitpunkt angelaufenen Friedensverhandlungen mit Polen abgeschlossen werden konnten. Der eigentliche polnische König, der Wettiner August II., war zu der Zeit zwar zu Friedensverhandlungen mit Schweden bereit, dennoch wollten die Schweden ihrerseits einen für ihre Zwecke fügsameren Kandidaten auf dem polnischen Thron sehen. Somit sahen die Schweden mit der Entthronung Augusts II. die einzige Möglichkeit, Frieden in ihrem Sinne zu schaffen. Am 31. Juli 1705 kam es bei Warschau zur Schlacht von Rakowitz, in der eine aus Sachsen und Polen bestehende Armee von einer fünfmal kleineren schwedischen Armee besiegt wurde. Als Folge wurde am 24. September 1705 Stanislaus Leszczyński zum neuen polnischen König gekrönt. Am 18. November 1705 schließt Polen Frieden mit Schweden.

Im Dezember 1705 überschritten 20.000 Mann russischer Truppen unter Feldmarschall Georg Benedikt von Ogilvy die polnische Grenze, um sich mit den sächsischen Truppen zu vereinen. Karl zog ihnen mit dem Hauptteil seiner Armee von fast 30.000 Mann entgegen. Ein Heer von 10.000 Mann unter Carl Gustaf Rehnskiöld wandte sich gegen die Sachsen, die inzwischen wieder eine Stärke von 19.000 Soldaten hatten. Die russische Armee verschanzte sich in der Festung Grodno und wartete auf Entsatz. Unterdessen kam es am 13. Februar 1706 zwischen der sächsischen und der schwedischen Armee zur Schlacht bei Fraustadt, in der die Schweden unter Rhenskiöld den Sachsen unter General von der Schulenburg eine vernichtende Niederlage zufügten. Da die russische Armee in Grodno nicht mehr auf Hilfe hoffen konnte, wagte sie einen Ausbruch. Sie entkamen den Verfolgern und konnten sich über die Grenze retten. Karl erkannte, dass er eine Entscheidung in Russland herbeiführen musste. Dafür brauchte er aber Rückenfreiheit.

Am 27. August 1706 rückte die schwedische Armee in Sachsen ein. Sie eroberte Zug um Zug das Kurfürstentum und erstickte jeden Widerstand im Keim. Karl XII. sicherte der sächsischen Bevölkerung zu, dass keine Übergriffe und Repressalien stattfänden, wenn sie den Anordnungen der Besatzungsmacht Folge leisteten. August, der seit der Schlacht bei Fraustadt keine nennenswerten Truppen mehr in Polen hatte, bot Karl Friedensverhandlungen an. Seine Unterhändler Carl Piper und Olof Hermelin unterzeichneten am 24. September 1706 in Altranstädt einen Friedensvertrag. Mit der Drohung, auf Seiten Ludwigs des XIV. von Frankreich in den Spanischen Erbfolgekrieg einzugreifen, erreichte Karl außerdem, dass den Lutheranern in der damals noch habsburgischen Provinz Schlesien eine begrenzte Religionsfreiheit zugestanden wurde. Diese erhielten das Recht, sogenannte Gnadenkirchen zu errichten.

In der Schlacht bei Kalisch schlugen nach dem Friedensvertrag zwischen Schweden und Sachsen die verbündeten russischen, sächsischen und polnischen Truppen die schwedischen Truppen unter General Mardefelt. Die schwedischen Truppen wurden in der Schlacht völlig vernichtet. Über 100 Offiziere (unter ihnen auch polnische Magnaten) und General Mardefelt gerieten in Gefangenschaft. August lehnte trotzdem eine Annullierung des Friedensvertrages ab und kehrte nach Sachsen zurück. Am 19. Dezember ratifizierte er den Friedensvertrag.

Russische Eroberung Ingermanlands, Estlands und Livlands 1701–1706

Nachdem klar war, dass die schwedische Hauptarmee auf dem polnischen Kriegsschauplatz gebunden war, nutzte Zar Peter I. die Situation und ließ die verbliebenen russische Kräfte nach dem Desaster von Narva ihre Aktivitäten in den schwedischen Baltikumprovinzen wieder aufnehmen.

Den Zeitgewinn nutze Zar Peter I., um unter enormen Anstrengungen seine Armee wieder aufrüsten und reorganisieren zu lassen. Durch Rekrutierungen konnte die Armee wieder verstärkt werden und umfasste 1705 bereits wieder 200.000 Soldaten, nach den 34.000 verbliebenen im Jahr 1700.[11] Er ernannte ausländische Experten, die die Truppen – ausgestattet mit modernen Waffen – in den Methoden der westeuropäischen Kriegsführung schulen sollten. Um die bei Narva verlorengegangene Artilleriewaffe schnell wieder aufzubauen, ließ Peter I. Kirchenglocken konfiszieren, um aus ihnen Kanonen herzustellen. So verfügte die russische Armee im Frühjahr 1701 wieder über 243 Kanonen, 13 Haubitzen und 12 Mörser.[11] Die schwedischen Kräfte im Baltikum unter Kommando von Wolmar Anton von Schlippenbach waren nur sehr schwach [12] und wurden zudem in drei autonome Korps getrennt. Jedes dieser Korps für sich war zu schwach, um den russischen Kräften mit Erfolg entgegentreten zu können. Auch wurden die separierten Korps nicht koordiniert geführt.[13] Schwedische Verstärkungen wurden primär dem polnischen Kriegsschauplatz zugeführt, so dass ein strategisch wichtiger Punkt nach dem anderen von der russischen Armee erobert werden konnte.

Von ihrem Hauptquartieren bei Pskow und Nowgorod aus begann Ende 1701 die erste russische Invasion nach Livland mit einer etwa 26.000 Mann zählenden Streitmacht. Bei dem sich anschließenden Feldzug gelang es Schlippenbach, mit einer etwa 2000 Mann starken schwedischen Abteilung im September das etwa 7000 Mann zählende russische Hauptheer unter Boris Scheremetjew in zwei Begegnungen bei Rauge und Kasaritz zu schlagen, wobei die Russen 2000 Verluste erlitten. Dessen ungeachtet unternahmen die Russen weiterhin sich stetig intensivierende begrenzte Angriffe auf livländisches Gebiet, dem die zahlenmäßig schwachen Schweden immer schwieriger nachkommen konnten.

Während der zweiten großen Invasion nach Livland unter der Führung von General Boris Scheremetjew gewannen die Russen gegen die etwa 2200 Mann zählende[14] schwedische livländische Armee unter Kommando von Schlippenbach in der Schlacht bei Erestfer am 30. Dezember 1701. Die schwedischen Verluste werden auf etwa 1000 Mann geschätzt. Nachdem sie die Gegend geplündert und zerstört hatten, zogen sie sich allerdings wieder zurück. Im Sommer 1702 fand die dritte große, etwa 40.000 Mann zählende, russische Invasion statt. Am 19. Juli erlangten die Russen entscheidende Siege gegen die etwa 6000 Mann zählenden Schweden[15] in den Gefechten bei Hummelshof (oder Hummelsdorf), nahe Dorpat und Marienburg in Livland, bei der nach schwedischen Angaben 840 Tote und 1000 Gefangene in der Schlacht selbst und weitere 1000 Schweden während der sich anschließenden Verfolgung zu beklagen waren.[16] Die Schlacht bedeutete das Ende der livländischen Armee und den Grundstock für die russische Eroberung Livlands. Wolmar und Marienburg (im August) und die ländlichen Gebiete Livlands fielen nach den beiden Schlachten in russische Hände.

Feldmarschall Boris Scheremetjew führte die russische Armee dann nordwärts Richtung Ingria. Am 11. Oktober 1702 ging die mit 450 Schweden besetzte Festung Nöteborg in russischen Besitz über. Diese am Zufluss der Newa aus dem Ladogasee gelegene Festung kontrollierte die Mündung und wurde aufgrund dieser strategisch wichtigen Bedeutung von Peter I. in Schlüsselburg umgetauft.

Nachdem im Mai 1703 die schwedische Festung Nyenschantz an der Mündung der Neva in den Golf von Finnland durch Boris Scheremetjew mit Hilfe der neuerrichteten Russischen Marine erobert werden konnte, begann Zar Peter I. im sumpfigen Delta der Newa 1703 mit dem Aufbau einer Festung und später mit einer Stadt, die mit dem Namen Sankt Petersburg neue russische Hauptstadt werden sollte. Der Rest von Ingria, inklusive Jaama und Koporje, fiel danach schnell den Russen zu.

Im Sommer des Jahres 1704 wurde eine russische Armee, unter dem Kommando von Feldmarschall Georg Benedikt von Ogilvys (1651–1710), von Ingermanland aus zur Eroberung von Narva angesetzt. Gleichzeitig stieß eine weitere russische Armee gegen Dorpat vor. Ziel dieser Operationen war die Einnahme dieser wichtigen Grenzfestungen, um dadurch das im Vorjahr eroberte Ingermanland mit dem neuen St. Petersburg zu schützen und die Möglichkeit zur Eroberung Livlands zu gewinnen. Am 14. Juli 1704 fiel Dorpat in russische Hände und am 9. August Narva. 1706 waren nur noch wenige Hauptorte und Festungen, namentlich Riga, Pernau, Arensburg und Reval, in schwedischen Händen.

Die russischen Siege wurden durch eine deutliche numerische Überlegenheit sichergestellt. Die russische Taktik konzentrierte sich auf Angriffe auf isolierte und nur mit kleinen Garnisonen versehene schwedische Festungen. Besonders am Anfang vermied es die russische Armee noch, größere Festungen anzugreifen. Ein besonderes Kennzeichen dieses Kriegsschauplatzes war auch die planmäßige Anwendung der Taktik der verbrannten Erde seitens der Russen. Das Ziel, das die Russen damit verfolgten, war es, das Baltikum als mögliche schwedische Basis für weitere Operationen untauglich zu machen. Eine große Zahl an Einwohnern wurde im Zuge dieser Taktik durch die russische Armee verschleppt. Viele dieser Verschleppten endeten als Leibeigene auf den Gütern hoher russischer Offiziere oder wurden als Sklaven an die Tataren oder die Osmanen veräußert.[17] Durch die Einsätze und die militärischen Erfolge auf diesem Kriegsschauplatz in diesen Jahren hatte die russische Armee wertvolle Erfahrung und Selbstvertrauen gewonnen. Die Siege zeigten, wie effektiv sich die Zarenarmee in nur wenigen Jahren entwickelt hatte.

Feldzug gegen Russland 1707–1709

Die russische Taktik bestand darin, den Schweden in kleinen Gefechten zu begegnen und eine große Entscheidungsschlacht zu vermeiden. Die Kosakenverbände spielten in diesem Konzept für die Russen eine wichtige Rolle. Mehrere Friedensangebote Zar Peters I. im Februar, Juni und August 1707 lehnte der in Sachsen verweilende Karl XII. ab, da er diese für eine List hielt. Karl XII. erkannte, dass nur ein Vorstoß in das Herz des Russischen Zarentums den Krieg beenden könnte und wandte sich im September 1707 gegen seinen alleinigen Gegner Russland. Als er Sachsen verließ und durch Polen nach Russland zog, hatte er seine Armee auf 44.000 Mann vergrößert (seine Hauptarmee bestand aus 36.000 Soldaten), neu eingekleidet und mit neuen Waffen ausgerüstet. Seine Kriegskasse war um mehrere Millionen Taler größer. In Polen stießen 8.000 schwedische Rekruten sowie 16.000 Soldaten von Seiten Leszczyńskis und Józef Potockis zu ihm.[18]Somit zog der König mit fast 70.000 Soldaten gegen Moskau. Der Felzug verlief zunächst erfolgreich. Nach einer viermonatigen Ruhepause überschritt Karl XII. in einem Winterfeldzug am 1. Januar 1708 die Weichsel und nahm Grodno ein. Das schwedische Heer setzte, nachdem am 1. Juni der Sommerfeldzug begonnen wurde, am 18. Juni über die Beresina und schlug am 4. Juli 1708 eine 20.000 Mann starke russische Armee in der Schlacht von Golowtschin. Im September schlug es eine russische Armee von 16.000 Mann bei Smolensk. Zu diesem Zeitpunkt war es nur noch 10 Tagesmärsche von Moskau entfernt. Da die Schweden aber durch die russische Taktik der verbrannten Erde an Versorgungsmängeln litten, befahl Karl XII. General Adam Ludwig Lewenhaupt, von Riga aus mit 11.000 Mann Verstärkung und Versorgungszügen zu ihm zu stoßen. Karl XII. ließ den Vormarsch daher bei Mogilev stoppen.

Eine schwedische Streitkraft von 12.000 Mann, die Ingermanland von Finnland aus erobern und die neue russische Stadt Sankt Petersburg niederbrennen sollte, musste aufgrund der starken Verteidigung der Stadt diesen Plan aufgeben und unter einen Verlust von 3000 Mann den Rückzug nach Vyborg antreten.

1708 erschienen erneut russische Truppen in Polen. Ihnen gelang es während des außergewöhnlich harten Winters 1708/1709, in der Schlacht bei Lesnaja am 9. Oktober 1708 den Tross der schwedischen Armee zu erbeuten, die damit von ihrer Versorgung abgeschnitten war. Der schwedische General Lewenhaupt und über 6000 Soldaten schafften es im Anschluss an die Schlacht, ohne Versorgungstross zum schwedischen Hauptheer zu stoßen. Während der König wartete, erhielt er in Mogilev Nachricht vom Ataman der ukrainischen Kosaken, Iwan Masepa. Masepa, einst ein Verbündeter Zar Peters, war in Ungnade gefallen und suchte einen Weg, die Ukraine aus der russischen Umklammerung zu lösen. Er versprach, dass er einen Großaufstand anführen und ihn mit einer 100.000 Mann starken Armee unterstützen würde, wenn die Schweden in die Ukraine vorrückten. Karl XII. marschierte daraufhin entgegen dem Rat seiner Generäle in die Ukraine. Doch die erwartete Verstärkung durch die mit Schweden verbündeten Kosaken unter Ataman Iwan Masepa blieb aus. Die Russen hatten eine Armee unter Prinz Alexander Danilowitsch Menschikow entsandt, der Baturyn, Masepas Hauptstadt, besetzte und viele seiner Unterstützer tötete. So konnte Masepa nur einen kleinen Teil der versprochenen Männer aufstellen. Nichtsdestoweniger verbrachte Karl XII. den Winter in der Ukraine, immer noch selbstbewusst seine Ziele zu erreichen. Doch der Winter von 1708/09, der schwerste in dem Jahrhundert, wirkte sich verheerend für die Schweden aus.

So war zu Beginn des Frühjahrs 1709 nur noch ein Drittel der schwedischen Armee in Russland, etwa 20.000 Mann mit wenigen Kanonen einsatzbereit. Besonders die in Deutschland angeworbenen Soldaten hatten die Kälte nicht verkraftet. Weitere Unterstützung boten die Verbände der Saporoger Kosaken, die von Masepa aufgestachelt wurden und Zar Peter zwangen seine Anstrengungen zu teilen. Trotz der angespannten Versorgungslage entschied sich König Karl XII., die Stadt Poltava zu belagern, einen Nachschubstützpunkt mit großen Vorräten an Schießpulver und anderen Versorgungsgütern. Er blockierte die Stadt ab Mai, eine schnelle Kapitulation erwartend; jedoch hielten die Russen, die die Garnison im Vorfeld verstärkt hatten, aus. Nachdem Zar Peter die Saporoger Kosaken geschlagen hatte, wandte er sich mit seiner 60.000 Mann starken Armee der belagerten Stadt Poltawa zu, um diese zu entsetzen. Die russische Armee überquerte den Fluss Worskla und errichtete ein befestigtes Lager ein paar Kilometer nördlich der Stadt. Als Zar Peter die Lage der schwedischen Armee mitgeteilt bekam, gab er seine bisherige Politik der Schlachtausweichung auf. Karl XII. entschied sich zur Attacke auf das befestigte Lager am Morgen des 8. Juli 1709. Lewenhaupt forderte die Aufgabe der Belagerung, aber König Karl XII. lehnte ab und ließ die Belagerung von Poltawa aufrechterhalten. Lediglich 12.500 Mann wurden in der eigentlichen Schlacht eingesetzt. Da es einen Mangel an Schießpulver gab, mussten die Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten und leeren Musketen in die Schlacht gehen. Lediglich vier Kanonen wurden für die Attacke auf schwedischer Seite eingesetzt. So kam es in der Ukraine zur entscheidenden Schlacht bei Poltawa. Entsprechend dem Charakter Karls XII. sollte eine Überraschungsattacke die Russen in Verwirrung und Auflösung stürzen. Doch die Schweden erlitten eine vernichtende Niederlage.

Nach der Schlacht sammelten sich die zurückflutenden Schweden im Lager bei Puschkariwka. Insgesamt bestand die gesamte schwedische Armee noch aus etwa 15.000 Mann und 6.000 Kosaken[19]. Als Rückzugslinie stand der Weg nach Süden zur Verfügung. Nach einer Reorganisierung und Auffrischung sollte die Armee durch osmanisches Gebiet nach Polen zurückgeführt werden. Noch am Schlachttag marschierte die Armee entlang der Worskla nach Süden ab. Am 10. Juli traf das Heer bei Perewolotschna am Zusammenfluss von Worskla und Dnepr ein und musste feststellen, dass die wenigen Boote nicht ausreichten, um die gesamte schwedische Armee zu evakuieren.[20]

Man beschloss daher im schwedischen Hauptquartier, dass Karl XII., die Verwundeten, sowie eine Eskorte aus Schweden und Kosaken den Dnepr überqueren und auf osmanisches Gebiet ziehen sollten. Das Heer hingegen sollte die Worskla wieder hinauf marschieren und nach Süden zur Krim einschwenken. Von dort sollte es wieder zum König stoßen. In der Nacht zum 30. Junijul./ 11. Juli 1709greg. setzte der König mit Iwan Masepa, dessen Gefährten Kost Hordijenko, sowie 900 Schweden und 2000 Kosaken über den Fluss. Die Armee, die nun unter dem Befehl des Generals Lewenhaupt stand, bereitete den Abmarsch für den folgenden Morgen vor. Um 8 Uhr traf jedoch eine russische Kolonne von 6.000 Dragonern und 3.000 Kalmücken unter General Menschikow ein. Lewenhaupt leitete sofort Verhandlungen ein und man einigte sich schließlich, zu kapitulieren, obwohl man den gegenüberstehenden russischen Truppen zahlenmäßig fast doppelt überlegen war. Am Morgen des 30. Junijul./ 11. Juligreg. um 11 Uhr kapitulierte das schwedische Heer mit rund 14.000 Soldaten, 34 Geschützen und 264 Fahnen. Die verbliebenen Kosaken flüchteten größtenteils auf ihren Pferden, um der Bestrafung als Verräter zu entgehen.[21] Die Kolonne König Karls XII. erreichte wenige Tage später am 17. Juli den Bug, wo der Pascha von Otschakow seine Erlaubnis erteilte, das Osmanische Reich zu betreten. Eine Nachhut von 600 Mann schaffte das Übersetzen über den Bug nicht mehr und wurde von 6.000 russischen Reitern unter General Wolkonski eingeholt und niedergemacht.[22] Damit endete der russische Feldzug Karls XII. in einer desaströsen Niederlage, die die Wende in diesem Krieg bedeutete.

Weiterer Kriegsverlauf 1710–1721

Russisch-Osmanischer Krieg

Peter schickte seinen Botschafter nach Istanbul und forderte die Auslieferung Karls. Ahmed III. ließ den Botschafter ins Gefängnis werfen. Daraufhin fiel Peter mit seiner Armee ins Osmanische Reich ein. Die osmanischen Truppen kesselten ihn bei Huşi, einem kleinen Ort am Pruth, ein. Sie nutzten jedoch ihre überlegene Position nicht aus und ließen ihn ehrenvoll abziehen. Im Frieden vom Pruth verpflichtete Peter sich, die Festung Asow abzutreten und sich aus den Gebieten der Kosaken zurückzuziehen.

Operationen im Ostseeraum

In Polen allerdings weigerte sich die Konföderation von Sandomir unter dem Hetman Adam Mikołaj Sieniawski, dem reichsten Mann Polens und Schwiegersohn Fürst Lubomirskis, die Abdankung Augusts II. und die Thronbesteigung Stanislaus Leszczynskis anzuerkennen. Der russische Zar schlug den Polen neue Thronkandidaten vor und auch Leszczynski versuchte seine Gegner für sich zu gewinnen. Dies scheiterte aber an der Frage der Verteilung von Pfründen und Posten. Die Konföderation hatte allerdings nur geringen militärischen Wert; ihre Truppen konnten allenfalls den Nachschub der Schweden stören.

Nach der Niederlage der Schweden bei Poltawa kündigte August den Friedensvertrag von Altranstädt. Am 20. August 1709 marschierten erneut sächsische Truppen in Polen ein. Die schwedischen Truppen mit 9.000 Mann zogen sich nach Stettin und Stralsund zurück. Stanislaus Leszczynski floh ins Ausland. Am 28. Juni 1709 erneuerten Dänemark und Sachsen ihren Bündnisvertrag. Auch andere Staaten griffen in den Krieg ein. Das Kurfürstentum Hannover erhob Anspruch auf Bremen und Verden (Aller). Preußen wollte sich der schwedischen Gebiete in Pommern bemächtigen – Stettin, Usedom, Wollin. Ende 1709 besetzte die dänische Armee mit 14.000 Soldaten die südschwedische Provinz Schonen, wurde jedoch drei Monate später in der Schlacht von Helsingborg von den Schweden unter dem Kommando von Magnus Stenbock wieder zurückgeschlagen. Am 4. Juli 1710 ergab sich die Stadt Riga nach längerer Belagerung den Truppen des russischen Generals Boris Petrowitsch Scheremetew. [23] 1712 besetzte Dänemark das schwedische Herzogtum Verden und verpfändete es 1715 an Hannover.

Peter I. sicherte seine Gebietsgewinne im Ostseeraum. Im Sommer 1713 hatte er Südfinnland erobert. Zu Wasser waren die Schweden mit ihren großen Schiffen, die viele Geschütze tragen konnten, der russischen Flotte aber weit überlegen. Peters einzige Chance war eine Schlacht in Küstennähe. Unter Aufbietung aller Mittel verdoppelte er seine Ostseeflotte und stellte sie unter das Kommando erfahrener Venezianer und Griechen. Im August 1714 lagen sich die beiden Flotten bei Hangö gegenüber. Während einer anhaltenden Flaute kämpften sich die kleineren, aber wendigen russischen Schiffe durch den schwedischen Geschützhagel und enterten die unbeweglichen schwedischen Schiffe eins nach dem anderen. Damit herrschte die russische Flotte über die nördliche Ostsee.

Kampf um Schwedisch-Pommern 1711–1715

Am 29. August 1711 drangen erstmals dänische Truppen unter dem Kommando König Friedrichs IV. von Mecklenburg aus bei Damgarten in Schwedisch-Pommern ein. Die Schweden hatten hier nur 8.000 Mann unter Oberst Karl Gustav Düker stehen.[24] Zu den Dänen stießen Anfang September 1711 russische und sächsische Truppen. Sie waren durch die Neumark und die Uckermark gekommen und vereinigten sich bald darauf mit dem dänischen Heer. Die zahlenmäßig unterlegenen Schweden beschränkten sich deshalb auf die Verteidigung der beiden Festungen Stettin und Stralsund sowie der Insel Rügen.

Ab dem 7. September 1711 kam es zu einer ersten Belagerung von Stralsund durch die verbündeten Heere. Jedoch fehlten der Belagerungsarmee schwere Artillerie und genügend Nahrungsmittel für die rund 30.000 Mann starke Truppe.[25] Als am 8. Dezember 1711 6.000 Schweden zur Unterstützung Stralsunds auf Rügen landeten, zogen sich die Verbündeten am 7. Januar 1712 nach über 17 Wochen Belagerung zurück und bezogen Winterlager in Mecklenburg.

Im Mai 1712 rückten erneut russische Soldaten in Pommern ein und es kam zur zweiten Belagerung von Stralsund, bei der die Verbündeten 7.000 Sachsen und 38.000 Russen aufboten. Die Belagerung scheiterte wieder, da am 26. September 1712 10.000 Mann unter Kommando des schwedischen Generals Magnus Stenbock auf Rügen landeten und die Eroberung Stralsunds unmöglich machten. Gegen Ende des Jahres 1712 gelang es dem schwedischen General, die Verbündeten aus Pommern zurückzudrängen und den Krieg nach Mecklenburg und Holstein zu verlagern. Ihm gelang am 20. Dezember 1712 in der Schlacht bei Gadebusch ein Sieg über die verbündeten sächsischen und dänischen Truppen. Die verloren 6.000 Soldaten und mussten sich fluchtartig zurückziehen. Im Januar 1713 ließ Stenbock die Stadt Altona niederbrennen[26]. Kriegsentscheidend war die Schlacht von Gadebusch nicht, schon im nächsten Jahr sollte sich das Schicksal dieser schwedischen Armee bei Tönning im heutigen Schleswig-Holstein besiegeln.

Nachdem die siegreichen Verbündeten aus Holstein wieder nach Pommern einmarschiert waren, erfolgte im Juni 1713 die dritte Belagerung von Stralsund. Diese wurde im Oktober erneut aufgehoben. Im August 1713 begannen russische und sächsische Einheiten unter Führung des Fürsten Menschikow einen Angriff auf Stettin, welches über eine Garnison von 4300 Mann verfügte. Die Stadt ergab sich am 19. September 1713, nachdem ein achtstündiges Bombardement der sächsischen Belagerungsartillerie große Teile der Stadt zerstört hatte. Am 6. Oktober 1713 marschierten, nach Verhandlungen und Zahlung von 400.000 Reichstalern an die Alliierten,[27] preußische Truppen in Stettin ein. Schwedisch-Pommern war inzwischen bis auf Stralsund komplett von den verbündeten Dänen, Russen und Sachsen erobert und von Preußen als neutraler Macht besetzt worden.

Auch in dieser für Schweden äußerst kritischen Lage lehnte Karl XII. mehrere Friedensangebote ab. Er war im November 1714 aus Bender in die Festung Stralsund zurückgekehrt. Als er erste Erfolge gegen die preußische Armee erzielte, wurde er von den vereinigten russischen, sächsischen, preußischen und dänischen Truppen in der Festung eingeschlossen. Nach einer monatelangen Belagerung von Wismar (1715/16) und der Belagerung von Stralsund während des Pommernfeldzuges ergaben sich die eingeschlossenen Schweden am 23. Dezember 1715. König Karl XII. konnte in einem Fischerboot über die Ostsee entkommen.

Ausklang des Krieges: Tod Karls XII.

Am 30. Novemberjul./ 11. Dezember 1718greg. fand Karl XII. bei der Belagerung der norwegischen Festung Frederikshald unter bis heute ungeklärten Umständen den Tod durch eine Kugel in die Schläfe.

Gleich nach dem Tod des Königs hob Prinz Friedrich von Hessen-Kassel, der Ehemann von Karls Schwester Ulrike Eleonore, die Belagerung auf und führte das Heer nach Schweden zurück. Auf dem Rückweg ereignete sich der Todesmarsch der Karoliner. Friedrich von Hessen-Kassel übernahm die Krone durch Verzicht seiner Frau, blieb aber in der Folge vom schwedischen Reichsrat abhängig. Die Unterhandlungen mit Russland wurden abgebrochen. Mit Großbritannien-Hannover, Preußen, Dänemark und Sachsen-Polen wurde dagegen unter Vermittlung Frankreichs der Reihe nach Frieden geschlossen.

Friedensschlüsse

Am 7. November 1719 (jul.) wurde mit Polen ein geheimer Vertrag unterzeichnet, der den Frieden von Oliva bestätigte. August der Starke löste die Allianz mit Peter I. auf. Im Januar 1719 hatte sich August der Starke mit Österreich und Großbritannien verbündet, die ihm Hilfe gegen einen Angriff Russlands auf Polen-Litauen zusicherten. Ulrike Eleonore erkannte ihn als König von Polen an.

Am 19. November 1719 (jul.) wurde in einem Präliminarfrieden zu Stockholm der Krieg mit Großbritannien beendet. Hannover erhielt in diesem die Herzogtümer Bremen-Verden gegen eine Zahlung von einer Million Reichstalern.

Am 21. Januarjul./ 1. Februar 1720greg. kam es nach langwierigen Verhandlungen zum Frieden von Stockholm zwischen Preußen und Schweden. Preußen behielt Stettin, die Inseln Usedom und Wollin sowie Vorpommern bis zur Peene für eine finanzielle Gegenleistung von 2 Millionen Reichstalern.

Am 3. Julijul./ 14. Juli 1720greg. beendeten Dänemark und Schweden den Krieg im Frieden von Frederiksborg. Dänemark gab Schweden Rügen und Vorpommern nördlich der Peene sowie die Herrschaft Wismar zurück, das dafür 600.000 Taler bezahlte und auf die Zollfreiheit im Sund verzichetete.

Das Russische Reich führte derweil den Krieg gegen Schweden unvermindert fort. Um die Unterzeichnung des Friedensvertrags voranzubringen, entschied sich Peter I., eine Landeoperation im schwedischen Kernland durchzuführen. Im August 1719 erfolgte eine gleichzeitige Landung südlich und nördlich von Stockholm. An der Operation waren 20 Linienschiffe, einige hundert Ruderschiffe sowie 26.000 Mann Landungstruppen beteiligt. Im Verlauf der Operationen wurden acht größere Städte (u.a. die damals zweitgrößte Stadt Norrköping) zerstört. Durch den General Fjodor Matwejewitsch Apraxin ließ Zar Peter I. die Küste von Westbothnien niederbrennen. 13 Städte, 361 Dörfer und 441 adlige Güter wurden zerstört. Am 17. August 1720 wurde ein schwedisches Geschwader von einem russischen geschlagen, und 1721 wurde Stockholm selbst nur durch die Ankunft einer britischen Flotte vor einem russischen Angriff gerettet. Als Großbritannien erkannte, dass es nicht möglich war, eine Koalition gegen Russland zu bilden, drängte nun auch das Vereinigte Königreich darauf, die Friedensverhandlungen mit Russland so schnell wie möglich aufzunehmen. Infolge eines Finanzcrashs war es für den britischen König Georg I. nicht mehr möglich, die Schweden finanziell zu unterstützen. Die nordeuropäischen Herrscher (mit Ausnahme Augusts II. von Sachsen/Polen) verweigerten, weitere Kriegshandlungen gegen Peter I. auch nur in Betracht zu ziehen. Somit blieb Schweden nichts anderes übrig, als mit Russland am 28. April, in Nystadt, in direkte Friedensunterhandlungen zu treten.

Am 10. September 1721 trat Schweden im Friedensvertrag von Nystad die Gebiete Ingermanland, Livland, Estland, die Inseln Ösel und Dagö sowie Südkarelien an Russland ab. Dafür erhielt es Finnland zurück, das Peter I. 1714 erobert hatte.

Im Hamburger Vergleich (1729) erkannte Schweden die Abtretung des Herzogtums Verden an Hannover an.

Folgen und Auswirkungen des Krieges

Der Krieg hatte soziologisch gravierende Auswirkungen auf das Schwedische Reich. Das Verhältnis Frauen zu Männer betrug 5:3. Finnland hatte die höchsten Verluste erlitten. 16% seiner Bevölkerung fiel in dem Krieg. In Schweden betrug der Blutzoll 10% der Bevölkerung. Finnland war so schwer getroffen, dass der schwedische Gouverneur für sechs Jahre darauf verzichtete, Steuern zu erheben. Der Mangel an Männern im Schwedischen Reich führte dazu, dass vorwiegend Frauen die landwirtschaftliche Arbeit übernehmen mussten.[28]

Schweden verlor seine Besitzungen in Deutschland (bis auf Wismar und Vorpommern nördlich der Peene) und im Baltikum und somit seine Stellung als nordische Großmacht an Russland, welches als neue Militärmacht am Baltikum im Blickfeld Europas aufgetaucht[29] und für die europäische Neuordnung verantwortlich war. Russlands neue Hauptstadt entstand an der Ostsee, geschützt durch breite Küstengebiete. Eine Entwicklung, die die um ihre Handelsbeziehungen in die Ostsee besorgte See- und Handelsmacht Großbritannien nicht gerne sah, aber auch nicht verhindern konnte.[30] Mit Russlands Aufstieg war gleichzeitig der Abstieg Polens verbunden, das in die Einflusssphäre Russlands geriet und ab 1768, aufgrund des Zusammenbruchs seiner Wehrorganisation, de facto zu einem russischen Protektorat herabsank und in Zukunft nur noch eine untergeordnete Rolle spielte.[31] Der Niedergang Schwedens und Polens wiederum befreite Preußen von zwei potentiell starken Gegnern in der Region und fiel mit seinem Aufstieg zur Großmacht zusammen.[32] Zusammen mit Frankreich, Österreich und Großbritannien sollten Russland und Preußen künftig eine Pentarchie der Großmächte bilden. Der Große Nordische Krieg hatte eine grundlegende Verschiebung im europäischen Mächteverhältnis zur Folge. Brandenburg und Russland waren aus der zweiten in die erste Reihe der europäischen Staaten aufgerückt.[33]

Literatur

  • Paul Kennedy: The Rise and Fall of the Great Powers. Economic Change and Military Conflict from 1500 to 2000. New York 1987.
  • Norman Davies: Im Herzen Europas. Geschichte Polens. München 2000.
  • Robert I. Frost: The Northern Wars. War, State and Society in Northeastern Europe, 1558–1721. Harlow (Essex) 2000.
  • Eckardt Opitz: Vielerlei Ursachen, eindeutige Ergebnisse. Das Ringen um die Vormacht im Ostseeraum im Großen Nordischen Krieg 1700–1721. In: Bernd Wegner (Hrsg.): Wie Kriege entstehen. Zum historischen Hintergrund von Staatenkonflikten. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn, 2000, S. 89–107.
  • Geoffrey Parker: The Cambridge illustrated history of warfare. Cambridge 2005.
  • Georg Piltz: August der Starke. Träume und Taten eines deutschen Fürsten. Verlag Neues Leben, Berlin (Ost) 1986. ISBN 3-355-00012-4
  • Klaus Zernack: Das Zeitalter der Nordischen Kriege von 1558 bis 1809 als frühneuzeitliche Geschichtsepoche. In: Zeitschrift für historische Forschung 1 (1974) S. 55–79.
  • Hans Branig: Geschichte Pommerns Teil II. Von 1648 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Böhlau Verlag, Köln 2000. ISBN 3-412-09796-9
  • Curt Jany: Geschichte der Preußischen Armee. Vom 15. Jahrhundert bis 1914. Bd. 1, Biblio Verlag, Osnabrück 1967, Seite 632–641.
  • Dietmar Lucht: Pommern. Geschichte, Kultur und Wissenschaft bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1996. ISBN 3-8046-8817-9
  • Benjamin Richter: Verbrannte Erde. Peter der Große und Karl XII. Die Tragödie des ersten Russlandfeldzuges, MatrixMedia Verlag, Göttingen 2010 ISBN 978-3-932313-37-0
  • Werner Scheck: Geschichte Russlands. Wilhelm Heyne Verlag, München 1977. ISBN 3-453-48035-X

Fußnoten

  1. ↑ Darstellung nach: Eckardt Opitz: Vielerlei Ursachen, eindeutige Ergebnisse - Das Ringen um die Vormacht im Ostseeraum im Großen Nordischen Krieg 1700–1721, S.90–94
  2. ↑ Karte der gottorfschen und königlichen Anteile in den Herzogtümern Schleswig und Holstein
  3. ↑ Eckardt Opitz: Vielerlei Ursachen, eindeutige Ergebnisse - Das Ringen um die Vormacht im Ostseeraum im Großen Nordischen Krieg 1700–1721, S.94f
  4. ↑ Georg Piltz: August der Starke - Träume und Taten eines deutschen Fürsten, Verlag Neues Leben, Berlin (Ost) 1986, S.80
  5. ↑ Werner Scheck: Geschichte Russlands, München 1977, S.188
  6. ↑ In a total of 57 regiments, whereof 34 allotted and 23 enlisted. Navy units were not included in the 57 regiments. Mobilization statistics at Militaria.
  7. ↑ Fryxell, S.80
  8. ↑ Anders Fryxell: Lebensgeschichte Karl's des Zwölften, Königs von Schweden, Band 1, S. 117
  9. ↑ Fryxell, S. 118
  10. ↑ Fryxell, S. 121
  11. ↑ a b Duffy:Russia's Military Way to the West, S. 17
  12. ↑ Die Stärke der Schweden im Jahr 1701 betrug etwa: 3100 Mann Feldtruppen, 2000 Mann Garnison in Dorpat, 150 Mann in Marienburg, sechs kleinere Kriegsschiffe mit 300 Mann sowie Landmiliz (Zahlen nach Angaben von W. A. v. Schlippenbach)
  13. ↑ Peter Englund: The Battle that Shook Europe, Pearson Education Verlag, S. 39
  14. ↑ nach anderen Angaben 3800 Schweden,
  15. ↑ Seite 15
  16. ↑ nach dem offiziellen russischen Bericht von der Schlacht sollen 5000 Schweden getötet worden sein, bei einem eigenen Verlust von 400 Mann, Rossiter Johnson: The Great Events by Famous Historians, S. 324
  17. ↑ Peter Englund:The Battle that Shook Europe, Pearson Education Verlag, S. 40
  18. ↑ Bengt Liljegren|Liljegren, Bengt - Karl XII: En biografi, Historiska media, 2000, Sidan 151.
  19. ↑ A. D. von Drygalski: Poltawa, in: Bernhard von Poten: Handwörterbuch der gesamten Militärwissenschaften, Bd.8, Leipzig 1879, S.7
  20. ↑ Robert K. Massie: Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit, Frankfurt/ Main 1987, S.456
  21. ↑ Robert K. Massie: Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit, Frankfurt/ Main 1987, S.458f
  22. ↑ Robert K. Massie: Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit, Frankfurt/ Main 1987, S.460
  23. ↑ [1], abgefragt am 9. Januar 2010
  24. ↑ Branig 2000, Seite 53.
  25. ↑ Ewe 1984, Seite 194.
  26. ↑ Ein zeitgenössischer Bericht über den Brand befindet sich auf Wikisource: Nachricht_über_den_Brand_von_Altona_1713
  27. ↑ Lucht 1996, Seite 99.
  28. ↑ Franklin Daniel Scott: Sweden, the nation's history, S.259
  29. ↑ Geoffrey Parker, S. 155
  30. ↑ Klaus Zernack, S. 71
  31. ↑ Norman Davis, S. 277
  32. ↑ Paul Kennedy, S. 97
  33. ↑ Klaus Zernack, S. 57

 

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Polnischer Thronfolgekrieg

Der Polnische Thronfolgekrieg (1733–1738), auch Polnischer Erbfolgekrieg genannt, war ein Krieg um die Thronfolge Polens nach dem Tod Augusts II. (des Starken) († 1. Februar 1733).

Vorgeschichte

Während Österreich und Russland nach einigem Zögern die Bestrebungen des neuen sächsischen Kurfürsten, August des Starken Sohn Friedrich August II. unterstützen, dass den Fortbestand der Personalunion Sachsen-Polen bedeutete, wollte Frankreich den früheren polnischen König Stanislaus I. Leszczyński (den Schwiegervater Ludwigs XV.) als Nachfolger einsetzen.

August der Starke benötigte für seine Pläne sowohl die Unterstützung der Auslandes wie der polnischen Magnaten. Im Inneren standen sich zwei Adelsfraktionen gegenüber. Die eine gruppierte sich um die Familie Potocki, welche die traditionellen Kräfte, die die Adelprivilegien verteidigten und den Wettinern ablehnten repräsentierten. In der anderen dominierte die Familie Czartoryski. Diese strebte eine Modernisierung in Anlehnung an den englischen Parlamentarismus an. Es deutete sich ein Sieg der Reformer an. Durch den Tod des Königs kam diese Entwicklung nicht mehr zum tragen.[1]

Auseinandersetzungen in Polen

Russische Truppen erschienen vor Warschau, woraufhin der sächsischen Partei die Wahl Friedrich Augusts gelang. Insbesondere zahlreiche litauische Adelige stimmten unter russischem Druck für den Sachsen. Der einige Tage zuvor von einer Konföderation polnischer Adeliger ebenfalls gewählte Stanislaus Leszczynski floh nach Danzig, das daraufhin 1734 von russischen und sächsischen Truppen eingenommen wurde.[2]

Aber erst die Aufgabe der Konföderation von Dzików beendete 1735 die Kampfhandlungen gegen die sächsischen Truppen in Kleinpolen. Im übrigen wurden im Rahmen des Bündnisses wieder einmal russische Truppen in Ostpolen stationiert, da Sachsen aufgrund der unsicheren Haltung Preußens seine Truppen in der Nähe der Grenze haben wollte.

Internationaler Konflikt

1733 erklärte Frankreich Österreich (Habsburger Karl VI.) und Russland den Krieg. Die Kriegshandlungen fanden hauptsächlich an der Rhein-Grenze statt, zunächst noch unter dem Befehl des greisen Prinzen Eugen von Savoyen (der hier den preußischen Kronprinzen Friedrich mit der Kriegskunst näher vertraut gemacht haben soll). Den Franzosen gelang unter anderem die Eroberung der Festungen Kehl und Philippsburg. Ein weiterer Kriegsschauplatz war Italien, wo Frankreich und das verbündete Sardinien bei Parma und Guastalla siegreich blieben. Die Österreicher wurden hier zudem von spanischen Truppen bedrängt, die die Ansprüche des Herzogs von Parma und spanischen Infanten Karl auf Neapel und Sizilien stützten und 1734 bei Bitonto siegten. Frankreich (Kardinal Fleury) hatte in diesem Krieg das ökonomische und militärische Übergewicht, wollte aber seine Mittel für den sich seit der Pragmatischen Sanktion 1713 abzeichnenden Österreichischen Erbfolgekrieg aufsparen.

Friede und Folgen

Im Wiener Präliminarfrieden 1735 wurde daher der Sachse als August III. als König von Polen bestätigt. Stanislaus Leszczynski wurde von Ludwig XV. mit den Herzogtümern Bar und Lothringen entschädigt, wo er als Landesvater sehr beliebt wurde. Franz Stephan von Lothringen, der sich bereits als Schwiegersohn des Kaisers abzeichnete und nun endgültig auf sein angestammtes Herzogtum verzichten musste, wurde dafür mit dem Herzogtum Toskana abgefunden, da das Aussterben der Medici zu diesem Zeitpunkt bereits abzusehen war. Neapel und Sizilien fielen an Karl von Spanien, der zugunsten Österreichs auf das Herzogtum Parma und Piacenza und seinen Anspruch auf die Toskana verzichtete. Der Frieden konnte aufgrund der Nachfolgeregelungen erst nach dem Ableben des Herzogs Gian Gastone de’ Medici († 1737) in Kraft treten. Der Krieg endete mit der Verkündigung des Wiener Friedens am 18. November 1738.

Der Krieg zeigte einige Neuerungen an, die in der Folgezeit stärker das politische Machtgefüge Europas beeinflussten. Zum einen bot das junge Preußen dem römisch-deutschen Kaiser erstmals sein ganzes für die damalige Zeit hochmodernes Heer zur Verteidigung des Reiches an.[3] Auf der anderen Seite akzeptierte der Kaiser erstmals russische Truppen am Rhein (1735).[4]

Einzelnachweise

  1. ↑ Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Bonn, 2006 S.151f.
  2. ↑ Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Bonn, 2006 S.152
  3. ↑ Der Kaiser lehnte wohl aus Furcht vor Ansprüchen Preußens an Jülich und Berg die nicht uneigennützige preußische Hilfe im Wesentlichen ab.
  4. ↑ vgl. Bleckwenn 1979: 12.

Literatur

  • Bleckwenn, Hans: Reiter, Husaren und Grenadiere. d. Uniformen d. kaiserl. Armee am Rhein 1734. Harenberg, Dortmund 1985. ISBN 3-88379-125-3

 

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Siebenjähriger Krieg

Im Siebenjährigen Krieg (1756–1763), auch Dritter Schlesischer Krieg genannt, kämpften mit Preußen und Großbritannien/Kurhannover einerseits sowie Österreich, Frankreich und Russland andererseits alle europäischen Großmächte ihrer Zeit. An den Auseinandersetzungen waren weitere (mittlere und kleine) Staaten beteiligt. Der Krieg wurde in Mitteleuropa, Portugal, Nordamerika, Indien, der Karibik sowie auf den Weltmeeren ausgefochten. Für Großbritannien und Frankreich ging es hierbei auch um die Herrschaft in Nordamerika und Indien.

Vorgeschichte

Am 18. Oktober 1748 hatte der Frieden von Aachen den Österreichischen Erbfolgekrieg (1740–1748) beendet, ohne dabei das Konfliktpotential zwischen den Großmächten zu beseitigen. Daraufhin bestimmten folgende Ziele die außenpolitischen Handlungen der verschiedenen Staaten:

  • Preußen hatte unter Friedrich II. die österreichische Provinz Schlesien erobert und versuchte nun, diese mittels eines Bündnissystems gegen eine mögliche Rückeroberung zu behaupten.
  • Österreich unter Maria Theresia verfolgte tatsächlich das Ziel der Rückeroberung Schlesiens. Um den Erfolg zu gewährleisten, versuchte der Kanzler Wenzel Anton Graf Kaunitz (1711–1794) zunächst, den preußischen König Friedrich II. (1712–1786) außenpolitisch zu isolieren.
  • Russland war unter der Herrschaft der Zarin Elisabeth (1709–1761) an einer Expansion nach Westen interessiert, wobei ihr Augenmerk auf Semgallen und das Herzogtum Kurland gerichtet war. Diese standen allerdings unter polnischer Oberhoheit. Elisabeth wollte Polen dafür mit Ostpreußen entschädigen. So kam ihr der Krieg gegen Preußen, für den Österreich Verbündete suchte, gerade recht.
  • Großbritannien sah in Frankreich seinen Hauptkonkurrenten und versuchte, diesen vor allem in den Kolonien zu schwächen. Da Georg II. in Personalunion auch Kurfürst von Hannover war, musste er zugleich versuchen, diese Herrschaft gegen einen möglichen französischen Angriff zu sichern.
  • Frankreich unter Ludwig XV. sah seinerseits in Großbritannien seinen Hauptgegner, wünschte jedoch einen Krieg noch hinauszuzögern, um sich besser vorbereiten zu können.

Im Jahre 1754 spitzte sich der britisch-französische Konflikt in Nordamerika zu, als es im Ohiotal zu ernsten Gefechten kam (→ siehe: Franzosen- und Indianerkrieg). Die britische Regierung entsandte im Januar 1755 ein größeres Truppenkontingent unter General Edward Braddock (1695–1755) in die amerikanischen Kolonien, woraufhin im März auch eine französische Flotte auslief. Im Sommer des Jahres kam es zu einigen Schlachten in Nordamerika (→ Siehe: Schlacht am Monongahela) und auf See; im August begann man in Großbritannien mit der Beschlagnahmung französischer Handelsschiffe.

Da der Krieg nunmehr unausweichlich schien, suchten sowohl die französische als auch die britische Regierung Verbündete in Europa. Frankreich wünschte einen gesamteuropäischen Krieg zu vermeiden, um sich vollkommen auf Großbritannien konzentrieren zu können. Es bestand bereits ein Defensivbündnis mit Preußen, aber im August 1755 begann man auch Verhandlungen mit Österreich, um es aus dem beginnenden Krieg herauszuhalten. Dies kam den diplomatischen Bemühungen des Grafen Kaunitz sehr entgegen, dessen Ziel es war, Frankreich aus dessen Bündnis mit Preußen zu lösen. Großbritannien schloss seinerseits am 30. September einen Subsidienvertrag mit Russland, um im Bedarfsfall russische Truppen zum Schutze Hannovers zu benutzen. Gleichzeitig verhandelte es jedoch auch mit Preußen. Am 16. Januar 1756 schlossen Preußen und Großbritannien die Konvention von Westminster, in welcher beide garantierten, Norddeutschland vor fremden Truppen zu schützen. Aus der Sicht Friedrichs II. stellte dieses Abkommen keinen Affront gegen Frankreich dar, weil er noch immer glaubte, dass Frankreichs Hauptgegner Österreich sei. Gleichzeitig meinte er, so dafür gesorgt zu haben, dass die russischen Truppen nicht gegen ihn handeln könnten, ohne ihre Verträge mit Großbritannien zu verletzen. Für Georg II. bedeutete der Vertrag mit Preußen den Schutz seiner Stammlande.

Am Hofe Ludwigs XV. von Frankreich sah man in dem britisch-preußischen Zusammengehen ein Problem, denn damit war den französischen Truppen die Besetzung Hannovers versperrt. Das Kurfürstentum brauchte man jedoch als Faustpfand in einem Krieg gegen Großbritannien. Unter diesem Eindruck kam es am 1. Mai 1756 zum Abschluss des Vertrages von Versailles, einem Defensiv-Bündnis zwischen Österreich und Frankreich, welches auch als „Umkehrung der Allianzen“ bezeichnet wird. Frankreich würde nun Preußen in einem Krieg gegen Österreich nicht mehr beistehen. Gleichzeitig hatten österreichische Diplomaten bereits im März/April des Jahres Verbindungen zum russischen Hof geknüpft und dort die Bereitschaft für ein gemeinsames österreichisch-russisches Vorgehen gegen Preußen festgestellt. Somit war es der österreichischen Diplomatie gelungen, Friedrich II. von Preußen weitgehend zu isolieren. In einem für das Jahr 1757 geplanten Krieg zur Wiedergewinnung Schlesiens brauchte sich Österreich auf keinem anderen Kriegsschauplatz zu engagieren, konnte aber auf den Beistand Russlands und vielleicht auch Sachsens rechnen.

In den folgenden Wochen eskalierte der Konflikt. Schon im April 1756 hatte ein französischer Verband die britische Insel Menorca eingenommen und Truppen auf Korsika stationiert. Daraufhin erfolgte am 17. Mai 1756 die offizielle Kriegserklärung Großbritanniens an Frankreich, welche der französische Hof am 9. Juni mit einer eigenen Kriegserklärung beantwortete.

Übersicht der Bündnisse

Vertrag von Versailles und Erweiterungen

  • Territorium                                                                                                             von         bis
  • „Kaiserliche“ bzw. Habsburgermonarchie: Vertrag von Versailles (1756)                         1756       1763
  • Königreich Frankreich: Vertrag von Versailles (1756)                                                    1756       1763
  • Kurfürstentum Sachsen                                                                                             1756       1763
  • Russisches Reich                                                                                                      1757       1761
  • Heiliges Römisches Reich: Reichsexekution durch „Reichsarmee“                                  1757       1763
  • Königreich Schweden                                                                                                1757       1763
  • Königreich Spanien („Bourbonischer Hausvertrag“ mit Frankreich)                                 1761       1763
  • Herzogtum Parma („Bourbonischer Hausvertrag“ mit Frankreich)                                   1761       1763
  • Königreich Neapel & Königreich Sizilien („Bourbonischer Hausvertrag“ mit Frankreich)   1761       1763

Konvention von Westminster und Erweiterungen

  • Territorium                                                                                                                                                          von        bis
  • Königreich Preußen (Konvention von Westminster)                                                                                                   1756       1763
  • Königreich Großbritannien & Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg („Kurhannover“) (Konvention von Westminster)   1756       1763
  • Königreich Portugal                                                                                                                                                1756       1763
  • Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel                                                                                                                   1756       1763
  • Landgrafschaft Hessen-Kassel                                                                                                                                 1756       1763
  • Herzogtum Sachsen-Gotha und Altenburg                                                                                                                 1756       1763
  • Grafschaft Schaumburg-Lippe (Bückeburg)                                                                                                              1756       1763
  • Russisches Reich                                                                                                                                                   1761       1761

Verlauf

Im Juni 1756 erhielt Friedrich II. durch seine Spione an den europäischen Höfen Kenntnis von der Annäherung zwischen Frankreich und Russland sowie von russischen Truppenbewegungen. Außerdem bekam er Abschriften der Pariser und Petersburger Verträge, die die Allianz zwischen Österreich, Russland, Frankreich und Sachsen dokumentierten. Daraufhin befahl Friedrich die Mobilisierung seiner Regimenter in Ostpreußen und Schlesien, um dem drohenden Angriff von mehreren Seiten durch einen Einmarsch in Sachsen zuvorzukommen. Die Besetzung Sachsens hatte für Preußen einen militärischen und einen wirtschaftlichen Hintergrund (siehe Ephraimiten). Militärisch gesehen versuchte Friedrich mit dem Erzgebirge und der Sächsischen Schweiz einen natürlichen Grenzwall zur österreichischen Provinz Böhmen zu gewinnen. Außerdem konnte Friedrich durch die Besetzung die benötigten Kriegsmaterialien, wie Kanonen, Munition usw. die Elbe von Magdeburg hinauf transportieren. Wirtschaftlich sollte das wohlhabende Sachsen die Kriegskassen des preußischen Königs füllen. Nach der zügigen Besetzung Sachsens wollte Friedrich in Böhmen einrücken. Dort sollte die Einnahme Prags die dauerhafte Unterbringung der preußischen Streitkräfte auf gegnerischem Territorium ermöglichen und Maria Theresia zu Friedensverhandlungen zwingen. Bei einem solchen Erfolg wäre dann nicht mehr zu erwarten, dass Russland im folgenden Jahr Preußen allein angreifen würde.

1756

Sachsen / Böhmen

Am 29. August 1756 überschritt die preußische Armee ohne vorherige Kriegserklärung die Grenze Sachsens. Die sächsische Armee unter der Führung von Graf Rutowski wurde überrascht und sammelte sich in einem Lager bei Pirna, wo die preußische Armee sie am 10. September einschloss. Am 9. September besetzte die preußische Armee bereits kampflos Dresden. Rutowski weigerte sich jedoch zu kapitulieren, weil er damit rechnete, dass ihn die österreichische Armee bald entsetzen würde. Als diese unter dem Kommando des Feldmarschall Browne tatsächlich Ende September nahte, zog Friedrich II. ihr mit der Hälfte seiner Armee entgegen (die andere belagerte weiterhin das sächsische Heerlager). Am 1. Oktober 1756 kam es zur Schlacht bei Lobositz in Böhmen. Die Schlacht endete mit einem preußischen Sieg, wodurch die Österreicher die eingeschlossenen Sachsen nicht mehr erreichen konnten. Daraufhin mussten die sächsischen Truppen am 16. Oktober 1756 kapitulieren. Sie wurden zunächst in preußische Dienste gepresst, desertierten jedoch größtenteils im folgenden Frühjahr. Somit war nur die Besetzung Sachsens erreicht worden, während das Konzept eines entscheidenden Schlages gegen Österreich gescheitert war.

Nordamerika

Der britisch-französische Gegensatz in den nordamerikanischen Kolonien hatte bereits im Vorjahr zu größeren Kampfhandlungen geführt. Im Jahre 1756 ergriffen die Franzosen unter Marquis de Montcalm die Offensive. Am 15. August 1756 eroberten sie das wichtige britische Fort Oswego und brachten somit das ganze Gebiet um den Ontariosee unter Kontrolle. Die regulären Verbände stellten die Besatzung der französischen Forts, so dass für weitere offensive Operationen nur die Milizen und Indianer zur Verfügung standen. Deshalb beschränkte sich das weitere französische Vorgehen auf den Kleinkrieg, während die Briten ihre Truppen sammelten, ohne jedoch selbst offensiv zu werden.

1757

Die Situation stellte sich für Friedrich II. zu Beginn des Jahres 1757 ungünstig dar. Am 17. Januar wurde der Reichskrieg gegen Preußen erklärt, da dieses durch den Angriff auf Sachsen Landfriedensbruch begangen habe. Die Reichstruppen würden also als weiterer Gegner Preußens auf den Plan treten. Nur Tage später, am 22. Januar, unterzeichneten Russland und Österreich einen Allianzvertrag, dem am 1. Mai ein französisch-österreichisches Offensivbündnis folgte. Zusätzlich zum schon lang erwarteten Angriff der Russen und dem Krieg gegen Österreich würden also auch Truppen Frankreichs, als Garantiemacht des Westfälischen Friedens, in Deutschland einrücken, um gegen Preußen vorzugehen und gleichzeitig Hannover als Faustpfand im Krieg gegen Großbritannien zu gewinnen. Die Briten befanden sich in Nordamerika und Indien unter Druck und konnten kaum wirksam für den Schutz Hannovers sorgen. Aus diesem Grund stellten die mit Preußen und Großbritannien verbündeten deutschen Fürstentümer eine Armee auf, die sogenannte Observationsarmee, die gegen die französischen Streitkräfte operieren sollte.

Böhmen / Schlesien

Friedrich II. nahm sein strategisches Konzept des Vorjahres noch einmal auf, zunächst Prag einzunehmen und so einen entscheidenden Schlag gegen Österreich zu führen. Im April rückten die preußischen Truppen von mehreren Seiten in Böhmen ein, wo es am 6. Mai zur Schlacht bei Prag kam. Zwar siegten die Preußen, doch ein Großteil der österreichischen Armee rettete sich in die Festung. Während Friedrich nun mit der Belagerung derselben begann, zog von Süden her ein österreichisches Entsatzheer unter Feldmarschall Graf Daun heran. Friedrich II. stellte sich diesem mit der Hälfte seiner Truppen (die andere belagerte Prag) in der Schlacht von Kolin am 18. Juni entgegen, wurde dabei jedoch schwer geschlagen. Als Folge dieser Niederlage mussten die Preußen ganz Böhmen räumen und nach Sachsen zurückweichen. In den folgenden Monaten manövrierten die gegnerischen Heere ergebnislos um einander, bis Friedrich II. durch den Anmarsch der Reichsexekutionsarmee in Thüringen gezwungen war, mit einem großen Teil seiner Truppen dorthin zu eilen. Die nunmehr überlegenen Österreicher griffen die preußischen Truppen unter dem Herzog von Braunschweig-Bevern am 7. September in der Schlacht von Moys an und zwangen diese zum Rückzug. Nach einer weiteren Schlacht von Breslau am 22. November sowie der Einnahme der Festungen Schweidnitz und Breslau befand sich Ende November der größte Teil Schlesiens wieder unter österreichischer Kontrolle. In diesem Zeitraum gelang es dem österreichischen General Andreas Hadik von Futak auch mit einer Abteilung Husaren, für einen Tag (16. Oktober) Berlin zu besetzen, bevor er sich wieder zurückzog. Anfang Dezember traf jedoch die preußische Hauptarmee unter Friedrich II. wieder in Schlesien ein. Er griff die österreichische Armee in der Schlacht von Leuthen am 5. Dezember an und schlug sie entscheidend. Diese zog sich nach Böhmen zurück, während die Preußen bis zum April 1758 die schlesischen Festungen zurückeroberten. Damit war die Ausgangssituation vom Beginn des Jahres weitgehend wieder hergestellt.

Mitteldeutschland

Im Juni griffen auch die Franzosen an. Sie entsandten eine Armee nach Norddeutschland, welche die preußischen Länder am Rhein besetzte und anschließend gegen Hannover vorging. Am 26. Juli 1757 schlugen die französischen Truppen unter Führung des Marschalls d'Estrées die aus Kontingenten der deutschen Kleinstaaten bestehende Observationsarmee unter dem Herzog von Cumberland in der Schlacht bei Hastenbeck. Die Observationsarmee zog sich an die Nordsee zurück, wo sie sich in der Konvention von Kloster Zeven für neutral erklärte. Somit stand im Spätsommer für die Franzosen der Weg nach Berlin offen. Da sie aber kein Interesse daran hatten, Preußen gegenüber Österreich zu sehr zu schwächen, begnügten sie sich mit der Besetzung der mit Preußen verbündeten Fürstentümer. Marschall d'Estrées wurde nach einigen Intrigen in Versailles durch den Herzog von Richelieu ersetzt.

Gleichzeitig begann im August auch die Reichsexekutionsarmee mit ihren Operationen in Thüringen gegen das sächsische Gebiet. Die Armee bestand aus einem französischen Korps unter dem Prinzen von Soubise und den Reichstruppen unter dem Herzog von Sachsen-Hildburghausen, der auch den Oberbefehl führte. Gegen diese Armee rückte Friedrich II. von Schlesien her an und schlug sie am 5. November 1757 vernichtend in der Schlacht bei Roßbach. Die Reichsarmee trat in den folgenden Jahren nicht mehr als eigenständiger Verband in Erscheinung. Friedrich II. setzte sich mit der preußischen Hauptarmee wieder nach Schlesien in Bewegung, um dort dem österreichischen Vordringen zu begegnen.

Ostpreußen

Zur Verteidigung Ostpreußens hatte Friedrich II. den erfahrenen Generalfeldmarschall Johann von Lehwaldt mit 30.000 Mann vorgesehen. Am 1. Juli griff eine ca. 100.000 Mann starke russische Armee unter General Stepan Fjodorowitsch Apraxin an. Sie nahm nach kurzer Belagerung die Festung Memel am 5. Juli ein. Das nächste Etappenziel war Königsberg. Dabei stellte sich das preußische Korps des Generalfeldmarschalls Lehwaldt dem russischen Vormarsch entgegen. In der Schlacht bei Groß-Jägersdorf wurde es am 30. August geschlagen. Trotzdem war die russische Versorgungslage ohne den Hafen von Königsberg so schlecht, dass Apraxin sich wieder aus Ostpreußen zurückzog. Nur in Memel verblieb eine Besatzung.

Ostseeküste

Am 12. September griffen auch die Schweden von Stralsund aus Preußen an. Sie eroberten die schwach verteidigten Orte Pasewalk, Ueckermünde und Swinemünde. Daraufhin beorderte Friedrich II. das Korps des Generalfeldmarschalls Lehwaldt aus Ostpreußen heran (die Russen hatten sich bereits zurückgezogen), um gegen die Schweden zu operieren. Lehwaldt eroberte bis zum Jahresende Wollin, Anklam und Demmin, während sich die Schweden zurückzogen und nur Stralsund besetzt hielten.

Nordamerika

Marquis de Montcalm setzte seine Strategie fort, die wichtigsten britischen Forts zu zerstören, um so einer britischen Offensive von diesen Forts aus vorzubeugen. Ziel des Angriffs war Fort William Henry am Lake George. Die Briten kapitulierten nach einigen Tagen Belagerung am 9. August gegen freien Abzug. Die indianischen Verbündeten der Franzosen hielten sich nicht an die Vereinbarungen und überfielen die britischen Truppen, was als Fort William Henry-Massaker bekannt wurde. Die Briten sammelten unterdessen Truppen auf der Kap-Breton-Insel für einen Angriff auf die Festung Louisbourg, der jedoch verschoben wurde.

1758

Anfang des Jahres waren russische Truppen unter Graf von Fermor erneut in Ostpreußen und Pommern eingedrungen und versuchten anschließend, sich mit den Österreichern zu vereinigen. Dies konnte Friedrich in der Schlacht bei Zorndorf verhindern. Die Russen zogen sich bis Jahresende hinter die Weichsel zurück, hielten aber Ostpreußen. Unter Ausnutzung der Abwesenheit des preußischen Hauptkontingents gelang es österreichischen Truppen, fast ganz Schlesien zu besetzen.

Außerdem drangen im Spätsommer österreichische Truppen unter Graf Daun in Südsachsen ein, schlugen die Preußen in der Schlacht von Hochkirch und versuchten Dresden zu nehmen, was aber nicht gelang. Ende November zogen sie sich nach Böhmen zurück. Im Gegenzug drang eine preußische Armee in Mähren bis Olmütz vor und belagerte die Stadt. Durch die seit dem Österreichischen Erbfolgekrieg verstärkten Mauern konnte dieses Mal die Festung Olmütz, anders als im Jahr 1741, von den österreichischen Truppen erfolgreich verteidigt werden.

Großbritannien sagte Preußen in einer Vereinbarung vom 11. April 1758 finanzielle Mittel von 4,5 Millionen Talern sowie die Aufstellung eines neuen Heeres in Kurhannover zu.[1] Herzog Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel konnte die Franzosen in der Schlacht von Rheinberg und in der Schlacht bei Krefeld schlagen und kontrollierte zum Jahresende das gesamte rechtsrheinische Gebiet.

In Nordamerika besiegten die Franzosen am 18. Juli ein zahlenmäßig weit überlegenes Heer der Briten in der Schlacht von Ticonderoga 1758.

„Affaire de Meer“: In der Schlacht bei Rees Mehr (heute Hamminkeln-Mehrhoog) am 5. August 1758 schlugen die Preußen unter General v. Imhoff die Franzosen. Das Bataillon Stolzenberg traf die Franzosen in der Flanke. Heute noch erinnert an der Stelle ein Obelisk an diese Schlacht mit der Inschrift: „Deutschlands tapferen Kriegern, welche hier unter General v. Imhoff am 5. August 1758 die Franzosen schlugen. Errichtet am 5. August 1858 durch die Bewohner von Haffen und Mehr“. Hierdurch kam es zum siegreichen Ausgang der Schlacht bei Mehr, bei der 3.000 Preußen fast 10.000 Franzosen schlugen. Das französische Heer floh zurück in die von ihm besetzte Stadt Wesel.

1759

Durch den hohen Blutzoll der vorherigen Kriegsjahre war Preußen zu offensiven Aktionen nicht mehr in der Lage, vielmehr hatte es nun mit Angriffen auf das preußische Kernland zu kämpfen. Erneut versuchten die Russen unter Saltykow und Österreicher unter Leopold Joseph Graf Daun eine Vereinigung ihrer Truppen zu erreichen, um Friedrich gemeinsam zu schlagen. Diese Vereinigung gelang diesmal bei dem Ort Kunersdorf (östlich von Frankfurt (Oder)), nachdem die Russen aus Ostpreußen – ein preußischer Verband, der sich ihnen entgegengeworfen hatte, war am 23. Juli bei Kay geschlagen worden – und die Österreicher über Schlesien angerückt waren. Friedrich erlitt bei einem Angriff auf das Lager der nunmehr Verbündeten in der Schlacht von Kunersdorf (12. August) eine katastrophale Niederlage, das preußische Heer löste sich zwischenzeitlich auf.

Die Russen, Österreicher und Franzosen nutzten jedoch wegen wachsender Widersprüche innerhalb des Bündnisses nicht die Gunst der Stunde, um nach Berlin vorzurücken. Friedrich bezeichnete diesen Umstand, der dem preußischen Staat die Existenz rettete, in einem Brief an seinen Bruder Heinrich als das „Mirakel des Hauses Brandenburg“. Die Russen zogen sich im Herbst in ihre Ausgangsstellung zurück und die Österreicher rückten auf den sächsischen Kriegsschauplatz ab. Dort hatte im Sommer die Reichsarmee unter Ausnutzung der Abwesenheit preußischer Truppen fast ganz Sachsen inklusive Dresden besetzt. Nach Vereinigung der Reichsarmee mit den Österreichern kam es hier am 20. November zu einem Zusammentreffen mit einem preußischen Kontingent im Gefecht von Maxen, das zum Einschluss der preußischen Truppen führte. Der preußische General von Finck kapitulierte daraufhin einen Tag später und wurde mit rund 14.000 Mann gefangen genommen.

Auf dem westdeutschen Kriegsschauplatz blieb bis zum Jahresende der Status quo weitgehend erhalten, einen Vorstoß des Herzogs von Braunschweig zum Rhein wehrten die Franzosen bei Bergen ab (13. April). Der darauf folgende Vorstoß des französischen Hauptkontingents nach Hannover wurde von den preußischen Verbündeten in der Schlacht bei Minden (1. August) abgewiesen.

Am 12. Oktober 1759 wurde in Bütow in Hinterpommern ein vorläufiges Abkommen über den Austausch russischer und preußischer Kriegsgefangener unterzeichnet.[2]

1760

Auch 1760 war Preußen angesichts der eigenen Schwäche vorrangig darauf bedacht, seine eigenen sowie die eroberten Gebiete zu halten. Die 1759 sehr erfolgreichen alliierten Truppen im Westen mussten die Preußen bis Anfang Februar mit 10.000 Mann gegen die Reichsarmee unterstützen, dies schwächte Herzog Ferdinand gegen Frankreich.

Österreich wollte zunächst Schlesien wiedergewinnen, zusammen mit den Russen die preußischen Kräfte vernichten. Dementsprechend fielen österreichische Truppen unter von Laudon in Schlesien ein, eroberten wichtige Festungen und schlugen ein preußisches Korps bei Landeshut vernichtend. Gleichzeitig versuchte Friedrich vergeblich, mit starken Kräften Dresden zurückzugewinnen, was zu erheblichen Zerstörungen in der Innenstadt führte.

Der französische Sieg am 28. April gegen die Briten in Quebec in der Schlacht bei Sainte-Foy ändert nichts mehr an der absehbaren französischen Gesamtniederlage in Kanada.

In Westdeutschland standen die Alliierten nur noch im östlichen Westfalen mit sehr reduzierten Kräften in Winterquartieren. Die Franzosen lagen am Niederrhein und im südlichen Hessen. Erst im Juni vereinigten sich die französischen Korps in Hessen-Kassel. Dem alliierten Erfolg bei Korbach stand ein französischer Verlust bei Emsdorf gegenüber. Trotz des Sieges der alliierten Truppen im paderbornischen Warburg konnten sich die Franzosen in Hessen-Kassel behaupten.

Als österreichische Entsatztruppen unter Daun Dresden entgegenstrebten und Friedrich von den Entwicklungen in Schlesien alarmiert wurde, zog er dorthin ab und Daun folgte ihm. Beiden österreichischen Armeen, die am 15. August von Friedrich angegriffen wurden, gelang eine Vereinigung bei Liegnitz. Den preußischen Truppen gelang ein Sieg und damit die Verbindung zu Truppen unter Prinz Heinrich, der dadurch die russischen Kräfte auf Distanz halten konnte.

Diese Erfolge wurden schnell relativiert, denn den Gegnern Preußens gelang gleichzeitig die Besetzung Sachsens durch die Reichsarmee und die kurzzeitige Besetzung und starke Plünderung Berlins durch die Russen unter Tottleben und Tschernyschew und Österreicher unter Lacy. Friedrich gelang am 3. November in der Schlacht bei Torgau noch einmal ein Befreiungsschlag, indem er die ihm folgenden österreichischen Kräfte unter Daun besiegte und nach Sachsen zurückdrängte. Trotzdem war die Lage Preußens katastrophal, unter anderem waren Ostpreußen, Sachsen und Schlesien in der Hand des Gegners.

Schwedische Truppen setzten sich gleichzeitig im preußischen Teil Pommerns (ein Teil Vorpommerns war seit dem Dreißigjährigen Krieg schwedisch) fest. Im Herbst wurden alliierte Truppen bei der Schlacht bei Kloster Kampen von den Franzosen am Rhein geschlagen.

1761

Erneut war Schlesien Kriegsschauplatz. Gegen die anrückenden und sich vereinigenden Österreicher (unter Laudon) und Russen bezog das preußische Heer das Lager von Bunzelwitz, das den ganzen Sommer gegen die mit Versorgungsschwierigkeiten kämpfenden Verbündeten gehalten werden konnte. Die Russen zogen im September zermürbt ab, aber auch die Preußen, so dass die wichtige Festung Schweidnitz zusammen mit Oberschlesien in die Hände der Österreicher fiel.

In Hinterpommern eroberten die Russen Kolberg, aber in Vorpommern gelang es den Preußen, sich gegen die Schweden zu behaupten. Auf dem westdeutschen Kriegsschauplatz passierte wenig, was insbesondere an der schwindenden Kraft des französischen Staates lag.

So hatte Preußen auch in diesem Jahr Glück, dass die Alliierten zu keinem entscheidenden Schlag in der Lage waren. Dennoch war die Lage Preußens weiterhin kritisch. Hinzu kam noch, dass die britische Regierung nach dem Sturz Pitts im Dezember die Subsidienzahlungen einstellte.

Entlastung erlangte Friedrich schließlich durch ein Ereignis, das oft fälschlicherweise mit seinem damals schon zwei Jahre alten Wort vom „Mirakel des Hauses Brandenburg“ in Zusammenhang gebracht wird: Die Zarin Elisabeth starb am 25. Dezember, und ihr Neffe Peter III. trat daraufhin die Nachfolge an.

1762

Nachdem er den preußischen Hohen Orden vom Schwarzen Adler verliehen bekam, schloss Peter III., ein Bewunderer Friedrichs, am 5. Mai in St. Petersburg einen Friedens- und Bündnisvertrag mit Preußen (und stellte diesem ein Kontingent zur Verfügung) (Frieden von Sankt Petersburg), dem sich Schweden am 22. Mai (Frieden von Hamburg) anschloss. Nach Peters Ermordung löste Katharina die Große das Bündnis auf, beließ es aber beim Frieden. Durch die frei werdenden Kräfte erstarkt, versuchte Friedrich die Österreicher aus Schlesien und Sachsen zu verdrängen. Es gelang ihm, Daun bei Burkersdorf zu schlagen und Schweidnitz zu besetzen. Bei Freiberg kam es schließlich zur letzten Schlacht zwischen Österreich und Preußen. Die Preußen unter Prinz Heinrich siegten, womit ihnen auch die Rückgewinnung Sachsens gelang.

Im Sommer stießen französische Truppen letztmals nach Nordhessen vor, die jedoch am 24. Juni in der „Schlacht bei Wilhelmsthal“ (heute zur Gemeinde Calden gehörend) und am 23. Juli in der „Schlacht bei Lutterberg“ mit Kriegschauplätzen dies- und jenseits der Fulda bei Lutterberg (heute zu Staufenberg in Niedersachsen zählender Gemeindeteil) und nahe Knickhagen (heutiger Gemeindeteil des hessischen Fuldatal) am Fulda-Zufluss Osterbach verlustreich besiegt wurden.

Der Krieg in den Kolonien

Unter Robert Clive eroberten die Briten die französischen Besitzungen in Indien. In Nordamerika begannen die Feindseligkeiten bereits 1754 (→ Franzosen- und Indianerkrieg). Nach anfänglichen Rückschlägen (französischer Sieg in der Schlacht am Monongahela 1755) eroberten die Briten erst das Ohiogebiet, stießen dann zu den Großen Seen vor und begannen schließlich die Invasion Kanadas. Durch die Vernichtung der französischen Flotte in zwei Seeschlachten wurde Québec von Europa abgeschnitten. Die Briten eroberten daraufhin 1759 Québec und 1760 Montreal.

Die Friedensverträge von 1763

Großbritannien und Portugal schlossen am 10. Februar den Frieden von Paris mit Frankreich und Spanien.

Am 15. Februar 1763 wurde der Frieden von Hubertusburg zwischen Preußen und seinen Gegnern geschlossen. Der Status quo ante bellum wurde wiederhergestellt.

Auswirkungen

Politische Folgen

Preußen hatte sich durch den Krieg als fünfte Großmacht im europäischen Mächtekonzert etabliert. Der mit den Schlesischen Kriegen begonnene Gegensatz zu Österreich blieb, von der Phase der gemeinsamen Gegnerschaft zu Napoléon abgesehen, bis zum Krieg von 1866 für die deutsche Politik grundlegend (Deutscher Dualismus) und mündete bald darauf in den Bayerischen Erbfolgekrieg.

Frankreich, das durch völlig unterschiedliche Kriegsschauplätze seine Ziele verfehlte, misslang der Erwerb der Österreichischen Niederlande (heute Belgien), die als Kompensation für die Hilfe bei der Wiedergewinnung Schlesiens durch Österreich zugesagt waren. Außerdem verlor es einen großen Teil seines Kolonialreiches (ganz Kanada, alle Teile Indiens), brannte auf Revanche an Großbritannien und geriet in immer tiefere Staatsverschuldung. Ersteres führte zu der französischen Unterstützung der rebellierenden Kolonien im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, der mit der Staatsverschuldung zu den wichtigsten Ursachen der Französischen Revolution wurde.

Großbritannien mischte sich seit dem Krieg verstärkt in die europäische Kontinentalpolitik ein. Der Sieg in Nordamerika wurde zur Ursache des Konflikts mit den Siedlern in den älteren Kolonien. Zum Schutz der im Krieg mit Großbritannien verbündeten Indianer wurden die neu erworbenen Gebiete zwischen Allegheny Mountains und Ohio beziehungsweise Mississippi nicht zur Besiedlung freigegeben, außerdem sollte die Kolonialbevölkerung durch verschiedene Steuern an den Kosten des Krieges beteiligt werden. Beides führte zu Konflikten. Die Miliztruppen der Kolonisten konnten Kampferfahrung sammeln, die sie eineinhalb Jahrzehnte später im Unabhängigkeitskrieg gegen das Mutterland Großbritannien erfolgreich einsetzten.

Wirtschaftliche Folgen

Für die Bevölkerung der beteiligten Staaten in den Kriegsgebieten hatte der Krieg zum Teil katastrophale Auswirkungen. Der Verlust an Soldaten war immens – so verlor allein Preußen 180.000 Mann. Auch die Zivilbevölkerung wurde dezimiert, insbesondere in den am stärksten betroffenen Gebieten wie Sachsen oder Pommern. Sachsen hatte als von Preußen besetztes Gebiet auch sehr stark unter Plünderungen, Zwangsrekrutierungen und Kontributionszahlungen zu leiden.

Rezeption

Kulturell

1763 begann Lessing mit dem Schreiben des Lustspiels Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück, das 1767 erschien und aufgeführt wurde. Das Stück spielt in der Zeit unmittelbar nach dem Krieg und behandelt das Schicksal eines Soldaten. Thackeray liefert mit seinem Roman Die Memoiren des Junkers Barry Lyndon (ab 1844) die Vorlage für Stanley Kubricks Verfilmung. Stanley Kubricks preisgekrönter Film Barry Lyndon (1975) spielt in den Wirren des Siebenjährigen Krieges. Er beleuchtet die gesellschaftliche Struktur Großbritanniens während der Zeit der Mobilmachung und des Kriegs.

Der Künstler Adolph Menzel überlieferte Ansichten der sterblichen Überreste von gefallenen Offizieren des Krieges. Seine Leichenporträts, die 1873 anlässlich der Öffnung der Grabgewölbe unter der Garnisonkirche in Berlin entstanden, zeigen unter anderem den mumifizierten Leichnam von Feldmarschall James Keith.

Die in der Zeit des Nationalsozialismus zu Propagandazwecken gedrehten Spielfilme „Fridericus - Der alte Fritz“ (1937) und „Der große König“ (1942), beide mit Otto Gebühr in der Rolle des Friedrich II., verherrlichen den Preußenkönig und schildern den Siebenjährigen Krieg aus preußischer Sicht.

Museal

In der Dauerausstellung des Wiener Heeresgeschichtlichen Museums sind zahlreiche Objekte aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges der Öffentlichkeit zugänglich. Es handelt sich hierbei hauptsächlich um Stücke der preußischen Armee, wie Füsiliermützen, Pallasche, Degen und Fahnen (wie z. B. die Fahne des königlich-preußischen 17. Feldregiments aus der Zeit Friedrichs II.), die von österreichischen Truppen zwischen 1756 und 1763 erbeutet wurden.[3] Diese 22 Fahnen gelten auf fahnenkundlichem Gebiet als besondere Rarität. Es handelt sich dabei um Trophäen, die überwiegend bei der Kapitulation von Maxen in die Hände der Österreicher gefallen sind. Die Fahnen entsprechen alle dem bei Regierungsantritt Friedrichs II. neu geschaffenen Fahnenmusters, das einen mit Schwert und Donnerkeil bewehrten Adler und die Devise „PRO GLORIA ET PATRIA“ zeigt. Die Eckmedaillons sowie die in durchbrochener Manier gearbeiteten Fahnenspitzen enthalten die Initialen „FR“.[4]

Literatur

Gesamtdarstellungen und Darstellungen zu Einzelaspekten

  • J.W. von Archenholtz: Geschichte des Siebenjährigen Krieges in Deutschland von 1756 bis 1763, Frankfurt und Leipzig 1788. eBook (Faksimilie), Potsdam 2010, ISBN 978-3-941919-54-9
  • Christopher Duffy: Friedrich der Große. Weltbild Verlag GmbH, Augsburg 1994
  • Sven Externbrink: Friedrich der Große, Maria Theresia und das Alte Reich. Deutschlandbild und Diplomatie im Siebenjährigen Krieg, Akademie Verlag. Berlin 2006, ISBN 978-3-05-004222-0 (Rezension)
  • Marian Füssel: Der Siebenjährige Krieg. Ein Weltkrieg im 18. Jahrhundert. C.H. Beck oHG, München 2010, ISBN 978-3-406-60695-3.
  • Olaf Groehler: Die Kriege Friedrichs II. Militärverlag der DDR, Berlin 1986
  • Großer Generalstab (Hg.): Geschichte des siebenjährigen Krieges in einer Reihe von Vorlesungen, mit Benutzung authentischer Quellen, bearbeitet von den Offizieren des Großen Generalstabs: Berlin 1824ff - online bei Google Books: Band 1 Band 3 Band 4 Band 5 Band 6
  • Johann Heilmann: Beitrag zur Geschichte des Feldzuges von 1757, Berlin 1854, eBook (Faksimilie), Potsdam 2010, ISBN 978-3-941919-51-8
  • Curt Jany: Geschichte der Preußischen Armee vom 15. Jahrhundert bis 1914, Zweiter Band, Die Armee Friederichs des Großen 1740-1763, Nachdruck hrsg. von Eberhard Jany, Osnabrück 1967. Zum Siebenjährigen Krieg: 342ff.
  • Eberhard Kessel (Autor), Thomas Lindner (Herausgeber) : Das Ende des Siebenjährigen Krieges 1760-1763, 2 Bände: Torgau und Bunzelwitz. Schweidnitz und Freiberg, Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2007, ISBN 978-3-506-75706-7
  • Henry Lloyd: Geschichte des Siebenjährigen Krieges in Deutschland zwischen dem Könige von Preußen und der Kaiserin Königin mit ihren Alliierten; übersetzt und herausgegeben von Georg Friedrich von Tempelhof: 6 Bände; Berlin 1783ff. Online bei Google Books: Band 1 Band 2 Band 3 Band 4 Band 5 Band 6
  • Georg Ortenburg (Hrsg.), Siegfried Fiedler: Kriegswesen und Kriegführung im Zeitalter der Kabinettskriege. Bernhard & Graefe Verlag, Augsburg 1986, ISBN 3-7637-5478-4
  • Friedrich R.Paulig: Geschichte des siebenjährigen Krieges. Ein Beitrag zur deutschen Geschichte der Jahre 1740-1763, Frankfurt a.O., 1871, eBook (Faksimilie), Potsdam 2010, ISBN 978-3-941919-55-6
  • Leopold von Ranke (Autor): Der Ursprung des Siebenjährigen Krieges, Leipzig 1871, eBook (Faksimilie), Potsdam 2010,ISBN 978-3-941919-56-3
  • Philipp von Westphalen: Geschichte der Feldzüge des Herzogs Ferdinand von Braunschweig-Lüneburg, hrsg. von Ferdinand von Westphalen, Berlin 1859-72 (Nachdruck Starnberg 1985), 6 Bde. - online bei Google Books: Band 1 - Band 2

Andere

  • Samuel Gotthold Langen: Die besiegten Heere, eine Ode, nebst dem Jubelgesange der Preußen, Halle 1758, eBook (Faksimilie), Potsdam 2010, ISBN 978-3-941919-53-2
  • M.J.C.L.R.A.S.: Poetische Erzählungen von den vornemsten Thaten Friedrichs des Grossen und Seiner Helden in dem jetzigen Kriege, Halle 1759, eBook (Faksimilie), Potsdam 2010, ISBN 978-3-941919-52-5

Einzelnachweise

  1. ↑ Siebenjähriger Krieg. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bd. 14, Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1892, ‎ S. 945.
  2. ↑ Beiträge zur neueren Staats- und Kriegsgeschichte. Danzig 1760, Nr. 91-94, S. 161-168.
  3. ↑ Manfried Rauchensteiner, Manfred Litscher (Hg.): Das Heeresgeschichtliche Museum in Wien. Graz, Wien 2000 S. 29 f.
  4. ↑ Johann Christoph Allmayer-Beck: Das Heeresgeschichtliche Museum Wien. Saal II - Das 18. Jahrhundert bis 1790, Salzburg 1983 S. 83 f.

 

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Wismar

Die Hansestadt Wismar liegt an der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns am südlichen Ende der durch die Insel Poel geschützten Wismarbucht. Die kreisfreie Stadt ist eines der 18 Mittelzentren des Landes.

Am 27. Juni 2002 wurde ihre Altstadt zusammen mit der von Stralsund unter der Bezeichnung Historische Altstädte Stralsund und Wismar in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen.

Geografie

Die Stadt liegt an der Südspitze der gleichnamigen Wismarbucht an der Ostsee. Hier münden der Bach Köppernitz und die im Gründungsjahrhundert künstliche geschaffene Stadtgrube, gespeist aus dem Mühlenteich, in die Hafenbecken zur Ostsee. Der 1577 von Tilemann Stella, dem herzoglichem Hofbaumeister, begonnene Kanalausbau, zunächst Viechelnsche Fahrt genannt (erst ab dem 19. Jahrhundert bürgerte sich der Name Wallensteingraben ein), fließt östlich der Altstadt in die Ostsee. Der Kanal hatte einen Höhenunterschied von 38 Metern zu überwinden und erwies sich als unwirtschaftlich und versandete in der Folge. Trotzdem bestehen bis heute Kanalpläne, zuletzt 2008 durch eine Machbarkeitsstudie, die die Kreisverwaltung Nordwestmecklenburg in Auftrag geben wollte. Doch die notwendigen Mittel zum Bau und Unterhalt der umstrittenen Wasserstraße zur Ostsee fehlten. Im Stadtgebiet befinden sich mehrere kleinere und zwei größere stehende Gewässer, der Mühlenteich und der Viereggenhöfer Teich.

Stadtgliederung

Wismar ist in acht Stadtteile gegliedert:[2]

  • Altstadt
  • Wismar Nord
  • Wismar Ost
  • Dargetzow
  • Wismar Süd
  • Friedenshof
  • Wismar West
  • Wendorf

Klima

Der Jahresniederschlag liegt bei 599 mm und ist damit vergleichsweise niedrig, da er in das untere Viertel der in Deutschland erfassten Werte fällt. An 21 % der Messstationen des Deutschen Wetterdienstes werden niedrigere Werte registriert. Der trockenste Monat ist der Februar, der meiste Niederschlag fällt im Juli und zwar doppelt so viel wie im Februar. Die Niederschläge variieren wenig. An nur 11 % der Messstationen werden niedrigere jahreszeitliche Schwankungen registriert.

Namensherkunft

Die Urkundenlage zum Namen der Hansestadt Wismar lässt, auch nach neuesten Forschungen, keine Eindeutigkeit zu. Genannt wird unter anderem die Ableitung von Wismaria oder Ort des Vysěmêr oder Visemêr, dem angeblichen Lokator des Ortes. Der Ortsname änderte sich von 1229 Wyssemaria, 1230 Wissemaria bis 1237, 1246 hin zu Wismaria.[3]. Demgegenüber wird der Name Wismar schon 1147 durch die 20 Jahre später entstandene Knýtlinga-Saga erwähnt[4], als der dänische König Sven Grade in „Wizmar Havn“ – der Wismarer Bucht – landete. Dies ist nicht glaubwürdig, da es sich höchstens um einen Ankerplatz handelte. Auch der dänische König Waldemar landete 1164 in „Wismar Havn“. Die auf beide Ereignisse zurückzuführende nachweisbare Fälschung der Urkunde vom 4. Januar 1211, wonach Kaiser Otto IV „den lieben Bürger zu Schwerin eine beliebige Anzahl von kleineren Schiffen und zwei größeren Schiffen im Hafen von Wismar zu halten gestattet“ [5].

Der Name der Stadt Wismar ist nicht eindeutig, auch wenn man die Urkunde von 1167 [6], also rund 60 Jahre vor Stadtgründung heranzieht. Hierbei handelte es sich um eine Urkunde von Heinrich dem Löwen zur Bestätigung der Festlegung der Grenzen des Bistums Ratzeburg[7], wo zum ersten Mal der Name Wismar als aqua que Wissemara dicitur, ad aquem Wissemaram als östliche Grenze des Bistums erwähnt wird. Es ist ein kleiner Flusslauf östlich Wismars. Letztendlich datiert die urkundliche Erwähnung (es ist eine Kopie des im 13. Jahrhundert durch einen Stadtbrand verloren gegangenen Urkundenbuchs Wismar) der Stadt Wismar aus dem Jahr 1229[8] als Fürst Johann „seinen lieben Bürgern (man spricht nur von Bürgern, wenn eine Stadt (Civita) vorhanden) ein Stück Land zwischen der Köppernitz und ... überläßt“. Erwähnt wird dies auch in der Kirchbergschen Chronik[9] von der „un dy stad zur Wysmar“.

Der Name für die planmäßige Besiedlung des dreikuppigen Hügels an der südlichen Wismar-Bucht, der heutigen Hansestadt Wismar, leitet sich nach Ansicht des ausgewiesenen Hanse- und Wismarforscher Friedrich Techen[10], dem mecklenburgischen Altmeister der Geschichte Friedrich Schlie[11] und Friedrich Schildt[12] vom Namen des östlich der Stadt gelegenen Baches der aqua Wisemaraa ab. Das dort vermutete Dorf Alt Wismar kann eventuell nur als Ansiedlung angesehen werden, die später in die neue Stadt und dann auch erst das alte Wismar genannt wurde, überging. Die aqua wissemaraa gab es nachweislich und auch den Ort Alt Wismar (siehe Urkunde von 1167). Zwei Bezeichnungen deuten auf diesen Ort hin: Das 1868 abgerissene Altwismartor im Osten der Stadt und die heutige Altwismarstraße in Richtung Osten. Schwerlich kann man da Viysemar, den Lokator, als einzigen Nachweis für den Stadtnamen Wismar angeben, wobei der Name Wismar 1147 und 1167, Jahrzehnte früher auftaucht und der erwähnte Lokator sicherlich noch nicht anwesend war.

Geschichte

Vor der Stadtgründung

Die Region um die heutige Hansestadt Wismar ist schon auf Grund der günstigen Lage Jahrtausende altes Besiedlungsgebiet, was durch Ausgrabungen und Funde der letzten Jahre belegt ist. Nach dem Abzug der Germanen in der Völkerwanderung war bis zum Ende des 10. Jahrhunderts die Region um die Wismarbucht von den wendischen oder slawischen Obodriten bewohnt, die nahe Wismar beim heutigen Dorf Mecklenburg und in der Burg Ilow östlich von Wismar ihren Hauptsitz oder Wohnsitz hatten.

Das nördlich von Wismar am Salzhaff gelegene Dorf Alt Gaarz wurde durch eine willkürliche, auf keine wissenschaftliche Basis gründende Entscheidung mit Verleihung des Stadtrechts am 1. April 1938 in Rerik umbenannt. Damit sollte der alte Handelsplatz Reric der Wikinger dokumentiert und gleichzeitig die Weltanschauung der Nationalsozialisten demonstriert werden (siehe auch Kühlungsborn). Neuerliche Funde an der Wismarer Bucht, wie etwa von Münzen aus den Jahren um 900 n. Chr. und auch der Fund der Poeler Kogge, lassen vermuten, dass das 808 n. Chr. zerstörte Reric im 8. Jahrhundert ein bedeutender wikingischer Fernhandelsplatz an der Ostsee war, dessen Rolle Haithabu übernahm, das sich eben in der nördlichen Wismarer Bucht befand.

Der Name „Wismar“ ist erstmals für das Jahr 1147 durch die 20 Jahre später entstandene Knytlinga-Sage erwähnt[4], als der dänische König Sven Grade in „Wizmar Havn“ – der Wismarer Bucht – landete. Der Name „Hafen“ ist hier irreführend. Es könnte sich, wenn die Sage stimmt, nur um einen Ankerplatz handeln, der sich in der Nähe des „aqua wissemara“ befand. Der Name der Stadt „Wismar“ ist nicht eindeutig, auch wenn man die Urkunde von 1167[13], also rund 60 Jahre vor Stadtgründung, heranzieht. Hierbei handelte es sich um eine Urkunde [14], von Heinrich dem Löwen zur Bestätigung der Festlegung der Grenzen des Bistums Ratzeburg, wo zum ersten Mal urkundlich belegt der Name Wismar als aqua que Wissemara dicitur, ad aquem Wissemaram als östliche Grenze des Bistum erwähnt wird. Es ist ein kleiner Flusslauf östlich Wismars.

Die am 4. Januar 1211 in Capua ausgestellte Urkunde, wonach Kaiser Otto IV. „den lieben Bürger zun Schwerin eine beliebige Anzahl von kleineren Schiffen und zwei größeren Schiffen im Hafen von Wismar zu halten gestattet“[15], beruht auf einer Fälschung, die durch eine falsche Abschrift der Urkunde von 1167 entstanden ist. Letztendlich datiert die urkundliche Erwähnung (es ist eine Kopie des im 13. Jahrhundert durch einen Stadtbrand verloren gegangenen Urkundenbuchs Wismar) der Stadt Wismar aus dem Jahr 1229[8] als Fürst Johann I. „seinen lieben Bürgern (man spricht nur von Bürgern, wenn eine Stadt (Civita) vorhanden) ein Stück Land zwischen der Köppernitz und ... überläßt“. Erwähnt wird dies auch in der Kirchbergschen Chronik[9] von der „un dy stad zur Wysmar“.

Hypothetisch wird angenommen (da keine bekannte Urkunde dies belegen kann), dass der Name der durch die planmäßige Besiedlung der späteren Hansestadt Wismar, sich von dem östlich der Stadt gelegenen Fluss aqua wissemare oder wie es deutlicher zum Ausdruck kommt, der Wissemaraa herleitet. Das Wort Aa bedeutet noch heute im skandinavischen Raum Fluss oder Bach.

Stadtgründung

Die Stadtgründung der heutigen Stadt Wismar geht vermutlich auf den Fürsten Heinrich Borwin I., Herr zu Mecklenburg, zurück. Das Stadtgründungsjahr wird auf 1226 geschätzt.[16] Die hier angesiedelten Menschen stammten – ihren Familiennamen nach – wohl aus Holstein, Westfalen, Niedersachsen und der Mark. 1229 wurde die Stadt Wismar erstmals urkundlich erwähnt. Kurz darauf wird in Wismar das Lübische Stadtrecht eingeführt, welches im Jahre 1266 durch den Mecklenburgischen Fürsten Heinrich I. bestätigt wurde. Die ursprünglich einzeln gelegenen Siedlungen um St. Marien und St. Nikolai wuchsen bis 1238 zusammen. Durch den unverminderten Zuzug von Siedlern kam ab 1250 die „Neustadt“ um St. Georgen hinzu. Wismar wurde Sitz zweier Bettelordensniederlassungen: So kamen 1251/52 die Franziskaner, 1292/93 die Dominikaner in die Stadt. 1276 war die erste Siedlungsphase beendet. Wismar errichtete eine alle Viertel umschließende Stadtmauer, deren Lage auch heute die Begrenzung der Altstadt darstellt.

Zeit der Hanse

Schon einige Jahre nach der Stadtgründung wurde Wismar Mitglied der Hanse. Am 6. September 1259[17] trafen sich in Wismar die Gesandten aus Lübeck und Rostock, um einen Schutzvertrag gegen die zunehmende Seeräuberei zu schließen. Das war der Grundstein für das sich rasch entwickelnde wendische Quartier der Hanse. Im Jahre 1280 bildete Wismar, das an der Hansischen Ostseestraße lag, zusammen mit Stralsund, Rostock, Lübeck und Hamburg den Wendischen Städtebund und die Stadt wurde im Mittelalter ein wichtiges Mitglied der Hanse. Die hanseatische Tradition der Stadt ist bis heute deutlich spürbar. In bewusster Anlehnung daran trägt Wismar seit dem 18. Januar 1990 auch wieder den Titel Hansestadt. Von 1238 bis 1250 wurde die Wismarer Neustadt gebaut, und Wismar erreichte seine bis ins 18. Jahrhundert gültige Ausdehnung.

Fürst Johann I. von Mecklenburg verlegte 1257 seine Residenz von der Burg Mecklenburg auf den Weberkamp vor der Stadt. Am 6. September 1259 schlossen sich die Städte Rostock, Lübeck und Wismar zusammen, um gemeinsam gegen die Seeräuber zu kämpfen; mit dem 1283 folgenden Rostocker Landfrieden stabilisierte sich die Zusammenarbeit der Städte des Wendischen Viertels der Hanse weiter. Die Stadt blieb als bedeutendste Stadt im Fürstentum bis zum Jahr 1358 Residenzstadt der mecklenburgischen Fürsten. Im Jahr 1267 kam es zu einem ersten großen Stadtbrand. Die reiche Hansestadt wurde nun mit vielen Backsteinhäusern wiederaufgebaut. Das gestiegene Selbstbewusstsein der Stadt spiegelte sich im Aufstand 1310 gegen den Landesherren Henrich II. von Mecklenburg wider. Der Auslöser war die Weigerung Wismars, die Hochzeit dessen Tochter Mechthild mit dem Herzog Otto zu Braunschweig-Lüneburg in der Stadt durchzuführen. Aber schon 1311 musste sich Wismar dem Herzog unterwerfen.

1350 erreichte der Schwarze Tod die Stadt, und mehr als 2000 Einwohner erlagen der Krankheit.[18] In den kriegerischen Auseinandersetzungen der Hanse mit Dänemark stand Wismar mit den Städten des Wendischen Viertels. Kurz nach dem Frieden von Stralsund besuchte Kaiser Karl IV. 1375 von Lübeck kommend die Stadt, wo ihm ein ehrenvoller Empfang bereitet wurde. Der Verlust der schwedischen Krone durch die Mecklenburger brachte die mecklenburgischen Hansestädte Wismar und Rostock erstmals in Konflikt mit den übrigen Hansestädten, die eher gegen die Mecklenburger Herzöge und den Kaiser mit Königin Margarethe von Dänemark hielten. Der Konflikt wurde als Kaperkrieg geführt, die von den Mecklenburgern für Private ausgestellten Kaperbriefe waren die Geburtsstunde der Vitalienbrüder.

Anfang des 15. Jahrhunderts kam es zu innerstädtischen Unruhen. Die Handwerksämter begehrten unter ihrem Anführer Claus Jesup auf und setzten einen Neuen Rat ein, der sich gegen das Patriziat und die Fernhändler jedoch dauerhaft nicht halten konnte. Die Unruhen eskalierten 1427 nach der Niederlage der hansischen Flotte erneut, und in Wismar wurden der Flottenführer wie auch der Bürgermeister Johann Bantzkow auf dem Richtblock des Marktplatzes hingerichtet.

Die Reformation ging in Wismar von den Franziskanern aus. Der Mönch des Grauen Klosters Heinrich Never übernahm frühzeitig die neue lutherische Lehre. Während sich das Schwarze Kloster noch einige Zeit über die Reformation hinaus halten konnte, wurde das Graue Kloster um 1540 zur Schule, wenige Jahre später zur Lateinschule. In dieser Zeit etablierte sich in Wismar auch eine Täufergemeinde, an deren Zusammenkünften im Winter 1553/54 auch Menno Simons teilnahm. Im Jahr 1555 verkündeten die wendischen Hansestädte ein Mandat gegen die Täufer, doch auch nach 1555 finden sich noch vereinzelt Täufer in der Hansestadt [19][20].

Der Kanalbau der Viechelner Fahrt, heute Wallensteingraben genannt, wurde 1594 als Wasserstraße zum Schweriner See und zur Elbe in Betrieb genommen, verfiel kurz darauf jedoch schon wieder, da er in der politisch unruhigen Zeit nicht genug gepflegt und unterhalten wurde.

Schwedenzeit

Im Dreißigjährigen Krieg wurde Wismar 1632 von Schweden besetzt und fiel im Westfälischen Frieden 1648 zusammen mit der Insel Poel und dem Amt Neukloster als kaiserliches Lehen an die schwedische Krone. Ab 1653 war die Stadt Sitz des Obertribunals, des höchsten Gerichtshofs für die schwedischen Gebiete südlich der Ostsee, zu denen bis 1712 auch das Herzogtum Verden und bis 1815 Schwedisch-Pommern gehörten.

Im Schonischen Krieg wurde Wismar von dänischen Truppen am 13. Dezember 1675 angegriffen und bis November 1680 von den Dänen besetzt. Am 23. November 1680 zog der schwedische Graf Königsmarck als Vertreter des schwedischen Königs in die Stadt ein, und Wismar wurde wieder ein Teil Schwedens. Anschließend bauten die Schweden Wismar zu einer der stärksten Seefestungen Europas aus. So wurde die Hafeneinfahrt über die Festungsanlage auf der Insel Walfisch gesichert. Im Dezember 1711 wurde vor den Toren der Stadt das Gefecht bei Lübow geschlagen, nachdem Wismar seit August desselben Jahres von einem dänischen Korps blockiert wurde. Die Stadtbefestigungen wurden nach der schwedischen Niederlage im Nordischen Krieg wieder geschleift, nachdem das belagerte Wismar am 19. April 1716 im Pommernfeldzug 1715/1716 von preußisch-dänischen Truppen eingenommen worden war.

Die schwedische Herrschaft über Wismar endete de facto 1803, als das Königreich die Stadt mit dem Malmöer Pfandvertrag für 99 Jahre an das Herzogtum Mecklenburg-Schwerin verpfändete. Endgültig fielen sie und die umliegenden Gebiete aber erst 1903 an Deutschland zurück, als Schweden vertraglich auf die Einlösung des Pfandes verzichtete.

Die Wismarer feiern jedes Jahr im Spätsommer das Schwedenfest, noch vor dem Hafenfest die größte Veranstaltung des Jahres in der Stadt.

Von 1803 bis 1933

1830 kam es im Gefolge der Julirevolution auch in Wismar zu Unruhen unter der Führung des Advokaten Christian Düberg, die durch eine Mischung aus Reform (neue Verfassung der Stadt im Dezember) und militärischem Eingreifen aufgelöst wurden.

1848 wurde eine Eisenbahnlinie nach Schwerin gebaut, 1883 nach Rostock und 1887 nach Karow. Im Jahr 1881 eröffnete Rudolph Karstadt in Wismar sein erstes Tuchgeschäft und legte damit den Grundstock für die heutige Warenhauskette Karstadt.

1933 bis Ende Zweiter Weltkrieg

Seit Beginn der Zeit des Nationalsozialismus wurden politische Gegner und anders unerwünschte Menschen wie die in der Stadt lebenden Juden verfolgt, in die Emigration getrieben und ermordet. Der beliebte jüdische Arzt Dr. Leopold Liebenthal, nach dem seit 1961 eine Straße benannt ist, starb drei Wochen nach dem Novemberpogrom von 1938. Während des Zweiten Weltkrieges mussten Kriegsgefangene sowie ungezählte Frauen und Männer aus den von Deutschland besetzten Ländern rüstungswichtige Zwangsarbeit verrichten: u.a. in der Triebwagen- und Waggonfabrik und den Dornier-Flugzeugwerken. 36 Opfer der Zwangsarbeit sind auf dem Friedhof an der Schweriner Straße begraben.

Während des Krieges litt Wismar unter zwölf Bombenangriffen. Insgesamt wurden auf die Stadt 460 Tonnen Bomben von der britischen Royal Air Force und 400 Tonnen von der USAAF abgeworfen. Besonders verheerend war der als „Erprobungseinsatz" deklarierte Angriff von 10 britischen Mosquito-Jagdbombern in der Nacht vom 14. zum 15. April 1945, der mit Luftminen ausgeführt wurde.[21] Viele historische Gebäude wurden zerstört - unter anderem wurden die Georgenkirche, die Marienkirche und das diese umgebende gotische Viertel schwer beschädigt.

Ende Zweiter Weltkrieg bis heute

Nach Besetzung durch britische und kanadische Truppen am 2. Mai 1945, zog am 1. Juli 1945 die Rote Armee ein und übernahm vereinbarungsgemäß die Stadt mit Westmecklenburg, so dass Wismar Teil der Sowjetischen Besatzungszone wurde. Seither sind insbesondere zu Zeiten der DDR ab 1949 bis 1990 im Stadtgebiet viele Erinnerungsstätten entstanden, die die Erinnerung an erlittenes Unrecht und begangene Gräuel wach halten sollen:

  • Gedenkstein aus dem Jahre 1947 auf der Westseite des Friedhofs an der Schweriner Straße für 43 (nach anderen Angaben 36) Frauen, Kinder und Männer, die Opfer der Zwangsarbeit wurden
  • Gedenkstein aus dem Jahre 1921 auf der Ostseite des Friedhofs für die erschossenen Arbeiter, die beim Kapp-Putsch 1920 die Republik verteidigten. Seit den 1960er Jahren ist die Gedenkanlage in einen "Ehrenhain der Kämpfer für den Sozialismus" einbezogen
  • Gedenktafel für die Opfer des Faschismus an gleicher Stelle an die Kommunisten Johann Frehse und Ernst Scheel, die beide im KZ Dachau ermordet wurden
  • Gedenkstein vor der Anker-Schule an der Kapitänspromenade für den antifaschistischen Widerstandskämpfer Johann Frehse, ermordet im KZ Dachau 1942, nach dem bis 1990 ein Platz und diese Schule benannt waren
  • Gedenkanlage an der ehemaligen Mathias-Thesen-Werft für den kommunistischen Reichstagsabgeordneten Mathias Thesen, der 1944 im KZ Sachsenhausen ermordet wurde. Das Denkmal wurde nach 1990 geschleift
  • Gedenkstein von 1954 in der Schweriner Straße für den Arbeiterpolitiker Ernst Thälmann, der 1944 im KZ Buchenwald ermordet wurde
  • Gedenktafel von 1994 an seinem Wohnhaus in der Altwismarstraße 21 zur Erinnerung an den jüdischen Arzt Dr. Leopold Liebenthal, der ein Opfer des Novemberpogroms von 1938 wurde

Ab 1952 gehörte Wismar nach der Auflösung der Länder in der DDR zum Bezirk Rostock.

1961 schlossen Stadt und evangelische Kirche einen Vertrag über die "Geistlichen Hebungen" ab. Danach trat die Kirche umfangreichen Grundbesitz in und außerhalb der Stadt ab, gegen das (nicht eingehaltene) Versprechen, die Kirchen Wismars wieder aufzubauen.[22]

Wismar stieg aufgrund staatlicher Vorgaben in der DDR zum zweiten Hafen der DDR nach Rostock auf. Der Hafen spezialisierte sich auf den Umschlag von Massengütern. Auch die starke Werftindustrie geht auf die Gründung eines Schiffsreparaturbetriebes der Roten Armee zurück. Beide Richtungsvorgaben der wirtschaftlichen Entwicklung haben auch die Deutsche Wiedervereinigung mit Modifikationen überlebt. Wismars Hafen beherbergt heute eines der größten europäischen Holz-Cluster Europas und die Werft gehört mit der neuen Schiffbauhalle zu den modernsten ihrer Art.

Die Bürger Wismars besannen sich nach der politischen Wende in der DDR ihrer hanseatischen Wurzeln und in der Ratssitzung des damaligen Rates der Stadt Wismar vom 18. Januar 1990 wurde beschlossen, dass die Stadt ab sofort den offiziellen Namen "Hansestadt Wismar" trägt.

Nach dem Ende der DDR wurde Wismars historischer Stadtkern ab 1991 im Rahmen der Städtebauförderung gründlich saniert. Seit dem Jahr 2002 ist Wismars Altstadt zusammen mit Stralsund UNESCO-Weltkulturerbe mit dem Namen Historische Altstädte Stralsund und Wismar. Wismar gründete zusammen mit Stralsund die Deutsche Stiftung Welterbe.

Politischen Planungen zufolge sollte Wismar mit der Kreisgebietsreform 2009 in einem künftigen Landkreis Westmecklenburg mit der Kreisstadt Schwerin aufgehen. Das Landesverfassungsgericht Greifswald stellte jedoch fest, dass die Paragrafen zur Bildung der neuen Großkreise unvereinbar mit der Landesverfassung sind.

Im Zuge der Kreisreform Mecklenburg-Vorpommern 2011 soll Wismar nun doch Teil und Kreisverwaltungssitz eines neuzubildenden Landkreises Nordwestmecklenburg werden. Schwerin wird diesem Kreis nicht angehören und seine Kreisfreiheit behalten.

Einwohnerentwicklung

Im Jahre 1989 erreichte die Bevölkerungszahl der Stadt Wismar mit über 58.000 ihren historischen Höchststand. Inzwischen ist die Einwohnerzahl jedoch wieder stark gesunken. Seit der Wende in der DDR hat die Stadt wegen der hohen Arbeitslosigkeit und des Geburtenrückgangs bis 2005 etwa 13.000 Einwohner verloren. Ende September 2005 lebten in Wismar nach Fortschreibung des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern 45.502 Menschen mit Hauptwohnsitz.

Die folgende Übersicht zeigt die Einwohnerzahlen nach dem jeweiligen Gebietsstand. Bis 1833 handelt es sich meist um Schätzungen, danach um Volkszählungsergebnisse (1) oder amtliche Fortschreibungen der jeweiligen Statistischen Ämter beziehungsweise der Stadtverwaltung selbst. Die Angaben beziehen sich ab 1843 auf die „Ortsanwesende Bevölkerung“, ab 1925 auf die Wohnbevölkerung und seit 1966 auf die „Bevölkerung am Ort der Hauptwohnung“. Vor 1843 wurde die Einwohnerzahl nach uneinheitlichen Erhebungsverfahren ermittelt.

  • Jahr                           Einwohner
  • 1300                            5.000
  • 1632                            3.000
  • 1799                            6.000
  • 1818                            6.700
  • 27. November 1830 1   10.560
  • 29. November 1840 1   11.427
  • 30. November 1850 1   12.975
  • 1. Dezember 1860 1     13.253
  • 1. Dezember 1871 1     14.068
  • 1. Dezember 1875 1     14.462
  • 1. Dezember 1880 1     15.518
  • 1. Dezember 1885 1     15.797
  • 1. Dezember 1890 1     16.787
  • 2. Dezember 1895 1     17.809
  • 1. Dezember 1900 1     20.222
  • 1. Dezember 1905 1     21.902
  • 1. Dezember 1910 1     24.378
  • 1. Dezember 1916 1     21.513
  • 5. Dezember 1917 1     21.819
  • 8. Oktober 1919 1        25.201
  • 16. Juni 1925 1            26.016
  • 16. Juni 1933 1            27.493
  • 17. Mai 1939 1            36.054
  • 1. Dezember 1945 1     37.832
  • 29. Oktober 1946 1      42.018
  • 31. August 1950 1        47.786
  • 31. Dezember 1955      54.834
  • 31. Dezember 1960      55.400
  • 31. Dezember 1964 1   55.067
  • 1. Januar 1971 1          56.287
  • 31. Dezember 1975      56.811
  • 31. Dezember 1981 1   57.718
  • 31. Dezember 1985      57.465
  • 31. Dezember 1988      58.058
  • 31. Dezember 1990      55.509
  • 31. Dezember 1995      50.368
  • 31. Dezember 2000      47.031
  • 31. Dezember 2001      46.544
  • 31. Dezember 2002      46.170
  • 31. Dezember 2003      45.714
  • 31. Dezember 2004      45.442
  • 31. Dezember 2005      45.391
  • 31. Dezember 2006      45.182
  • 31. Dezember 2007      45.012
  • Dezember 2008           44.730

Wappen

Das Wappen wurde am 30. Juni 1994 durch das Innenministerium anerkannt und unter der Nr. 27 der Wappenrolle von Mecklenburg-Vorpommern registriert.

Die Hauptsatzung der Hansestadt Wismar blasoniert das Wappen folgendermaßen: „Das Wappen zeigt in Silber über blauem Wellschildfuß, darin drei (2:1) silberne Fische, die oberen zugewendet, der untere nach links gekehrt, eine nach links schwimmende rote Kogge mit zwei silbernen Streifen längs der Deckslinie, goldbeschlagenem Ruder und goldenem Bugspriet; am Mast eine goldene Tatzenkreuzspitze, darunter eine nach links wehende, zweimal von Silber und Rot längsgestreifte Flagge, ein goldener Mastkorb und ein goldener Schild, dieser belegt mit einem herschauenden schwarzen Stierkopf mit silbernen Hörnern, goldener Krone, geöffnetem Maul, ausgeschlagener roter Zunge und abgerissenem Halsfell, das bogenförmig ausgeschnitten ist und sieben Spitzen zeigt; auf dem Bug der Kogge eine nach links gekehrte widersehende natürliche Möwe.“

Weiterhin heißt es dort über das Signet: „Das frühere, ehemalige Wappen der Stadt Wismar – gespalten, rechts in Gold ein halber herschauender schwarzer Stierkopf mit silbernen Hörnern, goldener Krone, geöffnetem Maul, ausgeschlagener roter Zunge und abgerissenem Halsfell am Spalt; links vier Querbänder gleicher Breite von Silber und Rot – darf als Wappenzeichen (Signet) weiterverwendet werden“.[26]

Flagge

Die Farben der Hansestadt Wismar sind laut gültiger Hauptsatzung der Bürgerschaft Silber (Weiß)-Rot. Die Flagge der Hansestadt Wismar zeigt die Stadtfarben abwechselnd in sechs Längsstreifen gleicher Breite.

Ursprünglich war dies im Mittelalter die Seeflagge der Wismarer Schiffe und die Stadtflagge hatte mit den gleichen Farben jedoch nur vier Streifen, was sich auch im offiziellem Wappen der Stadt widerspiegelt.

Städtepartnerschaften

Wismar unterhält Städtepartnerschaften mit Kemi in Finnland seit 1959, Lübeck in Schleswig-Holstein seit 1987, Calais in Frankreich seit 1966, Aalborg in Dänemark seit 1961 und Kalmar in Schweden seit 2002. Außerdem besteht eine Städtefreundschaft mit Halden in Norwegen seit 1991.

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten konzentrieren sich in der Altstadt. Zu nennen sind der Marktplatz (einer der größten Norddeutschlands und exakt 100 mal 100 Meter groß) mit dem klassizistischen Rathaus aus den Jahren 1817 bis 1819, die im Renaissancestil gehaltene Wismarer Wasserkunst und das bekannte Bürgerhaus Alter Schwede sowie das Stadtgeschichtliche Museum der Hansestadt Wismar im Schabbellhaus.

Eine Kuriosität ist die vom Markt abgehende, „Tittentasterstraße“ [27] genannte Gasse, von der gerüchtweise gemunkelt wird, sie habe ihre Bezeichnung daher, dass ihre Enge die namensgebende Tätigkeit provoziere.

In der Umgebung des Marktes verdienen die zahlreichen hervorragend sanierten Straßenzüge mit mittelalterlichen bis klassizistischen Giebelhäusern Beachtung. Hinter dem Rathaus am Rudolph-Karstadt-Platz in der Fußgängerzone befindet sich das Stammhaus des Warenhauskonzerns Karstadt. Das Gebäude in seiner heutigen Erscheinung stammt aus dem Jahr 1908, Umbau 1931. Sehenswert ist das historische Treppenhaus und das kleine Museum im Erdgeschoss.

Bemerkenswert ist auch der Fürstenhof aus der Backsteinrenaissance, reich verziert mit Terrakotten aus der Werkstatt des Lübecker Künstlers Statius von Düren. Im Fürstenhof befindet sich heute das örtliche Amtsgericht.

Blickpunkte sind auch der historische Alte Hafen mit dem Wassertor, dem letzten erhaltenen Stadttor Wismars und der südlichen Ostseeküste, dem so genannten Gewölbe und dem Nachbau der Poeler Kogge im Wismarer Hafen. Dort befindet sich auch das Baumhaus mit zwei Repliken der Schwedenköpfe, Wismars Wahrzeichen, vor dem Hauseingang. Ebenfalls zu den mittelalterlichen Zeugen der Hansestadt gehört der Alte Wasserturm, der letzte erhaltene Wehrturm der Stadtbefestigung, der 1685 zum Wasserturm ausgebaut wurde. Aus dem Jahr 1897 stammt der Wasserturm am Turnplatz, ein 28 Meter hoher, im neogotischen Stil errichteter Backsteinturm. Außerhalb der Altstadt ist das Ensemble der Landesgartenschau von 2002 mit Aussichtsturm sehenswert, sowie der Tierpark und das Technische Landesmuseum.

Als Weltkulturerbe steht die Hansestadt seit Mai 2002 zusammen mit der Altstadt der Hansestadt Stralsund unter dem besonderen Schutz der UNESCO.[28]

Kirchen

Weitere wichtige Sehenswürdigkeiten sind die Innenstadtkirchen als Zeugnisse der Backsteingotik:

Von den drei Hauptkirchen (Nikolaikirche, Georgenkirche und Marienkirche) war am Ende des Zweiten Weltkriegs nur noch die Nikolaikirche weitgehend erhalten. Die anderen beiden großen Stadtkirchen waren durch Fliegerbomben schwer beschädigt. Von St. Marien verblieb nach der Sprengung des Kirchenschiffs im Jahr 1960 nur der markante Turm, in dem heute Filmvorführungen stattfinden. St. Georgen wurde seit der Wiedervereinigung unter größter Anstrengung wieder aufgebaut, im Mai 2010 wurde ein vorläufiger Abschluss der Rekonstruktionsarbeiten mit einem Festakt gefeiert. Ein weiteres spätmittelalterliches sakrales Bauwerk ist die Heiligen-Geist-Kirche aus dem 14. Jahrhundert.

  • Marienkirche bzw. Marienkirchturm. Das durch Luftminen am 14./15. April 1945 schwer beschädigte, aber durchaus zu rettende Kirchenschiff wurde 1960 auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung wegen angeblich mangelnder Standsicherheit gesprengt. Die Ziegel wurden zur Verwertung für Baumaterial zermalen. Der hohe Kirchturm konnte wegen seiner Bedeutung als Seezeichen nicht beseitigt werden.
  • In der Marienkirche gibt die Ausstellung Wege zur Backsteingotik in Form eines knapp 15-minütigen Animationsfilms Auskunft darüber, wie zu früheren Zeiten Kirchen gebaut bzw. erweitert wurden.
  • Nikolaikirche: Charakteristisches Merkmal ist das Kirchenschiff, das zu den höchsten Deutschlands gehört.
  • Georgenkirche: Sie war seit dem Luftangriff vom April 1945 eine Ruine und wird seit 1990 wieder aufgebaut.
  • Heiligen-Geist-Kirche: Die gut erhaltene Kirche ist Hauptbau des Heiligen-Geist-Hospitales in der Lübschen Straße.
  • Laurentiuskirche: Die katholische Kirche wurde 1901/02 im neuromanischen Stil errichtet.
  • Neue Kirche: Sie wurde als evangelische Notkirche 1951 neben der schwer bombenbeschädigten Marienkirche errichtet.

Musik

Die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern sind in Wismar an mehreren Spielstätten zu Gast. Neben der Georgenkirche sind dies die Heiligen-Geist-Kirche und der alte Hafen. Hier fanden bisher Open-Air-Konzerte neben den historischen Speichern statt.[29]

In den Kirchen Wismars ist die Wismarer Kantorei aktiv. Sie wurde 1975 gegründet und leistet Chorarbeit mit einem Erwachsenenchor, mehreren Gemeindechören, einem Jugendchor und dem Kinderchor. Im evangelischen Kindergarten wird musikalischer. Ergänzend zum Chor ist das Instrumentalensemble Collegium musicum in die Aufführungen einbezogen.[30]

An der Musikschule wurde 1996 die Bigband Wismar gegründet. Die Bandmitglieder sind zum Großteil Musikschüler, die jedoch oft von ehemaligen Mitgliedern unterstützt werden. Zu den jährlichen Höhepunkten zählen neben diversen Konzerten und Probenlagern unter anderem auch der internationale Neubrandenburger Jugendbigbandworkshop. Die Bigband hat an diversen Wettbewerben, wie dem Deutschen Orchesterwettbewerb, dem Skoda-Jazz-Cup Berlin und dem Jugend jazzt teilgenommen.

Das CampusOpenAir Wismar findet seit dem Jahr 2000 in der Hansestadt statt. Bands wie 2raumwohnung (2005), Blumentopf und Clueso (2006), Culcha Candela und Dog Eat Dog (2007), Donots, Das Bo und Mia. (2008) sowie Fotos, Dendemann, Virginia Jetzt! und Thomas D. (2009) füllten bereits den Wismarer Campus mit bis zu 8000 Gästen (2008). Am 25. September 2010, zum 10. CampusOpenAir Wismar, traten The Boss Hoss, Samy Deluxe, Tele, The Sonic Boom Foundation und I'm Not A Band auf. Das Festival findet traditionell nach der ersten Woche des Wintersemesters (Ende September) statt, wird komplett ehrenamtlich vom Allgemeiner Studierendenausschuss der Hochschule Wismar organisiert und gilt als eine der größten regelmäßigen Veranstaltung in Mecklenburg-Vorpommern. [31]

Wirtschaft und Verkehr

Wirtschaft

Die Nordic Yards ist die mit Abstand größte Arbeitgeberin Wismars. Die Schiffsbauwerft beschäftigt rund 1.300 Mitarbeiter, einen Teil davon in einem der größten überdachten Trockendocks Deutschlands, das mit 72 m Höhe und 395 m Länge erheblich das Stadtbild prägt.

Im Stadtgebiet Haffeld (Wismar-Nord) besitzt die Hansestadt eines der modernsten Holzverarbeitungszentren Europas. Dort sind Klausner Nordic Timber / Holz Werke Nord, EGGER Holzwerkstoffe Wismar sowie der Brettschichtholzhersteller Hüttemann Wismar angesiedelt. Auf dem Areal sind rund 1000 Arbeitsplätze entstanden.

Schon seit 2001 forscht, entwickelt und produziert die zur Centrosolar-Gruppe gehörende SOLARA Sonnenstromfabrik Wismar im Bereich der Photovoltaik. Zum Programm gehören sowohl PV-Netzverbundanlagen als auch PV-Inselsysteme.

Im März 2008 wurde ein neues Fertigungswerk errichtet. Hier werden jährlich von rund 360 Mitarbeitern Solarmodule im Wert von 400 Millionen Euro hergestellt.

In der Stadt befindet sich das Stammhaus von Karstadt. Im Jahr 1881 eröffnete Rudolph Karstadt hier sein erstes Tuchgeschäft.

Hafen

Wismar besitzt einen Seehafen, der bei bestimmten Nord-Windwetterlagen für die Region verhältnismäßig starke Wasserstandsschwankungen hat. Der Hafen wurde bereits 1211 urkundlich erwähnt und hat Bedeutung vor allem für Massengüter und massenhafte Stückgüter. Hauptgutarten sind Rund- und Schnittholz, Stahl und Schrott, Torf, Baustoffe und über die Ende der 1990er Jahre komplett neu gebaute Massengutanlage Kali und Salz. Im Jahr 2008 wurde der Hafen von 1.300 Seeschiffen angelaufen, mit denen ein Umschlag von 3,46 Millionen Tonnen erfolgte.[32]

Der historische Alte Hafen ist wirtschaftlich nicht von Bedeutung; stattdessen stellt er einen der attraktivsten Orte Wismars dar. Er ist Heimathafen der Rekonstruktion der Poeler Kogge und Spielort der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern.

Für Segler und Sportbootfahrer bietet Wismar eine gute Infrastruktur. Nah dem Stadtzentrum der bereits genannte Alte Hafen mit für größere Yachten geeigneten Kaianlagen, der Westhafen mit vielen Liegenplätzen für Boote aller Größenordnungen und der südlich des Überseehafens gelegene Wasserwanderrastplatz. Nördlich der MTW-Werft liegt der wegen des engen Fahrwassers und des beschränkten Tiefgangs für kleinere Boote geeignete Segelhafen. Etwas außerhalb des Stadtzentrums befindet sich der Yachthafen Wendorf im gleichnamigen Stadtteil.

Verkehr

Öffentlicher Nahverkehr

Der Bahnhof Wismar liegt nordöstlich der Altstadt. Er wird von zwei stündlich verkehrenden Regional-Express-Linien der Deutschen Bahn AG angefahren.

  • RE 4: Wismar–Schwerin–Ludwigslust(–Wittenberge–Berlin–Luckenwalde -Jüterbog)
  • RE 8: Wismar–Bad Doberan–Rostock–Tessin

In unmittelbarer Nähe zum Bahnhof befindet sich der Zentrale Omnibusbahnhof (ZOB). Hier treffen sich alle Stadt- und Regionalbuslinien.

Der Stadtbusverkehr wird vom stadteigenen Entsorgungs- und Verkehrsbetrieb Wismar (EVB) – Linien A bis G – sowie vom privaten Regionalbusunternehmen Bus-Betriebe Wismar GmbH (BBW) – Linie 242 – erbracht. Zur Anwendung kommt der Tarif für den Stadtverkehr Wismar.

An Werktagen (Montag bis Freitag) verkehren tagsüber folgende Stadtbuslinien:

  • Linie A: Seebad Wendorf ↔ ZOB ↔ Bahnhof ↔ Lindengarten ↔ Fischkaten (alle 30 Minuten)
  • Linie B-D: Seebad Wendorf ↔ {Am Markt → Lindengarten → Bahnhof → ZOB} ↔ Friedenshof ↔ Dammhusen (alle 30 Minuten)
  • Linie C: Friedenshof ↔ ZOB ↔ Bahnhof ↔ Lindengarten ↔ Dargetzow (alle 60 Minuten)
  • Linie E: Friedenshof ↔ ZOB ↔ Bahnhof ↔ Lindengarten ↔ Rothentor (alle 60 Minuten)
  • Linie F: Weidendammplatz → Hegede → Am Markt → Dahlberg → Weidendammplatz (alle 30 Minuten)
  • Linie G: Ostseeblick ↔ Wendorf ↔ Dammhusen ↔ Friedenshof ↔ Lindengarten ↔ Bahnhof ↔ ZOB (alle 60 Minuten)
  • Linie 242: (Proseken ↔ Gägelow ↔) Ostseeblick ↔ Lindengarten ↔ Bahnhof ↔ Dargetzow ↔ Kritzow (alle 30 Minuten)

Der Regionalbusverkehr wird von den Unternehmen Bus-Betriebe Wismar GmbH (BBW), Mecklenburger Verkehrsbetriebe GmbH (mvb), sowie Grevesmühlener Busbetriebe GmbH (GBB) erbracht. Tariflich integriert sind diese in die Verkehrsgemeinschaft Westmecklenburg (VWM).

Autobahn und Güterverkehr

Wismar ist über die A 20 nach Rostock und nach Lübeck sowie über die A 14 nach Schwerin, die sich im Autobahnkreuz Wismar kreuzen, in das deutsche Autobahnnetz eingebunden. Der Hafen ist an das bundesweite Eisenbahnnetz angeschlossen. Etwa 60 Prozent aller Güter werden per Eisenbahn an- oder abtransportiert.

Infrastruktur

Allgemein

  • Die Stadtbibliothek der Hansestadt Wismar wird von einem Förderverein unterstützt. Sie führt eine Kinderbibliothek und hat Angebote für Schulklassen sowie Projekte zur Leseförderung.
  • Das Stadtarchiv der Hansestadt Wismar kann als Gedächtnis der Stadtverwaltung bis ins Mittelalter zurückblicken. Wismarer Beiträge nennt sich die Schriftenreihe des Archivs.

Bildung

Schulen

  • Vier Grundschulen
  • Regionale Schulen
    • Ostsee-Schule (Wendorf) mit einer Klasse des Produktiven Lernens
    • Bertolt-Brecht-Schule (Friedenshof)
    • Integrierte Gesamtschule (IGS) Johann Wolfgang von Goethe (ehemals Dominikanerkloster)(Altstadt)
  • Zwei Förderschulen
  • Zwei Privatschulen
  • Verbund der fünf bestehenden Berufsschulzentren mit integrierten Fachgymnasien für Wirtschaft und Metalltechnik
  • Die Musikschule

Gymnasien

Nach der endgültigen Eingliederung der Außenstelle (ehem. Helene-Weigel-Gymnasium) des Gerhart-Hauptmann-Gymnasiums zum Haupthaus in der Dahlmannstraße wird dies neben dem Geschwister-Scholl-Gymnasium (Große Stadtschule) weiter bestehen. Nach einigen Jahren rückläufiger Schülerzahlen in den Einstiegsklassen war dieser Schritt notwendig geworden, der nun endgültig vollzogen wurde. Durch Schüler- und Lehrertransfers innerhalb der Schulwochen kann eine größere Bandbreite an Kursen in der Oberstufe geboten werden.

Hochschule

Eine der wichtigsten Bildungseinrichtungen Wismars ist die Hochschule Wismar - University of Applied Sciences: Technology, Business and Design.

Soziales

  • Altengerechtes Wohnen wird an vielen Standorten angeboten.
  • Das Städtisches Alten- und Pflegeheim mit 375 Plätze befindet sich in der Störtebekerstraße 2.
  • Das Städtisches Alten- und Pflegeheim Wendorf ist in der Rudolf-Breitscheid-Straße.
  • Soziale Einrichtungen bestehen durch
    • den Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) mit der Kontakt- und Informationsstelle,
    • die Arbeiterwohlfahrt (AWO) mit sozialen Diensten,
    • die Caritas Mecklenburg,
    • das Christliches Jugenddorfwerk Deutschland ,
    • das Deutsche Rote Kreuz (DRK) - Kreisverband Wismar,
    • den Malteser Hilfsdienst,
    • den Ökumenischer Kirchenladen als Begegnungszentrum,
    • die Beratungsstelle der katholischen Kirche,
    • die Volkssolidarität Stadtverband Wismar und
    • den Weißen Ring als Hilfe für Kriminalitätsopfer.

Sport

In Wismar gibt es zahlreiche Sportvereine. Der bekannteste Fußballverein ist der FC Anker Wismar, der aktuell in der Oberliga Nord spielt. Die Mannschaft trägt ihre Heimspiele im Kurt-Bürger-Stadion aus.

Literatur

Ältere Literatur

  • Dietrich Schröder (1670-1753): Kurze Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar - Was betrifft die weltliche Historie derselben, mehrentheils aus allerhand schriftlichen Urkunden, zur Erläuterung der Mecklenburg weltlichen Historie, den Liebhabern mitgetheilt. 1858 (Onlineversion in der Volltextbibliothek Lexikus)
  • Friedrich Crull: Die Rathslinien der Stadt Wismar. Halle 1875, Nachdruck 2005, ISBN 3-487-12082-8 (Original in Digitale Bibliothek)
  • Wismar. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bd. 16, Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1892, ‎ S. 695.
  • Friedrich Schlie: Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Grossherzogthums Mecklenburg-Schwerin. II. Band: Die Amtsgerichtsbezirke Wismar, Grevesmühlen, Rehna, Gadebusch und Schwerin. Schwerin 1898, Neudruck Schwerin 1992, S. 1–221. ISBN 3-910179-06-1
  • Gustav Willgeroth: Bilder aus Wismars Vergangenheit. Wismar 1903, Reprint Schwerin 1997, ISBN 3-932370-41-4
  • Friedrich Techen: Geschichte der Seestadt Wismar. Wismar 1929
  • Rudolf Kleiminger: Das graue Mönchenkloster in Wismar. Ein Beitrag zur Erschließung der Bauweise der Franziskaner in Mecklenburg, Eberhardtsche Hof- und Ratsbuchdruckerei, Wismar 1934
  • Rudolf Kleiminger: Das Schwarze Kloster in Seestadt Wismar. Ein Beitrag zur Kultur- u. Baugeschichte d. norddt. Dominikanerklöster im Mittelalter, Neuer Filser-Verlag, München 1938

Neuere Literatur

  • Rudolf Kleiminger: Das Heiligengeisthospital von Wismar in sieben Jahrhunderten. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte der Stadt, ihrer Höfe und Dörfer, Weimar 1962
  • Rudolf Kleiminger: Geschichte der Großen Stadtschule zu Wismar von 1541-1945. Schmidt und Klaunig, Kiel 1991, ISBN 3-88312-087-1
  • Ingo Ulpts: Die Bettelorden in Mecklenburg. Saxonia Franciscana 6. Werl 1995
  • Angela Pfotenhauer, Elmar Lixenfeld: Wismar und Stralsund – Welterbe. Monumente-Edition. Monumente-Publikation der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2004, ISBN 3-936942-55-2 (Paperback) oder ISBN 3-936942-56-0 (Festeinband)
  • Carl Christian Wahrmann: Aufschwung und Niedergang. Die Entwicklung des Wismarer Seehandels in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (Kleine Stadtgeschichte 4). LIT Verlag. Berlin 2007. ISBN 978-3-8258-0098-7
  • Christine Decker: Wismar 1665. Eine Stadtgesellschaft im Spiegel des Türkensteuerregisters. LIT Verlag für wissenschaftliche Literatur, Münster/Hamburg/Berlin/Wien/London 2006, ISBN 978-3-8258-9192-3

Medien

Filme und Fernsehen

  • „Nosferatu, eine Symphonie des Grauens“ – früher Vampirfilm gedreht von F. W. Murnau in Wismar, Rostock und Lübeck
  • „SOKO Wismar“ – Fernsehserie im ZDF
  • „Das Geheimnis meines Vaters“ – Deutschlands erste Kriminovela. Ausstrahlung in der ARD
  • mehrfach „Polizeiruf 110“ des NDR
  • „Die Versuchung“ - TV-Film mit Thekla Carola Wied, ARD 2004

In Wismar gibt es mit wismar tv einen Stadtsender, in dem neben Ratgebersendungen, Berichten von Veranstaltungen in der Stadt auch Werbesendungen produziert werden.

Presse

In Wismar erscheint die Ostsee-Zeitung mit einer Regionalausgabe. Daneben erscheinen mehrere kostenlose Anzeigenblätter. Dazu gehören der "Markt", der Ostsee Anzeiger (ehemals Wismarer Anzeiger), der Blitz, die Wismar-Zeitung und der Stadtanzeiger.

Einzelnachweise

  1. ↑ Mecklenburg-Vorpommern Statistisches Amt - Bevölkerungsentwicklung der Kreise und Gemeinden 2009 (PDF; 522 KB) (Hilfe dazu)
  2. ↑ Kommunale Gliederung der Hansestadt Wismar
  3. ↑ Paul Kühnel:Die slavischen Ortsnamen in Meklenburg in Verein für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde:Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. - Bd. 46 (1881), S. 159
  4. ↑ a b Mecklenburgisches Urkundenbuch: U.-B. 88, Mecklenburgisches Landesarchiv, Schwerin, Kapitel 108
  5. ↑ Mecklenburgisches Urkundenbuch Landesarchiv Schwerin, Schwerin, S. 202
  6. ↑ MUB, Landesarchiv Schwerin, Schwerin, S. 88
  7. ↑ Mecklenburgisches Urkundenbuch: U.-B., Band IV 239
  8. ↑ a b Mecklenburgisches Urkundenbuch: U.-B. 362, Mecklenburgisches Landesarchiv, Schwerin
  9. ↑ a b Westphalen: Mon.ined IV , S. 763
  10. ↑ Dr. Friedrich Techen: Pfingsblätter des hansischen Geschichtsvereins, Blatt VI, S. 1-2, 1910
  11. ↑ Friedrich Schlie:Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Grossherzogthum Schwerin, Abschnitt:Die Stadt Wismar,Schwerin, 1898
  12. ↑ Friedrich Schildt:Geschichte der Stadt Wismar von der Gründung bis zum Ende des 13. Jahrhunderts,Wismar, 1872, S. 1-2
  13. ↑ Mecklenburgisches Urkundenbuch: U.-B. 88, Landesarchiv Schwerin
  14. ↑ Mecklenburgisches Urkundenbuch: U.-B., Band IV, Mecklenburgisches Landesarchiv, Schwerin, S. 239
  15. ↑ Mecklenburgisches Urkundenbuch: U.B. 202, Mecklenburgisches Landesarchiv, Schwerin
  16. ↑ Nach der Reimchronik des Ernst von Kirchberg nach der Gründung Rostocks und vor dem Tode Borwins, also zwischen 1218 und Januar 1227.
  17. ↑ Karl Pagel: Die Hanse, Georg Wester Verlag,Braunschweig, 1952, Seite 114
  18. ↑ Erneute Pestwellen erfassten Wismar 1376 und 1387.
  19. ↑ Mennonitisches Lexikon, Band 4, Stichwort Wismar. 1967, S. 548-549.
  20. ↑ J.A: Brandsma: Menno Simons von Witmarsum, Kapitel VII Aufenthalt in Wismar. J.G. Oncken Verlag Kassel, 1962.
  21. ↑ Olaf Groehler: "Bombenkrieg gegen Deutschland". Akademie-Verlag, Berlin 1990. ISBN 3-05-000612-9. Seiten 433,437 und 449
  22. ↑ Joachim Grehn: "Der Altar gehört mitten in die Georgenkirche". Frankfurter Allgemeine Zeitung (Leserbrief), 19. Februar 2009
  23. ↑ www.xxx
  24. ↑ Pressemitteilung , Homepage Gerd Zielenkiewitz, 13. Juni 2010.
  25. ↑ Mandatsverteilung in der Wismarer Bürgerschaft zum Stichtag 8. Juni 2010
  26. ↑ Vgl.: Hauptsatzung der Hansestadt Wismar vom 18. Februar 1994
  27. ↑ Straßenschild
  28. ↑ Sammlung von Hausbiografien älterer Profanbauten der Hochschule Wismar
  29. ↑ www.festspiele-mv.de abgerufen am 17. Dezember 2009
  30. ↑ Kantorei auf www.xxx
  31. ↑ http://www.xxx
  32. ↑ Vgl. Seehafen Wismar GmbH, Geschäftsentwicklung. Abgerufen am 3. Mai 2009.

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Wismarer Wappen

Die Hansestadt Wismar nutzt zwei verschiedene Wappen. Eines, mit dem Schiff, als das offizielle Wappen, welches das einzige ist, welches der Rat der Stadt führt, das andere, mit dem Stierkopf, eigentlich ein älteres Wappen, als Signet, welches nicht für den offiziellen Gebrauch bestimmt ist, dafür aber von jedem verwendet werden darf.

Geschichte

Das älteste Siegel der Stadt, von 1250, zeigt bereits die Kogge und einen Schild mit Stierkopf am Mast. Das Schiff weist auf die Bedeutung des Handels der hanseatischen Hafenstadt, die Fische darunter auf die des Fischfangs. Die Bedeutung der Möwe, welche nicht gleich, erst im 14. Jahrhunderts auf dem Siegel erschien, ist nicht überliefert. Der Schild am Mast weist auf das Herzogtum Mecklenburg, zu dem die Stadt bereits früh gehörte.

Bis 1918 war das Wappen der Stadt das Kleine Wappen mit dem Stierkopf und den rot-weißen Streifen von der Flagge Wismars. Ab 1918 wurde das alte Siegel als Wappen geführt, in diesem Fall mit blauem Feld, welches ab 1995 silber ist.

Literatur

Georg Braun (Hrsg.), Frans Hogenberg: Civitates Orbis Terrarum. Köln 1572–1612.

 

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Frankreich

Frankreich (amtlich République française, deutsch Französische Republik; Kurzform franz.: France [fʀɑ̃s]) ist ein demokratischer, zentralistischer Einheitsstaat im Westen Europas. In Europa grenzt es an Belgien, Luxemburg, Deutschland, die Schweiz, Italien, Monaco, Spanien, Andorra, an die Nordsee, an den Atlantik mit dem Ärmelkanal und an das Mittelmeer. Neben dem Territorium in Europa gehören zu Frankreich Überseegebiete in der Karibik (u. a. Saint-Martin, das eine Landgrenze mit dem niederländischen Sint Maarten aufweist), Südamerika (Französisch-Guayana, das Landgrenzen zu Brasilien und Suriname hat), vor der Küste Nordamerikas, im Indischen Ozean und in Ozeanien. Ferner beansprucht Frankreich einen Teil der Antarktis. Frankreich ist ein Mitglied der EU.

Geographie

Insgesamt hat das „französische Mutterland“ in Europa, das aufgrund seiner Form auch als l’Hexagone (Sechseck) bezeichnet wird, eine Fläche von 547.026 km². Frankreich hat abgesehen vom Mittelmeer auch Meeresküsten im Norden und Westen, das Landschaftsbild prägen überwiegend Ebenen oder sanfte Hügel. In der Südosthälfte ist das Land gebirgig, Hauptgebirge sind die Pyrenäen, das Zentralmassiv, die Alpen sowie die Vogesen im Osten. Der höchste Berg Frankreichs und der Alpen ist der Mont Blanc (4.810 Meter).

Die mit Abstand wichtigste und größte Stadt in Frankreich ist die Hauptstadt Paris mit rund zwölf Millionen Einwohnern in der Agglomeration (Region Île-de-France). Die Großräume um Marseille, Lille und Lyon haben ebenfalls mehr als eine Million Einwohner.

Am 1. Januar 2006 waren die größten Städte des Landes nach den Erhebungen des rollierenden Zensus, einer Erhebung mit rotierenden Stichproben (in der rechten Spalte der Großraum):

  • Platz Name                                Stadt (Ew.) Großraum (Ew.)
  • 1.      Paris                                  2.181.371   10.142.977
  • 2.      Marseille                               839.043     1.418.481
  • 3.      Lyon                                    472.305     1.417.463
  • 4.      Toulouse                              437.715        850.873
  • 5.      Nizza (frz. Nice)                   347.060        940.017
  • 6.      Nantes                                 282.853        568.743
  • 7.      Straßburg (frz. Strasbourg)    272.975        638.370
  • 8.      Montpellier                           251.634
  • 9.      Bordeaux                             232.260         803.117
  • 10.    Lille                                     226.014      1.016.205

Bevölkerung

Bevölkerungsentwicklung

Die Bevölkerung Frankreichs wurde für 1750 auf etwa 25 Millionen geschätzt. Damit war es mit Abstand das bevölkerungsreichste Land Westeuropas. Bis 1850 stieg die Einwohnerzahl weiter bis auf 37 Millionen, danach trat eine Stagnation des Wachstums ein.[5] Die Ursache hierfür waren das damals verbreitete Ideal einer kinderarmen Familie und die Ideen des Malthusianismus.[6] So wuchs die Einwohnerzahl in 100 Jahren nur um drei Millionen: 1945 hatte Frankreich, trotz starker Zuwanderung, nur etwa 40 Millionen Einwohner. Diese Bevölkerungsstagnation wird als eine der Ursachen für die relative Rückständigkeit Frankreichs während der beiden Weltkriege gesehen.[6] Für das Jahr 1990 wurden 56,6 Millionen Einwohner ermittelt, für den 1. Januar 2010 wurde die Bevölkerung einschließlich der Menschen in den Überseegebieten auf 64,7 Millionen geschätzt.[2] Davon entfielen 62,8 Millionen auf die Métropole.[3]

Nach Deutschland nimmt Frankreich in der EU den zweiten Platz bei der Bevölkerungszahl ein; weltweit liegt es auf Platz 20. Innerhalb der EU hat Frankreich einen Bevölkerungsanteil von 13 %.[7]

Die Bevölkerung wuchs im Jahr 2009 um 346.000 Personen oder 0,5 Prozent. Das Wachstum verlangsamte sich leicht gegenüber den Vorjahren (2006: 0,6 %, 2007 und 2008: 0,6 %). Die Geburtenbilanz des Jahres 2009 war positiv: es wurden 275.000 Menschen mehr geboren als starben; die Wanderungsbilanz ist ebenfalls positiv: es wanderten 71.000 Menschen mehr zu als aus.[7] Die französische Bevölkerung wird im Durchschnitt älter: Der Anteil der Unter-20-Jährigen ist zwischen 2000 und 2010 von 25,8 % auf 24,7 % gesunken, gleichzeitig nahm der Anteil der Menschen über 65 von 15,8 % auf 16,6 % zu.[7]

2009 wurden 256.000 Ehen geschlossen, nachdem es zehn Jahre zuvor noch mehr als 294.000 waren. Dafür wählten mehr Franzosen den Zivilen Solidaritätspakt als Form des Zusammenlebens. Diese Pacs genannte Partnerschaft wurde 1999 eingeführt; 2009 wurden 175.000 Pacs geschlossen.[7] Das Durchschnittsalter der ersten Ehe lag 2008 für Männer bei 31,6 Jahren und für Frauen bei 29,7 Jahren. Es stieg seit 1999 um fast 2 Jahre.[7] Die Fruchtbarkeitsrate in Frankreich liegt mit 2,0 Kindern pro Frau (2008) europaweit an dritter Stelle nach Irland und Island;[8] sie ist jedoch von 3 Kindern pro Frau in den 1960er Jahren gesunken.[9] Die Kindersterblichkeit 2009 betrug 3,8 ‰ nach 4,4 ‰ im Jahr 1999.[7]

Die Lebenserwartung, die um 1750 bei knapp 30 Jahren gelegen war, betrug 1987 72 Jahre für Männer und 80 Jahre für Frauen[10]. Bis 2008 stieg sie auf 84 Jahre für Frauen und 78 Jahre für Männer.[7]

Ausländische Bevölkerung

Aufgrund des langsamen Bevölkerungswachstums kannte Frankreich bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts das Problem des Arbeitskräftemangels. Für die Industrialisierung kamen deshalb Gastarbeiter aus den Nachbarländern (Italiener, Polen, Deutsche, Spanier, Belgier) nach Frankreich. Ab 1880 lebten und arbeiteten somit etwa 1 Million Ausländer in Frankreich; sie stellten 7 bis 8 Prozent der Erwerbstätigen.[11] Das Phänomen einer Massenauswanderung, das gleichzeitig in Deutschland herrschte, kannte Frankreich nicht. Während des Ersten Weltkrieges waren etwa 3 % der Bevölkerung Frankreichs Ausländer, es kam zu ersten ausländerfeindlichen Tendenzen.[11] Bis 1931 wuchs der Ausländeranteil auf 6,6 %; Frankreich behielt bis 1974 eine sehr liberale Einwanderungspolitik bei. Der Anteil der ausländischen Wohnbevölkerung 2006 betrug 5,8 %, dazu kommen 4,3 % Français par acquisition, also Menschen, die im Ausland geboren sind und die französische Staatsbürgerschaft bekommen haben.[12]

Starke Verschiebungen hat es bei den Herkunftsländern der Ausländer in Frankreich gegeben. Europäer, vor allem Italiener und Polen, machten 1931 mehr als 90 % der ausländischen Bevölkerung aus.[11] Dieser Anteil lag in den 1970er Jahren nur noch bei etwa 60 %, den stärksten Anteil stellten nun die Portugiesen.[11] Heute sind die meisten Ausländer in Frankreich nordafrikanischen Ursprunges (Algerier, Marokkaner, Tunesier), gefolgt von Südeuropäern (Portugiesen, Italiener, Spanier).[13] Die höchste Konzentration von ausländischer Bevölkerung findet sich im Südosten Frankreich sowie im Großraum Paris.[13]

Bildungswesen

Die französische Verfassung definiert, dass der Zugang zu Bildung, Ausbildung und Kultur für alle Bürger gleich zu sein hat und dass das Unterhalten eines unentgeltlichen und laizistischen öffentlichen Schulwesens Aufgabe des Staates ist. Demnach ist das Bildungssystem Frankreichs zentralistisch organisiert, die verschiedenen Gebietskörperschaften müssen jedoch die Infrastruktur bereitstellen. Es koexistieren private und öffentliche Einrichtungen, wobei die größtenteils katholischen Privatschulen in der Vergangenheit mehrmals Gegenstand intensiver politischer Auseinandersetzung waren. Im Gegensatz zu den Schulsystemen der deutschsprachigen Länder liegt in Frankreich mehr Schwerpunkt auf Auslese und Bildung von Eliten, bzw. Ausbildung über Bildung. Seit 1967 herrscht Schulpflicht bis zum 16. Lebensjahr.[14]

Der Kindergarten heißt in Frankreich École maternelle und bietet Vorschulerziehung für Kinder ab zwei Jahren an. Er wird von einem hohen Prozentsatz der Kinder besucht. Die Betreuer in den maternelles haben eine Lehrerausbildung. Die École élémentaire ist die Grundschule und dauert fünf Jahre, nach deren Abschluss die Kinder das Collège besuchen, welches einheitlich ist, vier Jahre dauert und welches man mit dem Brevet des collèges abschließt.

Hiernach hat der Jugendliche mehrere Möglichkeiten. Er kann in eine berufsbildende Schule eintreten, die er mit dem Certificat d'aptitude professionelle abschließt; ein duales Ausbildungssystem wie in Deutschland ist aber sehr wenig verbreitet. Das Lycée entspricht in etwa dem Gymnasium. Es führt nach 12 Schuljahren zum baccalauréat, man unterscheidet mehrere Schulzweige wie naturwissenschaftlich, wirtschaftlich oder literarisch. Wer ein lycée professionnel oder ein Centre de formation d'apprentis besucht, kann dies nach 13 Schuljahren mit einem baccalauréat professionnel abschließen.

Die akademische Bildung wird von der Koexistenz der Grandes écoles und der Universitäten geprägt. Die Grandes écoles dienen der Ausbildung von Eliten für Wirtschaft und Verwaltung, haben jedoch nur wenige Forschung. Man kann sie meist erst nach dem Besuch der classe préparatoire besuchen, die in der Regel von Lycées angeboten wird. Die Grandes écoles haben gegenüber den Universitäten Frankreichs eine höhere Reputation, haben niedrige Studentenzahlen und hohe persönliche Betreuung, jedoch ist eine Promotion hier nicht möglich. Zu den bedeutenderen der Grandes écoles gehören die École Polytechnique, die École Normale Supérieure, die École nationale d’administration und die École Centrale Paris. Im Zuge der europaweiten Harmonisierung der Studienabschlüsse im Rahmen des Bologna-Prozess wird auch an französischen Hochschulen das LMD-System eingeführt. LMD bedeutet, dass nacheinander die Licence bzw. Bachelor (nach 3 Jahren), der Master (nach 5 Jahren) und das Doktorat (nach 8 Jahren) erworben werden können. Die traditionellen nationalen Diplome (DEUG, Licence, Maîtrise, DEA und DESS) sollen im Rahmen dieses Prozesses entfallen. Ende 2009 studierten rund 2,25 Millionen Studentinnen und Studenten an französischen Hochschulen.[15]

Sprachen

Die französische Sprache entwickelte sich aus dem francien, das im Mittelalter in der heutigen Region Île-de-France gesprochen wurde. Es verbreitete sich in dem Maße, wie die französischen Könige ihr Herrschaftsgebiet ausdehnten. Bereits 1539 bestimmte König Franz I., dass die französische Sprache die einzige Sprache seines Königreiches sein solle. Trotzdem sprach im 18. Jahrhundert nur etwa die Hälfte der Untertanen der französischen Könige französisch.[16] Nach der Revolution wurden die Regionalsprachen aktiv bekämpft; erst im Jahre 1951 erlaubte die Loi Deixonne Unterricht in Regionalsprachen.[17] Auch heute legt Artikel 2 der französischen Verfassung von 1958 fest, dass die französische Sprache die alleinige Amtssprache Frankreichs ist. Sie ist nicht nur die in Frankreich allgemein gesprochene Sprache, sie ist auch Trägerin der französischen Kultur in der Welt. Die in Frankreich gesprochenen Regionalsprachen drohen aufgrund interner Wanderungen und der fast ausschließlichen Verwendung der französischen Sprache in den elektronischen Medien auszusterben. Frankreich hat die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen zwar unterschrieben, jedoch nicht ratifiziert. Der Grund dafür liegt, dass Teile der Charta mit der französischen Verfassung nicht vereinbar sind. Seit 2008 erwähnt die Verfassung in Artikel 75 die Regionalsprachen als Kulturerbe Frankreichs.[18]

Regionalsprachen, die in Frankreich gesprochen werden, sind:

  • die romanischen Oïl-Sprachen in Nordfrankreich, die teilweise als französische Dialekte angesehen werden, wie Picardisch, Normannisch, Gallo, Poitevin-Saintongeais, Wallonisch und Champenois.
  • das Franko-Provenzalische im französischen und (west-)schweizerischen Alpen- und Juraraum
  • Okzitanisch in Südfrankreich
  • Katalanisch in Département Pyrénées-Orientales
  • Elsässisch und Lothringisch im Nordosten Frankreichs
  • Baskisch und seine Dialekte im äußersten Südwesten
  • Bretonisch im Nordwesten
  • Provenzalisch im Südosten
  • Korsisch auf Korsika
  • Flämisch im Norden

Weiterhin werden in den Überseebesitzungen verschiedenste Sprachen gesprochen wie Kreolsprachen, Polynesische Sprachen oder Kanak-Sprachen.

Französisch ist Arbeitssprache bei der UNO, der OSZE, der Europäischen Kommission und der Afrikanischen Union. Um die französische Sprache vor der Vereinnahmung durch Anglizismen zu schützen, wurde 1994 die Loi Toubon verabschiedet. Mit dem Durchführungsdekret von 1996 wurde ein Mechanismus zur Einführung neuer Wörter festgelegt, der von der Délégation générale à la langue française et aux langues de France und der Commission générale de terminologie et de néologie gesteuert wird. Dieses Dekret verlangt, dass die französischen Wörter, die in der Amtszeitung und im Wörterbuch FranceTerme veröffentlicht werden, von öffentlichen Stellen verpflichtend zu gebrauchen sind.

Die Einwanderer verschiedenster Nationen, vor allem aus Portugal, Osteuropa, dem Maghreb und dem restlichen Afrika haben ihre Sprachen mitgebracht. Im Unterschied zu den traditionellen Sprachen konzentrieren sich diese Sprechergemeinden besonders in den großen Städten, sind aber keinem genau abgrenzbarem geografischen Gebiet zuzuordnen.

Religionen

Frankreich ist offiziell ein laizistischer Staat, das heißt, Staat und Religionsgemeinschaften sind vollkommen voneinander getrennt. Da von staatlicher Seite keine Daten über die Religionszugehörigkeit der Einwohner erhoben werden, beruhen alle Angaben über die konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung auf Schätzungen oder den Angaben der Religionsgemeinschaften selbst und weichen deshalb oft erheblich voneinander ab, weshalb auch die folgenden Zahlen mit Vorsicht zu behandeln sind. In einer Umfrage von Le Monde des religions bezeichneten sich 51 % der Franzosen als katholisch, 31 % erklärten keiner Religion anzugehören und etwa 9 % gaben an Muslime zu sein. 3 % bezeichneten sich als Protestanten und 1 % als Juden. Dies entspricht auf die Bevölkerungszahl hochgerechnet 32 Millionen Katholiken, 5,7 Millionen Muslimen, 1,9 Millionen Protestanten und 600.000 Juden sowie 20 Millionen Konfessionslosen. 6 % machten andere oder keine Angaben.

Historisch war Frankreich lange Zeit ein katholisch dominierter Staat. Seit Ludwig XI. († 1483) trugen die französischen Könige mit Einverständnis des Papstes den Titel eines roi très chrétien (allerchristlichsten Königs). In der Reformationszeit blieb Frankreich immer mehrheitlich katholisch, auch wenn es starke protestantische Minderheiten (Hugenotten) gab. Diese mussten aber spätestens nach der Bartholomäusnacht 1572 die Hoffnung auf ein protestantisches Frankreich aufgeben. Als der Protestant Heinrich von Navarra Thronerbe Frankreichs wurde trat er zum katholischen Glauben über (Paris vaut bien une messe - Paris ist eine Messe wert !), garantierte aber gleichzeitig im Edikt von Nantes 1598 den Protestanten Sonderrechte und insbesondere Religionsfreiheit. Das Edikt von Nantes wurde 1685 unter Ludwig XIV. wieder aufgehoben, was trotz schwerster Strafandrohungen zu einer Massenflucht der Hugenotten ins benachbarte protestantische Ausland führte. Erst kurz vor der Französischen Revolution erhielten die Protestanten eine begrenzte Glaubensfreiheit zugestanden. Die französische Revolution hob dann alle Beschränkungen der Glaubensfreiheit auf. Es kam in den Jahren nach der Revolution in der Ersten Französischen Republik zu einer kurzen Phase einer heftigen Kirchenfeindlichkeit, da die katholische Kirche als Vertreterin des ancien régime (alten Regimes) gesehen wurde. Nicht nur die Privilegien der Kirche, sondern sogar der christliche Kalender und Gottesdienst wurden abgeschafft. Unter Napoleon Bonaparte kam es mit dem Konkordat von 1801 aber wieder zu einem Ausgleich zwischen katholischer Kirche und Staat. Unter der bourbonischen Restauration nach 1815 gewannen die katholisch-monarchistische Ideen wieder die Oberhand: So wurden die 1823 zur Niederschlagung der liberalen Revolution in Spanien einfallenden bourbonischen Truppen als die „100.000 Söhne des heiligen Ludwig“ bezeichnet, die Jesuitische Mission in Übersee wurde gefördert. In der Dritten Republik ergab sich erneut ein Konflikt zwischen Kirche und Staat, der in dem am 9. Dezember 1905 verabschiedeten Gesetz zur Trennung von Kirche und Staat mündete, in dem die strikte Trennung von Kirche und Staat festgeschrieben wurde.[19]

Die jüdische Gemeinschaft in Frankreich hat eine wechselhafte Geschichte. Seit der Römerzeit lebten Juden in Frankreich. Sie wurden jedoch in zwei Wellen 1306 unter Philipp IV. und 1394 unter Karl VI. vollständig des Landes verwiesen. Über viele Jahrhunderte gab es danach kaum ein jüdisches Leben in Frankreich bis die Französische Revolution den Juden die bürgerliche Gleichberechtigung gewährte. Trotzdem blieb Frankreich bis Anfang des 20. Jahrhunderts ein Land mit geringer jüdischer Bevölkerung. Nach dem Ersten, aber vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg setzte eine starke Zuwanderung aus den ehemaligen Kolonien sowie aus Osteuropa ein, so dass Frankreich heute das Land Europas mit der größten jüdischen Bevölkerungsgruppe darstellt.

Ebenfalls seit Ende des Zweiten Weltkrieges ist eine starke Zunahme des Anteils an Muslimen zu verzeichnen, die auf Zuwanderung aus den ehemaligen Kolonien zurückgeht.

Nur noch 58 % der Franzosen glauben an einen Gott; der Anteil der jungen Menschen, die an ein Leben nach dem Tod glauben, ist aber seit 1981 von 31 % auf 42 % gestiegen.[20] Nach einer Studie des PewResearch Center bezeichnet sich nur eine Minderheit von 27 % der Franzosen als „religiös“ und 10 % als „sehr religiös“. Beides sind weltweit die niedrigsten Werte.[21]

Geschichte

Urgeschichte bis Frühmittelalter

Es wird geschätzt, dass das heutige Frankreich vor etwa 480.000 Jahren besiedelt wurde. Aus der Altsteinzeit sind in der Höhle von Lascaux bedeutende Felsmalereien erhalten geblieben. Ab 600 v.Chr. gründeten phönizische und griechische Händler Stützpunkte an der Mittelmeerküste, während Kelten vom Nordwesten her das Land besiedeln, das später von den Römern als Gallien bezeichnet wurde. Die keltischen Gallier mit ihrer druidischen Religion werden heute häufig als Vorfahren der Franzosen gesehen, und Vercingetorix häufig zum ersten Nationalhelden Frankreichs verklärt, wenngleich kaum gallische Elemente in der französischen Kultur verblieben sind.

Zwischen 58 und 51 v. Chr. eroberte Caesar in den Gallischen Kriegen die Region; es wurden die römischen Provinzen Gallia, Gallia Narbonensis, Gallia Belgica und Aquitanien eingerichtet. In einer Periode von Prosperität und Frieden übernahmen diese Provinzen römische Fortschritte in Technik, Landwirtschaft und Rechtssprechung; große, elegante Städte entstanden. Ab dem 5. Jahrhundert wanderten vermehrt germanische Völker nach Gallien ein, diese gründeten nach dem Zerfall des römischen Reiches 476 eigene Reiche. Nach einer vorübergehenden Dominanz der Westgoten gründeten die Franken unter Chlodwig I. das Reich der Merowinger. Sie übernehmen zahlreiche römische Werte und Einrichtungen, u.a. den Katholizismus (496). Im Jahre 732 gelang es ihnen, in der Schlacht von Tours und Poitiers der Islamischen Expansion Einhalt zu gebieten. Die Karolinger folgen den Merowingern nach, Karl der Große wurde 800 zum Kaiser gekrönt, 843 wurde das Frankenreich mit dem Vertrag von Verdun unter seinen Enkeln aufgeteilt; dessen westlicher Teil entsprach in etwa dem heutigen Frankreich.

Mittelalter

Das französische Mittelalter war geprägt durch den Aufstieg des Königtums im stetigen Kampfe gegen die Unabhängigkeit des Hochadels und die weltliche Gewalt der Klöster und Ordensgemeinschaften. Die Kapetinger setzten, ausgehend von der heutigen Île-de-France, die Idee von einem Einheitsstaat durch, die Teilnahme an verschiedenen Kreuzzügen untermauerten dies. Die Normannen fielen wiederholt in der Normandie ein, die daher ihren Namen bekam; im Jahre 1066 eroberten sie England. Unter Ludwig VII. beginnt eine lange Serie von kriegerischen Auseinandersetzungen mit England, nachdem Ludwigs geschiedene Frau Eleonore von Poitou und Aquitanien 1152 Heinrich Plantagenet heiratet und damit etwa die Hälfte des französischen Staatsgebiets an England fällt. Philipp II. August kann England zusammen mit den Staufern bis 1299 weitgehend aus Frankreich verdrängen; der englische König Heinrich III. (England) muss zudem Ludwig IX. als Lehnsherrn anerkennen. Ab 1226 wird Frankreich zu einer Erbmonarchie; im Jahre 1250 ist Ludwig IX. der mächtigste Herrscher des Abendlandes.

Nach dem Tod des letzten Kapetingers wird 1328 Philipp von Valois zum neuen König gewählt, er begründet die Valois-Dynastie. Die Bevölkerung Frankreichs wird für diese Zeit auf 15 Millionen geschätzt, und das Land verfügt mit der Scholastik, der gotischen und romanischen Architektur über bedeutende kulturelle Errungenschaften. Thronansprüche, die Eduard III. Plantagenet, König von England und Herzog von Aquitanien, erhebt, führen 1339 zum Hundertjährigen Krieg. Nach großen Anfangserfolgen Englands, das den gesamten Nordwesten Frankreichs erobert, kann Frankreich die Invasoren zunächst zurückdrängen. Eine Rebellion des Burgunds und die Ermordnung des Königs führen dazu, dass England sogar Paris und Aquitanien besetzen kann, erst der von Jeanne d'Arc entfachte nationale Widerstand führte zur Rückeroberung der verlorenen Gebiete (mit Ausnahme von Calais) bis 1453. Zusätzlich zum Hundertjährigen Krieg rafft die Pest von 1348 etwa ein Drittel der Bevölkerung dahin.

Mit der Eingliederung Burgunds und der Bretagne in den französischen Staat befand sich das Königtum auf einem vorläufigen Höhepunkt seiner Macht, wurde jedoch während der Renaissance in dieser Position durch Habsburg, dessen Kaiser Karl V. ein Reich beherrschte, dessen Staaten sich rund um Frankreich gruppierten, bedroht. Ab 1540 breitet sich durch das Wirken von Johannes Calvin der Protestantismus nach Frankreich aus. Die französischen Calvinisten, die als Hugenotten bezeichnet wurden, wurden in ihrer Glaubensausübung stark unterdrückt, die Hugenottenkriege und speziell die Bartholomäusnacht im Jahre 1572 führten zur Auswanderung von Hunderttausenden Hugenotten. Erst der erste Herrscher aus dem Hause Bourbon, Heinrich von Navarra, gewährte den Hugenotten im Edikt von Nantes 1598 Religionsfreiheit.

Die Renaissance-Zeit wird auch von einer stärkeren Zentralisierung geprägt, während welcher der König von der Kirche und dem Adel unabhängig wurde. Es gelang den leitenden Ministern und Kardinälen Richelieu und Jules Mazarin, einen absolutistischen Staat zu errichten. Auf Betreiben Richelieus griff 1635 Frankreich aktiv in den Dreißigjährigen Krieg in Mitteleuropa ein; im Zusammenhang damit kam es zum (Krieg gegen Spanien). Im Westfälischen Frieden von 1648 erhielt Frankreich Gebiete im Elsass zugesprochen; das Heilige Römische Reich und Spanien wurden geschwächt, es begann das Zeitalter der französischen Dominanz in Europa, in welcher sich alle Herrscher Europas am Vorbild der französischen Kultur orientierten und in welcher das Französische wurde zur dominierenden Bildungssprache wurde. Die teuren Kriege und die Adelsopposition führten jedoch zum Staatsbankrott und zum Aufstand der Fronde. Mit dem Edikt von Fontainebleau 1685 wurde die Religionsfreiheit der Hugenotten wieder aufgehoben. Trotz schwerer Strafandrohungen flohen abermals Hunderttausende Hugenotten. Unter Ludwig XIV., dem so genannten Sonnenkönig, der 1643 als Vierjähriger inthronisiert wurde und bis 1715 herrschte, erreichte der Absolutismus seinen Höhepunkt, auf dem unter anderem das Schloss Versailles errichtet wurde.

Neuzeit

Die Kriege, die die absolutistischen Könige führten (etwa Devolutionskrieg, Holländischer Krieg, Pfälzischer Erbfolgekrieg, Spanischer Erbfolgekrieg, Siebenjähriger Krieg, Teilnahme am Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg), ihre teure Hofhaltung und Missernten, lösten eine große Finanzkrise aus, die König Ludwig XVI. dazu zwang, die Generalstände einzuberufen, was zur Konstituierung der Nationalversammlung führte, die eine Verfassung ausarbeitete und die Macht des Königs beschränkte und so das Ancien Régime beendete. Die sich weiter verschlechternden Lebensbedingungen des Volkes führten 1789 zur Französischen Revolution, nach der die erstmalige Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte stattfand, die Kirche enteignet, und sogar ein neuer Kalender eingeführt wurde, und nach der 1791 eine Verfassung mit Frankreich als einer konstitutionellen Monarchie verabschiedet wurde. Nach der versuchten Flucht des Königs wurde dieser verhaftet und 1793 hingerichtet, die Ersten Republik wurde verkündet. Die erste Erfahrung mit republikanischer Herrschaft, die auf dem Gleichheitsprinzip beruhte, endete jedoch im Chaos und der Terrorherrschaft unter Robespierre.

Napoléon Bonaparte ergriff in dieser Situation 1799 mit einem Staatsstreich die Macht als Erster Konsul; 1804 ließ er sich zum Kaiser krönen. In den folgenden Koalitionskriege brachte er fast ganz Europa unter seine Kontrolle. Sein Russlandfeldzug 1812 wurde jedoch ein Misserfolg, die Völkerschlacht bei Leipzig 1813 besiegelte die Niederlage der französischen Truppen. Während des Exils in Elba regierte mit Ludwig XVIII. wieder ein Bourbone, Napoléon kam 1815 zurück und regierte weitere 100 Tage. Nach der Niederlage in der Schlacht bei Waterloo wurde er endgültig verbannt. Die Restauration brachte wieder die Bourbonen auf den Thron, die daran gingen, das verlorene Kolonialreich wieder aufzubauen. In Frankreich herrschte gleichzeitig die Industrielle Revolution, und eine Arbeiterklasse bildete sich langsam heraus. Die Julirevolution von 1830 stürzte den despotisch regierenden Karl X. und wurde durch den Bürgerkönig Louis-Philippe ersetzt. Eine erneute bürgerliche Revolution brachte Frankreich jedoch 1848 die Zweite Republik.

Zum Präsidenten der Zweiten Republik wurde Louis Napoléon Bonaparte gewählt, der sich bereits 1852 zum Kaiser krönen ließ. Unter seiner Herrschaft wurde Opposition gewaltsam unterdrückt, außenpolitisch gelangen jedoch Unternehmen wie der Erwerb von Nizza und Savoyen, die Eingliederung von Äquatorialafrika und Indochina ins Kolonialreich und der Bau des Sueskanals. Seine Herrschaft fällt zusammen mit der Nationalstaatsbildung in Deutschland unter Führung des Norddeutschen Bundes. Der Deutsch-Französische Krieg, den Napoleon III. begann, um einen mächtigen Konkurrenten um die Hegemonie in Europa zu verhindern, endete mit einer Niederlage, Wilhelm I. ließ sich im Spiegelsaal von Versailles zum Kaiser proklamieren. Die Pariser Kommune, ein Aufstand, der sich gegen die Kapitulation richtete, wurde mit Gewalt und zahlreichen Todesopfern niedergeschlagen.

Erster und Zweiter Weltkrieg

Die Dritte Republik währte von 1871 bis 1940. In dieser Zeit wurde das französische Kolonialreich auf eine Fläche von 7,7 Millionen km² ausgedehnt. Nach der Dreyfus-Affäre wurde Frankreich zu einem streng laizistischen Staat. Die Industrialisierung führte zu einem Wirtschaftsaufschwung, die 1889 und 1900 veranstaltete Paris zwei Weltausstellungen. 1904 schloss Frankreich mit dem Vereinigten Königreich die Entente cordiale und trat in den Ersten Weltkrieg mit dem Ziel ein, Elsass-Lothringen zurückzugewinnen und Deutschland entscheidend zu schwächen. Nach dem Krieg fand sich Frankreich zwar auf der Siegerseite wieder, Nordfrankreich war jedoch weitgehend verwüstet und zu den 1,5 Millionen gefallenen Soldaten kamen 166.000 Opfer der Spanischen Grippe 1918/19.

Die Zwischenkriegszeit war in Frankreich vor allem von politischer Instabilität gekennzeichnet. Die ab 1934 regierende Volksfront war vor allem auf Erhaltung des Status quo aus. Dementsprechend schlecht war Frankreich auf den Zweiten Weltkrieg vorbereitet. In seinem Westfeldzug umgingen die deutschen Truppen die Maginot-Linie, marschierten in ein unverteidigtes Paris ein und Marschall Pétain musste am 22. Juni 1940 einen Waffenstillstand unterzeichnen. Frankreich wurde in eine zone occupée und eine zone libre geteilt, wobei in letzterer das von Deutschland abhängige konservativ-autoritáre Vichy-Regime regierte. Bereits kurz nach der Unterzeichnung des Waffenstillstands bildeten sich Gruppen der Résistance, in London gründete Charles de Gaulle die Exilregierung Freies Frankreich. In der von den Alliierten durchgeführten Operation Overlord wurde Nordfrankreich zurückerobert, nach der Schlacht um Paris wurde die Stadt im August 1944 befreit. Im September bildete de Gaulle eine provisorische Regierung.

Nachkriegszeit und europäische Einigung

Die Vierte Republik war bereits am 13. Oktober 1946 durch einen Volksentscheid beschlossen worden. Frankreich, das sich auf Seiten der Siegermächte wurde zum Gründungsmitglied der UNO und bekam im Sicherheitsrat ein Veto-Recht. Der Wiederaufbau wurde nicht zuletzt mit Unterstützungsleistungen aus dem Marshallplan vorangetrieben. 1949 wurde Frankreich auch Gründungsmitglied der NATO, und 1951 wurde mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl der erste Schritt zur Europäischen Integration gesetzt, 1957 wurde mit den Römischen Verträge die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gegründet, aus der mittlerweile die Europäische Union geworden ist und wo Frankreich ein aktives wie dominantes Mitglied ist.

Die Nachkriegszeit ist auch durch den Zerfall des Kolonialreiches geprägt. Der erste Indochinakrieg endet mit der Schlacht von Điện Biên Phủ und dem Verlust aller französischen Kolonien in Südostasien. Einen noch tieferen Schnitt bedeutete der Algerienkrieg, der mit großer Härte geführt wurde und in dessen Konsequenz Algerien in die Unabhängigkeit entlassen werden musste. Hunderttausende Pied-noirs mussten nach Frankreich rückgeführt werden.

Innenpolitisch wurde die instabile Vierte Republik im Jahre 1958 durch die Fünfte Republik abgelöst, die einen starken, von der Legislative weitgehend unabhängigen Präsidenten vorsieht. Diese Fünfte Republik wurde im Mai 1968 stark erschüttert, was langfristig kulturelle, politische und ökonomische Reformen in Frankreich nach sich zog. Nach der Ölkrise von 1973 beschloss Frankreich, sich durch Nutzung der Kernenergie vom Erdöl unabhängiger zu machen. Eine weitere Zäsur war Machtübernahme durch die Sozialistische Partei 1981 und die Präsidentschaft von François Mitterrand, während derer massive Verstaatlichungen vorangetrieben wurden, die Todesstrafe und Atomtests abgeschafft, die 39-Stunden-Woche eingeführt und der Vertrag von Maastricht ratifiziert wurde. Sein Nachfolger Jacques Chirac setzte die Einführung des Euro um und brüskierte die USA, indem er die Teilnahme am Irakkrieg verweigerte.[22][23]

Politik

Seit der Annahme einer neuen Verfassung am 5. Oktober 1958 spricht man in Frankreich von der Fünften Republik. Diese Verfassung macht Frankreich zu einer zentralistisch organisierten Demokratie mit einem exekutivlastigen semi-präsidentiellen Regierungssystem. Gegenüber früheren Verfassungen wurde die Rolle der Exekutive und vor allem jene des Präsidenten weitgehend gestärkt. Dies war die Reaktion auf die extreme politische Instabilität in der Vierten Republik. Sowohl Präsident und Premierminister spielen eine aktive Rolle im politischen Leben, wobei der Präsident nur dem Volk gegenüber verantwortlich ist. Die Macht des Parlaments wurde in der fünften Republik eingeschränkt, die Verfassung hat ihm jedoch entscheidende Kontrollfunktionen übertragen.

Die Verfassung enthält keinen Grundrechtekatalog, sondern verweist auf die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 und die in der Verfassung der Vierten Französischen Republik von 1946 festgehaltenen sozialen Grundrechte.

Exekutive

Verfassungsgemäß ist der direkt durchs Volk gewählte Staatspräsident das höchste Staatsorgan. Er steht über allen anderen Institutionen. Er wacht über die Einhaltung der Verfassung, sichert das Funktionieren der öffentlichen Gewalten, die Kontinuität des Staates, die Unabhängigkeit, die Unverletzlichkeit des Staatsgebietes und die Einhaltung von mit anderen Staaten geschlossenen Abkommen. Er tritt als Schiedsrichter bei Streitigkeiten zwischen staatlichen Institutionen auf.[24] Er verkündet Gesetze und hat das Recht, sie dem Verfassungsrat zur Prüfung vorzulegen. Er darf Gesetze oder Teile davon an das Parlament zur Neuberatung zurückweisen, hat aber kein Vetorecht. Dekrete und Verordnungen werden vom Ministerrat, dessen Vorsitz der Präsident führt, beschlossen; gegenüber diesen hat der Präsident jedoch ein aufschiebendes Veto.[25] Hinsichtlich der Außen- und Sicherheitspolitik verfügt der Staatspräsident sowohl über die Richtlinien- und über die Ratifikationskompetenz, sodass er sowohl die Außenpolitik gestaltet als auch völkerrechtliche Vereinbarungen für Frankreich verbindlich eingeht. Diese Praxis schälte sich in der Regierungszeit de Gaulles heraus und ist nicht zwingend der Verfassung zu entnehmen.[26] Auf Antrag der Regierung oder des Parlamentes darf der Präsident Volksabstimmungen initiieren. Er ernennt Mitglieder wichtiger Gremien, etwa drei der neun Mitglieder des Verfassungsrates, alle Mitglieder des Obersten Rates für den Richterstand sowie die Staatsanwälte. Der Staatspräsident ist keiner Kontrolle durch die Judikative unterworfen, dem Parlament gegenüber ist er nur bei Hochverrat verantwortlich. Des Weiteren befiehlt der Staatspräsident über die Streitkräfte und den Einsatz der Atomwaffen; im Falle der Ausrufung des Notstandes hat der Präsident fast unbeschränkte Autorität. Dem Präsidenten steht das Präsidialamt als Berater und Unterstützer zur Seite.

Der Präsident leitet die ihm verliehene staatliche Autorität an den Premierminister und die Regierung weiter, wobei die Regierung die vom Präsidenten vorgegebenen Richtlinien umzusetzen hat. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Präsidenten und Premierminister, die in einer Cohabitation schwierig sein kann, also wenn Präsident und Premierminister aus zwei entgegengesetzten politischen Lagern kommen. Der Präsident ernennt formell ohne jegliche Einschränkungen einen Premierminister und, auf Vorschlag des Premierministers, die Regierungsmitglieder. Die Regierung hängt in der Folge vom Vertrauen des Parlamentes ab, der Präsident kann eine einmal ernannte Regierung formal nicht entlassen. Die Regierung besteht aus Ministern, Staatsministern, ministres délegués, also Ministern mit speziellen Aufgaben, und Staatssekretären. Regierungsmitglieder dürfen in Frankreich kein anderes staatliches Amt, keine sonstige Berufstätigkeit oder Parlamentsmandat ausüben. Sie sind in ihrer Funktion dem Parlament verantwortlich.[27]

Legislative

Das Parlament der V. Republik besteht aus zwei Kammern. Die Nationalversammlung (Assemblée Nationale) hat 577 Abgeordnete, die direkt auf fünf Jahre gewählt werden. Der Senat hat 317 Mitglieder (ab 2010 346 Mitglieder). Diese werden indirekt für eine Amtszeit von sechs Jahren gewählt. Die Wahl des Senats wird auf Ebene der Départements durchgeführt, wobei das Wahlkollegium aus den Abgeordneten des Départements, den Generalräten und Gemeindevertretern besteht.

Die Initiative für Gesetze kann vom Premierminister oder einer der beiden Parlamentskammern ausgehen. Nach der Debatte in den Kammern muss der Gesetzestext von beiden Kammern gleichlautend verabschiedet werden, wobei das Weiterreichen des Textes als navette bezeichnet wird. Nach der Annahme durch das Parlament hat der Präsident nur einmal das Recht, einen Gesetzestext zurückzuweisen. Das Parlament hat weiters die Aufgabe, die Arbeit der Regierung durch Anfragen und Aussprachen zu kontrollieren. Die Nationalversammlung hat die Möglichkeit, die Regierung zu stürzen. Das Parlament hat nicht die Befugnis, den Staatspräsidenten politisch herauszufordern.[28] Der Staatspräsident darf jedoch die Nationalversammlung auflösen; von diesem Recht wurde in der Vergangenheit wiederholt Gebrauch gemacht, um schwierige Phasen der Cohabitation zu beenden.[29]

Jurisdiktion

In der Fünften Republik übernimmt der Verfassungsrat (Conseil constitutionnel) die Kontrollfunktion innerhalb des politischen Systems. In einem nicht erneuerbaren Mandat ernennen der Staatspräsident, und die Präsidenten der Nationalversammlung und des Senats jeweils drei Abgeordnete für eine Amtszeit von neun Jahren. Der Rat überprüft Gesetze auf Anfrage, überwacht die Gesetzesmäßigkeit von Wahlen und Referenden. Für eine Überprüfung von Gesetzen sind jeweils 60 Abgeordnete der Nationalversammlung (10,4 % der Abgeordneten) oder des Senats (18,1 % der Senatoren) nötig.

Die Todesstrafe wurde in Frankreich 1981 abgeschafft.

Politische Parteien

Die französische Parteienlandschaft zeichnet sich durch einen hohen Grad der Zersplitterung und hohe Dynamik aus. Neue Parteien entstehen und existierende Parteien ändern häufig ihre Namen. Die Namen der Parteien geben nur sehr bedingt über ihre ideologische Ausrichtung Aufschluss, denn es ist zu einer gewissen Begriffsentfremdung gekommen. Französische Parteien haben in der Regel relativ wenige Mitglieder und eine schwache Organisationsstruktur, die sich häufig auf Paris als dem Ort, wo die meisten Entscheidungen getroffen werden, konzentriert.[30] Die politische Linke wird von der kommunistischen Parti communiste français, der sozialistischen Parti socialiste und der Parti radical de gauche besetzt, wobei die Parti communiste français die mitgliederstärkste Partei des Landes ist. Die Parti socialiste stellte hingegen den langjährigen Präsidenten François Mitterrand und mehrere Premierminister. Die grüne Partei in Frankreich heißt Les Verts, wobei grüne Politik in Frankreich tendenziell weniger Zulauf genießt als in den deutschsprachigen Staaten. Die wichtigste Zentrumspartei ist die erst 2007 gegründete Mouvement démocrate. Zum konservativen Lager gehört die Union pour un mouvement populaire, die momentan den Präsidenten und den Premierminister stellt. Weiterhin ist der Mouvement pour la France eher noch zum bürgerlichen Lager zu zählen, während der Front National zum Rechtsextremismus gehört.

Innenpolitik

Momentan stellt das konservative Lager des amtierenden Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy mit 345 Sitzen die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung.

Am 6. Mai 2007 gewann Nicolas Sarkozy, der Präsidentschaftskandidat der UMP, mit gut 53 % der Stimmen die Präsidentschaftswahl. Seine Kontrahentin, die Sozialistin Ségolène Royal, erreichte knapp 47 Prozent.

Am 16. Mai 2007 folgte Sarkozy Jacques Chirac im Amt des französischen Staatspräsidenten. In den darauffolgenden Tagen ernannte er den früheren Sozial- und Bildungsminister François Fillon zum neuen Premierminister und stellte das neue Kabinett vor, dem auch Politiker des Zentrums und der Sozialisten angehören.

Als wichtigste innenpolitische Vorhaben nannte die Regierung die Erhöhung der Kaufkraft der Bürger, eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten, insbesondere durch die Abschaffung der 35-Stunden-Woche sowie ein härteres Vorgehen gegen Kriminalität. Während seiner Zeit als Innenminister und seit der Wahl zum Präsidenten sah sich Sarkozy wiederholt mit Schwierigkeiten in der Banlieue, den Vorstadtsiedlungen großer Städte, konfrontiert. Immer wieder kommt es hier zu Sachbeschädigungen durch Vandalismus und zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Jugendlichen. Im Oktober 2005 hatten die Konflikte einen Höhepunkt erreicht und griffen von Paris in andere Städte über, nachdem zwei Jugendliche einen Unfalltod erlitten hatten (siehe Hauptartikel Unruhen in Frankreich 2005).

Anmerkung der u~m~d~h~T: Stand 2010

Außen- und Sicherheitspolitik

Leitlinie der französischen Außenpolitik ist die zunehmende Integration Europas mit dem Ziel einer politischen Einigung. Nach dem Zweiten Weltkrieg gaben Deutschland und Frankreich unter dem Eindruck der Kriegserlebnisse ihre Erbfeindschaft auf, die eine grundsätzliche Gefährdung des europäischen Friedens darstellte, und verfolgten die Aussöhnung untereinander. Mittlerweile betreiben Frankreich und Deutschland eine oftmals kongruente Europapolitik, sodass es Pläne gibt, aus diesen beiden Ländern ein „Kerneuropa“ zu bilden, das die europäische Einigung nötigenfalls auch gegen einige andere EU-Mitglieder vorantreibt.

Indirekt ist dieser Prozess auch gegen ein als solches wahrgenommenes imperiales Streben der Vereinigten Staaten von Amerika, deren überbordende Machtfülle Frankreich mit der Schaffung einer multipolaren Weltordnung relativieren will.

Eine weitere Säule der französischen Außenpolitik ist die internationale Kooperation auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik und der Entwicklungshilfe bei ständiger Wahrung der französischen Souveränität. Dazu ist Frankreich Mitglied in zahlreichen sicherheitspolitischen Organisationen wie der OSZE und hat am Eurocorps teil. Außerdem engagiert sich Frankreich in der atomaren Abrüstung, hat bisher jedoch nicht verlautbaren lassen, auf das Potenzial der Force de frappe zu verzichten.

Frankreich ist zudem ständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat mit Vetorecht. Über die Vereinten Nationen koordiniert es seine internationale Entwicklungszusammenarbeit und sein humanitäres Engagement.

Ebenfalls von großer Bedeutung für die französischen Außenbeziehungen ist die französische Kulturpolitik und die Förderung der Frankophonie. International hat die französische Sprache mit ungefähr 140 Millionen Sprechern einen hohen Stellenwert. Dies möchte das französische Außenministerium mit einer Unterabteilung namens AEFE unterstützen, die in knapp 125 Ländern knapp 279 Schulen, die von knapp 16.000 Jugendlichen besucht werden. Die Leistungen der knapp 1.000 Lokalitäten der Agence française nehmen ungefähr 200.000 Studenten in aller Welt in Anspruch.[31]

Hinzu kommt ein Engagement auch nach Ende der Kolonialherrschaft in Afrika, wo Frankreich bis heute in vielen Ländern die bestimmende Ordnungsmacht geblieben ist.

Frankreich war 1949 Gründungsmitglied des Nordatlantikvertrages (NATO) und erhielt militärischen Schutz durch die USA. Mit der Machtübernahme von de Gaulle 1958 änderten sich die Beziehungen zu den USA und zu der von den USA dominierten NATO dahingehend, dass Frankreich 1966 seine militärische Integration in die Strukturen der NATO aufgab und ausschließlich politisch integriert blieb. Im März 2009 kündigte Präsident Sarkozy die vollständige Rückkehr Frankreichs in die Kommandostruktur der NATO an. Das französische Parlament bestätigte am 17. März 2009 diesen Schritt, indem es Sarkozy das Vertrauen ausgesprochen hatte.[32]

Unter de Gaulles Führung entwickelte sich Frankreich 1960 zu einer Atommacht und verfügte ab 1965 mit der Force de Frappe über Atomstreitkräfte, die zunächst 50 mit Atombomben (Kernwaffen) ausgestattete Flugzeuge in Dienst stellte. 1968 hatte Frankreich bereits 18 Abschussrampen für Mittelstreckenraketen aufgestellt, die 1970 und 1971 mit Atomsprengköpfen ausgestattet wurden. In den 1970er Jahren erweiterte Frankreich seine Atommacht auch auf See. Vier Atom-U-Boote verfügen über je 16 atomar bestückte Mittelstreckenraketen.

Militär

Die französischen Streitkräfte (Les forces armées françaises) sind eine Berufsarmee mit 350.000 Männern und Frauen unter Waffen. 20.000 Soldaten sind inkl. Gerät in den Überseedepartements und -territorien stationiert, weitere 8.000 in afrikanischen Staaten, mit denen Verteidigungsabkommen vereinbart wurden. Die Streitkräfte teilen sich dabei in die drei klassischen Sektoren Heer (Armée de Terre), Luftwaffe (Armée de l’air), Marine (Marine nationale) sowie die Nuklearstreitkräfte (Force de dissuasion nucléaire) mit ca. 348 bis 350 Sprengköpfen. Des Weiteren ist die Gendarmerie Nationale, eine zentrale Polizeibehörde, dem Verteidigungsministerium unterstellt. Militärisches und populärkulturelles Aushängeschild des französischen Militärs ist die Fremdenlegion (Légion Étrangère).

Administrative Gliederung

Frankreich gilt spätestens seit Ludwig XIII. und Kardinal Richelieu als Inbegriff des zentralisierten Staates. Zwar wurden später Maßnahmen zur Dezentralisierung ergriffen, diese hatten jedoch eher den Zweck, die Zentralgewalt näher zum Bürger zu bringen. Erst seit der Verwaltungsreform der Jahre 1982 und 1983 wurden Kompetenzen von der Zentralregierung auf die Gebietskörperschaften verlagert.[33]

Auf oberster Ebene ist Frankreich in 26 Régions gegliedert. Regionen gibt es erst seit 1964, seit 1982/83 haben sie den Status einer Gebietskörperschaft. Jede Region wählt einen Regionalrat (Conseil régional), der wiederum einen Präsidenten wählt. Weiterhin ernennt der französische Staatspräsident einen Regionalpräfekten. Regionen sind zuständig für die Wirtschaft, die Infrastruktur der Berufs- und Gymnasialausbildung und finanzieren sich über Steuern, die sie einheben dürfen, und über Transferzahlungen der Zentralregierung.[34] Korsika hat unter den Regionen einen Sonderstatus und wird als Collectivité territoriale bezeichnet. Vier Regionen (Guadeloupe, Martinique, Französisch-Guayana und La Réunion) befinden sich in Übersee und hatten bis zur Verfassungsänderung 2003 den Status eines Überseedépartements. Die Regionen bilden die europäische Statistikebene NUTS-2 (auf der übergeordneten Ebene NUTS-1 bestehen 8+1 Zones d’études et d’aménagement du territoire (ZEAT, Raumplanungs- und -ordnungszonen)).

Eine Region ist ihrerseits in Départements unterteilt. Départements ersetzten 1790 die traditionellen Provinzen, um den Einfluss der lokalen Machthaber zu brechen. Von den heute 100 Départements liegen 96 in Europa. Die hohe Zahl dieser relativ kleinen Verwaltungseinheiten ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Départements wählen einen Generalrat (Conseil général), der einen Präsidenten als Exekutivorgan wählt. Erster Mann im Département ist jedoch der vom französischen Staatspräsidenten ernannte Präfekt. Départements haben die Aufgabe, sich um das Sozial- und Gesundheitswesen, die Collèges, Kultur- und Sporteinrichtungen, Departementsstraßen und den Sozialbau zu kümmern.[35][36] Sie dürfen Steuern einheben und bekommen Transferzahlungen der Zentralregierung. Die Départements bilden die europäische Statistikebene NUTS-3.

Die 325 Arrondissements stellen keine eigene Rechtspersönlichkeit dar. Sie dienen vorrangig der Entlastung der Départementsverwaltung. Ebenso dienen die 4036 Kantone nur noch als Wahlbezirk für die Wahl der Generalräte. Die Arrondissements der Städte Paris, Lyon und Marseille haben den Status von Kantonen.[37][38]

Die kleinste und gleichzeitig älteste organisatorische Einheit des französischen Staates sind die Gemeinden (communes). Sie folgten 1789 den Pfarreien und Städten nach. Anfang 2009 gab es 36.682 Gemeinden, davon 112 in Übersee.[37] Trotz der hohen Zahl der Gemeinden, die größtenteils nur sehr wenige Einwohner haben, gab es in den letzten Jahren kaum Bemühungen um eine Gemeindereform. Jede Gemeinde wählt einen Gemeinderat (Conseil municipal), der dann aus seiner Mitte einen Bürgermeister wählt. Seit 1982 haben die Gemeinden deutlich mehr Rechte und werden vom Staat weniger bevormundet. Auf Gemeindeebene werden Grundschulbildung, Stadtplanung, Abfallbeseitigung, Abwasserreinigung und Kulturaktivitäten organisiert; auch sie finanzieren sich über eigene Steuern und Transferzahlungen.[39][40]

Verwaltungsrechtliche Sonderstati gelten für die Départementskörperschaft (Collectivité départementale,) Mayotte, die Gebietskörperschaft (Collectivité territoriale) Saint-Pierre und Miquelon, die Überseeterritorien (Territoires d’outre-mer, T.O.M.) Französisch-Polynesien, Neukaledonien, Wallis und Futuna, Saint-Barthélemy, Saint-Martin und die Französischen Süd- und Antarktisgebiete (Terres australes et antarctiques françaises, T.A.A.F.) sowie die Îles éparses und die Clipperton-Insel.

Frankreich sowie seine Überseeregionen, -départements sowie Saint-Barthélemy und Saint-Martin sind Teil der EU. Die restlichen Überseegebiete sind nicht EU-Mitglieder. In Frankreich erlassene Gesetze gelten in den T.O.M. nur, wenn dies ausdrücklich erwähnt ist.

Infrastruktur

Straßenverkehr

Ein dichtes Autobahnnetz verbindet in erster Linie den Großraum Paris mit den Regionen. Dabei wurde in erster Linie das auf Paris zu laufende Netz der Nationalstraßen ausgebaut. Nach und nach werden auch Querverbindungen zwischen den einzelnen Großräumen geschaffen. Die Verkehrswege Frankreichs gehören dem Staat, die meisten Autobahnstrecken werden seit 2006 aber privat betrieben, an Mautstellen müssen alle Benutzer Maut zahlen.[41] Nur wenige Abschnitte sind mautfrei, zum Beispiel im Bereich der Großstädte, die neue A75 oder die elsässische A35. Dabei gilt wiederum die Ausnahme, dass bestimmte, besonders aufwändige Autobahnabschnitte auch innerhalb des Großstadtbereichs Maut kosten (z. B. Nordumgehung von Lyon oder A14 bei Paris).

Schienenverkehr

Der öffentliche Nahverkehr ist in großen Zentren hervorragend ausgebaut. In Paris ist kein Ort weiter als 500 Meter von einer Station der Métro entfernt. Auch in anderen Städten werden die U-Bahnen mit großem Aufwand ausgebaut, zum Beispiel in Lyon, Lille, Marseille oder Toulouse. Außerhalb der großen Zentren wird der Nahverkehr hingegen nur spärlich betrieben.

Landesweit wurde seit Anfang der 1980er Jahre das Netz des Hochgeschwindigkeitszugs TGV konsequent ausgebaut. Das Netz wird weiter ausgebaut und erreicht dabei auch zunehmend die Nachbarländer. Für Deutschland ist vor allem der Neubau der Hochgeschwindigkeitsstrecke LGV Est européenne Richtung Straßburg und Süddeutschland beziehungsweise Richtung Saarbrücken und Mannheim relevant. Der Thalys verbindet Paris mit Brüssel, Aachen und Köln.

Seit 2003 muss die Staatsbahn SNCF sich privater Konkurrenz stellen. De facto hat sie aber landesweit noch ein Fast-Monopol.

Luftverkehr

Der Luftverkehr ist in Frankreich stark zentralisiert. Die beiden Flughäfen der Hauptstadt Paris (Charles de Gaulle und Orly) fertigten 2008 gemeinsam 87,1 Millionen Fluggäste ab.[42] Charles de Gaulle ist dabei der zweitgrößte Flughafen Europas und zentrales Drehkreuz der Air France. Er wickelt auch praktisch den gesamten Langstreckenverkehr ab. Die größten Flughäfen außerhalb von Paris sind jene von Nizza mit 10 Millionen Passagieren, danach folgen Lyon und Marseille. Air France, die führendes Mitglied der Allianz SkyTeam ist, fusionierte 2004 mit KLM zu Air France-KLM und ist seitdem die größte Fluggesellschaft der Welt.

Schiffsverkehr

Frankreich hat die natürlichen und künstlichen Binnenwasserstraßen (Flüsse und Kanäle) aus wirtschaftlichen und militärischen Beweggründen in seiner Geschichte stark entwickelt und ausgebaut. Seine Hochblüte erlebte das Wasserwegenetz im 19.Jahrhundert mit einer Länge von 11.000 Kilometern. Durch Konkurrenz von Schiene und Straße ist es bis heute auf rund 8.500 Kilometer zurückgegangen. Es wird zum Großteil von der staatlichen Wasserstraßenverwaltung Voies navigables de France (VNF) verwaltet und betrieben.

2007 wurden von der Frachtschifffahrt auf Frankreichs Wasserstraßen Güter mit einem Gesamtgewicht von 61,7 Millionen Tonnen befördert. Bezieht man die Distanz in die Statistik ein, ergibt sich ein Wert von 7,54 Milliarden Tonnen-Kilometer. Über die letzten 10 Jahre bedeutet dies eine Steigerung um 33 Prozent. Die Personenschifffahrt hat heute nur noch touristische Bedeutung, ist aber ein aufstrebender Wirtschaftsfaktor.

Der Canal Seine-Nord Europe (CSNE) ist das Projekt eines neuen, 106 km langen Kanals in Süd-Nord-Richtung durch Nordfrankreich zwischen den Einzugsgebieten der Flüsse Seine und Schelde. Das Projekt ist in den Verkehrswegeplan der Europäischen Union aufgenommen, die Planung soll 2010 beendet, der Kanal 2014 oder 2015 in Betrieb genommen werden

Siehe auch: Liste der schiffbaren Flüsse und Kanäle in Frankreich

Wirtschaft

Allgemeines

Traditionell ist in Frankreich die Wirtschaftspolitik von vergleichsweise starken staatlichen Eingriffen gelenkt. Hier spielt die historische Rolle des Merkantilismus – im Speziellen des Colbertismus – im Land eine Rolle.

Frankreich ist eine gelenkte Volkswirtschaft, die in den letzten Jahren zunehmend dereguliert und privatisiert wurde. Ein staatlicher Mindestlohn, der SMIC, sichert den Angestellten einen Stundenlohn von 8,71 Euro.[43]

Wein steht aufgrund der zahlreichen Weinbaugebiete in der französischen Ausfuhrliste an fünfter Stelle: nach Autos, Flugzeugen, pharmazeutischen Produkten und Elektronik. Auch der Tourismus spielt eine große Rolle.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg im Durchschnitt der Jahre 1995 bis 2005 um 2,1 % jährlich und erreichte 2005 den Wert von 1.689,4 Milliarden Euro. Im Vergleich mit dem BIP der EU ausgedrückt in Kaufkraftstandards erreicht Frankreich einen Index von 111,4 (EU-25:100) (2003).[44]

Die Erwerbstätigenstruktur hat sich gegenüber früher grundlegend gewandelt. So arbeiteten 2003 nur noch 4 % der Erwerbstätigen in der Land- und Forstwirtschaft und Fischerei, in der Industrie waren es 24 %, wohingegen 72 % im Dienstleistungsbereich tätig waren.

Deutschland ist der wichtigste Handelspartner Frankreichs (2003): Es exportiert 14,9 % seines Exportvolumens nach Deutschland, das seinerseits am Import mit 19,1 % beteiligt ist. Frankreich importierte 2009 Waren im Wert von ca. 532,2 Milliarden US-Dollar und exportierte Waren im Wert von ca. 456,8 Milliarden US-Dollar und hat damit ein Handelsdefizit.[45][46]

Die größten französischen Unternehmen 2003 ohne Banken und Versicherungen

  1. Total – Umsatz 104,7 Mrd. € – 111.000 Beschäftigte
  2. Carrefour – Umsatz 70,5 Mrd. € – 419.000 Beschäftigte
  3. PSA Peugeot Citroën – Umsatz 54,2 Mrd. € – 200.000 Beschäftigte
  4. France Télécom – Umsatz 46,1 Mrd. € – 222.000 Beschäftigte
  5. EDF – Umsatz 44,9 Mrd. € – 167.000 Beschäftigte
  6. Suez – Umsatz 39,6 Mrd. € – 171.000 Beschäftigte
  7. Les Mousquetaires – Umsatz 38,4 Mrd. € – 112.000 Beschäftigte
  8. Renault – Umsatz 37,5 Mrd. € – 160.000 Beschäftigte
  9. Publicis Groupe – Umsatz 32,2 Mrd. € – 35.000 Beschäftigte
  10. Saint-Gobain – Umsatz 29,6 Mrd. € – 172.000 Beschäftigte
  11. Groupe Auchan – Umsatz 28,7 Mrd. € – 156.000 Beschäftigte
  12. Veolia Environnement – Umsatz 28,6 Mrd. € – 257.000 Beschäftigte
  13. Centres Leclerc – Umsatz 27,2 Mrd. € – 84.000 Beschäftigte

Energie und Bodenschätze

Die Energiewirtschaft Frankreichs beschäftigte 2008 194.000 Personen (0,8 % der Erwerbsbevölkerung) und trug 2,1 % zum BIP bei.[47] Ursprünglich verfügte Frankreich über reiche Kohlevorkommen, die Kohleförderung erreichte jedoch bereits 1958 mit der Förderung von 60 Millionen Tonnen ihren Höhepunkt. 1973 förderte man noch 29,1 Millionen Tonnen, 2004 schloss mit La Houve in Lothringen die letzte Kohlegrube Frankreichs. Kohle wird heute vor allem aus Australien, den USA und Südafrika importiert und in der Stahlindustrie und Wärmekraftwerken (6,9 GW installierte Leistung) verwendet.[48]

Frankreich verfügt über sehr geringe Vorkommen an Erdöl und Erdgas, die den Gesamtverbrauch des Landes für gerade zwei Monate decken könnten. Neben den knapp 1 Million Tonnen Öl, die jährlich in Frankreich selbst gefördert werden, wird Erdöl aus dem Nahen Osten (22 %), den Nordsee-Anrainerstaaten (20 %), Afrika (16 %) und der früheren Sowjetunion (29 %) importiert. Insgesamt verbrauchte Frankreich 2008 82 Millionen Öleinheiten an Erdölprodukten, davon knapp die Hälfte für den Verkehr. Die 13 Raffinerien des Landes können 98 Millionen Tonnen Öl jährlich verarbeiten.[49] 22 % des Energieverbrauches wird von Erdgas abgedeckt, vor allem im Wohnbereich und in der Industrie. Das Erdgas im Wert von 26 Milliarden Euro, das Frankreich 2008 importierte, stammte vor allem aus Norwegen, Russland, Algerien und den Niederlanden.[50]

Die Ölpreisschocks der 1970er Jahre veranlassten die Regierung, ein Nuklearprogramm zu initiieren. Von den 44 Millionen Öleinheiten an Energie, die Frankreich 1973 produzierte, waren noch 9 % Atomenergie. 2008 wurden 137 Millionen Öleinheiten produziert, davon waren 84 % Atomenergie. Zu Beginn des Jahres 2009 waren in Frankreich 21 Kernkraftwerke mit 59 Reaktoren und einer Gesamtleistung von 63,3 GW am Netz. In die Kernkraftwerke wurden in Frankreich bisher 77 Milliarden Euro investiert; man schätzt, dass durch die nukleare Energiegewinnung jährlich 31 Millionen Tonnen CO2 vermieden werden.[51] Andererseits entstehen jährlich in den Atomkraftwerken mehr als 700.000 m³ Atommüll. Von den 442 TWh elektrischer Energie, die 2008 in Frankreich erzeugt wurden, wurden 65 % in den Privathaushalten und weitere 27 % in der Industrie verbraucht. Frankreich ist auch ein Stromexporteur, 2008 wurden 50 TWh an die Nachbarländer verkauft, größte Abnehmer sind Italien und Großbritannien. [52] Marktführer bei der Erzeugung elektrischer Energie ist der staatlich dominierte Konzern Électricité de France.

Erneuerbare Energieträger spielen in Frankreich eine untergeordnete Rolle: 5,5 % der Energie werden aus Wasserkraft, 8,7 % aus Holz, 2,1 % aus Biomasse, 1,2 % aus Müll und 0,49 % aus Wind gewonnen.[53]

Staatshaushalt

Der Staatshaushalt umfasste 2009 Ausgaben von umgerechnet 1,445 Bio. US-Dollar, dem standen Einnahmen von umgerechnet 1,229 Bio. US-Dollar gegenüber. Daraus ergibt sich ein Haushaltsdefizit in Höhe von 8,2 % des BIP.[54]

Die Staatsverschuldung betrug 2009 2,1 Bio. US-Dollar oder 79,7 % des BIP.[54]

2006 betrug der Anteil der Staatsausgaben (in % des BIP) folgender Bereiche:

  • Gesundheit:[55] 11,0 %
  • Bildung:[54] 5,7 % (2005)
  • Militär:[54] 2,6 % (2005)

Kultur

Frankreich leitet seinen Rang in Europa und der Welt auch aus den Eigenheiten seiner Kultur ab, die sich insbesondere über die Sprache definiert (Sprachschutz- und -pflegegesetzgebung). In der Medienpolitik wird die eigene Kultur und Sprache durch Quoten für Filme und Musik gefördert. Frankreich verfolgt in der Europäischen Union, der UNESCO und der WTO mit Nachdruck seine Konzeption der Verteidigung der kulturellen Vielfalt („diversité culturelle“): Kultur sei keine Ware, die schrankenlos frei gehandelt werden kann. Der Kultursektor bildet daher eine Ausnahme vom restlichen Wirtschaftsgeschehen („exception culturelle“).

Landesweite Pflege und Erhalt des reichen materiellen kulturellen Erbes wird als Aufgabe von nationalem Rang angesehen. Dieses Verständnis wird durch staatlich organisierte oder geförderte Maßnahmen, die zur Bildung eines nationalen kulturellen Bewusstseins beitragen, wirksam in die Öffentlichkeit transportiert. Im jährlichen Kulturkalender fest verankerte Tage des nationalen Erbes, der Musik oder des Kinos beispielsweise finden lebhaften Zuspruch in der Bevölkerung. Großzügig zugeschnittene kulturelle Veranstaltungen entsprechen dem Selbstverständnis Frankreichs als Kulturnation und von Paris als Kulturmetropole. Die Förderung eines kulturellen Profils der regionalen Zentren in der Provinz wird verstetigt.

Architektur

Die ältesten architektonischen Spuren in Frankreich hinterließen die Römer vor allem in Südostfrankreich, wie beispielsweise das Amphitheater von Nîmes oder die Pont du Gard. Nach dem Zerfall der römischen Herrschaft wurden zunächst keine Bauwerke errichtet, die bis heute erhalten geblieben sind. Aus dem Mittelalter sind vor allem Sakralbauten erhalten geblieben, wie das Baptisterium Saint-Jean aus der Zeit der Karolinger, Kirchen in gotischem Stil wie St-Sernin de Toulouse, Ste-Foy de Conques oder Ste-Marie-Madeleine de Vézelay sowie Kirchen in romanischem Stil wie die Kathedrale von Beauvais. Daneben wurden Festungsstädte wie Carcassonne oder Aigues-Mortes errichtet.

Als die Renaissance auch in Frankreich aufkam, interpretierten die französischen Architekten diese Kunstform auf ihre Weise und errichteten zahlreiche Schlösser im ganzen Land. Das Schloss Ancy-le-Franc blieb das einzige vollständig von Italienern durchgeführte Bauwerk. Der Absolutismus führte dazu, dass der klassizistische Barock in ganz Frankreich bestimmend wurde, um die Macht des Königs zu symbolisieren. Zu den bedeutendsten Bauwerken dieser Zeit zählen der Louvre und Schloss Versailles, diese wurden auch zu vorbildern für Bauwerke im Ausland, etwa Schloss Sanssouci. Der technische Fortschritt ermöglichte es, Gebäude wie das Panthéon zu errichten, das für damalige Verhältnisse sehr wenig Baumaterial im Verhältnis zum umfassten Raum benötigte.

In der Zeit nach der französischen Revolution herrschte der Klassizismus mit kühler, disziplinierter und eleganter Architektur; Beispiele hierfür sind der Arc de Triomphe oder die Kirche La Madeleine in Paris. 1803 wurde die Académie des Beaux-Arts gegründet, französische Architektur wurde erneut in zahlreichen Ländern imitiert, besonders in den USA, gleichzeitig wurden neue Baumaterialien eingeführt; es entstanden Monumente wie der Eiffelturm oder der Pariser Zentralmarkt Les Halles und man begann mit der Restaurierung von Baudenkmälern.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam zunächst der Jugendstil auf, aus dem sich in Frankreich rasch das Art Déco entwickelte. In diesen Stilrichtungen sind zahlreiche Eingänge von Métrostationen in Paris sowie das Théâtre des Champs-Élysées erhalten. Der Internationale Stil, der maßgebend von Le Corbusier mitgetragen wurde, zeichnete sich durch unverzierte geometrische Formen aus, Beispiel ist die Villa Savoye. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden einige prestigeträchtige Bauten in Frankreich erstmals durch Ausländer verwirklicht, wie das Centre Pompidou oder die Pyramide im Louvre. Zu den neuesten architektonischen Errungenschaften Frankreichs gehören schließlich das Institut du monde arabe und die Bibliothèque Nationale François Mitterrand.[56]

Film und Kino

Frankreich gilt als der Geburtsort des Filmes. Im Jahre 1895 veranstalteten die Brüder Lumière in Paris die erste kommerzielle Filmvorführung. Industrielle wie Charles Pathé und Léon Gaumont investierten große Summen in die Technik und Herstellung, so dass französische Unternehmen den Weltmarkt für Filme dominierten; in Paris gab es 1907 bereits mehr als 100 Vorführungshallen, 1920 waren es in Frankreich schon mehr als 4500. Auf Pathé geht auch die bis heute übliche Praxis des Filmverleihs zurück, nachdem er 1907 entschied, Filme nicht mehr als Meterware zu verkaufen.[57] Der Ausbruch des ersten Weltkrieges und der damit verbundenen Flucht zahlreicher Filmschaffender in die USA sowie die Einführung der Tonfilm-Technologie, die in Frankreich zunächst nicht eingeführt wurde, führten dazu, dass der Schwerpunkt der Filmproduktion sich in die USA verlagerte.

Die 1930er Jahre gelten als Goldenes Zeitalter des französischen Films. Die Weltwirtschaftskrise bedingten niedrige Budgets, junge Regisseure wie Jean Renoir und Stars wie Jean Gabin, Pierre Brasseur und Arletty brachten sehr kreative und teils auch sehr politische Werke hervor (Poetischer Realismus). Auch nach Ausbruch des zweiten Weltkrieges florierte der Film; die Vichy-Regierung gründete mit der Comité d’organisation de l’industrie cinématographique die Vorläuferorganisation des heutigen CNC. Trotz Mangelwirtschaft, Zensur und Emigration entstanden etwa 220 Filme, die sich vor allem auf die Ästhetik des gezeigten konzentrierten.

Nach 1945 setzt sich die französische Regierung das Ziel, die Filmindustrie wieder aufzubauen. Um die Dominanz des amerikanischen Films zu brechen, werden im Blum-Byrnes-Abkommen Einfuhrquoten festgelegt. Die Internationalen Filmfestspiele von Cannes werden gegründet, eine Zusammenarbeit mit Italien vereinbart und gesetzliche und finanzielle Unterstützungen beschlossen. In den 1950er Jahren wurden vor allem Literaturverfilmungen mit großem Augenmerk auf die Qualität (cinéma de papa) produziert, bis 1956 die weibliche Sexualität mit dem Auftauchen eines neuen Stars, Brigitte Bardot, filmfähig gemacht wurde.

Die Nouvelle Vague, die ab dem Ende der 1950er Jahre von einer Generation junger Regisseure wie Jean-Luc Godard, Claude Chabrol und Jacques Rivette getragen wird, bringt Anti-Helden auf die Leinwand, thematisiert deren intime Gedanken, macht Filme mit hohem Tempo und offenen Enden. Neue Technik ermöglicht eine neue Ästhetik und erlaubt es Halb-Profis, mit niedrigem Budget Filme zu verwirklichen. Die Kreativität der Nouvelle Vague war international äußerst einflussreich und wurde durch die Einrichtung der Cinémas d'art et d'essai noch gefördert. Das Jahr 1968 brachte auch im französischen Film eine Zäsur, die zu stark politischen Filmen und zu einer stärkeren Präsenz von Frauen im Metier führte. Gleichzeitig setzte sich das Fernsehen durch; dies brachte neue Strukturen bei der Finanzierung und Distribution von Filmen mit sich.

In den 1980er Jahren investierte die neue sozialistische Regierung stark in die Kultur, Budgets für Filmproduktionen stiegen, während gleichzeitig die amerikanische Vorherrschaft bekämpft wurde. Es kam zu aufwändigen Verfilmungen von Literaturklassikern. Parallel kam die Strömung des unpolitischen cinéma du look auf, in dem Farben, Formen und Stil die Handlung überdeckten.[58]

Naturschutz

Frankreich unterhält Naturschutzgebiete verschiedener Kategorien im europäischen Kernland und in den Übersee-Départements. Es sind dies derzeit:

  • 9 Nationalparks mit einer Fläche von etwa 4,5 Millionen Hektar
  • 45 Regionale Naturparks mit einer Fläche von mehr als 7 Millionen Hektar sowie
  • eine Vielzahl von Schutzzonen, wie
    • Naturreservate (Réserve Naturelle),
    • Natura 2000 – Gebiete der EU,
    • Biosphärenreservate der UNESCO.

Weitere Naturschutzgebiete sind in Planung und Vorbereitung.

Sport

Anders als in vielen anderen Ländern ist der Fußball in Frankreich bis heute nicht die unangefochtene Nummer 1 unter den Sportarten. Besonders Rugby ist im Südwesten des Landes populärer. Das Interesse am Fußball hängt sehr stark mit der Leistung französischer Mannschaften auf internationaler Ebene zusammen. Als identitätsstiftendes Band gerade zwischen den verschiedenen sozialen und ethnischen Gruppen Frankreichs gilt die französische Fußball-Nationalmannschaft. Die so genannte équipe tricolore trägt ihre Heimspiele meist im Stade de France in Saint Denis bei Paris aus.

1998 wurde in Frankreich die Fußball-Weltmeisterschaft ausgetragen. Im Endspiel gegen Brasilien gewann der Gastgeber das Turnier.

Ähnlich populär dem Fußball ist Rugby Union. Gerade in den südlichen und südwestlichen Regionen ist Rugby tatsächlich der weitaus beliebteste Sport. Die höchste Liga ist die Top 14 (siehe auch Rugby Union in Frankreich). Das Meisterschaftsendspiel findet jährlich im Stade de France statt. Die Nationalmannschaft, von den Fans „Les Bleus“ genannt, was später auch auf die Fußballequipe übertragen wurde, gilt seit Jahrzehnten kontinuierlich als eines der besten Teams der Welt und war bislang bei jeder Weltmeisterschaft mindestens ins Viertelfinale vorgedrungen. Insgesamt wurde sie zweimal Vizeweltmeister und errang einmal den dritten Platz. Nationalstadion ist das Stade de France in St. Denis nahe Paris. Die besten Vereinsmannschaften der letzten Jahre sind Stade Toulousain, das insgesamt 16 Mal die französische Meisterschaft und dreimal den europäischen Heineken Cup gewinnen konnte, der aktuelle Meister Stade Français aus Paris mit 13 Meisterschaftserfolgen und der Meister der beiden Vorjahre Biarritz Olympique mit fünf nationalen Meisterschaftstiteln.

In der Zeit vom 7. September bis zum 20. Oktober 2007 fand erstmals die Rugbyweltmeisterschaft in Frankreich statt und man zählte „Les Bleus“ zu den Topfavoriten auf den Titel. Allerdings kamen sie nicht über einen 4. Platz hinaus. Weltmeister wurde Südafrika.

Weitere populäre Sportarten sind der Radsport (insbesondere im Juli, während der dreiwöchigen Tour de France), Leichtathletik, Formel 1 (Großer Preis von Frankreich in Magny Cours) und Pétanque (Mondial la Marseille à Pétanque)

Großer Beliebtheit erfreut sich in den vergangenen Jahren auch Tennissport. 1997 und 2003 konnten die Französischen Tennisdamen den Fed Cup gewinnen. Außerdem siegte Mary Pierce im Jahre 2000 bei den French Open.

In Frankreich fanden bereits mehrmals Olympische Spiele statt: Sommerspiele 1900 und 1924 in Paris, Winterspiele in Chamonix 1924, Grenoble 1968 und Albertville 1992.

Musik

Die französische Musik erreichte mit der Klassik eine erste Blüte. Komponisten wie Lully, Charpentier (16. Jahrhundert), Rameau (17. Jahrhundert), Berlioz, Gounod und Bizet. Die französische klassische Musik galt jedoch als technik- und formenlastig.[59] Den Übergang zur Moderne in gesellschaftspolitischer wie musikalischer Sicht verkörpert Debussy am besten; weiters sind Maurice Ravel und der ebenfalls sehr experimentell arbeitende Erik Satie in dieser Epoche bedeutend.[60] Der Beginn der Avantgarde in der Musik wird besonders durch die Groupe des Six eingeleitet. Hauptfigur der zeitgenössischen Musik ist Pierre Boulez.

Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts befindet sich die populäre Musik im Aufwind. Das bekannteste einheimische Genre ist das Chanson, eine Liedgattung mit starker Konzentration auf den Text. Die wichtigsten Künstler des Chanson sind Édith Piaf, Boris Vian, Georges Brassens, Charles Aznavour oder Yves Montand. Ausländische Musikstile finden ihren Widerhall in Frankreich: Nach dem Ende des ersten Weltkrieges begann der Jazz die französische Musik zu beeinflussen, mit Django Reinhardt oder Stéphane Grappelli stellte Frankreich auch bedeutende Künstler des Jazz.

In der Rock- und Popmusik prägten etwa Daft Punk und Étienne de Crécy den French House, Gotan Project ist Vorreiter des so genannten Electrotango und St. Germain steht für eine Kombination von Jazz und House. Air wiederum ist ein bekannter Vertreter von Ambient-Musik. Der Rap wurde in Frankreich adaptiert, erfolgreichster Vertreter des Französischen Hip-Hop ist MC Solaar.[59]

Lokal verbreitete Musikstile sind die Bretonische Musik, deren bedeutendster Künstler Alan Stivell ist, oder die Korsische Musik mit Bands wie I Muvrini. Zahlreiche afrikanische und maghrebinische Künstler leben und arbeiten in Frankreich, so gibt es eine lebendige Raï-Szene und zahlreiche Veranstaltungen mit afrikanischer Musik.

Die fünf Musiker, die zwischen 1955 und 2009 die meisten Platten in Frankreich verkauften, sind Claude François, Johnny Hallyday, Sheila, Michel Sardou und Jean-Jacques Goldman.[61]

Medien

Die wichtigsten französischen Printmedien sind die nationalen Tageszeitungen:

  • Le Monde (Linksliberal, Druckauflage 2003 ca. 500.000 Exemplare)
  • Libération (linksorientiert, 200.000 Exemplare)
  • Le Figaro (konservativ, Auflage: 450.000 Exemplare)
  • Les Échos, La Tribune (Wirtschaft, 180.000 bzw. 125.000 Exemplare)
  • L’Humanité (kommunistisch, 74.000 Exemplare)
  • La Croix (katholisch, 114.000 Exemplare)
  • L’Équipe (Sport, 485.000 Exemplare)

Die wichtigsten Nachrichtenmagazine in Frankreich:

  • Le Nouvel Observateur (400.000 Exemplare)
  • L’Express (400.000 Exemplare)
  • Le Point (400.000 Exemplare)

Marianne

Größte Regionalzeitung ist die Ouest-France mit einer Druckauflage von 900.000 Exemplaren.

Bedeutend ist auch das jeweils mittwochs erscheinende Investigations- und Satireblatt Le Canard enchaîné mit einer Auflage von 550.000 Exemplaren.

Fernsehen

Wie in vielen anderen europäischen Ländern besteht auch in Frankreich eine Co-Existenz von öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsendern. Zur 1992 gegründeten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt France Télévisions gehören die Sender France 2, France 3, France 4, France 5 und France Ô.

Des Weiteren gibt es mit TV5 und ARTE zwei weitere Sender, an denen France Télévisions beteiligt ist. TV5 ist ein französischsprachiges Gemeinschaftsprogramm der Staaten Frankreich, Belgien, dem französischsprachigen Teil Kanadas und der Schweiz. ARTE ist ein deutsch-französischer Sender, der von ARTE France zusammen mit den deutschen Rundfunkanstalten ARD und ZDF betrieben wird. France Télévisions ist darüber hinaus an dem Nachrichtensender EuroNews beteiligt.

Der größte Fernsehsender Frankreichs ist der Privatsender TF1, der bis 1987 noch öffentlich-rechtlich war. TF1 ist außerdem alleiniger Gesellschafter des Sportsenders Eurosport. Seit Dezember 2006 sendet der von TF1 und France Télévisions produzierte französische Nachrichtensender France24.

Bibliotheken

Die Bibliotheken sind weitgehend Mediatheken und konnten in den vergangenen 15 Jahren ihre Benutzerzahl verdoppeln (2005: 21 Millionen; 1989: 10,5). Mehr als 40 Prozent der Franzosen über 15 Jahren sind eingeschriebene Bibliotheksgänger und leihen zu 90 Prozent Bücher aus. Im Angebot sind meist auch CDs und DVDs und Internetnutzung. (Quelle: F.A.Z. 6. Juni 2006)

Feiertage

  • 1. Januar Neujahr
  • 1. Mai Tag der Arbeit/Maifeiertag
  • 8. Mai Tag des Sieges (fête de la victoire)
  • 7 Wochen nach Ostern Pfingstmontag
  • 10 Tage vor Pfingsten Christi Himmelfahrt (jour de l’Ascension)
  • 14. Juli Tag des 14. Juli („Fête nationale“) – Jahrestag des Sturms auf die Bastille 1789
  • 15. August Maria Himmelfahrt
  • 1. November Allerheiligen
  • 11. November Waffenstillstand von Rethondes zur Beendigung des Ersten Weltkrieges
  • Dezember Weihnachtsfeiertag

Literatur

  • Alfred Pletsch: Länderkunde Frankreich. WBG Darmstadt 2003, 2. Aufl. ISBN 3-534-11691-7
  • Wilfried Loth: Geschichte Frankreichs im 20. Jahrhundert. Frankfurt 1995, ISBN 3-596-10860-8.
  • Bernhard Schmidt, Jürgen Doll, Walther Fekl, Siegfried Loewe und Fritz Taubert: Frankreich-Lexikon. Schlüsselbegriffe zu Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, Geschichte, Kultur, Presse- und Bildungswesen. 2. überarbeitete Auflage 2005 ISBN 3-503-06184-3, Studienausgabe 2007, ISBN 3-503-07991-2
  • Ralf Nestmeyer: Französische Dichter und ihre Häuser. Insel, Frankfurt 2005, ISBN 3-458-34793-3.
  • Informationen zur politischen Bildung Heft Nr. 285 Frankreich mit Karten, (auch online einsehbar, jedoch ohne die Karten und Bilder) BpB Bonn 2004 (mit Literatur, Internet-Hinweisen)
  • Adolf Kimmel & Henrik Uterwedde (Hgg): Länderbericht Frankreich BpB, Schriftenreihe Band 462, 2. Aufl. 2005 ISBN 3-89331-574-8
  • Karl Stoppel Hg.: La France. Regards sur un pays voisin. Eine Textsammlung zur Frankreichkunde Quellen und Originaltexte, in frz. Sprache, Vokabular. Reclam, Ditzingen 2000; 2. durchges. Aufl. Stuttgart 2008 (RUB 8906 Fremdsprachentexte)
  • Ludwig Watzal (Verantw.): Frankreich Zs. Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zu „Das Parlament“, 38/2007 v. 17. 9., Hg. Bundeszentrale für politische Bildung BpB, Bonn 2007 (Schwerpunktheft) ISSN 0479-611X
  • Robert Picht u.a. Hgg.: Fremde Freunde. Deutsche und Franzosen vor dem 21. Jahrhundert Piper, München 2002 ISBN 3-492-03956-1 (57 Essays von 52 Autoren zu Begriffen der dt.-frz. Geschichte, Politik, Kultur und Wirtschaft, u.a. Hans Manfred Bock, Freimut Duve, Etienne François)

Einzelnachweise

  1. ↑ Auswärtiges Amt
  2. ↑ a b Institut National de la Statistique et des Études Économiques: Bilan démographique 2009
  3. ↑ a b Institut National de la Statistique et des Études Économiques: Population totale par sexe et âge au 1er janvier 2010, France métropolitaine
  4. ↑ Human Development Report 2009, abgerufen am 13. November 2009
  5. ↑ Haensch, Günther und Tümmers, Hans J.: Frankreich: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft. München 1993, ISBN 3-406-37491-3, S.234
  6. ↑ a b Ernst Ulrich Grosse und Heinz-Helmut Lüger: Frankreich verstehen, Darmstadt 1997, S. 168ff
  7. ↑ a b c d e f g Insee: Bilan démographique 2009 - Deux pacs pour trois mariages, Januar 2010, besucht am 26. Januar 2010
  8. ↑ Eurostat: Taux de fertilité total, besucht am 26. Januar 2010
  9. ↑ Haensch, Günther und Tümmers, Hans J.: Frankreich: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft. München 1993, ISBN 3-406-37491-3, S.241
  10. ↑ Haensch, Günther und Tümmers, Hans J.: Frankreich: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft. München 1993, ISBN 3-406-37491-3, S.238
  11. ↑ a b c d Ernst Ulrich Grosse und Heinz-Helmut Lüger: Frankreich verstehen, Darmstadt 1997, S. 173ff
  12. ↑ Insee: Population selon la nationalité , besucht am 26. Januar 2010
  13. ↑ a b Catherine Borrel, Insee: Enquêtes annuelles de recensement 2004 et 2005 - Près de 5 millions d’immigrés à la mi-2004 , besucht am 26. Januar 2010
  14. ↑ Haensch, Günther und Tümmers, Hans J.: Frankreich: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft. München 1993, ISBN 3-406-37491-3, S.256ff
  15. ↑ Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland: Frankreich: Kultur und Bildung, Stand Oktober 2009, besucht am 20. Januar 2010.
  16. ↑ Haensch, Günther und Tümmers, Hans J.: Frankreich: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft. München 1993, ISBN 3-406-37491-3, S.247
  17. ↑ Haensch, Günther und Tümmers, Hans J.: Frankreich: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft. München 1993, ISBN 3-406-37491-3, S.251
  18. ↑ Legifrance: La Constitution du 4 Octobre 1958, besucht am 28. Dezember 2009.
  19. ↑ Französisches Außenministerium: Der Laizismus in Frankreich, Mai 2007
  20. ↑ Institut National de la Statistique et des Études Économiques: Les valeurs en France, 2002/2003, S.4
  21. ↑ Pew Global Attitudes Project: Unfavourable Views of Jews and Moslems on the Increase in Europe, 17. September 2008, S. 5
  22. ↑ Library of Congress - Federal Reserve Division: Country Profile France, S. 2-5
  23. ↑ Stephen C. Jett und Lisa Roberts: Modern World Nations - France, Philadelphia 2003, ISBN 0-7910-7607-5, S.35-64
  24. ↑ Haensch, Günther und Tümmers, Hans J.: Frankreich: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft. München 1993, ISBN 3-406-37491-3, S.93f
  25. ↑ Haensch, Günther und Tümmers, Hans J.: Frankreich: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft. München 1993, ISBN 3-406-37491-3, S.107f
  26. ↑ Haensch, Günther und Tümmers, Hans J.: Frankreich: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft. München 1993, ISBN 3-406-37491-3, S.101f
  27. ↑ Haensch, Günther und Tümmers, Hans J.: Frankreich: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft. München 1993, ISBN 3-406-37491-3, S.119ff
  28. ↑ Haensch, Günther und Tümmers, Hans J.: Frankreich: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft. München 1993, ISBN 3-406-37491-3, S.133ff
  29. ↑ Haensch, Günther und Tümmers, Hans J.: Frankreich: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft. München 1993, ISBN 3-406-37491-3, S.104ff
  30. ↑ Haensch, Günther und Tümmers, Hans J.: Frankreich: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft. München 1993, ISBN 3-406-37491-3, S.146ff
  31. ↑ France Diplomatie: Außenpolitische Maßnahmen, besucht am 17. Januar 2010
  32. ↑ Die Presse: Parlament segnet Frankreichs Rückkehr in die Nato ab vom 17. März 2009.
  33. ↑ Haensch, Günther und Tümmers, Hans J.: Frankreich: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft. München 1993, ISBN 3-406-37491-3, S.206
  34. ↑ Haensch, Günther und Tümmers, Hans J.: Frankreich: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft. München 1993, ISBN 3-406-37491-3, S.219
  35. ↑ Haensch, Günther und Tümmers, Hans J.: Frankreich: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft. München 1993, ISBN 3-406-37491-3, S.215
  36. ↑ Insee: Département::Définition, besucht am 20. Januar 2010
  37. ↑ a b Insee: Circonscriptions administratives des régions au 1er janvier, Stand 1. Januar 2009, besucht am 20. Januar 2010
  38. ↑ Insee: Arrondissement::Définition, besucht am 20. Januar 2010
  39. ↑ Haensch, Günther und Tümmers, Hans J.: Frankreich: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft. München 1993, ISBN 3-406-37491-3, S.208
  40. ↑ Insee: Commune::Définition, besucht am 20. Januar 2010
  41. ↑ Süddeutsche Zeitung: Frankreich verkauft Autobahnen für 14,8 Milliarden Euro, 14. Dezember 2005
  42. ↑ Aéroports de Paris: Présentation des résultats 2008, 12. März 2009
  43. ↑ Institut National de la Statistique et des Études Économiques: Montant du salaire minimum interprofessionell de croissance (SMIC)
  44. ↑ Eurostat News Release 63/2006: Regional GDP per inhabitant in the EU 25[1]
  45. ↑ The World Factbook: Importe Frankreichs 2009 (englisch)
  46. ↑ The World Factbook: Exporte Frankreichs 2009 (englisch)
  47. ↑ Commissariat général au développement durable: Chiffres clés de l'énergie, édition 2009, Dezember 2009, S.2
  48. ↑ Commissariat général au développement durable: Chiffres clés de l'énergie, édition 2009, Dezember 2009, S.2, S.12-14
  49. ↑ Commissariat général au développement durable: Chiffres clés de l'énergie, édition 2009, Dezember 2009, S.5, S.15-18
  50. ↑ Commissariat général au développement durable: Chiffres clés de l'énergie, édition 2009, Dezember 2009, S.19-21
  51. ↑ Ministère de l'Économie, des Finances et de l'Industrie: L'energie nucleaire - présentation générale, 31. Oktober 2006, besucht am 30. Januar 2010
  52. ↑ Commissariat général au développement durable: Chiffres clés de l'énergie, édition 2009, Dezember 2009, S.2, S.5, S.23
  53. ↑ Commissariat général au développement durable: Chiffres clés de l'énergie, édition 2009, Dezember 2009, S.27
  54. ↑ a b c d The World Factbook
  55. ↑ Der Fischer Weltalmanach 2010: Zahlen Daten Fakten, Fischer, Frankfurt, 8. September 2009, ISBN 978-3-596-72910-4
  56. ↑ David A. Hanser: Architecture of France, Westport 2006, ISBN 0-313-31902-2, S. xxii ff.
  57. ↑ Jean-Pierre Jeancolas: Histoire du cinéma français, éd. Nathan 2000, ISBN 2-09-190742-1, S.19
  58. ↑ Jill Forbes und Sue Harris: Cinema, in: Nicholas Hewit (Hrsg.): The Cambridge Companion to modern French culture, Cambridge 2003, ISBN 0-521-79123-5, S. 319-336
  59. ↑ a b Colin Nettelbeck: Music, in: Nicholas Hewit (Hrsg.): The Cambridge Companion to modern French culture, Cambridge 2003, ISBN 0-521-79123-5, S. 272-289
  60. ↑ Memo.fr: La musique française, besucht am 27. August 2010.
  61. ↑ Musique-franco.com: La musique française: artistes connus, histoires et paroles de chansons, besucht am 27. August 2010.

 

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Franzosen

Franzosen sind eine romanisch-sprachige Nation in Westeuropa. Im Selbstverständnis der Französischen Republik ist die Nation keine ethnische Gruppe, viele Franzosen lehnen den Gedanken an eine über die Staatsbürgerschaft hinausgehende ethnische Zuordnung ab.[1] Dem stehen nationalistische bzw. rassistische Auffassungen entgegen, französischen Staatsbürgern, die aus Gebieten außerhalb des europäischen Frankreich stammen, aufgrund ihrer Hautfarbe, Religion oder ethnischen Herkunft die Zugehörigkeit zum Staatsvolk absprechen.

Einige Minderheiten in Frankreich bezeichnen sich selbst etwa als Bretonen, Okzitanier,[2] Elsässer oder Korsen. Sie beanspruchen damit für ihre jeweilige Gruppe den Status einer eigenen ethnischen Gruppe und grenzen sich auf diese Weise von der Titularnation der „Franzosen“ im ethnischen Sinne ab.

Französische Ethnogenese

Moderne Mythen über antike Vorfahren

Der französische Nationalmythos beginnt bereits mit den Kelten (Gallier), jenem indoeuropäischen Stamm, der sich am frühesten gelöst hatte und am weitesten nach Westen vorgedrungen war, und in den fünf Jahrhunderten bis zur Eroberung durch Caesar (seit 58 v. Chr.) eine eigene Kultur entwickelt hatte. Zu den mächtigsten Stämmen gehörten die Arverner im Gebirgsland der Auvergne und die Äduer zwischen Saône und Loire.[3][4][5] Die indoeuropäischen Kelten hatten zuvor die Urbevölkerung (z. B. Ligurer) in den Süden abgedrängt, nur ein Zweig der Iberer, die Aquitaner, hat sich bis heute in geringen Resten in den westlichen Tälern der Pyrenäen erhalten. Der Name Gascogne (vasconia) erinnert an die frühere weitere Ausbreitung der Basken, die in Frankreich aber nicht – wie in Spanien – ihre nationale Sonderstellung bewahrt haben.

Ein Nationaldenkmal für den legendären Gallierfürsten Vercingetorix wurde erst 1864 von Napoleon III. errichtet, seine trotzige Kapitulation vor Caesar wurde nach der französischen Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) zum nationalen Mythos überhöht.

Nach der römischen Eroberung hatte sich der Großteil des keltischen Adels assimiliert, große Teile der keltischen Bevölkerung waren daraufhin mit Römern zu einer galloromanischen Bevölkerung verschmolzen oder zumindest vermischt und romanisiert. Sie genossen römische Bürgerrechte und waren spätestens im 4. Jahrhundert christianisiert worden.

Vermischungen der Völkerwanderungszeit

Die christianisierte galloromanische Bevölkerung wurde im Zuge der Völkerwanderung im Südosten zunächst von Burgundern, im Südwesten von Westgoten und allesamt schließlich von toxandrischen Franken unterworfen. Die Franken waren ihrerseits allerdings selbst ein buntes Gemisch „freier“ Stämme. Gegenüber einigen Millionen unterworfener Galloromanen zählte die Oberschicht der fränkischen Eroberer nur einige Hunderttausend, mit der (katholischen) Taufe des Frankenkönigs Chlodwigs (um 500) verband sie sich mit dem einheimischen Adel, allmählich bildete sich eine neue Mischbevölkerung heraus. Zu den germanischen Völkern der Völkerwanderung kamen ab dem 10. Jahrhundert noch die Normannen in der Normandie hinzu. Bei diesen zeigte sich die Assimilationsfähigkeit der galloromanischen Mehrheit am deutlichsten: innerhalb weniger Generationen waren die Normannen ganz in ihr aufgegangen und francophone Normannen eroberten England sowie Süditalien.

Die ebenfalls im Rahmen der Völkerwanderung erst im 5. Jahrhundert eingewanderten, nichtromanischen (keltischen) Bretonen behielten ihre Eigenart hingegen bis heute bei.

Im Zuge der Ausbildung eines christlichen Universalreiches unter Karl dem Großen hatte die galloromanische Kultur eine kosmopolitische Prägung erhalten. Nach der Teilung des Reiches 843 zeigte sich zum ersten Mal die Einheit der galloromanischen Nation im Aufkommen der neuen Sprache.[3] Im Norden und Osten fiel der Großteil des einstigen Siedlungsgebiets der germanischen Franken bei der Reichsteilung an das Ostfrankenreich (das spätere Deutschland), im Westfrankenreich (das spätere Frankreich) dominierte das Galloromanische. Bis ins 10. Jahrhundert wurde jedoch zumindest ideell sowohl von karolingisch-westfränkischen als auch von ostfränkischen Herrschern an der Reichseinheit festgehalten, die Entstehung des ersten französischen Staates wird daher von den meisten Historikern erst mit der Königskrönung Hugo Capets (987) angesetzt.

Nation und Nationalstaat im Mittelalter

Die Vermischung von Franken und Galloromanen war von Nord nach Süd in unterschiedlich intensivem Maße erfolgt. Im Süden gab es noch eine Zeitlang burgundische und gotische, im Norden und Osten fränkische Siedlungsreste. Zudem bildete Südfrankreich noch um 1000 eine romanische Sprachbrücke eher nach Spanien (Okzitaner, Katalanen) als nach Nordfrankreich. Diese Unterschiede wurden durch die zwischenzeitliche Schwäche des Pariser Königtums gegenüber regionalen Herzögen und später gegenüber englischen Königen gefördert.

Im Ergebnis mehrerer Schlüsselereignisse des Mittelalters bildete sich schließlich eine französische Nation bzw. ein früher Nationalstaat heraus

  • während der Kreuzzüge kämpften Nordfranzosen und Südfranzosen gemeinsam, ihr Anführer Ludwig der Heilige († 1270) wurde zum französischen Nationalheiligen
  • mit dem Albigenserkreuzzug bzw. der Eroberung der Grafschaft Toulouse wurde die religiöse, kulturelle und staatliche Einigung abgeschlossen, die Südfranzosen standen fortan unter der Herrschaft der Nordfranzosen
  • der Gallikanismus trug zur Herausbildung einer von Rom unabhängigen katholischen Nationalkirche bei
  • im Hundertjährigen Krieg behauptete Frankreich seine nationale Unabhängigkeit gegenüber einer englischen Dynastie (neben dem französischen entstand so auch ein englisches Nationalbewusstsein) und Burgund, Jeanne d’Arc († 1431) wurde (neben Ludwig) zur Nationalheiligen
  • die Gefahr eines burgundischen Gegenreiches wurde durch die Aufteilung des burgundischen Erbes abgewendet und der französische Nationalstaat abgerundet

Nationalbewusstsein der Neuzeit

Zur endgültigen Herausbildung eines Nationalbewusstseins kam es bei den Franzosen in Folge der Französischen Revolution ab 1789. Die Nation definierte sich nicht im ethnischen Sinn als Abgrenzung von Nachbarvölkern sondern im demokratischen Sinn als Vertreter des Volkswillens und somit als souveräner Gegenspieler gegen ein absolutes Königtum. Nicht die Einwohner von Paris oder die französischsprachigen Katholiken, sondern die Delegierten des Dritten Stands proklamierten sich daher zur Nationalversammlung (Ballhausschwur). Die Nation wurde eine Staatsnation, sie bestand nicht primär aus ethnischen Franzosen, sondern aus Citoyen bzw. dem Wahlvolk mit staatsbürgerlichen Rechten und republikanischen Idealen.

Die nicht-französischsprachigen Staatsbürger wurden allerdings durch die Wehrpflicht und später durch die Schulpflicht bzw. die damit verbundene obligatorische Verwendung und Verbreitung der offiziellen Amtssprache assimiliert und franzosisiert, das Hochfranzösische verdrängte z. B. das Okzitanische fast völlig. Das mit dem Papsttum geschlossene Konkordat von 1801 bestätigte die Mehrheitsstellung des Katholizismus und führte gleichzeitig die Trennung von Staat und Religion ein, bis 1905 mit dem Gesetz zur Trennung von Religion und Staat der Laizismus gesetzlich festgelegt wurde.

Das neue Selbstbewusstsein des sich auf die römische Republik (z. B. Brutus) berufende Bürgertums, das schließlich in der Hinrichtung des Königs (1793) kulminierte, griff in den Revolutionskriegen auch auf die französische Bauernschaft über (die damals 90 % der Bevölkerung ausmachte) und entwickelte sich zu einem Sendungsbewusstsein. Die Grande Nation sah sich fortan als Vorkämpfer für Demokratie und Freiheit und die Einigung Europas unter französischer Vorherrschaft, was auch nach der Niederlage Napoleons anhielt (Julirevolution von 1830, Februarrevolution 1848, Pariser Kommune 1871, Studentenrevolte 1968). Marianne wurde zum Symbol der Freiheit und zum idealistischen Prototyp der französischen Frau.

Napoleon I. allerdings hatte schon 1799 das römisch-republikanische Vorbild durch das römisch-imperiale Vorbild (Caesar) ersetzt und eine französische Vorherrschaft wie schon unter Karl dem Großen und dem Sonnenkönig Ludwig XIV. angestrebt. Als Repräsentant der Volkssouveränität krönte sich Napoleon zum Kaiser der Franzosen (empereur des Français), nicht zum Kaiser von Frankreich. Das 50-Millionen-Einwohner-Kaiserreich schloss Millionen Deutsche, Niederländer, Italiener und Kroaten als französische Staatsbürger ein. Die bourbonische Restauration bemühte sich, die bürgerlich-freiheitlich-republikanischen Ideale durch religiös-monarchistische Inhalte zu ersetzen, (so wurden die 1823 zur Niederschlagung der liberalen Revolution in Spanien einfallenden bourbonischen Truppen als die „100.000 Söhne des heiligen Ludwig“ bezeichnet, die Jesuitische Mission in Übersee wurde gefördert), doch spätestens seit der Orientkrise bzw. der Rheinkrise von 1840 kam wieder eine nationalistische Note hinzu, die religiöse Komponente geriet spätestens mit dem Ende der Monarchie ins Hintertreffen. Ab 1852 propagierte Napoleon III. zudem Panlatinismus. So entstand auch auf kolonialistischem Gebiet ein zivilisatorisches und missioniarisches Sendungsbewusstsein, welches nach der Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg auch einen revanchistischen Chauvinismus hervorbrachte und kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs (1919) in einem erneuten französischen Hegemonieanspruch über Europa führte. Eine Erneuerung des französischen Nationalbewusstseins auf der Rechten bewirkte in der Nachkriegszeit der Gaullismus: Anstelle der katholisch-konservativen oder faschistischen Ideen trat ein positiver Bezug auf die Errungenschaften der Französischen Revolution (und in deren Gefolge der republikanischen Staatsform und des Laizismus) und die Leistungen der Résistance, der beiden modernen Gründungsmythen Frankreichs. [6]

Hundert Millionen Franzosen

Bereits 1868 hatte der amerikanophile Publizist und Frankreichs späterer US-Botschafter Lucien-Anatole Prévost-Paradol seinen Kaiser Napoleon III. auf Frankreichs Bedeutung im Mittelmeerraum hingewiesen und gemahnt, dass es bis zu 100 Millionen Franzosen auf beiden Seiten des Mittelmeeres bedürfe, um einem weltpolitischen Hegemonieanspruch gegenüber angelsächsischen, deutschen und russischen Rivalen ausreichend Geltung zu verschaffen. Die koloniale Expansion (nach Marokko und Tunesien) sollte „Lebensraum“ und „Volkskraft“ für ein entsprechendes Bevölkerungswachstum bereiten.[7][8]

Zum Zeitpunkt seiner größten Ausdehnung (zwischen den beiden Weltkriegen) hatte das (Zweite) Französische Kolonialreich etwa 45 Millionen Einwohner, das französische Mutterland (France métropolitaine) zählte etwa 40 Millionen, während der „Erbfeind“ Deutschland 100 Millionen Einwohner zählte. Bis 1960 war die Bevölkerung Frankreichs auf knapp 46 Millionen angestiegen, doch hatte Frankreich inzwischen einige Kolonien verloren (Syrien/Libanon 1943/46, Indochina 1953/54, Französisch-Indien 1949/56, Marokko und Tunesien 1956/57, Guinea 1958). Die Bevölkerung der verbliebenen Kolonien war auf knapp 54 Millionen gewachsen.[9]

Assimilationspolitik

Bereits 1848 bzw. 1871 hatte Frankreich Algerien und 1916 die vier wichtigsten Städte des Senegal (Quatre Communes) zu integralen Bestandteilen Frankreichs erklärt, ein Teil der Einwohner erhielt französische Bürgerrechte, mit denen vor allem auch die Wehrpflicht verbunden war. So wurde Blaise Diagne, der Bürgermeister von Dakar, in die französische Nationalversammlung gewählt, während Hunderttausende Algerier und Senegalesen in beiden Weltkriegen auf französischem Boden für Frankreich kämpften und fielen. Insgesamt 1,5 Millionen zusätzliche Soldaten hielt Frankreich so in seinen Kolonien in Reserve.[10]

Im Rahmen einer „Assimilationspolitik“ band Frankreich stärker als etwa Großbritannien, Belgien oder Portugal einheimische Eliten in die Verwaltung seiner Kolonien ein, um das kolonialistische System zu ergänzen und zu verschleiern. So gab es auf Guadeloupe bzw. im Tschad erstmals einen schwarzafrikanischen Gouverneur, Félix Éboué, der sich dann 1940 als erste französische Kolonie dem „Freien Frankreich“ um General Charles de Gaulle anschloss und damit die Tradition des republikanischen Frankreich gegen die der konservativen Restauration unterstützte. Der ehemalige Kolonialminister Jacques Stern warb für die Assimilation der „farbigen“ Franzosen.

Doch die der einheimischen Bevölkerung gewährten Bürgerrechte blieben zunächst eingeschränkt und wenigen vorbehalten, die laizistische Republik enthielt z. B. der Mehrheit der algerischen Muslime die vollen Bürgerrechte vor, was letztlich zum Scheitern der „Assimilationspolitik“ mit beitrug.[11] Nach 1945 versprach die Französische Vierte Republik eine gleichberechtigte Integration, neben Algeriern und Senegalesen wurden 1945 alle Einwohner der Kolonien formal gleichberechtigte Citoyens, doch erst 1957 ersetzte das allgemeine Wahlrecht eine die Einheimischen der Kolonien benachteiligende Wahlrechtsordnung.[12]

Französische Union und Französische Gemeinschaft

An die Stelle des Kolonialreichs trat 1946 eine Union Française (Französische Union) zwischen dem Mutterland und den in autonome Tochterrepubliken umgewandelten verbliebenen Kolonien, 1958 dann die Communauté française (Französische Gemeinschaft). Bereits die Volksfrontregierung Léon Blum hatte 1937 eine solche Union angestrebt. Außenpolitik, Verteidigung, Finanzwesen, langfristige Wirtschaftsplanung, strategische Rohstoffe, die Kontrolle der Justiz- und des Bildungswesen sowie der Kommunikationssysteme sollten unter Zuständigkeit der Union bzw. der Gemeinschaft bleiben. Statt Staatsbürgerschaften der einzelnen Mitgliedsrepubliken gab es nur die Staatsbürgerschaft der Union, die allerdings nicht identisch mit der französischen Staatsbürgerschaft war. Amtssprache war Französisch.[13]

  • Das Kolonialreich ist tot. An seiner Stelle errichteten wir die Union. Frankreich bereichert, geadelt und vergrößert, wird morgen 100 Millionen Bürger und freie Menschen besitzen. (Pierre Cot)[14]
  • Frankreich hat seinen Traum eines Imperiums von 100 Millionen Franzosen nicht aufgegeben. (Ralph Bunche)[15]

Doch 1960 brach die angestrebte Gemeinschaft von 100 Millionen frankophonen Staatsbürgern endgültig zusammen, die autonomen Republiken wurden unabhängige Nationalstaaten, Algerien folgte 1962. Bis 1980 lösten sich auch noch die Komoren, Dschibuti und Vanuatu von Frankreich. Zumindest einen ideellen (und ansatzweise auch wirtschaftlichen) Zusammenhalt versuchen Frankreich, Kanada, Belgien und die ehemaligen Kolonien seit 1970 in der Frankophonie weiterhin zu pflegen.[16]

Geburtenrate und Immigration

Dennoch wurde das Schlagwort von „Hundert Millionen Franzosen“ auch in der Folgezeit immer wieder von französischen und afrikanischen Politikern aufgegriffen und neu abgewandelt. Eine alternative Deutung kam dem Nachkriegsplan de Gaulles und Michel Debrés zu, durch zahlreiche staatliche Vergünstigungen und Erleichterungen die Geburtenrate bzw. das Bevölkerungswachstum Frankreichs zu fördern.[17] Dies war auch eine Erfahrung aus der militärischen Niederlage gegen Nazi-Deutschland 1940. Schon das Vichy-Regime unter Marschall Pétain hatte eine Steigerung der Geburtenrate, damals die niedrigste in Europa, zu erreichen versucht, eine Politik, die in der Nachkriegszeit - begünstigt durch zunehmenden wirtschaftlichen Wohlstand - beibehalten wurde, ab ca. 1960 verstärkt durch Einwanderung.

  • Es müssen 100 Millionen Franzosen sein. Wenn das nicht durch Geburten zustande kommt, dann durch Einwanderung. (Michel Debré)[18]

Tatsächlich haben zwischen 14[19] und 15[20] Millionen (22–23 %) der heute 64 Millionen Einwohner Frankreichs einen Migrationshintergrund, deren Elternteile und Vorfahren sind aber größtenteils Einwanderer aus anderen europäischen Ländern. Seit der Unabhängigkeit der Kolonien sind in mehreren Wellen Millionen nordafrikanische und westafrikanische Einwanderer in das ehemalige Mutterland gekommen, als Kinder von Unionsstaatsbürgern haben viele von ihnen laut Gesetz Ansprüche auf die französische Staatsbürgerschaft. Viele Immigranten wohnen in seit den 1970er Jahren entstandenen Neubausiedlungen (banlieues) am Rande der französischen Großstädte. Die Integration dieser Immigranten ist bisher nur unvollständig gelungen, was Unbehagen über Einwanderung und Überfremdungsängste unter den einheimischen Franzosen fördert, die u.a. zu Wahlerfolgen rechtsextremer Parteien wie des Front national führten.

Nach Ansicht des britischen Historikers und Autors Paul Johnson würde die französische Nation, sollte sie denn jemals 100 Millionen erreichen, zur Hälfte aus nordafrikanischen Muslimen bestehen. Dem müsse Westeuropa durch höhere Geburtenraten entgegenwirken, polemisierte Johnson 2006 in der Jewish World Review.[21] Ähnlich rassistische Polemik hatte bereits Adolf Hitler in "Mein Kampf" geäußert, als er Frankreich wegen seiner Assimilationspolitik als "vernegert" geißelte.[22] Doch auch der satirische Simplicissimus hatte schon 1904 die französische Kolonialpolitik als "Rassenvermischung" karikiert.

Erst 1995 wurde die inhaltslos gewordene Communauté auch formaljuristisch aufgelöst. Alle ehemaligen Mitgliedstaaten (Frankreich und die Tochterrepubliken, einschließlich Togo und Kamerun) zusammen hatten zu diesem Zeitpunkt bereits fast 200 Millionen Einwohner, die ehemaligen Staaten der Union sogar über 330 Millionen. Weltweit gibt es jedoch nur etwa 131 Millionen frankophone Muttersprachler, etwa 60 Millionen davon in Afrika (Haarmann). In jenen 32 Staaten der Welt, in denen Französisch Amtssprache ist, leben 88 Mio Muttersprachler.[23]

Religion

Frankreich hat heute etwa 64 Millionen Einwohner, 94 % davon sind französische Staatsbürger (MSN Encarta). Für 86 %[23] bzw. 88 % (Haarmann) von ihnen ist Französisch die Muttersprache.

Die Mehrheit der Bevölkerung ist katholisch, wobei die Angaben von 51 % (Le Monde des religions) über 64 % (Auswärtiges Amt[24]) und 75 % (Fischer Weltalmanach 2010) bis 88 % (CIA[25]) reichen. Etwa 5 Millionen (8 %) sind Muslime vor allem aus Nord- und Westafrika. Daneben gibt es 1–3 % Protestanten und Juden, der Rest sind vor allem Atheisten und Konfessionslose. Nach einer Studie des PewResearch Center aus dem Jahr 2008 bezeichnet sich nur eine Minderheit von 37 % der Franzosen als „religiös“ und 9 % als „sehr religiös“. Beides sind weltweit die niedrigsten Werte. Die Studie offenbart zudem Vorurteile gegenüber Muslimen und Juden.[26]

Die nichtkatholischen Franzosen waren bereits durch die Hugenottenkriege (bis 1598) bzw. durch die Aufhebung des Edikts von Nantes durch das Edikt von Fontainebleau (1685) faktisch ausgeschlossen und vertrieben worden. Francophone Schweizer, die mehrheitlich calvinistisch bzw. reformiert sind, bezeichnen sich daher selbst selten als Franzosen. Die katholischen Wallonen gelten jedoch als Französische Gemeinschaft Belgiens.

Bis 1960 hatten (katholische) Christen etwa 45 % und Muslime über 30 % der 100 Millionen Franzosen ausgemacht (über 30 Millionen Muslime und 10 Millionen Christen allein in den afrikanischen Tochterrepubliken), vor 1958 (Verlust Marokkos, Tunesiens und Guineas) war der Anteil der Muslime noch höher. (Hinzu kamen die Buddhisten aus Indochina.)

Sonstige Einwanderung

Im 19. und 20. Jahrhundert kamen viele Einwanderer aus Osteuropa, Westasien und Indochina, unter anderem Polen, Armenier und Libanesen, die in der Bevölkerung aufgingen. Berühmte Beispiele sind hier Marie Curie und der armenischstämmige Chansonsänger Charles Aznavour.[3] Schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts kamen zahlreiche Italiener, seit den 1960er Jahren auch Portugiesen als Gastarbeiter ins Land und blieben oft auch dauerhaft, italienische Vorfahren hat u.a. die Fußballlegende Michel Platini. Vor allem im Süden Frankreichs siedelten sich nach der Niederlage der Linken im Spanischen Bürgerkrieg zahlreiche politisch Verfolgte Spanier und Katalanen an ("Rotspanier"), u.a. der Vater von Raymond Domenech. Auch als Söldner in der Fremdenlegion haben zahlreiche Ausländer die französische Staatsbürgerschaft erworben.

Bevölkerungsgruppen französischer Abstammung

Bereits im 17. und 18. Jahrhundert hatten französische Auswanderer Kolonien in Übersee gegründet, die Siedlungen bestanden auch nach dem Verlust des (Ersten) Kolonialreichs (1763) fort. Nachfahren französischer Auswanderer sind in Kanada die Québécois,[27] die Akadier[28] und die frankophonen Kanadier („Franko-Kanadier“) der anderen Provinzen, zusammen über 7 Millionen francophone Muttersprachler.[23] Die Staatsbürger der Vereinigten Staaten, die französische Vorfahren haben, nennt man Franko-Amerikaner. Ein Großteil sind Französische Kanadier, die in der Industrialisierung nach Neuengland eingewandert sind. Zudem gibt es von franko-kanadischen Auswanderern abstammende Cajuns und frankophone Kreolen im US-Bundesstaat Louisiana, wo eine Mehrheit der US-Amerikaner dieses Staates französische bzw. kreolische Vorfahren hat[29], aber nur noch 4,7 % Französisch als Muttersprache sprechen.[30]

Insgesamt haben 9.616.700 US-Amerikaner (2,8 %) französische oder kreolische und weitere 2.184.200 (0,6 %) franko-kanadische Vorfahren[31], doch nur noch 1.355.800 (0,5 %) sprechen Französisch und weitere 629.000 (0,2 %) kreolisch als Muttersprache. Von diesen Französisch-Muttersprachlern beherrschen nur 21,8 % Englisch gegenüber 43,3 % der Kreolen[32] Zudem leben 600.000 französische Staatsbürger als Ausländer in den USA.[33]

Daneben gibt es viele Ethnien, die teilweise französischer Herkunft sind, wie die Métis in Nordamerika (indianischer Abstammung), Kreolen der Karibik und Afrikas (französischer und afrikanischer Abstammung, in der Karibik auch indianische Wurzeln) und die Europolynesier (französischer und polynesischer Abstammung).

Ein Gefühl der Nähe und Verbundenheit empfinden viele Franzosen gegenüber anderen frankophonen Nationen und Ethnien auf der Welt, wie den belgischen Wallonen, den schweizerischen Romands oder den kanadischen Québécois. Letztere werden oft als „Cousins“ bezeichnet, was jenseits des Atlantiks als abwertend empfunden wird. Zwischen Romands und Wallonen leben noch 120.000 französische Staatsbürger in Belgien und 75.000 in der Schweiz. Weitere 300.000 Franzosen leben in Italien[33], hinzu kommen 200.000 frankophone Valdostaner im italienischen Aostatal.

Auch nach Deutschland kamen französische Einwanderer, die mit der Zeit assimiliert wurden. Eine wichtige solche Einwanderergruppe waren im 17. und 18. Jahrhundert die Hugenotten, die außer in den Niederlanden und England und deren Kolonien auch in der Schweiz und in den protestantischen deutschen Staaten, vor allem in Brandenburg-Preußen, Zuflucht fanden.[34] Der Anteil der Hugenotten in Berlin machte um 1700 etwa 20 %, um 1800 etwa 10 % und um 1900 noch gut 1 % aus.[35]

Literatur

  • Harald Haarmann: Kleines Lexikon der Völker: von Aborigines bis Zapoteken, ab Seite 132,
  • Detlev Wahl: Lexikon der Völker Europas und des Kaukasus. Rostock 1999, Seite 74–83
  • H. Köller und B. Töpfer: Frankreich. Ein historischer Abriß. 2 Bände, Berlin 1973
  • Fuchs und Henseke: Das Französische Kolonialreich. Berlin 1988
  • Jacques Sterns: The French Colonies. Past and Future. New York 1944, Seite 25–26
  • J. W. Bromlej: народы мира - историко-этнографический справочник. Moskau 1988, Seiten 483–486

Einzelnachweise

  1. ↑ Artikel 1 der Französischen Verfassung vom 4. Oktober 1958: „Frankreich ist eine unteilbare, laizistische, demokratische und soziale Republik. Sie gewährleistet die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz ohne Unterschied der Herkunft, Rasse oder Religion. Sie achtet jeden Glauben.“
  2. ↑ Ostal d'Occitània
  3. ↑ a b c Diercke Länderlexikon, Augsburg 1989, ISBN 3-89350-211-4
  4. ↑ Éric Gailledrat: Les Ibères de l'Èbre à l'Hérault (VIe-IVe s. avant J.-C.), Lattes, Sociétés de la Protohistoire et de l'Antiquité en France Méditerranéenne, Monographies d'Archéologie Méditerranéenne - 1, 1997
  5. ↑ Dominique Garcia: Entre Ibères et Ligures. Lodévois et moyenne vallée de l'Hérault protohistoriques. CNRS éd., Paris 1993; Les Ibères dans le midi de la France. L'Archéologue, n°32, 1997, S. 38–40
  6. ↑ Herfried Münkler: Die Deutschen und ihre Mythen, Berlin 2009, Seite 9.
  7. ↑ Heinz Gollwitzer: Vom Zeitalter der Entdeckungen bis zum Beginn des Imperialismus. Göttingen 1972, Seite 487ff.
  8. ↑ Prévost-Paradol, 1868: Frankreichs Bedeutung im Mittelmeerraum
  9. ↑ Fischer Weltalmanach 2010. Frankfurt am Main 2009, Seite 11–14 (Entwicklung der Welt seit 1960)
  10. ↑ Heinrich Loth (Hrsg.): Geschichte Afrikas. Band 2, Berlin 1976, Seiten 70 und 166f.
  11. ↑ Herbert Lüthy: Das überseeische Frankreich. Ein Kolonialreich in der Krise. In: The Month. 14/1949, Seite 175–186
  12. ↑ Franz Ansprenger: Geschichte Afrikas. München 2007, Seite 93–97
  13. ↑ Christian Mährdel (Hrsg.): Geschichte Afrikas. Band 3, Berlin 1983, Seiten 130–141
  14. ↑ 100 Millionen Franzosen - Es knistert im Kolonialreich. In: DER SPIEGEL. 17/1947 vom 26. April 1947, Seite 11
  15. ↑ Die Entkolonisierung der französischen Territorien
  16. ↑ Algerien ist allerdings weder Mitglied noch Beobachter der Organisation
  17. ↑ Kinderkriegen ist keine Privatsache. In: taz.de vom 6. April 2001
  18. ↑ Michel Debré: Au service de la nation - Essai d'un programme politique. Paris 1963
  19. ↑ Gilbert Charles, Besma Lahouri: Les vrais chiffres. In: L'Express. 4. Dezember 2003
  20. ↑ French people
  21. ↑ Paul Johnson in Jewish World Review: Let´s Have More Babies!
  22. ↑ Cornelia Schmitz-Berning: Vokabular des Nationalsozialismus, Seite 633f. de Gruyter Berlin/New York 2000
  23. ↑ a b c The New York Times 2010 Almanac, Seite 505. New York 2009
  24. ↑ Länderinformationen des Auswärtigen Amtes über Frankreich
  25. ↑ CIA World Factbook, France, September 2009
  26. ↑ pewglobal.
  27. ↑ Gérard Bouchard: Genèse des nations et cultures du nouveau monde. Essai d'histoire comparée. Boréal, Montréal 2001
  28. ↑ Ingo Kolboom, Roberto Mann: Akadien. Ein französischer Traum in Amerika. Vier Jahrhunderte Geschichte und Literatur der Akadier. Synchron Wissenschaftsverlag der Autoren, Heidelberg 2005, ISBN 3-935025-54-8
  29. ↑ Prof. Dr. Wolfgang Viereck: dtv-Atlas Englische Sprache. München 2002, Seite 160
  30. ↑ US Census 2000
  31. ↑ New York Times The World Almanac and book of facts 2009, Seite 601
  32. ↑ New York Times The World Almanac and book of facts 2009, Seite 596
  33. ↑ a b J. W. Bromlej: народы мира - историко-этнографический справочник. Moskau 1988, Seite 484
  34. ↑ Jochen Desel: Hugenotten. Französische Glaubensflüchtlinge in aller Welt. 2. Auflage, Dt. Hugenotten-Gesellschaft, Bad Karlshafen 2005, ISBN 3-930481-18-9.
  35. ↑ Ewaldt Harndt: Französisch im Berliner Jargon. Berlin 1998, Seite 17

 

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Geschichte Frankreichs

Die Geschichte Frankreichs behandelt die geschichtlichen und vorgeschichtlichen Ereignisse im Gebiet des heutigen Frankreichs.

Übersicht

Republiken und Monarchien

Das heutige Frankreich (Französische Republik, République Francaise) wird als Fünfte Französische Republik verstanden und versteht sich staatsgeschichtlich als Nachfolger früherer Republiken. Die erste französische Republik war 1792 ausgerufen worden und existierte bis 1804. Die fünf französischen Republiken sind Nachfolge- bzw. Vorgängerstaaten verschiedener französischer Monarchien, zu denen die verschiedenen Erscheinungsformen des Königreich Frankreichs (Mittelalter bis 19. Jahrhundert) sowie die beiden französischen Kaiserreiche (19. Jahrhundert) gehören.

Das französische Königreich hat sich im Mittelalter stufenlos aus dem westfränkischen Königreich entwickelt. Letzteres war ein Ergebnis der Teilung des Fränkischen Königreiches im Jahre 843. Das Fränkische Reich bildete eine mal mehr, mal weniger geschlossene Einheit. Es entstand, als der im heutigen Belgien herrschende salfränkische König Chlodwig I. (481-511) aus der Dynastie der Merowinger die anderen Frankenreiche (z.B. das der Rheinfranken um Köln) eroberte.

Der Ausdruck Franken steht als Sammelbegriff für verschiedene germanische Gruppen, die im 3. Jahrhundert in den Regionen an Niederrhein und im Rheindelta erstmals geschichtlich fassbar geworden waren.

Bezeichnung des Staates bzw. der Staatsoberhäupter

Chlodwig I., Herrscher 481-511, aus der Dynastie der Merowinger, konnte sich vermutlich erstmals als alleiniger König der Franken bezeichnen. Zuvor hatten mehrere fränkische Könige und Kleinkönige existiert. Nach seinem Tod bis zum Ende der merowingischen Dynastie 751 existierte das Fränkische Reich als Gesamtreich fort (Regnum Francorum), wurde aber mal mehr, mal weniger durch die fränkischen Teilreiche und deren Könige dominiert. Zu den Teilreichen gehörten z.B. Neustrien, Austrien, Burgund und Aquitanien. Die fränkischen Könige bezeichneten sich z.B. als König von Orléans, König von Reims, König von Paris, König von Soissons, König von Neustrien, König von Austrien, König von Burgund oder König von Aquitanien. Franzien (im Französischen France, also der gleiche Ausdruck wie für "Frankreich") war eine Art fränkischer Kernraum nördlich der Loire. Das Gesamtreich beherrschen und sich als König der Franken (Francorum Rex, seltener Rex Francorum) bezeichnen konnten sich unter anderem Chlothar I. (558-561), Chlothar II. (613-629), Dagobert I. (632-639), Chlodwig I. (691-695) oder Childerich III. (743-751).

In der karolingischen Epoche bis zur Reichsteilung von Verdun (751-843) bestand die Titulatur König der Franken fort. Karl I. (Karl der Große) nahm zudem 800 den Titel eines Römischen Kaisers an, den auch seine Nachfolger übernahmen. Die Teilkönigreiche waren weiterhin von Bedeutung. Die Reichsteilung 843 sah als Ergebnis unter anderem das westfränkische Königreich, aus dem das Königreich Frankreich wurde. Die westfränkischen Herrscher behielten den Titel König der Franken jedoch bis ins 13. Jahrhundert bei, ferner wurden sie weiterhin gewählt. Karl II. war auch römischer Kaiser.

Auch nach dem Dynastiewechsel im westfränkischen Reich von der Karolingern zu den Kapetingern im Jahre 987 – in der Geschichtsschreibung neben 843 oft als Beginn des französischen Königtums angesehen – bestand der Titel König der Franken (Roi des Francs) noch lange fort. Mitkönige sicherten den dynastischen Bestand. Bis ins letzte französische Königsjahr 1848 entstammten die Könige aus der Dynastie der Kapetinger, allerdings aus verschiedenen Häusern (direkte Kapetinger 987–1328, Valois und Nebenlinien 1328–1589, Bourbon und Nebenlinien 1589–1792, 1814/15–1848).

Erst Philipp II. (1180–1223) verwendete um 1190 erstmals den Titel König von Frankreich (Roi de France, Franciae Rex, seltener Rex Franciae). Ludwig IX. (1214–1270) wechselte während seiner Regierungszeit in der offiziellen Bezeichnung von König der Franken zu König von Frankreich. Der Titel König der Franken bleibt aber bis zu Philipp IV. (1268–1314) in Gebrauch. Auf Münzen findet sich Francorum Rex sogar bis ins 17. Jahrhundert.

Die Titulatur König von Frankreich und Navarra (Roi de France et de Navarre) galt 1285–1328, 1589–1789 und 1814/1815–1830. Zwischen 1328 und 1589 wurde wieder lediglich König von Frankreich verwendet. Nach Beginn der Französischen Revolution wechselte Ludwig XVI. 1789 zum Ausdruck König der Franzosen (Roi des Francais); dieser Titel wurde bis 1792 und dann wieder 1830–1848 verwendet. Anstelle auf das Territorium wurde nun auf die Bevölkerung Bezug genommen. Der Zusatz Allerchristlichster König war unter Karl VII. aufgekommen. Die Kaistertitel der Jahre 1804–1814/1815 und 1852–1870 waren Empereur des Francais (Kaiser der Franzosen).

Parallel zur Bezeichnung des Herrschers kam der Ausdruck Königreich Frankreich (Royaume de France) ebenfalls erst im 13. Jahrhundert auf und in Gebrauch und ersetzte Royaume des Francs (Königreich der Franken) bzw. Francie occidentalis (westliches Franken). 1791 wurde aus der absoluten eine konstitutionelle Monarchie, aus dem Königreich Frankreich für ein Jahr das Königreich der Franzosen (Royaume des Francais; Ludwig XVI. hatte, wie erwähnt, bereits 1789 zu König der Franzosen gewechselt).

Bezeichnungen der Staatsoberhäupter

Sehr kurze Übergangsperioden, wie z.B. am Beginn der zweiten Republik, sind nicht aufgeführt.

  • 5. Jahrhundert – 12./13. Jahrhundert: König der Franken
  • 12./13. Jahrhundert – 1789: König von Frankreich (und Navarra)
  • 1789–1792: König der Franzosen
  • 1792–1804: Die Verfassung der Ersten Republik sah kein formelles Oberhaupt des Staates vor. Als De-facto-Oberhäupter können angesehen werden:
    • 1792–1795: Nationalkonvent: 1792–1793 Vorsitzender des Justizausschusses (Danton), 1793–1794 Vorsitzender des Wohlfahrtsausschusses (Robespierre)
    • 1795–1799: Direktor des Direktoriums
    • 1799–1804: Konsul
  • 1804–1814/15: Kaiser der Franzosen
  • 1814/1815–1830: König von Frankreich und Navarra
  • 1830–1848: König der Franzosen
  • 1848–1852: Präsident der französischen Republik
  • 1852–1870: Kaiser der Franzosen
  • 1870–1871: Präsident der Regierung der nationalen Verteidigung (Trochu)
  • 1871–1940: Präsident der französischen Republik
  • 1940–1944: Staatschef (Petain)
  • 1944–1947: Vorsitzender der Provisorischen Regierung
  • seit 1947: Präsident der französischen Republik

Bezeichnungen des Staates

  • 5. Jahrhundert – 13. Jahrhundert: Königreich der Franken (Royaume des Francs)
  • 13. Jahrhundert – 1791: Königreich Frankreich (Royaume de France)
  • 1791–1792: Königreich der Franzosen (Royaume des Francais)
  • 1792–1804: Französische Republik (République Francais, I. Republik)
  • 1804–1814/1815: Französisches Kaiserreich (Empire Francais)
  • 1814/1815–1848: Königreich der Franzosen
  • 1848–1852: Französische Republik (II. Republik)
  • 1852–1870: Französisches Kaiserreich
  • 1870–1940: Französische Republik (III. Republik)
  • 1940–1944: Französischer Staat (Etat Francais, Vichy-Regime)
  • 1944–1947: Französische Republik (Provisorische Regierung)* 1947–1958: Französische Republik (IV. Republik)
  • seit 1958: Französische Republik (V. Republik)

Vorgeschichte und Antike

Bis 6000 v.Chr. breiteten sich von den Kernräumen Afrikas her Jäger- und Sammlerkulturen auch im Gebiet des heutigen Frankreich aus. Zu bedeutenderen Fundorten dieser Zeit zählen Cro-Magnon und La Ferrassie. Aus der mittleren Altsteinzeit sind in weiten Teilen Frankreichs Funde des Mousterien und verwandter Kulturgruppen bekannt. Bis zur Jungsteinzeit drangen südwesteuropäische Bauernkulturen ein (Chassey-Kultur).

Bis 1500 v.Chr. haben sich wie in weiten Teilen Eurasiens und Afrikas weitere Bauernkulturen etabliert. Während der spätbronzezeitlichen Wanderperiode (1250-750 v.Chr.) breiteten sich von Osten her Urnenfelderkulturen aus, im Westen verharrten westeuropäische Bronzekulturen.

Die ionische Kolonisationsphase brachte die Gründung von griechischen Koloniestädten an der französischen Mittelmeerküste: Massalia – Marseille, Olbia, Antipolis – Antibes, Nikaia – Nizza, Agathe, Rhode (Mutterstadt: Phokaia im heutigen Kleinasien).

Im vierten Jahrhundert v. Chr. sind weite Teile Frankreichs Teil des keltischen Kernraums (frühe Latène-Kultur). Die Kelten erreichen im darauffolgenden Jahrhundert die Mittelmeerküste. Zu den keltischen Stämmen zählen z.B. die Aulerci, Bituriges, Arverner, Haeder, Volcae und Allobroger.

In den Zeiten der Punischen Kriege sind die griechischen Kolonien Südfrankreichs Verbündete Roms. Die Kriegsexpedition der Scipionen gelangt über Massilia und Rhodae in die karthagischen Gebiete der Iberischen Halbinsel (218-209 v.Chr.).

Die Expansion des römischen Reiches brachte auch das westliche Europa unter römische Herrschaft. Kleine Gebiete des heutigen Frankreich im Südosten im Nizza (Nicaea) gehörten bereits zu Ligurien und damit zum italischen Kerngebiet. Die mittelmeernahen Gebiete wurden zwischen 154 und 121 v. Chr. römisch. Zwischen 58 und 51 v. Chr. eroberte Caesar in den Gallischen Kriegen die bis dahin unter keltischer Herrschaft stehenden Gebiete für Rom. Es wurden die römischen Provinzen Gallia, Gallia Narbonensis, Gallia Belgica und Aquitanien eingerichtet.

Vor allem das Rhonetal bis Lyon (Lugdunum) und die Mittelmeergebiete gehörten zu den wirtschaftlichen Zentren des römischen Reiches. Von Lyon strahlten einige Haupthandelsstraßen von Süden nach Nordwesten und Nordosten aus. Residenzort war Arelate, für die nördlichen Teile später Trier. Ein bedeutender römischer Flottenhafen befand sich in Forum Iulii.

Kurz vor der Teilung des römischen Reiches um 395 n. Chr. erstreckten sich die Diözesen XIII (Galliae) und XIV (Septem Provinciarum) über Frankreich, die zusammen mit XII (Britanniae) und XV (Hispanie) die Präfektur Gallien bildeten. Diese nahm im weströmischen Reich deren westliche Gebiete ein.

Im fünften Jahrhundert durchzogen germanische Gruppen weite Teile der römischen Reiche. Im Gebiet des heutigen Frankreich ließen sich unter anderem die Franken im Norden und die Burgunder im Südosten nieder. 451 besiegten die Römer in der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern die Hunnen unter Attila. Nach dem Ende des Weströmischen Reiches um 476 etablierten sich mehrere Reiche:

  • Reiche der Franken im Norden (z.B. das Reich der Salfranken)
  • Reich der Burgunder im Südosten
  • Reich der Westgoten im Südwesten
  • Teile im Osten gehörten zum Herrschaftsgebiet der Alemannen
  • Teile im Südosten waren Teil des italischen Reiches des Odowaker
  • Um Paris hatte sich als römisches Restgebiet das Reich des Syagrius gehalten
  • In der Bretagne (Aremorica) ließen sich keltische Briten nieder

In der Folgezeit eroberten die Franken sowohl das Gebiet des späteren Frankreich als auch weite Teile Europas.

5. Jahrhundert – 843: Fränkisches Reich

Der Merowinger Chlodwig I. schaltete die anderen fränkischen Kleinkönige aus und errichtete das Frankenreich. Es eroberte nach und nach die umliegenden Reiche und Gebiete (502-507 Alemannien, 507-511 Aquitanien von den Westgoten, 531 ebenfalls von den Westgoten das Gebiet des heutigen Gascogne und septimanische Gebiete an der oberen Garonne, 532-534 das Reich der Burgunder und 536 die ostgotischen Mittelmeergebiete um Marseille. Die Bretagne stand in loser Verbundenheit zum Frankenreich.

Im 8. Jahrhundert breiteten sich von Afrika her Mauren nach Europa aus und eroberten Spanien und Septimanien. Sie unterlagen 732 in der Schlacht von Tours und Poitiers dem Frankenreich. 759 wurde auch Septimanien fränkisch. Das Frankenreich wurde seit 751 von den Karolingern geführt.

Unter Karl I. (Karl der Große, Charlemagne) erreichte das Frankenreich seine größte Ausdehnung und beherrschte neben dem Gebiet des späteren Frankreich auch weite Teile des übrigen Europa. Dieses Frankenreich wurde 843 in drei Teile geteilt. Aus dem Westfränkischen Königreich entwickelte sich das Königreich der Franken, das seit dem 13. Jahrhundert „Königreich Frankreich“ genannt wurde.

In den westlichen Gebieten des Fränkischen Reiches blieb das Lateinische als Volkssprache erhalten (Altfranzösisch u.a.), in den östlichen Gebieten werden die germanischen Idiome weiterentwickelt (Althochdeutsch, Altniederdeutsch); bis um 1000 pendelt sich die westliche romanisch-germanische Sprachgrenze zwischen Nordsee und Matterhorn ein.

843–1328: Vom Westfränkischen Königreich zum Königreich Frankreich

Frankreich war ursprünglich ein Teil des Frankenreichs. Mit der Teilung im Vertrag von Verdun begann 843 von den Zeitgenossen ungeplant seine Geschichte als eigenständiges Gemeinwesen. Die Söhne des Karolingerkaisers Ludwig I. des Frommen (814-40) teilten das Reich in einen östlichen, einen mittleren und einen westlichen Teil, wie es damals üblich war, wenn der verstorbene Herrscher mehr als einen überlebenden Sohn hatte. Vergleichbares hatte es schon oft gegeben, und die Teilreiche waren auch oft wieder vereint worden, wenn ein Teilherrscher ohne eigene Nachkommen verstarb. Damals war nicht absehbar, dass diese Teilung zu einer dauerhaften Aufspaltung in unterschiedliche Staatswesen führen würde. Erster König dieses Westfränkischen Reichs, dessen Wurzeln schon in früheren Reichsteilungen in Neustrien und Austrasien begründet liegen, wurde Karl II. der Kahle (843-77); dies kann als Ursprung des heutigen Frankreichs betrachtet werden, wobei der Vertrag von Coulaines 843 nachträglich gleichfalls als Gründungsurkunde erscheint, da er in dem Teilreich ein eigenständiges Verfassungssystem begründete. Französische Gelehrte greifen teilweise noch weiter in der Geschichte aus und sehen Chlodwig I. oder sogar den sagenhaften Faramund (französisch Pharamond, frühes 5. Jahrhundert) als ersten König an.

Wie im Ostfrankenreich bilden sich große Territorien: Die Herzogtümer Franzien, Aquitanien (Guyenne), Gascogne, Bretagne und Normandie, die Grafschaften Champagne, Grafschaft Toulouse, Barcelona, Grafschaft Flandern, sowie die Markgrafschaft Gothien. Ursprünglich wurde im Frankenreich das Königreich unter allen Söhnen aufgeteilt. Dies wurde anfangs auch in den drei fränkischen Teilreichen beibehalten. Schon bald änderte sich dies und es bildete sich eine Art staatliche Identität im Westen, Osten sowie in Italien heraus. Das Mittelreich Lotharingien wurde dabei ab 925 endgültig dem Ostreich zugeschlagen. Verbunden war diese Änderung der Sichtweise mit Dynastiewechseln, mit der Einführung neuer Namen für die Reiche sowie mit dem Wechsel von der Erb- zur Wahlmonarchie; durch die Praxis, die Herrschersöhne schon zu Lebzeiten der Väter zu krönen und an der Macht zu beteiligen, wurde in West- und Ostfranken die dynastische Herkunft dominierend. Anders als in Ostfranken/Deutschland, wo die Karolinger 911 ausstarben und während des gesamten Mittelalters nie mehr als fünf Herrscher derselben Dynastie ununterbrochen aufeinanderfolgten, spielten in Westfranken/Frankreich dynastische Kontinuität und das Geblütsrecht bis ins 19. Jahrhundert eine wesentliche Rolle, und die Könige erreichten Anfang des 13. Jahrhunderts sogar die Errichtung einer Erbmonarchie.

Anfangs hatte Westfranken eine starke Stellung unter den Karolingerreichen. Karl II. der Kahle konnte als letzter überlebender Sohn Kaiser Ludwigs I. Italien erwerben und wurde 875 zum Kaiser gekrönt. Durch den frühen Tod seines Sohnes und seiner beiden Enkel löste sich das Reich jedoch auf: 877 wurden Niederburgund (Arelat) und 888 Hochburgund selbstständige Königreiche, und auch die Herrschaft in Italien konnte nicht aufrechterhalten werden. 880 musste der Anspruch auf Lothringen aufgegeben werden, das an Ostfranken fiel. 884 wurde der ursprünglich ostfränkische König und Kaiser Karl III. der Dicke (881-87) Herrscher auch des westfränkischen Reichs, aber wegen seiner Passivität angesichts der normannischen Bedrohung wurde er zur Abdankung gezwungen (Reichstag von Tribur). 888 wurde mit Graf Odo von Paris aus dem Geschlecht der Robertiner ein erster Gegenkönig in Westfranken gewählt. In den nächsten hundert Jahren wechselte die Königsstellung im Westfrankenreich öfter zwischen den Karolingern und den Robertinern, wobei die Macht während dieser Zeit sich zunehmend in den Händen der Robertiner konzentrierte. Aber selbst nachdem diese 987 endgültig die Königsherrschaft im Westfrankenreich übernommen hatten, war das französische Königtum im Vergleich zu seinem ostfränkisch-deutschen Pendant weitgehend auf seinen Kernraum in der Ille de France beschränkt und übte nur eine nominelle Oberherrschaft über die übrigen Herzogtümer in Frankreich aus.

Zu einem Machtfaktor entwickelte sich das burgundische Kloster Cluny und die von ihm ausgehende monastische Reformbewegung (cluniazensische Reform). Der Stifter von Cluny, Herzog Wilhelm der Fromme von Aquitanien, gab dem 910 gegründeten Kloster eine von jeder weltlichen und bischöflichen Gewalt freie Verfassung; es war lediglich dem Papst unterstellt. König Heinrich I. des Ostfrankenreiches (919-36) erteilte dem Kloster das Privileg, Tochterklöster zu gründen und die Reform auch auf diese zu übertragen. Begünstigend für die Ausbreitung war nicht zuletzt das Machtvakuum im Grenzgebiet von Frankreich, Deutschem Reich und dem Arelat, sodass sich die cluniazensische Reform rasch ausbreiten konnte – vor allem im westfränkischen Reich. Das Kloster wuchs im Laufe der Zeit zu einem zentralisierten Mönchsstaat heran, dem im 12. Jahrhundert über 200 Abteien und Priorate unterstellt waren. Cluny entwickelte sich neben dem römisch-deutschen Kaiser zum zweiten bedeutenden abendländischen Machtfaktor dieser Zeit und trug wesentlich zum Mitte des 11. Jahrhunderts eskalierenden Investiturstreit bei.

Nach dem Aussterben der Karolinger wurde 987 Herzog Hugo Capet von Franzien, ein Nachfahre des Gegenkönigs Robert I. aus dem Geschlecht der Robertiner, mit Unterstützung der Kaiserin Theophanu König von Frankreich und begründete die später so genannte Kapetinger-Dynastie.

1066 konnte Herzog Wilhelm der Eroberer England erobern. Er war gleichzeitig Vasall des französischen Königs. Das englische Königshaus entwickelte sich zur größten Bedrohung für die französische Krone über die nächsten vier Jahrhunderte.

Der Aufstieg der Kapetinger setzt ein mit Ludwig VI. dem Dicken (1106-37); durch Ausbildung des Lehnsrechts und Privilegierung der Städte kann er die Stärkung der Krone auf Kosten des niederen Adels einleiten. Ein französisches Nationalgefühl entstand durch den Angriff Kaiser Heinrichs V. 1124 und durch die Kreuzzüge, in denen sich die Franzosen als „auserwähltes Werkzeug Gottes“ verstehen. Ludwig stellt eine Verbindung zum Papsttum her zum „Schutz gegen Deutschland“. Sein Kanzler, der Zisterzienserabt Suger, stellt weiterhin eine Verbindung zwischen der Krone und den Zisterziensern her. Sein Kirchenbau, die Basilika Saint-Denis, ist Stein gewordener Herrschaftsanspruch und verkörpert als Initialbau der Gotik, die über die nächsten 250 Jahre die europäische Baukunst dominieren wird, die gewachsene Bedeutung Frankreichs.

Unter Ludwig VII. (1137-80) widerfährt der Krone ein ernster Schlag: Ludwigs geschiedene Frau Eleonore von Poitou und Aquitanien heiratet 1152 Heinrich Plantagenet, Herzog der Normandie, Graf von Anjou, Maine und Touraine, der 1154 auch König von England wird. Das Angevinische Reich nimmt damit etwa die Hälfte des französischen Staatsgebiets ein. Ludwigs Sohn Philipp II. August (1180–1223) kann England im Schulterschluss mit den Staufern aus dem Gebiet nördlich der Loire verdrängen (1214: Schlacht bei Bouvines), und Ludwig IX. der Heilige (1226-70) kann 1259 die Angevinen auf einen kleinen Bereich im Südwesten des Reichs (Gascogne und Aquitanien) beschränken. Der englische König Heinrich III. (England) muss zudem Ludwig IX. als Lehnsherrn anerkennen.

Ein weiterer nahezu unabhängiger Vasall ist der Graf von Toulouse, der neben der Grafschaft Toulouse auch über das Languedoc gebot. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts unterscheidet sich der französische Süden kulturell und mit dem Okzitanischen sogar sprachlich deutlich vom Norden. Die Verfolgung der „Ketzerei“ im südöstlichen Teil des Reichs ist Auslöser der Albigenserkriege (1209-29). Erste Ziele der mit äußerster Brutalität vorangetriebenen „Bekehrung“ sind Béziers und Carcassonne. Ursprünglich begonnen durch den Papst, spielen ab 1216 religiöse Fragen dabei nur noch eine untergeordnete Rolle – die Kriegführung hat jetzt der König an sich genommen. Die Krone ist auch hier siegreich, und Toulouse und das Languedoc fallen bis 1271 ebenfalls an sie. Der Papst übernimmt die Verfolgung der „Ketzer“ (Katharer); die zu diesem Zweck gegründete Inquisition erhält beinahe uneingeschränkte Macht im Languedoc. In der Region kommt es hierauf immer wieder zu Aufständen; 1244 wird in einem letzten Kriegszug die Festung Montségur erobert.

1226 gelingt es Ludwig VIII. (Frankreich), das Reich zur Erbmonarchie zu machen, was in Deutschland bis in die Neuzeit allen Herrscherfamilien verwehrt bleibt . Nach dem Tod Kaiser Friedrichs II. im Jahre 1250 ist Ludwig IX. der mächtigste Herrscher des Abendlandes.

1246 vergibt König Ludwig IX. die 1204 von den Plantagenets an die Krone zurückgefallene Grafschaft Anjou an seinen jüngeren Bruder Karl und begründet so das Haus Anjou. Anjou erwirbt in der Folge exterritoriale Gebiete: 1246 die Grafschaft Provence im römisch-deutschen Kaiserreich, 1266–1442 das Königreich Neapel (päpstliches Lehen aus dem staufischen Erbe), 1278-83 das Fürstentum Achaia (im von den Kreuzfahrern gebildeten Lateinischen Kaiserreich).

König Philipp IV. der Schöne (1285–1314) stärkt das Königtum weiterhin durch kluge Finanzpolitik, die Liquidierung des Templerordens zugunsten der Krone und die Erweiterung der Domaine royal (Krondomäne) um die Champagne. Der Konflikt mit England verschärft sich aber erneut, und es kommt 1297–1305 zu einer ersten militärischen Auseinandersetzung mit den traditionell pro-englischen Städten in Flandern, in der der König aber letztlich die Oberhand behält.

Auch der Konflikt mit dem Papst um dessen Weltherrschaftsanspruch eskaliert. 1303 setzt Philipp der Schöne den Papst gefangen, und 1309 besiegelt er die Abhängigkeit der Kurie von Frankreich durch deren erzwungene Übersiedlung nach Avignon. Während der nun folgenden mehr als 100-jährigen ‚babylonischen Gefangenschaft’ erfährt die Kirche einen starken Autoritätsverlust.

Die Kapetinger-Dynastie erlischt 1328 im Mannesstamm mit dem Tod König Karls IV. Ihr folgt die Valois-Dynastie, die ebenfalls im Mannesstamm auf Hugo Capet zurückgeht, auf den Thron (bis 1498).

1328–1589: Haus Valois

Nach dem Tod des letzten Kapetingers wird 1328 nach salischem Erbfolgerecht (männliche Thronfolge) Philipp von Valois, Graf von Anjou, der Cousin des verstorbenen Karl IV. zum neuen König gewählt; er begründet die Valois-Dynastie (bis 1498). Thronansprüche erhebt aber ebenfalls Eduard III. Plantagenet, König von England und Herzog von Aquitanien. Eduard ist Neffe Karls IV. in weiblicher Folge. Vor diesem Hintergrund kommt es 1339 bis 1453 zum Hundertjährigen Krieg. England erzielt große Anfangserfolge und erobert bis 1360 neben Calais den gesamten Nordwesten Frankreichs. Es kommt in Frankreich zu schweren inneren Konflikten – das Land hat zusätzlich zu der Pestepidemie von 1348 unter den Kriegsfolgen und marodierenden Söldnern (Armagnacs) zu leiden. Ab 1369 kann Frankreich den Gegner im Kleinkrieg abnutzen und bis 1380 auf wenige Stützpunkte (Calais, Cherbourg, Brest, Bordeaux, Bayonne) zurückdrängen.

König Johann II. der Gute (1350-64) belehnt seine jüngeren Söhne mit den wichtigen Territorien Anjou, Berry und Burgund. Diese Nebenlinien der Valois haben bis 1477 erheblichen Einfluss im Königreich. Insbesondere das Haus Burgund kann während dieser Zeit einen erheblichen Besitz anhäufen. Einen ersten Schritt dazu unternimmt Philipp der Kühne, Herzog von Burgund (1363–1404), als es 1378 zu einer Auflehnung der flandrischen Städte gegen die kriegsbedingt hohe Steuerlast kommt. Philipp von Burgund kann diesen Aufstand niederschlagen und erhält mit der Hand der flandrischen Gräfin Margarete von Mâle 1384 Flandern, mit dem Artois, Hennegau und der Franche-Comté. Philipp und sein Neffe Ludwig Herzog von Orléans(1392–1407) nehmen weiterhin die Regentschaft für den geisteskranken König Karl VI. (1380–1422) wahr, sind aber untereinander in Machtkämpfe verstrickt.

Es kam zur Staatskrise, als 1415 England erneut den Hundertjährigen Krieg aufgriff. Herzog Philipp der Gute von Burgund (1419-67) stellte sich auf die Seite Englands, als 1419 Anhänger des Dauphin seinen Vater ermorden. England und Burgund besetzten schnell die Normandie und den Norden Frankreichs einschließlich der Krondomäne mit Paris, sowie Aquitanien. Die Rettung kam mit Jeanne d'Arc, der so genannten Jungfrau von Orléans. Diese konnte den nationalen Widerstand entfachen, zwang 1429 England zur Aufhebung der Belagerung von Orléans und führte Karl VII. (1422-61) zur Salbung nach Reims. Schließlich wurde sie von den Burgundern gefangen genommen, an die Engländer verkauft und am 30. Mai 1431 auf dem Scheiterhaufen verbrannt. In Frankreich gilt sie seither als Nationalheldin. Von der Römisch-katholischen Kirche wurde sie 1920 heilig gesprochen. 1435 versöhnte sich der König mit Burgund, 1436 wurde Paris und 1449–53 schließlich die Normandie zurückerobert – der Krieg schlief daraufhin ein.

In der Zwischenzeit können die Burgunder weiter ihren Herrschaftsbereich ausbauen. Der König konnte 1435 deren Abwendung von England nur durch die Entlassung Burgunds aus der französischen Lehnsabhängigkeit erkaufen. Burgund verdankt seinen Aufstieg der anhaltenden Schwäche der französischen Monarchie. Als jedoch 1461 nach Beilegung des Hundertjährigen Krieges Ludwig XI. den französischen Thron besteigt, ändert sich die politische Lage: Da Burgund nach wie vor als Teil Frankreichs gilt, ist der Zusammenprall unausweichlich. Der Konflikt wird noch durch die aggressive Politik Herzog Karls des Kühnen (1467-77) verschärft, der Burgund zum unabhängigen Königreich erklären will. Er trifft eine entsprechende Vereinbarung mit dem Habsburger Kaiser Friedrich III. (1440-93), der aber im Gegenzug die Hand der burgundischen Erbin Maria für seinen Sohn Maximilian fordert. Dem stimmt Karl letztlich auch zu, kann jedoch die Früchte seiner Politik nicht mehr ernten, da er 1477 in der Schlacht bei Nancy fällt.

Mit dem Erbfall erhebt nun Habsburg Ansprüche auch auf französisches Territorium. Es kommt zum Krieg; erst 1493 wird mit dem Friedensschluss von Senlis entschieden, dass Flandern und das Artois an Habsburg fallen und in das römisch-Deutsche Reich eingegliedert werden. Bei Frankreich verbleiben die übrigen französischen Territorien aus dem burgundischen Erbe (Burgund, Nevers, Picardie).

Im Zuge der Italienischen Kriege seit 1495 wurden Spanien und Frankreich zunehmend Machtkonkurrenten. Frankreich versuchte mehrfach Mailand zu annektieren und so die Oberhoheit in Italien zu erlangen. Unter der Regierung Franz I. kam es zu heftigen Auseinandersetzungen mit Kaiser Karl V., der seinen Besitz in Süditalien (Neapel) zu verteidigen suchte. Franz’ Offensivkriege blieben letztlich ohne Folgen.

Sein Nachfolger Heinrich II. unternahm ebenfalls Angriffskriege gegen das Haus Habsburg, die nur mäßige Erfolge brachten. Durch die Unterzeichnung des Friedens von Cateau-Cambrésis suchte man einen außenpolitisch stabilen Frieden, da es zu inneren Konflikten mit den Hugenotten kam. Durch diesen Frieden verlor Frankreich seine Vormachtposition an Spanien.

Es kam zur inneren Schwächung Frankreichs und der Krone. Katholisches und protestantisches Lager bekämpften sich gegenseitig, um Einfluss auf die Regierung zu erhalten. In der Bartholomäusnacht am 23./24. August 1572 in Paris wurden wichtige protestantische Persönlichkeiten ermordet. Dies löste erneut Flüchtlingsströme aus.

1589–1789: Haus Bourbon

Das Ende der direkten Linie der sogenannten Valois führte zu Kämpfen, bei denen schließlich Heinrich IV. aus dem Hause Bourbon rechtmäßig König wurde. Er war der bedeutendste männliche Nachkomme des frz. Königshauses und Neffe des Königs Franz I., so dass er sich gegen das pro-spanische Haus Guise durchsetzen konnte, das den Thron usurpieren wollte. Da er Protestant war, musste er zum Katholizismus übertreten, um seine Herrschaft zu festigen. Sein Ausspruch "Paris ist eine Messe wert" (katholische Messe) wurde weltberühmt. Schließlich brachte 1598 das von Heinrich IV. erlassene Edikt von Nantes eine zeitweilige Beruhigung der Lage, die jedoch nur bis zur Eroberung von La Rochelle 1628 anhielt.

Mit der Thronbesteigung Heinrich IV. begann die bedeutendste Epoche der frz. Geschichte: Der erneute Aufstieg Frankreichs zur Vormacht in Europa und die Durchsetzung der absolutistisch-zentralistischen Staatsform. Heinrich installierte eine zentral gelenkte, vom König völlig abhängige Bürokratie und schlug eine aggressive Außenpolitik gegenüber Spanien ein. Seine Ermordung verhinderte jedoch eine Invasion in die Spanischen Niederlande. Sein Sohn Ludwig XIII. stand zunächst unter der Regentschaft seiner Mutter. Es folgte eine Zeit, in der zwei Kardinäle – Richelieu und Mazarin – die Geschicke Frankreichs an Stelle des Königs lenkten und den Protestantismus energisch zurückdrängten. Mit der Einnaheme von La Rochelle 1628 verloren die Hugenotten den letzten der ihnen im Edikt von Nantes gewährten befestigten Rückzugsplätze und waren danach schutzlos der königlichen absolutistischen Politik ausgeliefert. Unter der Leitung Richelieus wurde die Macht der Krone weiter gefestigt, die innere Opposition ausgeschaltet und höchst aktive Außenpolitik betrieben. Auf Betreiben Richelieus griff 1635 Frankreich aktiv in den Dreißigjährigen Krieg in Mitteleuropa ein und geriet damit automatisch in Konflikt mit Spanien (Französisch-Spanischer Krieg (1635–1659)). Im Westfälischen Frieden von 1648 erhielt Frankreich Gebiete im Elsass zugesprochen und erreichte eine dauerhafte Schwächung der Zentralgewalt im Heiligen Römischen Reich. Mit dem Pyrenäenfrieden ging die Zeit der Hegemonie Spaniens in Europa auch äußerlich sichtbar zu Ende und das Zeitalter der französischen Dominanz in Europa begann. Diese Dominanz war nicht nur eine militärische, sondern auch eine kulturelle. Fast alle Fürsten Europas orientierten sich am Vorbild der französischen Kultur am Hof von Versailles. Das Französische wurde zur dominierenden Bildungssprache.

Der vierjährige König Ludwig XIV. erbte 1643 den Thron, Mazarin führte die Regierung weiter. Die sogenannte Fronde bekämpfte die Herrschaft Mazarins und die absolutistische Macht, aber der Bürgerkrieg scheiterte. Nach dem Tod Kardinal Mazarins übernahm Ludwig XIV. 1661 die Regierung allein. Unter ihm gelangte Frankreich auf den Gipfel seiner Macht. Der König selbst verfügte dabei über eine enorme Machtfülle im Staat, das Zeitalter des Absolutismus brach endgültig an. Aufgrund seiner Prunksucht wurde er der Sonnenkönig genannt.

Ludwig XIV. sah sich in der politischen Tradition seines Großvaters und Richelieus, um Frankreichs Machtposition zu stärken. Nach dem blutigen Londoner Kutschenstreit erzwang er die Anerkennung der französischen Krone als stärkster Macht in Europa. Er reformierte den Staat von Grund auf, indem er die Bürokratie effektiv ausbaute, die Wirtschaft massiv förderte, die französische Armee zur leistungsstärksten, fortschrittlichsten und größten des Kontinents ausbaute, die Flotte neu schuf und das Rechtswesen vereinfachte. Dabei stand ihm der geniale Colbert zur Seite. Sein Schloss Versailles und die staatliche Organisation Frankreichs wurden überall als wegweisend kopiert. Paris wuchs zur größten Stadt Europas und zum wissenschaftlichen und intellektuellen Zentrum Europas heran.

Während seiner Herrschaft führte Frankreich vier große Kriege bzw. Raubkriege: Den Devolutionskrieg (1667–1668), den Holländischen Krieg (1672–1678), den Pfälzischen Erbfolgekrieg gegen die Augsburger Allianz (1688–1697) und den Spanischen Erbfolgekrieg (1701–1713). Letzterer endete in einer Staatsverschuldung, aber auch in der endgültigen Beseitigung der Habsburger als politischer Bedrohung. Seine Kriege ergaben eine enorme territoriale Erweiterung und führten sowohl zu Frankreichs heutigen Grenzen als auch zur deutsch-französische Erbfeindschaft infolge der seit dem Dreißigjährigen Krieg wiederholten französischen Raubzüge und Verwüstungen auch östlich des Rheins.

Durch Ludwigs Edikt von Fontainebleau 1685 wurde das tolerante Edikt von Nantes aufgehoben, um die Einheit des Staates zu vollenden. Kirchen der Hugenotten wurden zerstört, protestantische Schulen geschlossen. Wer im Lande blieb und noch als Protestant erkennbar war, wurde verfolgt.

Ludwig überlebte seinen Sohn und seinen ältesten Enkel und starb am 1. September 1715. Sein Urenkel Ludwig XV. folgte ihm auf dem Thron; damit begann eine Zeit des erneuten wirtschaftlichen Aufschwungs und die Fortsetzung der kulturellen Blüte. Legendär sind die Hofintrigen um Madame de Pompadour und Madame Dubarry. Durch seine erfolglose Teilnahme am Siebenjährigen Krieg gegen Friedrich den Großen verlor Ludwig XV. erhebliche Teile der französischen Kolonien in Nordamerika (Québec, Louisiana) und Teile von Indien an England.

Nach ihm kam sein Enkel Ludwig XVI. auf den Thron, der mit Marie Antoinette, einer Tochter der Kaiserin Maria Theresia von Österreich verheiratet war. Ludwig XVI. machte die von Ludwig XV. noch kurz vor seinem Tod begonnenen Reformen zum großen Teil wieder rückgängig und suchte durch eigene Reformen den Staat zu reorganisieren. Dabei unterlief ihm der Fehler, dass er die Obersten Gerichtshöfe mit höherer Machtkompetenz ausstattete, wodurch es Hochadel und Klerus besser möglich war seine Reformvorhaben zu bekämpfen. Dies führte in den 1780er Jahren zu einer großen Finanzkrise, zu der auch die Teilnahme am Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg beitrug. Der König reagierte mit Sparmaßnahmen und versuchte das Finanzwesen neu zu regeln; auch die direkte Besteuerung des 1. und 2. Standes versuchte er zu erreichen. Nach den Missernten der Jahre 1787/88 sah sich der König schließlich im August 1788 genötigt, die alte ständische Versammlung, die Generalstände (frz. les États generaux) einzuberufen, um die nicht mehr allein zu lösenden Probleme anzugehen. Letztendlich spaltete sich am 17. Juni 1789 aber ein Teil der Generalstände, der Dritte Stand, ab und konzipierte als Nationalversammlung eine Verfassung mit eingeschränkter Macht der Monarchie. Damit begann das Ende des so genannten Ancien Régime (dt. "Alte Herrschaft").

1789–1814/1815: Von Französischer Revolution zu Erstem Kaiserreich

1789–1793: Vom Sturm auf die Bastille zur Ersten Republik

Die Französische Revolution begann mit dem Sturm auf die Bastille in Paris am 14. Juli 1789 (heute Nationalfeiertag Frankreichs). Die Revolutionäre wollten dem Absolutismus ein Ende setzen, der unter Ludwig XIV. seine Blütezeit erreicht hatte, unter Ludwig XVI. jedoch bereits in eine dekadente Phase eingetreten war. Am 3. September 1791 wurde eine neue Verfassung mit Frankreich als einer konstitutionellen Monarchie verabschiedet. Am 10. August 1792 erfolgte der Sturm auf die Tuilerien und die Suspendierung des Königs.

1793–1804: Erste Republik

Die Verschärfung der Gegensätze und die missglückte Flucht des Königs nach Varennes führten zu dessen Festnahme und letztlich zu seiner Enthauptung am 21. Januar 1793; in Frankreich kam es zur Errichtung der Ersten Republik. Nach dem Aufstand der Jakobiner erfolgte der Ausschluss der Girondisten aus dem Konvent. Es folgte eine Zeit der Terrorherrschaft unter Robespierre. Am 27./28. Juli 1794 (9./10. Thermidor) erfolgte die Verhaftung und Hinrichtung Robespierres und seiner Anhänger durch die Thermidorianer. Die Jakobinerherrschaft wurde durch die Herrschaft des Direktoriums abgelöst. Es folgte eine Phase der inneren Konsolidierung und der militärischen Auseinandersetzungen mit den Nachbarländern.

Am 9. November 1799 ergriff Napoléon Bonaparte mit dem Staatsstreich des 18. Brumaire VIII die Macht als Erster Konsul. Er ließ 1802 die Sklaverei, die im Zuge der Revolution abgeschafft worden war, in den Kolonien wieder einführen, was in der Kolonie Haiti im Jahre 1804 zu einem erneuten Aufstand führte, der schließlich in der Unabhängigkeitserklärung Haitis mündete.

1804–1814/1815: Erstes Kaiserreich

Die Französische Revolution begann mit dem Sturm auf die Bastille in Paris am 14. Juli 1789 (heute Nationalfeiertag Frankreichs). Die Revolutionäre wollten dem Absolutismus ein Ende setzen, der unter Ludwig XIV. seine Blütezeit erreicht hatte, unter Ludwig XVI. jedoch bereits in eine dekadente Phase eingetreten war. Am 3. September 1791 wurde eine neue Verfassung mit Frankreich als einer konstitutionellen Monarchie verabschiedet. Am 10. August 1792 erfolgte der Sturm auf die Tuilerien und die Suspendierung des Königs.

1793–1804: Erste Republik

Die Verschärfung der Gegensätze und die missglückte Flucht des Königs nach Varennes führten zu dessen Festnahme und letztlich zu seiner Enthauptung am 21. Januar 1793; in Frankreich kam es zur Errichtung der Ersten Republik. Nach dem Aufstand der Jakobiner erfolgte der Ausschluss der Girondisten aus dem Konvent. Es folgte eine Zeit der Terrorherrschaft unter Robespierre. Am 27./28. Juli 1794 (9./10. Thermidor) erfolgte die Verhaftung und Hinrichtung Robespierres und seiner Anhänger durch die Thermidorianer. Die Jakobinerherrschaft wurde durch die Herrschaft des Direktoriums abgelöst. Es folgte eine Phase der inneren Konsolidierung und der militärischen Auseinandersetzungen mit den Nachbarländern.

Am 9. November 1799 ergriff Napoléon Bonaparte mit dem Staatsstreich des 18. Brumaire VIII die Macht als Erster Konsul. Er ließ 1802 die Sklaverei, die im Zuge der Revolution abgeschafft worden war, in den Kolonien wieder einführen, was in der Kolonie Haiti im Jahre 1804 zu einem erneuten Aufstand führte, der schließlich in der Unabhängigkeitserklärung Haitis mündete.

1804–1814/1815: Erstes Kaiserreich

Am 2. Dezember 1804 setzte sich Napoléon selbst die Kaiserkrone aufs Haupt. Bereits unter Ludwig XIV., der das Elsass annektierte, und der Republik hatte sich Frankreich auf Kosten seiner Nachbarn erweitert; Napoléon brachte in der Folge den größten Teil Europas unter seine direkte oder indirekte Kontrolle (Koalitionskriege). Er agierte als Imperialist, wobei er den eroberten Ländern auch Errungenschaften der Revolution und des Liberalismus überbrachte: Rechtsgleichheit etwa oder den Code civil ("Code Napoléon").

Am 2. Dezember 1805 siegte Napoléon gegen Russland und Österreich in der Schlacht bei Austerlitz, auch Dreikaiserschlacht genannt. Im Oktober 1806 kam es zu der Schlacht bei Jena und Auerstedt, in der die preußischen Truppen vernichtend geschlagen wurden. Die französischen Truppen marschierten in Berlin ein. Napoléon marschierte durch Polen und unterzeichnete ein Abkommen mit dem russischen Zar Alexander I., das Europa zwischen den beiden Mächten aufteilte. Napoléon setzte einen europaweiten Handelsboykott (die sog. Kontinentalsperre) gegen Großbritannien durch und setzte einen neuen König in Spanien ein. Die Spanier erhoben sich, und es gelang Napoléon nicht, den Aufstand niederzuschlagen.

1809 kam es neuerlich zum Krieg mit Österreich, das dieses Mal jedoch auf sich alleine gestellt war. Napoléon eroberte Wien, büßte aber kurz darauf in der Schlacht bei Aspern den Nimbus der Unbesiegbarkeit ein. Anderthalb Monate später nahm er in der Schlacht bei Wagram erfolgreich Revanche und Österreich musste sich im Frieden von Schönbrunn geschlagen geben.

In diesem Jahr ließ sich Napoléon von Joséphine scheiden, da sie ihm keine Kinder gebären konnte, und heiratete 1810 Marie-Louise von Habsburg. Nach der verunglückten Mission der Grande Armée ("Großen Armee") gegen Russland 1812 kam das Französische Kaiserreich ins Wanken. Die endgültige Niederlage der Franzosen kam 1813 in der Völkerschlacht bei Leipzig. Nach der Niederlage ging Napoléon ins Exil nach Elba, einer kleinen Mittelmeerinsel. Ludwig XVIII. wurde als König eingesetzt. Schon 1815 kehrte Napoléon aber wieder aufs Festland zurück, wo ihn das Militär, das ihn aufhalten sollte, begeistert empfing. Er übernahm in Paris wieder die Macht und regierte weitere 100 Tage. 1815 wurde Napoléon bei Waterloo, (auch "Belle Alliance" genannt), in der Nähe von Brüssel endgültig besiegt. Frankreich musste die eroberten Gebiete wieder aufgeben, konnte sein altes Territorium (einschließlich Elsass-Lothringens) aber vollständig erhalten.

1814/1815–1871: Von der Restauration zum Zweiten Kaiserreich

1814/1815–1830: Restauration

Es wurden nun wieder Könige aus dem Hause Bourbon eingesetzt, das mit Ludwig XVIII. und Karl X. immer despotischer regierte. Am 26. Juli 1830 löste Karl X. das Parlament auf. Auf den "Staatsstreich" reagierte die liberale Opposition mit Aufrufen zum Widerstand gegen das Regime. Es kam zur Julirevolution von 1830.

1830–1848: Julimonarchie

In der Folge dieser Revolution 1830 kam der als liberal geltende Louis-Philippe aus der Nebenlinie Orléans des Hauses Bourbon auf den französischen Thron. Als sogenannter Bürgerkönig führte er seine vom Großbürgertum gestützte Regierung zunächst liberal, gab dann aber seiner Politik eine zunehmend reaktionäre Richtung, bis hin zum Beitritt Frankreichs in die Heilige Allianz, ein ursprünglich von Preußen, Russland und Österreich gegründetes, der Restauration verpflichtetes Staatenbündnis. Louis-Philippes Herrschaft wurde 1848 durch eine erneute bürgerliche Revolution, die zur zweiten französischen Republik führte, gestürzt.

1848–1852: Zweite Republik

1848 kam es zur Februarrevolution und eine zweite Republik wurde errichtet. Louis Napoléon Bonaparte, ein Neffe Napoléon Bonapartes, wurde zum Präsidenten gewählt.

1852–1870: Zweites Kaiserreich

Am 2. Dezember 1852 krönte sich Louis Napoléon Bonaparte als Napoléon III. zum Kaiser. Er sicherte seine Macht durch Militär und Repressionsmaßnahmen ab. Eine erfolgreiche Außenpolitik sowie materielle Zugeständnisse an die Bevölkerung sicherten seine Macht zusätzlich ab. Sein Zweites Kaiserreich dauerte bis 1870, bis er im Deutsch-Französischen Krieg militärisch scheiterte und in preußische Gefangenschaft geriet.

1870–1944: Pariser Kommune, Dritte Republik, Vichy-Regime [Bearbeiten]

1870–1871: Pariser Kommune

Nach einer Kapitulation des Kaiserreichs kam es in Paris zum Volksaufstand gegen diese Kapitulation; die sogenannte Pariser Kommune entstand. Die Abgeordneten der Kommune forderten die Gründung einer föderalistischen Republik. Die konservative Mehrheit der französischen Nationalversammlung schickte Truppen gegen die Kommune. Nach zweimonatiger Belagerung kam es vom 21. bis 28. Mai 1871 zu erbitterten Barrikadenkämpfen um die französische Hauptstadt. Fast ein Viertel der Arbeiterbevölkerung kam bei den Kämpfen und den darauffolgenden Massenexekutionen ums Leben.

1871–1940: Dritte Republik

In der Folge wurde Frankreich wieder Republik. 1905 wurde als eine Konsequenz aus der Affäre Dreyfus das Gesetz zur Trennung von Religion und Staat angenommen, wodurch die vollkommene Trennung von Staat und Kirche – frz. la laïcité, dt. Laizismus – in der Verfassung verankert wurde. Im Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918 (frz. La Grande Guerre) kamen ca. 1,5 Mio. französische Soldaten ums Leben. Frankreich gehörte nach dem Krieg zu den Siegermächten der Entente und diktierte den Verlierern im Versailler Vertrag harte Bedingungen. Das 1871 an Deutschland verlorene Elsass-Lothringen wurde wieder an Frankreich abgetreten.

In der Zwischenkriegszeit verfolgte Frankreich zunächst die Politik der Sicherheit am Rhein (1923 Ruhrgebietsbesetzung unter Ministerpräsident Poincaré), der die deutsch-französische Annäherung im Locarnovertrag 1925 folgte. Die folgenden Jahre waren Krisenjahre mit schnell wechselnden Regierungen. Im Februar 1934 kam es überdies zu einem Putschversuch der faschistischen Bewegung Croix de feu. Nach dem Rücktritt von Édouard Daladier (1934) bildete Gaston Doumergue eine Regierung der nationalen Einheit (frz. Union Nationale), die ohne Zustimmung der Kommunisten und Sozialisten auskommen musste. 1936 konnten die Parlamentswahlen von der neu gebildeten Volksfront aus Sozialisten, Kommunisten und Radikalsozialisten mit der Parole «Brot, Frieden, Freiheit» gewonnen werden. Der Sozialist Léon Blum wurde 1936/37 und 1938 Ministerpräsident. Sein Nachfolger wurde zweimal der Radikalsozialist Edouard Daladier. Die Volksfront verfolgte konsequent das Prinzip der Nichteinmischung und war auf Frieden und Verteidigung eingestellt. Gegenüber Deutschland verfolgte sie eine Appeasement-Politik.

Erst als Hitler am 1. September 1939 den Polenfeldzug begann, reagierte Frankreich zusammen mit Großbritannien mit der Kriegserklärung. Frankreich war jedoch bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wegen der vorangegangenen innenpolitischen Auseinandersetzungen militärisch unvorbereitet. Die französische Armee blieb bis zur deutschen Besetzung Belgiens am 10. Mai 1940 in der Defensive und beschränkte sich auf einen „Sitzkrieg“. Die Auseinandersetzung nach dem deutschen Angriff endete innerhalb weniger Wochen mit der völligen Niederlage der französischen Armee. Am 14. Juni 1940 besetzten deutsche Truppen Paris. Staatspräsident Albert Lebrun beauftragte nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten Reynaud Marschall Pétain am 16. Juni 1940 mit der Regierungsbildung und Waffenstillstandsverhandlungen. Hitler konnte den Besiegten die Bedingungen mehr oder minder diktieren.

Am 22. Juni 1940 unterschrieb General Charles Huntziger im historischen Eisenbahnwaggon im Wald von Compiègne den Waffenstillstand an dem Ort, an dem auch der Waffenstillstand des Ersten Weltkrieges unterschrieben worden war.

1940–1944: Vichy-Regime

Nach der Niederlage blieb Frankreich besetzt. Der Waffenstillstandsvertrag sah eine Aufteilung Frankreichs in verschiedene Zonen vor. Die von den Deutschen besetzte und unter Militärverwaltung gestellte „Zone occupeé“ (besetzte Zone) umfasste den Nordosten und Norden des Landes, die Atlantik- und die Kanalküste sowie die de facto vom Deutschen Reich annektierten Gebiete Elsass und Lothringen. Der deutsche Militärbefehlshaber residierte mit seinen Behörden in Paris. Der äußerste Norden unterstand der Militärverwaltung in Belgien, der äußerste Südosten dem Bündnispartner Italien. In der „Zone libre“ (Freie Zone) entstand das von den Deutschen abhängige konservativ-autoritäre Vichy-Regime (die offizielle Bezeichnung war État Français), eine bis zum Vordringen der Alliierten 1944 mit Deutschland kooperierende Regierung. Die Regierung erhielt ihren Namen von ihrem Regierungssitz, dem Kurort Vichy in der Auvergne. Chef de l'État (Staatschef) war Marschall Henri Philippe Pétain. Die Freie Zone wurde am 11. November 1942 von den Deutschen besetzt, als den Alliierten die Invasion nach Nordafrika gelang. Wie in den anderen von Deutschland besetzten Staaten kam es auch in Frankreich zu bewaffnetem Widerstand durch die Résistance gegen die Besatzung und ihre Helfer. Der deutschen Partisanenbekämpfung fielen insgesamt rund 13.000 bis 16.000 Franzosen zum Opfer, darunter 4.000 bis 5.000 vollkommen unbeteiligte Zivilisten.[1] Bei der Landung in der Normandie und der Befreiung Frankreichs waren mit untergeordneter Bedeutung auch Truppen des Freien Frankreich, der unter Charles de Gaulle gebildeten Londoner Exilregierung, beteiligt

Seit 1944: Provisorische Regierung, Vierte und Fünfte Republik

1944–1947: Provisorische Regierung

De Gaulle bildete am 9. September 1944 eine provisorische Regierung. Nach der Vertreibung der deutschen Besatzer kam es zuerst zu wilden Ausschreitungen gegen der Kollaboration verdächtigte Landsleute; später wurde die Einrichtung einer Commission d'Épuration auf regionaler Ebene bewirkt. Marschall Pétain wurde zum Tod verurteilt (von de Gaulle wurde die Strafe schließlich in lebenslange Haft umgewandelt) und der Ministerpräsident des Vichy-Regimes Pierre Laval hingerichtet.

Am 13. November 1945 wurde de Gaulle durch die französische Nationalversammlung zum Ministerpräsidenten gewählt.

1947–1958: Vierte Republik

Die Vierte Republik war bereits am 13. Oktober 1946 durch einen Volksentscheid beschlossen worden. Als erster Staatspräsidenten trat 1947 der Sozialist Vincent Auriol sein Amt an. 1954 wurde René Coty sein Nachfolger.

Frankreich war trotz der Niederlage 1940 gegen das Deutsche Reich von den Siegermächten (USA, Großbritannien, Sowjetunion) als gleichberechtigte Macht (Besatzungsmacht) anerkannt worden. Frankreich wurde auch eine der Veto-Mächte im UNO-Sicherheitsrat. In die Zeit der Vierten Republik fällt der Indochinakrieg, mit dem durch die Niederlage für Frankreich 1954 das Ende des französischen Kolonialreichs eingeleitet wurde. Die durch den Algerienkrieg ausgelöste Krise beendete die Vierte Republik, und brachte 1958 Charles de Gaulle wieder an die Macht. De Gaulle verlangte vor seiner Wahl als Staatspräsident Sondervollmachten zur Lösung der Algerienkrise sowie eine Verfassungsänderung zur Stärkung der präsidialen Autorität gegenüber Regierung und Parlament. Die neue Verfassung wurde im selben Jahr per Volksentscheid angenommen und markierte das Ende der Vierten Republik. Herausragende Politiker sind René Pleven, Robert Schuman, Pierre Mendès-France und Georges Bidault.

Seit 1958: Fünfte Republik

Die neue Verfassung wurde zur Grundlage der so genannten Fünften Republik, die bis heute andauert. Seit 1958 gilt Frankreich als semipräsidentielle Demokratie, der Begriff ist in der Politikwissenschaft allerdings umstritten. Von 1958 bis 1969 war Charles de Gaulle Präsident der Fünften Republik. Im September 1958 wählten die Franzosen per Referendum mit 80% die neue Konstitution, die auf einen Vorschlag de Gaulles zurückging. In dieser Konstitution wurde die exekutive Macht bekräftigt, und dem Président de la Republique weiterhin die Repräsentation des Staates zugesprochen. Er ist Befehlshaber der Armee, kann Gesetze verabschieden und die Assemblée Nationale jederzeit auflösen. 1962 beendete de Gaulle den Krieg in Algerien. Die meisten Franzosen mussten Algerien daraufhin verlassen. 1968 brachen in Paris die Mai-Unruhen aus, denen sich die Arbeiter anschlossen. De Gaulle setzte Neuwahlen an und gewann noch einmal. 10 Monate später verlor er jedoch ein Referendum und trat zurück. Seine Nachfolger Georges Pompidou (1969-74) und Valéry Giscard d'Estaing (1974-81) führten seine Politik im Wesentlichen fort. 1981 kam mit der Wahl des sozialistischen Staatspräsidenten François Mitterrand (1981-95) und dem anschließenden Wahlsieg der Sozialistischen Partei (PS) die gemäßigte Linke an die Macht. 1986 verlor Mitterrand die absolute Mehrheit im Parlament und musste fortan mit dem gaullistischen Premierminister Jacques Chirac regieren, die Phase der Cohabitation begann.

1995 gewann Chirac die Präsidentschaftswahlen gegen den sozialistischen Kandidaten Lionel Jospin. Chirac verlor 1997 die absolute Mehrheit im Parlament an die Sozialisten, Lionel Jospin wurde Premierminister. 2002 setzte sich Chirac bei den Präsidentschaftswahlen erneut gegen den sozialistischen Kandidaten Lionel Jospin und Jean-Marie Le Pen, den Chef der rechtsextremen Nationalen Front (frz. le Front National), durch. Jospin belegte nur Platz drei hinter dem Amtsinhaber Chirac und Le Pen, er trat von allen Ämtern zurück. Von 2002 bis 2007 amtierte dann wieder eine konservative Regierung unter den Premierministern Raffarin und de Villepin. Die Ablehnung des EU-Referendums am 29. Mai 2005 und die Unruhen in vielen französischen Vorstädten im Herbst 2005 (siehe: Unruhen in Frankreich 2005) machten einen Reformstau deutlich sichtbar. So gewann im Mai 2007 der ehemalige Wirtschafts- und Innenminister Nicolas Sarkozy die Stichwahl der Französischen Präsidentschaftswahl gegen die Sozialistin Ségolène Royal. Mitte 2008 brachte er eine große Verfassungsreform auf den Weg, die unter anderem die Amtszeit des Präsidenten auf zwei Legislaturperioden begrenzt und dem Parlament mehr Einfluss auf die Politik des Landes geben soll.

In den letzten Jahrzehnten wurde die Annäherung und die Kooperation mit der Bundesrepublik Deutschland (siehe auch: Élysée-Vertrag) zentral für die ökonomische Integration Europas, einschließlich der Einführung des Euro im Januar 2002.

Literatur

  • H.-G. Haupt u.a.: Kleine Geschichte Frankreichs, Stuttgart, Reclam 1994.
  • Ernest Lavisse: Histoire de France depuis les origines jusqu`à la Révolution, 9 Bände, Paris 1903–1911.
  • Nouvelle Histoire de la France contemporaine, 20 Bände, Paris 1972–2005.
  • Jean Favier (Hrsg.): Geschichte Frankreichs (6 Bände), Stuttgart 1989 ff.
  • Wolfgang Schmale: Geschichte Frankreichs, Stuttgart: Ulmer (UTB), 2000, ISBN 3-8252-2145-8.

Einzelnachweise

  1. ↑ Peter Lieb: Konventioneller Krieg oder NSWeltanschauungskrieg? Kriegführung und Partisanenbekämpfung in Frankreich 1943/44, München, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2007, ISBN 978-3486579925

 

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Fränkisches Reich

Das Fränkische Reich war ein Königreich in West- und Mitteleuropa zwischen dem 5. und 9. Jahrhundert, das sich auf dem westeuropäischen Gebiet des Römischen Reichs bildete. Es geht auf mehrere westgermanische Völker der Völkerwanderungszeit zurück.

Das Reich der Franken wurde innerhalb von drei Jahrhunderten zur historisch wichtigsten Reichsbildung des abendländischen Europa seit der Antike,[1] und nach dem Zerfall des Römischen Reichs zum Machtzentrum und später zur Großmacht in West- und Mitteleuropa. Es wurde durch die Dynastien der Merowinger und später der Karolinger regiert, die aus den Arnulfingern und Pippiniden hervorgingen. Eine wichtige Stütze der späteren Dynastie der Karolinger war Karl Martell, der 732 in der Schlacht bei Tours und Poitiers an der Loire das Vordringen der islamischen Mauren nach Mitteleuropa verhinderte. Den Höhepunkt seiner Macht und Ausdehnung erreichte das Frankenreich unter Karl dem Großen. Nach der späteren Teilung wurde aus seinem östlichen Teil (Ostfrankenreich) das mittelalterliche deutsche Reich (Heilige Römische Reich Deutscher Nation) und aus dem westlichen Teil Frankreich.

Das merowingische Frankenreich

Schon im 4. Jahrhundert siedelten auf dem Gebiet des Römischen Reiches germanische Stämme als Föderaten. Diesen wurde aufgrund der militärischen Probleme Roms das Siedlungsrecht gegeben, in der Erwartung, dass sie dann die Reichsgrenzen verteidigen würden. Am nordöstlichen Ende Galliens siedelten die germanischen Franken, die als Franci in römischen Quellen das erste Mal in den 50er Jahren des 3. Jahrhundert erwähnt werden.[2]

Die Erstnennung des Stammes der Salfranken findet sich beim römischen Historiker Ammianus Marcellinus, welcher vom Kampf des römischen Caesar (Unterkaisers) Julian gegen die Franken im Jahr 358 berichtete:

    „Nach diesen Vorbereitungen wandte er sich zunächst gegen die Franken, die man gewöhnlich als Salier bezeichnet; sie hatten sich vor längerer Zeit erfrecht, auf römischem Boden in Toxandrien ihre Wohnsitze einzurichten.“[3]

Nachdem Gallien seit dem Tod des Heermeisters Aëtius der römischen Kontrolle mehr und mehr entglitten war, nutzten die Franken den Zusammenbruch des Weströmischen Reiches (um 476), um ihr Gebiet zu vergrößern, ähnlich wie die Westgoten im Süden. Im Norden Galliens hatte sich ein römisches Restreich unter dem römischen Statthalter Syagrius, dem Sohn des Heermeisters Aegidius, im Gebiet um Soissons halten können, welches vom Rest des Imperiums abgeschnitten war (seit 464, siehe auch Paulus).

486/487 besiegten die Franken unter Chlodwig I. Syagrius und eroberten dessen Herrschaftsgebiet. Dadurch verschob sich die Grenze des Frankenreiches bis an die Loire. Chlodwig, der vorher nur einer von mehreren fränkischen Kleinkönigen war, nutzte danach die Chance, die übrigen Teilkönigreiche zu beseitigen und ein germanisch-romanisches Reich zu gründen. Er beseitigte nacheinander unter anderem Sigibert von Köln sowie Ragnachar und führte 496/506 erfolgreiche Kriege gegen die Alamannen. 507 schlug Chlodwig die Westgoten in der Schlacht von Vouillé (oder bei Voulon), nach der er sie fast ganz aus Gallien verdrängte.

Der Besitz der Grundherren, die während der fränkischen Eroberungskriege getötet oder vertrieben wurden, gelangte in den Besitz der Krone (Königsgut). Dadurch finanzierte Chlodwig seine weiteren Feldzüge und stärkte seine Königsmacht. Der König wurde nach und nach größter Grundbesitzer. Durch Landschenkungen brachte er andere Adlige in direkte Abhängigkeit, woraus sich das Lehnswesen entwickelte. Der König verlieh das Land auf Zeit, denn das größer werdende königliche Eigentum, das Ergebnis der ständigen Kriege war, musste auch verwaltet werden. Andererseits spielte die Geldwirtschaft im Fränkischen Reich eine relativ geringe Rolle. Aus diesen Voraussetzungen bildete sich die frühfeudale fränkische Gesellschaft heraus.

Chlodwig übernahm aber auch den funktionsfähigen spätantiken römischen Verwaltungsapparat (deren Kern vor allem im Süden die civitates waren). Dabei spielte die Macht der örtlichen Bischöfe, die oft Verwaltungsaufgaben in den civitates übernommen hatten, eine wichtige Rolle, sodass sich die Kirche zu einer weiteren Machtstütze des Königs entwickeln sollte. Durch den Einfluss der Burgunderin Chrodechild trat Chlodwig I. zum katholischen Christentum über.[4] Mit seiner Taufe (vielleicht 496/98 oder 508; das Datum ist umstritten)[4] sicherte er sich die Unterstützung durch die römischen Christen und ermöglichte so ein Miteinander von Franken und gallo-römischer Bevölkerung. Bald darauf ging auch die spätantike Übergangszeit in Gallien vorüber, das Frühmittelalter nahm langsam Gestalt an. Die königlichen Boten (Grafen und Bischöfe) waren bestimmt, Chlodwigs königliche Anordnungen durchzusetzen. Daneben setzte Chlodwig 511 auf der ersten Reichsynode einen maßgeblichen Einfluss fränkischer Könige auf die Bischofsinvestitur durch und versuchte, eine einheitliche kirchliche Gesetzgebung für das Frankenreich zu schaffen. Im frühen 6. Jahrhundert (nach 507) entstand mit der Lex Salica eine erste Sammlung des Volksrechts der Franken.

Der Aufstieg der Arnulfinger und Pippiniden

Nach dem Tode Chlodwigs (511) wurde das Reich unter seinen vier Söhnen aufgeteilt. Zwar konnte die Reichseinheit durch Chlodwigs Nachfolger immer wieder hergestellt werden (wobei vor allem Theudebert I. von Bedeutung ist, der eine expansive Politik in Italien betrieb), doch brachte es die germanische Tradition mit sich, dass es immer wieder zu Reichsteilungen unter den Söhnen beim Tode des Vaters kam. 639 starb Dagobert I., der letzte bedeutende Merowinger, und hinterließ seinem Sohn das nochmals geeinigte Reich. Die wahre Macht lag aber beim Hausmeier Aega und der Witwe Dagoberts.

Die Hausmeier strebten nun auch nach der gesamten Macht im Reich. Ein Intermezzo brachten die Jahre 657–662, in denen der Sohn des Hausmeiers Grimoald, der unter dem Namen Childebertus adoptivus in die Geschichte einging, von dem Merowinger Sigibert III. adoptiert wurde und in diesen Jahren auf dem Thron saß. In der Schlacht bei Tertry (687) schließlich besiegte der austrasische Hausmeier Pippin II. den rechtmäßigen Herrscher des fränkischen Gesamtreiches und schaffte so die Voraussetzung für den weiteren Aufstieg der Arnulfinger und Pippiniden und später den der Karolinger. Pippin wagte es aber nach dem im Endeffekt missglückten „Staatsstreich“ Grimoalds noch nicht, sich selbst zum König zu erheben, weil er nicht über das ererbte Königsheil verfügte.

714, nach dem Tode Pippins, entbrannten Machtkämpfe, in denen sich 719 sein unehelicher Sohn Karl Martell durchsetzte. Der für seine Härte und sein Durchsetzungsvermögen bekannte Karl stand vor schwierigen innen- und außenpolitischen Problemen. Immer wieder versuchten einige Führer der alten Reichsadelsgeschlechter im Frankenreich, sich gegen seine Herrschaft aufzulehnen. Einen Wendepunkt stellte das Jahr 732 dar. In der Schlacht bei Tours und Poitiers besiegte Karl, gemeinsam mit seinem ehemaligen Feind Eudo von Aquitanien und unterstützt von den Langobarden, die muslimischen Araber. Hierfür wurde er als Retter des Abendlandes gefeiert. Auch die Kämpfe gegen Friesen, Sachsen, Bajuwaren und Alamannen festigten seine Herrschaft. Daneben unterstützte er die Missionsarbeit des Bischofs Bonifatius in diesen Gebieten. Ab 737 herrschte er nach dem Tode des merowingischen Königs Theuderich IV. allein über das Frankenreich, wie schon sein Vater ohne Königstitel. Nach fränkischer Tradition teilte Karl Martell das Reich kurz vor seinem Tode unter seinen Söhnen Karlmann und Pippin III. auf.

Das Frankenreich unter den Karolingern

Pippin III. wurde Alleinherrscher nachdem sein Bruder ins Kloster gegangen war und er den letzten merowingischen König, Childerich III., ebenfalls dorthin geschickt hatte. 751 ließ er sich dann nach alttestamentlichem Vorbild zum König salben. Drei Jahre später salbte ihn Papst Stephan II. ein zweites Mal. Im Vertrag von Quierzy (754) versprach Pippin, das ehemalige Exarchat von Ravenna dem Papst zurückzugeben (Pippinische Schenkung); im Gegenzug legitimierte der Papst die Karolinger als Könige des Frankenreichs. Schon 755 ereilte den fränkischen König die Bitte, dem Vertrag nachzukommen. Bis zu seinem Tode führt Pippin zwei erfolgreiche Feldzüge gegen die Langobarden und schenkte dem Papst die eroberten Gebiete. Pippin III. gilt so als Begründer des Kirchenstaates. Bei seinem Tode 768 hinterließ er seinen Söhnen Karl und Karlmann ein Reich, das politisch wie wirtschaftlich im Aufbau begriffen war.

Kurze Zeit später (771) starb Karlmann, und Karl der Große wurde dadurch Alleinherrscher. Durch den von seinem Vater geschlossenen Vertrag mit dem Papst war Karl diesem verpflichtet. Da die Langobarden die Schenkungen Pippins nicht anerkannten, führte Karl weiter gegen sie Krieg und eroberte ihr Reich im Jahre 774. Neben den Langobardenfeldzügen schritt die Missionierung im Osten voran. Besonders die Kriege gegen die Sachsen bestimmten die Politik Karls bis 785, als sich Widukind schließlich dem fränkischen König unterwarf. Die Sachsenkriege dauerten noch bis 804 fort (letzter Feldzug der Franken nach Nordelbien).

Die zahlreichen Kriege bewirkten eine fortschreitende Feudalisierung, eine Stärkung der Reichen und einen Anstieg der feudalabhängigen Bauern. Im Ergebnis dieser Entwicklung wuchsen Besitz und Macht der Lehnsherren, insbesondere des Königs (und späteren Kaisers) und der Herzöge. Auch die Kirche konnte ihre Macht festigen. Karl konsolidierte die Staatsmacht nach außen durch die Errichtung von Grenzmarken. Diese waren Bollwerke für die Reichsverteidigung und Aufmarschgebiete für Angriffskriege. Zur Verwaltung setzte er Markgrafen ein, die mit besonderen Rechten ausgestattet waren, da die Marken nicht direkt Teil des Reiches waren und somit auch außerhalb der Reichsverfassung standen. In den Marken wurden Burgen errichtet und eine wehrhafte Bauernbevölkerung angesiedelt. Besonders wichtig waren hierbei die Marken im Osten des Reiches, die Awarenmark (siehe auch Marcha Orientalis) und die Mark Karantanien, aus denen später Österreich hervorging (siehe auch Ostarrîchi).

Zur Festigung seiner Herrschaft nach Innen zentralisierte Karl die Königsherrschaft um 793 durch eine Verwaltungsreform. Die Königsherrschaft gründete sich auf den königlichen Hof, das Pfalzgericht und die Kanzlei. Im Reich verwalteten Grafen die Königsgüter (Pfalzen). Pfalz- und Markgrafen wurden durch Königsboten (missi dominici) kontrolliert und sprachen königliches Recht. Aachen wurde unter Karl zur Kaiserpfalz und zum Zentrum des Frankenreiches.

Den Höhepunkt seiner Macht erreichte Karl am 25. Dezember 800 mit der Krönung zum römischen Kaiser: Damit war das Frankenreich – neben dem Byzantinischen Kaiserreich und dem Kalifat der Abbasiden – nun endgültig eine anerkannte Großmacht.

Der Niedergang des Frankenreichs

Nach 46-jähriger Herrschaft starb Karl 814 in Aachen. Sein Sohn Ludwig der Fromme wurde Kaiser. Dieser versuchte, entgegen der fränkischen Tradition, die die Aufteilung des Erbes vorsah und wie es auch Karl der Große in der Divisio Regnorum von 806 bestimmt hatte, die Reichseinheit zu wahren und erließ 817 ein Reichsteilungs- oder besser: Reichseinheitsgesetz (Ordinatio imperii). Schließlich galt auch die Kaiserwürde als unteilbar. Deswegen bestimmte Ludwig seinen Sohn Lothar zum Mitkaiser. Das Gesetz sah vor, dass immer der älteste Sohn des Kaisers den Titel des römischen Kaisers erben sollte. Ludwig entschied sich für den Reichseinheitsgedanken, wenn auch unter kirchlichem Einfluss, der die Einheit des Reiches als Pendant zur Einheit der Kirche sah. Daher spielten die Bischöfe auch eine besondere politische Rolle: Sie stellten sich gegen die Söhne des Kaisers, die für die Aufteilung des Reiches waren. Seit 829 führten diese Spannungen zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen dem Kaiser und seinen Söhnen.

Als Ludwig 840 starb, wurde Lothar I. zwar Kaiser, doch einigten sich die Söhne 843 im Vertrag von Verdun, das Frankenreich aufzuteilen. Später wurde das Reich durch die Prümer Teilung (855) und die Verträge von Mersen (870) und Ribemont (880) weiter aufgeteilt. Die Reichseinheit wurde, außer kurzzeitig unter Karl III. (885-887), nie wiederhergestellt. Die einzelnen Teile entwickelten unterschiedliche Sitten, Bräuche, Sprachen und wurden so zu eigenständigen Staaten. Einige Zeit darauf sprach man von einem West- und Ostfränkischen Reich, bis dieser Hinweis auf die gemeinsame Herkunft ein Jahrhundert später verschwand. Vom alten Frankenreich sollte nur der westliche Teil den Namen „Frankreich“ übernehmen. Das aus dem Ostfrankenreich entstehende Heilige Römische Reich, aus dem später Deutschland hervorging, führte die Tradition des römischen Kaisertums fort.

Divisio Regnorum (806)

Das Testament Karls des Großen sah die Aufteilung unter seinen Söhnen Pippin, Ludwig dem Frommen und Karl dem Jüngeren vor (siehe Divisio Regnorum). Da jedoch Pippin und Karl der Jüngere bereits 810 bzw. 811 verstarben, wurde dieser Plan aufgegeben und Ludwig wurde stattdessen 813 zum Mitkaiser erhoben, der so nun nach dem Tod seines Vaters 814 im Besitz aller kaiserlichen Rechte seine Nachfolge antreten konnte.

Vertrag von Verdun (843)

Die Aufteilung des Fränkischen Reichs ging auf den teils kriegerischen Erbfolgestreit zurück, den Kaiser Ludwig I., der Fromme, mit seinen Söhnen führte. Nach einer Palastrevolution und Gefangennahme wurde Kaiser Ludwig I. Anfang der 830er Jahre von seinen Söhnen entmachtet. Ab 831/832 verselbständigten die Söhne zunehmend ihre Herrschaftsbereiche im Reichsverband und beließen ihren Vater in der Funktion eines Titularkaisers. Drei Jahre nach dem Tod ihres Vaters leiteten Kaiser Lothar I., König Karl der Kahle und König Ludwig der Deutsche 843 im Vertrag von Verdun die Teilung und damit das Ende des Fränkischen Reiches ein; die Reichseinheit war nicht mehr zu gewährleisten und endete faktisch mit dem Vertrag von Verdun.

Durch die Teilung entstanden drei neue Reiche:

  • das Westfrankenreich Karls des Kahlen, Ursprung des späteren Frankreich
  • das Ostfrankenreich Ludwigs des Deutschen, Ursprung des späteren Heiligen Römischen Reiches (Deutscher Nation)
  • das Lotharii Regnum („Mittelreich“) Lothars I., Ursprung des späteren Lothringen

Prümer Teilung (855)

855 veranlasste Lothar I. in der Prümer Teilung die Aufteilung des Mittelreiches unter seinen Söhnen.

Vertrag von Meersen (870)

Nach dem Tod der Söhne Lothars I. wurde das einstige Mittelreich unter Karl dem Kahlen und Ludwig dem Deutschen im Vertrag von Meersen aufgeteilt.

Vertrag von Ribemont (880)

Nach vergeblichen Versuchen Karls des Kahlen, das ganze Mittelreich zu erobern (Schlacht bei Andernach 876), erhielt Ludwig III. durch den Vertrag von Ribemont die Westhälfte Lotharingiens. Damit war die Aufteilung des Frankenreiches vorläufig abgeschlossen, die Grenze zwischen dem West- und Ostteil blieb das ganze Mittelalter über nahezu unverändert.

Nach dem Tode der westfränkischen Könige Ludwig III. (882) und Karlmann (884), wurde der ostfränkische König Karl III. (der Dicke) bis 888 noch letzter Kaiser des Gesamtreiches (außer Niederburgund). Der Streit zwischen den (späteren) Nachfolgestaaten (Deutschland, Frankreich) um Teile des Mittelreichs reichte als sogenannte Erbfeindschaft bis ins 20. Jahrhundert hinein.

Lebensart im Frankenreich

Die Bevölkerung

Im Frankenreich waren der Großteil der Bevölkerung Bauern oder bäuerliches Gesinde. In vielen Gegenden gab es keine Städte, lediglich in früher römischen Gebieten bestanden verkleinerte römische Anlagen, die als Verwaltungsmittelpunkte von civitates unter Bischöfen oder Grafen weiter existierten. Über dem niederen Volk befand sich eine zahlenmäßig dünne Schicht von Adligen, in der damaligen Zeit meist „die Großen“ genannt.

Die Lebensweise der bäuerlichen Grundbevölkerung im Frankenreich lässt sich nicht mit der heutigen vergleichen. Der Großteil der Menschen verbrachte sein ganzes Leben in demselben Dorf. Täglich wurde von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gearbeitet, außer am Sonntag und an kirchlichen Festtagen. War man alt genug, heiratete man und bekam beinahe jährlich ein Kind; die meisten Kinder starben jung. Allgemein war die Lebenserwartung wesentlich niedriger als heute, mit 50 Jahren galt eine Bäuerin oder ein Bauer als Greis. Die meisten Menschen kannten nebst ihrem Dorf nur den Weg zur nächsten Kirche und umliegende Ortschaften. Von dem Geschehen in größerer Entfernung hatte der Großteil keine Ahnung. Ein zusätzliches Hindernis war das Fehlen von befestigten Straßen außer denjenigen, die von den Römern zuvor angelegt worden waren. Die einfache Bevölkerung konnte weder lesen noch schreiben, es gab aber auch keine Schriften, durch die solche Leute hätten erfahren können, was in der Welt vor sich geht. Arbeiten auf dem Land wurden von den Bauern in der gleichen Weise verrichtet, wie es einst ihre Väter vor ihnen taten. Das, was schon seit grauer Vorzeit gemacht wurde, hielten sie für das Richtige, da es von Gott so gewollt sei.

Genaue Zahlen über die damalige Bevölkerung sind nicht bekannt, so dass die Historiker auf Schätzungen angewiesen sind. Diese ergaben eine ungefähre Anzahl von 2 Millionen Einwohnern im „deutsch“-sprachigen Teil des Frankenreichs. Für das ganze Reich nimmt man eine durchschnittliche Bevölkerungsdichte von etwa 8 Einwohner/Quadratkilometer an, für die deutschen Sprachgebiete hingegen nur eine durchschnittliche Anzahl von 4 bis 5 Einwohner/Quadratkilometer.

Landwirtschaft

Entstehung der Grundherrschaft

Die Krieger des fränkischen Königs übernahmen nach der Eroberung die Herrenhöfe ihrer Vorgänger. Die Knechte und Mägde, die neben dem Herrenhof wohnten, kümmerten sich um das Land des Herren. Sie bekamen kein Geld, aber dafür Verpflegung und Unterkunft. Die Handwerker unter ihnen stellten die Kleidung und Waffen her und pflegten diese. Die Ärmeren wurden zu Heeresdienst gezwungen. Die anderen, die Abgaben leisten konnten, wurden nach Hause entlassen.

Die Bauern als der vorherrschende Teil der Landbevölkerung im Mittelalter wurden genau nach ihrem Rechtsstatus unterschieden. Es gab Freie, Halbfreie und Unfreie, später wurde noch zwischen Leibeigenen und Hörigen unterschieden. Auch die Adligen waren anfangs nur Großbauern mit besonders umfangreichem Besitz an Land, Allod genannt, und an Menschen. Über diese Angehörigen seines Hauses übte der Adlige ein weitreichendes Herrenrecht aus. Zum Haus zählten dabei in weiterem Sinne auch abhängige Familien. Eine ähnliche Stellung nahmen zuvor in der spätrömischen Gesellschaft die Großgrundbesitzer ein, denen ein umfangreicher Besitz an Latifundien gehörte, in dessen Zentrum ein luxuriöser Herrenhof stand, der von zahlreichen abhängigen Bauern bewirtschaftet wurde. Daneben gehörten noch Handwerker zu dessen Besitz, so dass man nahezu von Selbstversorgung ausgehen kann. Diese Bauern waren an ihr Stück Land gebunden und durften nicht wegziehen, um sich an einem anderen Ort einen anderen Herren oder gar einen anderen Beruf zu suchen. Aus diesen beiden Wurzeln entstand in einer langen Entwicklung die neue Gesellschaftsordnung der heutzutage so genannten Grundherrschaft im Frankenreich.

Die Grundherrschaft setzte sich schnell im ganzen Reich durch. Sie breitete sich auch in den Gebieten aus, welche erst ab 800 in fränkischen Besitz gelangten. Grundherren waren Adlige, Klöster, Bischöfe und der König, der damals der größte Grundeigentümer war. Die Bauern, welche unter eine solche Herrschaft fielen, wirtschafteten den größten Teil der Zeit nicht selbstständig, sondern mussten gleichzeitig auf den Feldern des Eigentümers mithelfen. Die Grundherrschaft wurde zum „Grundbaustein“ des damaligen Gesellschaftsbaus und spätestens seit 750 zum üblichen, landwirtschaftlichen Betrieb, ähnlich wie heute der Bauernhof der übliche, landwirtschaftliche Betrieb ist.

Grundherren

Die Grundherren waren alle Adligen (Bischöfe, Äbte). Der hörige Bauer des Mittelalters durfte ohne die Erlaubnis seines Grundherren nicht aus der Grundherrschaft ausscheiden. Die Hörigen mussten Dienste für ihren Herrn verrichten und ihm dabei regelmäßig Abgaben zahlen, meist in Form von Anteilen an der Ernte. Aber auch der Eigentümer hatte Pflichten, die es zu erfüllen galt. Er musste seinem Untergebenen „Schutz und Schirm“ bieten, das heißt ihn schützen und unterstützen, beispielsweise bei Krankheiten, einem Brand oder einer starken Missernte. Er musste ihn sowohl vor Angreifern verteidigen, als auch in seinem Namen Rache üben, falls er umgebracht werden sollte. Innerhalb seiner eigenen Grundherrschaft war er der Hüter des Friedens, so sprang er auch bei Streitereien als Vermittler und Richter ein und konnte im Streitfall den Friedensbrecher bestrafen.

Die Grundherrschaft gliederte sich dabei in verschiedene Bereiche. Es gab je nach Größe des Hofes eine Kirche, verschiedene Werkstätten (Lederwerkstatt, Schmiede, Wagnerei, Schneiderei, Tuchfärberei, Schuhmacher), eine Brauerei, eine Mühle und eine Kelterei. Dazu gab es natürlich eine Vielzahl von Feldern, von denen der Großteil den Hörigen zur Verfügung gestellt wurde. Ein Teil der Felder war jedoch noch im Besitz des Grundherrn. Und so gehörte es nebst den Abgaben ebenfalls zu den Aufgaben der Bauern, täglich eine bestimmte Zeit auf diesen Feldern zu arbeiten, bevor sie sich um die Bestellung ihrer eigenen Flächen kümmern konnten.

Nebst den Hörigen gab es auch das so genannte Gesinde. Mit diesem Begriff bezeichnet man die Knechte und Mägde des Grundherrn, deren einzige Aufgabe darin bestand, auf den Feldern ihres Eigentümers Frondienst zu leisten. Sie wohnten zumeist im Fronhof oder unmittelbar daneben.

Bauern

Nebst den zahlenmäßig größten Schichten der Bevölkerung, dem hörigen Bauern und dem grundherrlichen Gesinde gab es im Frankenreich noch zwei weitere bäuerliche Schichten: die Zinsbauern und die Königsfreien. Bei den Zinsbauern handelt es sich um solche Landwirte, die keiner Arbeit auf dem Fronhof oder dem Herrenacker verpflichtet waren, dem Grundherren jedoch eine bestimmte Abgabe zahlten, damit dieser sie vor allfälligen Gefahren schützt. Im Laufe der Zeit wurden sie den Hörigen langsam angepasst und gegen Ende des Frankenreichs (etwa um 900) unterschieden sie sich praktisch nicht mehr von ihnen.

Die Königsbauern waren Bauern, die außer dem König keinen Menschen über sich hatten. Meist gehörten sie dem fränkischen Stamm an. Sie waren zur Heerfolge verpflichtet, wenn der König seine Armee aufbot und dienten dort als Fußkrieger. Die Frankenkönige hatten seit dem Einbrechen der Franken in Gallien die Königsbauern zumeist auf herrenloses Land gesetzt. Karl der Große siedelte vor allem in Sachsen diese Bauern an, die er vermutlich aus den Hörigen der Königsgüter, über die er Grundherr war, hatte auswählen lassen. Sie sollten damit gleichzeitig die fränkische Herrschaft über Sachsen sichern.

Es kam nicht selten vor, dass Könige ein vormals an einen Königsfreien vergebenes Land wieder an eine neue Person verschenkten, beispielsweise als Landgeschenk an ein Kloster oder einen Vasallen mit Grund ausstatten wollten. In diesem Fall wurde das Land mitsamt dem Königsfreien verschenkt. Dieser blieb zwar theoretisch gesehen ein freier Mann, war aber gleichzeitig seinem neuen Eigentümer untertan. Zuerst verlor er das Recht, von seinem Besitz wegzuziehen und wurde Schritt für Schritt zum Hörigen gemacht.

Es gab aber auch Fälle, in denen sich ein Königsfreier freiwillig einem Grundherren untertan machte. Dies konnte verschiedene Gründe haben: Verarmung und die Unfähigkeit, selber weiter zu wirtschaften, eine große Anzahl Schulden an einen Grundherren, die nicht mehr zurückgezahlt werden konnten oder weil er sich nicht mehr für das Heer aufbieten lassen wollte. Ohne dass es ein genaues Gesetz gab, bürgerte es sich mit der Zeit ein, dass hörige Bauern nicht mehr dazu verpflichtet waren, in Kriegen zu kämpfen.

Gegen Ende des Frühmittelalters wurde in den verschiedensten Gegenden Frankreichs und Deutschlands beschlossen, dass kein Landbewohner frei sein könne. Das heißt, jeder Bauer musste einen Grundherren über sich haben und gehörte damit entweder zum Gesinde eines Herrn oder zu dessen hörigen Bauern.

Klöster im Frankenreich

Im Laufe der Jahrhunderte nahm die Anzahl Klöster im Reich stark zu. Seit dem ersten Karolingerkönig und seit Bischof Bonifatius nahmen mehr und mehr solcher Einrichtungen die 530 verfasste Regel des heiligen Benedikt an. Benedikt von Nursia hatte hiermit das Zusammenleben und Verhalten der Mönche in seinem Kloster auf dem Monte Cassino bei Neapel festgelegt. Es wurde in der darauf folgenden Zeit zur Mustereinrichtung für das gesamte europäische Klosterwesen.

Mönche und Nonnen wurden hauptsächlich jene, die sich von der restlichen Welt mit ihren Freunden oder Bindungen zurückziehen wollten, um ihr Leben in den Dienst Gottes zu stellen. Es gab jedoch noch weitere Beweggründe für einen Eintritt, so wurden Klosterbrüder und -schwestern wirtschaftlich hinreichend versorgt. Fünfmal am Tag und Zweimal in der Nacht versammelten sich die Mönche in ihrer Kirche zu Gebeten und zum Psalmensingen. Bei den Mahlzeiten las immer abwechselnd ein Mönch seinen Brüdern aus den Schriften von Heiligen vor. Aufgrund der drei Gelübde, die Mönche bei ihrem Eintritt ablegen mussten, durften sie weder eine Ehe führen noch Kinder haben. Sie sollten mittellos sein und waren dem jeweiligen Abt zu Gehorsam verpflichtet. Dies alles sollte dazu dienen, dass ein Mönch sein Leben nur auf Gott ausrichten konnte.

Da Untätigkeit als eine Sünde galt, schrieb das Reglement vor, dass die Mönche mehrere Stunden pro Tag arbeiten und mehrere Stunden lesen sollten. Alles, was man zum Leben brauchte, wurde in der Klosteranlage hergestellt. Ein Teil der Mönche verrichtete seine Arbeit auf den Feldern, ein Teil seine im Klostergarten. Wieder andere verrichteten ihren Dienst als Abschreiber, indem sie Pergamentschreiben oder Bücher aus den Klosterbibliotheken kopierten. Nebst vorwiegend christlichen Schriften wurden auch Bücher „weltlicher“ Autoren übernommen, beispielsweise die Schriften von Titus, Caesar und Vergil. Ab dem 6. Jahrhundert entstanden zusätzlich zu den Mönchsklostern auch Frauenkloster für Nonnen. Nonnen verrichteten keine Feldarbeit, arbeiteten jedoch oftmals im Garten.

Im Frankenreich wurden Klöster vielfältig mit Ländereien beschenkt und konnten sich auf diese Weise zu reichen Grundherren entwickeln. Die großen Klöster beschäftigten unter anderem auch Knechte, die als Handwerker in gewissen Werkstätten arbeiteten. Von Adligen wurden die Klöster nicht selten auch als Versorgungsstätten für ihre Söhne und Töchter verwendet, die sie nicht hatten verheiraten können. Hier konnten sie zwar kein adeliges Leben führen, allerdings ohne wirtschaftliche Not leben. Überdies waren die Äbte, beziehungsweise die Äbtissinnen, welche dem Kloster vorstanden, in vielen Fällen ein Adelsgeschlecht.

Stellung des Königs

Der König stand nicht nur über den gewöhnlichen Bauern und den Adligen, sondern auch über den Äbten und Bischöfen in seinem Reich. Er war bei weitem der größte Grundherr im Land. In einer Vielzahl von Gebieten hatte er Adlige zu Grafen gemacht; mit diesem Titel führten sie dort die Aufsicht über die in der Nähe gelegenen Königsgüter und einzelne Fronhöfe, wirkten beim Heeresaufgebot mit und zogen die dem König zustehenden Abgaben aus dem Land (Grenz-, Schifffahrts- und Wegzölle, Münzenprägungs -und Marktabgaben) ein. In einigen seiner Gutshöfe ließ der König größere, steinerne Gebäude errichten, die so genannten Pfalzen. Alle Königsgüter hatten ihre Überschüsse an die nächstgelegene solche Einrichtung zu entrichten. Jeder Pfalz stand ein Pfalzgraf vor.

Der König hatte keine feste Hauptstadt, sondern zog mit seinem Hofgefolge von Pfalz zu Pfalz. Zum Gefolge zählten ein Kämmerer, dessen Aufgabe darin bestand, den Königsschatz und die Einkünfte des Königs zu verwalten, und der Marschall, der die berittenen Krieger der Königswache befehligte. Ein Geistlicher war ebenfalls anwesend und leitete die Kanzlei. Er las dem König die Briefe anderer Herrscher oder von Bischöfen vor, verfasste die Antwortschreiben und ließ durch die ihm unterstehenden Hofgeistlichen die Schenkungs- und andere königliche Urkunden verfassen. Der Herrscher selbst konnte nur in den wenigsten Fällen lesen und schreiben. Auch Karl der Große hatte dieses Problem. Anstelle seiner Unterschrift zeichnete er auf eine Urkunde oder ein Schreiben einen kleinen Strich, um dieses für gültig zu erklären.

Einzelnachweise

  1. ↑ Friedrich Prinz: Grundlagen deutscher Geschichte (4.–8. Jahrhundert). Gebhardt: Handbuch der Deutschen Geschichte, Band 1, 10. Auflage. Klett-Cotta, Stuttgart 2001, S. 286.
  2. ↑ Vgl. Alexander Demandt: Die Spätantike. 2. Aufl. München 2007, S. 50 f.
  3. ↑ Ammianus Marcellinus: Liber XVII, 8, 3
  4. ↑ a b Ulrich Knefelkamp: Das Mittelalter. Geschichte im Überblick. UTB, 2002, ISBN 3-82522-105-9, S. 40.

Literatur

Allgemein

Monographien/Sammelbände

  • The New Cambridge Medieval History. Verschiedene Hrsg. Bd. 1–2. Cambridge 1995ff. (mit mehreren Beiträgen zum Frankenreich).
  • Paul Fouracre (Hrsg.): Frankland. the Franks and the world of the early middle ages. Manchester University Press, Manchester 2008. ISBN 978-0-7190-7669-5.
  • Reinhard Schneider: Das Frankenreich. 4. Aufl. Oldenbourg, München 2001.

Artikel in Fachlexika

  • Hans Hubert Anton, Josef Fleckenstein: Franken, Frankenreich – B. Allgemeine und politische Geschichte. Verfassungs- und Institutionengeschichte. In: Lexikon des Mittelalters. Bd. 4, 1989, Sp. 693–718.
  • Hans Hubert Anton: Franken – III. Historisches §§ 17–22. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. 2. Aufl., Bd. 9, 1995, S. 414–435.
  • Knut Schäferdiek: Franken. In: Theologische Realenzyklopädie. Bd. 11, 1983, S. 330–335.
  • Rudolf Schieffer: Fränkisches Reich. In: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, 2. Aufl. Bd. 1, 2008, 1672–1685.

Zu den Merowingern

Monographien/Sammelbände

  • Michael Borgolte: Die Grafen Alemanniens in merowingischer und karolingischer Zeit. Eine Prosopographie. Thorbecke, Sigmaringen 1986. ISBN 3-7995-7351-8.
  • Eugen Ewig: Die Merowinger und das Frankenreich. 5. Auflage, Kohlhammer, Stuttgart 2006. ISBN 3-17-019473-9.
  • Eugen Ewig: Spätantikes und fränkisches Gallien. Gesammelte Schriften. 2 Bde. Artemis, München/Zürich 1976–79. ISBN 3-7608-4652-1.
  • Franz Irsigler: Untersuchungen zur Geschichte des frühfränkischen Adels. Röhrscheid, Bonn 1969, 1981. ISBN 3-7928-0420-4.
  • Patrick J. Geary: Die Merowinger. Europa vor Karl dem Großen. Beck, München 1996, 2004 (orig. Before France and Germany, 1988). ISBN 3-406-49426-9.
  • Ian N. Wood: The Merovingian Kingdoms, 450–751. Longman, London 1994, 2000. ISBN 0-582-49372-2.
  • Dieter Geuenich (Hrsg.): Die Franken und die Alemannen bis zur „Schlacht bei Zülpich“ (496/497). Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Ergänzungsbd 19. Berlin/New York 1998. ISBN 3-11-015826-4.

Artikel in Fachlexika

  • Hans Hubert Anton: Merowinger. In: Lexikon des Mittelalters. Bd. 6, 1993, Sp. 543–544.
  • Ian Wood: Merowingerzeit § 2. Historisches. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 2. Aufl. Bd. 19, 2001, S. 587–593.

Zu den Karolingern

Monographien/Sammelbände

  • Rudolf Schieffer: Die Karolinger. Kohlhammer, Stuttgart 1992, 2000, 2006. ISBN 3-17-019099-7.
  • Gunter G. Wolf (Hrsg.): Zum Kaisertum Karls d. Gr.: Beiträge und Aufsätze. Wiss. Buchges., Darmstadt 1972, ISBN 3-534-04549-1.
  • Pierre Riché: Die Welt der Karolinger. Übersetzt u. hrsg. von Cornelia und Ulf Dirlmeier. Reclam, Stuttgart 1981, 1999. ISBN 3-15-010463-7.
  • Pierre Riché: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Stuttgart 1987.
  • Peter Classen: Karl der Große, das Papsttum und Byzanz. Schwann, Düsseldorf 1968, Thorbecke, Sigmaringen 1988. ISBN 3-7995-5709-1.
  • Dieter Hägermann: Karl der Große, Herrscher des Abendlandes. Propyläen-Verlag, Berlin 2000; List, München 2003. ISBN 3-548-60275-4.

Artikel in Fachlexika

  • Thomas Zotz, Karolinger. In: Lexikon des Mittelalters. Bd. 5, 1991, Sp. 1008–1014.
  • Rudolf Schieffer: Karolinger und Karolingerzeit § 1. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. 2. Aufl. Bd. 16, 2000, S. 587–593.

 

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Westfrankenreich

Das Westfrankenreich (lat. Francia occidentalis) war der westliche Teil des aufgeteilten Frankenreichs. Es entstand 843 durch den Vertrag von Verdun und wurde 870 durch den Vertrag von Meerssen erweitert. Aus dem westfränkischen Reich entwickelte sich im Lauf des 9. und 10. Jahrhunderts Frankreich.

Der Prozess der Entstehung Frankreichs vollzog sich langsam und schrittweise und war den damals Lebenden kaum bewusst. Daher lässt er sich schwer zeitlich fixieren. Man geht davon aus, dass der Vorgang spätestens mit dem Dynastiewechsel von 987 (Übergang von den Karolingern zu den Kapetingern) abgeschlossen war. Daher werden die ab 987 regierenden Kapetinger stets als Könige von Frankreich bezeichnet. Die karolingischen und robertinischen Könige in der Zeit zwischen der Mitte des 9. Jahrhunderts und dem Dynastiewechsel von 987 werden in der modernen populärwissenschaftlichen und wissenschaftlichen Literatur teils als westfränkische, teils als französische Könige bezeichnet, je nachdem, wo die betreffenden Forscher den Übergang vom Westfrankenreich zu Frankreich ansetzen. Alle diese Periodisierungsansätze sind willkürlich. Auch der Dynastiewechsel von 987 wurde von den Zeitgenossen nicht als tiefer Einschnitt oder gar als neue Reichsgründung aufgefasst. Man sah darin damals nicht einmal die endgültige Entmachtung der Karolinger, sondern nur eine Episode in einem seit langem andauernden Machtkampf zweier rivalisierender Geschlechter. Erst im Lauf der folgenden Jahrzehnte erwies sich die neue kapetingische Herrschaft als dauerhaft.

Mit dem Vertrag von Verdun wurde das Frankenreich in drei Teile aufgeteilt:

  • Westfrankenreich, das spätere Frankreich
  • Ostfrankenreich, der Vorläufer des Heiligen Römischen Reiches
  • Das Mittelreich, (auch Lotharii Regnum) wurde zunächst 855 geteilt (Prümer Teilung), aber bald darauf zu einem Teil auf die beiden anderen Reiche aufgeteilt (Vertrag von Mersen 870, Vertrag von Ribemont 880), zum anderen Teil entstanden auf seinem Boden die neuen Königreiche Niederburgund, Hochburgund und Italien. Diese wiederum verschmolzen zunächst mit dem Heiligen Römischen Reich, um dann später doch an Frankreich zu fallen (Burgund) oder sich in selbstständige Kleinstaaten zu verwandeln (Italien). Das Gebiet (Benelux, Rheinland, Lothringen, Elsaß) wurde im Laufe der Geschichte zudem immer wieder Zankapfel zwischen den anderen beiden Reichen (Frankreich, Heiliges Römisches Reich / Deutschland).

Literatur

  • Carlrichard Brühl: Die Geburt zweier Völker. Deutsche und Franzosen (9.–11. Jahrhundert). Böhlau Verlag, Köln u. a. 2001.

 

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Habsburgisch-Französischer Gegensatz

Als Habsburgisch-französischen Gegensatz bezeichnet die Geschichtswissenschaft den von 1516 bis 1756 dauernden Konflikt zwischen dem Haus Habsburg und dem Königreich Frankreich um die Vorherrschaft in Europa. Sowohl offen als auch verdeckt ausgetragen, prägte er 240 Jahre lang die gesamte europäische Macht- und Bündnispolitik und mündete in zahlreiche Kriege, von denen der Dreißigjährige Krieg der verheerendste war.

Vorgeschichte

Die Ursprünge des Konflikts waren dynastischer Natur und entsprangen der erfolgreichen Heiratspolitik der Habsburger, die dem Grundsatz folgte: Bella gerant alii, tu felix Austria, nube! - Kriege mögen andere führen. Du, glückliches Österreich, heirate! . Im Jahr 1477 ehelichte der spätere Kaiser Maximilian I. Maria, die Tochter und einzige Erbin Herzog Karls des Kühnen von Burgund. Das französische Königshaus Valois, dem auch die Burgunder Herzöge entstammten, machte ebenfalls Ansprüche auf das burgundische Erbe geltend, das teils auf französischem, teils auf Reichsgebiet lag. Maximilian setzte die Rechte seiner Frau im Reich durch, jedoch gelang es König Ludwig XI. von Frankreich die Picardie, das Mâconnais, das Auxerrois, das Charolais und das Herzogtum Burgund wieder vollständig für die französische Krone zurückzuerobern.

Darüber hinaus verheiratete Maximilian 1496 seinen und Marias Sohn, Philipp den Schönen, mit der Infantin von Spanien, Johanna der Wahnsinnigen. Als deren Sohn, der spätere Kaiser Karl V., 1515 die Herrschaft im burgundischen Flandern und im Jahr darauf im Königreich Spanien antrat, war Frankreich sowohl im Norden und Osten als auch im Süden von habsburgischen Territorien umgeben. Vermehrt wurde Karls Macht noch durch die einträglichen spanischen Besitzungen in Amerika, durch die zu Spanien gehörenden Königreiche Sardinien, Neapel und Sizilien sowie durch seine 1519 erfolgte Wahl zum römisch-deutschen Kaiser als Nachfolger seines Großvaters Maximilian I. Jedoch gelang es Karl Zeit seines Lebens nicht, die habsburgischen Länder zu zentralisieren und so die Einkreisung Frankreichs effektiv wirksam zu machen. Seine Länder blieben vorerst eigenständige Staaten, die zwar in Personalunion regiert wurden, deren Stände aber auch außenpolitisch eigene Interessen vertraten.

Entwicklung im 16. Jahrhundert

Bereits seit 1494 kämpften Frankreich und Spanien um die Vorherrschaft in Italien. Zu diesem bereits schwelenden Konflikt kam seit 1516 das Bestreben der französischen Krone, sich aus der drohenden Umklammerung durch die habsburgischen Besitzungen zu lösen. Um das Haus Habsburg als Konkurrenten um die Vorherrschaft in Europa auszuschalten, führte allein König Franz I. von Frankreich vier Kriege (Italienische Kriege). Ihnen sollten unter seinen Nachfolgern viele weitere folgen. Sie suchten und fanden dafür immer wieder Unterstützung bei einzelnen deutschen Reichsfürsten, aber auch beim Osmanischen Reich. Günstiger wurde die Situation für Frankreich, nachdem die Reformation Deutschland in sich feindlich gegenüberstehende Lager gespalten hatte. Aufgrund seiner maritimen Interessen stand auch das protestantische England seit der Thronbesteigung Königin Elisabeths I. für mehr als ein Jahrhundert meist im anti-spanischen Lager.

Das Konfliktpotenzial ging nur unwesentlich zurück, als Karl V. 1555 abdankte und seinen Machtbereich zwischen seinem Sohn Philipp II. und seinem Bruder Ferdinand I. aufteilte. Ferdinand erhielt die österreichischen Erblande und die Kaiserkrone, Philipp Spanien sowie die niederländischen und italienischen Besitzungen. Die österreichischen und spanischen Habsburger stimmten jedoch ihre machtpolitischen Interessen weiter miteinander ab, und nach wie vor sah sich Frankreich von Philipps Herrschaftsbereich eingekreist. König Philipp gelang es, seine Besitzungen so in seiner Hand zu zentralisieren, dass er den Druck auf Frankreich stark erhöhen konnte. Die Hugenottenkriege verminderten in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Handlungsmöglichkeiten der französischen Krone erheblich. Durch den Frieden von Cateau-Cambrésis von 1559 war der Kampf um die europäische Vorherrschaft vorerst zu Gunsten Spaniens entschieden worden. Erst das Wiedererstarken des Landes unter dem ersten Bourbonenkönig Heinrich IV. sollte Frankreichs außenpolitische Schwäche beenden.

Entwicklung im 17. und frühen 18. Jahrhundert

Wiederaufflammen des Konflikts

Heinrich IV. plante bereits 1610 militärisch in den Jülich-Klevischen Erbfolgestreit einzugreifen und den Kampf gegen die habsburgischen Mächte wieder aufzunehmen. Die Aussichten dazu hatten sich entscheidend verbessert, seit 1568 in den mehrheitlich protestantischen Niederlanden ein Aufstand gegen Spanien ausgebrochen war. Der darauf folgende Achtzigjährige Krieg sollte Spanien entscheidend schwächen und zur Unabhängigkeit der Niederlande führen. Diese sahen in Frankreich für lange Zeit einen natürlichen Verbündeten. Der Ausbruch eines großen, allgemein-europäischen Krieges, der durch ein französisches Engagement in Jülich-Kleve möglich gewesen wäre, wurde 1610 nur durch die Ermordung Heinrichs IV. verhindert.

Dreißigjähriger Krieg und Vorherrschaft Frankreichs

In den 1618 ausbrechenden Dreißigjährigen Krieg griff Frankreich vorerst nicht direkt ein. Die Politik Kardinal Richelieus, der für König Ludwig XIII. die Regierung führte, war es zunächst, diejenigen Fürsten mit Subsidien zu unterstützen, die sich gegen die drohende Ausweitung der kaiserlichen Macht in Deutschland unter Ferdinand II. und Ferdinand III. wandten. Dies waren insbesondere die Fürsten der Protestantischen Union und Schweden unter König Gustav II. Adolf. Erst nach der Niederlage der Schweden in der Schlacht bei Nördlingen 1635 beteiligte sich Frankreich auch militärisch.

Im 1648 geschlossenen Westfälischen Frieden erreichte Frankreich nicht nur territoriale Zugeständnisse im Elsass, sondern setzte auch weitere, strategisch wichtige Vorstellungen durch: Die Niederlande wurden formell vom Reich unabhängig, und die Reichsfürsten erhielten das Recht, Bündnisse mit fremden Mächten – also auch mit Frankreich - zu schließen, so lange sich diese nicht gegen den Kaiser richteten. Vor allem war es Frankreich gelungen, die österreichischen von den spanischen Habsburgern zu trennen. Während es mit den einen Frieden schloss, führte es mit den anderen weiter Krieg. Erst 1659 vereinbarte es mit Spanien den Pyrenäenfrieden, der für Frankreich ebenso vorteilhaft war wie zuvor der Friede von Münster. Er markierte das Ende der spanischen und den Beginn der französischen Vorherrschaft in Europa.

Eindämmung der französischen Hegemonie

Nach dem Tod Kardinal Mazarins übernahm König Ludwig XIV. 1661 die alleinige Regierung Frankreichs. In den folgenden Jahren brach der habsburgisch-französische Gegensatz erneut auf – nun jedoch unter dem umgekehrten Vorzeichen einer drohenden französischen Hegemonie.

Ludwigs aggressives Ausgreifen auf die Niederlande im Holländischen Krieg sowie auf den Westen Deutschlands im Zuge der Reunionspolitik und des Pfälzischen Erbfolgekriegs veränderte die europäischen Bündnissysteme. Zunächst näherten sich die Niederlande dem habsburgischen Kaiser in Wien an und schließlich auch England, nachdem der niederländische Generalstatthalter Wilhelm von Oranien infolge der Glorious Revolution 1688 den englischen Thron bestiegen hatte.

Die sogenannte Große Allianz trat Frankreich 1701-1713/14 im Spanischen Erbfolgekrieg entgegen, der nach dem Tod des letzten spanischen Habsburgers Karl II. ausgebrochen war. Trotz einer von den europäischen Mächten im Frieden von Rijswijk 1697 getroffenen Vereinbarung, hatten Ludwigs Diplomaten Karl II. dazu bewegt, Philipp von Bourbon, einen Enkel des französischen Königs, als seinen Alleinerben einzusetzen.

Die Staaten der Großen Allianz sahen in dieser Machtkonzentration der Bourbonen eine erhebliche Störung des europäischen Gleichgewichts. Sie traten daher für eine habsburgische Sekundogenitur in Spanien ein: Karl, der zweitgeborene Sohn Kaiser Leopolds I. sollte den Thron in Madrid besteigen. Der darüber ausbrechende Krieg belastete Frankreich enorm, es konnte jedoch letztlich den Angriffen der Großen Allianz standhalten.

Doch 1711, nach dem Tod Kaiser Josephs I., dem älteren Bruder Karls, erbte dieser auch die übrigen habsburgischen Besitzungen. Damit drohte das Reich Karls V. wieder zu erstehen. Da dies für die bisherigen Verbündeten Österreichs, England und die Niederlande, ebenso inakzeptabel war, wie eine französische Dominanz, drängten sie auf einen Ausgleich mit König Ludwig XIV. und dessen Enkel Philipp.

Der Friede von Utrecht bestätigte Philipp V. zwar als König von Spanien, untersagte jedoch die Vereinigung der französischen und der spanischen Krone unter ein und demselben Herrscher aus dem Hause Bourbon. Zum Ausgleich fielen die Spanischen Niederlande an Österreich. Gleichzeitig war es Frankreich gelungen die habsburgische Umklammerung für immer zu zerschlagen. Der Frieden von Utrecht und der Tod Ludwigs XIV. 1715 beendeten daher die aggressive Eroberungspolitik Frankreichs, es konnte seine Vorherrschaft in Europa bewahren, während das Haus Österreich zur europäischen Großmacht aufgestiegen war.

Die Umkehr der Allianzen

Nach dem Frieden von Utrecht hatte der habsburgisch-französische Gegensatz im Grunde seine Substanz verloren. Außer den Österreichischen Niederlanden grenzte kein habsburgisches Territorium mehr an Frankreich. Die machtpolitischen Interessen beider Länder überschnitten sich kaum noch, insbesondere seit Österreich daran gegangen war, seine Machtbasis auf dem Balkan auf Kosten des Osmanischen Reiches zu vergrößern.

Dennoch blieben die traditionellen Bündnissysteme auch weiterhin bestehen. Sowohl im Polnischen Erbfolgekrieg als auch in den Schlesischen Kriegen unterstützte Frankreich jeweils das anti-habsburgische Lager. Erst als Österreichs stärkster Gegenspieler im Reich, Friedrich II. von Preußen, 1756 die Konvention von Westminster, ein Bündnis mit Frankreichs Rivalen England, abschloss, kam es zum sogenannten Renversement des Alliances, der Umkehr der Allianzen. Auf Betreiben des Staatskanzlers Kaunitz schloss Österreich ein Verteidigungsbündnis mit Frankreich, das sich während des Siebenjährigen Krieges zu einer Offensivallianz entwickelte. Im Krieg gegen Preußen standen die beiden Länder erstmals auf derselben Seite.

Der habsburgisch-französische Gegensatz, dessen erster Keim im Jahr 1477 durch eine Fürstenhochzeit gelegt worden war, wurde fast 300 Jahre später durch eine weitere Heirat symbolisch beendet, durch jene zwischen dem französischen Thronfolger und späteren König Ludwig XVI. und der Tochter Kaiserin Maria Theresias, Marie Antoinette. Beide sollten während der Französischen Revolution ihr Leben verlieren, mit der – unter gänzlich anderen Vorzeichen - ein weiteres Kapitel deutsch-französischer Konflikte begann. In ihrem Verlauf sollten im 19. Jahrhundert nationalistische Kreise den rein machtpolitisch und dynastisch motivierten habsburgisch-französischen Gegensatz als Ursprung der sogenannten „Erbfeindschaft“ zwischen Deutschland und Frankreich deuten.

Durch den Wiener Kongress von 1815 wurde Frankreichs militärische Dominanz in Europa endgültig gebrochen, zugunsten einer, sich seit dem Pariser Frieden 1763 abzeichnenden, Pentarchie.

Literatur

  • Matthew S. Anderson: The origins of the modern European state system 1494-1618, London, New York 1998
  • Francois Bondy u. Manfred Abelein: Deutschland und Frankreich. Geschichte einer wechselvollen Beziehung, München 1984 ISBN 3-430-11001-7
  • Heinz Durchhardt: Gleichgewicht der Kräfte, Convenance, Europäisches Konzert, Friedenskongresse und Friedensschlüsse vom Westfälischen Frieden bis zum Wiener Kongress; (1976)
  • Eduard Fueter: Geschichte des europäischen Staatensystems von 1492-1559, München 1919 (Neudruck 1972)
  • Esther-Beate Körber: Habsburgs europäische Herrschaft. Von Karl V. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, Darmstadt 2002
  • Ilja Mieck: Europäische Geschichte der Frühen Neuzeit, Stuttgart 1998
  • Lothar Schilling: Kaunitz und das Renversement des alliances. Studien zur außenpolitischen Konzeption Wenzel Antons von Kaunitz (Historische Forschungen, 50), Berlin 1994
  • Jörg Ulbert (Hrsg.): Formen internationaler Beziehungen in der Frühen Neuzeit. Frankreich und das Alte Reich im europäischen Staatensystem. Festschrift für Klaus Malettke zum 65. Geburtstag (Historische Forschungen, 71), Berlin 2001

 

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Schleswig

Schleswig, niederdeutsch: Sleswig, dänisch: Slesvig) ist eine Stadt im Norden Schleswig-Holsteins an der Schlei. Sie ist Kreisstadt des Kreises Schleswig-Flensburg. Der Stadtname kommt aus dem Altnordischen und bedeutet Bucht der Schlei oder Hafen der Schlei.[2]

Geographie

Die Stadt liegt am westlichen Ende der Schlei, welche die Grenze der beiden Halbinseln Angeln und Schwansen bildet, und damit am westlichen Rand des Schleswig-Holsteinischen Hügellandes am Übergang zur Geest. Das Stadtgebiet umfasst Höhenlagen von 0 bis 20 m ü. NN. In der Stadt liegt der Brautsee.

Die nächsten größeren Städte sind Flensburg, Husum und Kiel. In unmittelbarer Nähe verläuft die Autobahn 7. In Schleswig enden die Bundesstraßen 76 und 77, im Norden der Stadt verläuft die B 201. Der Schleswiger Bahnhof ist Haltepunkt für IC- und ICE-Züge und liegt an den Bahnstrecken Hamburg–Neumünster–Flensburg und Husum–Kiel.

Momentan entsteht im Osten der Stadt ein neuer Stadtteil an der Stelle, wo sich die „Kaserne auf der Freiheit“ befunden hat. 2008 fand auf den Königswiesen an der Schlei die erste Landesgartenschau Schleswig-Holsteins statt. Das Gelände wird als Stadtpark weitergenutzt.

Klima

Das Klima ist feuchtgemäßigt und ozeanisch geprägt. Die Temperatur beträgt im Jahresmittel 8° C, die Niederschlagsmenge 814 mm.

Geschichte

Mittelalter

Schleswig wurde im Jahre 804 erstmals als Sliasthorp erwähnt und feierte im Jahr 2004 sein 1200-jähriges Jubiläum. Die Endung thorp verweist darauf, dass es sich um eine Nebensiedlung handelt.

Die Haithabu genannte Siedlung am Haddebyer Noor wurde von König Gudfred (Göttrik) 808 zum Handelsplatz ausgebaut und 1066 von Slawen zerstört. Die Frage, ob die Keimzellen der gegenüberliegenden heutigen Stadt Schleswig erst nach der Zerstörung von Haithabu gegründet wurden oder schon einige Jahre Bestand hatten, wird bislang in der Forschung kontrovers diskutiert. Jedenfalls übernahm das mittelalterliche Schleswig das Erbe Haithabus als bedeutendste Drehscheibe des nordeuropäischen Handels mit dem schon seit der Wikingerzeit bestehenden Westhafen bei Hollingstedt.

Gegen 900 erobern die schwedischen Wikinger unter ihrem König Olaf das Gebiet. 934 schlägt der ostfränkische König Heinrich I. der Vogler Olafs Sohn Knut I. und macht Haithabu tributpflichtig. Kaiser Otto I. gründet 947 das Bistum Schleswig. Im Jahre 983 erobert der dänische König Harald Blauzahn das Gebiet zurück.

Der Chronist Adam von Bremen berichtete schon im Jahr 1076 ausführlich über die Bedeutung Haithabus und Schleswigs. So wurde unter Erzbischof Adalbert von Bremen in Schleswig eine Synode abgehalten, zu der Vertreter aus ganz Nordeuropa eingeladen waren. Die ersten Bischöfe Schleswigs waren Harald (Haroldus), Poppo und Rodolphus.

Für das Jahr 1134 wird von Saxo Grammaticus der Dom erwähnt. Er berichtet, dass sich der dänische König Niels vor den Brüdern der St. Knudsgilde in den Dom flüchten wollte, aber erschlagen wird, weil er 1131 den Herzog Knud Lavard, den Sohn seines älteren Bruders Erik Ejegod, töten ließ.

Die Residenz der Bischöfe war eine Burg, die heute unter dem Schloss Gottorf liegt und zuerst im Jahre 1161 erwähnt wurde, als der Schleswiger Bischof Occo nach der Zerstörung seiner nordwestlich von Schleswig gelegenen Burg Alt-Gottorf seinen Sitz auf die Schlossinsel verlegte. Besitz des Bischofs blieb die Burg bis zum Jahre 1268, danach kam sie im Tausch für die Burg Schwabstedt an die Herzöge von Schleswig und ging 1340 an die in Holstein regierenden Schauenburger Grafen über. Schleswig hatte inzwischen seine Rolle als überregionale Handelsmetropole des Nordens an Lübeck abtreten müssen, war zu dieser Zeit aber noch immer ein Handelsplatz von regionaler Bedeutung, doch ging die regionale Vorrangstellung im Laufe der Zeit auf Flensburg über.

1486 erscheint das von dem Drucker Steffen Arndes gesetzte Messbuch Missale Slesvicense für das Stift in Schleswig als bedeutender norddeutscher Frühdruck.

Neuzeit

alle der zahlreichen Kirchen und Klöster der Stadt. Teilweise wurden sie „in überschäumendem Glaubenseifer gewostet“, d. h. bis auf die Fundamente abgebrochen, was sich bei Ausgrabungen der Maria-Magdalena-Kirche des Dominikanerklosters sehr deutlich zeigte.Stadtansicht Schleswigs um 1600 von Braun Hogenberg  -  Für eine größere Ansicht bitte auf das Bild klicken

Nach der Landesteilung der Herzogtümer Schleswig und Holstein 1544 wurde Schloss Gottorf Residenz der Herzöge von Schleswig-Holstein-Gottorf. Diese blieben der dänischen Krone zunächst eng verbunden, im 17. Jahrhundert führten sie jedoch eine zunehmend eigenständige Politik. Nach dem Großen Nordischen Krieg fielen die Gottorfer Anteile des Herzogtums Schleswig wieder an den dänischen König (1721). Nach dem Verlust der Residenzfunktion wurde das Schloss Sitz des Obergerichts, der Regierungs- und Justizbehörde für das gesamte Herzogtum. 1843 wurden Regierung und Gericht getrennt und die schleswigsche Ständeversammlung wurde wieder eingerichtet. Als Tagungsraum diente der Ständesaal des Rathauses. Neben der Funktion als Behördensitz war Schleswig in erster Linie eine Ackerbürgerstadt. 1711 wurden die beiden Vorstädte Lollfuß und Friedrichsberg eingemeindet.

Ab 1840 wurde der deutsch-dänische Konflikt das beherrschende Thema in der Stadt, deren Bürger sich überwiegend auf die Seite der deutschen Schleswig-Holsteiner stellten. 1848 brach der Bürgerkrieg aus, in dem es am 23. April 1848 zur Schlacht bei Schleswig kam. Nach dem Ende der Kampfhandlungen 1850 wurden die Behörden innerhalb der dänischen Monarchie neu geordnet. Schleswig verlor sämtliche herzoglichen Behörden.

Nach dem Deutsch-Dänischen Krieg 1864 wurden die Herzogtümer Schleswig und Holstein zunächst gemeinsam von Preußen und Österreich als Kondominium verwaltet. Nach der Gasteiner Konvention 1865 gerieten Stadt und Herzogtum Schleswig unter preußische Verwaltung, bevor sie nach dem Deutschen Krieg 1866 von Preußen annektiert wurden. Die Stadt Schleswig löste von 1879 bis 1917 Kiel als Sitz des Oberpräsidenten und Hauptstadt der Provinz Schleswig-Holstein ab. Mit der 1946 von der britischen Militärregierung betriebenen Umwandlung Schleswig-Holsteins von einer preußischen Provinz zum deutschen Bundesland wurde Kiel Landeshauptstadt. Als Ausgleich für den Verlust der politischen und administrativen Funktionen wurde Schleswig nach dem Zweiten Weltkrieg Sitz des Oberlandesgerichts, des Landesarchivs, des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte und des Archäologischen Landesmuseums. Schleswig ist heute kulturelles Zentrum des Landesteils Schleswig.

Wappen

Blasonierung: „In Blau über blauen und silbernen Wellen auf torloser goldener Zinnenmauer ein goldener Zinnenturm, den eine zugewendete goldene Mondsichel und ein sechsstrahliger goldener Stern begleiten.“[3]

Flagge

Blasonierung: „Die Stadtflagge ist blau-gelb.“[4]

Die Farben blau-gelb entsprechen denen des Herzogtums Schleswig (siehe auch: Schleswigsche Löwen).

Die Schleswiger Flagge ist nicht in der Kommunalen Wappenrolle Schleswig-Holstein eingetragen.

Religionen

Die überwiegende Mehrheit der Schleswiger ist evangelisch-lutherisch. Daneben finden sich Gemeinden der katholischen Kirche, der evangelisch-lutherischen dänischen Kirche, Jehovas Zeugen und freie Gemeinden.

Kirchen

  • Dom (ev.)
  • Dreifaltigkeitskirche (ev.)
  • Michaeliskirche (ev.)
  • Pauluskirche (ev.)
  • Auferstehungskirche (ev.)
  • Evangelisch freikirchliche Gemeinde (Baptisten)
  • Ansgarkirche (kath.)
  • Ansgarkirke (ev. dänisch)
  • Neuapostolische Kirche
  • Immanuel-Gemeinde (ev. freikirchl.)
  • Charismatische Gemeinschaftskirche (ev. Freikirche)
  • Kapelle der Baptisten in Schleswig
  • Landeskirchliche Gemeinschaft (ev.)

Klöster

  • St. Michaelis auf dem Berge (vor 1140–1192), Benediktiner-Doppelkloster
  • St.-Johannis-Kloster vor Schleswig (1194), Benediktinerinnenkloster, seit 1536 Frauenstift
  • Graukloster (1234–1517, eigentlich Kloster St. Paul), Franziskanerkloster
  • St. Maria Magdalena (1235–1528/29), Dominikanerkloster

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Sehenswürdigkeiten

Der Schleswiger Dom St. Petri beherrscht das Bild der Stadt schon von weitem. Sein Turm ist jedoch erst 100 Jahre alt. Er steht in der Altstadt, die ihr altertümliches Bild weitgehend bewahren konnte. Ihr Zentrum ist der Rathausmarkt mit dem Rathaus und seinem alten Ständesaal. Das Rathaus entstand 1794 im klassizistischen Stil durch Umbau des alten Grauklosters, dessen mittelalterliche Reste noch deutlich an der Rückseite des Gebäudes erkennbar sind. Es wurde im Mai 2005 bei einem Brand beschädigt. Vom Rathausmarkt führt die Lange Straße zum Gallberg und darüber hinaus zum Kornmarkt, wo die Einkaufsstraße Schleswigs beginnt. Dieser erstreckt sich am Nordufer der Schlei und geht in den Stadtteil Lollfuß über, wo neben vielen Kleinbürgerhäusern vor allem das heutige Amtsgericht und das so genannte Präsidentenkloster sehenswert sind.

Im Osten der Altstadt liegt die Fischersiedlung Holm mit einem geschlossen erhaltenen Bestand alter Fischerhäuser. Am Ende der Süderholmstraße befindet sich das alte St.-Johannis-Kloster vor Schleswig mit einem Bibelmuseum.

Etwas außerhalb liegt Schloss Gottorf, heute Sitz der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen. Das Schlossgebäude selbst kann auf eine über 800-jährige Baugeschichte zurückblicken. Nördlich des Schlosses schließt sich der barocke Neuwerkgarten an, der seit 2004 restituiert wird. Darin liegt das 2005 errichtete Globushaus mit einem Nachbau des Gottorfer Riesenglobus. Nordöstlich des Gartens liegt das Volkskunde Museum Schleswig.

Gegenüber dem Schloss befindet sich der zwischen 1876 und 1878 erbaute Sitz der früheren preußischen Provinzialregierung. Im Volksmund Roter Elefant genannt, bildet es auch optisch ein Pendant zum Schloss. Hier entwarf der erste preußische Regierungspräsident im Auftrag des Reichskanzlers Otto von Bismarck die Reichsversicherungsordnung. Heute ist es Sitz des Oberlandesgerichtes, früher war auch das Oberversicherungsamt dort untergebracht.

Ebenfalls südlich des Schlosses beginnt der Stadtteil Friedrichsberg mit dem 85 Meter hohen Wikingturm von 1973, von dem man eine herrliche Aussicht über die Stadt hat. Weitere Sehenswertigkeiten sind das Stadtmuseum im Günderothschen Hof, das Prinzenpalais (heute Sitz des schleswig-holsteinischen Landesarchivs), die Friedrichsberger Dreifaltigkeitskirche und einige Seitenstraßen des Stadtteils.

Am Südufer der Schlei sind die Wallanlagen der alten Wikingerstadt Haithabu zu erkennen. Dort liegt auch das Wikinger-Museum.

Parks

Im Jahre 2008 wurden die Königswiesen als Zentralfläche für die erste Landesgartenschau Schleswig-Holsteins modernisiert. Die ca. 16 ha großen Königswiesen, die sich direkt am Nordufer der Schlei befinden, werden von der Bevölkerung weiterhin als Stadtpark genutzt.

Museen

Die Stadt Schleswig ist Standort einer Reihe von Museen. Unter anderem hat die Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf ihren Sitz in Schleswig. Im Schloss sind das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte und das Archäologisches Landesmuseum untergebracht. Auf dem Hesterberg liegt das Volkskunde Museum Schleswig, das Stadtmuseum befindet im Günderothschen Hof, das Museum für Outsiderkunst im Präsidentenkloster. In der Fischersiedlung Holm gibt es ein Holm-Museum. Vor den Toren der Stadt befinden sich das Wikinger-Museum Haithabu in Busdorf (Ortsteil Haddeby) und das von der dänischen Minderheit getragene Danewerkmuseum (Danevirkegården) in Groß Dannewerk. Besonders für Familien mit Kindern ist das Teddy-Bär-Haus auf dem Areal des Stadtmuseums in der Schleswiger Friedrichstraße (OT Friedrichsberg) zu empfehlen. Im Präsidentenkloster am Stadtweg befinden sich zudem die Ostdeutschen Heimatstuben, in denen die Vertriebenenverbände an die ehemaligen deutschen Ostgebiete erinnern.

Theater

Das Schleswig-Holsteinische Landestheater und Sinfonieorchester ist die größte Landesbühne Deutschlands. Es geht regelmäßig auf Tournee durch das westliche Schleswig-Holstein.

Büchereien

In Schleswig existieren eine deutsche Stadtbibliothek und eine dänische Bücherei.

Kunst

Von Mai bis Oktober 2008 wurde auf der Bucht der Schlei eine Kunstinstallation, Spiegel unserer Zeit in der Galerie auf der Schlei gezeigt. Sie wurde von der Stadt Schleswig und dem Kunst- und Kulturteam Erfundenes Land organisiert. Neun Künstler setzten sich hierbei mit den Themen des Wassers und der Klimaveränderung in Gedichtform und Objektkunst auseinander.

Sprachen

In Schleswig werden Hochdeutsch, Niederdeutsch (als Schleswigsch, Angeliter Platt) und Dänisch (vorwiegend als Sydslesvigdansk) gesprochen, bis Mitte des 19. Jahrhunderts auch Sønderjysk („Plattdänisch“).

Wirtschaft und Infrastruktur

Die Stadt Schleswig verfügt kaum über nennenswerte Industriebetriebe. Im Norden der Stadt befindet sich ein größeres Gewerbegebiet. Der Fremdenverkehr hat einige Bedeutung, und es gibt etwas Küstenfischerei. Zahlreiche Rechtsanwälte haben sich an dem Gerichtssitz niedergelassen. Schleswig ist Sitz der VR Bank Flensburg-Schleswig.

Verkehr

Schleswig liegt an der Autobahn 7. Anschluss in die Stadt besteht über die Anschlussstellen Schleswig/Schuby Nr. 5 sowie Schleswig/Jagel Nr. 6.

Der Bahnhof Schleswig liegt an der Bahnstrecke Neumünster–Flensburg. Nach der Annexion des Landes Schleswig durch Preußen 1867 wurde diese Bahnstrecke durch Umstrukturierung des übernommenen Bahnnetzes erbaut und Schleswig erhielt seinen Bahnhof an der neuen Staatsbahnstrecke. Die Bahnstrecke wurde jetzt umgebaut, sodass die Distanz zwischen Schleswig-Flensburg-Husum deutlich verkürzt wurde. In Zukunft ist geplant die Strecke nach Hamburg über Kiel umzubauen, als gewöhnlich über Neumünster.

Des Weiteren stellte die Schleswiger Kreisbahn bis zu ihrer Einstellung die Verbindung mit Friedrichsstadt im Südwesten sowie Kappeln und Satrup im Nordosten her. Als weitere Verbindung von der Altstadt zum Bahnhof Schleswig diente von 1890 bis 1936 eine Straßenbahn, die ab 1910 elektrisch angetrieben wurde.

Medien

Regionale Tageszeitung Schleswigs sind unter anderem die Schleswiger Nachrichten. Die dänischsprachige Tageszeitung Flensborg Avis hat ebenfalls eine lokale Redaktion in der Stadt. Besondere Bedeutung haben zudem die Kieler Nachrichten. Im nahen Flensburg betreibt der Norddeutsche Rundfunk ein Fernseh- und Hörfunkstudio, in dem Beiträge aus der Region produziert werden. Die in Schleswig am meisten gehörten Radioprogramme sind Radio Schleswig-Holstein (RSH) sowie die NDR 1 Welle Nord des NDR. Die Angehörigen der dänischen Minderheit nutzen zudem die hier zu empfangenen dänischen Fernsehsender DR I und TV Syd.

Partnerstädte

  • London Borough of Hillingdon (Vereinigtes Königreich), seit 1958
  • Mantes-la-Jolie (Frankreich), seit 1958
  • Vejle (Dänemark), seit 1977
  • Waren (Deutschland, Mecklenburg-Vorpommern), seit 1990

Öffentliche Einrichtungen

Gerichte

In Schleswig befinden sich außer dem Amtsgericht, mit dem für Schleswig-Holstein zuständigen zentralen Mahngericht, auch das Oberlandesgericht, das Landessozialgericht, das Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht des Landes Schleswig Holstein, sowie das Sozialgericht Schleswig. Seit 1. Mai 2008 ist die Stadt zudem Sitz des neu eingerichteten Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgerichts.

Schulen

  • Grundschulen
    • Bugenhagenschule (Friedrichstraße 103)
    • Schule Nord (Schützenredder 16)
    • St.-Jürgen-Schule (Erlenweg 2)
    • Wilhelminenschule (Lutherstraße 11)
  • Hauptschulen
    • Gallbergschule (Gallberg 47)
    • Bugenhagenschule (Friedrichstraße 103)
    • Schule Nord (Schützenredder 16)
  • Gemeinschaftsschulen
    • Dannewerkschule (Erikstraße 50)
  • Realschulen
    • Bruno-Lorenzen-Schule (Spielkoppel 6)
  • Gymnasien
    • Domschule (Königsstraße 17a)
    • Berufliches Gymnasium des Kreises Schleswig-Flensburg / [inoffiziell] Gymnasium am Fürstengarten (Flensburger Straße 19b)
    • Lornsenschule (Michaelisallee 1)
  • Dänische Schulen
    • Gottorp Skolen (Grund- und Hauptschule, Erdbeerenberg 32)
    • Hiort Lorenzen-Skolen (Grund- und Realschule, Königsberger Straße 3)
    • A. P. Møller-Skolen (Dänisches Gymnasium, ab 2008, Auf der Freiheit)
  • Förderschulen
    • Pestalozzischule (Lutherstraße 9)
    • Peter-Härtling-Schule (Holzredder 12)
    • Schule Hesterberg (Friedrich-Ebert-Straße 5)
    • Landesförderzentrum Hören, Georg Wilhelm Pfingsten Schule (Lutherstraße 14)
    • Landesförderzentrum Sehen, (Lutherstraße 14)
  • Berufsschulen
    • Berufsbildungszentrum Schleswig (kurz BBZ, Flensburger Straße 19b)
    • Schulzentrum für Gesundheitsberufe Schleswig (Am Damm 1)
  • Sonstige Schulen
    • Erzieherfachschule
    • Landwirtschaftsschule
    • Kreismusikschule Schleswig-Flensburg

Die nächsten Universitäten befinden sich in Kiel und Flensburg.

Persönlichkeiten

Söhne und Töchter der Stadt

  • Ansverus, Benediktinermönch und Heiliger
  • Waldemar Augustiny, Schriftsteller
  • Friedrich Georg Wieck, Schriftsteller und Industrieller
  • Bernhard Wieck (1845–1913), Ingenieur, Direktor der Berliner Grundrentengesellschaft, erster Amts- und Gemeindevorsteher von Grunewald
  • Herman Wilhelm Bissen, dänischer Bildhauer des Klassizismus, Thorvaldsen-Schüler
  • Karl Nikolai Jensen Börgen, deutscher Astronom
  • Ulrich von Brockdorff-Rantzau, erster Außenminister der Weimarer Republik
  • Johann von Bruyn, dänischer Major, Oberlandinspektor (Landreformer)
  • Jan-Ingwer Callsen-Bracker, Fußballprofi
  • Asmus Jakob Carstens, Maler des Klassizismus
  • Johannes Christiansen (1809–1854), Rechtsgelehrter
  • Hans-Otto de Boor, Rechtswissenschaftler
  • Fritz Engelke (eigentlich Friedrich Engelke), lutherischer Theologe und 1934/35 „Vikar der Deutschen Evangelischen Kirche“
  • Friedrich von Eyben, Jurist, Diplomat und Kanzler der königlich dänisch-holsteinischen Regierung in Glückstadt
  • Anton Franzen, braunschweigischer Landesminister
  • Manfred Hansen (1928–1987), Staatsanwalt und Politiker (SPD)
  • Ludvig Harboe (1709–1783), evangelisch-lutherischer Bischof in Island, Norwegen und Dänemark
  • Hermann Heiberg, deutscher Schriftsteller
  • Victor Hensen, Meeresbiologe
  • Jobst Hirscht, deutscher Leichtathlet
  • Klaus Jepsen, deutscher Schauspieler und Synchronsprecher
  • Heinz Kruse, deutscher Opernsänger
  • Hans Kudszus, deutscher Aphoristiker
  • Claudia von Lanken, deutsche Fußballtrainerin
  • Volker Lemke (* 1942), Jurist und Politiker (CDU)
  • Carl von Lorck, Jurist und Kunsthistoriker
  • Heinrich Marquardsen, Rechtswissenschaftler und Politiker
  • Heinz Marten, deutscher Oratorien-Tenor und Liedersänger
  • Heinrich Philippsen, schleswig-holsteinischer Heimatforscher
  • Hermann-Bernhard Ramcke, Generalleutnant im Zweiten Weltkrieg, wegen Kriegsverbrechen in Frankreich verurteilt
  • Christian Redl, Filmschauspieler
  • Friedrich Graf von Reventlou, schleswig-holsteinischer Politiker
  • Bernhard Rogge, deutscher Admiral
  • Ralf Rothmann, deutscher Schriftsteller
  • Edward Selig Salomon, Brigadegeneral im Amerikanischen Bürgerkrieg (Sezessionskrieg), Gouverneur des Territoriums Washington (1870–1872)
  • Erasmus Sartorius, deutscher Komponist, Organist, Musikschriftsteller und Poet
  • Hans von Seeckt, Militär
  • Hans-Hermann Tiedje, deutscher Journalist
  • Sibylle Weischenberg, Journalistin und Medien-Expertin
  • Jannpeter Zopfs, Richter am deutschen Bundesgerichtshof

In Schleswig aufgewachsen, aber in anderen Orten geboren sind

  • Jürgen Drews, deutscher Schlagersänger
  • Kay Nehm, deutscher Jurist, ehemaliger Generalbundesanwalt
  • Heinrich Schafmeister, deutscher Sänger und Schauspieler
  • François Smesny, deutsch-französischer Schauspieler
  • Lone Fischer, deutsche Handballerin
  • Mit Schleswig verbunden sind
  • Carl Gottlieb Bellmann, Organist und Komponist des Schleswig-Holstein-Lieds
  • Matthäus Friedrich Chemnitz, Jurist und Texter des Schleswig-Holstein-Lieds
  • Friedrich Karl Gotsch, Maler und Grafiker, Friedrich Karl Gotsch-Stiftung, Schloss Gottorf
  • Adam Olearius, deutscher Schriftsteller, Diplomat und Forschungsreisender
  • Friedrich Ernst Peters (1890–1962), deutscher Schriftsteller und Direktor der Landesgehörlosenschule in Schleswig (1946–1955)

Sonstiges

Am 8. Januar 2004 gab die Deutsche Post anlässlich des 1200jährigen Bestehens von Schleswig eine Sondermarke mit dem Nennwert 55 Cent heraus. Sie zeigt Motive aus der Geschichte sowie bedeutende Bauwerke der Stadt.

Literatur

  • Heinrich Philippsen: Kurzgefasste Geschichte der Stadt Schleswig und der Schleswiger Knudsgilde, Schleswig 1926
  • Joachim Skierka: Schleswig in der Statthalterzeit 1711–1836
  • Theo Christiansen: Schleswig 1836–1945
  • Theo Christiansen: Schleswig und die Schleswiger 1945–1962
  • Theo Christiansen: Schleswig 1945–1968, Fotodokumentation
  • Torsten Schulze: Schleswig – wie es war, Droste-Verlag Düsseldorf, 1996
  • Reimer Pohl: Straßen in Schleswig
  • Volker Vogel: Schleswig im Mittelalter, Archäologie einer Stadt
  • Oliver Bruhns: Schleswiger Stadtgeschichten. In: Reimer Witt / Oliver Bruhns: 1200 Jahre Schleswig, hrsg. vom Lions-Club Schleswig, 2006

Quellen

  1. ↑ Statistikamt Nord: Bevölkerung in Schleswig-Holstein am 31. März 2010 nach Kreisen, Ämtern, amtsfreien Gemeinden und Städten (PDF-Datei; 500 kB) (Hilfe dazu)
  2. ↑ Bzw. „Schlei-Bucht oder Schlei-Hafen“. Vgl.: Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte: Praehistorische Zeitschrift. de Gruyter, Berlin 1930, S. 259.
  3. ↑ Kommunale Wappenrolle Schleswig-Holstein
  4. ↑ Hauptsatzung der Stadt Schleswig
  5. Unterlagen der Stadtverwaltung Schleswig, Hauptamt

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